Antiinfectives Intelligence Pressemitteilung Ihr Kontakt: Dr. Johannes Brauers Antiinfectives Intelligence Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation GmbH Immenburgstraße 20 53121 Bonn Tel.: 0228/44 47 06-0 Fax: 0228/44 47 06-16 [email protected] Berlin, 26. Februar 2003 Informationsveranstaltung mit Pressekonferenz der Initiative Zündstoff Antibiotika-Resistenz 26. Februar 2003 Kaiserin-Friedrich-Haus, Berlin Zunehmende Gefahren durch resistente Bakterien in Deutschland Die Häufigkeit Antibiotika-resistenter Bakterien hat in den letzten Jahren weltweit deutlich zugenommen. Von dieser Entwicklung ist auch Deutschland betroffen. Neue Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der PaulEhrlich-Gesellschaft für Chemotherapie haben gezeigt, dass sich die Gesamtsituation in Deutschland weiter verschlechtert hat. Die Verschlechterung der Resistenzsituation hat therapeutische Konsequenzen, da sich mit der Zunahme der Resistenz das Risiko eines Therapieversagens für die Patienten erhöht. Zudem bedingt die Zunahme der Resistenz einen Anstieg der Kosten im Gesundheitswesen. Die drei führenden Fachgesellschaften in Deutschland auf dem Gebiet der Infektiologie - die Paul Ehrlich Gesellschaft für Chemotherapie, die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie und die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie - haben sich zu der Initiative Zündstoff Antibiotika-Resistenz zusammengeschlossen, um auf das Problem der Antibiotika-Resistenz und deren Ausbreitung aufmerksam zu machen. Ziel der Initiative ist es, über die Fachkreise hinaus die Bevölkerung 1 Antiinfectives Intelligence ausführlich über die Gefahren der zunehmenden Antibiotika-Resistenz aufzuklären. Aus diesem Grund hat die Initiative am 26. Februar zu einer Informationsveranstaltung mit Pressekonferenz zum Thema „Zunehmende Gefahren durch resistente Bakterien in Deutschland“ nach Berlin eingeladen. Nach Auffassung von Experten kann der Ausbreitung der Resistenz durch einen bewussten Umgang mit Antibiotika sowie der Beseitigung bestehender Hygienemängel in Krankenhäusern entgegen gewirkt werden. Wer geglaubt hat, Deutschland sei in Bezug auf die Resistenzsituation noch eine Insel der Glückseeligen, muss sich eines Besseren belehren lassen. Resistente Bakterien sind auch in Deutschland weiter auf dem Vormarsch, so Dr. Michael Kresken (Antiinfectives Intelligence, Bonn), der neue Ergebnisse einer Langzeitstudie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie über die Resistenzsituation im deutschsprachigen Mitteleuropa (PEG-Resistenzstudie) vorstellte. Seit Mitte der 80er Jahre ist im Klinikbereich bei zahlreichen Bakteriengruppen eine stetige Zunahme der Resistenz gegenüber vielen Antibiotika zu beobachten, nachdem die Resistenzsituation zuvor über ein Jahrzehnt unverändert oder sogar rückläufig war. Eine besondere Herausforderung stelle die Zunahme mehrfach resistenter Bakterien wie z. B. Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA) dar, so Kresken. Der Anteil von MRSA an allen Staphylococcus aureus-Stämmen sei von ca. 2% im Jahr 1990 auf über 20% im Jahr 2001 angestiegen. Standardantibiotika wirken bei MRSA-Infektionen nur noch selten, so dass zur Behandlung von Infektionen durch diese Erreger auf Reserveantibiotika zurückgegriffen werden muss, die aus verschiedenen Gründen (z. B. schlechte Verträglichkeit, schnelle Resistenzbildung, hohe Kosten) nicht als optimal gelten. Auch im Umfeld der ambulanten Medizin finden sich zunehmend resistente Erreger, z. B. bei Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken). Streptococcus pneumoniae ist der wichtigster Erreger der Lungenentzündung (Pneumonie). In einer eigenen Studie, die Kresken in Zusammenarbeit mit 18 niedergelassenen Labors in Deutschland im Winter 2000/01 durchgeführt hatte, zeigten 14-28% der untersuchten Pneumokokken eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber einem oder mehreren Standardantibiotika (Penicillin, Makrolide, Tetracycline, Cotrimoxazol). Die beobachteten regionalen Unterschiede der Resistenzhäufigkeit waren dabei beträchtlich. Die vorhandenen Netzwerkstrukturen zur Erfassung der Resistenzepidemiologie in der ambulanten Medizin sind nach Kresken allerdings unzureichend und dringend verbesserungsbedürftig. Insgesamt bewirke Antibiotika-Resistenz, dass die Therapie oft komplizierter, teurer und auch riskanter wird. 2 Antiinfectives Intelligence Antibiotika rational einsetzen heißt Resistenzen vermeiden In großen Krankenhäusern gehen bis zu einem Drittel der gesamten Arzneimittelkosten auf das Konto von Antibiotika. Eine Studie, die von Professor Bernhard Ruf (Städtisches Klinikum, Leipzig) vorgestellt wurde, fand heraus, dass Antibiotika in 50-70% der Fälle hinsichtlich Auswahl, Dosierung, Kombinationspartner oder Behandlungsdauer falsch angewendet werden. Die nicht korrekte Anwendung von Antibiotika habe nicht nur weitreichende ökonomische Konsequenzen, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die Resistenzepidemiologie der Erreger. Ursachen für den oft zu leichtfertigen Umgang mit Antibiotika sind fehlende Expertise durch Mangel an infektiologischer Qualifikation in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung, Fehlinterpretationen mikrobiologischer Befunde, falsches therapeutisches Sicherheitsbedürfnis und die breite Verfügbarkeit von Antibiotika mit relativ wenig Nebenwirkungen. Professor Mathias Herrmann (Mikrobiologe am Universitätsklinikum Homburg/Saar) forderte zudem, verstärkt präventive Maßnahmen zur Infektionsreduktion zu nutzen. Er stellte ein Modell zur Vermeidung unnötiger antimikrobieller Therapie vor, das folgende sieben Stufen umfasst: 1) Durchführung von Impfungen, 2) rasche Entfernung von nicht mehr benötigten intravenösen Kathetern, 3) Durchführung einer rationalen, von einem Expertenkonsil gestützten Therapie, 4) kein Einsatz von Antibiotika bei nur kolonisierenden Bakterien, 5) kein Einsatz von Antibiotika bei strittigen Indikationen, 6) restriktive Verwendung von Reserveantibiotika und 7) Unterbrechung von Infektionsketten. In allen Kliniken sollten infektiologische Konsiliardienste zur Unterstützung der behandelnden Ärzte eingerichtet werden. Ohne Hygiene geht nichts... Ein wichtiger Faktor bei der Bekämpfung resistenter Bakterien sei die Rolle der Hygiene, so der Mikrobiologe Professor Georg Peters (Universitätsklinikum Münster). Die Aufgaben der Hygiene im Krankenhaus ließen sich in drei wichtige Bereiche einteilen: 1) Erkennen: Zur Feststellung der eigenen epidemiologischen Situation ist die regelmäßige Erstellung von Erreger- und Resistenzstatistiken erforderlich. 2) Beherrschen: Wenn eine Ausbruchssituation oder ein zu starkes Abweichen vom Standard erkannt worden ist, sei eine Vielzahl von strategischen (z. B. Isolierung, Stationsschließung) und operativen Maßnahmen (z. B. Desinfektion) notwendig, die aber im auf den Einzelfall abgestimmt sein müssten. Darüber hinaus gehörten zum Hygienemanagement die Maßnahmen zur Verbesserung des allgemeinen Hygienestandards im Krankenhaus (z. B. Umbaumaßnahmen, Kontrolle der Händehygiene). 3) Verhüten: Grundlegende Maßnahmen wie z. B. bauliche Richtlinien oder das Aufstellen von Arbeitsplänen sowie funktionelle Maßnahmen (z. B. Sterilisation und Desinfektion) dienten dazu, das Auftreten von Infektionen zu verhindern, so Peters. 3 Antiinfectives Intelligence Was kann der einzelne Patient tun? Patienten sollten folgende Ratschläge beachten: - Nicht die Erwartungshaltung entwickeln, unbedingt ein Antibiotikum verschrieben zu bekommen - Die Therapie nicht eigenwillig unterbrechen - Die Dosierung nicht eigenwillig verändern - Die geplante Therapiedauer nicht eigenwillig verlängern oder verkürzen - Keine angebrochenen Antibiotika-Packungen bei „Bedarf“ verwenden Wichtige Links: - www.zuendstoff-antibiotika-resistenz.de - www.p-e-g.de - www.dghm.org - www.dgi-net.de 4