Herzlich Willkommen zum öffentlichen Vortrag Grippe Antibiotika und resistente Bakterien Dr. Cora Hartmeier, Leiterin Spitalapothekerin Irene Vogel, FPH klinische Pharmazie Teil 1: Grippe: Übersicht Symptome/Übertragung/Folgen der Grippe/Influenza Rückblick Infektionskrankheiten: Bakterien/Viren Grippe-Impfung (Prophylaxe) Behandlung der Grippe Symptome Erkältung Grippe (Influenza) Erkrankungsbeginn Langsam, schleichend Plötzlich/abrupt Kopfschmerzen Dumpf bis leicht Stark bis bohrend Schnupfen Laufende Nase, häufiges Niesen Nicht immer auftretend Gliederschmerzen gering Starke Gelenk- und Muskelschmerzen Fieber mässig hoch Müdigkeit Abgeschlagenheit Schwer, anhaltend nach Genesung, Appetitlosigkeit, Schwächegefühl Krankheitsdauer Bis 7 Tage 7-14 Tage, anfänglich keine Besserung Übertragung: Tröpfcheninfektion Tröpfchen entstehen beim Niesen, Husten, Sprechen oder Atmen von infizierten Personen Virus dringt über die Schleimhaut (Atemwege, Mund, Augen) in den Körper ein Symptome treten nach wenigen Stunden bis Tagen auf (Inkubationszeit) 1 Tag kann nach Ansteckung kann ein Patient Viren übertragen Tröpfchen-Übertragung: Folgen einer Grippe • Für Risikopersonen ist die Grippe keine harmlose Krankheit. • jährlich zwischen 1000 und 5000 Spitaleinweisungen (CH) • jährlich sterben ca. 1500 Patienten an der Grippe bzw. deren Komplikationen • Komplikationen vor allem durch die Schwächung des Immunsystems: andere Erreger breiten sich einfacher aus und verursachen Infektionen (zB Lungenentzündungen) Risikopersonen • • • • • • Frühgeborene, Säuglinge Personen über 65 Jahre herzkranke Personen lungenkranke Personen Patienten mit Nierenerkrankungen Personen mit eingeschränktem Immunsystem Rückblick Epidemien/Pandemien: Spanische Grippe 1918/19: − erste Meldungen aus Spanien − 25 – 50 Millionen Tote Asiatische Grippe 1957/58: Ursprung China Ca. 2 Millionen Tote Hongkong Grippe 1968: Ursprung China, Virus verwandt mit asiatischen Grippe; ca. 1 Million Tote Schweinegrippe 2009: Ursprung Mexiko, ca. 2000 Tote Infektionskrankheiten • Was sind Infektionskrankheiten? • Wie unterscheiden sie sich? • Wie können sie behandelt werden? Infektionskrankheiten • Ausgelöst durch • Bakterien (Scharlach, Starrkrampf, Tuberkulose, Keuchhusten, Diphtherie, Typhus) • Viren (Masen, Mumps, Röteln, Aids, Polio) • Pilze (Fusspilz) • Amöben (Ruhr) • Übertragung von Mensch auf Mensch oder von Tier auf Mensch Unterschied Bakterien – Viren Bakterien • Kleinste, einzellige Mikroorganismen, die sich durch Teilung vermehren, • Grösse 0.6 – 1 µm Viren • viel kleiner als Bakterien (10-500 nm) • Brauchen lebende Wirtszelle (Mensch, Tier, Pflanze), um zu überleben und sich zu vermehren Vermehrung von Viren in einer Wirtszelle Unterschied Behandlung Bakterien - Viren Bakterien: • Antibiotika: schädigen das Bakterium (im Zellwandaufbau, Vermehrung) = spezifische, gezielte Wirkung Viren: • Antibiotika wirken nicht Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel = direkte Bekämpfung nicht möglich Behandlung der Grippe Nur symptomatisch Wichtig: Prophylaxe: – Impfung – Stärkung Immunsystem – Verhalten: Papiertaschentücher verwenden, nicht in die Hände niesen/husten, Hände häufig mit Seife waschen, direkten Kontakt vermeiden Umstritten: Virustatika (Tamiflu…) Impfung: wie funktioniert das? Infektion und Immunsystem Impfung Impfstoffe Infektion und Immunsystem • Erstinfektion: Immunsystem bildet spezifische Abwehrstoffe (Antikörper) gegen den Erreger (Antigen) • Gedächtniszellen speichern die Bauanleitung dieser Abwehrstoffe • Bei erneutem Kontakt mit dem Erreger produzieren die Gedächtniszellen schnell die passenden Antikörper (Abwehrstoffe) • Erreger werden durch Antikörper unschädlich gemacht • der Körper ist vor weiteren Infektionen mit diesem Erregers geschützt Impfung • Impfstoff = Abgeschwächte Erreger oder Bestandteile von Erregern (=Antigene) werden verabreicht = Körper bildet spezifische Abwehrstoffe (= Antikörper) und Gedächtniszellen gegen diesen Impfstoff = Impfschutz • Bei einer späteren Infektion werden die Gedächtniszellen aktiviert und sie bilden schnell spezifische Abwehrstoffe gegen den Erreger Schrittweiser Aufbau des Impfschutzes bei der aktiven Impfung • Grund- /Erstimmunisierung: • Für den Aufbau eines Impfschutzes braucht es oft mehrere Teilimpfungen im einem zeitlichen Abstand • Auffrischimpfungen: • bei wenigen Impfungen hält der Schutz lebenslang; • die meisten Impfungen müssen in regelmässigen Abständen – auch im Erwachsenenalter - aufgefrischt werden Impfstoffe: Zusammensetzung Totimpfstoffe (zB Hepatitis, Keuchhusten, Starrkrampf, Grippe) • abgetötete Erreger • Bestandteile von Erregern Lebendimpfstoffe (zB Masern, Mumps, Röteln, Windpocken) • Vermehrungsfähige, aber abgeschwächte Erreger Grippeimpfung: ein Spezialfall! Warum alle Jahre wieder? Aufbau des Grippevirus Hämaglutinin = Schlüssel zum Andocken an die Wirtszelle: Virus kann in die Wirtszelle eindringen Neuroaminidase = zerstört die Hülle der Wirtszelle und ermöglicht nach Vermehrung des Virus den Austritt aus der Wirtszelle Grippeviren ändern sich und tricksen das Immunsystem aus • Grippeviren verändern immer wieder die Eiweisse ihrer Oberflächen, vor allem: Hämagglutinin (H) und Neuroaminidase (N) • Es entstehen neue Varianten des Virus: vom H gibt es 16 Unterarten: H1 bis H 16 vom N gibt es 9 Unterarten: N1 bis N9 • Viele Kombinationen möglich H1N1, H3N2 usw • Impfstoffe müssen den neuen Varianten angepasst werden Herstellung Grippeimpfstoff - Herstellungdauer: 6 Monate (!) - WHO definiert Zusammensetzung (Virenstämme) anhand der im Vorjahr in 94 Ländern zirkulierenden Grippeviren - Produktionsbeginn im Februar - Zulassung durch Swissmedic 2016: A/California/2009 (H1N1)pdm09 A/Switzerland/2013 (H3N2) B/Phuket/2013 (Yamagata-Linie) B/Brisbane/2008 (Victoria-Linie). Wirksamkeit Grippeimpfung - Schutz: nach ca. 10-14 Tagen - Junge, immunkompetente Personen: 70-90% - Ältere Personen 30-50% ABER: weniger Komplikationen weniger schwere Verläufe weniger Ausscheidung Grippeviren Mögliche Nebenwirkungen Studie bei 1100 Impflingen: • Kopfschmerzen (7,7%), Schwindel (1,2%) • Nasenlaufen (3,5%), Halsschmerzen (1,9%) • Durchfall (1,2%), Übelkeit (0,6%), Bauchschmerzen (0,4%) • Gliederschmerzen (1,2%) • Müdigkeit (3,9%), Fieber (1,2%) • Druckschmerz (8,5%), Schmerzen/Schwellung/Verhärtung an der Injektionsstelle (10%) • Frösteln (0,8%), Grippe-ähnliche Symptome (0,4%) keine unerwünschten schwerwiegenden Reaktionen gemeldet! www.kompendium.ch Neue Pandemie? Entsteht ein neuer Grippe-Virus, der sich leicht von Mensch zu Mensch oder vom Tier auf den Menschen überträgt, kann es zu einer weltweiten, rasanten Ausbreitung kommen Teil 2 Antibiotika und resistente Bakterien Irene Vogel, FPH klinische Pharmazie Antibiotika und resistente Bakterien – – – – Einleitung Fallbeispiel Mögliche Probleme heute und in Zukunft Was können wir selbst tun Gabriel, 8 Jahre Eine Welt (wieder) ohne Antibiotika … würde bedeuten: viele Todesfälle, zum Beispiel: Geburtensterblichkeit 1 von 1000 Hautinfektionen (auch banale, z.B. nach Insektenstich) 1 von 9 Lungenentzündung 3 von 10 … würde bedeuten: Lebenserwartung -30 Jahre AMR = Antimicrobial Resistance www.his.org.uk 34 Geschätzte Anzahl Todesfälle im Jahr 2050 Situation heute (Zahlen aus 2013) Situation Schweiz – Keine Statistik vorhanden – Die SwissNoso (schweiz. Expertengruppe für Infektiologie) schätzt - 70‘000 spitalbedingte Infektionsfälle - davon ca. 2‘000 Todesfälle, ein Teil durch resistente Keime verursacht - Mehrkosten ca. 240 Mio CHF / Jahr http://www.swissnoso.ch/de/swissnoso Situation Schaffhausen Ein Beispiel: Herr K., 63 Jahre alt, wird hospitalisiert wegen – Verdacht auf Lungenentzündung – zeigt Symptome eines Harnwegsinfektes – War in Afrika in den Ferien – vorbestehende Krankheiten: – COPD – Leberfunktionseinschränkung Untersuchung Bronchialsekret Untersuchung Urin Therapiemöglichkeiten?? – (fast) keine mehr… – In diesem Fall das einzig noch mögliche Antibiotikum: Colistin – ABER: schlecht verträglich – Schädigung der Nieren oder des Nervensystems www.wired.de/collection/latest/wie-gefaehrlich-ist-die-post-antibiotische-aera 42 Warum ist es dazu gekommen? www.wired.de/collection/latest/wie-gefaehrlich-ist-die-post-antibiotische-aera 43 Warum kommt es zur Resistenzbildung? «Die Zeit wird kommen, in der Penicillin von jedermann in Geschäften gekauft werden kann. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Unwissende das Penicillin in zu niedrigen Dosen verwendet. Indem er die Mikroben nun nichttödlichen Mengen aussetzt, macht er sie resistent». A.Fleming 1945 http://immunblog.wissen-und-schreiben.de/?p=653 Alexander Fleming; Rede anlässlich der Nobelpreisverleihung 1945 Warum kommt es zur Resistenzbildung? Antibiotikaresistenz ist die Summe des gesamten AntibiotikaVerbrauchs! http://immunblog.wissen-und-schreiben.de/?p=653 Antibiotikaverbrauch Europa Jedes Jahr ein höherer Verbrauch.. Beispiel England Beispiel Schweiz: Verbrauch Penicilline Was könnte man dagegen tun? Weltweit verschiedene Programme Was kann ich selber tun? – Möglichst gesund bleiben! – Falls Antibiotika eingesetzt werden müssen, diese korrekt und wie vorgeschrieben einnehmen Möglichst gesund bleiben! – «Immunsystem stärken» – Gesunde Ernährung – Genügend Bewegung / Sport – Rauchstopp – Idealgewicht anstreben – Stressabbau – Genügend Schlaf – In der Winterzeit regelmässige Nasenspülungen Bildquelle: www.adlershop.ch – mit freundlicher Genehmigung Möglichst gesund bleiben – Allgemeine Medikamentöse Unterstützung durch – Echinacea – Pelargonium – Zink – Vitamin C – Probiotika (Lactobacillen / Bifidobakterien) – Lebertran – u.a. Bildquelle: www.adlershop.ch – mit freundlicher Genehmigung Hygienemassnahmen – In der Küche (z.B. Pouletfleisch..) – Regelmässig die Hände waschen – richtig!! – In der Grippezeit: – In Papiertaschentuch husten oder niesen, dieses danach entsorgen und Hände waschen – In Armbeuge husten oder niesen – bei Symptomen zu Hause bleiben Eine der wichtigsten Massnahmen Falls Antibiotika eingesetzt werden müssen… – Den Arzt fragen, ob dies tatsächlich nötig ist – Alternativen ausschöpfen – Die Antibiotika wie vorgeschrieben einnehmen – Dosierung – mit/vor/nach Essen – korrekt verteilt über den Tag – Dauer Antibiotika zerstören nur Bakterien!! Antibiotika zerstören nur Bakterien!! Wissen der Bevölkerung Epp Astrid, BfR Forum 2011 Therapiedauer einhalten Umfrage im Jahr 2012 bei 500 Personen in Deutschland.. www.produktundmarkt.de/unternehmen/news/einnahme-von-antibiotika-juengerebrechen-die-therapie-eher-ab.htm Zusammenfassung – Antibiotika wirken nur gegen bakterielle Infektionen – Die Bakterien werden zunehmend auf die vorhandenen Antibiotika resistent – Resistente Bakterien bald gefährlicher als Krebs – Die eigenen Möglichkeiten müssen unbedingt ausgeschöpft werden Nächster öffentlicher Vortrag 15. November 2016 im Kantonsspital Schaffhausen 18.30 Uhr Vorsorgeuntersuchungen für die Frau. Was ist sinnvoll, was nicht?