LES PÊCHEURS DE PERLES (Die Perlenfischer) Georges Bizet Uraufführung: 30.9.1863, Théâtre Lyrique, Paris Libretto: Eugène Cormon und Michel Florentin Carré Leila, Priesterin (Sopran); Nadir, Fischer (Tenor); Zurga, König der Perlenfischer (Bariton); Nourabad, Grosspriester (Bass); Chor, Statisterie, Ballett: Fischer, Fischerinnen, Händler, Händlerinnen, Fakire, Tänzer Handlung: Auf Ceylon 1. Akt, wilde Küste mit Bambushütten, im Hintergrund die Ruinen einer Hindupagode: Die Perlenfischer, die ihr Lager befestigt haben und zu ihren gefährlichen Tauchzügen aufbrechen wollen, haben Zurga zu ihrem König gewählt und erwarten nun der Tradition gemäss die Ankunft einer fremden Priesterin, die, durch Schleier den Blicken aller verborgen, von einem Felsen aus mit Gesängen die Wassergeister beschwichtigen und so den Fischern Schutz und eine reiche Ernte bescheren soll. Unerwartet nähert sich Nadir, ein Jugendfreund Zurgas, dem Lager. Auf einer Reise hatten sich die beiden einst in einem Tempel in die gleiche Frau verliebt; sie hatten sich geschworen, dieser Liebe zu entsagen, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden. Nadir jedoch hat diesen Schwur gebrochen und ist der Tempelerscheinung gefolgt. Als die erwartete Priesterin ins Lager gebracht wird und vor Zurga den Eid der Keuschheit leistet, erkennt Nadir an ihrer Stimme Leila, die Geliebte. Während Leila auf einem Felsen ihren Gesang anstimmt, versichert ihr Nadir, verborgen vor den Fischern, seine Liebe. 2. Akt, Ruinen eines indischen Tempels, sternenklare Nacht, dann aufkommender Sturm: Nachdem die Fischerboote vom Meer zurückgekehrt sind, wird Leila ein Lagerplatz für die Nacht zugewiesen. Auf verschwiegenem Pfad ist Nadir ihr gefolgt; er umwirbt sie leidenschaftlich, Leila jedoch fürchtet schreckliche Konsequenzen, sollte entdeckt werden, dass sie ihr Keuschheitsgelübde nicht gehalten hat. Tatsächlich werden die beiden von Nourabad überrascht. Die Fischer fordern den Tod des Paares. Zurga möchte seinen Freund und die Priesterin verschonen; als er jedoch entdeckt, dass Leila die Frau aus dem Tempel ist und Nadir sein Versprechen gebrochen hat, ruft auch er nach blutiger Rache. 3. Akt, 1. Bild, das Innere eines indischen Zeltes, Nacht: Zurga bereut seine Strenge gegenüber Nadir und Leila; als Leila jedoch um das Leben Nadirs bittet und Zurga so das ganze Ausmass ihrer Liebe enthüllt, bestätigt er verbittert das Todesurteil. Leila übergibt einem Fischer eine Kette mit der Bitte, sie ihrer Mutter zu bringen; ein Fremder, dem sie als junges Mädchen das Leben gerettet hat, hatte sie ihr geschenkt. Zurga erkennt das Schmuckstück. Er ist der Mann, der Leila sein Leben verdankt. 2. Bild, wilde Waldgegend mit einem Scheiterhaufen, Nacht, dann anbrechender Tag: Die Hinrichtung Nadirs und Leilas steht bevor. Plötzlich geht das Lager der Fischer in Flammen auf. Zurga selbst hat die Hütten angezündet, um so Gelegenheit zu finden, den Verurteilten zur Flucht zu verhelfen. Interpretation: Bizets Oper entstand als Auftragsarbeit für das Théâtre Lyrique unter der Direktion Léon Carvalhos, für das die Förderung junger Talente als staatliche Auflage bestand, und war sein erstes in Paris aufgeführtes Bühnenwerk nach dem Ablauf eines Italienaufenthaltes, der ihm durch den Gewinn des Rompreises ermöglicht worden war. Les Pécheurs de perles sind ein beachtenswertes Beispiel für die seinerzeit aufkommende Mode des Exotismus, dem neben melodischen und instrumentatorischen Einzelelementen vor allem die musikdramatische Gesamtanlage der Oper verpflichtet ist. Ein zentrales Moment sind hierbei die breit angelegten Choeurs dansés, die den 1. Akt durchziehen („Sur la grève en feu“) und das 2. Bild des 3. Aktes eröffnen („Dès que le soleil“); sie charakterisieren musikalisch-visuell das exotische Ambiente und repräsentieren als Kollektiv die Sitten und Gebräuche, vor denen sich die Dreiecksgeschichte zwischen Leila, Zurga und Nadir entwickelt. Teil dieser Bräuche ist das erotisierende Motiv des Schleiers, der Leila verbirgt. Ein unerwarteter Blick hinter diesen Schleier hat Zurgas und Nadirs Liebe zu Leila erweckt (Duett „Au fond du temple saint“), das Tragen des Schleiers ist äusseres Zeichen für das Keuschheitsgebot, dem Leila unterliegt („Une fille inconnue et belle“), als Beweis ihrer Verbundenheit mit Nadir erlaubt Leila allein ihm, sie entschleiert zu sehen, und erst die gewaltsame Entschleierung Leilas durch Nourabad enthüllt Zurga den Verrat Nadirs. Neben lyrisch-eingängigen Melodien in den Solonummern, wie Nadirs Romanze „Je crois entendre encore“ und Leilas Kavatine „Comme autrefois dans la nuit sombre“, sind es vor allem von Orchestersoli begleitete szenische Aktionen, quasi „visuelle Melodramen“ als Träger der Couleur locale, von denen die Gesamtdramaturgie bestimmt wird. Auszug aus „Knaurs Grosser Opernführer“ herausgegeben von Thomas Steiert ACS - REISEN AG