Arbeitspapier Lohnquote

Werbung
WISO
INSTITUT FÜR WIRTSCHAFT & SOZIALES GMBH
ARBEITSPAPIER
LOHNQUOTE
von Dr. Hermann Berié und Ulf Fink, MdB
Februar 2000
___________________________________________________________________
WISO Institut für Wirtschaft & Soziales – Nymphenburger Str. 9 – 10825 Berlin
1. Kurzfassung der Ergebnisse
Das WISO-Institut hat im Februar 1997 eine Studie zum Thema
„Die Lohnquote“ vorgelegt („Die Lohnquote“, Bearbeiter: Dr. Hermann Berié und Ulf Fink,
MdB, Berlin, Februar 1997).
Die Studie bezog sich auf Westdeutschland und berücksichtigte auch internationale Daten. Sie
hatte zum Ergebnis, dass die gängige These der Erosion der Finanzierungsbasis „Lohn“
zumindest für Westdeutschland nicht zutrifft und auch die internationale Betrachtung diese
These nicht stützt.
Mittlerweile liegen für die 90er Jahre die gesamtdeutschen Daten vor.
Darüber hinaus hat das Statistische Bundesamt auch Methoden zur besseren Erfassung der
Bruttoeinkünfte aus unselbständiger Arbeit entwickelt, die auch dem europäischen Standard
besser entsprechen.
Dies ist für das WISO-Institut Anlass, sich drei Jahre nach Erstellung der ersten
Lohnquotenstudie erneut mit diesem Thema zu beschäftigen.
Die Ergebnisse sind wiederum eindeutig.
Die Lohnquote*, also der Anteil der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
am Volkseinkommen, zeigt in den letzten 30 Jahren keine sinkende Tendenz:
Im Durchschnitt der 70er Jahre betrug die Lohnquote
im Durchschnitt der 80er Jahre
im Durchschnitt der 90er Jahre
72,20 %,
73,70 %
72,64 %
Zum Vergleich:
Im Durchschnitt der 50er Jahre betrug die Lohnquote
und in den 60er Jahren
59,37 %
64,40 %.
Bei einem Vergleich der westdeutschen Lohnquote mit der gesamtdeutschen Lohnquote
ergibt sich folgendes:
Die westdeutsche Lohnquote betrug 1991
Die gesamtdeutsche Lohnquote liegt in diesem Jahr bei
69,60 %
72,32 %.
* Bis 1990 gelten die Werte nur für Westdeutschland, ab 1991 für Gesamtdeutschland
Dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass die Lohnquote in Ostdeutschland deutlich
höher liegt als in Westdeutschland.
Für den internationalen Vergleich wird üblicherweise die Lohnquote nicht
als Verhältnis des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit in Prozent
2
des Volkseinkommens definiert, sondern als Verhältnis des Bruttoeinkommens aus
unselbständiger Arbeit in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dies ergibt regelmäßig Werte,
die um rund ein Fünftel bis ein Drittel niedriger liegen als
die bei uns übliche Lohnquotenbetrachtung.
Dennoch können diese Daten gut mit der Entwicklung der Lohnquote als Verhältnis des
Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit in Prozent des Volkseinkommens verglichen
werden, weil sich beide Zahlenreihen in der
Regel parallel zueinander entwickeln.
Auch beim internationalen Vergleich zeigt sich, dass die These nicht zutrifft, wonach Länder,
die weiter entwickelt sind als andere, eine geringere Lohnquote aufweisen.
Aus den Statistiken ergibt sich vielmehr, dass eher die These gerechtfertigt ist, dass die
Lohnquote mit dem Entwicklungsgrad einer Volkswirtschaft steigt.
3
Tabelle 1
Lohnquoten1
(Deutschland bis 1990 ohne neue Bundesländer, ab 1991 mit neuen Bundesländern2, bis 1959
ohne Saarland und Berlin)
Jahr
1950
1951
1952
1953
1954
1955
1956
1957
1958
1959
1960
1961
1962
1963
1964
1965
1966
1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
Lohnquote
58,2
58,0
57,1
58,8
60,1
59,7
60,3
60,4
60,9
60,2
60,1
62,4
63,9
64,9
64,5
65,3
66,4
66,1
64,7
65,7
68,0
69,7
70,3
71,4
73,9
Jahr
1975
1976
1977
1978
1979
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Lohnquote
74,1
72,9
73,7
72,9
73,3
75,8
76,8
76,9
74,6
73,4
73,0
72,1
72,6
71,5
70,3
69,6
72,3
73,6
74,5
73,6
73,1
72,8
71,6
70,9
71,4
1) Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit in % des Volkseinkommens
2) Ab 1991 revidierte Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Quellen:
Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.1. und 1.3,
Eigene Berechnungen
4
Tabelle 2
Lohnquoten* im internationalen Vergleich
(1960 und 1995)
Land
1960
1995
Land
1960
1995
18. Griechenland
24,3
32,3
18. Griechenland
24,3
32,3
17. Italien
40,0
41,1
17. Italien
40,0
41,1
16. Spanien
40,3
44,1
16. Spanien
40,3
44,1
15. Japan
40,3
58,8
15. Neuseeland
42,8
44,6
14. Neuseeland
42,8
44,6
14. Portugal
45,5
45,0
13. Frankreich
44,5
51,7
13. Irland
44,7
47,6
12. Irland
44,7
47,6
12. Frankreich
44,5
51,7
11. Österreich
45,1
51,9
11. Niederlande
46,6
51,7
10. Portugal
45,5
45,0
10. Österreich
45,1
51,9
9.
Belgien
46,1
52,4
9.
Deutschland*
47,3
52,0
8.
Niederlande
46,6
51,7
8.
Belgien
46,1
52,4
7.
Deutschland*
47,3
52,0
7.
Dänemark
48,6
52,6
6.
Dänemark
48,6
52,6
6.
Großbritannien
58,8
53,9
5.
Kanada
51,4
54,7
5.
Kanada
51,4
54,7
4.
Schweiz
51,8
62,2
4.
Schweden
54,4
57,8
3.
Schweden
54,4
57,8
3.
Japan
40,3
58,8
2.
USA
57,7
60,6
2.
USA
57,7
60,6
1.
Großbritannien
58,8
53,9
1.
Schweiz
51,8
62,2
* ohne neue BL
* ohne neue BL.
* Bruttoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt
5
19
50
19
53
19
56
19
59
19
62
19
65
19
68
19
71
19
74
19
77
19
80
19
83
19
86
19
89
19
92
19
95
19
98
Lohnquote
Lohnquotenentwicklung in Deutschland*
80
75
70
65
60
55
50
Jahr
6
2. Volkswirtschaftliche Begriffe
Die Lohnquote ist keine absolute Zahl. Sie ist, wie jede Quote, das Verhältnis zweier
absoluter Größen. Da es sich hierbei um solche der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
handelt, sollen deren einschlägige Begriffe zunächst kurz erläutert werden.
2.1 Volkseinkommen
Das Volkseinkommen stellt die Summe aller Erwerbs- und Vermögenseinkommen einer
Volkswirtschaft in einer bestimmten Periode dar. Es wird auch als Nettosozialprodukt zu
Faktorkosten bezeichnet. "Faktorkosten" meint die Kosten der Produktionsfaktoren
Arbeit und Kapital, die zu der Erstellung des Sozialproduktes beitragen.
Rechnet man zum Volkseinkommen die Indirekten Steuern (abzüglich der Subventionen)
hinzu, die der Staat sozusagen als seinen Anteil an den Faktorkosten ansieht, der sich in
entsprechend höheren Marktpreisen niederschlägt, erhält man das sogenannte Nettosozialprodukt zu Marktpreisen.
Addiert man zu der Größe "Nettosozialprodukt zu Marktpreisen" die gesamtwirtschaftlichen Abschreibungen, ergibt sich das Bruttosozialprodukt.
Zieht man vom Bruttosozialprodukt die Erwerbs- und Vermögenseinkommen ab, die für
im Ausland erbrachte Leistungen gezahlt wurden und fügt umgekehrt diejenigen Erwerbsund Vermögenseinkommen hinzu, die ins Ausland geflossen sind, berichtigt man also das
Bruttosozialprodukt um den Saldo dieser Zu- und Abflüsse, erhält man das Bruttoinlandsprodukt.
Das Bruttoinlandsprodukt umfasst also nur die im Inland tatsächlich erwirtschafteten
Leistungen bzw. die daraus resultierenden Einkommen - gleichgültig ob sie letztlich an
Personen oder Institutionen im Ausland geflossen sind. Es enthält dagegen nicht die im
Ausland erbrachten Leistungen von Institutionen oder Personen mit Sitz bzw. Wohnsitz im
Inland (z. B. in den Niederlanden tätige deutsche Grenzgänger).
Heute steht - vor allem im internationalen Gebrauch und der einheitlichen Vergleichsbasis
wegen - das Bruttoinlandsprodukt im Vordergrund.
7
Zur Verdeutlichung sollen diese Zusammenhänge nochmals schematisch - jetzt allerdings
in umgekehrter, absteigender Reihenfolge - dargestellt und mit den Werten des Jahres 1995
(in Milliarden DM, gerundete Beträge) illustriert werden:
Bruttoinlandsprodukt
+ Erwerbs- und Vermögenseinkommen aus dem Ausland
- Erwerbs- und Vermögenseinkommen ins Ausland
= Bruttosozialprodukt
- Abschreibungen
= Nettosozialprodukt zu Marktpreisen
- Indirekte Steuern (abzüglich Subventionen)
= Volkseinkommen
(Nettosozialprodukt zu Faktorkosten)
3 460
135
150
3 445
455
2 990
370
2 620
Betont werden muss noch, dass es sich beim Volkseinkommen ausschließlich um die
Summe der den Produktionsfaktoren im Wege der sogenannten primären Verteilung
zufließenden Einkommen handelt. Die sekundäre Einkommensverteilung, also die
"Umverteilung" von Einkommen durch die öffentliche Hand, spielt für das Volkseinkommen keine Rolle.
Das Volkseinkommen besteht aus zwei Hauptkomponenten: Dem Bruttoeinkommen aus
unselbständiger Arbeit und dem Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und
Vermögen. Bei dieser Aufgliederung ist von vornherein zu beachten, dass es sich nur
um eine funktionale, keinesfalls um eine personale Verteilung handeln kann. Bezieher
von Einkommen aus unselbständiger Arbeit können daneben noch Einkommen aus Unternehmertätigkeit (z. B. aus einer Nebenbeschäftigung als Selbständiger) und/oder aus Vermögen (z. B. Miet- bzw. Zinseinkünften) beziehen, Selbständige oder deren mithelfende
Familienangehörigen solche aus einer abhängigen Arbeit.
8
2.1.1 Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit
Hauptbestandteil der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit ist die volkswirtschaftliche Bruttolohn- und -gehaltsumme, also die Summe der insgesamt an
Arbeiter, Angestellte und Beamte gezahlten Bruttolöhne und -gehälter einschließlich aller
Zulagen und Zuschläge (z. B. auch Orts- und Familienzuschläge, nicht jedoch die zur
Umverteilung gehörenden gesetzlichen Kindergelder!).
Zum Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit zählen neben der Bruttolohn- und
-gehaltsumme auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialen Sicherung. Unter diesen
Begriff fallen jedoch nicht nur die tatsächlich gezahlten Arbeitgeberbeiträge zu den
gesetzlichen Sozialversicherungen sowie an Lebensversicherungen und Pensionskassen,
sondern auch "unterstellte" Beiträge der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, die zum
Ausgleich für die beitragsfreien Pensionsansprüche der Beamten dienen. Das gilt auch für
Rückstellungen der Arbeitgeber für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, soweit
Arbeitnehmern unverfallbare Forderungen auf spätere Bezüge gutgeschrieben werden.
2.1.2 Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen
Während für das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit ausreichendes und
gesichertes statistisches Material aus den verschiedensten Quellen vorliegt, und damit auch
gegenseitige Kontrollmöglichkeiten gegeben sind, trifft dies gleichermaßen für das
Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nicht zu. Außerdem handelt es sich
um eine recht heterogene Größe, die sich in verschiedener Sicht noch stärker aufgliedert
als das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit.
In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung fließt das Bruttoeinkommen aus
Unternehmertätigkeit und Vermögen an mehrere "Sektoren", nämlich "Private Haushalte",
"Private Organisationen ohne Erwerbscharakter", "Unternehmen" und "Staat". Die
Einkommen aus unselbständiger Arbeit kommen dagegen ausschließlich dem Sektor
"Private Haushalte" zu gute.
9
Einkommen aus Unternehmertätigkeit stammen aus allen Wirtschaftsbereichen und
Unternehmensformen einschließlich der Selbständigentätigkeiten vom Handwerk bis zu
den freien Berufen. Sie schließen einen kalkulatorischen Unternehmerlohn ebenso ein
wie das "Entgelt" für das eingesetzte eigene und fremde Sach- und Geldkapital der
Unternehmen und für die unternehmerische Leistung. Die breite Palette der Vermögenseinkommen erfasst u. a. neben den tatsächlichen Mieten auch unterstellte
Mieten für eigengenutzte Wohnungen.
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Tatsache begründet, dass diese Einkommen,
insbesondere soweit sie aus der Unternehmertätigkeit resultieren, sowohl privaten
Haushalten zufließen als auch in Form nichtentnommener Gewinne in den Unternehmen
verbleiben können. Auf die den Sektoren "Staat" sowie "Private Organisation ohne
Erwerbscharakter" zufließenden Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen,
braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden.
Wenn auch für einzelne Einkommensarten durchaus ausreichende statistische Unterlagen
vorhanden bzw. zuverlässige Schätzungen möglich sind, ist doch letztlich die Gesamtgröße
der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nur das Ergebnis einer
"Restrechnung". Sie stellt nämlich die Differenz zwischen dem Bruttoeinkommen aus
unselbständiger Arbeit und dem Volkseinkommen dar. Darin liegt zwangsläufig eine
gewisse Fehlerquelle, die jedoch durch die im gesamten System der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung eingebauten und vernetzten sektoralen und kontenmäßigen Rechengänge
in Grenzen gehalten und durch zusätzliche Plausibilitätskontrollen überwacht werden
kann1.
2.2 Verteilung und Verwendung des Sozialprodukts
Wie bereits betont, zeigt die Größe "Volkseinkommen" nur die primäre Einkommensverteilung, und auch diese nur in funktionaler Sicht. Sie ist jedoch die Ausgangsbasis für
die Umverteilung, die die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im weiteren Ablauf
sichtbar macht. Zur Abrundung der Darstellung soll sie hier noch kurz aufgeführt und
dabei gleichzeitig auch der Übergang zur Verwendungsseite der Gesamtrechnung
angerissen werden.
1
Vgl. dazu auch den Überblick über die Sozialproduktsberechnungen des Statistischen Bundesamtes, Heft 7 der
Schriftenreihe "Ausgewählte Arbeitsunterlagen zur Bundesstatistik", Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1995,
insbes. S. 28. Weitere Einzelheiten über die genaue Zusammensetzung der Bruttoeinkommen enthält die Reihe
1.3 der Fachserie 18 des Statistischen Bundesamtes, letzte Ausgabe für 1995, S. 60 ff. Dort auch Angaben über
weitere einschlägige Fundstellen.
10
Zieht man von der Bruttolohn- und Gehaltsumme die Arbeitnehmerbeiträge und die
Lohnsteuern ab, ergibt sich die Nettolohn- und Gehaltsumme. Sie fließt in vollem
Umfang dem Sektor "Private Haushalte" zu. Die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen werden jedoch nur teilweise dem Sektor "Private Haushalte"
zugerechnet, nämlich nach Abzug der nichtentnommenen Gewinne der Unternehmen
und der Einkommen des Staates. Letztere bleiben bei dieser Betrachtung außen vor.
Außer den so ermittelten Nettoeinkommen der privaten Haushalte erhalten diese
Haushalte noch Übertragungseinkommen. Diese umfassen die Leistungen der
Sozialversicherung und öffentliche Sozialleistungen sowie sonstige Übertragungseinkommen. Von den "empfangene" Übertragungen werden die - wenn auch
größen-ordnungsmäßig nicht ins Gewicht fallenden - "geleisteten" Übertragungen
(z. B. Rückzahlungen von Sozialhilfe oder von zuviel gezahlten Leistungen) abgezogen.
Die Summe aller den privaten Haushalten im Wege der primären wie sekundären
Verteilung zufließenden Mittel einer Periode stellt das "Verfügbare Einkommen" der
privaten Haushalte dar. Soweit es nicht gespart wird, steht es für den Privatverbrauch
bereit.
Damit wird zur Verwendungsseite der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
übergegangen. Sie setzt sich aus dem eben erwähnten Privatverbrauch, dem
Staatsverbrauch, den Bruttoinvestitionen (Anlageinvestitionen einschließlich Saldo
der Vorratsänderungen) und dem sogenannten Außenbeitrag (Ausfuhr minus Einfuhr)
zusammen, die sich wiederum zum Bruttoinlandsprodukt aufaddieren.
11
Schematisch und größenordnungsmäßig (in Milliarden DM im Jahr 1995) zeigt sich
dazu folgendes Bild:
Volkseinkommen
2 620
- Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit
1 875
= Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit
und Vermögen
745
...............................................................................................
Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit
- Arbeitgeberbeiträge
= Bruttolohn- und -gehaltsumme
1 875
360
1 515
- Abzüge (Lohnsteuern und Beiträge)
540
= Nettolohn- und -gehaltssumme
975
+ Nettoeinkommen der privaten Haushalte aus
Unternehmertätigkeit und Vermögen
+ Saldo der Übertragungen
735
520
= Verfügbares Einkommen
der privaten Haushalte
- Ersparnis der privaten Haushalte
= Privatverbrauch
+ Staatsverbrauch
+ Bruttoinvestitionen
+ Außenbeitrag
= Bruttoinlandsprodukt
2 230
255
1 975
675
780
30
3 460
12
3. Die Lohnquote
Wie jede Quote ist auch die Lohnquote das Verhältnis von zwei absoluten Größen
zueinander, also eine relative oder eine Prozentzahl. Dabei gibt es sowohl für den Zähler
als auch für den Nenner des Bruches "Lohnquote" keine eindeutige Festlegung. Zwar
wird in der Regel das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit als Zähler verwandt,
doch können auch das Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit oder die Brutto- bzw.
die Nettolohn- und -gehaltsumme für bestimmte Zwecke sinnvoll sein. Als Nenner des
Bruches "Lohnquote" dient in der Regel das Nettosozialprodukt zu Faktorkosten, das
Volkseinkommen. Aber auch das Bruttosozialprodukt oder das neuerdings, vor allem im
internationalen Gebrauch meist an dessen Stelle verwandte Bruttoinlandsprodukt, kann die
Bezugsgröße sein.
Lohnquoten können darüber hinaus auch sektoral, regional oder einzelwirtschaftlich
abgegrenzt werden, wobei dem jeweiligen Zähler ein entsprechender Nenner gegenüber
stehen muss, z. B Lohnquoten für die Industrie, für einzelne Wirtschaftszweige, in
bestimmten Regionen oder für einzelne Betriebe, (d. h. Anteil des Bruttoeinkommens aus
unselbständiger Arbeit des jeweiligen Zweiges oder Betriebes an dessen Wertschöpfung).
3.1 Lohnquote
3.1.1 ''Deutsche" Lohnquote (BUA : VE)
Im allgemeinen wird unter der Lohnquote der Anteil des Bruttoeinkommens aus
unselbständiger Arbeit (BUA) am Volkseinkommen (VE) verstanden. Dies gilt auch für
die vorliegende Analyse, soweit es sich um die Untersuchung der deutschen Situation
handelt.
3.1.2 "Internationale" Lohnquote" (BUA : BIP)
Für internationale Vergleiche ist dieser Untersuchung als Lohnquote das Verhältnis des
Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit (BUA) zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)
zugrunde gelegt. Dies erfolgte in erster Linie aus praktischen Gründen, da das verfügbare
statistische Material zuverlässigere und leichter zugängliche Werte für das
Bruttoinlandsprodukt liefert als für das Volkseinkommen2.
2
Wie bereits oben ausgeführt, ist das Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nicht frei von
gewissen statistischen Mängeln. Dies kumuliert bei internationalen Vergleichen, wenngleich durch das allgemein
verwandte Standardsystem der Vereinten Nationen für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (SNA) ein
hohes Maß an Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Die hier zugrunde gelegten Daten werden auch für
internationale Lohnstückkostenvergleiche verwendet. Siehe Claus F. Hofmann: Lohnstückkosten. Deutsche
Wettbewerbsvorteile, in: Bundesarbeitsblatt 11/1996, S. 5.
Siehe Claus F. Hofmann: Lohnstückkosten. Deutsche Wettbewerbsvorteile, in: Bundesarbeitsblatt 11/1996, S. 5
13
Angesichts der im Vergleich zum Volkseinkommen umfassenderen Bezugsgröße
Bruttoinlandsprodukt ergeben sich rein rechnerisch zwar niedrigere Quoten, sie verlaufen
jedoch - wie der Vergleich mit den deutschen, auf das Volkseinkommen bezogenen
Lohnquoten zeigt - parallel zueinander.
3.2 Lohnquotenbereinigung
In bestimmten Fällen ist es zweckmäßig, die Lohnquote von Strukturänderungen zu bereinigen. Dies gilt in erster Linie bei längerfristigen Vergleichen und spielt vor allem in der
Verteilungs- und Kostendiskussion eine Rolle. Hierbei zeigt sich nämlich, dass eine
(relativ) hohe Lohnquote nicht auf absolut hohe Arbeitnehmereinkommen oder absolut
hohe Lohnkosten hinzuweisen braucht und vice versa. Auch bedeutet im Entwicklungsvergleich z. B. ein Steigen der Lohnquote nicht unbedingt eine Zunahme der Arbeitnehmereinkommen, schon gar nicht in individueller Sicht. Die Quotenerhöhung kann
vielmehr auf eine mehr oder weniger deutliche Zunahme der Zahl der abhängig
Beschäftigten im Vergleich zu der der übrigen Erwerbstätigen zurückgehen. Um solche
strukturellen Nebeneffekte auszuschalten, werden sogenannte "bereinigte" Lohnquoten
errechnet.
3.2.1 Von Änderungen der Beschäftigtenstruktur bereinigte Lohnquote
Diese Form der Bereinigung wird nachweislich seit Mitte der 60er Jahre in Deutschland
praktiziert3. Sie spielt vor allem in der verteilungspolitischen Diskussion eine Rolle.
Zweck dieser Bereinigung ist es, den Teil der Veränderungen der Lohnquote zu
eliminieren, der auf Änderungen der Beschäftigtenstruktur, vor allem auf die absolute,
zumindest aber - im Vergleich zu den übrigen Erwerbstätigen - relative Zunahme der
Zahl der abhängig Beschäftigten, zurückzuführen ist. Wie bei der Feststellung der
Preisveränderungen mittels der Laspeyres- oder der Paasche-Formel soll damit praktisch
der Einfluss der "Mengen"-Entwicklung4 beseitigt und damit die reine "Preis"Entwicklung dargestellt werden.
3 Erstmals dürfte diese Bereinigung im Frühjahr 1965 publiziert worden sein (Gerhard Betz: Die Lohnquote, in:
Bundesarbeitsblatt 10/1965, S. 357). Der Sachverständigenrat für die Gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat die
Berechnung zum ersten Mal in seinem Herbstgutachten 1965/66 in Tabelle 30 veröffentlicht.
4 Streng genommen handelt es sich nicht um eine absolute sondern nur um eine relative Menge, nämlich das
Verhältnis von abhängig Beschäftigten zu den übrigen Erwerbstätigen. Praktisch wirkt sich jedoch auch die
Veränderung dieses Verhältnisses wie eine absolute Mengenänderung aus.
14
Zu diesem Zweck wird entweder die Beschäftigtenstruktur eines Basisjahres für die
weiteren Jahre festgehalten (Laspeyres) oder mit der konstant gehaltenen Beschäftigungssituation des aktuellen Jahres für die davor liegenden Jahre zurückgerechnet
(Paasche)5.
Die Auswirkungen der Bereinigung auf die Lohnquote lassen sich nicht eindeutig
präzisieren. Die Abweichungen der bereinigten von der gebräuchlichen Lohnquote hängen
einmal von der absoluten bzw. relativen Veränderung der Zahl der Beschäftigten, zum
anderen von der Bereinigungsmethode (Laspeyres oder Paasche) ab. Bei (relativ)
steigender Beschäftigtenzahl wird nach der Laspeyres-Formel die bereinigte Lohnquote
vom Basisjahr in die Zukunft langsamer, bei entsprechend sinkender Beschäftigtenzahl
schneller steigen als die Lohnquote. Bei der Paasche-Formel tritt - vom aktuellen Basisjahr
in die Vergangenheit reichend - der umgekehrte Effekt ein.
3.2.2 Niveaubereinigte Lohnquote
Eine andere Form der Bereinigung der Lohnquote bezweckt gleichfalls, Verzerrungen
der Quote durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Erwerbstätigen nach abhängig
Beschäftigen einerseits und Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen
andererseits zu beseitigen. Hierbei stehen allerdings weniger die Veränderungen im
Zeitablauf im Vordergrund des Interesses, als die gerade bei internationalen Vergleichen
stärker ins Gewicht fallenden Unterschiede von Land zu Land. Daher wird diese Form
der Bereinigung in erster Linie von internationalen Organisationen angewandt, so z. B.
vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (EUROSTAT) in Luxemburg
und von der OECD in Paris.
5 Wie beim Preisindex hat auch hier die Paascheformel den Nachteil, daß mit jedem neuen (Basis-) Jahr die
gesamte Reihe neu errechnet werden muss, während im Fall der Laspeyresformel jeweils nur das letzte Jahr zu
berechnen ist, die gesamte Reihe ab dem Basisjahr - von eventuellen Berichtigungen der Grunddaten abgesehen
- unverändert bleibt.
15
Um den Einfluss unterschiedlicher Erwerbstätigenstrukturen zu beseitigen, wird bei
dieser Art der Bereinigung den Selbständigen und Mithelfenden ein fiktives Arbeitseinkommen, und zwar in Höhe des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens,
zugerechnet. Der Gesamtbetrag der so ermittelten Arbeitseinkommen (d. h. Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit plus Summe der fiktiven Pro-Kopf-Einkommen
der nicht abhängig Beschäftigten) wird sodann zum Volkseinkommen in Beziehung
gesetzt6. Die so bereinigte Lohnquote ist in jedem Fall höher als die Lohnquote.
WISO Institut für Wirtschaft & Soziales GmbH
Geschäftsführerin: Dr. Ingrid Völker
Nymphenburger Str. 9
10825 Berlin
Tel.: 030 / 263 923 90
Fax: 030 / 263 923 910
E-Mail: [email protected]
Internet: www.wiso-gruppe.de
6 Rein rechnerisch ergibt sich das gleiche Ergebnis, wenn man das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit
je beschäftigten Arbeitnehmer (BUA: Zahl der AN) durch das Volkseinkommen je Erwerbstätigen (VE: Zahl der
ET) dividiert.
16
Herunterladen