Pharma-Standort deutschland Erfolgskritische Standortfaktoren und Wettbewerbsstrategien in F&E- und wissensintensiven Branchen Potenziale am Gesundheitsstandort Deutschland werden unterschätzt, da bei internationalen Standortentscheidungen wichtige erfolgskritische Standortfaktoren häufig unzureichend berücksichtigt werden und die Bewertung von Standortfaktoren oft nicht ausreichend in den unternehmerischen Kontext zur Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile eingebettet ist. 1.Einleitung und Methodik Die forschungs- und wissensintensiven Wirtschaftssektoren der Gesundheitswirtschaft (u. a. Pharma- und Medizintechnikindustrie, gesundheitsbezogene Dienstleistungen im ersten und zweiten Gesundheitsmarkt) in Deutschland stehen künftig vor großen Herausforderungen (u. a. [1], Kap. IV, [2]): Neben dem demografischen Wandel, neuen Technologietrends bei der Wissensbasis, einer zunehmenden Bedeutung von Innovationsnetzwerken, einem stark zunehmenden Gesundheitsbewusstsein in vielen Teilen der Bevölkerung sowie zukünftigen Engpässen beim qualifizierten Personal („Fachkräftemangel“) ist hier vor allem die zunehmende Internationalisierung von (technologischem) Wissen, Produktionsprozessen und Absatzmärkten zu nennen. Aus diesen Internationalisierungsprozessen ergeben sich viele Potenziale, aber auch Risiken. Waren früher Internationalisierungsstrategien häufig nur auf den internationalen Handel mit entsprechenden Export- und Importstrategien ausgerichtet, so ist heute zusätzlich auch die Internationalisierung der Produktion sowie der Forschung und Entwicklung (F&E) zu erkennen (u. a. [3]). So haben z. B. deutsche Direktinvestitionen im Ausland (u. a. im Zuge von Produktionsverlagerungen) stark an Bedeutung hinzugewonnen ebenso wie transnationale F&E-Wissensspillover, u. a. durch die weltweit verteilten F&E-Tätigkeiten multinationaler Unternehmen. Durch diese zunehmende Internationalisierung sieht sich der Gesundheitsstandort Deutschland und die dort ansässigen Akteure aktuell und künftig mit einem sehr harten Innovationswettbewerb konfrontiert, sowohl mit etablierten Standorten (u. a. USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, Schweiz) als auch mit neu aufstrebenden Ländern (u. a. China, Indien, Singapur). Diese Konkurrenzländer haben in den letzten Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen, um sich in der Gesundheitswirtschaft dzkf 9/10-2010 23 Pharma-Standort deutschland an der Weltspitze zu behaupten bzw. zur Weltelite aufzuschließen. Ob der Gesundheitsstandort Deutschland den Herausforderungen gewachsen ist und seine derzeitige Position als Standort z. B. für F&E, Produktion oder die Markteinführung neuer Gesundheitsgüter wird erhalten oder sogar ausbauen können, hängt entscheidend von der Ausgestaltung der zentralen erfolgskritischen Standortfaktoren für diese F&E- und wissensintensiven Wirtschaftssektoren ab. Daher werden in Abschnitt 2 und 3 zunächst die Triebkräfte für Standortverlagerungen sowie die erfolgskritischen Standortfaktoren untersucht, die eine Standortentscheidung maßgeblich beeinflussen. Anschließend werden in Abschnitt 4 die Wirkungszusammenhänge zwischen Standortfaktoren und Wettbewerbsstrategien genauer untersucht. In Abschnitt 5 wird am Beispiel der Pharmaindustrie dargestellt, welche Standortfaktoren am Standort Deutschland derzeit als stark bzw. kaum innovationshemmend angesehen werden. Die Ergebnisse in Abschnitt 2, 3 und 4 basieren auf umfangreichen Literaturauswertungen (u. a. [3], [1], Kap. III und die dort angegebene Literatur). Die Ergebnisse in Abschnitt 5 basieren auf der Studie „Forschungs- und wissensintensive Branchen: Optionen zur Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit“[1], die vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Deutschen Bundestages durchgeführt wurde. In dieser Studie wurden u. a. die für die Pharmaindustrie erfolgskritischen Standortfaktoren untersucht ([1], Kap. III.2.3, IV); hierzu wurde eine schriftliche Befragung von 77 Pharma- und Gesundheitsakteuren aus Industrie und Wissenschaft sowie Experteninterviews durchgeführt. 2.Triebkräfte für Standortverlagerungen F&E-intensive und wissensintensive Unternehmen denken fast immer in international miteinander verknüpften Wertschöpfungsprozessen. Hinsichtlich der Frage, an welchen Standorten global agierende Unternehmen ihre Forschung, Entwicklung, Produktion und den Vertrieb ihrer Produkte und Dienstleistungen durchführen, sind neben verschiedenen Angebots- und Nachfragefaktoren zusätzlich auch Standortfaktoren mit Bezug zu rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen oder die Leistungsfähigkeit regionaler Cluster und nationaler Netzwerke sowie die betrieblichen Rahmenbedingungen (u. a. Verhältnis von Kapitalkosten zu Arbeitskosten, Produktkomplexität, F&E-Intensität) von zentraler Bedeutung (u. a. [3]). Die Motive für die F&E-Auslandsinvestitionen werden maßgeblich durch die Unternehmensgröße beeinflusst (u. a. [1], Kap. III.2.1): Für Großunternehmen ist besonders die Nähe zum Kunden und den Markterfordernissen und die Ergänzung zu bereits existierenden Produktionsstandorten im Ausland das Hauptmotiv. Sie verlagern dabei vorrangig fertigungsnahe F&E-Aktivitäten wie z. B. die technische Entwicklung. Dies untermauert die häufig getroffene These, dass die Verlagerung von F&E oft Folge einer Produktionsverlagerung ist. Kleine Unternehmen werden hingegen 24 dzkf 9/10-2010 vor allem aufgrund von niedrigeren Lohnkosten, weniger Bürokratie und der besseren Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften im Ausland tätig, denn diese Unternehmen haben in Deutschland oftmals Schwierigkeiten bei der Rekrutierung z. B. von Wissenschaftlern. Darüber hinaus geben kleine Unternehmen oft eine bessere Wissenschaftsund Forschungsstruktur als Motiv an. Hinsichtlich der Produktionsverlagerungen ins Ausland werden oft acht Motivationsbündel genannt, die diese Verlagerungen begünstigen (u.a. [3]): (1) Zugang zu kostengünstigen Produktionsfaktoren (z.B. Arbeit), (2) Zugang zu Märkten und Handels- und Vertriebskanälen, (3) Nähe zu Kunden und unterstützenden Vor-Ort-Serviceleistungen, (4) Zugang zu Technologien und Know-how, (5) Zugang zu Ressourcen und Materialien, (6) die Möglichkeit, Wettbewerber anzugreifen, (7) Steueranreize und -zuwendungen (8) sowie der Zugang zu einer exzellenten Infrastruktur. Die Bedeutung unterschiedlicher Motive ist teilweise von der Firmengröße abhängig: So gewinnt z.B. die Erschließung neuer Absatzmärkte wie auch die Nähe zu Großkunden mit steigender Firmengröße als Produktionsverlagerungsmotiv an Bedeutung. Motive, die den Verbleib der Produktion am heimischen Standort Deutschland begünstigen, sind vor allem eine hohe Prozess- und Produktqualität, eine sehr hohe Produktkomplexität, eine hohe Technologieintensität der Produkte in Form eines hohen Anteils der F&E-Aufwendungen am Umsatz oder ein hoher Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften ebenso wie ein hoher Automatisierungsgrad und eine hohe Standardisierbarkeit der Produktionsprozesse (z. B. bei einer sehr einfachen Produktkomplexität), da hier z. B. der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten eine untergeordnete Rolle spielt (u. a. [3]). Ähnlich positiv wirken ein guter Beschaffungsmarkt, eine hohe Lieferantenqualität, das Vorhandensein regionaler Cluster und Netzwerke, ein großes Marktvolumen und -potenzial, die Nähe zu Schlüsselkunden in Deutschland sowie hohe Transportkosten und hohe Transaktionskosten für die Betreuung, Koordination, Kontrolle ausländischer Standorte. Demnach zeichnen sich vor allem Prozesse, Produkte und Dienstleistungen der F&E- und wissensintensiven Wirtschaftsbranchen (z. B. Gesundheitssektoren) durch Charakteristika aus, die den Verbleib der Produktion am Standort Deutschland eher begünstigen. Damit haben diese Sektoren ein sehr hohes Potenzial, Innovationen, Wertschöpfung und Beschäftigung am Standort Deutschland zu generieren. Über Ausstrahleffekte aufgrund von Lieferverflechtungen wirken sie zudem positiv auf deren Zuliefererbranchen im Inland. 3.Erfolgskritische Standortfaktoren für F&E- und wissensintensive Branchen Um die Standortbedingungen in Deutschland so zu verbessern, dass Standortverlagerungen ins Ausland vermieden werden und entsprechende Innovations-, Wertschöpfungsund Beschäftigungspotenziale am Wirtschaftsstandort Deutschland besser ausgeschöpft werden können, ist die Pharma-Standort deutschland Transparenz bezüglich der entscheidenden Einflussfaktoren bei internationalen Standortentscheidungen, z. B. in Form von Standortfaktorenlisten, sehr hilfreich. Viele Standortfaktorenlisten greifen allerdings zu kurz.[3] Sie beschränken sind meist nur auf die klassischen quantitativen Produktions- und Marktfaktoren wie z. B. Lohnkosten oder Marktvolumen. Wichtige qualitative Einflussgrößen (u. a. rechtliche und politische Rahmenbedingungen) werden häufig unzureichend berücksichtigt. Darüber hinaus wird zudem oft ein gegebener Ist-Zustand der extern vorgegebenen Standortfaktoren suggeriert, die vom Unternehmen selbst nicht bzw. kaum beeinflusst werden können. Aktiv gestaltbare Performancefaktoren, die die erreichbare Leistungsfähigkeit eines Unternehmens (u. a. dauerhafte Innovationsfähigkeit, schnelle Durchlaufzeiten) am jeweiligen Standort stark beeinflussen können, werden hingegen meist nicht bzw. unzureichend berücksichtigt. Dadurch werden bestehende Möglichkeiten für Qualitätsverbesserungen einzelner Standortfaktoren am Standort Deutschland, z. B. durch entsprechende unternehmerische Modernisierungsaktivitäten am bisherigen Unternehmensstandort (sogenanntes „Upgrading“), nicht angemessen einbezogen. Zudem wird dem Bedarf an funktionierenden Netzwerken für den spezifischen Standorterfolg häufig keine adäquate Bedeutung beigemessen. Gerade aber in der Gesundheitswirtschaft mit ihren zunehmend interdisziplinären, interaktiven und kollektiven Innovationsprozessen sind die Vernetzung und das Zusammenspiel mit anderen Akteuren von zentraler Bedeutung für eine erhöhte Inno- Pr Poo rdodudukuktkti to i oinonsnsfsfaa fkak kttotororee rnenn Pr (Input) (Input) (Input) quantitativ quantitativ quantitativ qualitativ qualitativ qualitativ ProduktionsProduktionsProduktionsfaktorkosten faktorkosten faktorkosten ProduktionsProduktionsProduktionsfaktorqualität faktorqualität faktorqualität ProduktionsProduktionsProduktionsfaktorfaktorfaktorverfügbarkeit verfügbarkeit verfügbarkeit politische/ politische/ politische/ rechtliche rechtliche rechtliche StandortStandortStandortfaktoren faktoren faktoren Abgaben Abgaben und und Abgaben und Incentives Incentives Incentives vations- und Wettbewerbsfähigkeit (u. a. [2]). Der Netzwerkbedarf gilt dabei nicht nur für die Beschaffungs- und Absatznetzwerke, sondern muss auf alle wesentlichen Unternehmensfunktionen (u. a. Forschung, Entwicklung, Produktion, Marketing und Vertrieb) übertragen werden. Bereits genutzte Kooperationen am bestehenden Standort Deutschland müssen dabei ebenso wie die Kosten und der Aufwand für den notwendigen Aufbau ähnlich leistungsstarker Netzwerke an neuen Standorten im Ausland berücksichtigt werden. Eine Standortfaktorensystematik, die all die obigen Aspekte berücksichtigt und sich daher gut für die F&E- und wissensintensiven Branchen der Gesundheitswirtschaft eignet, ist in Abbildung 1 dargestellt. Bei dieser Standortfaktorensystematik werden quantitative Standortfaktoren durch wichtige qualitative Faktoren und Bewertungen (z. B. szenariobasierte dynamische Standortbewertung, K.O.-Kriterien, vergleichende Checklisten, Risikoindizes) ergänzt. So wird z. B. die betriebliche Flexibilität (z. B. für eine schnelle Anpassung der Produkte an spezifische Kundenwünsche vor Ort) oft durch institutionelle Rahmenbedingungen rechtlicher und politischer Natur stark beeinflusst. Zudem werden die klassischen Kategorien Produktionsund Marktfaktoren um die Kategorien Performancefaktoren und Netzwerkbedarf erweitert, da diese für die Unternehmen häufig zentral sind für die Generierung dauerhafter internationaler Wettbewerbsvorteile: Beispielsweise kann eine strategische Kostenführerschaft nur durch Exzellenz bei den Performancefaktoren Produktivität und Prozessgüte erreicht und erhalten werden. Wichtiger für die F&E- und MM rkktktftfaa fkaktktotororee rnenn M aarar quantitativ quantitativ quantitativ AbsatzAbsatzAbsatzpotenzial potenzial potenzial HandelsHandelsHandelshemmnisse hemmnisse hemmnisse qualitativ qualitativ qualitativ MarktMarktMarktattraktivität attraktivität attraktivität KonkurrenzKonkurrenzKonkurrenzsituation situation situation Infrastruktur Infrastruktur Infrastruktur Auflagen Auflagen und und Auflagen und Verfahren Verfahren Verfahren Geospezifik Geospezifik Geospezifik gesamtwirtgesamtwirtgesamtwirtschaftliche schaftliche schaftliche Indikatoren Indikatoren Indikatoren Soziokultur Soziokultur Soziokultur frorm m rm ak f ak rnenn PPePererffroo aanancncecefefak ttotororee (Output) (Output) (Output) quantitativ quantitativ quantitativ Produktivität/ Produktivität/ Produktivität/ Herstellkosten Herstellkosten Herstellkosten qualitativ qualitativ qualitativ InnovationsInnovationsInnovationsfähigkeit fähigkeit fähigkeit Prozessgüte Prozessgüte Prozessgüte Flexibilität Flexibilität Flexibilität bei bei der der bei der ProduktProduktProduktanpassung anpassung anpassung DurchlaufDurchlaufDurchlaufzeiten zeiten zeiten ProduktProduktProduktqualität qualität qualität zww rbkbebededadarar rff f NNeNetetztzw eererkk >Bedarf Bedarf an an Kooperationen Kooperationen und und Netzwerken Netzwerken am am jeweiligen jeweiligen Standort Standort (in (in den den Bereichen Bereichen Produktion, Produktion, >>Bedarf an Kooperationen und Netzwerken am jeweiligen Standort (in den Bereichen Produktion, Beschaffung, Beschaffung, Marketing/Vertrieb, Marketing/Vertrieb, Service, Service, FuE, FuE, AusAusund und Weiterbildung, Weiterbildung, Standortentwicklung) Standortentwicklung) Beschaffung, Marketing/Vertrieb, Service, FuE, Ausund Weiterbildung, Standortentwicklung) >Unausgeschöpfte Unausgeschöpfte Potenziale Potenziale vorhandener vorhandener Netzwerke Netzwerke >>Unausgeschöpfte Potenziale vorhandener Netzwerke Kosten Kosten für für den den Netzwerkaufbau Netzwerkaufbau Kosten für den Netzwerkaufbau Abbildung Abbildung111 Standortfaktorensystematik. Standortfaktorensystematik. Standortfaktorensystematik.(Quelle: (Quelle: (Quelle:[3]) [3]) [3]) Abbildung Abbildung 1 Standortfaktorensystematik. (Quelle: [3]) dzkf 9/10-2010 25 Pharma-Standort deutschland wissensintensiven Branchen der Gesundheitswirtschaft ist die Differenzierung über einen hohen Technologie- und Innovationsgehalt sowie eine herausragende Qualität der neuen Prozesse, Produkte und Dienstleistungen. Um über diese Differenzierungsmerkmale erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können, ist eine überlegene Performance erforderlich bei der Produktqualität und Prozessgüte sowie der eigenen Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen und erfolgreich im Markt zu platzieren. In der Perspektive Netzwerkbedarf werden die am jeweiligen Standort bereits genutzten lokalen Kooperationen und funktionierenden Netzwerke bewertet, da diese gerade für die F&E- und wissensintensiven Gesundheitssektoren einen zentralen Erfolgsfaktor darstellen. Die Akteure der Gesundheitswirtschaft sollten daher bei ihrer Standortwahl genau berücksichtigen, welche Netzwerke an potenziellen neuen Standorten in welcher Qualität und mit welchem Aufwand aufgebaut werden können. Hierbei ist zu betonen, dass der Stellenwert von „gewachsenen Kooperationen und Netzwerken“ am Standort Deutschland für den Erfolg und bereits realisierte Vorteile sowie noch vorhandene Möglichkeiten zur Ausweitung dieser Netzwerkpotenziale bei internationalen Standortentscheidungen häufig nicht adäquat berücksichtigt werden.[3] Neben der Berücksichtigung der „richtigen“ Standortfaktoren ist ein weiterer Aspekt entscheidend. Häufig werden sich dynamisch ändernde erfolgskritische Standortfaktoren seitens der Unternehmen nur unzureichend berücksichtigt (u. a. [3]). Langfristige Standortentscheidungen sind oftmals einmalige Entscheidungsprozesse unter stabilen Standort-, Nachfrage- und Planungsbedingungen. Ein regelmäßiges Überprüfen getroffener Standortentscheidungen ist methodisch häufig nicht verankert. Dabei sollte gerade für erfolgskritische Standortfaktoren, die einen langfristigen Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens haben, ein systematisches Erfolgscontrolling der Standortfaktoren (u. a. regelmäßiges Monitoring) aufgebaut werden. 4.Zusammenhang zwischen Wettbewerbsstrategien und Standortfaktoren Eine Studie[4] zu den Wettbewerbsstrategien von Innovationsaktivitäten zeigt, dass in Deutschland fast die Hälfte der Unternehmen, und hier besonders kleinere Unternehmen, individuelle maßgeschneiderte Lösungen für einzelne Kunden und ca. 30 % eine Spezialisierung auf einzelne Marktsegmente anstreben. Jeweils 20 - 25 % der Unternehmen, und hier besonders größere Unternehmen, verfolgen das Ziel der Technologieführerschaft, der Kostenführerschaft und/oder der Einführung neuer Produkte als Branchenerster. Verlagerungen ins Ausland bzw. die Umsetzung internationaler Standortstrategien verlaufen nicht immer erfolgreich. Dies deutet auf strategische Fehlentscheidungen bei unternehmerischen Standortentscheidungen hin wie z. B. eine zu geringe Passfähigkeit von Standort- und Wettbewerbsstrategien (u. a. [3]). Häufige Gründe für das 26 dzkf 9/10-2010 Scheitern, insbesondere im Produktionsbereich, sind Qualitätsprobleme, Flexibilitätsverluste, verringerte Lieferfähigkeit und -zuverlässigkeit am neuen Standort sowie hohe Koordinationskosten und lange Anlaufzeiten, um die erforderliche Qualität und Produktivität zu erreichen. Dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen zentrale erfolgskritische Standortfaktoren unzureichend berücksichtigen. Hinsichtlich dieser erfolgskritischen Standortfaktoren sind viele gängige Standortfaktorenlisten meist wenig hilfreich, weil es sich um lange und unübersichtliche Aneinanderreihungen von potenziell infrage kommenden Kriterien handelt, die insbesondere nicht danach differenzieren, für welche Wettbewerbsstrategien (z. B. Kostenführerschaft oder Technologieführerschaft) welche Standortfaktoren tatsächlich erfolgskritisch sind. Dabei sollten Standort- und Wettbewerbsstrategien in der Weise „strategisch stimmig bzw. passfähig“ sein, dass die zentralen erfolgskritischen Standortfaktoren sehr genau in den unternehmerischen Kontext zur Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile eingebettet sind. Diese Zusammenhänge werden im Folgenden ausführlicher dargestellt (u. a. [3]). Technologieführerschaft und Qualitätsvorteile Vor allem Akteure aus der F&E- und wissensintensiven Gesundheitswirtschaft müssen im Wettbewerb stark auf die Qualität und den Technologie- und Innovationsgehalt ihrer Prozesse, Produkte und Dienstleistungen setzen. Daher orientieren sie sich bei Standortentscheidungen vorrangig an dem zentralen Erfolgsfaktor Innovationspotenzial, den sie durch kontinuierliche Technologie- und Wissensimpulse an attraktiven Standorten weiter zu verbessern suchen. Die bei dieser Wettbewerbsstrategie „Technologieführerschaft und Qualitätsvorteile“ zu berücksichtigenden zentralen erfolgskritischen Standortfaktoren werden im Folgenden skizziert (u. a. [3]). I) Analyse der nachfrageseitigen Innovationspotenziale An erster Stelle steht dabei oft die Nähe zu sogenannten Vorreitermärkten vor Ort („Lead Markets“). Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit solche Vorreitermärkte geprägt sind durch sehr anspruchsvolle industrielle und private Nachfrager (sogenannte „Lead User“) mit hohen Qualitätsansprüchen, hoher Technikakzeptanz und großer Bereitschaft, innovative Produkte aufzunehmen. Denn dadurch werden immer wieder neue nachfragebedingte Innovationsimpulse generiert („Technology Pull“), und es entsteht die Notwendigkeit eines raschen „Time to Market“, um so schnell die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Solche Vorreitermärkte weisen aufgrund des „innovationstreibenden Problemdrucks“ oftmals z. B. wegweisende Zulassungsstandards und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sowohl für Anbieter als auch für die Nutzer auf. II) Analyse der angebotsseitigen Innovationspotenziale: Zudem von zentraler Bedeutung ist die Analyse, inwiefern eine intensive Einbindung des neuen Standortes in innovative Cluster und Netzwerke möglich ist. Diese Pharma-Standort deutschland sind durch „befruchtende“ Zuliefer-Abnehmer- und Konkurrenzbeziehungen in einem räumlich konzentrierten Geflecht vertikal und horizontal vernetzter Unternehmen und Institutionen charakterisiert („konzentrierter Innovationswettbewerb“). Derartige Cluster und Netzwerke umfassen meist eine Reihe von interagierenden Teilbranchen sowie kompetente Lieferanten für spezielle Einsatzgüter (z. B. Komponenten, Maschinen, Werkzeuge) und Anbieter spezieller Dienstleistungen (u. a. Finanzintermediäre, Risikokapitalgeber, Service, Logistik, Infrastruktur). Dadurch werden immer wieder neue angebotsseitige Innovationsimpulse generiert („Technology Push“). Erfolgreiche Cluster und Netzwerke entstehen meist in der Nähe weltweit führender F&E-Zentren. Derartige Zentren sind ein guter Indikator für die Standortattraktivität. Dabei ist auch zu prüfen, ob in den regionalen Clustern geeignete Kooperationspartner mit einem innovativen Ergänzungsprofil vorhanden sind. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und F&E-Akteure können dadurch ihr Angebotsspektrum um ergänzende Komponenten, Dienst- und Serviceleistungen ausweiten, und sich so zum Problemlöser ihrer Kunden entwickeln (z. B. als Anbieter kompletter Systemlösungen). Zudem bieten derartige Kooperationen Chancen, gemeinsam mit anderen Firmen finanziell, personell und technisch ausreichend ausgestattete „Horchposten“ in ausländischen Innovationsregionen einzurichten und so den internationalen Wissens- und Technologietransfer zu beschleunigen. Gerade kleinere Akteure sind aufgrund von Ressourcenbeschränkungen ohne derartige Kooperationen meist nicht in der Lage, diesen Transfer effektiv und effizient durchzuführen. III) Analyse von Risiken: Schattenseiten innovativer Cluster und Netzwerke zeigen sich, wenn durch die räumliche Konzentration der Branche z. B. das Personalangebot im lokalen Arbeitsmarkt verknappt wird mit der Folge höherer Löhne für qualifiziertes Personal oder aber strategisches Wissen abfließt, weil z. B. die Fluktuationsraten übermäßig hoch sind oder aber (unbewusst) wettbewerbskritisches Know-how preisgegeben und so der internationalen Konkurrenz die Tür zur Imitation von eigenen Prozessen, Produkten oder Dienstleistungen geöffnet wird. Vor diesem Hintergrund sind bei einem technologieorientierten Auslandsengagement in solche Cluster und Netzwerke die relevanten Teilarbeitsmärkte vor Ort ebenso wie die Möglichkeiten zum Schutz von Technologien, Patenten, Lizenzen und Marken detailliert zu analysieren und zu bewerten. Der Schutz geistigen Eigentums in der anvisierten Zielregion sollte z. B. durch rechtliche Rahmenbedingungen ausreichend garantiert sein. Unternehmen können die Gefahr eines Verlustes von Kernkompetenzen zudem dadurch begrenzen, indem sie über eine „Technologiedifferenzierung“ nie das gesamte technologische Know-how auf einen Standort im Ausland konzentrieren, sondern strategisches Wissen auf verschiedene Standorte verteilen und mindestens ein zentrales Know-how-Teil am Stammsitz belassen. Damit kann verhindert werden, dass Konkurrenten z. B. Prozesse oder Produkte als Ganzes kopieren können. IV) Analyse weiterer wichtiger Standortfaktoren bei einer Wettbewerbsstrategie „Technologieführerschaft und Qualitätsvorteile“: Da die Anforderungen an eine ausdifferen- zierte informations- und kommunikationstechnologische Infrastruktur in F&E- und wissensintensiven Wirtschaftsbranchen meist sehr hoch sind, ist die Verfügbarkeit einer entsprechenden IuK-Infrastruktur zu bewerten. Zudem sind mögliche Sprachbarrieren und kulturell bedingte Verständigungsprobleme zu beachten. Wichtige Dimensionen eines solchen „Cultural Bias“ sind u. a. unzutreffende Zwischenberichte sowie unterschiedliche Vorstellungen über realistische Planwerte, Berichtsgenauigkeit und Zeithorizonte. Sprachbarrieren und Verständigungsprobleme können hohe Kommunikationskosten sowie Informationsdefizite aufseiten des deutschen Stammsitzes bewirken. Dies kann den Umfang des ursprünglich beabsichtigten Technologie- und Wissenstransfers in die Heimat erheblich einschränken. Schließlich ist bei der Bewertung eines technologieorientierten F&E-Auslandsengagements zu prüfen, ob die oftmals damit einhergehende räumliche Trennung von F&E und Produktion langfristig tragfähig ist, da deren räumliche Entkopplung durchaus mit Nachteilen durch entgangene Synergieeffekte einhergehen kann. Ist geplant, F&E und Produktion am neuen Standort anzusiedeln, so muss man gerade bei Auslandsstandorten in den innovativsten Regionen einer Branche aufgrund der starken Konkurrenz vor Ort eine ausreichende Zeit einkalkulieren, bis ein ausreichendes Absatzniveau erreicht wird, bei dem Lernkurven- und Skaleneffekte erzielt werden können und sich die Produktion vor Ort lohnt. Kostenbasierte Wettbewerbsstrategien Auch wenn meist keine Kostenführerschaft im klassischen Sinne angestrebt wird, spielen aufgrund des hohen internationalen Wettbewerbsdrucks natürlich auch bei den F&E- und wissensintensiven Branchen (z. B. in der Gesundheitswirtschaft) die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen und damit auch die Reduktion von Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Bei den Kosten der Herstellung sind neben den wichtigen Lohn- und Gehaltskosten auch die Nebenkosten (u. a. Energie, Wasser), die Material- und Vorleistungskosten sowie die Transportkosten (u. a. von Zwischenprodukten oder von Endprodukten zum Kunden) zu bewerten. Der Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Lohnniveaus und der Preise vor Ort (z. B. der Neben- und Transportkosten) kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu, denn eine rasche Angleichung z. B. von Löhnen in Niedriglohnländern an das westeuropäische Niveau oder stark steigende Rohölpreise und damit steigende Transportkosten können Kostenreduktionspotenziale schmälern und eine ursprüngliche Kalkulation dzkf 9/10-2010 29 Pharma-Standort deutschland schnell zunichte machen. Nicht selten entstehen auch sehr hohe Kosten durch den Transport von Material und Komponenten von Deutschland ins Zielland, da diese vor Ort häufig nicht sofort in einer geeigneten Mindestqualität verfügbar sind. Da absolute Kostenanalysen oft irreführend sein können, müssen die durchschnittlichen Stückkosten am jeweiligen Standort genau analysiert werden. Dazu muss das lokale Produktivitätsniveau vor Ort bewertet werden. Hierbei müssen notwendige Such- und Anlernkosten sowie die Verfügbarkeit und Fluktuation der benötigten Arbeitskräfte vor Ort mitberücksichtigt werden. Anlaufzeiten und -kosten zur Sicherung der notwendigen Qualität und Produktivität an einem neuen Standort dürfen nicht unterschätzt werden. Erfahrungen zeigen, dass man gängige Planzahlen mit dem Faktor 2,5 multiplizieren sollte, um der Realität näher zu kommen.[3] Auch die in der Realität oftmals sehr hohen Gemeinkosten, die für Aufbau, Betreuung, Koordination und Kontrolle eines neuen Standorts im Ausland anfallen, müssen gut abgeschätzt und dem Standort richtig zugewiesen werden ebenso wie Qualifizierungs- und Trainingskosten zur Sicherstellung des notwendigen Qualitätsniveaus. Auch Kosten der Technologieanpassung (z. B. Technologie mit höherer Arbeitsintensität, um so Personalkostenvorteile voll auszuschöpfen) sind adäquat zu bewerten, ebenso wie die Kosten für den Aufbau ausreichend leistungsfähiger Netzwerke vor Ort (u. a. für die Auswahl und Entwicklung örtlicher Lieferanten mit ausreichender Qualität und Zuverlässigkeit). Auch potenzielle Konflikte, Motivationsprobleme und Vertrauensbrüche am bisherigen heimischen Standort in Deutschland können Kosten verursachen (z. B. höhere Fehlzeiten oder Ausschussraten). Im Ausland aktive Unternehmen warnen zudem bei kostenorientierten Auslandsengagements davor, Standortentscheidungen vorrangig bzw. alleine auf Basis von Subventionen, Fördergeldern oder Steuerbelastungen zu treffen, da sich diese Vorteile in der Kostenbelastung oft sehr schnell nivellieren.[3] Globale Markterschließungsstrategien Kürzer werdende Marktzyklen von Produkten und Dienstleistungen und zum Teil stark steigende F&E-Kosten führen bei den Unternehmen der F&E- und wissensintensiven Branchen, so auch in der Gesundheitswirtschaft, oftmals dazu, dass die F&E- und kapitalintensiven Geschäftsmodelle nur dann rentabel sind, wenn die schnelle weltweite Erschließung von Auslandsmärkten parallel bzw. zeitnah zur Binnenmarkterschließung erfolgt, um so schnell die hohen absoluten F&E- und Produktionskosten zu amortisieren. Das zentrale Kriterium stellt das realistisch ausschöpfbare Marktpotenzial dar. Hierbei sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen. In manchen Märkten (z. B. Indien) kaufen Kunden ihre Güter eher von örtlichen Produzenten („buy local“), selbst wenn Qualität oder Lebensdauer eigentlich dagegen sprechen. Um Potenziale daher nicht 30 dzkf 9/10-2010 zu optimistisch zu überschätzen, sind genaue Marktanalysen zum Status quo und zur zukünftigen Entwicklung des konkret anvisierten Marktsegments erforderlich. Potenzialschätzungen zum Gesamtmarkt einer Branche auf Basis allgemein zugänglicher Daten oder gar Bevölkerungszahlen sind häufig nicht zielführend, sondern konkrete Abschätzungen von Volumen, Wettbewerbssituation, Reife und Kaufkraft der spezifischen Nischen sind geeigneter (z. B. durch detaillierte Marktinformationen oder eigene Eindrücke durch Reisen vor Ort). Auch eine fundierte Wettbewerbsanalyse ist dabei unerlässlich: Wenige Wettbewerber mit großer Marktmacht können ebenso wie eine hohe Anzahl potenzieller Konkurrenten oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse (z. B. gezielte staatliche Subventionierung inländischer Konkurrenzunternehmen) Ausschlusskriterien für ein Engagement im betrachteten Zielmarkt sein. Hierbei gilt es auch zu prüfen, ob das eigene Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil (z. B. technologischen Vorsprung) gegenüber den lokalen Wettbewerbern hat, den es bei den Kunden vor Ort zur Geltung bringen kann. Die Höhe der versunkenen Investitionen (z. B. bereits getätigte hohe Marketingaufwendungen oder Investitionen in Maschinen und Anlagen) sind ein guter Indikator für die Bereitschaft eines lokalen Konkurrenten, einen strategischen Preiswettbewerb bzw. -kampf einzugehen. Zudem ist der Zugriff auf vorhandene Vertriebswege oder eingespielte Vertriebsnetzwerke genau zu analysieren. Für Unternehmen können neben eigenen Auslandsvertretungen vor Ort die Akquisition eines geeigneten Partners mit geeigneten Vertriebswegen oder Vertriebskooperationen eine probate Strategie sein. Auch die erreichbaren Zielpreise und Margen, die maßgeblich von den gewählten Vertriebswegen determiniert werden (z. B. „Mass Market“ vs. Nischensegmente), sind exakt zu bewerten, da sie entscheidend die mittelfristige Rentabilität eines neuen Marktes bestimmen. Des Weiteren sind Anpassungsnotwendigkeiten bei den eigenen Produkten an die spezifischen Anforderungen der lokalen ausländischen Kunden zu berücksichtigen ebenso wie Anwendungsberatungsbedarf und Serviceansprüche dieser Kunden, da sie die Chance bieten, neben dem Sachgutverkauf vor Ort neue Geschäftsfelder mit produktbegleitenden Dienstleistungen aufzubauen. Zu prüfen sind auch die landesüblichen Produkthaftungsvorschriften, da hier u. a. entsprechende Risikozuschläge oder Versicherungsdienstleistungen erforderlich sind. Auch tarifäre Handelsbarrieren gilt es zu analysieren. Denn eine Auslandspräsenz kann oft die einzige Möglichkeit darstellen, tarifäre Handelsbarrieren (z. B. sehr hohe Importzölle) durch eine Produktion im Zielland zu umgehen. Auch dem Wechselkurs muss, wie z. B. in den USA oder in den stark dollargebundenen Regionen in Asien, oft eine hohe Bedeutung zugemessen werden. Diesbezügliche Analysen z. B. zur Volatilität des relevanten Wechselkurses, zu möglichen Währungsvorteilen auf der Beschaffungsseite oder aber zu Wettbewerbsnachteilen bei hohen Pharma-Standort deutschland Abbildung 2 Innovationshemmende Standortfaktoren am Pharma-Standort Deutschland. (Quelle: [1], Kap. III.2.3) Abbildung (insb. 2 Innovationshemmende Standortfaktoren am Pharma-Standort Deutschland. ten Fragen, differenziert nach Indikationsgebieten (z. B. Eurokursen geringere Exporte) oder zu Kosten für (Quelle: [1], Kap. III.2.3) Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen), abgefragt und Wechselkurssicherungsgeschäfte sind rechtzeitig durchzubewertet. Diese Ergebnisse werden hier nicht ausführlich führen. beschrieben, da sie Bestandteil eines früheren DZKF-Beitrages sind[5]; die Ergebnisse lassen sich kurz wie folgt 5. Innovationshemmende Standortfaktoren zusammenfassen: In vielen wichtigen Krankheitsklassen am Pharma-Standort Deutschland sind hinsichtlich der Qualität der Grundlagenforschung, der Qualität der klinischen Forschung sowie der Qualität Im Rahmen der Fraunhofer ISI-Studie wurden der Kooperationen zwischen Wissenschaft und WissenPharmaunternehmen und F&E-Einrichtungen mit Pharschaft (u. a. zwischen öffentlichen F&E-Einrichtungen mabezug gefragt, welche Standortfaktoren am Pharmawie z. B. Max-Planck-Instituten und Fraunhofer-InstituStandort Deutschland innovationshemmend wirken. Die ten) Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu wichtigen Konbefragten Akteure sehen zunächst eine Vielzahl an Standkurrenzländern zu erkennen. Hinsichtlich der Qualität der ortfaktoren als bedeutend für die Innovationsaktivitäten an Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft (vgl. [1], Anhang Abb. 42 und Abb. 43); dies spiegelt die sind jedoch in einigen Bereichen Optimierungspotenziale große Komplexität des Innovationsprozesses im Pharmazu erkennen. sektor wider. Andererseits wurden Fragen zu weiteren wichtigen Bei der nachfolgenden Ergebnisdarstellung ist FolgenStandortfaktoren ohne Bezug zu einzelnen Indikationsgedes zu berücksichtigen: Einerseits wurden im Rahmen der bieten gestellt; diese Ergebnisse werden im Folgenden darStudie einige sehr wichtige Standortfaktoren (z. B. Quagestellt. Dabei zeigen sich mehrere erfolgskritische Standlität der Grundlagenforschung, Qualität der klinischen ortfaktoren, die am Pharma-Standort innovationshemmend Forschung oder Qualität der Kooperationen zwischen wirken (Abb. 2). Die hohen F&E-Kosten werden bei allen Wissenschaft und Wirtschaft) im Fragebogen in gesonderdzkf 9/10-2010 31 Pharma-Standort deutschland Akteuren als innovationshemmend wahrgenommen, insbesondere die Kosten in der klinischen Forschung. Daneben werden die Bürokratie, spezielle rechtliche und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen (insb. deren Stabilität und Transparenz) als innovationshemmend empfunden. Große Unterschiede bei den Akteuren zeigen sich bei der Einschätzung der Finanzierungsinfrastruktur. Forschungseinrichtungen geben einen Mangel an internen und externen Finanzierungsquellen als stark hemmend an, bei KMU scheinen hier ebenfalls erhebliche Engpässe zu bestehen. Für Großunternehmen stellt der Zugang zu Finanzierungsquellen hingegen kein Hemmnis dar. Für diese Unternehmen wirken allerdings die Nutzenbewertung, Kostenerstattung und Preisbildung sowie das hohe wirtschaftliche Risiko zum Teil stark innovationshemmend. Viele wichtige Standortfaktoren wirken am PharmaStandort Deutschland jedoch nicht bzw. kaum innovationshemmend (Abb. 3): Vor allem die Informationsbasis hinsichtlich Markt-, Kosten- und Technologiedaten, das Finden geeigneter Kooperationspartner oder interne Faktoren (z. B. starre Organisationsstruktur, interne Widerstände, fehlende Innovationskultur) werden in der Regel als nicht innovationshemmend angesehen. Auch beim Marktvolumen und der Marktdynamik werden keine größeren Hemmnisse benannt. Allerdings wird von einigen Industrievertretern, vor allem aus den Großunternehmen, die Marktdynamik als leicht innovationshemmend bewertetet. Als Standortvorteil wird derzeit zudem die gute Verfügbarkeit an geeignetem Fachpersonal gesehen. Allerdings werden sich voraussichtlich zukünftig die bereits existierenden Personalengpässe beim hoch qualifizierten Personal (u. a. bei Naturwissenschaftlern, Ingenieuren, Technikern, Mathematikern und Informatikern) auch in der Gesundheitswirtschaft deutlich bemerkbar machen und verschärfen (u. a. [1], Kap. IV.4.1.2, [2], [5]). 6.Zusammenfassung Bei internationalen Standortentscheidungen in den F&E- und wissensintensiven Gesundheitssektoren sollten hinsichtlich der zu bewertenden Standortfaktoren neben den klassischen Kategorien Produktions- und Marktfaktoren (z. B. Lohnkosten, politische Rahmenbedingungen), die vom Unternehmen selbst kaum beeinflusst werden Abbildung 3 Weniger innovationshemmende Standortfaktoren am Pharma-Standort Deutschland. (Quelle: [1], Kap. III.2.3) 32 dzkf 9/10-2010 Abbildung 3 Weniger innovationshemmende Standortfaktoren am Pharma-Standort Deutschland. (Quelle: [1], Kap. III.2.3) Pharma-Standort deutschland können, zusätzlich auch die am Standort Deutschland aktiv gestaltbaren Performancefaktoren (z. B. Innovationsfähigkeit, Produktqualität) und der Netzwerkbedarf (z. B. F&E-Kooperationen) stärkere Berücksichtigung finden. Zudem sollte stärker geprüft werden, ob die Standort- und Wettbewerbsstrategie strategisch passfähig sind. Hierzu sollten die zentralen erfolgskritischen Standortfaktoren sehr genau in den unternehmerischen Kontext zur Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile (z. B. Kosten- oder Technologieführerschaft) eingebettet sein. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass viele der für die Gesundheitswirtschaft erfolgskritischen Standortfaktoren am Gesundheitsstandort Deutschland positiv zu bewerten sind (z. B. hohe Qualität der Grundlagenforschung und klinischen Forschung, aktuell gute Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal und geeigneten Kooperationspartnern, großes Marktvolumen). Insgesamt scheint der Pharma-Standort Deutschland im internationalen Vergleich gut positioniert zu sein. Allerdings sind bei einigen wichtigen Standortfaktoren auch erhebliche Optimierungspotenziale zu erkennen (u. a. hohe Kosten der klinischen Forschung, Zugang zu Finanzierungsquellen, Transparenz und Stabilität der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen). Hier müssen zukünftig Anstrengungen unternommen werden, um die Standortqualität Deutschlands weiter zu verbessern, um so die erheblichen Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungspotenziale der Gesundheitswirtschaft ([1], Kap. II.4) vollständig ausschöpfen zu können. Enjoy the time you will save with your projects in our safe hands Full service CRO for clinical trials and non-interventional studies Since 1981 Lessingstrasse 14 • 80336 München • Germany Fon: +49 (89) 20 91 20 0 • Fax: +49 (89) 20 91 20 30 [email protected] • www.gkm-therapieforschung.de Literatur Nusser, M., Wydra, S., Hartig, J., Gaisser, S., Forschungs- und wissensintensive Branchen: Optionen zur Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag - TAB-Arbeitsbericht 116 (2007). Die Gesamtstudie des Fraunhofer ISI ist als Download verfügbar unter http://publica.fraunhofer.de/documents/N-67169.html Nusser, M., Technologietrends, zukünftige Herausforderungen und Qualifizierungsbedarf in der Gesundheitswirtschaft, in: DZKF – Deutsche Zeitschrift für Klinische Forschung 13 (11/12) (2009), S. 22-31 Kinkel, S. (Hrsg.), Erfolgsfaktor Standortplanung: In- und ausländische Standorte richtig bewerten. Berlin (2004). Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Innovationen in Deutschland: Ergebnisse der Innovationserhebung 2003 in der deutschen Wirtschaft, in: ZEW Wirtschaftsanalysen Band 78. Mannheim (2005). Nusser, M., Wydra, S., Hartig, J., Wissensbasis, Technologietransfer und Marktattraktivität – Wettbewerbsposition Deutschlands im internationalen Vergleich, in: DZKF – Deutsche Zeitschrift für Klinische Forschung 12 (11/12) (2008), S. 22-33 NEU Konrad Wink, Andreas Otte Klinische Studien richtig darstellen Leitfaden zum CONSORTStatement für die Qualitätssicherung des Studienberichts 2010. 96 Seiten, 7 Abb., 22 Tab., kart. € 19,95 (D) / € 20,60 (A) ISBN 978-3-7945-2766-3 Der Studienbericht – krönender Abschluss jeder klinischen Forschung Irrtum und Preisänderungen vorbehalten. • Evidenzbasiert: Internationale Standards, entwickelt von der 1996 von Experten gegründeten CONSORT-Gruppe (Consolidated Standards of Reporting Trials) Prof. Dr. Michael Nusser Fachhochschule Hannover Fakultät IV - Wirtschaft und Informatik Ricklinger Stadtweg 120 D-30459 Hannover Tel.: +49 511 92 96 15 72 E-Mail: [email protected] Anzeige [1] [2] [3] [4] [5] • Strukturiert: Aufbau des Studienberichts nach der 22-Items-Liste Schritt für Schritt erläutert • Handlich: Wesentliches im kleinen Buchformat übersichtlich auf den Punkt gebracht www.schattauer.de Mehr WISSEN als andere. dzkf 9/10-2010 33