Proteine – Makromoleküle mit unbegrenzten Möglichkeiten

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01|Überuns
scinexx.de-DasWissensmagazin
scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next
generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden
Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem
breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen
präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung
undWissenschaft.
DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften,
Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik
sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht
allewissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit.
scinexx wurde 1998 als Gemeinschaftsprojekt der MMCD NEW
MEDIA GmbH in Düsseldorf und des Heidelberger Springer Verlags
gegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem
bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den
Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de,
natur.deunddamals.de.
02|Inhalt
01
02
ÜBERUNS
INHALT
03
PROTEINE
Bedeutung
einer
vielseitigen
StoffklassefürdenOrganismus
04
IMPRESSUM
03|Proteine
Bedeutungeiner
vielseitigenStoffklasse
fürdenOrganismus
VONANSGARKRETSCHMER
OhnesiegäbeeskeinLeben:dieProteine.Dennerstsiesindes,die
unsereZellenzumArbeitenbringen,unsereNervenaktivierenund
unsereWahrnehmungundBewegungenermöglichen.Abersie
habenaucheinedunkleSeite:ProteinebildenGifte,helfenBakterien
undkönnenundauchkrankmachen.
PERLENKETTENAUSAMINOSÄUREN
D
natomie eines Proteins Was hat eine Dauerwelle mit
Proteinen zu tun? Haare bestehen hauptsächlich aus
Keratin, einem Protein. Es ist so stabil, dass Mumien
selbst nach Jahrtausenden noch Haare haben können.
Um diesem Dauerprotein eine neue Form zu geben, sind daher
drastische Mittel nötig – die Dauerwelle. Diese ändert die Struktur
des Proteins auf chemische Weise, oder genauer gesagt, die
VerbindungenzwischeneinzelnenBausteinendesProteins.
VernetztesProteinhältdieFrisurstabil
Von diesen Bausteinen, den Aminosäuren, sind allein 21
verschiedene notwendig, um sämtliche Proteine des Menschen
Körpers aufzubauen. Wie Perlen auf einer Schnur bilden sie eine
lange Kette. Einzig welche Aminosäure an welcher Stelle steht,
entscheidet über die Eigenschaften des Proteins. Verantwortlich für
die Dauerwelle ist eine Aminosäure namens Cystein: Diese kann mit
anderen Cysteinmolekülen in der Kette Querverbindungen bilden.
Für eine Dauerwelle werden diese Bindungen chemisch gelöst und
erst neugebildet, wenn die Haare in der gewünschten Form liegen.
Wenn aber die Art und Reihenfolge der Perlen in der Kette so
entscheidend ist, woher erhalten die Proteine die richtige
Reihenfolge? Welche Aminosäure an
welcher Stelle der Kette steht, legen die
Gene fest. Das genetische Material
buchstabiert
gewissermaßen
die
Reihenfolge. Übersetzt wird dieser Code
von den Proteinfabriken der Zelle: den
Ribosomen. Anhand der genetischen
Vorgaben verknüpfen diese Komplexe
aus Proteinen und Nucleinsäuren eine
Aminosäure mit der jeweils nächsten
und verlängern so Stück für Stück die
Kette.
Aminosäurenkette-Baustein
fürPolypetideundProteine©
NicolleRager/NSF
Riesen-Protein
Namen
mit
stundenlangem
Ein typisches Protein hat eine Länge von etwa 100 bis 300
Aminosäuren. Wenn es annähernd kugelförmig ist, beträgt sein
DurchmesserrundfünfbiszehnNanometer.Allerdingsgibtesauch
wahre Giganten: Das größte bekannte Protein ist das Titin, ein
BestandteilderMuskelfasern,mitrund33.000Aminosäuren.Dadie
chemisch-systematischen Bezeichnungen eines Proteins im Grunde
aus einer Aufzählung der einzelnen Aminosäurereste bestehen, ist
der systematische Name von Titin gleichzeitig das längste bekannte
Wort: der Name besteht aus etwa 190.000 Buchstaben, ihn laut
vorzulesendauertrunddreieinhalbStunden.
Die ganze Aminosäurekette eines Proteins bezeichnet man als die
Primärstruktur. Sie liegt
normalerweise nicht in einer
geraden Linie vor. Vielmehr
knäultsiesichzusammenwie
ein loser Faden. Dies
geschiehtjedochallesandere
als zufällig: Der Faden spult
sich zu Schrauben und blattartigen
Formationen
zusammen, der sogenannten
Sekundärstruktur.
Diese
lagern sich schließlich zur
nächsthöheren Ebene, der
Tertiärstrukturzusammen.
UnterschiedlicheEbenender
Proteinstruktur©Holger87(CCBY-SA3.0)
GefalteteStrukturimSchlafsand
Diese Faltung ist für jedes Molekül eines Proteins identisch, sie gibt
ihm die Form, die für seine Funktion entscheidend ist. Bei manchen
Proteinen lagern sich mehrere Proteine zu einer noch größeren
Einheit zusammen und bilden eine Quartärstruktur. Prominentes
BeispielhierfüristderBlutfarbstoffHämoglobin,derdenSauerstoff
in den roten Blutkörperchen für den Transport bindet. Hämoglobin
bestehtausinsgesamtvierProteinketten:jeweilszweiMoleküleeiner
Alpha- und einer Beta-Untereinheit bilden zusammen das
funktionsfähigeProtein.
Eine Eigenschaft dieser Faltung ist für Wissenschaftler besonders
praktisch: Weil sich die gefalteten Moleküle eines Proteins
hochgradig gleichen, lassen sie sich in Kristallstrukturen anordnen.
Dies machen sich Wissenschaftler bei der Proteinkristallisation
zunutze:WenneineProteinlösungunterkontrolliertenBedingungen
verdunstet und die Proteinkonzentration dadurch langsam ansteigt,
bilden sich Proteinkristalle. Mit Röntgenstrahlen lässt sich dann die
räumliche Struktur des Proteins enträtseln. Die einfachste, wenn
auch nicht saubere Form von Proteinkristallen kennt jeder, der
morgens verschlafen aufwacht: Der “Schlafsand” in den
AugenwinkelnbestehtzumTeilausdemProteinLysozym,dasmithilft,
dieAugenfreivonBakterienzuhalten.
Lysozym-Kristall©Mathias
Klode(CCBY-SA3.0)
DIEMASCHINERIEDESSTOFFWECHSELS
E
e: Hochleistungskatalysatoren des Organismus Ohne sie
ginge in unserem Stoffwechsel kaum etwas: die Enzyme.
DiesehochspezialisiertenProteinezerlegenundverwerten
Nährstoffe,bauenFettvorräteaufundab,produzierenund
deaktivieren Botenstoffe und ermöglichen noch unzählige weitere
Stoffwechselvorgänge.
Streng genommen führen sie
die nötigen biochemischen
Reaktionen dabei nicht selbst
aus–eshandeltsichlediglich
um chemische Katalysatoren.
Schlüssel-Schloss-Prinzipder
Enzymreaktion©JerryCrimsonMann,
gemeinfrei
Sie betreiben die jeweiligen
Reaktionen jedoch mit einer
derart hohen Effizienz, dass man sie geradezu als Nanomaschinen
bezeichnenkann.ImJahr1833entdecktederNaturforscherAnselme
PayendasersteEnzym,dieDiastase.SiespaltetStärkeinMalzzucker
auf. Das Enzym Diastase wurde zur Vorlage für alle später
entdeckten Enzyme: die Endsilbe –ase tragen nun alle katalytisch
aktivenProteine.
StoffwechselseitdreieinhalbMilliardenJahren
EnzymeansichsindselbstverständlichvielälteralsihreEntdeckung:
Die ersten katalysierten wahrscheinlich bereits vor mehr als
dreieinhalb Milliarden Jahren den Abbau von Nährstoffen zur
Energiegewinnung in den ersten einzelligen Lebewesen. Am
grundlegenden Mechanismus hat sich seitdem nichts geändert.
Einige Enzyme haben seit dieser Zeit auch ihre Struktur und
Funktionsweisekaumverändert.AnderesindimLaufederEvolution
geradezu perfektioniert worden: Die Carboanhydrase etwa reguliert
das Lösen von Kohlendioxid in Wasser oder Blut, und kann bis zu
einer Million Moleküle pro Sekunde umsetzen. Diese Reaktion spielt
eine große Rolle bei der Atmung und auch bei der Regulation des
pH-WertesimMagen.
SchlüsselundSchloss
Entscheidend für die Arbeit des Enzyms ist seine Form: Durch die
ProteinfaltungbildensichFlächen,TaschenundsogarTunnel.Durch
diese Oberfläche wird das Protein hochgradig spezifisch für eine
bestimmte Molekülsorte, mit der es interagieren kann. Ein oft
verwendeter Vergleich ist das “Schlüssel-Schloss-Modell”: Das
ZielmolekülpasstindieBindungsstelledesEnzymswieeinSchlüssel
ins Schloss. Nur so kann das Enzym sein Ziel, das sogenannte
Substrat,indasgewünschteProduktumwandeln.InderRegelbilden
mehrere Enzyme ganze Produktionsketten. Jedes Enzym katalysiert
dabei eine Teilreaktion eines Stoffwechelweges: das Produkt des
einen Enzyms wird zum Substrat für das nächste. Schritt für Schritt
wird so zum Beispiel während der Glykolyse ein Molekül Glucose
abgebaut. Chemisch gesehen „verbrennt“ der Zucker dabei zu
Kohlendioxid und Wasser. Der Körper kann jedoch aus einzelnen
Schritten dieser Verbrennung mit Hilfe der beteiligten Enzyme die
Energienutzen.
UNENTBEHRLICHENERVENHELFER
S
lvermittlungdurchProteineOhnesiewärenwirtaub,blind,
bewegungsunfähig und obendrein eine leichte Beute für
jeden Krankheitserreger. Denn erst die Proteine
ermöglichen uns die Wahrnehmung von Reizen, die
Steuerung unserer Muskeln oder die Reaktion unserer
ImmunabwehraufeingedrungeneErreger.Entscheidendfüralldiese
Prozesse sind Proteine, die fest in der Membran unserer Zellen
verankertsitzen.
Diese Rezeptoren an der Zelloberfläche sind ähnlich spezifisch wie
die Enzyme: Nur bestimmte Moleküle können sich mit ihnen
verbinden. Geschieht dies, katalysieren diese Proteine aber keine
chemische Reaktion wie die Enzyme. Stattdessen bewirkt das
angedockteMoleküleineStrukturänderungdesProteins.
TunnelinderMembran
DasaberhatFolgen:WeildieRezeptorenoftdurchdieZellmembran
hindurch reichen, kann so ein Signal von außerhalb der Zelle ins
Innere weitergeleitet werden. Dies kann dort dann eine ganze
Kaskade von weiteren Reaktionen starten oder dafür sorgen, dass
sich ein Kanal in der Zellmembran öffnet, durch den wichtige Stoffe
ein oder ausgeschleust werden. Ein besonders wichtiger Rezeptor
befindet sich im Nervensystem: der
Acetylcholin-Rezeptor.
An
den
Kontaktstellen zwischen Nerv und
MuskeldurchspannterdieZellmembran
undbildeteinenTunnel.Unternormalen
Umständen
ist
dieser
Tunnel
geschlossen. Um ein Signal zu
übertragen, schüttet die Nervenzelle
einen Botenstoff aus, das Acetylcholin.
Sobald dieser Botenstoff an den
TunnelfürNervensignale:
Rezeptor gelangt, öffnet dieser die
DarstellungdesAcetylcholineRezeptors©S.Jähnichen,
Pforten: Natriumionen strömen durch
gemeinfrei
den geöffneten Kanal und verändern
daselektrischePotentialderZelle.DaselektrischeNervensignalfließt
so von einer Zelle in die nächste. Erst das Protein ermöglicht damit
die Nervenaktivität – und damit unser gesamtes Denken, Handeln
undFühlen.
PerfektesEnzymentschärftRezeptorfeuer
Und noch ein Protein hilft bei der Nervenleitung mit: Damit der
Rezeptor kein Dauerfeuer von sich gibt und permanent geöffnet
bleibt,mussdasAcetylcholinauchwiederentferntwerden.Fürdiese
AufgabeistwiederumeinEnzymzuständig:dieAcetylcholinesterase.
Siegiltals„perfektesEnzym“,dasseinSubstratschnellerumsetztals
ein neues Substratmolekül nachströmen kann. Bis zu 25.000
AcetylcholinmoleküleproSekundekanneineinzelnesProteinmolekül
verarbeiten. Aufgrund ihrer strategischen Lage sind sowohl das
Enzym als auch der Rezeptor selbst Angriffspunkt für zahlreiche
Wirkstoffe. Bei Nervenkrankheiten wie Parkinson oder Alzheimer
kommen Medikamente wie Galantamin und Huperzin zum Einsatz,
die den Abbau des Acetylcholins verzögern, indem sie das Enzym
hemmen. So soll der Nervenimpuls verlängert und damit verstärkt
werden. Das Pfeilgift Curare blockiert den Rezeptor und verhindert
das Andocken des Acetylcholins. Nikotin hingegen bindet noch
stärkeralsdereigentlicheBotenstoffundöffnetdenKanaldurchdie
Membran.UndganzähnlichwirktanderselbenStelleaucheineder
bekanntestenDrogenunsererZeit:dasKoffein.
VORSICHT,GIFT!
W
Proteine toxisch werden Proteine sind aber nicht nur
nützliche Helfer – sie haben auch eine dunkle Seite:
Viele in der Natur vorkommende Giftstoffe sind
Proteine. So zum Beispiel das Gift der gefürchteten
Schwarzen Witwe. Mit ihrem Biss injiziert die Spinne ein Protein
namens Latrotoxin. Dieses Gift greift wie die bereits genannten
Wirkstoffe ebenfalls an den Nervenbahnen an. Es verhindert, dass
derBotenstoffAcetylcholinausgeschüttetwerdenkann,undlähmtso
dieMuskeln.
Botox:tödlicherFaltenglätter
Einer der tödlichsten Giftproduzenten ist das Bakterium Clostridium
botulinum, der Verursacher des Botulismus. Dessen Giftstoff,
gemeinhin als Botox bekannt, gehört zu den stärksten Nervengiften
in der Natur: Eingeatmet kann bereits eine Dosis ab zehn
Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich sein. In die
Blutbahn injiziert reicht bereits ein Zehntel dieser Menge. Auch bei
Botox handelt es sich um ein Protein. Es blockiert die Übertragung
der Nervensignale zu den Muskeln – diese bewegen sich dadurch
nicht mehr. Etwa zwölf bis 40 Stunden nach Aufnahme des Giftes
kommt es dadurch zu
Muskellähmungenamganzen
Körper. Wenn auch die
Atemmuskeln betroffen sind,
kann der Betroffene durch
dieVergiftungersticken.Gifte
sindjedochoftInspirationfür
Medikamente:
Vorsichtig
eingesetzt lässt sich das
tödliche
Botox
auch
medizinisch nutzen, etwa
NutzteingiftigesProteingemisch:Der
Inland-Taipanistdiegiftigstebekannte
gegen Bewegungsstörungen
Schlange©XLerate(CCBY-SA3.0)
oder
überaktive
Schweißdrüsen. In winzigen Mengen unter die Haut gespritzt, lähmt
esnureinzelneNervenzentrenamOrtdesEinstichs.AufdieseWeise
kanndasgiftigeProteinauchgegenchronischeMigränewirken.Am
bekanntestenjedochdürfteesfürseinekosmetischeAnwendungals
Faltenglätter sein. Schwächer, aber eng verwandt mit Botox ist
übrigensdasToxindesTetanus-ErregersClostridiumtetani.
Schlangengift:schmerzhafterProteincocktail
Schlangengifte bestehen ebenfalls zum großen Teil aus Proteinen.
Die Kriechtiere verwenden allerdings gleich einen ganzen Cocktail
verschiedenster Enzyme und Nervengifte, der sich je nach Art
unterscheidet. Zu den Enzymen gehören auch verschiedene
Phospholipasen:SieproduzierenbeimMenschennormalerweisedie
VorstufenvonBotenstoffen,dieSchmerzundEntzündungvermitteln.
Wegen dieser Enzyme sind Schlangenbisse besonders schmerzhaft.
Ein Enzym derselben Klasse ist auch im Bienengift enthalten. Zu
Forschungszwecken benötigte Phospholipasen werden zum großen
Teil aus Schlangengift gewonnen. Dazu werden die Giftdrüsen der
Tiere regelrecht gemolken, um das Gift sammeln zu können. Neben
diesen schmerzhaften Inhaltsstoffen enthält typisches Schlangengift
außerdem verschiedene Verdauungsenzyme, die Blutgefäße und
Bindegewebe lockern und auflösen. Zusammen mit Bestandteilen,
die die Blutgerinnung hemmen, kann dies zu inneren Blutungen
führen. Bei einem unbehandelten Schlangenbiss mancher Arten
kann sogar das Gewebe um die Bissstelle großflächig absterben.
Angereichert wird der Giftcocktail der Reptilien oft noch mit
verschiedenenNervengiften,diedieGesamtwirkungnochverstärken.
DieseschmerzhafteMischungdienteinemvonzweiZielen:entweder
einenFeinddasInteresseverlierenlassen,oderdieGegenwehreines
Beutetieres schnellstmöglich ersticken. Auch die giftmischenden
Reptilien haben ihren medizinischen Nutzen: Wegen der vielen
Bestandteile ist Schlangengift sehr interessant für die
pharmazeutische
Forschung.
Verschiedene
Mittel
gegen
Bluthochdruck entstanden zum Beispiel mit Bestandteilen von
SchlangengiftalsVorlage.
CHAOSINDERPROTEINKETTE
D
te
im
Protein:
Mutationen,
Krankheiten,
Denaturierung Wie die meisten Präzisions- und
Hochleistungsmaschinen sind Proteine leider auch
anfällig für Schäden. Die können bereits bei der
Produktion auftreten: durch Mutationen. Wenn im Gen, welches ein
Protein codiert, ein Fehler auftritt, kann dadurch eine falsche
Aminosäure an der entsprechenden Stelle der Sequenz eingebaut
werden. Die meisten solcher Punktmutationen sind glücklicherweise
unbedeutend.ManchmalkommtesjedochzufatalenFolgen.
EinefalscheAminosäurereicht
EinesolcheMutationkannKrankheitenauslösen,diedannvonEltern
auf ihre Kinder weitervererbt werden kann. Im Blutfarbstoff
Hämoglobin reicht eine einzige ausgetauschte Aminosäure, um eine
solche Erbkrankheit zu verursachen. Steht an der sechsten Position
der beta-Untereinheit die Aminosäure Valin anstelle von
Glutaminsäure, stapeln sich die Hämoglobinkomplexe übereinander
und hängen kettenartig zusammen, anstatt frei in den
Blutkörperchen gelöst zu sein. Dadurch ist auch die
Sauerstoffkapazität des Transportproteins geringer. Die Sichelform
derbetroffenenBlutkörperchengibtder
Krankheit ihren Namen. Diese Zellen
verfangen sich leichter in schmalen
Blutgefäßen und sind instabiler als
gesunde rote Blutzellen. Menschen mit
Sichelzellanämie leiden daher an
schwerer Blutarmut. Interessanterweise
erhöht die Sichelzellanämie jedoch die
Widerstandskraft
gegen
Malaria,
weshalbsieinMalariagebietengenetisch
weitverbreitetist.
Sichelzelle(links)undnormale
RoteBlutkörperchen©
OpenStaxCollege(CCBY-SA
3.0)
KaputtesEnzym
Ebenfalls
durch
Punktmutationen
entsteht
die
Erbkrankheit
Phenylketonurie. Sie ist der Grund für
den Aufdruck „enthält eine Phenylalaninquelle“ auf vielen
Lebensmitteln. Etwa eines von 8.000 Neugeborenen in Deutschland
wird mit dieser Krankheit diagnostiziert. Ein Enzym, das die
Aminosäure Phenylalanin in die Aminosäure Tyrosin umwandelt, ist
bei Betroffenen in seiner Funktion beeinträchtigt oder sogar
vollkommen inaktiv. Dadurch sammeln sich andere Abbauprodukte
des Substrats Phenylalanin an, während ein Mangel an Tyrosin
auftritt. Unbehandelt führt die Krankheit langfristig zu schweren
geistigenEntwicklungsschädenundEpilepsie.Durcheineweitgehend
phenylalaninfreie Ernährung und ausreichende Versorgung mit
Tyrosinlästsichdiesglücklicherweiseverhindern–allerdingsmüssen
ErkrankteeinesolcheDiätdasganzeLebenlangeinhalten.
HITZESCHOCKUNDKLUMPEN
W
Proteine denaturieren oder falsch gefaltet sind Vom
Eierkochen kennt man das: Wird es heiß, ändern
EiweißeihrenZustand,siedenaturieren.InderKüche
macht man sich dies zunutze: das glibberige Eiweiß
gerinnt und verfestigt sich durch die Hitze. In unserem Körper
allerdings führt dies zu unangenehmen Folgen, beispielsweise bei
FieberoderHitzschlag.
Bereits bei Temperaturen über 40 Grad Celsius verlieren viele
ProteineihreFunktion.Über45Gradbeginnensiezudenaturieren:
siesindirreparabelgeschädigtundverklumpen.Glücklicherweisehat
dieZelleeinGegenmittelparat,dassdenHitzeschadenzumindestin
Grenzen halten kann. Sogenannte Hitzeschock-Proteine werden bei
höherer Temperatur verstärkt gebildet. Diese Notfallmoleküle sind
besonders stabil gegen Hitze. Sie halten die Form der anderen
Proteine
aufrecht
und
hindern sie am Verklumpen.
Außerdem sorgen sie dafür,
dass dennoch geschädigte
Proteine schneller entsorgt
werden.
Mit
den
Hitzeschockproteinen
eng
verwandt sind auch die
GekochteEier:Proteingerinnungdurch
Hitze©Wikisearcher(CCBY-SA3.0)
sogenannten
Chaperone:
diese kümmern sich darum, dass frisch produzierte Proteine die
richtigeStrukturerhaltenundnichtunsinnigverknäultenden.
NervenkrankheitendurchdefekteProteine
Ganz ähnliche Verklumpungen oder Ablagerungen, wie sie durch
hitzegeschädigte Proteine entstehen, hängen eng mit gefürchteten
Krankheiten zusammen: Bei der Alzheimer-Krankheit lagern sich im
Gehirn denaturierte Formen des Proteins beta-Amyloid ab und
bildensogenanntePlaques.DieseProteinablagerungensindmitder
Zeit tödlich für die Nervenzellen. Wie sie entstehen, ist immer noch
GegenstandintensiverForschung.
Wie wichtig die korrekte Struktur ist, zeigen Krankheiten wie die
Creutzfeldt-Jacob-Krankheit. Die Creutzfeld-Jacob-Krankheit und der
Rinderwahnsinn waren Wissenschaftlern lange ein Rätsel: Es konnte
kein Erreger identifiziert werden, kein Virus oder Bakterium schien
verantwortlich. Dennoch sind die Krankheiten übertragbar, also
keine Erbkrankheiten. Schließlich fand man des Rätsels Lösung:
falschgefalteteProteine.Inihrer“normalen”Formsinddiejeweiligen
Proteine völlig harmlos. Sie können jedoch auch eine pathogene
Form annehmen, die sich einzig in der Faltung unterscheidet.
Wissenschaftler bezeichnen solche Proteine als Prionen, abgeleitet
vom Englischen “infectious protein”. Besonders tückisch daran: Die
falsche Form ist unter Umständen in der Lage, gesunde Proteine
ebenfalls in die pathogene Form
umzuwandeln
und
sich
so
gewissermaßenzuvermehren.
EntstehungvonBeta-AmyloidPlaquesausdemAmyloidVorgänger-Protein.©NIH
VONWASCHMITTELBISNATURFASER
P
ineimDienstderIndustrieHeutzutagesindProteinenicht
mehrlediglichimKörperimEinsatz.Siedienenlängstauch
als nützliche Helfer bei so alltäglichen Dingen wie dem
Wäschewaschen, aber auch bei der Produktion von
KleidungoderinderMedizin.
So verrichten beispielsweise Enzyme, die Fette und Stärke spalten,
diese Arbeit nicht nur bei der Verdauung: Solche Lipasen und
Amylasen sind effektiver Bestandteil in nahezu jedem modernen
Waschmittel. Dort zerlegen sie Verunreinigungen im Stoff, die
Bruchstücke lassen sich dann wesentlich leichter auswaschen.
Ebenfalls einen unerwünschten Störfaktor beseitigt das Enzym
Lactase: Es spaltet den Doppelzucker Laktose in seine Einzelteile
Galaktose und Glukose. Menschen mit Laktoseintoleranz können
dieses Enzym in Tabletten zu sich nehmen, um ihren Mangel an
Lactase auszugleichen. Es
wird ebenfalls eingesetzt, um
laktosefreie
Milch
herzustellen, indem es die
enthaltene Laktose aufspaltet
undunschädlichmacht.
Insulin:
Protein
Genmanipulation
aus
Wenngleich
die
Insulinkristalle©NASA,gemeinfrei
Aminosäuresequenz
eines
Proteins bekannt ist, so ist die synthetische Produktion dennoch
aufwändig und meist unwirtschaftlich. Hergestellt werden industriell
genutzte Proteine daher oft biotechnologisch: einem Stamm von
kultivierten Bakterien oder Hefezellen wird ein zusätzliches Gen
eingeschleust. Der manipulierte Mikroorganismus fängt dann an,
neben den üblichen Bestandteilen seines Stoffwechsels auch das
ProteinnachdenneueingesetztenBauplänenzuproduzieren.Wenn
allessofunktioniertwieessoll,lässtsichdasfertigeProteinausder
Kulturflüssigkeit isolieren, reinigen und einsetzen. Das Hormon
Insulin ist ein solches Protein, das sich in genmanipulierten
Escherichia coli Bakterien oder Bäckerhefezellen herstellen lässt.
Zuvor musste Insulin aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen
gewonnen werden. Insulin ist ein wichtiges Medikament zur
Behandlung von Diabetes, da Diabetiker es nicht in ausreichender
Mengeselbstherstellenkönnen.Verwendetwirdallerdingsnichtdas
Hormon, wie es tatsächlich im Menschen vorkommt, sondern
verschiedene Analoga. Diese unterscheiden sich nur in wenigen
einzelnen Aminosäuren vom Humaninsulin. Diese Analoga haben
den Vorteil, dass sie sich länger lagern lassen. Außerdem lassen sie
sich besser medikamentös verabreichen, zum Beispiel als
InjektionslösungoderzumInhalieren.
Seide:begehrteProteinfaser
Wesentlich
älter
als
die
Proteinproduktion
in
umprogrammierten Bakterien ist die
Haltung
von
Seidenraupen.
Die
gesponnenen Kokons der Seidenraupe
werdenangeblichschonseitdemdritten
Jahrtausend vor Christus genutzt, um
Seidenfäden zu gewinnen. Auch
Seidenfasern
bestehen
aus
fadenförmigen Proteinen, ähnlich dem
Kollagen des Bindegewebes. Die
Eigenschaften, die den Seidenstoff so
Proteinfaser:gefärbteSeide
beliebt machen, verleihen ihm die
©AdamJones(CCBY-SA3.0)
Proteine: Seide ist leicht, aber fest,
isoliertbemerkenswertgutgegenHitzeundKälte,undbestichtnicht
zuletzt durch den typischen Seidenglanz. Doch nicht nur Stoff lässt
sich aus den einzigartigen Proteinfasern herstellen. Als Pulver ist
Seide ein Zusatz in vielen Kosmetika. Eine amerikanische
Forschergruppe erprobte vor kurzem sogar eine medizinische
Anwendung:AusSeidenproteingebackeneSchraubensinddemnach
hart und stabil genug, um gebrochene Knochen miteinander zu
verschrauben. Dabei sind sie gleichzeitig wesentlich verträglicher als
Metallteile, die bisher verwendet werden. Sie werden außerdem mit
der Zeit vom Körper abgebaut und müssen nicht in einer erneuten
Operation entfernt werden. Noch nicht kommerziell genutzt, aber
intensiv erforscht wird zurzeit ein ähnliches Naturprodukt:
Spinnenfäden sind bei vergleichbarer Dicke etwa viermal so reißfest
wie Stahl. Das Material soll zukünftig eine ganze Reihe Produkte
hervorbringen,vonbioverträglichenFädeninderChirurgiebishinzu
überragenden kugelsicheren Westen. Mit Spinnenseide
überzogene Brustimplantante führen angeblich zu weniger
Komplikationen.
EXTREMVIELSEITIG:EXOTENDERFAMILIE
S
lütenderEvolutionunterdenProteinenBesondersdeutlich
wird die Vielseitigkeit der Proteine, wenn man sich den
Einfallsreichtum
der
Evolution
anschaut:
Einige
EntwicklungenderNaturerscheinenwahrhaftexotisch.Das
beginnt bereits bei den verwendeten Ausgangsmaterialien.
AminosäurenverhaltensichwierechteundlinkeHand–siekönnen
in zwei Formen existieren, die einander wie Spiegelbilder gleichen,
sichräumlichabernichtdecken.
Aus bislang ungeklärten Gründen hat sich bei der Entstehung des
Lebens die „linke Hand“-Form durchgesetzt, die L-Aminosäuren. In
allen Lebewesen kommt fast ausschließlich diese Form vor. Dem
gegenüber stehen die D-Aminosäuren. Diese sind in lebenden
Organismen zwar sehr selten, aber bei weitem nicht unbekannt:
Neueren Erkenntnissen zufolge dient beispielsweise das D-Serin als
BotenstoffimmenschlichenGehirn.
Spiegel-AminosäurenpassennichtinsBild
Besonders einige Mikroorganismen haben Tricks entwickelt, mit
denen sie die Spiegel-Aminosäuren verwenden können. Doch zu
welchem Zweck? Ein Grund ist Schutz: In die Bindungsstellen
„normaler“ Enzyme passen
diese Spiegelbilder meistens
nicht.
Feinde
oder
Konkurrenten haben es
deshalb schwerer, sich an
diese exotischen Bestandteile
anzupassen. Die Zellwand
von Bakterien enthält die DFormderGlutaminsäure,und
wirddadurchschwererdurch
Aminosäurenverhaltensichwierechteund
Verdauungsenzyme
linkeHand©NASA,gemeinfrei
angreifbar.
Das
gleiche
Prinzip funktioniert auch bei einigen Antibiotika: Vancomycin galt
lange als Notfall-Antibiotikum gegen hochresistente Bakterien. Es
besteht aus sieben Aminosäuren, von denen gleich vier in der DForm vorliegen. Das erschwert es den Erregern, dagegen AbwehrMechanismen zu entwickeln. Zwar sind inzwischen doch bereits
einige Resistenzen gegen das Mittel bei mehreren
Krankheitserregern aufgetreten, dennoch dienen D-Aminosäuren
auch heute noch als wichtiger Bestandteil neuer synthetischer
Antibiotika. Lichtblicke gibt es nicht nur durch spiegelverkehrte
Proteinbausteine, ganz normale Proteine lassen in der Natur sogar
im wortwörtlichen Sinne ein Licht aufgehen: Die Luciferasen
stammenausverschiedenenArtenvonLeuchtkäfern.MitderenHilfe
bringen die Käfer in Kammern in ihrem Hinterleib ein Substrat
namens Luciferin auf chemischem Weg zum Leuchten.
Glühwürmchen sind die bekanntesten Anwender dieses
Mechanismus. Ähnliche Enzyme lassen auch verschiedene Algen,
BakterienundPilzeleuchten.
Quallenprotein
Molekularbiologen
leuchtet
für
Und schließlich ganz ohne Enzym
beginnt eines der bedeutendsten
Proteine der molekularbiologischen
Forschung zu leuchten: für die
Entdeckung des treffend benannten
grün-fluoreszierenden Proteins (GFP)
erhielten Martin Chalfie, Osamu
Shimomura, and Roger Y. Tsien im Jahr
VerschiedeneFluoreszierende
2008 sogar den Nobelpreis für Chemie.
Proteineleuchtenin
unterschiedlichenFarben©
Dieses tonnenförmige Protein aus 238
NathanShaner(CC-BY-SA
Aminosäuren stammt aus einer Qualle,
3.0)
und tut genau was sein Name sagt.
WennmanesmitultraviolettemLichteinerbestimmtenWellenlänge
anregt, fluoresziert es grün. Was zunächst simpel klingt, ist für
Molekularbiologen ein bedeutendes Werkzeug. Da es sich um ein
Protein handelt, lässt es sich durch Genmanipulation in andere
Organismen einschleusen. Lebende Zellen sind ebenfalls leicht von
abgestorbenenzuunterscheiden.Unddamittlerweilenochmehrere
weiterefluoreszierendeProteineandererFarbenbekanntsind,istes
auch möglich, verschiedene Zellen, etwa von unterschiedlichen
Bakterienarten, nebeneinander zu markieren. Bei frühen
ExperimentenzuderartigerManipulationwaresleicht,mitGFPden
Erfolg zu testen: Leuchteten die Zellen, so war das Gen für das
Protein in der Tat in der Zielzelle aktiv. Zuerst in solchen
Experimenten entstanden Labortiere wie Kaninchen und Mäuse, die
unter UV-Licht grün aufleuchten. Daraus entstanden in den USA
sogar Haustiere: der „GloFish“, ein kleiner fluoreszierender
Aquarienfisch,leuchtethellgründurchdieeingeschleustenProteine.
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