Oft erklingen in den Programmen der Sinfonietta Höngg auch selten

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Programmtext Winterkonzert 2015
Oft erklingen in den Programmen der Sinfonietta Höngg auch selten gespielte oder in Vergessenheit
geratene Werke weniger bekannter Komponisten. Nicht so dieses Mal:
In unserem Winterkonzert 2015 wagen wir uns an drei der bekanntesten Werke der „Klassischen Musik“
überhaupt, geschaffen von dreien der wichtigsten Gestalten der Musikgeschichte. Und alle drei
Kompositionen sind an ein und demselben Ort entstanden: in Wien in den drei bewegten Jahrzehnten
zwischen 1791 und 1822.
Wolfgang Amadeus Mozart ist mit der Arbeit an der „Zauberflöte“ und am Requiem beschäftigt, als er
den Auftrag erhält, für die Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen das Libretto „La
Clemenza di Tito“ von Pietro Metastasio zu vertonen. Mozart schreibt diese seine letzte „Opera seria“
unter extremem Zeitdruck in nicht einmal zwei Monaten. Erst im Reisewagen nach Prag zur
Uraufführung vom 6. September 1791 sollen die letzten Nummern der Oper fertig geworden sein, die
Ouverture sogar erst am Abend vor der Premiere. Diese Ouverture nimmt denn auch das Geschehen der
ganzen Oper in Kurzform vorweg: Sie schildert die Erhabenheit und Grossmut des spätrömischen Kaisers
Titus, der seinen gegen ihn intrigierenden Feinden verzeiht. Und verherrlicht damit metaphorisch auch die
Glorie des habsburgischen Kaisers Leopold.
Während im fernen Paris die Revolution ihrem blutigen Höhepunkt zustrebt und keinen Stein auf dem
andern lässt, bleibt in Wien die monarchistische Gesellschaftsordnung also noch unerschüttert.
Als Ludwig van Beethoven 1809 an der Arbeit zu seinem fünften Klavierkonzert sitzt, haben die
Erschütterungen der europäischen Geschichte längst auch die Stadt an der Donau erreicht. Und zwar
wortwörtlich: Napoleons Truppen belegen Wien mit ihrem Artilleriefeuer. Dies hindert Beethoven nicht
daran, mit seinem letzten Klavierkonzert eines der bedeutendsten Werke dieser Gattung überhaupt zu
schaffen und die neuen musikalischen Wege, die er schon in seinem vierten Klavierkonzert eingeschlagen
hat, konsequent weiter zu verfolgen. Es entsteht ein grossangelegtes, sinfonisches Klavierkonzert von
gewaltiger Ausdruckskraft, das seit seiner Uraufführung am 28. November 1811 in Leipzig zu den
beliebtesten und am meisten gespielten Solokonzerten auf den Podien der ganzen Welt geworden ist. Für
den sehr anspruchsvollen Solopart konnten wir wiederum den Winterthurer Pianisten Florian Läuchli
gewinnen, der schon 2009 mit der Sinfonietta gespielt hat und mit seiner Interpretation von Griegs
Klavierkonzert dem Höngger Publikum in bester Erinnerung geblieben ist.
1822 ist der Kanonendonner verhallt und die Waffen schweigen. Aber die Bevölkerung und vor allem die
Künstler in Wien (und im übrigen Europa) leiden unter der lähmenden Zensur und dem allgegenwärtigen
Spitzelwesen, womit die Restaurationsordnung Metternichs die Gesellschaft unter Kontrolle hält.
Franz Schubert schreibt eine Sinfonie in h-moll. Die Musik ist geprägt von ungeheuer schroffen
Kontrasten: Unter einem gemessen schreitenden Fanfarenthema rasen wilde, dramatische
Zweiunddreissigstel, fahlste Pianissimi eines einzelnen Registers wechseln mit Fortissimo-Eruptionen des
ganzen Orchesters, himmlische Glückseligkeit erstickt in einer Generalpause und kippt sogleich in tiefste
Verzweiflung.
Nach zwei Sätzen bricht Schubert die Arbeit ab, das Werk bleibt unvollendet. Der Grund dafür ist bis
heute ungeklärt. Will sich der Komponist aus wirtschaftlicher Not zuerst Opernprojekten zuwenden, die
mehr Einkünfte versprechen? Gerät er mit dem Stück in eine kompositorische Sackgasse? Oder hat er in
den zwei Sätzen schlichtweg schon alles gesagt, was er sagen möchte? Wir werden es nie wissen.
Seit ihrer Uraufführung 1865 gehört die „Unvollendete“ jedenfalls zu den erfolgreichsten Werken der
Musikliteratur überhaupt. Und wir sind glücklich, dass wir gemeinsam mit Ihnen, liebes Publikum, dem
ganz eigenen Zauber dieses wundervollen Fragments nachspüren dürfen.
(Emanuel Rütsche)
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