3 Gesundheitsrisiken Tabelle 57: Übersicht über Infektionen durch aerogene Erreger aus der Umwelt (Auswahl nach Kayser et al. 2005) Erkrankung Erreger Anmerkungen Sinusitis Aspergillus sp. Cryptococcus neoformans Mucorales Hyalohyphomyceten Phaeohyphomyceten bei Immundefizienz (alle) Lungenabszess und nekrotisierende Pneumonie Aspergillus sp. Mucorales bei Immundefizienz (alle) Pleuritis Legionella pneumophila Pneumonie Legionella pneumophila Chlamydia psittaci Aspergillus sp. Mucorales Histoplasma capsulatum Coccidioides immitis Respirationstrakt Lungentuberkulose Pilze nur bei Immundefizienz nicht in Europa in USA Nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) bei Immundefizienz oder vorgeschädigter Lunge Abszesse Aspergillus sp. Mucorales bei Immundefizienz Enzephalitis/ Enzephalomyelitis Cryptococcus neoformans Aspergillus sp. Mucorales Acanthamoeba sp. bei Immundefizienz Cryptococcus neoformans Coccidioides immitis Naegleria fowleri bei Immundefizienz, v.a. AIDS in USA primäre Amöben-Meningoenzephalitis opportunistische Pilze bei schweren Systemmykosen immunsupprimierter Patienten Nervensystem Meningitis/ Meningoenzephalitis Amöben-Enzephalitis Kardiovaskuläres System Myokarditis/ Perikarditis Haut und subkutanes Bindegewebe Nichttuberkulöse Mykobakteriosen verschiedene nichttuberkulöse (atypische) Mykobakterien (NTM) Aktinomycetom Nocardia brasiliensis Nocardia sp. vor allem in den Tropen Maduramykose Madurella sp. Pseudoallescheria sp. Aspergillus sp. vor allem in den Tropen Chromomykose schwarze Schimmelpilze vor allem in den Tropen 166 Umweltbedingte Infektionen 3.7 Erkrankung Erreger Anmerkungen Augen und Ohren Endophthalmitis (endogen) Aspergillus sp. Mucorales Fusarium sp. Keratitis Nocardia sp. Aspergillus sp. Fusarium solani Acanthamoeba sp. Otitis externa v.a. bei Linsenträgern Aspergillus sp. aus der Umwelt in den Wirt ein. Eine Infektion entwickelt sich nur bei Personen mit geschwächter Immunabwehr. Nach Inhalation der Luftsporen kommt es zuerst zur LungenNokardiose (Bronchopneumonie, Lungenabszess). Von dort können die Erreger über die Blutbahn in verschiedene Organe streuen, insbesondere in das Zentralnervensystem (systemische Nokardiose). Oberflächliche Nokardiosen können kutane und subkutane Abszesse auslösen. In tropischen Klimazonen können Nokardien, insbesondere Nocardia brasiliensis an der Entstehung des sog. Madurafußes (Aktinomycetom) beteiligt sein, einer chronischen tiefen Infektion des subkutanen Gewebes mit Zerstörung des Knochens (Kayser et al. 2005). In Deutschland liegt die Zahl der nachgewiesenen Nokardiosen bei 200 bis 250 Fälle pro Jahr, die Zahl der nicht erkannten Fälle dürfte ebenso hoch sein (Schaal 2000 zitiert in Lorenz et al. 2003). Nach einer spanischen Untersuchung an 173 Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie konnten in zwei Fällen Nokardien als Erreger identifiziert werden (Sopena et al. 1998). Oberflächliche Nokardiosen und Aktinomycetome bei Landarbeitern gelten als Berufskrankheit. Bisher liegen nur wenige Untersuchungen zum Vorkommen von Nokardien in Innenräu- men vor, und den Autoren ist nur ein Fallbericht bekannt, in dem es durch Exposition im Innenraum zu einer Nokardiose kam. Ursache war in diesem Fall eine Hautverletzung durch einen Kaktus, aus der Pflanzerde konnten Nocardia brasiliensis und N. asteroides isoliert werden (Neubert und Schaal 1982). Bei Untersuchungen zur mikrobiellen Belastung von Innenräumen können in Hausstaub oder Baumaterialien auch Aktinomyceten nachgewiesen werden, in einigen Fällen auch Nocardia-Arten. Nachgewiesen wurden N. carnea und weitere nicht bis zur Art differenzierte Vertreter. Zur Pathogenität dieser Arten liegen derzeit keine Kenntnisse vor (Degen 2006, Lorenz et al. 2003). Unabhängig vom infektiösen Potenzial muss bei Nokardien immer auch mit der Produktion von Toxinen gerechnet werden (Peltola et al. 2001). Mykobakteriosen Mykobakterien, die nicht Tuberkulose- oder Leprabakterien sind, werden als atypische oder nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) bezeichnet. Die Bezeichnung NTM umfasst zahlreiche, in der Natur weit verbreitete saprophytäre Arten. Einige der NTM-Spezies sind nicht pathogen, andere sind fakultativ pathogen und können meist chronisch verlaufen167 3 Gesundheitsrisiken de Mykobakteriosen auslösen. Gefährdet sind immunsuppressiv Behandelte und AIDSPatienten. Nach einer Untersuchung von Miguez-Barbano et al. (2006) lag bei HIV-infizierten Patienten, die wegen Atemwegserkrankungen ins Krankenhaus eingeliefert wurden, in 11 % der Fälle eine Infektion mit NTM vor und in 9 % der Fälle eine Tuberkulose durch Mycobacterium tuberculosis. Die Infektion mit NTM führte zu schwereren Erkrankungen als die Infektion mit M. tuberculosis. Erreger der NTM-Infektion waren Arten des Mycobacterium avium-Komplexes (27 Fälle), Mycobacterium kansasii (2 Fälle) und Mycobacterium fortuitum (1 Fall). Die insgesamt sehr seltenen NTM-Infektionen sind klinisch nicht von tuberkulösen Läsionen zu unterscheiden. 3.8 Sick-Building-Syndrom (SBS) Für verschiedene Befindlichkeitsstörungen und unspezifische Beschwerdebilder wird von den Betroffenen ein Zusammenhang mit Umweltfaktoren vermutet. Die häufigsten dieser sog. Umweltsyndrome sind das SickBuilding-Syndrom (SBS), die multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS) oder Idiopathic Environmental Intolerances (IEI), das Chronic Fatigue-Syndrom (CFS) und das Fibromyalgie-Syndrom (FMS). Hinter diesen Bezeichnungen stehen keine klinisch definierten Krankheitsbilder und auch keine Syndrome im engeren Sinne. Ätiologie und Pathogenese sind nicht geklärt, ebenso wenig ist der Zusammenhang zwischen Exposition und Symptomatik eindeutig belegt. Die einzelnen Krankheitsentitäten lassen sich schwer voneinander abgrenzen, häufig wird auch der Begriff MCS/IEI als Überbegriff für die anderen Umweltsyndrome verwendet. Im Folgenden wird auf das Sick-Building-Syndrom näher eingegangen, da hier auch biologische Luftverunreinigungen von Bedeu168 NTM-haltige Aerosole können an Arbeitsplätzen (Schneidöle bei Metallverarbeitung), in Schwimmhallen, heißen Bädern (hot tubs), Whirlpools und in Gebäuden mit Wasserschäden entstehen. So konnten beispielsweise in einer finnischen Untersuchung in fünf von sieben Schwimmbädern mehrere NTMArten nachgewiesen werden (Iivanainen et al. 1999). Inhalation von nicht-tuberkulösen Mykobakterien kann nicht nur zu opportunistischen Infektionen führen, sondern auch bei Personen ohne Abwehrschwäche Atemwegserkrankungen hervorrufen. Beschrieben wurden exogen-allergische Alveolitiden (hot tub lung) und entzündliche Reaktionen in den Atemwegen. tung sein können. Zudem gibt es hierzu umfangreiche epidemiologische Untersuchungen, sodass, bei allen offenen Fragen, zumindest die Existenz des SBS nicht bestritten wird. 3.8.1 Gebäudebezogene Gesundheitsstörungen – Definitionen und Symptome Seit etwa 1970 häufen sich in den Industrienationen Berichte über akute gesundheitliche Beeinträchtigungen an nicht-industriellen Arbeitsplätzen, insbesondere in modernen Bürogebäuden. Für diese akuten Beeinträchtigungen der Gesundheit und des Wohlbefindens führte die Weltgesundheitsorganisation 1983 den Begriff Sick-BuildingSyndrom (SBS) ein. Das SBS ist kein definiertes Krankheitsbild, sondern ein Komplex von