www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 1 of 6 Metrische, normierte und topologische Räume 1. Metrik, Norm und das Skalarprodukt Toplogische Eigenschaften spielen insbesondere in der Analysis eine wichtige Rolle. Die Topologie ist neben der Maßtheorie Grundlage für das Messen überhaupt. Deshalb induzieren sich in natürlicher Art aus der Topologie heraus Begriff wie Skalarprodukt, Norm und Metrik. Wir werden den intuitiven Weg beschreiten, und beginnen bei der mathematischen Formulierung des Abstandsbegriffes. Definition: Sei X eine nichtleere Menge. Eine Funktion d:X × X → \ heißt Metrik (oder Distanzfunktion) auf X, und (X,d) heißt metrischer Raum, wenn für alle x,y,z ∈ X die Beziehungen (i) (ii) (iii) d(x,y) ≥ 0 und d(x,y)=0 ⇔ x=y d(x,y) = d(y,x) d(x,y) ≤ d(x,z) + d(z,y) (Definitheit) (Symmetrie) (Dreiecksungleichung) gelten. , Beispiel: Es sei d: \ × \ → \ mit d(x,y):=|x-y|, wobei |.| die Betragsfunktion ist, dann ist d eine Metrik auf \ . Der Nachweis ist denkbar einfach, denn der Betrag der Differenz zweier Zahlen ist stets >0, außer die Differenz ist gleich 0, d.h. x=y. Das die Dreiecksungleichung für den Betrag gilt ist offensichtlich, und kann bspw. durch Fallunterscheidungen nachgewiesen werden. , Bemerkung 1.1: Bei einer Metrik will man also ein „vernünftiges“ Abstandskonzept definieren. Motiviert man den Abstand an der Alltags-Erfahrung, so ist es mehr oder weniger plausibel, dass der Abstand zwischen zwei Punkten eine nichtnegative reelle Zahl ist (positiv Definit). Der Abstand unabhängig von der Reihenfolge definiert ist (Symmetrie). Ob ich die Entfernung von München nach Hamburg oder von Hamburg nach München bestimme ist irrelevant. Umwege führen zu längeren Wegen (Dreiecksungleichung). , Die prominentesten Vertreter metrischer Räume sind wohl \n (n ∈ ` ) und ^ \2 mit den sog. A p-Metriken. Es seien x=(x1, …, xn), y=(y1, …, yn) ∈ \n : ⎛ n p⎞ d(x, y) := x − y p := ⎜ ∑ xi − yi ⎟ ⎝ i=1 ⎠ 1 p . Im einfachen reellen Fall A 1 definiert man die Abstandsfunktion auf \ durch d: \ × \ → \ , (x, y) 6 d(x,y):= |x-y|, wobei |.| natürlich die Betragsfunktion ist. Diese elementar(st)e Metrik ist von großer Bedeutung, denn fast alle Metriken machen von den Eigenschaften dieser Metrik und insbesondere der Betragsfunktion gebrauch. Ist (X,d) ein metrischer Raum, so auch jede Teilmenge M ⊆ X. Die so entstehende Metrik heißt die durch i ∈ X und recycelt diesen durch (X,d) induzierte Metrik. Man merkt sich den Abstand zweier Punkte m, m die neue induzierte Metrik auf dem Teilraum. Man sieht, dass sich die Metrik-Eigenschaften intuitiv auf einen Teilraum übertragen lassen. Eng verwandt mit der Metrik ist die sogn. Norm. Wie wir sehen werden ist die denkbar einfachste Norm die Betragsfunktion. www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 2 of 6 Definition: (Norm, normierter Raum) :X → \ , x 6 x heißt eine Norm auf X, und (X, Sei X ein reeller Vektorraum. Eine Funktion heißt ein normierter Vektorraum, falls für alle x,y ∈ X die Beziehungen (i) (ii) (iii) x >0, falls x ≠ 0 αx = α x für alle α ∈ \ x+y ≤ x + y ) (Definitheit) (positive Homogenität) (Dreiecksungleichung) gelten. , Beispiel: Es sei . : \2 → \2 mit x = (x1 , x2 ) :=[(x1)2 +(x2)2]1/p. Dann ist . eine Norm, welche wir euklidische Norm nennen werden. Der Nachweis nutzt natürlich die Eigenschaften der quadratischen Funktion und der Wurzelfunktion aus. , Bemerkung 1.2: Normen bilden einen Punkt aus einem reellen Vektorraum nach \ ab. Dagegen bildet eine Metrik aus einer nichtleeren aber ansonsten beliebigen Menge X das Punktepaar (x, y) nach \ ab. Dennoch haben Sie bis auf die positive Homogenität und Symmetrie ähnliche Eigenschaften. Dies ist kein Zufall, wie wir feststellen werden. , Ein weiterer sehr wichtiger Satz stellt die Beziehung zwischen Metrik und Norm her. Satz 1.3 (Norm und Metrik) Sei (X, ) ein normierter Raum. Dann wird durch d(x,y) := x − y , x,y ∈ X eine Metrik auf X definiert. Diese Metrik heißt die von der Norm induzierte oder erzeugte Metrik. Entsprechend zu den A p-Metriken existieren auch A p-Normen. Es seien x=(x1, …, xn), y=(y1, …, yn) ∈ \n : 1 p ⎛ n p⎞ x p := ⎜ ∑ xi ⎟ ⎝ i=1 ⎠ sind dann für alle p ∈ ` Normen erklärtwobei man die Maximum-Norm als Grenzfall für p → ∞ aufassen kann [Beweis mit Hilfe des Sandwich-Lemmas und der Äquivalenz: (max|xi|1/p) ≤ x p ≤ (n ⋅ max|xi|1/p)]. Mit Hilfe des Satzs 1.3 ist der Zusammenhang zwischen den A p-Metriken und den A p-Normen evident. Skiziert man sich den Einheitskreis mit Hilfe der unterschiedlichen A p- Normen, setzen wir also x p = 1 im \2 , so erhalten wir nebenstehende Skizze. Betrachtet man den Abstand vom Nullpunkt (d.h. vom Nullvektor) von einer durch eine Norm induzierten Metrik, so erhält man gerade d(x,0)= x − 0 = x , die Norm von x. D.h. man kann die Norm als Abstandsmessung eines Vektors x zum Nullvektor auffassen. www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 3 of 6 Dies hat weitreichende Konsequenzen. In einem normierten Vektorraum impliziert jede Norm eine Metrik mit d(x,y) := x − y , d.h. jeder normierte Raum ist auch ein metrischer Raum. Die Umgekehrung ist im Allgemeinen falsch, dies erkennt man schon an den Vorraussetzungen der Definitionen, da X nicht einmal notwendig ein Vektorraum sein muss. Es existieren also Metriken, die nicht aus einer Norm induziert werden können: Sei d(x, y) eine Metrik, dann ist d*(x,y):= d(x,y)/(1+d(x,y)) nicht von einer Norm induzierbar. Eine ähnliche Beziehung kann man zwischen einem Skalarprodukt und der Norm herstellen. Dazu definieren wir zuerst das Skalarprodukt. Definition: (Skalarprodukt, unitärer und euklidischer Vektorräume) Sei V ein Vektorraum über \ (oder ^ ). Eine Abbildung ⋅, ⋅ : V x V Æ \ (oder ^ ) mit den Eigenschaften: (i) (ii) (iii) Sesquilinearität Hermitesche Symmetrie Positver Definitheit bezeichnet man als Skalarprodukt oder inneres Produkt und das Paar (V, ⋅, ⋅ ) als euklidischen (oder unitären) Vektorraum. , Wir gehen an dieser Stelle nicht genauer auf die Eigenschaften des Skalarproduktes ein; diese Untersuchungen sind Teil der Linearen Algebra. Satz (Norm und Skalarprodukt) In einem unitären Vektorraum V lässt sich durch x 2 := x, x , x ∈ V, eine Norm einführen. Man sagt auch, dass die Norm . 2 durch das Skalarprodukt ⋅, ⋅ induziert wird. Analoges gilt für den Fall n>2 nicht! Jeder Vektorraum mit Skalarprodukt (Innenproduktraum) ist mit der mit dem Skalarprodukt induzierten Nrom ein normierter Raum und somit auch ein metrischer Raum. Eine Norm kann, muss aber nicht durch ein Skalarprodukt <.,.> definiert sein, d.h. auch hier ist die Umkehrung im Allgemeinen falsch. Mit Hilfe der Parallelogrammungleichung kann man z.B. schnell feststellen, ob eine Norm durch ein Skalarprd. induziert werden kann oder nicht. Wir veranschaulichen die Zusammenhänge in folgender Skizze: Metrik (Abstand) induziert Norm induziert Skalarprodukt - Positiv definit Sesquilinear Hermitesche Symmetrie - Positiv definit Absolute Homogenität Dreiecksungleichung Positiv definit Symmetrie Dreiecksungleichung www.mathematik-netz.de 2. © Copyright, Page 4 of 6 Topologische Eigenschaften Eine topologische Invariante bzw. topologische Eigenschaft ist in der Topologie eine gemeinsame Eigenschaft topologischer Räume, die zueinander homöomorph sind. Da Homöomorphismen in der Topologie die ausgezeichneten Äquivalenzrelationen sind, können Räume mittels topologischer Invarianten unterschieden werden. Die Topologie kommt ohne folgende Begriffe, welche mit Hilfe einer Metrik erklärt werden nicht aus. Definition: ( ε -Umgebungen) Sei (X, d) ein metrischer Raum. (i) Sei a ∈ X und ε∈\ mit ε >0 gegeben , so heißt Uε (a) := {x ∈ X | d(x,a)< ε } die (ii) , ε -Umgebung von a (in (X,d)). Sind a ∈ X und U ⊂ X gegeben, so heißt U Umgebung von a (in (X,d)), wenn es ein Uε (a) ⊂ U gibt. ε >0 mit Tragende Elementarbegriffe der Analysis sind u.a. die Konvergenz von Zahlenfolgen und die Stetigkeit von Funktionen. Beide Begriffe werden mit Hilfe von ε -Umgebungen –also durch Lagebeschreibungendefiniert. Dasselbe gilt für die Konvergenz und die Stetigkeit in normierten Räumen. Andere Begriffe die mit Hilfe einer ε -Umgebung in \ oder allgemeiner in normierten (und damit metrischen) Räumen charakterisiert wurden, sind offene, abgeschlossene und kompakte Mengen, isolierte Punkte, innere Punkte und Häufungspunkte. Da Topologien mittels ε -Umgebung (offenen Mengen) charakterisiert werden können, ist es offensichtlich, dass Eigenschaften wie Offenheit, Abgeschlossenheit, Kompaktheit oder Metrisierbarkeit topologische Eigenschaften sind. Dagegen ist die Beschränktheit keine topologische Eigenschaft. Zwei wichtige Konvergenztypen entziehen sich allerdings dem Einfluss der und die gleichmäßige Konvergenz einer Funktionenfolge. ε -Umgebung, die punktweise In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass ein normierter Raum in wohlbestimmten Sinne auch ein metrischer Raum ist, nämlich mit der von der Norm induzierten Metrik. Der Begriff der ε -Umgebung und der Umgebung eines Punktes ist somit auch für normierte Räume erklärt. Wir wiederholen: Definition: Sei (X, d) ein metrischer Raum, M eine Teilmenge von X und a ein Punkt von X. Der Punkt heißt innerer Punkt von M, wenn M Umgebung von a ist. , Fasst man die Menge aller inneren Punkte eines metrischen Raumes X zu einer Menge M zusammen, so erhält man folgende Definition: Sei (X,d) ein metrischer Raum und M ⊂ X. M heißt offen in (X,d), wenn M Umgebung von jedem a ∈ M ist. , Beispiel: Es sei d(x,y):= x − y 2 die euklidische Metrik auf \ . Dann ist jedes offene Intervall I:=]a- ε , a+ ε [ eine ε -Umgebungen von a ∈ \ . Dabei ist I eine offene Menge in ( \ , d) und jedes Element in I ist ein innerer Punkt. , www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 5 of 6 Ganz entscheidend für die Definition der Topologie sind die grundlegenden Eigenschaften offener Mengen. Satz 2.1 (Eigenschaften offener Mengen) Sei (X,d) ein metrischer Raum. Dann gilt: (i) (ii) (iii) ∅ und X sind offen Die Vereinigung beliebig vieler offener Teilmengen von X ist offen. Der Durchschnitt endlich vieler offener Teilmengen von X ist offen. In obigem Satz sind grundlegende Eigenschaften offener Teilmengen von (X, d) zusammengestellt, auf die immer wieder zurückgegriffen wird. Man macht daher diese Gruppe von Eigenschaften zum Ausgangspunkt einer weiteren Abstraktionsstufe, der Topologie. Definition: (Topologie, topologischer Raum) Sei X eine nichtleere Menge, und sei τ eine Menge von Teilmengen von X. Dann heißt τ eine Topologie auf X, und (X, τ ) heißt ein topologischer Raum, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: (Top1) ∅ ∈ τ und X ∈ τ . (Top2) Die Vereinigung von beliebig vielen Elementen von τ ist ein Element von τ . (Top3) Der Durchschnitt endlich vieler Elemente von τ ist ein Element von τ . , Die Topologie kann auch mit Hilfe eines verallgemeinerten Umgebungsbegriffes definiert werden: Definition: (verallgemeinerter Umgebungsbegriff) Von nun an wollen wir jede Obermenge einer ε -Umgebungen des Punktes a ∈ \ eine Umgebung von a nennen. , Beispiel: Sei ε =1 und sei a=0 ∈ \ , dann ist U1(0)=[-1,1] die ε -Umgebung von 0. Nach Festlegung ist nun jede Obermenge von U1 ebenfalls eine Umgebung von a=0. , Es wird sich sehr rasch zeigen, dass die Substanz des bisher benutzten engeren Umgebungsbegriffes durch diese Erweiterung nicht berührt wird, dass man aber den Vorteil einhandelt, eine Strukturbeschreibung der Umgebungen zu ermöglichen, in der ε und damit letztlich der Abstandsbegriff explizit nicht mehr vorkommt. Das bedeutet aber, dass man im Geiste der axiomatischen Methode diese Strukturelemente als Grundpostulate einer Umgebungstheorie verwenden kann, die von Abstandsmessungen unabhängig und damit auch sehr viel allgemeiner – und das heißt auch: anwendungsfähiger- ist als unsere bisherige ε -Theorie. Axiomensystem: (Umgebungsaxiome) Das System aller Umgebungen von a wird mit Ψ (a) bezeichnet und Umgebungsfilter (auch Hauptfilter) von a genannt. Es besitzt eine äußerst einfache Struktur, die in den Feststellungen ( Ψ 1) bis ( Ψ 4) beschrieben wird: (U1) a ∈ U, für alle U ∈ Ψ (a) (U2) U ∈ Ψ (a) ∧ U ⊂ V ⇒ V ∈ Ψ (a) (U3) U1, U2 ∈ Ψ (a) ⇒ U1 ∩ U2 ∈ Ψ (a) (U4) ∀ U ∈ Ψ (a) ∃ V ∈ Ψ (a), so dass gilt: U ∈ Ψ (b), für jedes b ∈ V. , www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 6 of 6 Die Eigenschaften (U1) und (U2) ergeben sich unmittelbar aus der Definition der verallgemeinerten Umgebung. Angenommen U1, U2 ∈ Ψ (a), dann existieren ε -Umgebungen von a Uε1 und Uε2 , infolgedessen liegt Umin(ε1,ε2) (a) in U1 ∩ U2, und somit ist dieser Durchschnitt wieder eine Umgebung von a. Bei (U4) ist entscheidend, dass b ∈ V gilt. Wir geben uns also eine beliebige Umgebung U von a vor, d.h. es existiert wieder eine ε -Umgebung Uε (a) , die Teilmenge von U ist. Sei b ∈ V:= Uε (a) , dann ist δ := ε -|b-a|>0, und für jedes c ∈ Uδ (b) gilt |c-a| ≤ |c-b|+|b-a|< δ +|b-a|= ε . Infolgedessen liegt Uδ (b) in Uε (a) , erst recht also in U, womit U sich als eine Umgebung von b zu erkennen gibt. , Um zur Topologie zu gelangen, muss man mit Hilfe des allgemeinen Umgebungsbegriff nun nur noch die inneren Punkte bzw. die offene Menge definieren und in analoger Weise wie oben den topologischen Raum definieren. Wir schließen die Zahlen-Konvergenz darüber hinaus in folgenden Satz mit ein. Satz 2.2 Es sind a und an reelle Zahlen, M und X sind Teilmengen von \ . (i) ⇔ Die Folge (an) strebt gegen a ∀ U ∈ Ψ (a) gibt es einen Index n0 mit an ∈ U ∀ n>n0. (ii) a ist ein innerer Punkt von M ⇔ es gibt ein U ∈ Ψ (a) mit U ⊂ M. (iii) ⇔ M ist offen zu jedem a ∈ M gibt es ein U ∈ Ψ (a) mit U ⊂ M. Man kann leicht zeigen, dass die allgemeine Umgebung für analytische Zwecke dasselbe leistet, wie die ε -Umgebung, d.h. man kann damit auch Stetigkeit, Häufungspunkte oder isolierte Punkte definieren und nachweisen. Dazu unterbietet man einfach die allgemeine Umgebung U durch eine in alt bekannter Manier durch. ε -Umgebung und führt den Beweis Definition: (Topologie, topologischer Raum) Eine nichtleere Menge X heißt topologischer Raum, wenn jedem a ∈ X ein System Ψ (a) von Teilmengen von X so erzeugt ist, dass die Umgebungsaxiome (U1) bis (U4) erfüllt sind. Unter der Topologie τ eines topologischen Raumes X verstehen wir die Gesamtheit aller Umgebungsfilter Ψ (a) mit a ∈ X. Man schreibt auch (X, τ ) um zu betonen, dass X mit der Topologie τ versehen ist. Man halte sich vor Augen, dass in einem topologischen Raum keine algebraischen Operationen (Addition, Multiplikation, usw.) und keine Abstände erklärt zu sein brauchen; auch ein Vergleich seiner Elemente der Größe nach ist im Allgemeinen nicht möglich. Die einzige Struktur die ein topologischer Raum von Haus aus trägt ist eben nur die topologische. Weiterhin viel Spaß mit der Mathematik! http://www.mathematik-netz.de http://www.mathering.de