Zwei Dosen gegen Stinker

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TIERHALTUNG
BAUERN Z EITUNG
Zwei Dosen
gegen Stinker
D
ie betäubungslose Kastration von männlichen
Ferkeln ist in letzter Zeit
stark in die Verbraucherkritik
geraten. Alternativen zu diesem
Verfahren zur Vermeidung des
Ebergeruchs im Schweinefleisch
werden gesucht. Für eine Übergangszeit haben sich Erzeuger,
Verbraucher und Handel auf eine Kastration von unter sieben
Tage alten Ferkeln mit vorheriger Injektion schmerzstillender
Mittel geeinigt. Ziel soll es aber
sein, gänzlich auf die Kastration
zu verzichten, da sich Methoden
zur Betäubung der Ferkel als
nicht tauglich erwiesen haben.
Als Methode der Wahl bietet
sich die Ebermast an. Aber ohne
Möglichkeiten zur Feststellung
von Geruchsabweichungen geschlachteter Tiere, birgt dieses
Verfahren zurzeit noch größere
Risiken bei deren Vermarktung.
Als Alternative bietet sich in
Deutschland die Impfung gegen
Ebergeruch (Improvac) an, eine
auch von Tierschutzverbänden
akzeptierte Verfahrenslösung
(siehe Kasten).
37. WOCHE 2014
Die Ebermast als Alternative zur betäubungslosen
Kastration kann den Nachteil „riechenden“ Fleisches
mit sich bringen. Wie verhält es sich aber mit den
immunokastrierten Schweinen?
Wie verhalten sich
geimpfte Tiere?
Aus Studien der Landesanstalt
für Landwirtschaft, Forsten und
Gartenbau (LLfG) Iden in Sachsen-Anhalt sowie fremder Untersuchungen stellten sich bisher folgende Unterschiede in
der Mast von intakten im Gegensatz zu geimpften Ebern heraus:
Das teilweise aggressive Verhalten der intakten Eber wurde nach der zweiten Impfung
deutlich abgemildert. Es traten weniger Verletzungen der
Buchtenpartner auf.
Geruchsauffällige Tiere waren
nicht mehr zu verzeichnen.
Nach der zweiten Impfung
verhielten sich die geimpften
Tiere hinsichtlich der Futteraufnahme wie Börge. Die Futteraufnahme wurde deutlich
erhöht.
Durch die hohe Futteraufnahme in den letzten Wochen trat
eine deutlich höhere Verfettung der geimpften Eber auf.
Mit der deutlich höheren Futteraufnahme und der dadurch
vermehrten Fettbildung wurde
ein Teil der ökonomischen Vorzüglichkeit der Ebermast durch
die Impfung reduziert. Wie müssen daher geimpfte Tiere optimal gefüttert werden? In Iden
wurden dafür 196 Schweine der
Kreuzungsherkünfte (Piétrain x
(DExDL)) in vier Gruppen untersucht:
Gruppe (E): Eber nach Eberempfehlungen der DLG (Anfangs- und Endmast),
Gruppe (I):
Improvaceber
•
•
•
•
•
•
Bei den Mastebern, die aus einer ökologischen Freilandhaltung stammen,
ist deutlich der Größenunterschied der Hoden erkennbar. Das vordere
geimpfte Tier zeigt eine anschauliche Rückbildung.
FOTO: ANNIKA SCHÄFER
nach Eberempfehlungen der
DLG (Anfangs- und Endmast),
Gruppe (IE):
Improvaceber
Anfangsmast: Eberempfehlungen der DLG, Endmast:
energieabgesenktes
Futter
(12,2 MJ),
Gruppe (IB):
Improvaceber
nach Börgeempfehlungen der
DLG (Anfangs- und Endmast).
Im Mastabschnitt wurde eine
zweiphasische
Fütterung
•
•
durchgeführt. Bis zur zweiten
Impfung erhielten alle Schweine ein Anfangsmastfutter, anschließend das Endmastfutter.
In Tabelle 1 sind die analysierten Inhaltsstoffe der verschiedenen Mischungen dargestellt.
Diesen Zahlen ist zu entnehmen, dass die Mischungen dem
physiologischen Bedarf der jeweiligen Gewichtsgruppen entsprechen.
Tab 1: Inhaltsstoffe der Mastmischungen
Parameter Einheit
Gruppen
Rohprotein
Lysin
Energie
Ca
P
Anfangsmast
Endmast
DLG Eber DLG Börge DLG Eber
(%)
(%)
MJ ME
(%)
(%)
19,10
1,13
13,40
0,63
0,46
16,60
1,01
13,20
0,63
0,45
17,10
0,93
13,00
0,52
0,45
energieDLG Börge
abgesenkt
15,20
14,70
0,88
0,80
12,20
13,00
0,49
0,50
0,43
0,40
Quelle: Weber, 2014
Tab 2: Kostenvergleich der Verfahren
E
Futterkosten (€)
MFA (%)
Erlöse (€/kg)*
Schlachtgewicht (kg)
Gesamterlös (€)
Überschuss nach Futter (€)
* Basispreis 1,60 €/kg bei 57% MFA
77,60
61,40
1,63
97,50
158,90
81,30
I
81,60
58,25
1,61
98,94
159,50
77,10
IE
81,51
58,70
1,62
97,13
157,00
76,49
IB
81,30
57,00
1,60
98,20
157,10
76,80
Quelle: Weber, 2014
Die erste Impfung mit Improvac
erfolgte mit dem Einstallen in
den Maststall (Lebendgewicht
32 kg), die zweite bei einem
Durchschnittsgewicht von 92 kg,
vier bis sechs Wochen vor der
Schlachtung.
Weniger Muskeln –
mehr Fett
Betrachtet man die reinen Zunahmen, unterschieden sich die
drei Gruppen bis zur zweiten
Impfung nicht. Dies bestätigt
auch Erfahrungen aus vorherigen Versuchen. Ab der zweiten Impfung dreht sich jedoch
das Bild. Alle Improvacgruppen
zeigten gegenüber der Ebermastgruppe signifikant höhere
Zunahmen, wobei die Gruppe
mit dem energiereduziertem
Futter den geringsten Zuwachs
realisieren konnte. Diese Wachstumsunterschiede sind in erster
Linie auf die gestiegene Futteraufnahme nach der zweiten Behandlung zurückzuführen, denn
bis dahin gab es keine Unterschiede in der Futteraufnahme.
Hinsichtlich des Muskelfleischanteils ergaben sich ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen den Fütterungsgruppen.
Den höchsten Muskelfleischanteil wiesen die Eber mit 61,4 %
auf (nach Bonner Formel). Die
beiden nach Eberempfehlung
gefütterten Gruppen I und IE (IE
zwar energiereduziert, aber
Aminosäuren nach Eberempfehlung) lagen in etwa 2 bis 2,5 %
niedriger. Die schlechtesten Magerfleischanteile mit durchschnittlich 57 % zeigten die Tiere, die nach Börgeempfehlung
gefüttert wurden. Hier war nicht
nur der Fettgehalt am höchsten,
sondern es traten auch signifikant niedrigere Fleischflächen
auf. Für diese Tiere scheint keine
optimale Versorgung mit Aminosäuren stattgefunden zu haben. Aber auch bei den geimpften Tieren, die mit der gleichen
Aminosäurenausstattung
wie
die Eber gefüttert wurden (I und
IE), zeigten sich geringere
Fleischflächen. In Verbindung
mit den signifikant höheren Fettflächen, aber einem ähnlichen
Energieaufwand wie bei den
Ebern, liegt die Vermutung nahe,
dass hier Aminosäuren zur Energiegewinnung
herangezogen
wurden. Die Fleischqualitäten
unterschieden sich bei allen
Gruppen nicht und lagen insgesamt auf einem hohen Niveau.
Kaum noch Geruch
wahrnehmbar
Alle Tiere wurden einer Geruchsdetektion
(Ebergeruch)
unterzogen. Dabei wurde zunächst am Schlachtkörper mit
37. WOCHE 2014
der Heißluftpistole die Fettspindel kurzzeitig erhitzt und von geruchsempfindlichen Personen
wurden mögliche Geruchsabweichungen ermittelt. Dabei
wurden Noten von 0 bis 2 vergeben, wobei 0 frei von Ebergeruch
bedeutet, 1 ein leichter Ebergeruch und 2 einen starken Ebergeruch signalisiert. Von allen
Tieren mit der Note 2 wurde eine
zusätzliche Kochprobe durchgeführt. In allen Fällen konnte die
Richtigkeit der Beurteilung am
Schlachtband bestätigt werden.
Ein erheblich wahrnehmbarer
Ebergeruch trat dabei nur mit
11 % in der Ebergruppe auf. Mit
30 % leichtem Ebergeruch lag
dieser Wert auch weit über dem
der geimpften Tiere. Keines der
geimpften Tiere wies stark wahrnehmbaren Ebergeruch auf. Nur
bei drei von 139 Tieren (2 %)
konnten leichte Geruchsabweichungen detektiert werden, die
aber keine Genussbeeinträchtigungen darstellten.
TIERHALTUNG
BAUERN Z EITUNG
D I E I M M U N O K A S T R AT I O N
K O M M E N TA R
Wie funktioniert die Immunokastration?
Still ruht der See
Bei der Eberimpfung macht man sich genau wie bei Impfungen gegen
Infektionskrankheiten die Fähigkeit des Körpers zunutze, Antikörper gegen körperfremde Stoffe zu bilden. Diese Antikörper fangen einen Botenstoff (Gonadotropin-Releasing-Faktor, GnRF) ab, der maßgeblich für
die Steuerung der Hodenfunktion verantwortlich ist. Durch die Eberimpfung werden in den Hoden keine weiteren Geschlechtshormone mehr
gebildet, vor allem die Bildung des für den unerwünschten Ebergeruch
verantwortlichen Androstenons wird unterdrückt. Nach der Erstimpfung
bleibt die Hodenfunktion zunächst noch voll erhalten, erst nach der
Zweitdosis werden ausreichend Antikörper gegen den Botenstoff GnRF
gebildet, sodass es vorübergehend zur Unterdrückung der Hodenfunktion kommt. Eine Verkleinerung der Hoden zeigt dies auch äußerlich.
Warum kommt
die
Methode
der Immunokastration
in
Deutschland so
wenig zur Anwendung
?
In
Belgien, Australien oder Südamerika wird bereits in relevanten Größenordnungen geimpft. Selbst in
einigen
Bioverbänden
in
Deutschland ist diese Methode
zulässig. Wo liegt also das Problem? Die Kosten der Behandlung können es nicht sein, werden sie am Ende bei einem
weiträumigen Einsatz des
Impfstoffes nicht höher ausfallen, als gängige Immunisierungen in der Schweinehaltung.
Der Hund liegt woanders begraben. Obwohl geimpfte Eber
die Vorteile von verbesserter
Verarbeitungsqualität und keine Geruchsabweichungen mitbringen, will der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) die Ware
solcher Tiere nicht abnehmen.
Oft heißt es „man könne dies
dem Verbraucher nicht kommunizieren.“ Doch sind die
Kunden im Supermarkt wirklich so dumm? Dass Bioverbände hier Schwierigkeiten
sehen, ist klar. Aber gar nicht
aufzuklären oder nur auf Anfrage – was der deutschlandweit
Größte unter ihnen macht – ist
keine Lösung. Hier sollten alle
Schweinehalter, egal ob öko
oder konventionell, gemeinsam eine Strategie entwickeln
und den LEH an die Leine nehmen. Sonst kommt wirklich irgendwann mit einer Schlagzeile der Knall und es wird wieder
von „Hormonfleisch“ geredet.
Das schadet allen. Und eine
tiergerechte Alternative zur betäubungslosen Kastration wurde verschenkt. Anja Nähr ig
FAZIT:
• Die Impfung gegen Eberge•
•
•
•
•
ruch ist eine praktikable Methode.
Es treten bei sachgemäßer
Anwendung keine Geruchsabweichungen auf.
Die Impfung sollte so spät
wie möglich erfolgen (Verfettung).
Vor und nach der zweiten
Impfung ist eine Fütterung
nach Eberempfehlung anzuraten.
Energieabsenkung im Futter
nach zweiter Impfung bringt
nur geringe Effekte.
Vom finanziellen Nutzen
liegt die Impfung gegen
Ebergeruch zwischen Eberund Börgemast.
Dr . Manfr ed Weber ,
LLfG Iden
FOTO: ANJA NÄHRIG
Zweite Spritze
möglichst spät
Den höchsten Überschuss nach
Abzug der Futterkosten erzielten die Eber (Tab. 2). Dies resultiert in erster Linie aus dem geringeren Futterverbrauch. Den
höchsten Ertrag der geimpften
Tiere brachten die durchgängig
mit Eberfutter gefütterten Tiere.
Allerdings liegen auch hier noch
etwa vier Euro zwischen Eber
und geimpften Tieren (ohne Berücksichtigung der Impfkosten).
Aus den Ergebnissen lässt sich
ableiten, dass bei der Nutzung
der Impfung gegen Geruchsauffälligkeiten die Tiere durchgehend nach Eberempfehlungen
gefüttert und der Abschnitt zwischen zweiter Impfung und
Schlachtung so kurz wie möglich gehalten werden sollte.
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Wie wird die Behandlung durchgeführt?
Für eine erfolgreiche Impfung sind zwei Impfdosen notwendig. Während
man bei der ersten Impfung zeitlich relativ unabhängig ist – empfohlen
wird zur Minimierung des zeitlichen Aufwandes die Applikation bei der
Einstellung in den Maststall – ist die zweite Impfung etwa vier bis sechs
Wochen vor der Schlachtung durchzuführen. Verlängert sich der Abstand zur Schlachtung deutlich (> zehn Wochen), lässt die Wirkung der
Impfung nach und die Hoden beginnen wieder Ebergeruchsstoffe zu
produzieren. Bei Tieren mit einem gestörten Immunsystem kann die
Wirksamkeit der Impfung negativ beeinflusst werden. Daher müssen
kranke Eber eindeutig vorab behandelt werden, ehe die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann. Da eine versehentliche Selbstinjektion beim Menschen ähnliche Wirkungen hervorrufen
könnte wie beim Schwein, sind für diese Impfung speziell entwickelte
Sicherheitsimpfpistolen vorgeschrieben (Foto). Die dabei eingebauten
zusätzlichen Sicherheitsmechanismen minimieren das Risiko einer versehentlichen Verletzung durch Nadelstiche oder eine Selbstinjektion
sehr zuverlässig, wie auch in den Idener Untersuchungen festgestellt
wurde.
Wer darf die Impfung anwenden?
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) sieht in einer Stellungnahme vom März 2010 die Immunokastration bisher als sinnvollstes Alternativverfahren zur herkömmlichen Ferkelkastration. Auch in der ökologischen Landwirtschaft ist die Anwendung der Immunokastration
teilweise den Schweinehaltern erlaubt (abhängig vom Verband). Nach
der Auslegung der Länderarbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau
(LÖK) vom September 2010 wird die Immunokastration von Masttieren
für zulässig gehalten. Bereits in über 60 Ländern weltweit ist der Impfstoff zugelassen. Der Impfstoff ist verschreibungspflichtig. So kann die
Anwenung durch den Tierarzt erfolgen, was die Methode aber sichtlich
verteuert. Wie bei allen Impfstoffen kann der Landwirt (Tierhalter) selber
impfen, wenn der betreuende Tierarzt dies den zuständigen Behörden
gemäß Tierimpfstoffverordnung angezeigt hat. Die Impfung kann also
von geschultem Personal im Betrieb sicher verabreicht werden, sofern
die Sicherheitsvorschriften eingehalten und die vorgeschriebenen Sicherheitsimpfpistolen verwendet werden.
Weber/N ähr ig
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