1. Einführung Motivation, Volition und Emotion Teil A: Motivation und Volition I Fragestellungen und Gegenstand der Motivationspsychologie Warum handeln wir so, wie wir es tun? Warum handeln andere anders? = „Kern“ der Psychologie II Kraft I III Kraft II IV Rationale Kalkulation I V Rationale Kalkulation II VI Inhalt I VII Inhalt II VIII Inhalt III IX Volition – Trieb und Erregung – Feldtheorie – Nutzenmaximierung – Erwartung x Wert – Motive (Leistung, Anschluß, Macht) – Ziele, Identität und Selbstkonzept – Implizite und explizite Motive – Umsetzung von Zielen in Handeln Teil B: Emotion I Begriffsklärung, Struktur der Emotionen II Emotionskomponenten – Appraisal, physiologische Muster, Ausdruck, Verhaltenstendenzen III Zusammenhänge zwischen Emotion und Handeln IV Emotionsregulation Gegenstand der Motivationspsychologie • Was soll erklärt und verstanden werden? – Menschliche Aktivität, Verhalten, Handeln Verhalten, dass sich in Sinneinheiten erklären und beschreiben lässt, ist Gegenstand • Welche Art von Aktivität soll in welcher Hinsicht erklärt und verstanden werden? – Kernfrage: Wozu? Welcher Zweck wird verfolgt? • Markiert sowohl Gegenstandsbereich als auch Typus der Erklärung – Gegenstand ist Verhalten, das durch Ergebnisse/Folgen definiert ist – Erklärung (Ursache oder Grund) des Verhaltens sind die Ergebnisse/Folgen – Fokus: Ergebnisorientiertes, zielgerichtetes Verhalten und Handeln • Richtung (Wahl) • Intensität (Anstrengung) = Ressourcen, die investiert werden • Beginn, Dauer und Ende (Hartnäckigkeit, Resignation) Grundlegende Dimensionen des Verhaltens • Willkürlich vs. Unwillkürlich (sind nicht Thema, können aber diagnostisch für Motivationszwecke sein) – Willkürlich: Bewusst geplant/kontrolliert, anstrengend, absichtlich, flexibel, überlegt (abhängig von Gründen, Einschätzungen und Erwartungen) – Unwillkürlich: Automatisch, unbeabsichtigt, starr, extern verursacht (Reflexe, Träume, Fehlhandlungen) 1 1. Einführung – Gewohnheiten, spontane/impulsive Reaktionen, liegen zwischen willkürlich und unwillkürlich • Rudimente von Willkür erkennbar (erwartungsbezogen), weil wir Handlung unterbrechen, wenn Erwartung nicht eintritt – Verhalten aus verborgenen Verhaltensgründen • Latente Kräfte und Beweggründe; unbewusste Handlungssteuerung • Wozu? Erklären vs. Verstehen… • Willkürliches Verhalten ist der prototypische Gegenstand der Motivationspsychologie, aber… – …auch unwillkürliches Verhalten kann durch Motive verursacht sein – …die „wahren“ Ursachen und Verhaltensziele müssen nicht den bewussten Absichten entsprechen Grundlegende Dimensionen des Verhaltens • Regelgeleitet vs. Auffällig – Regelgeleitet: Normativ (üblich, gewohnt, bekannt, erwartet), zielkonform • (scheinbar) geringer Erklärungsbedarf, Verhaltenssteuerung durch situative Faktoren aber Unterschiede in Hartnäckigkeit erkennbar, deshalb auch interessant • Auch bei regelgeleitetem Verhalten kann hohe Motivation nötig sein – Auffällig: unüblich, abweichend von Gewohnheit, verletzt Normen und Erwartungen, schadet den Zielen der Person • …verhält sich anders als die meisten anderen • …in allen Situationen ähnliches Verhalten • …neues Verhalten in gleicher Situation • Hoher Erklärungsbedarf, Verhaltenssteuerung durch Personfaktoren (inter- und intraindividuelle Unterschiede in Ergebnisorientierung und Situationsdeutung) Motivationspsychologie erklärt beide Verhaltensformen Begriffliche Klärung • Motivation = Prozesse, die aus Emotion Verhalten machen, angeregter Zustand – Aktivierte Orientierung auf bestimmte Ergebnisse/Folgen • Bedürfnisreduktion, Lustgewinn/Unlustvermeidung, Nutzenmaximierung, Zielerreichung, … – Interne Prozesse, die diese Orientierung in bestimmtes Verhalten übersetzen • Überlegung, Planung, Strategiewahl, Anstrengung, … • Motive – Spezifische Wertungsdispositionen, immer im Hintergrund, aber nicht immer aktiv wartet auf Gelegenheit – Bsp.: Leistungsmotiv wird in bestimmten Situationen angesprochen bei hohem Leistungsmotiv steigt dann die Motivation • Bedürfnisse, Präferenzen, Ziele, Werte, … • Werden durch entsprechende situative Hinweise angeregt • Beeinflussen die Deutung von Situationen 2 1. Einführung • stabile Bereitschaft Begriffsverwendungen • Zirkularität in der Verwendung der Begriffe Wie vermeiden? – Motivation als bloße Beschreibung der Zielgerichtetheit von Verhalten • Richtung, zeitliche Konstanz, Anstrengung – Benennung eines zum Verhalten „passenden“ Motivs • Spielen → „Spieltrieb“, Sparen → „Sparmotiv“, … • Motiv und Motivation: Hypothetische Konstrukte und ihre empirische Prüfung – Beschränkung auf wenige grundlegende Motive (Äquivalenzhypothesen) • Sparsamkeit = wenige Motivbegriffe • Test: lässt sich ein Verhalten durch ein anderes befriedigend erklären? wenn ja, geht es auf ein selbes, basales Motiv zurück – Unabhängige Erfassung von Motiven und zu erklärendem Verhalten – Spezifikation situativer Antezedensbedingungen • Wie müssen Situationen beschaffen sein, um ein Motiv anzuregen? – Prüfung von Theorien motivationaler Vermittlungsprozesse • Messung kognitiver und affektiver Begleitprozesse • Direkte Manipulation der Vermittlungsprozesse - in Gruppen können verschiedene Motive miteinander kollidieren Grundfragen der Motivationspsychologie Literatur Heckhausen, H. (1980). Motivation und Handeln(S. 1-30). Berlin: Springer 3 2. Kraft I Kraft I – Trieb und Erregung Triebtheorie: Allgemeine Konzeption jegliche menschliche Aktivität hat Triebaktivität zur Grundlage • Für Verhalten brauchen wir Energie = Triebenergie • Trieb bezeichnet eine allgemeine, unspezifische Quelle der Verhaltensenergetisierung – Motivation als Energie, kein Verhalten ohne Aktivierung – Triebe energetisieren beliebiges Verhalten • Trieb ist eine „Druck“-Variable („push“), die das Verhalten von innen anschiebt – Gegensatz: Äußere Anreize ziehen die Person an oder stoßen sie ab („pull“) – Triebzuständen kann man nicht ausweichen – Triebenergie ist unspezifisch- egal wo sie einmal herkam (Zh zu physikalischem Denken) • Trieb ist ein Zustand der Anspannung, dessen Reduktion als befriedigend und lustvoll erlebt wird – Hedonistische Verhaltenserklärung durch Affektveränderung: Anstreben von Befriedigung/Lust und Vermeidung von Unlust als Mechanismen der Verhaltenssteuerung und des Lernens Ziel: Abbau der Energie, wirkt entspannend, Verhalten ist darauf ausgerichtet Trieb kommt aus der Person heraus ist zwingend, man kann ihn nicht vermeiden Freuds Motivationstheorie Sigmund Freud (1856 – 1939) – Vater der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse (psycho-„dynamischer“ Ansatz) – Medizinische Ausbildung – Energie und Transformation von Energie als universelles wissenschaftliches „Mode“-Konzept des 19. Jahrhunderts • Grundidee: unser Verhalten ist NICHT das Resultat von Überlegungen, sondern von Kräften, die auf den Organismus wirken Instanzenmodell (Es – Ich – Über-Ich) – Es • Sitz der Triebe (Selbsterhaltungs-, Arterhaltungs-, Aggressionstrieb) • Lustprinzip (direkte Triebbefriedigung, Spannungsreduktion) • Besitzt keine kognitive Grundlage – Ich • Vermittler zwischen Es und Über-Ich (Normen und Anforderungen der Umwelt) • Realitätsprinzip – Über-Ich • Internalisierte oder introjizierte Normen und Werte • Enthält auch Ängste vor Verletzung der Normen 4 2. Kraft I Vom Trieb zum Denken und Handeln – Primärprozesse • Direkt befriedigungsorientierte Steuerung von Verhalten und Denken – Sekundärprozesse • Ich-Prozesse als Vermittler zwischen Trieben und Handeln (Aufschieben, Planen, Ersatzhandlungen) • Abwehrmechanismen (Leugnung, Verdrängung, Sublimation/Verschiebung, Verkehrung ins Gegenteil, Projektion) manche wirken nicht langfristig (u.a. Leugnung, Verdrängung) Sekundärmodell: immer Umwege Halluzination: auch Träume hat katharsische Wirkung Empirische Prüfung und Belege Freuds Erklärungen sind alle Post-Hoc • Freuds Datenquellen – Klinische Einzelfallstudien, freie Assoziation,Traumanalyse • Experimentelle Prüfung – Freuds Einstellung zur experimentellen Prüfung – Verdrängung: • Wahrnehmungsabwehr („perceptual defense“): Triebe mit Tabuinhalten werden auf ganz früher Stufe abgewehrt z.B. McGinnies, 1949 • Begriffe wurden zuerst ganz kurz präsentiert dann immer schneller • Vpn sollten vorlesen Wahrnehmungsschwelle niedrig bei „Kind“, „Apfel“, aber viel höher bei „Schlampe“, „Penis“ etc. • Allerdings Konfundierung: Vertrautheit der Wörter, Hemmungen sie auszusprechen etc. 5 2. Kraft I • Coping-Stil (R-S-Skala; Byrne, 1961): PSK- Unterschiede bei Verdrängung, Bewältigungsskalen korreliert mit defensivem Verhalten und Wahrnehmungsabwehr – Katharsis-Hypothese mit Medien untersucht • Führt dargestellte Gewalt zum Abbau von Aggressionen? nein • Abbau von Feindseligkeit/Aggression durch stellvertretende Gewalt – Widersprüchliche, meist negative Befunde (Verstärkung statt Ersatz) – Konfundierungsprobleme bei Korrelationsstudien Hulls Motivationstheorie Clark L. Hull (1884 – 1952) – Verbindung von Lerntheorie und Motivation – Ausbildung als Ingenieur – Erfolgreichster psychologischer Wissenschaftler seiner Zeit – Leiter einer berühmten Arbeitsgruppe in Yale (N.E. Miller, O.H. Mowrer, K. Spence) • Grenzen lerntheoretischer Verhaltenserklärungen – Ein sattes Tier lernt schlecht und/oder zeigt das gelernte Verhalten nicht Mollenauer (1971) • Laufgeschwindigkeit ist bei hungrigen (= deprived) Tieren höher • Dep/NON: wenn Tier satt in den 2. Block geht, verschwindet der Effekt • Non/DEP: Tiere müssen erst lernen für Futter zu Laufen Geschwindigkeit steigt ohne Motivation wird Verhalten nicht mehr gezeigt ohne Motivation kein Lernen muss in Lerntheorie berücksichtigt werden 6 2. Kraft I • Triebe und Lernen – Trieb als unspezifische Antriebsquelle des Verhaltens (Defizitmotivation: unbefriedigte Bedürfnisse) – Triebreduktion wirkt als Verstärker für ein Verhalten – Verhaltensrichtung wird durch gelernte (=verstärkte) Verhaltensweisen („habits“) festgelegt – Trieb verleiht dem Verhalten keine Richtung! – Richtung wird erst durch die Verstärkung generiert – Eine Verhaltensgewohnheit („habit“ = SHR) spiegelt die Verstärkungsgeschichte eines Verhaltens in einer Situation wider (Habit bezieht sich auf Verhalten R in Situation S) • Multiplikatives Modell des Verhaltens V (= SER) = D x SHR – Triebstärke amplifiziert Unterschiede im Verstärkungsniveau und umgekehrt Interaktives Zusammenwirken von Drive und Habit Achtung! Drive hat keinen Index! Am meisten verstärkte Verhaltensweise setzt sich durch Empirische Überprüfung von Hulls Modell – Triebstärke als Aktivator von Verhalten 7 2. Kraft I • Bis zu welcher Stromstärke ist das Tier bereit, die Platte zu überqueren, um den Anreiz zu bekommen? Abhängig vom Trieb (Zeit der Deprivation) – Multiplikative Verknüpfung von Drive und Habit • Perin (1942) • Löschungsresistenz: Hebel bringt kein Futter mehr: Zeigen Tiere trotzdem das Verhalten? =Maß für Verhaltensstärke • Effekte des einen Faktors werden umso stärker, je höher der andere ist. Interaktionseffekt 8 2. Kraft I – Trieb als unspezifische Antriebsquelle • Webb (1949) • Verhalten stärker bei erhöhtem Triebniveau • Effekt stärker bei „passender“ Triebaktivierung Reaktionen steigen in Abhängigkeit der Deprivation Trieb ist wirklich unspezifisch Resistenz bei 22 Stunden Hunger doppelt so hoch wie bei Durst Hull hat Recht, aber passender Trieb zeigt den größeren Effekt • Erklärung: Habit wird Teil der Situation ich rufe Habit ab, der sich in letzter Situation mit diesem Trieb bewährt hat (= Essen bei Hunger) – Steuernde Funktion von Triebreizen (SD; Hull, 1933) • Hunger: Weg 1 führt nicht zur Verstärkung Habit Weg 2 wird verstärkt • Bei Durst umgekehrter Effekt Tiere lernen Wege abhängig von der Situation! 9 2. Kraft I • Anreize und latentes Lernen – Massive und plötzliche Veränderung in der Performanz bei Veränderung der Verstärkungsmenge und -qualität • Latentes Lernen (Blodgett, 1929; Tolman & Honzik, 1930) Lernen • Veränderungen in der Verstärkungsmenge (Crespi,1942) - Versuchstiere müssen in eine Zielkammer finden, wo Futterkügelchen auf sie warten - Gemessen wird dir Laufgeschwindigkeit (AV) 1. Phase: Es gibt 3 Gruppen Zu beobachten ist, dass die Laufgeschwindigkeit mit zunehmender Futterkügelchenmenge größer wird 2. Phase: Beim 20. Durchgang findet ein Anreizwechsel statt, die Futtermenge wird vereinheitlicht und alle Tiere bekommen 16 Futterkügelchen Es entsteht eine Kreuung der Gruppenkurven (Gruppe 3 schneller als Gruppe1) Entsprechend der Theorie von Hull kann ein Anstieg der Gewohnheitsstärke (Habitstärke) erst dann stattfinden, wenn das Verhalten in der Gewohnheitshierarchie der Versuchstiere durch die Gabe von Verstärkungen kontinuierlich angehoben wird, d.h. zu erwarten wäre ein langsamer und kontinuierlicher Anstieg und Abfall der Laufgeschwindigkeit Stattdessen ist ein enorm schneller Anstieg und Abfall zu beobachten Diese enorme Geschwindigkeit kann man mit einer langsamen Veränderung der Habitstärke nicht erklären Erweiterung aufgrund von Crespis Befunden Erweitertes Motivationsmodell (Spence, 1958) Schüler von Hull Alternativ: V = D x SHR x K V = (D + K) x SHR K = Stärke der Konsummation, Anreizwert (eine weitere Komponente) D = Triebstärke H = Habitstärke Trieb: Push – Variable, die zu einem Ziel hindrängt (z.B. Hunger, Durst) Operationalisiert beispielsweise anhand der Dauer der Deprivation Habit: Eine situationsspezifische Gewohnheitshierarchie Operationalisiert anhand der Zahl der vorherigen Verstärkungen Anreiz: Charakteristika des Zielobjektes Operationalisiert beispielsweise anhand der Menge oder Qualität des dargebotenen Futters • Wie erklärt man Anreizeffekte? Fragmentarische antizipatorische Zielreaktion (rG- sG Mechanismus) Antizipatorische Zielreaktion = Erwartung Tier lernt an S-Punkten spezifische Reaktion interne Assoziation zwischen Verhalten und Konsequenzen Verstärker triggern sich selbst • • 10 2. Kraft I Wie kann Futter am Zielort Verhalten schon in der Startkammer beeinflussen? R3 = Essen, toll!! S1 = Startkammer Unterwegs von der Startkammer zum Ziel werden markante Punkte mit Anschlussreaktionen verbunden mit propriorezeptorischen Rückmeldungen (links abbiegen fühlt sich so an) (sensorische Begleitqualitäten erhöhen die Antriebskomponente) verbunden; Irgendwann entstehen neue Assoziationen bis am Ende R3 direkt mit S1 verknüpft ist rG-sG: assoziationistisches Äquivalent des kognitiven Konzepts der Erwartung Sekundäre Triebe – Neutrale Reize (die normalerweise keinen Trieb induzieren), können durch Paarung mit Triebzuständen selbst Triebcharakter erlangen – Erworbene Furcht • Vermeidungslernen in der shuttle-box (Miller, 1951) Lernen – Sekundäre Triebe vor allem im Bereich der Vermeidungsmotivation • Onset und Aufbau appetitiver Motivation (Hunger, Durst, sexuelle Begierde) ist ein langsamer kontinuierlicher Prozess (Hunger erhöht sich allmählich keine abrupte Veränderung es gibt keinen Reiz, der den Trieb ankündigen könnte, schwer sekundär konditionierbar) Konditionierung mit Hinweisreizen muss markante Veränderung im Triebzustand ankündigen Probleme der Triebtheorie • Nichtlinearer Zusammenhang zwischen Aktivationsniveau und Leistung (Hull vermutete Linearen Zusammenhang) – Yerkes-Dodson Gesetz (1908) • Einfluss des Aktivationsniveaus (Elektroschock) auf das Labyrinthlernen unterschiedlicher Schwierigkeit bei Mäusen (mussten durch ein Labyrinth laufen, das unterschiedlich stark unter Strom gesetzt wurde Ziel ohne Strom, Varianten der Komplexität) Aktivation und selektive Aufmerksamkeit 11 2. Kraft I - Je schwieriger Labyrinth, desto weiter verschiebt sich das optimale Triebniveau nach links Interaktion Je leichter die Aufgabe, desto höher liegt das optimale Triebniveau (und vice versa) (Easterbrook, 1959): „Range of One Utilization“ - Aufmerksamkeit (range) wird immer enger, je höher das Triebniveau - Bei leichten, wenig komplexen Aufgaben Tunnelblick aufgabenfördernd, bei komplexen eher nicht - Performanz (muss nicht unbedingt zunehmen) vs. Verhaltensintensität (kann mit zunehmenden Triebniveau zunehmen) • Tendenz zum spontanen Reaktionswechsel • Ratte findet links Futter, bieg beim 2. Mal Laufen aber trotzdem nach Rechts ab – Warum? Passt nicht zu Habit Formation „Spontaneous alternation“ im T-Labyrinth – sogar dann, wenn primäres Verhalten belohnt wird Motiv: Neugier, will Explorieren – Exploration vs. Ermüdung? • Dissoziationsexperimente (Montgomery, 1952; Glanzer, 1953) belegen die Explorationshypothese • Ermüdung ausschalten: Kreuzlabyrinth, Ratte kommt einmal von Norden, einmal von Süden rein gezeigtes Verhalten bestätigt Exploration – Aktivationstheorie (Berlyne, 1958) • Exploration/Neugierverhalten dient der Regulation des Aktivationsniveaus Diversives vs. spezifisches Neugierverhalten •Aktivitäten: - Diversiv: man bekommt Stimulation 12 2. Kraft I Bsp.: Wenn man Vpn in Tonne ohne Reize legt, wird das mit der Zeit unerträglich - Spezifisch: bei zu komplexer Umwelt man besorgt Informationen, um Komplexität zu verringern Stimuluskomplexität, mittleres Niveau ist am besten, am angenehmsten Hier entsteht Spannungszustand wegen Langeweile soll vermindert werden Neugierverhalten (Motiv) ändert die Stimuluskomplexität Literatur: Rudolph, U. (2003). Motivationspsychologie (Kap. 2 & 3). Weinheim: Beltz PVU. 13 3. Kraft II Kraft II – Feldtheorie Grundidee: Personen nehmen Umwelt auf subjektive Weise wahr inspiriert von Gestaltpsychologie wirklich psychologische Theorie Lewins Feldtheorie • Kurt Lewin (1890 – 1947) – Studium der Medizin und Philosophie – Wissenschaftliche Ausbildung und Karriere am Berliner Institut (Ach-LewinKontroverse) – Beeinflusst von Gestaltpsychologie (Wertheimer, Köhler, Koffka) – Feldtheorie als generelle psychologische Rahmentheorie – Berühmte Schülerinnen in Berlin (Zeigarnik, Ovsiankina, Dembo) – Emigration nach USA nach Hitlers Machtergreifung – Einflussreiche Tätigkeit in USA (MIT - Massachusetts Institute of Technology; Lehrer von Leon Festinger) Feldtheorie – Feld: Kräftefeld (psychologisches Analog zu physikalischen Kraftfeldern: aus Physik übertragen) – Dynamische Theorie (dynamis [gr.] = Kraft) – Verhalten und Erleben als Resultante der verschiedenen zu einem Zeitpunkt wirksamen Kräfte • Verhalten als Funktion von Merkmalen der Person und der Situation/ Umwelt Wirken immer Zusammen: V = f(P,U) – Umwelt wird als psychologische (= subjektiv gegebene/wahrgenommene) Umwelt aufgefasst – Umwelt ist immer subjektiv, gewinnt psychologische Gestalt durch Beziehung zu Zielen und Wünschen der Person bekommt so eine Valenz Personmodell – Bereiche 1. Innerpersonale Bereiche (Geltungsdrang, Suchen nach Geborgenheit etc.) 2. Zentrale Bereiche 3. Periphere Bereiche (haben direkten Zugang zu Handlungsbereichen) • unterschiedlichen Bereiche stehen für unterschiedliche Bedürfnisse Bedürfnisse, Quasibedürfnisse (Ziele, Vornahmen) grundlegende Bedürfnisse werden übersetzt in konkrete Vorhaben = Quasibedürfnisse • Personbereiche können Bedürfnisse repräsentieren, die biologischer Natur sind (Hunger, Durst), sie können aber auch alle Arten von Vornahmen, Zielen und Absichten umfassen, die eine Person haben kann • Zwischen den Bereichen gibt es Grenzwände, welche die verschiedenen Bereiche voneinander trennen und in unterschiedlichem Maße durchlässig 14 3. Kraft II sind. (Durchlässigkeit spielt eine wichtige Rolle, weil die Aktivierung eines Bedürfnisses eine Spannung erzeugt und die Durchlässigkeit wichtige Auswirkungen auf den Spannungsabbau hat) – Spannung • Gespannte Systeme innerhalb der Person, die auf Spannungsausgleich drängen (spezifische Spannung, kein Trieb!) Spannung wird auf periphere Bereiche übertragen • Spannung besteht so lange, bis das Bedürfnis befriedigt bzw. die Intention erledigt ist Wenn Spannung abgebaut ist Zugänglichkeit im Gedächtnis wieder niedriger • Einfluss auf Handeln: Aktivierung zielbezogener Verhaltensweisen • Einfluss auf Wahrnehmung: Aufforderungscharakter von Dingen, die zur Bedürfnisbefriedigung taugen • Einfluss auf Gedächtnis: Zugänglichkeit für zielbezogene Inhalte erhöht – Grenzen, Nachbarschaft, Durchlässigkeit • Substitution, Ersatzhandlung • Wenn Handlungsabsicht scheitert Ersatzbefriedigung, funktioniert am besten, wenn Ersatz dem Originalziel sehr ähnlich ist • Stärke des Substitutionseffekts hängt auch von Ähnlichkeit ab Empirische Untersuchungen zum Personmodell Erinnern unerledigter Aufgaben – Zeigarnik (1927): Zeigarnik- Effekt • Vpn bekommen verschiedene Aufgaben aber nur die Hälfte kann erledigt werden • Später wird Erinnerung an Aufgaben abgefragt unerledigte Aufgaben werden stärker erinnert, obwohl sie kürzer ausgeführt wurden • Erklärung. Setzen der Aufgabe = Quasibedürfnis, Spannung ohne Abbau persistiert bleibt auf hohem Niveau höhere Gedächtnisleistung 15 3. Kraft II • Objektive vs. subjektive Erledigung (Marrow, 1938) • Unterschied zu Zeigarnik: Vpn wurde Aufgabe weggenommen, wenn sie „gut genug“ erledigt war mehr abgeschlossene Aufgaben erinnert, „gut genug“ bedeutet erfolgreiches Erledigen, „nicht gut genug“: Restspannung bleibt • „Umgekehrter“ Zeigarnik-Effekt bei selbstwertrelevanten Aufgaben (Rosenzweig, 1943) – Rumination (Martin & Tesser, 1989): wiederholtes Nachgrübeln nach dramatischen Ereignissen Restspannung ist Herd der Unruhe Wiederaufnahme unterbrochener Handlungen – Ovsiankina (1928) • Reduzierte Wiederaufnahme nach Ersatzhandlungen (Lissner, 1933; Mahler, 1933) • Vpn mussten Pause machen vorher unerledigte Handlungen wurden in der Pause fertig gestellt Umweltmodell wir analysieren Umwelt nach Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung Bereiche • Psychologische Gliederung der Umwelt in Handlungsmöglichkeiten (Wege zu einem Ziel, Mittel-Zweck-Relationen, Konsummation) • Umwelt als „hodologischer Raum“ (hodos [gr.] = Pfad) Umwelt wird umstrukturiert 16 3. Kraft II • Grenzen zwischen Bereichen entsprechen (mehr oder weniger starken) Hindernissen auf dem Weg zum Ziel Hindernisse( Abgrenzungen) müssen überwunden werden Valenz • Zielbereiche der Umwelt haben positiven/ negativen Aufforderungscharakter erhalten durch ihre Relation zu den aktuellen (Quasi-) Bedürfnissen der Person positive oder negative Valenz wird im Kopf des Betrachters generiert • Stärke der Valenz ist eine Funktion der Bedürfnisspannung (s) und der dazu korrespondierenden Eigenschaften des Zielobjekts (Z): Va = f(s,Z) Kraft • Kraft bezeichnet die Stärke der anziehenden bzw. abstoßenden Wirkung von positiven/negativen Zielobjekten • Die Stärke der Kraft entspricht dem Quotienten von Valenz und Distanz: K = Va / d = f(s,Z) / d • Person wird zum positiven Ziel gezogen, Stärke der Kraft nimmt zu, je näher sie an das Ziel kommt Konflikte – Gleichgewicht anziehender und abstoßender Kräfte – Führt zur Immobilität des Organismus bzw. zu schnell wechselndem, widersprüchlichem Verhalten • Konflikttypologie – Annäherungs-Annäherungs-Konflikt + + • Geht man zu einem Ziel, entfernt man sich vom anderen Problem • trotzdem angenehm, da leicht aufzulösen: Bewegung in eine Richtung verschiebt die Distanzen und verstärkt die Asymmetrie im Kräftefeld zugunsten der näheren Alternative geht man ein bisschen in Richtung der einen Ziels, wird eine Kraft größer (da Distanz kleiner) und andere Kraft reduziert (da Distanz größer) 17 3. Kraft II – Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt - - • Schwierig aufzulösen: Bewegung in eine Richtung erhöht die abstoßenden Kräfte der näheren Alternative – Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt = „flackerndes Verhalten“ • Gemisch positiver und negativer Valenzen in einem Objekt ambivalente Situation • 2 Kräfte gehen vom Objekt aus Eine zieht mich an andere stößt mich ab weder komplettes Annähern, noch Abstoßen möglich Anziehen überwiegt, zieht zurück Abstoßen dominiert, treibt weg Gleichgewichtspunkt • Gleichgewicht durch unterschiedliche Steigung der Annäherungs- und Vermeidungs-Gradienten (Miller, 1944) Beispiele: - Katze und heißer Brei - Kind am Strand Erklärung - Der Meiden-Gradient verläuft steiler als der Aufsuchen-Gradient (Miller, 1944) 18 3. Kraft II - sekundäre Krise: bei Vermeidung Konditionierung für Furcht stärker= stärkere Vermeidungsmotivation, durch Nähe zum Objekt werden gewisse Furchtreize getriggert – Doppelter Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt + - + - • Strukturell ähnlich wie Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt • Die meisten Zielobjekte weisen Ambivalenz auf, wir müssen uns trotzdem entscheiden Zeitliche Distanz und Motivation moderner, gründet trotzdem auf Lewin Time Discounting macht es einen Unterschied, welcher zeitlicher Abstand zwischen Anreiz und Erreichen liegt? • Größerer Abstand: Wirkung auf Verhalten – Struktur von Versuchungssituationen • Konkurrenz zwischen einem geringeren, aber sofort realisierbaren Anreiz (smaller-sooner, SS) und einem hohen, aber erst später realisierbaren Anreiz (larger-later, LL) 2 Anreize Small- soon Late-large - muss kleiner sein, sonst keine Versuchung o „Delay of gratification“ (Mischel, 1974) = Belohungssaufschub Experiment: • Kinder im Raum, müssen warten bis Versuchleiter mit Marshmallows wiederkommt • Wenn sie es nicht aushalten, dürfen sie Klingel drücken, bekommen aber weniger Marshmallows • Zeit des Aushaltens sagt spätere berufliche und familiäre Zufriedenheit, Erfolg voraus – Preference reversal- es gibt keine stabile Präferenz für Versuchungsreiz • Bevorzugung von LL, solange beide Anreize noch relativ weit entfernt sind; aber Bevorzugung von SS, sobald dieser in kritische Nähe gerückt ist (Rachlin, 1995) • Beispiel: Einladung zum Essen um 20 Uhr ich nehme mir vor bis dahin nichts zu essen, aber um 18 Uhr bekomme ich Hunger hier wirkt die Versuchung • Beispiel: Einstellung zur Anästhesie während der Geburt • Experiment: Tauben picken auf Felder o Choice X: grün (2 Futterpillen nach 2 Sekunden) vs. Rot (4 Futterpillen nach 4 Sekunden) = wenig und schnell vs. viel und lang Tauben wählen grünes Feld 19 3. Kraft II o 2. Experiment: selber Aufbau, aber Entscheidung muss eher getroffen werden (Choice Y) o Blau (1 Sekunde später sind Tauben am Punkt Choice X) vs. Gelb (später nur Option der roten Taste) Tauben wählen hier gelbe Taste, wollen keine Versuchung, sondern viele Futterpillen – Erklärung • Würden beide Graphen linear abflachen, sähen die beiden Ziele aus der Distanz nur weniger wichtig aus und es geben kein Preference Reversal •daher: Hyperbolic discounting v = V / (1 + kd) [v = aktueller diskontierter Wert, V = absoluter undiskontierter Wert, d = Distanz, k = Diskontierungsparameter] Formel sophistizierter als Lewins (wegen 1+) • Annäherung ist eine kritische Phase, da SS attraktiver wird 20 3. Kraft II Large ist mehr wert Preference Reversal hier kippt Entscheidung, Versuchung setzt sich durch – Wiederholte Wahlsituation gibt es oft im Leben, sonst würde manches Verhalten keine Wirkung zeigen • Struktur eines Gefangenendilemmas (Ainslie & Haslam, 1992) • Auflösung: Verbindung aktueller Entscheidungen mit zukünftigen, indem diese als diagnostisch angesehen werden einmal Nachgeben ist ok: Man muss „Jetzt“ entscheiden Faulenzen ist besser, sowohl in Zelle 2, als auch 4 im Vergleich zu 1 und 3 (kleine Pfeile) • Unabhängig von Zukunft, wenn ich heute faulenze anstatt zu arbeiten immer am vernünftigsten aber Gefahr in 4 zu landen ist sehr groß: Dilemma • 21 3. Kraft II • Aktuelle Entscheidung ist immer unabhängig von Zukunft, daher ist heute Arbeiten letztendlich am besten, da hier der Zusammenhang von Gegenart und Zukunft liegt (großer Pfeil) Temporal Construal Theory (Trope & Liberman, 2003) kognitive Theorie, Warum hat Zeit so einen großen Einfluss? – Distante Ereignisse/Handlungen: „high-level“ Kodierung • Fokus auf Wesentliches und Wert, springt ins Auge (desirability; warum?) – Nahe Ereignisse/Handlungen: „low-level“ Kodierung • Fokus auf (unwesentliche) Details und Machbarkeit, keine Unterscheidung zwischen Wesentlich und Nebensächlich (feasibility; wie?) – Art der Kodierung (low-level vs. high-level) beeinflusst Bewertung und Wahlverhalten • Preference reversal bei unterschiedlicher Bewertung von low- und high-level features möglich Aus der Nähe werden Probleme salient Ziele werden neu bewertet Beeinflusst Ursache für die Entscheidung Liberman & Trope (1998, study 4, in Israel) Wahl von 2 Hausarbeitsthemen (jetzt und am Kursende, jeweils 1 Woche Vorbereitungszeit) Faktor 1 (Schwierigkeit): schwierig (englische Lit.) vs. leicht (Hebräische Lit.) Faktor 2 (Interessantheit): interessant („gender differences in jealousy and romantic love“) vs. uninteressant („historical trends in social psychology“) somit 4 Themen zur Wahl, Vpn sollten ankreuzen, wie gern sie jedes bearbeiten möchten Faktor 3 (Distanz): jetzt vs. in 9 Wochen AV: Präferenz für die verschiedenen Themen Ergebnisse: • spannend vs. langweilig: Effekt ist in später Zukunft größer durch Erhöhung der zeitlichen Distanz wird Einfluss von Interessantheit größer • leicht vs. schwer: Schwierigkeit hat einen Einfluss auf Entscheidung in naher Zukunft 22 3. Kraft II entspricht Vorhersagen der Theorie Literatur: •Rudolph, U. (2003). Motivationspsychologie (Kap. 5). Weinheim: Beltz PVU. 23 4. Rationale Kalkulation I Rationale Kalkulation I – Nutzenmaximierung • Zentrales Charakteristikum menschlichen Handelns ist die Vernunft • Wir entscheiden uns durch Abwägen der Folgen für die beste Alternative Für welche Option entscheide ich mich, wenn ich die Wahl habe? • Theorien kommen aus den Wirtschaftswissenschaften Nutzentheorie Moderne Nutzentheorie (homo oeconomicus; von Neumann & Morgenstern, 1947) – Nutzen • Subjektive Bewertung von Situationen/Handlungsergebnissen – Ein Ergebnis ist ein Vektor verschiedener Aspekte einer Situation – Vektor, da Situationen vielschichtig sind • Nutzenfunktion (u): Zuordnung von Nutzenwerten zu Ergebnissen Prinzip: x pref y <═> u(x) > u(y) – Abbildung der Präferenzen in eine, numerische Dimension – Präferenzen werden als gegeben vorausgesetzt, nicht erklärt – Jedes Handlungsergebnis erhält den Wert, der subjektiven Nutzen wiedergibt – Hoher Nutzenwert = Präferenz komplexe Aspekte werden auf einen Zahlenstrahl reduziert, toll aber künstlich – Handlungsentscheidungen • Nutzenmaximierung: Wahl der Option mit höchstem Nutzen – Annahme: es geht um wirkliche, totale Maximierung • Konsistenzpostulate (Rationalitätsaxiome) – Unsicherheit und Risiko • Erwarteter Nutzen unter Unsicherheit („Lotterien“, prospects): u(x, p; y, q; …) = p·u(x) + q·u(y) + … {p + q + … = 1} – bedeutet: x mit Wahrscheinlichkeit p; y mit Wahrscheinlichkeit q gewichtete Nutzenwerte werden aufaddiert und verglichen Handlung Ergebnis Straße sauber (p) Langsam fahren rasen Spät ankommen Früh ankommen Straße glatt (1-p) +1 +3 Ankommen Krankenhaus +1 -5 – Entscheidung wird meist in Unkenntnis über Straße gefällt = Wahrscheinlichkeitsabschätzung (Ergebnisse unter verschiedenen gegebenen Situationen) E(l)= p*(+1)+(1- p)*1 = 1 E(s)= p*(+3)+(1-p)*(5) = 3p-5 +5p= 8p-5 24 4. Rationale Kalkulation I - Ausgeglichenheit wird erreicht bei: 1 =8p-5 6 = 8p p=¾ d.h. mit einer Sicherheit von 75% ist die Straße sauber indecision, Wahrscheinlichkeit schnell zu fahren - Bei mehr als 25% Wahrscheinlichkeit für Glätte: langsam fahren Menschen gehen bei Entscheidungen so vor Psychophysik von Wert und Wahrscheinlichkeit Psychophysik: Frage in welchem Verhältnis objektive Reizqualitäten zu subjektiven Wahrnehmungen stehen Wie hängt ein objektiver Wert mit subjektivem Nutzen zusammen? Prospect theory (Kahneman & Tversky, 1984) – Asymptotischer Verlauf der Nutzenfunktion • Risiko-Vermeidung bei Gewinnen Bsp.: Entscheidung zwischen: (a) Sicherer Gewinn von 80,- € (b) Gewinn von 100,- € mit 85%iger Wahrscheinlichkeit (Risikovermeidung) • Risiko-Suche bei Verlusten Bsp.: Entscheidung zwischen: (a) Sicherer Verlust von 80,- € (b) Verlust von 100,- € mit 85%iger Wahrscheinlichkeit (Risikosuche) • Führt zu Verletzungen von Rationalitätsaxiomen (framing-Effekte) keine Konsistenz, man kann sich nicht mal so, mal so entscheiden und behaupten, es wäre vernünftig Szenario zu Framing-Effekten: Die BRD bereitet sich auf den Ausbruch eines aus Asien stammenden Krankheitserregers vor. Es wird erwartet, dass die Krankheit 600 Personen das Leben kosten wird. Zwei alternative Programme zur Bekämpfung der Krankheit werden diskutiert, deren erwartete Konsequenzen unten beschrieben werden. Welches Programm würden Sie auswählen? Version 1: Wenn Programm A eingesetzt wird, werden 200 Personen gerettet. (72%) Wenn Programm B eingesetzt wird, besteht eine Chance von einem Drittel, daß 600 Personen gerettet werden. Mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln wird jedoch niemand gerettet. (28%) Version 2: Wenn Programm C eingesetzt wird, werden 400 Personen sterben. (22%) 25 4. Rationale Kalkulation I Wenn Programm D eingesetzt wird, besteht eine Chance von einem Drittel, daß niemand sterben wird. Mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln werden 600 Personen sterben. (78%) beide Erwartungswerte sind gleich, aber Version 1 ist ein Gainframe, Version 2 dagegen ein Lossframe - C&A, B&D sind identisch nur Formulierungen unterscheiden sich Wir sind nicht stabil in unserem Entscheidungsverhalten. Funktion Linien sind nicht gerade Objektiver Unterschied ist größer als subjektiver Präferenz für sichere Alternative Subjektiver Schaden ist geringer als objektiver Präferenz für Risiko trotz höheren Verlusts – Losses loom larger than gains Funktion von Verlusten ist steiler beeinflussen somit stärker • Wären Sie bereit, 10 Euro für ein Münzwurfspiel (faire Münze) zu bezahlen, bei dem Sie im Erfolgsfall 20 Euro bekommen? [Nein.] (Verlust von 10 Euro wiegt schwerer als Gewinn von 20 Euro) – Nichtlinearer Einfluss von Wahrscheinlichkeiten auf Entscheidungen • Qualitative Sprünge zwischen Unmöglichkeit/Möglichkeit und zwischen hoher Wahrscheinlichkeit/Sicherheit 26 4. Rationale Kalkulation I – Subjektive Entscheidungsgewichte sind immer geringer nur bei Kreis: Überschätzung, Entscheidungsgewicht hier höher als es objektive Wahrscheinlichkeit entspricht – Unterschied von „es ist unmöglich“(0%) auf „es kann passieren“ (1%) ist wichtig subjektiver Nutzen wird überschätzt – Auch von 99% auf 100% ist ein qualitativer Sprung subjektiver Nutzen der 99% wird unterschätzt – Bei unmöglichen Ereignissen: subjektives Entscheidungsverhalten = 0 Szenario zu Sprüngen in der Wahrscheinlichkeitsfunktion: Angenommen Sie interessieren sich für eine Versicherung gegen Erdbeben, sind aber wegen der hohen Versicherungsprämie noch unsicher, ob Sie diese abschließen sollen. Während Sie noch zögern, macht Ihr freundlicher Versicherungsagent Ihnen folgendes Angebot: „Für die halbe Prämie biete ich Ihnen an, dass alle Ihre Schäden gedeckt sind, wenn das Erdbeben an einem ungeraden Datum auftritt. Das ist doch ein gutes Angebot, denn für die Hälfte des Geldes sind Sie für mehr als die Hälfte der Tage geschützt.“ Würden Sie jetzt annehmen? Antwort: Nein. Erklärung: Der Unterschied in der Risikowahrscheinlichkeit zwischen p und p/2 wird subjektiv als wesentlich kleiner erlebt als der Unterschied zwischen p/2 und 0 (perfekte Sicherheit). Qualitativer Sprung, man kauft Versicherungen, um das Risiko ganz auszuschalten, nicht nur halb Spieltheorie weiterer Ansatz aus der Ökonomie • Normative Theorie rationaler Entscheidungen • Verhaltensentscheidungen = Züge in einem Spiel; nur, wenn ich die aller Spieler kenne, weiß ich, was für jeden dabei herauskommt Frage: Was ist die beste Entscheidung? • Spiele mit mehreren Spielern (soziale Interaktionsspiele) – Kombination der Entscheidungen aller Spieler bestimmt das Ergebnis – Optimiert wird nur der eigene Nutzen • Interesse am Ergebnis des anderen (Neid, Missgunst, Mitleid, etc.) 27 4. Rationale Kalkulation I wird bereits in die eigenen Nutzenwerte eingespeist, Nutzen des anderen ist nur als Information interessant Graphik • In jeder Zeile ergeben sich für die Beteiligten entsprechende Nutzenwerte • Graphik ist symmetrisch! Nutzen für uns Nutzen für die Anderen Strategien zu Identifikation/Charakterisierung optimaler Entscheidungen – Elimination dominierter Strategien 1. 1 und a sind dominierte Strategien (2 bzw. b sind immer besser). – Identifikation von Gleichgewichtspunkten (equilibria; Nash, 1951) • Kein Spieler verbessert sich dadurch, dass er allein von seiner Wahl abweicht 2. (2,b) ist ein Gleichgewichtspunkt: jeder verliert, wenn er allein abweicht. 3. (1,a) bringt für beide Spieler höheren Nutzen, ist aber kein Gleichgewichtspunkt; beide Spieler haben einen Anreiz, 1 bzw. a nicht zu wählen denn (a) wenn sie glauben, der andere wählt a bzw. 1, haben sie einen Grund, abzuweichen und 3 zu spielen, (b) wenn sie nicht glauben, dass der andere a bzw. 1 wählt, sollten sie selbst auch nicht 1 bzw. a wählen. Daher funktioniert (1,a) auch nicht als „Kartell“. 4. Das erscheint paradox: ‚Versuchungen‘, die selbst nicht stabil sind, können eine attraktive Kombination destabilisieren (Misstrauen, gegenseitige Unterstellung von Egoismus). Typen von Spielen - Einmal-Spiele (wenn ich immer mit andere spiele, vorherige Runde hat keinen Einfluss auf die nächste) vs. wiederholte Spiele („Superspiele“) – Nullsummenspiel (fixer Betrag wird aufgeteilt, Nutzen des einen ist der Schaden des anderen) vs. Nicht-Nullsummen-Spiele (beruht auf Gegenseitigkeit, gut für jeden) – Kooperative vs. nicht-kooperative Spiele (man muss Versprechen nicht halten) • Hoffnung: Rückführung von kooperativem Verhalten auf Gleichgewichtspunkte in nicht-kooperativen Spielen 28 4. Rationale Kalkulation I Anspruch: Anwendbarkeit auf alle Wahlsituationen gesamtes menschliches Handeln lässt sich durch Spieltheorie optimieren – Erklärung von Verhalten in Arbeit/Beruf; Handel-, Tausch und Konsumverhalten; Freizeitverhalten; Partnerwahl; etc. – Anwendung auf das Verhalten von überpersonalen sozialen Agenten (Firmen/Gewerkschaften, Staaten) • Abschreckungs- und Einschüchterungsspiele (Rüstungspolitik) C= Careful Denke an „Rebel Without A Cause“ D= Dangerous • Unternehmens- und Politikberatung, etwa zu Fragen der militärischen Abschreckung, Steuerpolitik, Lohnverhandlungen, Preisgestaltung Grenzen der Maximierungstheorien Kernelemente 1. Freiheit: Menschen sind im Verhalten nicht festgelegt können frei entscheiden 2. Individualität: es gibt Unterschiede in unseren Zielen 3. Klugheit: wir überlegen, wie wir Ziele am besten in die Tat umsetzen = rational ist, was meinen Zielen am besten dient = Optimierung des erwarteten Nutzens, man will dann aber immer weiter kommen aber alles ist nur begrenzt gültig • Verkürzter Begriff von Rationalität – Keine Rationalitätsprüfung von Zielen/Präferenzen • Es kann nicht vernünftig sein, das Schlechte zu wollen 29 4. Rationale Kalkulation I • Maximizing vs. Satisficing – Optimierungswahn und die Angst, zu kurz zu kommen • Mangelnde Beachtung indirekter, reflexiver Konsequenzen wiederholter Entscheidungen auf payoff-Strukturen („meliorization“; Herrnstein, 1990) – Häufige Wahl einer Alternative verändert die subjektive Wertigkeit der gewählten (-) und der nicht-gewählten Alternative (+) – Abhängigkeit – Wir optimieren nur unmittelbare Konsequenzen „Kurzsichtigkeit“ – Nur aktuelle Entscheidungen werden optimiert wir verlieren globalen Pay-Off aus den Augen Beispiel1: • Gegenspieler beim Tennis ist am Netz, 2 Möglichkeiten Lob spielen • gerade/ schnell vorbei (Passierschlag) Graphik gibt Verteilung der Schläge wider LOB • In 100% aller Schläge ausführen: Gegner merkt es wenig effektiv • Schlag ist effektiv, wenn er selten ausgeführt wird Gegner ist überrascht, Punkte Welcher Prozentsatz ist optimal? ------- = gewichtete Punkte, werden aufsummiert bei lokaler Maximierung landet Spieler beim Equal Effekt Punkt 30 4. Rationale Kalkulation I Beispiel2: 1= abstinente Alternative, 2= Addiction Alternative • Solang negative Folgen salient sind: weit rechts Wenn negative Folgen nicht salient sind, kein Pay-Off bei Nicht-Trinken: weiter links Literatur: • Rieck, C. (20066). Spieltheorie: Eine Einführung. Eschborn: Christian Rieck Verlag. (Nutzentheorie: Kap. 4.6; Spieltheorie: Kap. 2). • Kahneman, D., & Tversky, A. (1984). Choices, values, and frames. American Psychologist, 39, 341350. • Herrnstein, R. J. (1990). Rational choice theory: Necessary but not sufficient. American Psychologist, 45, 356-367. 31 5. Rationale Kalkulation II Rationale Kalkulation II- Erwartung x Wert Psychologische Differenzierungen des Erwartungsbegriffs • Grundlagen von Nutzentheorie, aber weiter entwickelt • Wert spielt eine Rolle Kognitive Erwartung x Wert-Modelle 4 Komponenten der Motivation –Situation, Handlung (Handlungsalternativen, die in der Situation zur Verfügung stehen), Ergebnis, Folge Differenzierung zwischen unmittelbaren Ergebnis und Implikationen für Ziele •Differenzierungen des Erwartungsbegriffs (Heckhausen, 1977) –Abhängigkeiten (bedingte Wahrscheinlichkeiten) zwischen den Komponenten verbinden Komponenten der Erwartung –Situations-Ergebnis-Erwartung: P(E│S) •Welchen Bereich möglicher Ergebnisse legt die Situation fest? •Wie breit ist dieser Bereich? • Bereich der Möglichkeiten, die durch Situation gegeben sind • Hohe Erwartung: nur wenige unterschiedliche Ergebnisse treten auf = Motivationskiller, unterbindet Motivation zu handeln –Handlungs-Ergebnis-Erwartung: P(E│H, S) •Inwieweit hängt das Ergebnis von der Ausführung bestimmter Handlungen ab? • Zentral für Motivation • Wenn Erwartungen verschieden: großer Einfluss auf Handlung • Gleiche Konsequenzen sind schlecht für Motivation 32 5. Rationale Kalkulation II –Ergebnis-Folge-Erwartungen („Instrumentalität“): P(F│E) •Wie beeinflusst das Ergebnis die Erreichung übergeordneter Zwecke und Anreize? (Gefühle, Ziele, Selbst-u. Fremdbewertungen, persönliche Situation) Vergleich von Erwatungen und Folgen Personalisierte Erwartung Wirksamkeitserwartung („Self-efficacy“; Bandura, 1977) kann ich Handlung ausführen? Liegt es in meiner Macht? betrifft persönliche Erwartung, nicht auf bloßes Wissen beschränkt - Erwartung, zielführende Handlungen erfolgreich ausführen zu können - Personbezogene Erwartung/Einschätzung im Gegensatz zur allgemeinen Handlungs-Ergebnis-Erwartung - Selbstwirksamkeit kann niedrig sein, obwohl Handlungs-Ergebnis-Erwartung hoch ist •Nötiges Wissen, Fertigkeiten und Expertise fehlen •Angst, Selbstzweifel oder Aversionen können Handlungsfähigkeit einschränken 33 5. Rationale Kalkulation II • • 2 Teilerwartungen Person und Handlung als verbunden wahrgenommen Generalisierte Erwartungen Spezifische vs. generalisierte Erwartungen –Spezifische Erwartungen •Basiert auf Erfahrung mit derselben oder sehr ähnlichen Situationen •Beeinflusst Erwartungsbildung in vertrauten Situationen –Generalisierte Erwartungen abstraktere Ebene •Basiert auf Erfahrung mit anderen Situationen •Beeinflusst Erwartungsbildung vor allem in neuen, unbekannten Situationen •Internaler/externaler„Locus of Control“(Rotter, 1954) Überzeugung, wovon es im Alltag abhängt, welche Folgen es gibt Internal • Es hängt immer von mir ab External 1. Zufall (Schicksal) 2. mächtige Andere sind verantwortlich (Ärzte, Politiker) 4 Literatur: Rheinberg, F. (2002 ). Motivation (Kap.6). Stuttgart: Kohlhammer 34 6. Inhalt I Inhalt I – Motive (Macht, Leistung, Anschluss) • • Motiv= spezifisches Steuerungssystem menschlichen Verhaltens Ziel der Theorien: Wie kann man Personen differenzieren, wie diagnostizieren, welches Verhalten vorhersagen? Motive und Motivation Motive • Motiv = Disposition, wird in spezifischer Situation getriggert • Wir sind durch Motive sensibilisiert – beeinflussen, was uns an einer Situation auffällt – Zeitlich stabile und bereichsübergreifende Wahrnehmungs- und Bewertungsdispositionen • Was fällt auf an einer Situation? Wie wird eine Situation interpretiert? Was wird als wichtig und interessant erlebt? – Thematische Zusammenfassung von Motiven nach grundlegenden Bedürfnissen und Zielen • „needs“ (Murray, 1938) • Aktuelle Forschung: Konzentration auf wenige, zentrale Motive 3 Klassen identifiziert: Leistung, Macht, Anschluss/Intimität – Affektbezogenheit von Motiven • Motive = affektive Bedürfnisse, Präferenz für bestimmte Anreize • Affekte/Emotionen als Verstärker und Anreize motivierten Verhaltens – Leistung: Stolz, Hoffnung (auf Erfolg), Scham, Angst (vor Misserfolg) – Anschluss/Intimität: Geborgenheit, Sicherheit/Vertrauen, Unsicherheit, Einsamkeit – Macht: Überlegenheit, Demütigung Motive haben enge Bindung zu affektiven Zuständen – Annäherungs- und Vermeidungskomponenten von Motiven • Hoffnung auf Erfolg/ Anschluss/ Einfluss vs. Angst vor Misserfolg /Zurückweisung/Kontrollverlust • Motive haben immer zwei Seiten (Macht vs. Zurückhaltung) • Auch möglich: Furcht vor Misserfolg ist so groß, dass Leistungssituation trotz starken Leistungsmotivs vermieden wird Situative Anreize – Gelegenheiten/Chancen, Gefahren/Risiken Murray • Viele Motive beschrieben • Eher Handlungen, die zugeordnet werden • „press“ (Murray, 1938) – „Alpha“ press: objektive Charakteristika der Situation stimulieren Motive 35 6. Inhalt I Leistungsmotiv » Erfolgs-/Misserfolgsrückmeldung » Einsamkeit, neu/fremd in einer Gruppe Anschlussmotiv » Einnehmen einer Führungsposition in einer Gruppe (Entscheiden, Bestimmen, Kontrollieren, Meinungsbildung) Machtmotiv – „Beta“ press: subjektiv interpretierte Situation Motivation – Ergebnis des Zusammenwirkens von Motiv und Situation („angeregtes Motiv“) Interaktion, bei Passung von Motivstruktur und Teil der Situation spezifische Motivation (emotionaler, affektiver Zustand und Emotionen des Motivs) bestimmtes physiologisches Muster = Reaktionssyndrom • • • Verhalten bei Anschluss: Tend and Befriend Verhalten bei Leistung: Konzentration, Ehrgeiz Verhalten bei Macht: Dominanz (bis Aggressivität), Unterwerfung 36 6. Inhalt I Elemente, der Situation können zum Motiv passen Interaktion Motivation wird aktiviert Motivmessung Direkte Messung – Explizite Auskünfte über persönliche Vorlieben, Einstellungen und Handlungstendenzen (Fragebogen) • Z.B. Personality Research Form (PRF; Jackson, 1974) Indirekte Messung – Kein expliziter Bezug zu Motiven in der Instruktion – Theoretische Grundidee: Was macht Person, wenn man ihr alle Freiheiten lässt? Disposition kommt heraus • automatisierte, affektive Vorlieben und Reaktionsformen • der reflektierten Selbstbeobachtung nicht unmittelbar zugänglich • zeigen sich in Situationen, die Freiraum für spontane, selbstinitiierte Handlungen und Interpretationen lassen – Projektive Testverfahren • Mehrdeutige, interpretationsoffene Reizvorlagen • Offenes Antwortformat • Z.B. Thematischer-Apperzeptions-Test (TAT; Murray, 1938) implizite Messungen entsprechen Theorien über Motive Fazit – Indirekte Verfahren haben sich trotz geringerer Objektivität und höherem Durchführungsaufwand durchgesetzt • Bessere Validität (langfristige Verhaltensvorhersage) • Theoretisch stimmige Form der Erfassung Leistungsmotiv (achievement motive) Definition – „LM ist das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält, und deren Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann“(Heckhausen, 1965, S. 604) kann sich nur da entwickeln, wo es einen verbindlichen Qualitätsmaßstab gibt – LM ist weitgehend unabhängig von den mit der Tüchtigkeit verbundenen Folgen (Belohnung, Anerkennung, …); entscheidend für LM ist die Tüchtigkeit selbst (Gedanke „Das habe ich sehr gut gemacht.“) – Zentrale Emotionen (antizipiert/erlebt): Stolz und Scham – Voraussetzung: Ergebnisse/Leistungen müssen erkennbar Resultat eigener Fähigkeit und Anstrengung sein – Übertragungseffekt: man kann nicht nur in einem Bereich leistungsmotiviert sein, es überträgt sich auf alle Lebensbereiche Messung von Leistungsmotiven im TAT • Nach dem Auswertschlüssel von Winter (1991) wird als Leistungsmotiv verrechnet: 37 6. Inhalt I – wenn Adjektive genannt werden, die eine Leistung oder Handlung positiv bewerten (z.B. gut, besser, am besten) – wenn ein Gewinn oder erfolgreiches Messen an anderen erwähnt wird und dabei Leistung im Vordergrund steht (nicht Aggression oder Macht) • Zwei Komponenten der Leistungsmotivation – Hoffnung auf Erfolg (HE) und Furcht vor Misserfolg (FM) LM als gesellschaftliches Phänomen • Funktionale Wurzeln in der Neugiermotivation • LM ist zentral für moderne Leistungsgesellschaften (wichtig in Schule, Arbeitswelt, Freizeit) • Erziehungs- und Sozialisationsbedingungen – Erziehung zur Selbständigkeit – Dosierte Diskrepanz: Fordern ohne zu Überfordern • Gesellschaftliche ökonomische Folgen hoher Leistungsmotivation – Nationale Motivindizes (Motivmessungen; Auswertungen von 38 6. Inhalt I Kinderbüchern, Ansprachen von Politikern, …) sagen nachfolgende (aber nicht die vorangehende!) Steigerung der ökonomischen Leistung Vorher Energieverbrauch als Indikator für Wirtschaftswachstum Leistungsmotiv in Kinderbüchern 39 6. Inhalt I • Gesellschaftliche Makroveränderungen LM ökonomische Entwicklung – Protestantismus, Autonomie und LM (Weber, 1904; McClelland, 1955) • Katholizismus: Kirche sorgt für Erlösung – Verantwortung liegt bei der Institution • Protestantismus: Erlösung durch Gnade allein – Ablösung von der Institution, Autonomie – Verantwortung liegt beim Individuum Individuelle Leistungsmotivation Das Risikowahlmodell der LM von Atkinson (1957) – LM als Summe von aufsuchenden (Hoffnung auf Erfolg) und meidenden (Furcht vor Misserfolg) Tendenzen Formeln: RT = Te + Tm Te = Me x Ae x We Tm = Mm x Am x Wm RT= Resultierende Tendenz Te= Tendenz, Erfolg aufzusuchen Tm= Tendenz, Misserfolg zu meiden Me= Erfolgsmotiv (Personkomponente) Ae= Erfolgsanreiz (Aufgabenspezifisch) We= Erfolgswahrscheinlichkeit (subjektiv) ErwartungsXWert-Ansatz! Mm= Misserfolgsmotiv Am= Misserfolgsanreiz (negativ!) Wie schlimm ist es zu versagen? We= Misserfolgswahrscheinlichkeit • W: Erwartungskomponente; M x A: Wertkomponente – Bestimmung der Komponenten • Me / Mm: Motive werden projektiv erfasst (TAT) • We / Wm: subjektive (Miss-)Erfolgswahrscheinlichkeit (lässt sich experimentell über die Aufgabenschwierigkeit manipulieren) – Wm= 1 –We • A: (Miss-)Erfolgsanreiz, eine lineare Funktion der Erfolgswahrscheinlichkeit 40 6. Inhalt I – Geringe Erfolgschance bedeutet hohen Erfolgsanreiz: Ae = 1 – We – Hohe Erfolgswahrscheinlichkeit bedeutet starken (negativen!) Misserfolgsanreiz: Am = – We Anreiz ist Funktion von Wahrscheinlichkeit: schwierige Aufgabe: geringe Erfolgswahrscheinlichkeit- wenn aber Erfolg, dann ist dieser viel wert (hoher Anreiz); bei leichten Aufgaben vice versa – Einsetzen ergibt: • RT = (Me x (1 – We) x We) + (Mm x –We x (1 –We)) • RT = (Me x (We – We2)) + (Mm x (– We + We2)) • RT = (Me x (We – We2)) – (Mm x (We – We2)) • RT = (Me – Mm) x (We – We2) Vergleich der resultierenden motivationalen Tendenz von dominant Erfolgsmotivierten (links) und dominant Misserfolgsmotivierten (rechts) Erfolgsmotiviert Misserfolgsmeidungsmotiviert – Geringes Misserfolgsmotiv: Kurve nach unten (Tm) ist kleiner als Kurve nach oben (Te) – RT geht somit nach oben – Maximum bei mittlerer Aufgabenschwierigkeit suchen Leistungssituationen Leistungsmotiv ist negativ – Tm-Komponente ist stark – Maximum bei leichten und schweren Aufgaben 41 6. Inhalt I Vorhersagen des Risikowahlmodells – Erfolgsmotivierte (HE > FM)… • …wählen bevorzugt mittelschwierige Aufgaben • …strengen sich hier maximal an und zeigen maximale Ausdauer – Misserfolgsmotivierte (HE < FM)… • …meiden generell leistungsbezogene Aufgaben • …sind bei mittelschwierigen Aufgaben am meisten gehemmt • …zeigen hier die geringste Anstrengung und Ausdauer • …bevorzugen sehr leichte oder sehr schwierige Aufgaben Empirische Prüfung des Risikowahlmodells – Freie Anspruchsniveausetzung in der Ringwurfaufgabe (Atkinson & Litwin, 1960) HE: Kinder wählen mittlere Entfernung FM: Kinder zeigen diese Tendenz viel weniger – Ausdauer beim Bearbeiten unlösbarer Zeichenaufgaben (Feather, 1961) Faktor: Die Aufgaben werden als schwierig (p = .05) oder leicht (p = .70) dargestellt. Lösbare und unlösbare Aufgaben werden in zufälliger Folge vorgelegt. Vpn kann jede Aufgabe beliebig oft wiederholen und dafür jeweils ein neues Blatt benutzen. AV: Anzahl der Lösungsversuche für die unlösbaren Aufgaben. 42 6. Inhalt I HE: Scheitern bei leichten Aufgaben: Erfolgswahrscheinlichkeit sinkt ab, aber Motivation nimmt zu besonders hartnäckig Wenn Leute bei den 5% Aufgaben scheitern, hören sie auf. FM: „Jetzt erst recht“: bei schwieriger Frage maximale Hartnäckigkeit Verschiebt sich von 70% auf 50%: maximal aversiv hören auf 43 6. Inhalt I Die „kognitive Wende“ in der LM-Forschung Fragen: (1) Stabilität (2) Warum wählen auch Misserfolgsvermeider den mittleren Bereich? • mittelschwere Aufgaben sind diagnostischer für Fähigkeiten als zu leichte oder zu schwere Information über die eigene Fähigkeit statt antizipierter Affekt bei Erfolg/Misserfolg (Trope, 1975) • Ursache ist nicht Stolz, sondern maximale Diagnostizität: Wie gut bin ich? – Dissoziation von Diagnostizität und Aufgabenschwierigkeit Durchführung: Vpn bekamen Tabelle vorgelegt wenig diagnostische Aufgaben differenzieren nicht zwischen high und low ability • Vpn durften aussuchen wie viele Aufgaben welchen Typs sie lösen wollen Trope (1975): Fiktive Angaben, die Vpn vorgelegt wurden, bevor sie ihre Präferenzen für die verschiedenen Leistungstests angeben sollten 6 Aufgabentypen, Prozent der Leute, die Aufgabe lösen können, angegeben Ergebnisse: 44 6. Inhalt I • HE Diagnostizität Aufgaben, die trennen, werden bevorzugt • • Effekt kommt von der Diagnostizität, nicht von der Aufgabenschwierigkeit Spricht gegen Risiko-Wahl-Modell: auch einfach wird oft gewählt • Präferenz für diagnostische Aufgaben, kein darüber hinausgehender Effekt der Schwierigkeit • Diagnostizitätsorientierung stärker bei Erfolgsmotivierten kognitive Betrachtung: Kausalattributionen als Schlüssel zum Verständnis von (leistungs-)motiviertem Verhalten – Dimensionen der naiven Ursachenerklärung • Lokation • Stabilität – Konsequenzen unterschiedlicher Ursachenerklärungen für die Leistungsmotivation • Stabilität Erwartung, Aufgabenwahl • Lokation (Selbst-)Wert, Aufgabenwahl 45 6. Inhalt I Individuelle Leistungsmotivation Leistungsmotivation als dynamischer Prozess: das Selbstbewertungsmodell von Heckhausen (1975) (Zusammenspiel von kognitiven und affektiven Faktoren) – Selbstverstärkungszyklen der Leistungsmotivation • Motive (HE vs. FM) bedingen Anspruchsniveausetzung und Aufgabenwahl – HE: Erfolgsaffekte maximal bei mittlerer Schwierigkeit – FM: Misserfolgsaffekte minimal bei extremer Schwierigkeit • Aufgabenschwierigkeit bedingt… – Erfahrung: Anstrengungs-/Fähigkeitsabhängigkeit von Erfolg/Misserfolg – Attribution: Asymmetrien in der Erklärung von Erfolg/Misserfolg • Attributionsasymmetrien bedingen unterschiedliche Selbstbewertungen (selbst bei identischer Leistung!) Das Leistungsmotiv als Selbstbewertungssystem (Heckhausen, 1975) Leistungssituationen aufsuchen, die Leistungsniveau entsprechen oder leicht darüber liegen • Viele Konsequenzen: aussagekräftige Erfahrungen • Erfolg: wird sich selbst zugeschrieben (internal attribuiert) positive Affekte Misserfolg: variabel attribuiert (keine Auswirkung auf folgende Situationen) Affektbilanz positiv, wirft einen nicht aus der Bahn • 46 6. Inhalt I vermeiden Leistungssituationen • Tendenz, nicht-diagnostische Aufgaben zu wählen Erfolg: o Leichte Aufgabe: Erfolg wird auf Aufgabe attribuiert o Schwere Aufgabe: Glück, Erfolg kann nicht repliziert werden externale Attribution, irrelevant fürs Selbstkonzept • Misserfolg: o Aufgabe zu schwer: ist immer so o Aufgabe zu leicht: diagnostisch negativer Affekt, selbstwert-abträglich, da stabil attribuiert • Machtmotiv (power motive) Definition – „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance besteht“ (Max Weber, 1964, S. 38) – Macht als Quotient der maximalen Kraft, die A auf B ausüben kann, und des maximalen Widerstands, den B aufbieten kann (Lewin, 1951) Funktionen der Machtmotivation - Das Streben nach Machtpositionen soll den Zugang zu Status und Ressourcen liefern, die die Selbsterhaltung sichern und den Fortpflanzungserfolg verbessern – In Tiergesellschaften halten Rangordnungen das soziale Gefüge stabil „Hackordnung“, Machtpositionen in Gruppen und Rudeln, z.B. bei Wölfen, Affen) – Manifestiert sich in sozialen Interaktionen – Eher bei Männern ausgeprägt, aber von Frauen bevorzugt Messung von Machtmotiven im TAT • Nach dem Auswertschlüssel von Winter (1991) wird als Machtmotiv verrechnet: – Starke oder machtvolle Aktionen die auf Personen, Gruppen oder Nationen wirken (Angriffe, Drohungen, usw.) – Informationen über andere sammeln oder andere überprüfen – Versuche zu beeinflussen, überzeugen, überreden, beweisen – Bestreben, andere zu beeindrucken (Ansehen, Prestige); Ausdruck positiver Emotionen, die damit verbunden sind 47 6. Inhalt I Zwei Formen der Machtmotivation – Personalisiertes Machtmotiv • Wunsch nach Macht, um sich selbst stark und dominant zu fühlen; niedrige Aktivitätshemmung (Aktivitätshemmung= Inhibition der Aggression, drückt sich im TAT durch hohe Anzahl von Negationen aus) – Sozialisiertes Machtmotiv • hohe Aktivitätshemmung; häufig zugunsten anderer eingesetzt Korrelate des Machtmotivs Biologische Wurzeln des Machtmotivs – Erhöhte Ausschüttung von Adrenalin/Noradrenalin (Sympathikus) in machtthematischen Stresssituationen (Schultheiss, 2007) – Gesundheitsrisiken (Bluthochdruck, schwaches Immunsystem/Cortisol; McClelland 1979; McClelland et al., 1982) Verhalten – Interaktion von MM, Inhibition und Imagery sagt Dominanzverhalten und Persuasionserfolg vorher – Schultheiss & Brunstein, 2002: o Personen bekamen Aussicht auf Diskussion, in der überzeugendes Verhalten wichtig sei o Machtmotiv mit TAT gemessen o Wichtiger Faktor: Imagery (Kampf um Macht: Vorstellen, wie man auf andere reagieren würde, die eigene Macht angreifen) o Zu beginn der Diskussion sollten Personen Statement abgeben 48 6. Inhalt I hohes MM, hohe Aktivitätshemmung, Konflikt vorgestellt Statement am überzeugendsten Lebenslauf – MM sagt langfristig (> 10 Jahre) beruflichen Erfolg von Führungskräften vorher (McClelland & Boyatzis, 1982) Effekte situativer Machtpositionen Verhalten – Machtposition geht einher mit dominantem Verhalten • offene Körperhaltung; geringe interpersonale Distanz; hohe Lautstärke; Tendenz, andere zu unterbrechen (Hall et al., 2005) im Experiment: Leuten bestimmte Rollen zuweisen • Lachen als submissives Verhalten (Stillman et al., 2007) VL hat Macht (verteilt später Geld), erzählt auch Witze – Vpn lachen auch über Witze, die nicht lustig sind 49 6. Inhalt I Kognition – Power priming und abstraktes Denken • breitere Kategoriegrenzen; abstraktere Handlungsidentifikation; sinnbezogene Informationsverarbeitung; besseres/abstrakteres Gestalterkennen (Smith & Trope, 2006) Bindungsmotive (afiliation and intimacy motive) Anschluss (affiliation) und Intimität (intimacy) – Anschluss: bezieht sich v.a. auf Kontakte zu noch fremden Personen – Intimität: Vertiefung/Sicherung von bereits bestehenden Beziehungen Ziele des Bindungsmotivs – aus Fremden Vertraute und freundschaftlich Gesinnte machen; geknüpfte soziale Beziehungen aufrechterhalten bzw. wiederherstellen – Vermeidung von Meinungsverschiedenheiten, Streit, Konflikten Funktionen – Eltern-Kind Bindungen dienen der Selbst- und der Arterhaltung – Bindung zwischen den Eltern dient der Aufrechterhaltung des Familienverbandes – Bindung an eine soziale Gruppe bietet Schutz vor Gefahr und Kooperationsmöglichkeiten • Anregung von Bindungsmotiven durch… – …Trennung, Isolation – …Zurückweisung, Hinweise auf Spannungen in Beziehungen – …Aufbau neuer Kontakte zu bislang fremden Personen oder Gruppen Messung von Bindungsmotiven im TAT Nach dem Auswertschlüssel von Winter (1991) wird als Anschluss-/Intimitätsmotiv verrechnet: – Hinweise auf das Schließen, Beibehalten oder Wiederherstellen einer Freundschaft oder freundlichen Beziehung zwischen Personen oder Gruppen – Ausdruck von freundlichen oder intimen Gefühlen zu anderen Personen oder Gruppen – Traurigkeit oder andere negative Gefühle über Trennung oder Zerstörung einer Beziehung; Wunsch diese wieder herzustellen – Gemeinsame Aktivitäten, wenn Wärme und Freundlichkeit darin zu erkennen sind Korrelate des Bindungsmotivs Biologische Grundlagen von BM – Erhöhte Dopaminkonzentration (Parasympthikus) und Progesteron; bessere Immunfunktion besonders bei Frauen in Situationen, die BM anregen Kognitive Grundlagen – Wahrnehmung • BM+ sind sensitiver bei der Wahrnehmung von Gesichtern (auch subliminal) (Atkinson & Walker, 1956) • Automatische Aufmerksamkeitsausrichtung hin zu freundlichen, 50 6. Inhalt I weg von ärgerlichen Gesichtern (Schultheiss & Hale, 2007) Verhalten – erhöhte Zustimmungstendenz – soziale Interaktion/liking/eye contact: mehr bei ähnlichen anderen, weniger bei Personen mit anderer Auffassung – effektiver bei kooperativen Aufgaben “Tend and Befriend“ – Differenzierung zwischen stark und schwach bindungsmotivierten Lebenslauf – BM korreliert negativ mit beruflichem Erfolg in Führungspositionen Literatur • Rheinberg, F. (20024). Motivation (Kap. 4, 5). Stuttgart: Kohlhammer. • Rudolph, U. (2003). Motivationspsychologie (Kap. 6, 7, 8). Weinheim: Beltz PVU. 51 7. Inhalt II Inhalt II – Ziele, Identität und Selbstkonzept Übersicht • Ziele als Basiseinheit der Handlungssteuerung Motive kenne ich nicht, Ziele schon können mit Verhalten in Verbindung gesetzt werden • Ziele und Handeln Ziele legen fest, was wünschenswert erscheint, oder vermieden werden soll = man kann Handeln konkret auf das Erreichen ausrichten • Unterscheidungsmerkmale von Zielen, effektive Zielverfolgung • Intentionale Selbstgestaltung – Identitätsziele und Selbstdefinitionen • Prozesse der Sicherung/Aufrechterhaltung der persönlichen Identität • Ziele manifestieren sich auch in Träumen Ziele • Ziele als proximale Determinanten des Handelns – Ziele bestimmen erwünschte Handlungsergebnisse – Ziele als Basis von Handlungsplänen und Strategien – Ziele steuern Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Bewertungen und Denken • Ziele vs. Motive – Unterschiede: • Ziele = spezifisch, bewusst repräsentiert, handlungsleitend • Motive = abstrakt, unbewusst, nicht-handlungsleitend – Gemeinsamkeiten • Einflussnahme auf basale kognitive und affektive Prozesse (Wahrnehmung, Fühlen, Denken) • Handlungsregulation durch Ziele – Kybernetische Modelle der Handlungsregulation: Ist- Soll-Vergleich: Gibt es Diskrepanzen? Ziel = Sollwert, bei Diskrepanz kommt es zu korrektiven Verhaltensweisen 52 7. Inhalt II – Psychologische Regelkreismodelle der Handlungsregulation durch Ziele • Moderatoren der Handlungsregulation (Carver & Scheier, 1986, 1990, 1998) - a und b sind Moderatoren der Handlungssituation Menschen unterscheiden sich in a) – Selbstaufmerksamkeit Menschen unterscheiden sich in b) – Kontrollüberzeugung, Optimismus • Disengagement o Internale Kontrollüberzeugung: Menschen bleiben beim Regelkreis o Externale Kontrollüberzeugung. Menschen verlassen ihn Experiment: – Operationalisierung von Disengagement durch Persistent – AV: Wie lang probieren Vpn unlösbare Anagramme zu lösen? – Manipuliert: Selbstaufmerksamkeit (z.B. durch Spiegel) 1. Bedingung: leichte Aufgaben, 2. Bedingung: schwere Aufgaben (Erwartung Anagramm nicht lösen zu können) 53 7. Inhalt II Bei geringer Selbstaufmerksamkeit Spielt Manipulation der Kontrollüberzeugung Keine Rolle Kontrolle spielt eine Rolle, Manipulation der Erwartungen spielt eine Rolle Vpn in Erwartung nicht lösen zu können, steigen eher aus • Zielverfolgung und Affekt – Positiver negativer Affekt als Resultat von Diskrepanzwahrnehmungen und der Rate der Zielannäherung Unterscheidungsmerkmale von Zielen und Auswirkungen auf effiziente Zielverfolgung (Lee, Locke & Latham, 1989) – Zielschwierigkeit (Anspruchsniveau) • Anspruchsvolle Ziele hohe Leistung – Zielspezifität • Hohe Spezifität ist Voraussetzung für feedback (essentiell für Handlungsregulation) – Commitment • Commitment als Moderator des Zusammenhangs zwischen Zielen und Ergebnissen man zeigt gute Leistung bei anspruchsvollen Zielen, wenn Commitment hoch ist 54 7. Inhalt II Verhindern Disengagement – Nicht alle Ziele sind gleichwertig: Zielhierarchien = abhängige Ziele, manche sind Mittel, um andere zu erreichen Intentionale Selbstgestaltung • Das Selbst als Gegenstand des Handelns – Selbstdefinitionen und persönliche Identitätsziele als spezifisch menschliche Motivationsquelle • Identitätsziele: Wer und wie wir sein und werden wollen (Persönlichkeit, Lebenslauf, und Erfolgssymbole) Komponenten des Selbst – Real-Selbst, Ideal-Selbst, mögliches Selbst • Possible selves als unmittelbare Motivationsquelle (Markus & Nurius, 1986; Markus & Ruvolo, 1989) – Desired und undesired possible selves – „Ideal self“ (Ideale) vs. „ought self“ (Pflichten) • Unterschiedliche Selbstdiskrepanzen (Higgins, 1987) – Promotion focus vs. prevention focus » Annäherung/Nutzen von Chancen vs. Fehlervermeidung - Spezifische Gefühlsqualitäten: Freude/Angst vs. Ruhe/Anspannung 55 7. Inhalt II Handeln ist immer eher auf nähere Zukunft ausgerichtet, als auf Idealselbst = Zukunftsprojektion Bei positiven Possible Selfs: kommen nicht zum Handeln, neigen zu Tagträumerein • Negative Possible Self: negative Konsequenzen Balance zwischen positiv und negativ ist wichtig • Sicherung der personalen Identität Selbstaufwertung durch defensive Prozesse – Self-handicapping (Jones & Berglas, 1978), – attributional bias (Zuckerman, 1979), - excuse making = wenn etwas Peinliches passiert, springt im Kopf ein Motor an, der Erklärungen produziert (Snyder, 1989) Experiment: • Maskuline Aufgaben: Männer haben hier mehr Druck zur selbstwertdienlichen Attribution, da diese Aufgaben wichtiger sind für das Selbstkonzept als feminine 56 7. Inhalt II Self-verification (Swann, 1983) – Aufsuchen von selbstbestätigenden Umgebungen • Suche von positivem Feedback bei positivem Selbstbild • Aber: Umgekehrte Tendenz bei negativem Selbstbild damit Identität nicht in Frage gestellt wird, schützt man auch negative Komponenten man will Identität schützen, anstatt sich nur besser zu fühlen Gibt room mate eine negative Beschreibung ab, bleiben Leute mit einem negativen Selbstbild lieber mit ihm auf einem Zimmer Interaktion von Selbsteinschätzung und Einschätzung des Room-mate 57 7. Inhalt II Symbolische Selbstkomplettierung und Kompensation (z.B. Jugendliche, die erwachsen wirken wollen, nutzen Symbole) - Ausgleich von Incompleteness-Erfahrungen (selbstrelevanter Misserfolg, Mangel an Symbolen) durch Kompensation (Wicklund & Gollwitzer, 1982) • Öffentliche Zurschaustellung von Symbolen; Instrumentalisierung anderer Personen zur Selbstsymbolisierung Gollwitzer & Wicklund, 1985 1. Persönlichkeitsprofil des Probanden (positiv vs. negativ) 2. 2 Bedingungen: Frauen mögen entweder bescheidene oder nichtbescheidene Männer 3. AV: Selbstbeschreibung der Männer Männer orientieren sich bei ihrer Selbstbeschreibung an den Vorlieben der Frau, wenn die Rückmeldungen über ihre PSK positiv waren • Männer mit Incompleteness-Erfahrung stellen sich selbst besser da- egal, was die Frau möchte • Kompensatorische Handlungen zur Wiederherstellung der beschädigten Identität Brunstein & Gollwitzer, 1996 1. Vpn (Medizinstudenten) wurde gesagt, dass Test relevant, oder irrelevant für späteren beruflichen Erfolg sei 2. kein oder falsches Feedback – bei relevanten Aufgaben wichtig für Student, sonst harmlos 3. AV: Leistung im zweiten Test 58 7. Inhalt II Bei 2 relevanten Aufgaben sind Vpn bei zweiter Aufgabe in FailureBedingung besser! = Gelegenheit zur Selbstkomplettierung Failure wirkt negativ, besonders bei relevanter Aufgabe Literatur • Kleinbeck, U. (2005). Handlungsziele. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Eds.), Motivation und Handeln (Kap. 10). Berlin: Springer. • Geen, R. G. (1995). Human motivation: A social psychological approach (Chapter 4). Pacific Grove, CA: Brooks/Cole. 59 8. Inhalt III- Implizite und explizite Motive Inhalt III – Implizite und explizite Motive • Zwei Stränge der Motivationsforschung – Motive vs. Ziele/Identitäten (neuerer Ansatz) – Unterschied: Indirekte (projektiv) vs. direkte (Selbstauskunft) Erfassung von Motiven • Relation zwischen impliziten und expliziten Motiven – Ausgangsbefund: • Keine konvergente Validität, Orthogonalität implizit und explizit erfasster Motive • Reaktionen auf dieses Ergebnis – Mangelnde Reliabilität/Validität impliziter oder expliziter Verfahren; nur eine Motiv-Form ist wirklich bedeutsam – Theorie der dualen Motive: implizite und explizite Motive sind zwei unabhängige Motivationssysteme mit unterschiedlichen Charakteristiken Theorie der dualen Motive (McClelland et al., 1989) • • 2 Motivarten lassen sich perfekt dissoziieren Alle Zellen gleich oft besetzt: Implizite Motive Explizite Motive - + 60 + 8. Inhalt III- Implizite und explizite Motive Definition Erwerb Prädiktive Validität Implizite Motive = spontanes Verhalten - Emotionale Präferenzen - Basal (wenige, allgemeine M) - Keine sprachlich-bewusste Repräsentation (physiologisches Reaktionssystem- führt nicht über Sprache) - Automatische Anregung durch situative Anreize (keine Verhaltenskontrolle nötig) - man fühlt sich gut/ ungut = Antwort auf affektive Reaktion auf Situation - Werden durch frühkindliche Erfahrungen u. Anlagefaktoren determiniert - Besser bei langfristigen Vorhersagen (Berufswahl, erfolg) - Ausdauer, Anstrengung (energetisierende Funktion) - Tätigkeitsanreize, individuelle Norm Explizite Motive = kontrolliertes Verhalten - Selbstbilder, Werte, Einstellungen auf eigene Lebenssituation zugeschnitten - Komplex, individuell - Teil des Selbstkonzepts, sprachlich Repräsentiert = Introspektion zugänglich - Kontrolliertes Verhalten zur Erreichung gesetzter Ziele/Pflichten - Überlegungen, Erwartungen, Entscheidungen „im Lichte meiner Ziele“ - Sprachlich vermittelt im Zuge des Selbstkonzepterwerbs - Besser bei kurzfristigen Vorhersagen (Labor) - Richtung (lenkende Funktion) - (eigene und fremde) Erwartungen, sozialer Vergleich Frühkindliche Determinanten für spätere Motive • Dissoziation der Prädiktoren hinsichtlich impliziter und expliziter Motive 61 8. Inhalt III- Implizite und explizite Motive Vielleicht führt Bestrafung zu Reaktanz Kind will unterlegender Rolle später entkommen Brunstein& Hoyer (2002) Verhalten aufgrund von Motivanregung • • Vpn erledigten Konzentrationstest 2 Arten von Feedback (individuell vs. normativ) - - individuelles Feedback regt implizite Motive an - Feedback in erhöhte Anstrengung umgesetzt, da Leistungsmotiv angeregt verbesserte Leistung Anstrengung durch individuelles Feedback vorhersagbar normatives Feedback: wie gut bin ich im Vergleich zu anderen? - Absteigendes Feedback regt Motiv an, wenn Leistungsmotiv hoch ist Wahrscheinlichkeit Aufgabe weiter zu bearbeiten vom expliziten LM getriggert, normatives Feedback als Prädiktor 62 8. Inhalt III- Implizite und explizite Motive Interaktion impliziter und expliziter Motive • Motivkonstellationen Grün = konvergierende Ausprägungen Rot = divergierende Ausprägungen – Auswirkungen auf Zufriedenheit • Passungseffekte (Brunstein et al., 1995) wenn Motive in verschiedene Richtung ziehen: Probleme • 2 Klassen von Motiven erhoben: beide explizit (Ziele) und implizit (Ziele) Zufriedenheit bei Bindungsmotivierten bei Bindungszielen höher als bei Wirkungsmotivierten Zufriedenheit von Wirkungsmotivierten (= Macht+ Leistung) höher bei Wirkungsorientierten Zielen als Zufriedenheit von Bindungsmotivierten • • Moderatorfunktion impliziter Motive auf den Zusammenhang von Zielfortschritt und Zufriedenheit (Brunstein et al., 1998) Annahme: positiver/ negativer Affekt = Funktion von Zielannäherung 63 8. Inhalt III- Implizite und explizite Motive • Aber: Gibt es einen Zusammenhang zu impliziten Motiven? Experiment: (Längsschnittstudie) • Frage an Vpn: Wie gut im vergangenen Semester mit Zielen vorangekommen? • AV: Zufriedenheit (in Abstand von 6 Monaten gemessen) Stärke des Effekts ist von Motiven abhängig • Agency = Wirkungsmotiv (Leistung+ Macht) Ziele, die mit Agency in Verbindung stehen: - werden sie bei einem hohen „need for agency“ erreicht Zunahme der Zufriedenheit, Übereinstimmung mit impliziten Motiv werden sie bei eine niedrigen „need for agency“ erreicht kein großer Zuwachs der Zufriedenheit, da implizites Motiv fehlt - - Ziele, die mit Bindung in Verbindung stehen: - Unterschied am größten, wenn „need for agency“ niedrig und „need for communion“ hoch ist das richtiger implizite Motiv ist ausgeprägt Zufriedenheit bei Erreichen des Ziels viel stärker Unterschied zwischen Erreichen/ nicht Erreichen am größten, wenn „need for agency“ hoch und „need for communion“ niedrig ist 64 8. Inhalt III- Implizite und explizite Motive VPn, die zahlreiche Ziele verfolgten, die für die Befriedigung ihrer impliziten Motive ungeeignet waren oder ihnen sogar entgegenliefen, verzeichneten eine deutliche Zunahme negativer Affekte im Lebensalltag. Selbst wenn es der VP gelang, Ziele zu verwirklichen, die nicht mit ihren impliziten Motiven übereinstimmten, zog dies keine Steigerung ihres emotionalen Wohlbefindens nach sich. Je mehr sich die VPs darauf konzentrierten bedürfnisinkongruente Ziele zu realisieren, desto mehr vernachlässigten sie andere Ziele, die für die Befriedigung ihrer Motive besser geeignet wären. Implizite Motive haben eine Art Moderatorfunktion auf den Zusammenhang von Zielfortschritt und Lebenszufriedenheit, denn der Zusammenhang zwischen Zielzufriedenheit und Lebenszufriedenheit gilt nur, wenn sich die Zielzufriedenheit auf Ziele bezieht, die ein hohes implizites Motiv haben. • • Erreichen eines Ziels ist für Zufriedenheit wirkungslos, wenn kein implizites Motiv darunter liegt. Zielerreichung hat positive Konsequenzen, wenn dazu passendes Motiv ausgebildet ist Literatur • Brunstein, J. (2005). Implizite und explizite Motive. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Eds.), Motivation und Handeln (Kap. 9). Berlin: Springer. 65 9. Volition- Umsetzen von Zielen in Handeln Volition – Umsetzung von Zielen in Handeln • Suche nach Erklären für Verbindung von Motiven und Handlung- sonst alle Schlüsse zirkulär • Frage: Wem gelingt Zielerreichung/ Wem nicht? Motivation und Volition Das „Handlungsloch“ in der klassischen Motivationsforschung = konkrete Verhaltensentscheidungen aufgrund impliziter Motive sind nicht vorhersagbar, explizite Motive sind besser geeignet – aber noch nicht perfekt, zu viel Varianz – Schlechte Verhaltensvorhersage durch Motive und Ziele – Hohe Varianz in der Wahrscheinlichkeit, mit der persönliche Ziele erreicht werden • Das bloße Haben von Zielen ist kein Garant für deren Erreichung • Umgang mit Hindernissen bei der Zielverfolgung; Überwindung bei aversiven, aber notwendigen Tätigkeiten Wichtige Unterscheidung – Wahl von Zielen („Motivation“) Übergang vom Wünschen zum Wählen – Realisierung von Zielen („Volition“) Übergang vom Wählen zum Wollen Integration von Motivation und Volition Das Rubikonmodell (Heckhausen, 1989; Gollwitzer, 1996) – Integration (und Unterscheidung!) motivationaler und volitionaler Phasen im Handlungsgeschehen – Sequentielles Phasenmodell • Abwägen / Wählen (motivational) • Planen (volitional) • Handeln (volitional) • Bewerten (motivational) wir setzen nur eine Zielentscheidung um, Phase endet bei Entscheidung endet mit Überschreiten des Rubikon danach: wieder motivational, da Überlegungen (gut? So weiter? Neues Ziel?) einsetzen Zyklus – Phasenübergänge • Fazit-Tendenz = Phase des Abwägens, innere Unruhe, man will Entscheidung treffen • Fiat-Tendenz = etwas soll geschehen, innere Unruhe, man braucht Pläne und Strategien 66 9. Volition- Umsetzen von Zielen in Handeln Phasenspezifische Bewusstseinslagen – Konfiguration der Funktionsweise des psychischen Apparats im Einklang mit den Erfordernissen der jeweiligen Handlungsphase – Abwägen / Wählen • Offene, unvoreingenommene Informationsverarbeitung • viele Infos einholen, wenn man alles weiß, kann man Entscheidung treffen – Planen • in Frage stellen der Zielentscheidung wäre fatal nur noch Zielerreichung wichtig • Fokussierte, parteiische Informationsverarbeitung Handlungsphasenmodell mit Bewusstseinslagen nach Gollwitzer (1996) 67 9. Volition- Umsetzen von Zielen in Handeln Evidenz – Bevorzugte Aufnahme, Erinnerung und Generierung phasenspezifischer Inhalte Gollwitzer, Heckhausen & Steller, 1990 • • • 1. Gruppe: Ziel wurde dargestellt, Wie erreichen? Planung 2. Gruppe: Leute sollten abwägen, welche Möglichkeiten es zur Zielerreichung gibt Abwägen Danach: Märchen weiter schreiben, dabei deliberative (überlegen) und implementionäre (umsetzen) Elemente gezählt Abwägen-Phase: mehr deliberative Elemente Planungsphase: mehr implementionäre Elemente Planung von Handlungen Zielintentionen vs. Handlungsvorsätze – Ziele sind abstrakt, orientieren sich an ihrer Wünschbarkeit – Handlungsvorsätze („implementation intentions“) sind konkret, sie spezifizieren ein Verhalten in einer bestimmten Situation • Wann? –Komponente • Wie? - Komponente Planung konkreter Handlungen ist entscheidend für die effiziente Umsetzung zielbezogenen Verhaltens – „strong effects of simple plans“ (Gollwitzer, 1999) – Schreiben einer Seminararbeit in den Weihnachtsferien (Gollwitzer & Brandstätter, 1997) • Vpn führten Gespräch über Thema der HA, 2 Gruppen: 68 9. Volition- Umsetzen von Zielen in Handeln 1.Gruppe: - sollten konkret angeben, an welchem Tag sie HA schreiben werden konkreter Plan (formed) • 2. Gruppe: - schreiben der HA „irgendwann“ in den Ferien not formed AV: Wahrscheinlichkeit der Abgab der Arbeit zur vereinbarten Zeit Wahrscheinlichkeit war in Gruppe 1 höher konkrete Pläne führen eher zur Handlung Literatur • Achtziger, A. & Gollwitzer, P. M. (2005). Motivation und Volition im Handlungsverlauf. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Eds.), Motivation und Handeln (Kap. 11). Berlin: Springer. 69 10. Emotion Emotion • Erlebte und antizipierte Emotionen spielen bei Motivation eine große Rolle Relation zum Handeln? Übersicht • Begriffsklärung: Affekt – Emotion – Stimmung • Struktur der Emotionen – Basisemotionen und grundlegende Dimensionen • Funktionsmodelle der Emotion – Zusammenhang von Emotion, Motivation, Handeln • Emotionskomponenten – Kognitive Einschätzungen (Appraisal) – Handlungsimpulse, Verhaltenstendenzen – Ausdruck (Mimik, Haltung) – Physiologische Muster • Emotionsregulation – Warum überhaupt? – Wie? Begriffliche Klärung: Affekt – Emotion – Stimmung Affekt – Oberbegriff für Gefühle, Stimmungen, Vorlieben/Aversionen Emotionen (Gefühle) – Angst, Furcht, Ärger, Hass, Wut, Zorn, Eifersucht, Stolz, Schadenfreude, Neid, Überraschung, Trauer, Freude, Schuld, Scham, Reue, Empörung, Sympathie, Liebe, Bewunderung, Ekel, Verachtung, Abscheu, Mitleid, … – Objekt- oder Ereignisbezug – Bewusst, im Fokus der Aufmerksamkeit – Verlauf: Anfang, Ende, bestimmbare Dauer Stimmungen – Schlechte/gute Laune – Diffus, im Hintergrund – Anlass: nicht notwendig bekannt – Verlauf: Lang anhaltend, kein klarer Beginn/Ende Struktur der Emotionen Methoden der Strukturbestimmung – Pool von Emotionsbegriffen (sprachliche Basis) – Ähnlichkeitsurteile (alle Begriffe miteinander paaren, Paarvergleich raten lassen), semantisches Differential (Emotionen werden nach Profilähnlichkeit gruppiert), Kovariationen im Erleben (Korrelationen aus Befindlichkeitsfragebögen) – Cluster-/Faktorenanalysen zur Strukturanalyse • Clusteranalyse: maximal ähnliche Emotionen definieren Basisemotionen • Faktorenanalyse: fundamentale Dimensionen identifizieren 70 10. Emotion Fundamentale Emotionskategorien Dimensionale Modelle – Circumplexmodell (Russell, 1980) durch FA gewonnen • Valenz und Erregung als orthogonale Faktoren Selbstreport Multidimensionale Skalierung – Positiver/negativer Affekt (Watson et al., 1988) Russels Struktur um 45° rotiert • Positiver und negativer Affekt als 2 orthogonale Faktoren =Circumplexmodell (ist auch bei Watson noch enthalten) 71 10. Emotion Probleme – Abhängigkeit vom verwendeten Item-Pool – Beliebigkeit der Dimensions-/Kategoriebildung – Empirische Zusammenhänge oder Sprachverständnis? Funktionsmodelle der Emotion • Evolutionspsychologie: Emotionen als instinktähnliche Reaktionsmuster auf typische, für das Überleben und die Reproduktion wichtige Situationen (McDougall, 1928) • Emotionen sind Errungenschaften der Evolution: Entkopplung von Reiz und Verhalten Nicht nur: SR Sondern: S Emotion R Vermittelnde Variable zwischen Situation und Reaktion flexibel, Verhalten ist nicht so starr wie bei Reflexen Instinktdefinition von McDougall (1928, S. 24) „…eine ererbte oder angeborene psychophysische Disposition, welche … befähigt, bestimmte Gegenstände wahrzunehmen und ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, 72 10. Emotion [Perzeption, Kognition] (dadurch) eine emotionale Erregung von ganz bestimmter Qualität zu erleben [Affekt] und daraufhin in einer bestimmten Weise zu handeln oder wenigstens den Impuls zu solch einer Handlung zu erleben“ [Motivation] Emotion und Handeln – Emotionen als Reaktion auf Ereignisse im Kontext der Zielverfolgung – Implikationen von Emotionen für Motivation und Handlungssteuerung In Abhängigkeit von der Bedeutung der Situation für meine Ziele generiere ich Emotion = flexibler als Evolutionspsychologie (Bsp.: Blind-Date- Erkennung über rote Rose, Rose löst nur bei mir Emotionen aus, anderen ist sie völlig egal) Emotionskomponenten I: Einschätzungen in selber Situation sind verschiedene Emotionen möglich, welche entsteht, ist abhängig vom Appraisal • Emotionen sind abhängig von der Einschätzung („appraisal“) einer Situation, eines Ereignisses, oder eines Objekts – Bsp.: Junge kommt nachhause… – Emotionen als Indikator persönlicher Einstellungen, Ansprüche, Normen, … • Aus generierter Emotion sind Normen, Einstellungen, Ansprüche ablesbar, da Rückschluss von Emotion auf Einschätzung möglich ist (Beispiel: TV Sendung über Arbeitslose Mitleid oder Verachtung?) • Wichtige Einschätzungsdimensionen – Zieldienlichkeit/Valenz (pos/neg) 73 10. Emotion – Verantwortung/Absichtlichkeit (Ereignis, andere Person, ich selbst) – Bewältigungspotential/Handlungsressourcen (geringe/hohe Kontrolle) – Zeitbezug (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) – Erwartung/Wahrscheinlichkeit (hoch/niedrig) – Moralische Standards (involviert: ja/nein; wenn ja: verletzt/erfüllt) – Spezifische Emotionen ergeben sich als Kombination verschiedener Einschätzungen Muster von Einschätzungen, Abgrenzung von anderen o Beispiel Agency: manche Emotionen können nur generiert werden, wenn man selbst der Handelnde ist, andere, wenn man nicht handelt • Emotionen ohne kognitive Einschätzungen? – Empirischer (Ursachen) vs. logischer (Konstituenten) Zusammenhang – Kritik von Zajonc (1980, „preferences need no inferences“) • • Vpn wurden verschiedene Objekte mehrmals präsentiert Testphase: 12 gezeigte Objekte, 12 nicht gezeigte Objekte einschätzen o 1. Bedingung: Bewerten bekannte Objekte erhielten bessere Ratings = mere exposure Effekt o 2. Bedingung: Frage: neu oder bekannt? Antworten auf Zufallsniveau 74 10. Emotion Bewusste Einschätzung ist nicht nötig, Emotion ist basaler und unabhängig von kognitiver Einschätzung Emotionskomponenten II: Handlungsimpulse Zweck der Emotionen: wirken sich steuernd, energetisierend auf Verhalten aus, vermitteln und optimieren Reaktionen sind flexibel Logisch/begriffliche Zusammenhänge • Weg zur Handlung ist in der Sprache schon festgelegt – Hass Absicht zu schädigen; Mitleid Absicht zu helfen; Reue Absicht wieder gut zumachen; Peinlichkeit Absicht zu verbergen – spezifische Vorhersage von Emotionen durch Handlungsimpulse Experiment („action readiness“; Frijda et al., 1989) – wenn Vorhersagen durch moderierenden Charakter der Emotion möglich ist, gehen Handlungsimpulse über das Appraisal hinaus – Ablauf: Vpn sollten sich an Situation erinnern, in der sie bestimmte Emotion empfunden haben o Auf Dimension raten (angenehm, Kontrolle = Appraisal) o Empfundene Handlungstendenzen (vermeiden, annähern) = action readiness – Tabelle gibt Menge der Varianzaufklärung wieder jeweils 1/3 wird durch die Variablen erklärt – Mann kann auf die Emotion schließen, wenn Appraisal und Handlungstendenz kennt Varianzen sind nicht gleich, Handlungstendenz klärt zusätzlich Varianz auf 75 10. Emotion Evolutionspsych. These: Emotionen gehen mit spezifischen Verhaltensdispositionen einher, Zweck der Emotion: Vehalten sind Module, die Verhalten aktivieren – Keine spezifischen Motorprogramme, dafür zu abstrakt Reaktion passt jeweils zur Situation – Furcht Flucht; Ekel Abstoßung; Staunen Neugier; Ärger Kampf; Hochgefühl Dominanz; Demut/Unterwürfigkeit Unterordnung; Liebe/Zuneigung Fürsorge (McDougall, 1928) – Furcht sich schützen; Ärger zerstören; Freude sich fortpflanzen; Ekel zurückweisen; …(Plutchik, 1980) Positive/negative Emotionen entsprechen appetitiven bzw. aversiv/defensiven Motivsystemen (Dickinson & Dearing, 1979) Lernen – Es gibt zwei Systeme, die durch unterschiedliche Reize aktiviert werden = Aktivierungs- und Vermeidungssystem – Aktivierung von Annäherungs- bzw. Vermeidungstendenzen • Konditionierte Furcht (Vorfreude) interferiert mit instrumentellem appetitivem Verhalten (Flucht/Vermeidungsverhalten) 76 10. Emotion • Betrachtung positiver (negativer) Bilder schwächt (verstärkt) startleReaktion Experiment (Blinzel-Reflex; Lang et al., 1997) – – – – Blinzelreaktion als Teil des startle-Reflex gemessen Vpn hörten Probes (laute Töne), dabei IAPS-Bilder gesehen AV: Stärke der startle-Reaktion Ergebnis: positive und negative Bilder führen zu weniger starker Reaktion als neutrale binden Aufmerksamkeit in früher Verarbeitungsphase, alle anderen Reize werden ausgeblendet o Wenn Probe nach längerer Zeit dargeboten wird: Reflex stärker, Bild schon verarbeitet Graphen gehen auseinander = Kopplung eines emotionalen Zustandes und Defensivreaktion, die kompatibel negative Reize verstärkt, positive Bilder sind inkompatibel schwächen Reaktion ab Negative Bilder: stärkere Reaktion Positive Bilder: weniger starke Reaktion ABER: Blinzelreflex ist ein Reflex, das meiste Verhalten dagegen instrumentell – Aktivierung von Verhaltenstendenzen durch valente Reize (Chen & Bargh, 1999;) auch bei instrumentellem Verhalten gibt es zwei Systeme • Motorische Reaktionen werden gelernt: o Annäherung = Anspannung des Bizeps (zu mir hin) o Vermeidungsverhalten: entgegengesetzter Muskel aktiv Experiment • Vpn sahen positive und negative Wörter • Neben dem Bildschirm: Hebel o Kongruente Bedingung: positiv= pull, negativ = push (Valenz des Reizes und Verhalten passen zusammen) o Inkongruente Bedingung: positiv = push, negativ = pull • Ergebnis: Kongruenzvorteil (geht schneller) Wenn positiver Reiz verarbeitet wird und instrumentelle Annäherung aktiviert, geht gefordertes Verhalten schneller, wenn es „passt“ 77 10. Emotion ABER: Markman & Brendl, 2005 • Experiment ähnlich, bauten aber weitere Komplikation ein: • Name der Vpn steht auf dem Bildschirm Ablauf • Worte erschienen vor oder hinter dem Namen • Instruktion wie bei Chen& Bargh (kompatibel vs. inkompatibel) aber: Bewegung zur Person ist einmal push, einmal pull (positives Wort vor der Person + zur Person ziehen: push) • Interaktion mit Position erwartet, eigentliche Bewegung sollte egal sein Ergebnisse (Tabelle: Zeilen = motorische Reaktion, Spalten = Valenz) • auch in „pull“-Bedingung gibt es Unterschiede, je nachdem ob Wort davor oder dahinter präsentiert wurde • Schnell: positiv + zur Person, negativ+ weg von der Person Art der Bewegung ist egal = Kongruenzeffekte auf der Bedeutungs-, nicht Motorebene • Ebene der Steuerung ist abstrakt, flexibel 78 10. Emotion Emotion und Verhaltenshemmung – Emotion interferiert mit laufender Tätigkeit • „Interrupt“-Effekt der Emotion (Simon, 1967) ist verhaltenshemmend Verhallten kann neu ausgerichtet werden • Automatische Aufmerksamkeitsbindung durch valente Reize (Pratto & John, 1991; Wentura, Rothermund & Bak, 2000) o Wird Valenz eingestreut, ist Farbbenennung (Stroop) langsamer Valenz (= Emotion) bindet Aufmerksamkeit – Verhaltensblockaden durch intensive Emotionen • Prüfungsangst, Verkrampfung durch Aufregung bei Wettkämpfen • Kognitive Leistungseinbußen bei negativem Affekt – Fokussierte, detailorientierte Verarbeitung (Easterbrook, 1959) o Ist nicht immer schlecht man kann Fehler im Verhalten entdecken – Antriebslosigkeit bei Depressivität/Trauer • Unterbrechung leerlaufender Handlungsroutinen, Schonung von Ressourcen (Klinger, 1975; Nesse, 2000) • Vorbereitung der Zielablösung o Wichtige Ziele sind dauerhaft blockiert, obwohl man immer noch emotional daran gebunden ist (Ziel ist noch wichtig) o Motivationssystem wird zurückgesetzt, um vom Ziel loszukommen geht jedoch nicht spezifisch und alle Ziele werden blockiert, man löst sich von allen Valenzen ab o Danach: Neuorientierung Emotionskomponenten III: Ausdruck wie ist die Relation von Emotion und Ausdruck? Emotion und Ausdruck (Mimik, Haltung) – Charakteristische Mimik bei sog. Basisemotionen – James-Lange-Theorie • Emotionen entstehen durch Wahrnehmung peripherphysiologischer Veränderungen, insbesondere der Gesichtsmuskulatur 79 10. Emotion – „Wir weinen nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen“ – Induktion von Emotionen durch Mimik und Haltung „facial feedback“-Hypothes (Strack, Martin & Stepper, 1988) = Pen Studies – Coverstory: psychomotorische Fähigkeiten werden untersucht – Stift in den Mund nehmen entspricht fröhlich/ traurig Manipulation – Bei fröhlichem Gesichtsausdruck werden Cartoons als viel lustiger wahrgenommen, als bei traurigem Gesicht man orientiert sich hinsichtlich der Stimmung am eigenen Gesichtsausdruck = facial feedback – Kommunikative Funktion von Gesichtsausdrücken • Übermittlung persönlicher Motivzustände und Verhaltenstendenzen an Interaktionspartner • Steuerung des Verhaltens anderer (durch Drohgebärden, Lachen, …), auch unabhängig von „gefühlten“ Emotionen Emotionskomponenten IV: Physiologie Relation zwischen Emotionen und physiologischen Veränderungen – Physiologische Erregung („arousal“) als Emotionskomponente • Funktion: Bereitstellung von Energie für schnelles Handeln Arousal ist unspezifisch, bestimmt Emotion nicht allein – Unspezifisches arousal • Arousal tritt auch ohne Emotion auf (Maranon, 1924) • Erhöhtes arousal ist valenzunspezifisch (Lang et al., 1997) • (Fehl-)Attribution von unspezifischem arousal determiniert Emotion 80 10. Emotion Schachter und Singer (1962): 2-Faktoren Theorie ▪ ▪ Arousal ist notwendig, aber nicht hinreichend Attribution der Erregung ist wichtig Experiment Es wurden drei Faktoren experimentell manipuliert: 1. Physiologische Erregung (Adrenalin vs. Placebo) 2. Erklärungsbedürfnis (korrekte, falsche oder keine Information) 3. Kognition (Euphorische vs. ärgerliche andere „Vpn“) ▪ Ergebnis: wenn Vpn sich Erregung nicht erklären können, lassen sie sich davon leiten, wie der Konföderierte sich verhält stützt Theorie, (allerdings nicht perfekt) Wirkung von kognitiver Einschätzung des Arousals hat einen Einfluss auf empfundene Emotion Erkenntnis aus PlaceboBedingung: Euphorie ist auch ohne Adrenalin ansteckend 81 10. Emotion Muster bei Ärger nur anhand Verhaltensbeobachtung gefunden – Ähnliche Effekte bei nur „eingebildetem“ arousal Experiment (Valins, 1966) – Männer sahen erotische Bilder, hörten dabei angeblichen eigenen Herzschlag – Durften sich dann ein Bild aussuchen: bevorzugten Bild mit eingespielten schnellem Herzschlag (=angeblich höchstes Arousal, war aber nicht eigenes) – Form und Richtung der physiologischen Reaktion hängen von den Handlungsanforderungen ab • Freezing/Flucht Absenkung/Erhöhung der Herzrate • Stimmungseffekte auf Blutdruck sind aufgabenabhängig (Gendolla & Brinkmann, 2005) Emotionsregulation Warum Emotionen regulieren? – Hedonismus – möglichst angenehme Emotionen • Neutralisierung negativer Affekte, Aufrechterhaltung und Verstärkung positiver Affekte – Funktionale Regulation – die richtigen Emotionen 82 10. Emotion • Situationsbedingte Erwartungen/Normen bzgl. Emotionen und Verhalten – Z.B. freundliches Auftreten gegenüber Gästen, Mitgefühl beim Überbringen trauriger Botschaften, … • Aufgabenbedingte Anforderungen – Kreativität erfordert positiven Affekt – Konzentration/Sorgfalt erfordert eine Kontrolle/Dämpfung von positivem Affekt ( Impulsivität drosseln) Wie reguliert man Emotionen? – Situationskontrolle – Kognitive Umdeutung (Verdrängung, Ablenkung, Distanzierung, benefit finding, …) o Ändern wir Appraisal, ändern wir Emotion = Reappraisal = kognitive Umdeutung Emotionale Reaktionen bei emotionsauslösenden Filmen (Lazarus et al.,1965) – Film über Unfall im Sägewerk – Bei Leugnung und Intellektualisierung etc. ist emotionale Reaktion zwar noch da, aber viel schwächer kognitive Umdeutungen wirken Entscheidung für Gefühle? – Emotionen als Widerfahrnis • Alltagssprache: „Trauer überkam mich“, „Wut kochte auf“, … – Einschätzungen treten mit dem Anspruch der Gültigkeit/Richtigkeit (nicht Beliebigkeit) auf • Beschreibung der Welt, wie sie ist; nicht, wie sie sein könnte • Bewertungen sind nicht beliebig; Angemessenheit von Zielen und Ansprüchen 83 10. Emotion Therapie, Gestaltungsmöglichkeiten – Klärung der kognitiven Grundlagen von Gefühlen – Sensibilisierung für Unterschiede, alternative Sichtweisen, ungeprüfte Voraussetzungen, Einstellungen, Attributionsvoreingenommenheiten Literatur • Reisenzein, R. (2000). Einschätzungstheoretische Ansätze. In:J. H. Otto, H. A. Euler, & H. Mandl (Hrsg.), Emotionspsychologie (S. 117-138). Weinheim: Beltz, PVU. • Schmidt-Atzert, L. (2000). Struktur der Emotionen. In: J. H. Otto, H. A. Euler, & H. Mandl (Hrsg.), Emotionspsychologie (S. 30-44). Weinheim: Beltz, PVU. • Montada, L. (1989). Bildung der Gefühle? Zeitschrift für Pädagogik, 35, 293-312. • Rothermund, K. & Eder, A. (in Druck). Emotion und Handeln. In: V. Brandtstätter & J. H. Otto (Hrsg.), Handbuch der Psychologie: Motivation und Emotion. Göttingen: Hogrefe. 84