Kurzversion in „Geothermische Energie“ Nr. 76

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Tiefe Geothermie
Zur Zeit ist nicht davon auszugehen, dass bei den gängigen geothermalen
Installationen in Deutschland mit einer direkten Radonausgasung aus der
Lagerstätte zu rechnen ist. Die Radonemissionen aus den übertägigen
Anlagen sind im Normalbetrieb zu vernachlässigen. Bei Betriebsstörungen
kann Radon kurzzeitig in die Atmosphäre gelangen, wobei außerhalb des
Betriebsgeländes nur sehr geringe Erhöhungen der Radonkonzentration im
Vergleich zur natürlichen Untergrundstrahlung erwartet werden.
Radon – Grundlagen und Bezug zur Geothermie
TEXT: Dr. Joachim Kemski, Dr. Heiko Woith, Sebastian Feige, Prof. Dr. Horst Rüter
Im Umfeld einiger geothermischer Projekte ist
eine Diskussion um das radioaktive Edelgas
Radon aufgekommen. Insbesondere wird diskutiert, ob die Errichtung oder der Betrieb einer
Geothermie-Anlage in Deutschland das Ausmaß
der natürlichen Freisetzung und den nachfolgenden Transport von Radon aus dem Untergrund
verändern kann und somit auch die Gefahr einer
gesundheitlich bedenklichen Anreicherung von
Radon in Gebäuden besteht.
Physikalische Grundlagen
Radon ist ein natürlich vorkommendes, farb-,
geruch- und geschmackloses radioaktives Edelgas, das überall in Gesteinen und Böden, Wasser und Luft zu finden ist. Es entsteht in den
natürlichen Zerfallsreihen der langlebigen und
seit Anbeginn der Erde existierenden Elemente
Uran (U) und Thorium (Th). Durch Alphazerfall
von Radium bilden sich verschiedene Radonisotope: in der 238U-Zerfallsreihe 222Rn (»Radon«, Halbwertszeit: ca. 3,8 Tage; Abb. 1), in der
232
Th-Zerfallsreihe 220Rn (»Thoron«, Halbwertszeit: ca. 55 Sekunden) und in der 235U-Zerfallsreihe 219Rn (»Actinon«, Halbwertszeit: ca. 3,9
Sekunden). Als einziges gasförmiges Element
innerhalb der Zerfallsreihen kann sich Radon
besonders leicht von seinem Entstehungsort entfernen. Auf dieser Migrationsfähigkeit
beruht auch seine Bedeutung in der geochemischen Exploration oder bei der Kartierung
verdeckter Kluft- oder Schwächezonen an der
Erdoberfläche. Hierfür ist fast ausschließlich
das Isotop 222Rn von Interesse, weil nur dessen
Halbwertszeit ausreichend lang ist, um eine
weiträumige Wanderung im Untergrund zu erlauben. Ein Problem stellt es nur dann dar, wenn
es aus dem Baugrund über Undichtigkeiten ins
Gebäude eindringt und sich in der Raumluft anreichert. Über die Atmung nimmt der Mensch
Radon und seine Folgeprodukte auf. Diese Inhalation führt zu einer internen Strahlenexposition des Bronchial- und Lungengewebes. In umfangreichen epidemiologischen Studien wurde
nachgewiesen, dass sich dadurch das Risiko
erhöhen kann, an Lungenkrebs zu erkranken.
Radon in der Umwelt
Die Radonaktivitätskonzentrationen in Gesteinen, Böden und Wässern sowie Raum- und
Außenluft überdecken einen weiten Bereich
von wenigen Bq/m3 (Becquerel pro m3) bis zu
einigen Millionen Bq/m3 (Abb. 2). In der Außenluft bedingt die rasche Verdünnung beim
Übertritt aus dem Boden niedrige Radonaktivitätskonzentrationen, in der freien Atmosphäre
überschreiten diese selten 50 Bq/m3. Auffallend sind die um den Faktor 1.000 bis 100.000
höheren Aktivitätskonzentrationen in der Bodenluft. Das im Untergrund zur Verfügung stehende Radon kann in Gebäude übertreten und
Raumluftkonzentrationen von einigen hundert
bis tausend Bq/m3 bewirken. Mitunter spiegeln
sich die Uran- und Radiumgehalte geologischer
Einheiten in den Radonaktivitätskonzentrationen der Bodenluft und der Luft in den Gebäuden
wider. In Grund- und Quellwässern werden lokal Radonaktivitätskonzentrationen gemessen,
die bis zu einigen Millionen Bq/m3 reichen. Die
Radongehalte in fließenden Oberflächenwässern sind dagegen in aller Regel gering (< 5.000
Bq/m3), da turbulente Strömungen eine rasche
Entgasung begünstigen.
Radonkonzentrationen in der Umwelt sind nicht
zufällig verteilt, sondern stehen in der Regel in
Beziehung zum Auftreten und Verhalten der natürlichen Radionuklide Uran und Radium. Alle
Gesteine und Böden enthalten diese Elemente in
unterschiedlichen Konzentrationen und sind daher immer auch Radonquellen. Hier erfolgt eine
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Geothermische Energie Heft 76 // 2013 / 2
 Abb. 1: Uran-Radium-Zerfallsreihe
ständige Radonneubildung durch den Alphazerfall von Radium. Die Radonatome durchlaufen bei ihrem Weg vom Bildungsort in die freie
Atmosphäre nach ihrer Entstehung mehrere
aufeinander folgende Prozesse. Die Emanation führt zu einer Freisetzung der Radonatome
aus der festen Phase der Mineralkörner oder
Bodenpartikel in den Porenraum des Gesteins
oder Bodens. Sie wird beispielsweise durch
Korngrößenverteilung oder die Bodenfeuchte
beeinflusst. Die Freisetzungsraten von Gesteinen und Böden können daher in einem weiten
Bereich schwanken. Einmal im Porenraum angelangt, kann Radon hier wandern (Migration).
Der Hauptmigrationsmechanismus ist Diffusion, die durch Konzentrationsunterschiede an-
getrieben wird und maximal über wenige Meter
reicht. Mit hohen Radonaktivitätskonzentrationen in der Bodenluft ist daher generell in Böden
über Gesteinen mit erhöhten Radionuklidgehalten (z.B.: Granite, Rhyolithe, bestimmte Sandsteine und dunkle Schiefer) zu rechnen. Zudem
kann eine sogenannte advektive Komponente
hinzutreten, bei der ein passiver Radontransport mittels Grundwasser oder Bodengasen
wie beispielsweise CO2 oder CH4 durch Klüfte
im Gestein erfolgt. Die Migrationsweite wird
durch die Halbwertszeit von Radon und die
Strömungsgeschwindigkeit von Grundwasser
und Bodenluft auf Meter bis Zehnermeter beschränkt. Solche Prozesse sind beispielsweise
aus Regionen mit Verkarstungserscheinungen
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Tiefe Geothermie
(u.a. Höhlen), dem Auftreten tektonisch stark
zerrütteter Gesteine oder postvulkanischen
Aktivitäten (z.B. Ausgasungen) bekannt. Durch
Exhalation gelangt Radon schließlich in die
Atmosphäre, wo es in aller Regel schnell verdünnt wird. Radonaktivitätskonzentrationen
in der oberflächennahen Bodenluft und die
Radonexhalation können durch bodenphysikalische (Bodentemperatur, -feuchte) und meteorologische Parameter (Luftdruck, -temperatur,
Niederschlag) beeinflusst werden und somit
einen saisonalen Gang aufweisen. Die Tiefenwirkung dieser Einflüsse reicht in Abhängigkeit
von der Permeabilität des Bodens von nur wenigen Dezimetern (dichte Böden wie Lehme) bis
Radon in Gebäuden
Die Radonbelastung in der Raumluft von Gebäuden ist das Ergebnis einer Reihe unterschiedlicher Prozesse. Die lokalen Verhältnisse in den
natürlich gewachsenen Böden und in dem vom
Menschen beeinflussten Baugrund spielen
hierbei eine wichtige Rolle. Gleiches gilt für das
Vorhandensein von Eintrittspfaden, die der radonhaltigen Bodenluft schließlich den Übertritt
ins Haus hinein erlauben. Die im Untergrund
zum Eintritt in Häuser zur Verfügung stehende Radonmenge, das sogenannte geogene Radonpotenzial, variiert in Abhängigkeit von den
örtlichen Gegebenheiten zeitlich und vor allem
räumlich. Wissenschaftlich ist belegt, dass der
geogene Untergrund die wichtigste Quelle für die Raumluftkonzentrationen darstellt. Die
Radonfreisetzung aus Baumaterialien oder Brauch- und Trinkwasser sowie der Eintrag aus
der Atmosphärenluft spielen in
Deutschland in aller Regel nur
eine untergeordnete Rolle für die
Höhe der Radonkonzentration in
der Raumluft. Die letztendlich im
einzelnen Gebäude vorkommende Radonkonzentration hängt
von der Bauweise, vor allem von
der Dichtheit des Hauses gegenüber dem Baugrund, der inneren Struktur des Gebäudes und
dem technisch vorgegebenen
sowie individuell bestimmten
Heizungs- bzw. Lüftungsregime
ab. Aus diesem Grund sind auch
keine Prognosen für einzelne
Gebäude möglich. Die jeweilige
Radonbelastung eines Hauses
kann nur durch eine Messung ermittelt werden.
hin zu mehreren Metern (sehr gut durchlässige
Böden wie reine Sande und Kiese).
Lokal können eine Reihe anthropogener Faktoren die Radonkonzentrationen in der Bodenluft verändern. Unterschiede im Bodenaufbau
(z.B. Wechsel in Korngröße, Wassergehalt
oder Verdichtungsgrad) oder das Auftreten undurchlässiger Schichten (z.B. Versiegelung des
Untergrundes durch Gebäude oder asphaltierte Verkehrswege im städtischen Raum) können Einfluss auf die Höhe der Radongehalte
haben. In Bergbaugebieten kommt es oftmals
zu einer tiefgreifenden Zerrüttung der Gesteine und im Zuge von Bergsenkungen zu gravierenden Schäden an Gebäuden. Dies kann dazu
führen, dass Radon aus einigen Zehnermetern
Tiefe bis in den Fundamentbereich der Häuser
aufsteigt, in diese eindringt und dort zu erhöhten Raumluftkonzentrationen führen kann.
Radon und Geothermie
Der natürliche radioaktive Zerfall trägt zu über
50 % zur Bereitstellung von Wärme im Erdinneren bei. Er ist damit auch eine wesentliche Grundlage für die Nutzung geothermaler
Energie. Systematische Untersuchungen über
mögliche Zusammenhänge mit Radonkonzentrationen in der Boden- und Raumluft existieren nur wenige und fast ausnahmslos aus Ländern mit langjähriger Erfahrung im Bereich der
Geothermie.
In vulkanisch geprägten Gebieten in Neuseeland, Japan, Taiwan, Italien, den USA, Mexiko
oder auf Island werden bei der Erkundung solcher geothermischer Felder sowie während deren wirtschaftlicher Nutzung Radonmessungen
eingesetzt, um Aufstiegswege geothermaler
Flüssigkeiten zu lokalisieren, die sich durch anomal hohe Gasgehalte in der oberflächennahen
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Bodenluft auszeichnen, und damit Standorte von
Erkundungs- und Förderbohrungen zu planen.
Zeitliche Variationen der Radonaktivitätskonzentration geben Auskunft über Änderungen der
Porositäts- und Permeabilitätsverhältnisse während der langzeitlichen Fluidentnahme aus dem
Reservoir. Durch die starke Verdünnung in der
Atmosphäre liegen die Radonkonzentrationen in
der Umgebung entsprechender geothermischer
Anlagen oft nur wenig über den natürlichen Untergrundwerten. Bei modernen Geothermiekraftwerken (Binärkreislauf) wird das geothermale
Fluid nach Durchlaufen eines Wärmetauschers
wieder in das Reservoir reinjiziert, so dass im
Normalbetrieb kein Radon in die Atmosphäre
emittiert wird.
In Deutschland konzentriert sich die Nutzung
geothermischer Energie auf nicht-vulkanische
Gebiete. Hier sind bislang keine Probleme mit
Radon bekannt. Zukünftige Untersuchungen
werden aber zeigen, inwiefern Radonmessungen Veränderungen in der Lagerstätte (Beiträge und Entfernung verschiedener Liefergebiete,
Änderung von Porendrücken) nachweisen und
so zur Optimierung des Anlagenbetriebes beitragen können. Wegen geringer Reichweiten der
Radonmigration von allenfalls wenigen Zehnermetern kann kein Radon direkt aus dem genutzten Aquifer zur Erdoberfläche gelangen. Denkbar
wäre ein erhöhter advektiver Transport von Radionukliden auf verbesserten Wasserwegsamkeiten in oberflächennahe Schichten des Untergrunds, die langfristig im Zuge von Setzungen
nach einer Flüssigkeitsentnahme im Untergrund
entstehen können. Da bei modernen geothermischen Anlagen jedoch gezielt das geförderte Fluid wieder in das Reservoir reinjiziert wird, fallen
die hydraulischen Auswirkungen des Anlagenbetriebes schwächer aus als bei ausschließlicher
Fluidförderung zu erwarten wäre.
In bestimmten Betriebszuständen einer geothermalen Anlage (z.B. Wartung des Generators, Reinigung der Wärmetauscher) kann es
aufgrund der kontinuierlichen Thermalwasserförderung kurzzeitig zu einer Freisetzung darin
gelöster Gase (z.B. CO2, CH4, N2, H2S, Radon) zusammen mit Wasserdampf in die Atmosphäre
kommen. Beispielhafte Messungen unter diesen
Bedingungen haben gezeigt, dass die Radonkonzentration außerhalb des Betriebsgeländes nur
um wenige Bq/m3 anstieg (bei einem natürlichen
Hintergrundwert von ca. 10 Bq/m3). 
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