74 6. Mechanik deformierbarer Körper Materie ist aus Atomen aufgebaut, die durch Bindungen zusammengehalten werden. Bei höheren Temperaturen führt die thermische Energie der Atome zum teilweisen oder völligem Bruch der Bindungen. 75 Genauer: der Aggregatzustand hängt von der Temperatur und dem Druck ab. 6.1 Flüssigkeiten Definition: Aggregatzustände Fest (niedrige Temp.): formstabil, elastisch, kann brechen (spröde); häufig geordneter Aufbau Druck ist Kraft pro Fläche F Kolben (Fläche A) Atome p= F A Einheit Pascal Flüssigkeit (oder Gas) [Pa] = [N/m2] (105 Pa = 1 bar) Bindungen Flüssigkeiten und Gase geben Druck weiter; in einem Behälter mit ruhendem Medium wirkt auf alle Flächen derselbe Druck (Schwerkraft vernachlässigt). Flüssig (mittlere Temp.): ähnliche Dichte wie fester Zustand, volumenelastisch, nicht formstabil; ungeordneter Aufbau 6.1.1 Hydraulik Der gleichmässige Druck in einem Behälter läßt sich zur KraftWeitergabe und Kraft–Verstärkung ausnutzen. Druck im Behälter: Gasförmig (hohe Temp.): geringe Dichte, sehr kompressibel; ungeordnet, keine Bindungen F1 Fläche A1 F2 p= Fläche A2 F1 A1 Kraft auf zweiten Kolben: F2 = pA2 = A2 F1 A1 76 77 6.1.2 Schweredruck Die Kraft kann also beliebig verstärkt werden! Im Schwerefeld entsteht Druck aufgrund der Masse einer Flüssigkeit (bzw. eines Gases) Frage: läßt sich so Energie gewinnen? Berechnung der geleisteten Arbeit: g Kolben 1 bewege sich um Strecke l1 ; dabei wird ein Volumen bewegt von V1 = l1 A1 h oberer Teil der Flüssigkeit wirkt als „Kolben“ Wenn die Flüssigkeit als inkompressibel angenommen wird, bewegt sich Kolben 2 damit um: l2 = V2 V1 = A2 A2 W1 = l1F1 Kolben 2: W2 = l2 F2 = ⇒ F ρVg ρhAg = = A A A p = ρhg Der Druck nimmt linear mit der Tiefe zu! Flüssigkeit mit Dichte ρ V1 A2 F1 = l1F1 A2 A1 Die am Kolben 1 und vom Kolben 2 geleistete Arbeit ist identisch; wie beim Flaschenzug läßt sich nur die Kraft verstärken; die Arbeit (Kraft mal Weg) bleibt dieselbe! Allgemein: die Volumenarbeit an Flüssigkeiten oder Gasen ist gegeben durch V W = lF = F = pV A p= Fläche A Geleistete Arbeit: Kolben 1: Druck in der Tiefe h (äußerer Druck vernachlässigt: Beispiel: für Wasser ist ρ = 1000 kg/m3; damit ist N p = 9810 3 h m Der Druck im Wasser steigt also alle 10 m Wassertiefe um etwa 105 Pa oder 1 bar. Senkrecht zur Schwerkraft ist der Druck konstant (aufgrund des gleichmässigen Drucks innerhalb einer Flüssigkeit) V2 bzw. W = ∫ p(V )dV V1 ⇒ der Druck in einem beliebigen Gefäß hängt nicht von der Form des Gefäßes, sondern nur vom senkrechten Abstand zur Flüssigkeitsoberfläche ab! 78 6.1.3 Auftrieb 79 Damit gilt für die Auftriebskraft eines Körpers in einer Flüssigkeit im Schwerefeld: Jeder Körper in einer Flüssigkeit im Schwerefeld erfährt eine Auftriebskraft. äußerer Druck p0 Fläche A F2 F1 g h2 Kraft auf untere Fläche F1 = ( p1 + p0 ) A = ( ρh1 g + p0 ) A h1 Kraft auf obere Fläche F2 = ( p2 + p0 ) A = ( ρh2 g + p0 ) A F1 − F2 = ρgA(h1 − h2 ) = ρgV V: Volumen des Quaders Die Auftriebskraft entspricht der Gewichtskraft der von dem Körper verdrängten Flüssigkeit! 6.1.4 Oberflächenspannung Um eine neue Oberfläche zu erzeugen, müssen Bindungen gebrochen werden. Die aufzubringende Energie ist proportional zur erzeugten Fläche: Es wirkt also eine nach oben gerichtete Kraft, die dem Volumen des Quaders und der Dichte der Flüssigkeit proportional ist (die Kräfte auf die Seitenflächen kompensieren sich, da der Druck auf gleicher Höhe gleich ist). EOF = σ A A : Fläche σ : Oberflächenspannung Gilt für beliebige Körper: diese lassen sich in senkrechte Quader aufteilen; die gesamte Auftriebskraft ist dann n n i =1 i =1 F = ∑ Fi = ∑ ρgVi = ρgV Auftriebskraft ρ: Dichte der Flüssigkeit V: Volumen des Körpers Für einen senkrechten Quader gilt: Quader in Flüssigkeit Differenz: FA = ρgV neue Oberflächen gebrochene Bindungen Beispiel: Kraft auf einen benetzten Bügel b F ∆x Flüssigkeit Flüssigkeitsfilm Eine Verschiebung um ∆x vergrößert die Oberfläche des Films: ∆ A = 2b∆x (der Film hat zwei Oberflächen!) 80 Oberflächenenergie: 81 6.1.5 Strömungen ∆ E = σ∆A = σ 2b∆x Strömungen haben ortsabhängige Geschwindigkeiten: Geleistete Arbeit also: v = v (r ) ∆W = F∆x = σ 2b∆x Damit ist die Kraft: F = 2σ b Massenstromdichte: v erlaubt Messung der Oberflächenspannung! j = ρ ( r )v ( r ) ρ: Massendichte Einheit der Stromdichte: Beispiel: Druck in Seifenblase gesamte Oberfläche des Films: pa A = 4πr 2 Massenfluß durch eine Fläche A: 2 r φ = jA ( = jA (zwei Grenzflächen!) pi dA = 16πr dr Ableitung nach r: Änderung von A bei Änderung von r um dr: A1 A2 v1 dE = σdA = σ 16πrdr Der Massenfluß durch A1 und A2 muss gleich sein φ1 = φ2 j1 A1 = j2 A2 v2 Vom Gas in der Blase geleistete Arbeit: dW = ( pi − pa )dV = ( pi − pa )4πr dr falls j ⊥ A) Für eine inkompressible Flüssigkeit ist die Massendichte ortsunabhängig. Damit gilt bei einer Änderung des Querschnitts eines durchströmten Rohrs: dA = 16πrdr Damit verbundene Änderung der Oberflächenenergie: kg m 2s ρv1 A1 = ρv2 A2 Flüssigkeit 2 also Im Gleichgewicht ist dies gleich dE: dE = dW ⇒ pi − pa = 4σ r Druckdifferenz zwischen innen und außen bzw. v2 = A1 v1 A2 v1 A1 = v2 A2 „Kontinuitätsgleichung“ Die Strömungsgeschwindigkeit nimmt an Engstellen zu! 82 6.1.6 Bernoulli-Gleichung 83 allgemein: 1 p + ρv 2 = konstant = p0 2 In einer Strömung einer inkompressiblen Flüssigkeit (oder eines Gases) sind Druck und Strömungsgeschwindigkeit direkt miteinander verknüpft. A1 v1 p1 p2 A2 v2 Rohr mit Verjüngung: das in einer Zeit ∆t eintretende Volumen ist gleich dem austretenden Volumen: ∆V1 = ∆V2 = ∆V Bernoulli-Gleichung Der Druck in einer Strömung nimmt mit der Geschwindigkeit ab! 6.1.7 Flüssigkeit mit innerer Reibung z v An der Flüssigkeit wird am Eintritt Arbeit geleistet: Fläche A ∆W1 = p1 A1∆x1 Für die Reibungskraft zwischen zwei Flächen, zwischen denen sich eine viskose Flüssigkeit befindet, gilt: F = − Aη Am Austritt leistet die Flüssigkeit Arbeit: ∆W2 = p2 A2 ∆x2 η: Viskositätskonstante A: Flächengröße v: relative Geschwindigkeit z: Abstand Flüssigkeit Der Volumenfluß erzeugt einen Zu- und Abfluß kinetischer Energie: 1 ∆E1 = ρ∆V1v12 2 1 ∆E2 = ρ∆V2v22 2 Im Gleichgewicht muss die Energiebilanz ausgeglichen sein: ∆E1 + ∆W1 = ∆E2 + ∆W2 also 1 1 ρ∆Vv12 + p1∆V = ρ∆Vv22 + p2 ∆V 2 2 1 2 1 ρv1 + p1 = ρv22 + p2 2 2 v z Die Kraft wirkt der Bewegung entgegen, daher das Minuszeichen (häufig wird nur der Betrag der Kraft angegeben). Diese Reibungskraft tritt auch zwischen Flüssigkeitsschichten auf; hier gilt das obige Gesetz in differentieller Form: F = − Aη dv dz Die innere Reibung bestimmt das Geschwindigkeitsprofil einer Strömung. 84 Beispiel: rundes Rohr p1 Betrachten ein Teilvolumen mit Radius r, welches sich mit der Geschwindigkeit v der Strömung bei r bewegt. Teilvolumen Auf dieses wirkt die Reibungskraft: v Rohr L Fp = ( p1 − p2 )πr 2 r0 Also: strömende Flüssigkeit η 2πrL ⇒ dv = −( p1 − p2 )πr 2 dr dv ∆p =− r dr 2ηL Dies gilt für Teilvolumina aller Radien; damit läßt sich das Geschwindigkeitsprofil im Rohr durch Integrieren berechnen v(r ) = − ∆p 2 r + v0 4ηL Da die Geschwindigkeit an der Rohrwand (r = r0) Null sein muss, gilt v(r ) = Der Gesamtfluß durch das Rohr ergibt sich durch Integration des Strömungsprofils: ρ∆pπ (r02 − r 2 )rdr φ = ∫ ρv(r )2πrdr = ∫ 2ηL 0 0 r0 ∆p 2 2 (r0 − r ) 4ηL r0 = dv dv FR = ηA = η 2πrL dr dr Diese muss durch die Differenz der Druckkräfte auf das Teilvolumen aufgebracht werden: p2 85 ⇒ ρ∆pπ 1 4 1 4 ρ ∆pπ 1 4 ( r0 − r0 ) = r0 4 2ηL 4 2ηL 2 φ= ρπ∆p 4 r0 8ηL Hagen-Poisseuille Der Gesamtfluß durch ein Rohr bei gegebener Druckdifferenz und Rohrlänge ist proportional zur vierten Potenz des Rohrradius! 86 87 Das Kraftgesetz gilt nur für geringe Verformungen; bei größereren Spannungen erfolgt der Übergang von elastischer zu plastischer (permanenter) Verformung. 6.2 Deformierbare feste Körper 6.2.1 Kraftgesetze Definition: mechanische Spannung Stab F σ= A ∆l l F N m 2 σ Beispiel Kupfer ( E = 120 109 Pa) N m 2 plastisch 108 (negativer Druck) Fläche A reisst elastisch Für die Längenänderung des Stabs gilt: ∆l σ 1 = = F l E EA bzw. σ =E 1 10-3 3 10-3 0.1 Hook‘sches Gesetz ∆l l Weitere Verformungen E: Elastizitätsmodul (Materialkonstante) Körper unter Druck Kompression Die Längenänderung ist proportional zur Kraft! F Volumenabnahme p ∆V = −κ p V Andere Schreibweise: die Gegenkraft ist gegeben durch F =− 2 10-3 EA ∆l = − D∆l l D: Federkonstante F F κ : Kompressibilität ∆l l 88 Scherung A Tangentiale Kraft auf Fläche: Schubspannung F τ= α F A N 2 m Die Schubspannung erzeugt eine Scherung um den Winkel α: α= 1 τ G G : Torsionsmodul Drillung T Das Drehmoment erzeugt einen Verdrillungswinkel α α= α 1 2l T= T DR π GR 4 DR: Richtgröße Für alle Verformungen gilt: die Verformung ist proportional zur Kraft für kleine Verformungen! Die potentielle Energie ist damit proportional zum Quadrat der Verformung.