10 Tiefe Geothermie Zur Zeit ist nicht davon auszugehen, dass bei den gängigen geothermalen Installationen in Deutschland mit einer direkten Radonausgasung aus der Lagerstätte zu rechnen ist. Die Radonemissionen aus den übertägigen Anlagen sind im Normalbetrieb zu vernachlässigen. Bei Betriebsstörungen kann Radon kurzzeitig in die Atmosphäre gelangen, wobei außerhalb des Betriebsgeländes nur sehr geringe Erhöhungen der Radonkonzentration im Vergleich zur natürlichen Untergrundstrahlung erwartet werden. Radon – Grundlagen und Bezug zur Geothermie TEXT: Dr. Joachim Kemski, Dr. Heiko Woith, Sebastian Feige, Prof. Dr. Horst Rüter Im Umfeld einiger geothermischer Projekte ist eine Diskussion um das radioaktive Edelgas Radon aufgekommen. Insbesondere wird diskutiert, ob die Errichtung oder der Betrieb einer Geothermie-Anlage in Deutschland das Ausmaß der natürlichen Freisetzung und den nachfolgenden Transport von Radon aus dem Untergrund verändern kann und somit auch die Gefahr einer gesundheitlich bedenklichen Anreicherung von Radon in Gebäuden besteht. Physikalische Grundlagen Radon ist ein natürlich vorkommendes, farb-, geruch- und geschmackloses radioaktives Edelgas, das überall in Gesteinen und Böden, Wasser und Luft zu finden ist. Es entsteht in den natürlichen Zerfallsreihen der langlebigen und seit Anbeginn der Erde existierenden Elemente Uran (U) und Thorium (Th). Durch Alphazerfall von Radium bilden sich verschiedene Radonisotope: in der 238U-Zerfallsreihe 222Rn (»Radon«, Halbwertszeit: ca. 3,8 Tage; Abb. 1), in der 232 Th-Zerfallsreihe 220Rn (»Thoron«, Halbwertszeit: ca. 55 Sekunden) und in der 235U-Zerfallsreihe 219Rn (»Actinon«, Halbwertszeit: ca. 3,9 Sekunden). Als einziges gasförmiges Element innerhalb der Zerfallsreihen kann sich Radon besonders leicht von seinem Entstehungsort entfernen. Auf dieser Migrationsfähigkeit beruht auch seine Bedeutung in der geochemischen Exploration oder bei der Kartierung verdeckter Kluft- oder Schwächezonen an der Erdoberfläche. Hierfür ist fast ausschließlich das Isotop 222Rn von Interesse, weil nur dessen Halbwertszeit ausreichend lang ist, um eine weiträumige Wanderung im Untergrund zu erlauben. Ein Problem stellt es nur dann dar, wenn es aus dem Baugrund über Undichtigkeiten ins Gebäude eindringt und sich in der Raumluft anreichert. Über die Atmung nimmt der Mensch Radon und seine Folgeprodukte auf. Diese Inhalation führt zu einer internen Strahlenexposition des Bronchial- und Lungengewebes. In umfangreichen epidemiologischen Studien wurde nachgewiesen, dass sich dadurch das Risiko erhöhen kann, an Lungenkrebs zu erkranken. Radon in der Umwelt Die Radonaktivitätskonzentrationen in Gesteinen, Böden und Wässern sowie Raum- und Außenluft überdecken einen weiten Bereich von wenigen Bq/m3 (Becquerel pro m3) bis zu einigen Millionen Bq/m3 (Abb. 2). In der Außenluft bedingt die rasche Verdünnung beim Übertritt aus dem Boden niedrige Radonaktivitätskonzentrationen, in der freien Atmosphäre überschreiten diese selten 50 Bq/m3. Auffallend sind die um den Faktor 1.000 bis 100.000 höheren Aktivitätskonzentrationen in der Bodenluft. Das im Untergrund zur Verfügung stehende Radon kann in Gebäude übertreten und Raumluftkonzentrationen von einigen hundert bis tausend Bq/m3 bewirken. Mitunter spiegeln sich die Uran- und Radiumgehalte geologischer Einheiten in den Radonaktivitätskonzentrationen der Bodenluft und der Luft in den Gebäuden wider. In Grund- und Quellwässern werden lokal Radonaktivitätskonzentrationen gemessen, die bis zu einigen Millionen Bq/m3 reichen. Die Radongehalte in fließenden Oberflächenwässern sind dagegen in aller Regel gering (< 5.000 Bq/m3), da turbulente Strömungen eine rasche Entgasung begünstigen. Radonkonzentrationen in der Umwelt sind nicht zufällig verteilt, sondern stehen in der Regel in Beziehung zum Auftreten und Verhalten der natürlichen Radionuklide Uran und Radium. Alle Gesteine und Böden enthalten diese Elemente in unterschiedlichen Konzentrationen und sind daher immer auch Radonquellen. Hier erfolgt eine 11 Geothermische Energie Heft 76 // 2013 / 2 Abb. 1: Uran-Radium-Zerfallsreihe ständige Radonneubildung durch den Alphazerfall von Radium. Die Radonatome durchlaufen bei ihrem Weg vom Bildungsort in die freie Atmosphäre nach ihrer Entstehung mehrere aufeinander folgende Prozesse. Die Emanation führt zu einer Freisetzung der Radonatome aus der festen Phase der Mineralkörner oder Bodenpartikel in den Porenraum des Gesteins oder Bodens. Sie wird beispielsweise durch Korngrößenverteilung oder die Bodenfeuchte beeinflusst. Die Freisetzungsraten von Gesteinen und Böden können daher in einem weiten Bereich schwanken. Einmal im Porenraum angelangt, kann Radon hier wandern (Migration). Der Hauptmigrationsmechanismus ist Diffusion, die durch Konzentrationsunterschiede an- getrieben wird und maximal über wenige Meter reicht. Mit hohen Radonaktivitätskonzentrationen in der Bodenluft ist daher generell in Böden über Gesteinen mit erhöhten Radionuklidgehalten (z.B.: Granite, Rhyolithe, bestimmte Sandsteine und dunkle Schiefer) zu rechnen. Zudem kann eine sogenannte advektive Komponente hinzutreten, bei der ein passiver Radontransport mittels Grundwasser oder Bodengasen wie beispielsweise CO2 oder CH4 durch Klüfte im Gestein erfolgt. Die Migrationsweite wird durch die Halbwertszeit von Radon und die Strömungsgeschwindigkeit von Grundwasser und Bodenluft auf Meter bis Zehnermeter beschränkt. Solche Prozesse sind beispielsweise aus Regionen mit Verkarstungserscheinungen 12 Tiefe Geothermie (u.a. Höhlen), dem Auftreten tektonisch stark zerrütteter Gesteine oder postvulkanischen Aktivitäten (z.B. Ausgasungen) bekannt. Durch Exhalation gelangt Radon schließlich in die Atmosphäre, wo es in aller Regel schnell verdünnt wird. Radonaktivitätskonzentrationen in der oberflächennahen Bodenluft und die Radonexhalation können durch bodenphysikalische (Bodentemperatur, -feuchte) und meteorologische Parameter (Luftdruck, -temperatur, Niederschlag) beeinflusst werden und somit einen saisonalen Gang aufweisen. Die Tiefenwirkung dieser Einflüsse reicht in Abhängigkeit von der Permeabilität des Bodens von nur wenigen Dezimetern (dichte Böden wie Lehme) bis Radon in Gebäuden Die Radonbelastung in der Raumluft von Gebäuden ist das Ergebnis einer Reihe unterschiedlicher Prozesse. Die lokalen Verhältnisse in den natürlich gewachsenen Böden und in dem vom Menschen beeinflussten Baugrund spielen hierbei eine wichtige Rolle. Gleiches gilt für das Vorhandensein von Eintrittspfaden, die der radonhaltigen Bodenluft schließlich den Übertritt ins Haus hinein erlauben. Die im Untergrund zum Eintritt in Häuser zur Verfügung stehende Radonmenge, das sogenannte geogene Radonpotenzial, variiert in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten zeitlich und vor allem räumlich. Wissenschaftlich ist belegt, dass der geogene Untergrund die wichtigste Quelle für die Raumluftkonzentrationen darstellt. Die Radonfreisetzung aus Baumaterialien oder Brauch- und Trinkwasser sowie der Eintrag aus der Atmosphärenluft spielen in Deutschland in aller Regel nur eine untergeordnete Rolle für die Höhe der Radonkonzentration in der Raumluft. Die letztendlich im einzelnen Gebäude vorkommende Radonkonzentration hängt von der Bauweise, vor allem von der Dichtheit des Hauses gegenüber dem Baugrund, der inneren Struktur des Gebäudes und dem technisch vorgegebenen sowie individuell bestimmten Heizungs- bzw. Lüftungsregime ab. Aus diesem Grund sind auch keine Prognosen für einzelne Gebäude möglich. Die jeweilige Radonbelastung eines Hauses kann nur durch eine Messung ermittelt werden. hin zu mehreren Metern (sehr gut durchlässige Böden wie reine Sande und Kiese). Lokal können eine Reihe anthropogener Faktoren die Radonkonzentrationen in der Bodenluft verändern. Unterschiede im Bodenaufbau (z.B. Wechsel in Korngröße, Wassergehalt oder Verdichtungsgrad) oder das Auftreten undurchlässiger Schichten (z.B. Versiegelung des Untergrundes durch Gebäude oder asphaltierte Verkehrswege im städtischen Raum) können Einfluss auf die Höhe der Radongehalte haben. In Bergbaugebieten kommt es oftmals zu einer tiefgreifenden Zerrüttung der Gesteine und im Zuge von Bergsenkungen zu gravierenden Schäden an Gebäuden. Dies kann dazu führen, dass Radon aus einigen Zehnermetern Tiefe bis in den Fundamentbereich der Häuser aufsteigt, in diese eindringt und dort zu erhöhten Raumluftkonzentrationen führen kann. Radon und Geothermie Der natürliche radioaktive Zerfall trägt zu über 50 % zur Bereitstellung von Wärme im Erdinneren bei. Er ist damit auch eine wesentliche Grundlage für die Nutzung geothermaler Energie. Systematische Untersuchungen über mögliche Zusammenhänge mit Radonkonzentrationen in der Boden- und Raumluft existieren nur wenige und fast ausnahmslos aus Ländern mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Geothermie. In vulkanisch geprägten Gebieten in Neuseeland, Japan, Taiwan, Italien, den USA, Mexiko oder auf Island werden bei der Erkundung solcher geothermischer Felder sowie während deren wirtschaftlicher Nutzung Radonmessungen eingesetzt, um Aufstiegswege geothermaler Flüssigkeiten zu lokalisieren, die sich durch anomal hohe Gasgehalte in der oberflächennahen 13 Geothermische Energie Heft 76 // 2013 / 2 Bodenluft auszeichnen, und damit Standorte von Erkundungs- und Förderbohrungen zu planen. Zeitliche Variationen der Radonaktivitätskonzentration geben Auskunft über Änderungen der Porositäts- und Permeabilitätsverhältnisse während der langzeitlichen Fluidentnahme aus dem Reservoir. Durch die starke Verdünnung in der Atmosphäre liegen die Radonkonzentrationen in der Umgebung entsprechender geothermischer Anlagen oft nur wenig über den natürlichen Untergrundwerten. Bei modernen Geothermiekraftwerken (Binärkreislauf) wird das geothermale Fluid nach Durchlaufen eines Wärmetauschers wieder in das Reservoir reinjiziert, so dass im Normalbetrieb kein Radon in die Atmosphäre emittiert wird. In Deutschland konzentriert sich die Nutzung geothermischer Energie auf nicht-vulkanische Gebiete. Hier sind bislang keine Probleme mit Radon bekannt. Zukünftige Untersuchungen werden aber zeigen, inwiefern Radonmessungen Veränderungen in der Lagerstätte (Beiträge und Entfernung verschiedener Liefergebiete, Änderung von Porendrücken) nachweisen und so zur Optimierung des Anlagenbetriebes beitragen können. Wegen geringer Reichweiten der Radonmigration von allenfalls wenigen Zehnermetern kann kein Radon direkt aus dem genutzten Aquifer zur Erdoberfläche gelangen. Denkbar wäre ein erhöhter advektiver Transport von Radionukliden auf verbesserten Wasserwegsamkeiten in oberflächennahe Schichten des Untergrunds, die langfristig im Zuge von Setzungen nach einer Flüssigkeitsentnahme im Untergrund entstehen können. Da bei modernen geothermischen Anlagen jedoch gezielt das geförderte Fluid wieder in das Reservoir reinjiziert wird, fallen die hydraulischen Auswirkungen des Anlagenbetriebes schwächer aus als bei ausschließlicher Fluidförderung zu erwarten wäre. In bestimmten Betriebszuständen einer geothermalen Anlage (z.B. Wartung des Generators, Reinigung der Wärmetauscher) kann es aufgrund der kontinuierlichen Thermalwasserförderung kurzzeitig zu einer Freisetzung darin gelöster Gase (z.B. CO2, CH4, N2, H2S, Radon) zusammen mit Wasserdampf in die Atmosphäre kommen. Beispielhafte Messungen unter diesen Bedingungen haben gezeigt, dass die Radonkonzentration außerhalb des Betriebsgeländes nur um wenige Bq/m3 anstieg (bei einem natürlichen Hintergrundwert von ca. 10 Bq/m3). Intelligent Cooperation Das Ergebnis zählt! Kompetente Projektberatung und individuelle Lösungen. Wellheads, Ausrüstungen und Ersatzteile für Bohranlagen und für tiefe Geothermie-Bohrungen. The result is the key! Competent project consulting and individual solutions. Wellheads, equipment and spare parts for drilling rigs and deep geothermal drilling. 20 Jahre Oilfield Products Sales and Services GmbH Bruchkampweg 14 29227 Celle · Germany Telefon +49(0)5141/90059 -0 Fax +49(0)5141/90059 29 [email protected] www.normec.de