ÖsteRReichs WiRtschAft 2012

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b r i n g e n
d i e
W i r t s c h a f t
i n s
U N TE R L A G E
aktuelle
K l a s s e n z i m m e r
Österreichs
Wirtschaft 2012
Fakten, Hintergründe und Prognosen
Ideelle und materielle Unterstützung erhalten wir von unseren Projektpartnern:
70
April | 2012
aktuelle
U N TE R L AG E
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1Übersicht
3
2
Was ist überhaupt Konjunktur?
4
3
Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
9
9
15
17
19
22
2.1 Wirtschaftswachstum und Konjunktur
2.2Die Konjunkturphasen
2.3 Warum gibt es überhaupt Konjunkturschwankungen?
2.4Konjunkturzyklen in der Realität
3.1Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise
3.2 Reaktion der Geldpolitik
3.3Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union
3.4Die Rolle der Ratingagenturen in der Krise
3.5Das Rating der Republik Österreich
5
5
7
8
4Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
28
5
Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
34
6
Wichtige Quellen
40
7
Glossar
41
4.1 Wie entsteht eine Konjunkturprognose?
4.2 Gesamtwirtschaftliche Modelle: Das wichtigste Werkzeug für Konjunkturprognosen
4.3Vier Schritte zur Konjunkturprognose
4.4 Warum sind Prognosen falsch?
4.5Darstellung von Prognoserisiken
5.1Hauptergebnisse der Prognose
5.2Erholung der Weltwirtschaft verliert an Kraft
5.3Euroraumkrise dämpft Wachstumsaussichten
5.4 Österreichs Exportdynamik verliert mit Ende 2011 an Schwung
5.5Inlandsnachfrage bleibt verhalten
5.6Konsum stabilisiert sich auf niedrigem Niveau
5.7Kräftiges Beschäftigungswachstum dämpft die Arbeitslosenquote nur langsam
5.8 Rückgang der Inflation im Jahr 2012 hauptsächlich durch Energie bestimmt
DIDAKTIK
Übungsblätter, Lösungsvorschläge, Kopiervorlagen
28
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45
ISBN 978-3-902742-00-1 | Datenstand: 17. April 2012
Zu den Autoren: Mag. Gerhard Fenz und Dr. Martin Schneider, Oesterreichische Nationalbank, Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen.
Hinweis: Im Sinne einer leichten Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen in der Sachinformation nur in ihrer männlichen Form
angeführt. Die mit * gekennzeichneten Begriffe werden im Glossar erklärt.
2
1 Übersicht
70 | April | 2012
1 Übersicht
Die Finanz- und Wirtschaftskrise beherrscht seit nun-
mehr vier Jahren die Medien wie kein anderes Thema.
Österreichs Wirtschaft hat in der Wirtschafts- und Fi-
offenbart. Im Vertrag von Lissabon, der im Dezember
2007 abgeschlossen wurde und die rechtliche Grundlage der Europäischen Union darstellt, waren keine
nanzkrise der Jahre 2008 und 2009 zwar Produktions-
ausreichenden institutionellen und wirtschaftspoliti-
ßig geringe Auswirkungen auf den Lebensstandard
der Banken- und Staatsschuldenkrise in der EU getrof-
einbußen erlitten, diese hatten jedoch verhältnismä-
schen Vorkehrungen zur Prävention und Bewältigung
der Bevölkerung. Die Beschäftigung ist nur kurzfristig
fen worden. Deshalb wurde zur Bewältigung der Ban-
Beschäftigung bereits wieder deutlich übertroffen.
men umgesetzt, die zum größten Teil auf eine stärkere
gesunken; mittlerweile wird das Vorkrisenniveau der
Die Krise wäre jedoch mit Sicherheit um Einiges dra-
matischer ausgefallen, wenn die Wirtschaftspolitik
ken- und Staatsschuldenkrise eine Reihe von MaßnahHaushaltsdisziplin abzielen.
Ratingagenturen stehen spätestens seit dem Verlust
nicht so schnell und beherzt eingegriffen hätte. Die
der Topbonität* Österreichs auch hierzulande im Fo-
Konjunkturpaketen zur Stimulierung der Konjunktur.
den geringen Fortschritten bei der Budgetkonsoli-
jeweiligen Regierungen schnürten eine Reihe von
In Österreich sind besonders die Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung hervorzuheben. Die Europäi-
sche Zentralbank (EZB) setzte eine Reihe von unkon-
ventionellen Maßnahmen, um den austrocknenden
Geldmärkten entgegenzuwirken. Darüber hinaus be-
gann die EZB Staatsanleihen von europäischen Problemländern sowie Bankanleihen aufzukaufen. Damit
wurden die Kurse gestützt und in weitere Folge die
kus. Die Herabstufung Österreichs wurde – neben
dierung – vor allem mit dem Risiko durch das starke
Osteuropaengagement der Banken begründet. Die
Ratingagenturen wurden vielfach als Auslöser oder
Verstärker der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise
bezeichnet. Es zeigt sich jedoch, dass ihre zweifelsoh-
ne sehr hohe Macht nicht zuletzt auf der Vielzahl von
Regulierungen beruht, die sich auf Ratings beziehen.
Kosten der Schuldaufnahme gesenkt. Die Krise hat in
allen europäischen Ländern zu einem deutlichen An-
stieg der Staatsverschuldung geführt.
Nach einer temporären Aufhellung der Konjunktur-
aussichten kam es nach dem Auslaufen der stützenden Maßnahmen zur europäischen Staatsschuldenkrise. Diese begann im Frühjahr 2010 mit der Zuspitzung
der Lage in Griechenland. Um die drohende Insolvenz
abzuwenden, wurde von der Eurogruppe ein ers-
tes umfangreiches Hilfspaket beschlossen. Es zeigte
sich jedoch rasch, dass die Mittel nicht reichen und
weitere Finanzhilfen nötig sind. Deshalb wurden für
Griechenland und die anderen Problemländer Mecha-
nismen geschaffen, die für diese Länder Finanzmittel
bereitstellen. Die Krise hat auch eine Reihe von Kons-
truktionsfehlern der Wirtschafts- und Währungsunion
3
aktuelle
2 Was ist überhaupt Konjunktur?
U N TE R L AG E
Die Perspektiven für die Weltwirtschaft haben sich
Die vorliegende Lehrunterlage
spitzung der Schuldenkrise fällt mit einer Abschwä-
In Kapitel zwei werden die zum Verständnis der wei-
seit dem Sommer 2011 deutlich eingetrübt. Die Zu-
chung des – immer noch kräftigen – Wachstums in
ist wie folgt aufgebaut:
teren Teile grundlegenden Begriffe erläutert. In Kapi-
den Schwellenländern zusammen. Die Entwicklung
tel drei wird zunächst die Finanz- und Schuldenkrise
Problemstaaten bestimmt.
Daran anschließend wird gezeigt, mit welchen Maß-
im Euroraum wird maßgeblich von der Situation der
Trotz guter wirtschaftlicher Fundamentaldaten wird
nach sechs Phasen gegliedert anschaulich dargestellt.
nahmen die Geldpolitik auf die Krise reagiert hat und
welche Auswirkungen die Krise auf die Steuerungsar-
Österreichs Wirtschaft die Folgen der Schulden- und
chitektur der Europäischen Union hatte. Weiters wird
exportorientierte Volkswirtschaft kann sich Öster-
Kapitel vier vermittelt die Grundlagen von Konjunk-
Vertrauenskrise deutlich zu spüren bekommen. Als
reich nicht von der Eintrübung der internationalen
Konjunkturperspektiven
abkoppeln.
Wenngleich
die Rolle der Ratingagenturen in der Krise diskutiert.
turprognosen, die unverzichtbare Entscheidungs-
grundlagen sowohl für die Wirtschaftspolitik, aber
nicht – wie im Jahr 2009 – mit einem Rückgang der
auch für Unternehmen darstellen. Kapitel fünf gibt
Wachstumsaussichten doch eher verhalten.
se für Österreich.
Wirtschaftsleistung gerechnet werden muss, sind die
einen Überblick über die aktuelle Konjunkturprogno-
2 WAS IST ÜBERHAUPT KONJUNKTUR?
Um die Bedeutung von Konjunkturschwankungen
ters führt ein Boom in der Regel dazu, dass Grund-
mit einem einfachen Beispiel beginnen. In einem
zwar Grundstückseigentümer, Mieter müssen jedoch
für unser tägliches Leben zu illustrieren, wollen wir
Konjunkturaufschwung weiten die Unternehmen
ihre Produktion aus. Dazu benötigen sie zusätzliche
Arbeitskräfte. Jobsuchende finden nun viel einfacher
monatlich einen höheren Betrag für ihre Wohnung
bezahlen.
einen neuen Job. Da Arbeitskräfte knapper werden,
Wie wir an diesem Beispiel gesehen haben, sind prak-
zen. Aber auch die Unternehmensgewinne steigen.
tuellen konjunkturellen Lage abhängig.
können diese leichter Lohnsteigerungen durchset-
Die Aktienkurse legen in der Regel zu. Dies kommt
nicht nur Aktienbesitzern zugute, sondern auch Per-
sonen, die eine private Pensionsvorsorge besitzen, da
die Pensionsfonds einen Teil der ihnen zur Verfügung
gestellten Mittel in Aktien anlegen. Die Steuereinnahmen sprudeln und geben dem Finanzminister
Spielraum zur Ausweitung der Staatsausgaben oder
zur Senkung von Steuersätzen.
Eine gute Konjunktur ist jedoch nicht unbedingt für
alle gleich vorteilhaft. So veranlassen die steigenden
Preise in einem Boom die Zentralbank dazu, die Zin-
sen anzuheben, um so die Inflation zu dämpfen. Höhere Zinsen bringen zwar mehr Erträge auf Spareinlagen, belasten aber die Nettoschuldner, da diese nun
höhere Kreditrückzahlungen zu leisten haben. Wei4
stückspreise und Mieten steigen. Dadurch profitieren
tisch alle Menschen in irgendeiner Form von der ak-
2 Was ist überhaupt Konjunktur?
2.1 Wirtschaftswachstum
und Konjunktur
Was ist mit dem Begriff „Konjunktur” überhaupt ge-
meint? Dazu müssen wir etwas ausholen und uns
ansehen, wie wirtschaftliche Aktivität überhaupt
gemessen wird. Die gebräuchlichste Maßzahl für die
wirtschaftliche Aktivität ist das Bruttoinlandspro-
dukt oder abgekürzt BIP.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein wichtiger
70 | April | 2012
die Einlegung von Sonderschichten begegnet wer-
den. Weiters besteht die Möglichkeit, die Nachfrage
aus Lagerbeständen zu decken.
Langfristig wird das Wachstum nicht durch eine un-
terschiedliche Auslastung der vorhandenen Kapazi-
täten bestimmt, sondern durch die Schaffung neuer
Produktionskapazitäten durch Investitionen und
durch den technischen Fortschritt.
Daher unterscheiden sich auch die Maßnahmen, mit
Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähig-
denen die Wirtschaftspolitik versuchen kann, das
BIP gibt die Summe aller Güter und Dienstleistun-
versucht die konjunkturellen Schwankungen durch
keit und für den Wohlstand der Bevölkerung. Das
gen an, die in einem Land im Laufe eines Jahres
hergestellt werden und denen ein Geldstrom gegenübersteht.
Unter Wirtschaftswachstum versteht man die Ver-
änderung des Bruttoinlandsprodukts im Zeitablauf.
Wenn Ökonomen über Wirtschaftswachstum sprechen, unterscheiden sie dabei zwischen langfristigem
Wachstum positiv zu beeinflussen. Konjunkturpolitik
staatliche Nachfragepolitik (Fiskalpolitik) zu dämp-
fen. Dabei versucht der Staat die gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche zu kompensieren. So gab es
beispielsweise in Österreich in den Jahren 2001 und
2002 – zwei Jahre mit sehr schwachem Wirtschafts-
wachstum – Konjunkturpakete, die vor allem Infra-
strukturinvestitionen enthielten, und auch in der aktuellen Krise wirkte die Regierung durch eine aktive
Trendwachstum und kurzfristigen Schwankungen um
Fiskalpolitik dem Abschwung entgegen.
junktur oder Konjunkturschwankungen bezeichnet.
Neben staatlicher Nachfrage kann die Geldpolitik
diesen Trend. Diese Schwankungen werden als Kon-
Unter Konjunkturschwankungen versteht man die
Schwankungen des BIP um das langfristige Trendwachstum.
Warum macht eine derartige Unterscheidung über-
haupt Sinn? Deswegen, weil sich sowohl die Ursachen
als auch die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten zur
Beeinflussung des kurzfristigen und des Trendwachstums unterscheiden.
Kurzfristig sind die den Unternehmen zur Verfü-
gung stehenden Produktionskapazitäten konstant.
über Änderungen der Zinsen oder wie gegenwär-
tig auch durch unkonventionelle Maßnahmen die
Nachfrage beeinflussen (siehe auch Kapitel 3).
Wachstumspolitik hingegen versucht Faktoren zu
beeinflussen, die den technischen Fortschritt bestim-
men. Dazu zählen in erster Linie Bildung sowie Forschung und Entwicklung.
2.2 Die Konjunkturphasen
Die konjunkturellen Schwankungen um den lang-
Kapazitätserweiterungen wie der Bau eines neuen
fristigen Trend folgen idealtypisch vier Phasen (Ab-
Einschulung neuer Mitarbeiter benötigen Zeit. Da die
junktur (Boom), Abschwung, Tiefstand (Rezession*).
Fabrikgebäudes, der Kauf neuer Maschinen oder die
Produktionskapazitäten kurzfristig nicht veränderbar
sind, kann eine Veränderung der Nachfrage nur durch
bildung 1, links): Aufschwung (Expansion), HochkonIm Aufschwung beschleunigt sich das BIP-Wachstum.
Die Unternehmen beginnen, Arbeitskräfte einzustel-
eine Veränderung der Auslastung der vorhandenen
len. Die Arbeitslosigkeit ist jedoch zunächst noch
einer Nachfrageerhöhung durch erhöhten Arbeits-
entwicklung ist noch mäßig. Die Zinsen sind in der
Produktionskapazitäten befriedigt werden. So kann
druck, einer Ausweitung der Überstunden oder durch
hoch und sinkt nur allmählich. Die Lohn- und PreisRegel noch niedrig.
5
aktuelle
2 Was ist überhaupt Konjunktur?
U N TE R L AG E
In der Hochkonjunktur (Boom) ist ein starkes Beschäf-
tigungswachstum festzustellen, die Arbeitslosigkeit
sinkt. Arbeitskräfte werden knapp, es kommt daher
zu stärkeren Lohnerhöhungen. Dies führt zu stärke-
ren Preissteigerungen.
Die Zentralbank bekämpft diese Preissteigerungen,
indem sie die Zinsen anhebt. Dies verteuert Kredite
und dämpft damit die Investitionstätigkeit. Anderer-
seits wird durch die höheren Zinsen Sparen attrak-
tiver. Dadurch werden die privaten Haushalte mehr
Im Abschwung schwächt sich das Wachstum der Pro-
duktion ab. Die Unternehmen beginnen, Arbeitskräfte
zu entlassen, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bei den Lohnver-
handlungen nimmt ab, das Lohnwachstum schwächt
sich daher ab. Dadurch geht die Inflation zurück.
Im Tiefstand hat sich das Wirtschaftswachstum noch
weiter abgeschwächt oder ist sogar negativ gewor-
den. Die Arbeitslosigkeit erreicht den Höchststand.
Den Arbeitnehmern gelingt es nur schwer, Lohnerhö-
sparen und gleichzeitig ihre Konsumausgaben ein-
hungen durchzusetzen. Die Inflation ist sehr niedrig.
schaftliche Nachfrage und damit den Preisauftrieb.
senkungen anzukurbeln.
schränken. Beide Faktoren dämpfen die gesamtwirt-
Die Zentralbank versucht die Konjunktur durch Zins-
Idealtypischer Konjunkturzyklus und Konjunkturverlauf in Österreich
Abb. 1: Idealtypischer Konjunkturzyklus und Konjunkturverlauf in Österreich
6
2 Was ist überhaupt Konjunktur?
2.3 Warum gibt es überhaupt
Konjunkturschwankungen?
Man konnte in der Vergangenheit immer schon
70 | April | 2012
tischen Entwicklungen führten zu massiven Verun-
sicherungen bezüglich der zukünftigen Versorgung
mit Erdöl.
Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität be-
Fehlerhafte Erwartungen
sachen hervorgerufen. Daneben gibt es Kräfte im
liche Rolle. Ein Unternehmen, das in eine neue Ma-
obachten. Diese werden häufig durch äußere Ur-
Erwartungen spielen in der Wirtschaft eine wesent-
Wirtschaftsgeschehen wie fehlerhafte Erwartungen,
schine investiert und damit Güter produziert, geht
vergabeverhalten der Banken, die von sich heraus zu
Ehepaar, das einen Kredit für eine gemeinsame Woh-
Wirkungsverzögerungen oder Änderungen im KreditWachstumsschwankungen führen können.
ÄuSSere Ursachen
Zu den frühesten Ursachen von Schwankungen der
wirtschaftlichen Aktivität zählen Kriege, Missernten
oder Naturkatastrophen. In der heutigen global ver-
von bestimmten Absatzerwartungen aus. Ein junges
nung aufnimmt, geht von Einkommenserwartungen
aus. Die Regierung, die ein Budget für das nächste Jahr
erstellt, geht von Erwartungen über Steuereinnahmen
und Ausgaben aus. Es liegt auf der Hand, dass diese
Erwartungen in der Realität nicht exakt eintreffen.
Hat das Unternehmen den Absatz als zu hoch einge-
netzten Wirtschaft kommen eine Reihe weiterer Ur-
schätzt, bleibt es auf Teilen seiner Produktion sitzen. In
usw. dazu. Kommt es zu starken unerwarteten Ände-
drosseln, um die bisher auf Lager produzierten Güter
sachen wie Energiepreise, Wechselkurse, Aktienkurse
rungen einer dieser Größen, so spricht man von einem
Schock.
Unter einem Schock versteht man in der Volkswirt-
schaftslehre eine unvorhergesehene Veränderung
einer wirtschaftlichen Größe, die die Wirtschafts-
entwicklung von außen beeinflusst. Dabei ist es un-
erheblich, ob sich diese Größe positiv oder negativ
auf das Wachstum auswirkt.
Diese Schocks bewirken, dass die Wirtschaftsentwicklung laufend von außen gestört wird und das Wachs-
tum daher vom Trendwachstum abweicht.
Die Weltwirtschaft wurde in den Siebziger Jahren
des letzten Jahrhunderts durch zwei Ölpreisschocks
der nächsten Periode wird es daher seine Produktion
abzusetzen. Nimmt der Staat bei fixen Ausgaben weniger Steuern als geplant ein, so muss er irgendwann
in der Zukunft seine Ausgaben reduzieren. Dies zeigt
deutlich, wie die wirtschaftliche Entwicklung durch
falsche Erwartungen gestört wird.
Die New-Economy-Bubble: Die rasante Entwicklung
der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Allgemeinen und des Internets im Spezi-
ellen führte in den Neunziger Jahren vor allem in den
USA zu einer regelrechten Goldgräberstimmung.
Viele Computerhersteller erhöhten ihre Produktions­
kapazitäten. Es wurden unzählige Internetfirmen
gegründet. Diese kamen ohne eigenes Kapital aus,
da sie sich leicht über die Finanzmärkte finanzieren konnten. Die Anleger an den Börsen waren voll
getroffen. Dabei stiegen die Rohölpreise binnen
Vertrauen auf grenzenloses Wachstum und trieben
maßgeblich durch Kriege hervorgerufen. Der erste
nichts mehr mit dem Wert des Unternehmens zu
kurzer Zeit stark an. Beide Ölpreisschocks wurden
Ölpreisschock 1973/74 wurde durch den Angriff Isra-
els auf Ägypten und Syrien (Jom-Kippur-Krieg) ausgelöst. Die arabischen Erdölproduzenten erhöhten
die Ölpreise massiv und übten dadurch politischen
die Aktienkurse steil nach oben, bis diese schließlich
tun hatten. Im Jahr 2000 kam es allerdings zu einem
Kippen der Stimmung. Es stellte sich heraus, dass in
den letzten Jahren viel zu viel investiert wurde. Die
Unternehmen schränkten ihre Investitionen mas-
Druck aus. Der zweite Ölpreisschock 1979/80 steht
siv ein oder gingen überhaupt pleite. Diese führten
iranischen Revolution Ende 1978 und dem Ausbruch
schwappte rasch auf andere Bereiche der Wirtschaft
in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der
des Krieges mit dem Irak im Oktober 1980. Die poli-
rasch dazu, dass die Börsenkurse fielen. Die Krise
über und löste die Rezession 2001 aus.
7
aktuelle
Wirkungsverzögerungen
Kreditvergabe
zögerungen (Lags) verbunden. So hinkt die Produktion
derungen des Kreditvergabeverhaltens von Banken
Viele wirtschaftliche Vorgänge sind mit Wirkungsver-
aufgrund der Produktionsdauer hinter der Nachfrage
nach. Die Löhne sind in der Regel durch Tarifverträge
für die Dauer eines Jahres oder länger gebunden. Wird
Konjunkturschwankungen können auch durch Änausgelöst werden. Im Aufschwung gewähren die
Banken großzügig Kredite. Treten nun größere Probleme mit der Kreditrückzahlung auf können die
beispielsweise in einem Jahr mit starkem Wachstum
Banken die Kreditvergabekonditionen verschärfen
einem Abschwung im nächsten Jahr die Gewinne der
Abschwung auslösen. Die durch die globale Finanz-
eine starke Lohnerhöhung vereinbart, so kann dies bei
Unternehmen belasten und so zu einer Verstärkung
bzw. das Kreditangebot verknappen und damit einen
krise ausgelöste aktuelle Rezession ist ein besonders
der Schwankungen führen. Preise werden ebenfalls
dramatisches Beispiel, das jedoch über einen „norma-
mit Kosten verbunden sind. Im Fall von Preisänderun-
Notenbank hat über die bereitgestellte Geldmenge
mit Verzögerungen angepasst, da Preisänderungen
gen müssen Preislisten, Speisekarten u.ä. neu erstellt
werden. Wirtschaftspolitische Eingriffe wirken eben-
falls zeitverzögert. Entschließt sich die Regierung bei-
spielsweise, eine schwache Konjunkturlage durch öf-
fentliche Investitionen zu stützen, so gibt es drei Lags.
Ein Informations-Lag tritt auf, da es Zeit dauert, bis
len“ Konjunkturabschwung deutlich hinausgeht. Die
und die dafür von den Banken verlangten Zinsen Ein-
fluss auf die Kreditkonditionen der Banken und kann
damit derartige Konjunkturschwankungen dämpfen
oder aber verstärken.
die relevanten Wirtschaftsdaten erhoben und ausge-
2.4 Konjunkturzyklen in der Realität
Beschlussfassung im Parlament Zeit benötigen, gibt
In der Realität halten sich Konjunkturzyklen jedoch
vestition tatsächlich umgesetzt wird, gibt es weiters
dung 1, links). Wenn wir den rechten Teil von Abbil-
wertet werden. Da politische Entscheidungen bis zur
es ein Entscheidungs-Lag. Da es Zeit dauert, bis die Innoch ein Umsetzungs-Lag.
Das wohl bekannteste Beispiel zu Schwankun-
gen, die durch Lags hervorgerufen werden, ist der
nicht an diese strenge mathematische Form (Abbildung 1 betrachten, sehen wir, dass die konjunkturelle
Komponente eine sehr unregelmäßige Entwicklung
aufweist. Der wichtigste Grund dafür sind die immer
wieder auftretenden wirtschaftlichen Schocks, die
sogenannte Schweinezyklus. Darunter versteht
die idealtypischen Konjunkturphasen überlagern. In
Schweinefleisch. Bei hohen Schweinefleischprei-
betrachtet, d.h. Abweichungen der Wachstumsraten
man Schwankungen der angebotenen Menge an
sen erscheinen Investitionen in Schweinezucht lu-
krativ. Die Produzenten beginnen, vermehrt Ferkel
aufzuziehen. Durch die für die Aufzucht benötigte
Zeit bleibt die angebotene Menge – und damit
auch der Preis – lange Zeit unverändert. Es wer-
der Praxis werden zudem meist Wachstumszyklen
vom Trendwachstum.
Der Grund dafür ist, dass in den letzten Jahrzehnten
Rezessionen, in denen das BIP längere Zeit gesunken
ist, selten geworden sind. Die aktuelle Krise stellt
den daher immer mehr Züchter dazu verlockt, in
diesbezüglich eine Ausnahme dar. Gemäß dieser De-
aufgezogen sind, herrscht plötzlich ein Überan-
sprochen, wenn das Wachstum unterdurchschnittlich
den Keller. Viele Schweinezüchter gehen entweder
überdurchschnittlich sind. Weiters fällt noch auf, dass
Schweineaufzucht zu investieren. Wenn die Ferkel
gebot. Die Preise für Schweinefleisch purzeln in
bankrott oder schränken ihre Produktion ein. Dies
führt zu einer Verknappung des Angebots und
damit zu steigenden Preisen. Der nächste Zyklus
kann also beginnen.
8
2 Was ist überhaupt Konjunktur?
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finition wird dann von Abschwung bzw. Rezession ge-
ausfällt und von Boom, wenn die Wachstumsraten
das Trendwachstum nicht konstant ist, sondern im
Zeitablauf schwankt. Diese spiegelt das unterschied-
liche Wachstum der verfügbaren Produktionskapazitäten wider.
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
3 ANATOMIE DER FINANZ- UND SCHULDENKRISE
3.1 Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise
Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise
Finanzkrise
Grosse
Rezession
Temporäre
Aufhellung und
Staatsschuldenkrise
• Liquiditätskrise (Sommer 2007 bis Frühjahr 2008)
• Solvenzkrise (Frühjahr 2008 bis August 2008)
• Vertrauenskrise (Mitte September 2008 bis Ende Oktober 2008)
• Globale Wirtschaftskrise (Ende 2008 bis Mitte 2009)
• Zwischenzeitliche Aufhellung (Mitte 2009 bis Frühjahr 2010)
• Europäische Schuldenkrise (seit Frühjahr 2010)
Abb. 2: Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise
Der bisherige Verlauf der Finanz-, Wirtschafts- und
■ Phase 1a) Liquiditätskrise
den, in denen sich jeweils spezifische Probleme in den
Der Beginn der Finanzmarktkrise kann mit Jahresmit-
Schuldenkrise kann in sechs Phasen eingeteilt werunterschiedlichen betroffenen Sektoren zeigten:
1. Finanzkrise
1a) Liquiditätskrise (Sommer 2007 – Frühjahr 2008)
1b) Solvenzkrise (Frühjahr 2008 – August 2008)
2. GroSSe Rezession
2a) Vertrauenskrise (15. September 2008 bis Ende
(Sommer 2007 bis Frühling 2008)
te 2007 datiert werden. Zu diesem Zeitpunkt platzte
die kreditfinanzierte US-Immobilienblase. Steigende Zinsen und fallende Immobilienpreise ließen die
Zahl der Kreditausfälle stark steigen. Die folgenden
Zwangsversteigerungen setzten die Immobilienprei-
se weiter unter Druck. Die eigens für den Zweck der
Bündelung und des Weiterverkaufs der Immobilien-
kredite gegründeten Zweckgesellschaften (Special
Oktober 2008)
Investment Vehicle, SIV*) hatten nur sehr wenig Ei-
Mitte 2009)
am Kapitalmarkt. Dies stellte in Zeiten niedriger
2b) Globale Wirtschaftskrise (Ende 2008 bis 3. Temporäre Aufhellung und
Staatsschuldenkrise
3a) Zwischenzeitliche Aufhellung (Mitte 2009 bis
Frühjahr 2010)
3b) Europäische Schuldenkrise (seit Frühjahr 2010)
genkapital und refinanzierten sich sehr kurzfristig
Zinsen eine einträgliche Strategie dar, da kurzfristige
Finanzierungen günstiger sind als langfristige Finan-
zierungen. Da die mit minderwertigen Immobilien-
krediten (Subprime Mortgages*) hinterlegten Wert-
papiere (Mortgage Backed Securities*) stark an Wert
verloren, gelang es den Special Investment Vehicles
9
aktuelle
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
U N TE R L AG E
nicht mehr, ihren laufenden Liquiditätsbedarf zu de-
schwächte sich das Wirtschaftswachstum in den USA
tor breiteten sich die Probleme rasch aus und setzten
erst im zweiten Halbjahr begann die Wirtschaftsleis-
cken. Durch die engen Verflechtungen im Finanzsekeine Reihe anderer Finanzinstitute unter Druck. Es
kam in dieser Phase zwar noch nicht zu Konkursen in
einem hohen Ausmaß, das Finanzsystem wurde je-
doch bereits erheblich geschwächt.
Die globale Realwirtschaft war in dieser Phase noch
nicht in nennenswertem Umfang betroffen. Zwar
zu Beginn des Jahres 2008 bereits deutlich ab, aber
tung stark zu schrumpfen. Im Euroraum drehte das
Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2008 ins
Minus.
Abb. 3 gibt einen Überblick über wichtige Ereignisse
und die Auswirkungen auf Konjunktur, Finanzmärkte
und Staatsschulden in den sechs Phasen der Krise.
Die sechs Phasen der Krise
Abb. 3: Die sechs Phasen der Krise
10
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
■ Phase 1b) Solvenzkrise
ber das Geld oder legten es zu weitaus niedrigeren
In der zweiten Phase der Krise, die im Frühjahr 2008
ihr jeweiliger Geschäftspartner kurzfristig zahlungs-
mobilienmarkt als die Bilanzsituation im Bankensek-
fähigkeit des Finanzsystems konnte in dieser Zeit
(Frühjahr 2008 bis August 2008)
einsetzte, standen weniger die Probleme am US-Im-
tor im Mittelpunkt des Interesses der Finanzmärkte.
Die Aussichten für das Kreditausfallsrisiko und die
Zinsen bei der Notenbank an, da sie das Risiko, dass
unfähig wird, nicht eingehen wollten. Die Funktionsnur durch eine massive Liquiditätszufuhr durch die
Notenbanken sichergestellt werden. In dieser Zeit er-
Ertragslage der Banken verschlechterten sich zuse-
fasste die Finanzkrise auch die Realwirtschaft voll.
Finanzinstituten herab. Dies führte dazu, dass sie ihre
■ Phase 2b) Globale Wirtschaftskrise
kapital unterlegen mussten, was die Finanzierung
Mit dem Übergreifen der Finanzkrise auf die Re-
auswirkte. Als Folge sanken die Kurse der von ihnen
Weltwirtschaftskrise in den Dreißiger Jahren des letz-
hends. Die Ratingagenturen stuften eine Reihe von
ausstehenden Kreditforderungen mit mehr Eigen-
verteuerte und sich ungünstig auf ihre Ertragslage
ausgegebenen Wertpapiere. Die Banken, die diese
Wertpapiere hielten, konnten diese teilweise nicht
mehr als Sicherheit am Interbankenmarkt* verwen-
den. Dadurch wurden die Banken bei der gegenseitigen
kurzfristigen Kreditgewährung über den Interbanken-
markt zusehends zurückhaltender. Zahlreiche Finan-
(Ende 2008 bis Mitte 2009)
alwirtschaft wurde die stärkste Rezession seit der
ten Jahrhunderts (Große Depression*) ausgelöst. Die
Unsicherheit über zukünftige Absatzerwartungen
und der Verlust des Vertrauens in die Solidität von
Geschäftspartnern und Banken lies die Nachfrage
nach Investitionsgütern einbrechen; Sorgen um Arbeitsplätze und Vermögensverluste jene nach (lang-
zinstitute konnten nur durch staatliche Hilfen oder
lebigen) Konsumgütern. Negative Rückkoppelungs-
Rock, Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac).
verstärkten den Abwärtssog. Die Industrieprodukti-
durch eine Verstaatlichung gerettet werden (Northern
■ Phase 2a) Vertrauenskrise
(15. September 2008 bis Ende Oktober 2008)
Die dritte Phase der Finanzkrise begann am 15. Sep-
effekte zwischen Realwirtschaft und Finanzmärkten
on brach Ende 2008 mit einer bisher unbekannten
Heftigkeit und globalen Synchronität ein. Am Ende
des ersten Quartals 2009 lag die weltweite Produktion von Industriegütern um über 15 % unter ihrem
tember 2008. An diesem Tag beantragte die US-
Höchststand vor der Krise.
nach dem US-Konkursrecht. Die Schwierigkeiten von
■ Phase 3a) Zwischenzeitliche Aufhellung
Investitionsbank* Lehman Brothers Insolvenzschutz
Lehman Brothers waren den Finanzmärkten zwar
schon längere Zeit bekannt, allerdings wurde mit
(Mitte 2009 bis Frühjahr 2010)
Die Wirtschaftspolitik reagierte rasch, entschlossen
einer Rettung der Bank durch die US-Behörden ge-
und in vielen Bereichen auch international koordi-
anmelden. Dies löste eine Schockwelle aus, die die
wurden erste Stabilisierungserfolge der staatlichen
rechnet. Als diese ausblieb, musste Lehman Konkurs
globalen Finanzmärkte erschütterte. Einer Reihe von
niert auf die Krise. Ab dem zweiten Quartal 2009
Hilfspakete sichtbar. Die Vermögensmärkte zogen
anderen Finanzinstitutionen drohte nun ebenfalls der
wieder an und die Risikoaufschläge auf den Geld-,
in die Solvenz der Geschäftspartner massiv. Davon
setzende Erholung verlief bedeutend langsamer als
Konkurs. Auf den Finanzmärkten sank das Vertrauen
Kredit- und Anleihemärkten sanken. Die global ein-
war vor allem der ohnehin schon angespannte In-
der Abschwung und regional sehr uneinheitlich. Chi-
sich die Banken, die am Ende eines Tages Liquidität
die Weltwirtschaft. Die USA erreichten wieder einen terbankenmarkt betroffen. Normalerweise besorgen
benötigen, diese am Interbankenmarkt von anderen
Banken. In dieser Zeit jedoch horteten die Banken lie-
na behielt seine Rolle als Wachstumslokomotive für
moderaten Wachstumspfad, während die Erholung
im Euroraum schleppender verlief.
11
aktuelle
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
U N TE R L AG E
■ Phase 3b) Europäische Schuldenkrise
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Staatsver-
Die massiven Hilfspakete zur Stabilisierung des Fi-
2007 und den erwarteten Schuldenstand im Jahr
(seit Frühjahr 2010)
nanzsektors und die Konjunkturpakete ließen in
vielen europäischen Ländern Sorgen über die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen aufkommen. Weltweit
stiegen Budgetdefizite und Staatsverschuldungen.
schuldung in % des BIP zu Beginn der Finanzkrise
2013 für ausgewählte Länder. Dabei zeigt sich ein
starker Anstieg der Staatsverschuldung vor allem in
den Ländern, die auch von der Krise besonders stark
betroffen waren.
Starker weltweiter Anstieg der Staatsverschuldung
Tab. 1: Staatsschuld in % des BIP: Ausgangslage und Prognose
Mit der Staatsverschuldung stiegen auch die Zweifel, dass die besonders betroffenen Länder – allen voran Grie-
chenland – ihren Zahlungsverpflichtungen zukünftig nachkommen können. Geänderte Markteinschätzungen
und Herabstufungen durch die Ratingagenturen führten zu höheren Risikoaufschlägen und damit zu höheren
Zinsbelastungen, die ihrerseits wieder die Staatschulden erhöhten. Neben Griechenland sind auch andere süd-
europäische Länder (Portugal, Spanien und Italien) in eine gefährliche Schieflage gekommen. Deutlich ablesen
kann man die Sorgen über die Kreditwürdigkeit an den steigenden Kursen (Prämien) für Ausfallsversicherun-
gen für Staatsanleihen (Credit Default Swaps, CDS*) dieser Länder. Anfang 2009 sind auch die Kurse für Credit
Default Swaps für österreichische Staatsanleihen aufgrund des hohen Osteuropaexposure der heimischen
Banken sprunghaft angestiegen.
12
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
CDS-Prämien für Staatsanleihen in Europa
Abb. 4: CDS-Prämien für Staatsanleihen in Europa; Quelle: Thomson Financial. Stand: 2.3.2010, OeNB
13
aktuelle
U N TE R L AG E
Spezifische Probleme der GIIPS-Staaten
Die fünf europäischen Problemstaaten Griechen-
land, Irland, Italien, Portugal und Spanien leiden
zwar alle unter einer Schuldenproblematik, im De-
Wachstumsproblem. Portugal hat eine hohe priva-
te Verschuldung, wenngleich dieses Problem nicht
so ausgeprägt ist wie in Irland und Spanien. Die
öffentliche Verschuldung war relativ niedrig. Die
mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch ein
tail sind die Problemlagen in den Ländern jedoch
massives Problem der portugiesischen Wirtschaft.
hohe öffentliche Verschuldung (161 % des BIP im
privates Verschuldungsproblem. Die niedrigen
sehr unterschiedlich. Griechenland hat eine sehr
Jahr 2012). Die private Verschuldung ist hingegen
relativ niedrig. Ein zentrales Problem ist der mas-
Spanien hat ähnlich wie Irland in erster Linie ein
Zinsen nach der Euroeinführung haben zu einem
Immobilienboom mit einem starken Anstieg der
sive Verlust an Wettbewerbsfähigkeit im letzten
privaten Schulden geführt. Die öffentliche Ver-
tung des Leistungsbilanzdefizits geführt. Irland
Spanien hat aber wie auch Griechenland ein Prob-
Jahrzehnt. Dies hat zu einer deutlichen Auswei-
hatte hingegen vor der Krise ein ausgeglichenes
Budget und eine sehr niedrige Staatsverschul-
dung, dafür aber eine hohe private Verschuldung.
schuldung war vor Ausbruch der Krise sehr gering.
lem mit der Wettbewerbsfähigkeit und ein hohes
Leistungsbilanzdefizit.
Im Zuge der Krise musste der irische Staat jedoch
Die CDS-Kurse geben die Risikoeinschätzung des Fi-
tems aufwenden, wodurch die öffentliche Ver-
terer Folge auch zu höheren Zinsen für die neu auf-
enorme Summen zur Rettung seines Bankensys-
schuldung stark zunahm. Italien hat eine hohe
nanzsektors wieder. Höhere Prämien führen in wei-
zunehmenden Staatsschulden. Aktuell (Stand 17.April
öffentliche Verschuldung, dafür ist die private
2012) muss Griechenland um 1945 Basispunkte oder
ter Wettbewerbs- sondern vor allem unter einem
als Deutschland. Der Aufschlag für Österreich beträgt
Verschuldung niedrig. Italien leidet nicht nur un-
14
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
19,45 Prozentpunkte mehr für neue Schulden zahlen
derzeit nur 109 Basispunkte (1,09 Prozentpunkte).
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
Zinsdifferentiale 10-jähriger Staatsanleihen zu Deutschland
Abb. 5: Zinsdifferentiale 10-jähriger Staatsanleihen zu Deutschland; Quelle: Thomson Financial. Stand: 2.3.2010, OeNB
Dass sich im Zuge der Schuldenkrise Marktein-
3.2Reaktion der Geldpolitik
Herabstufung
Die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und
schätzungen rasch ändern können, zeigt auch die
der
Kreditwürdigkeit
zahlreicher
westeuropäischer Länder, denen von den großen
2009 führte zu massiven Problemen für den euro-
Ratingagenturen noch vor Kurzem eine Topbonität
päischen Bankensektor. Die Krise eskalierte am 15.
Österreich (siehe Kap. 3.5).
Brothers Insolvenz anmeldete. Dies löste eine Schock-
zugeschrieben wurde. Eines dieser Länder ist auch
September 2008, als die US-Investitionsbank Lehman
15
aktuelle
U N TE R L AG E
welle aus, die die globalen Finanzmärkte erschütterte.
MaSSnahmen für Wertpapiermärkte
Auf den Finanzmärkten sank das Vertrauen in die Sol-
Die EZB reagiert auf die Zuspitzung der Schuldenkri-
angespannte Interbankenmarkt kam komplett zum Er-
kauf von Staatsanleihen und gedeckten Bankschuld-
venz der Geschäftspartner massiv. Der ohnehin schon
liegen. Der Finanzsektor war knapp am Kollaps, vielen
Banken drohte ihre kurzfristige Liquidität auszugehen.
se unter anderem mit dem erstmaligen gezielten An-
verschreibungen (Pfandbriefe*).
Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte auf diese
Im Mai 2010 begann die EZB im Rahmen des Securi-
Reihe von beispiellosen Maßnahmen, um die Stabilität
europäischen Problemländern aufzukaufen. Damit
Krise neben einer Senkung ihrer Leitzinsen mit einer
des europäischen Bankensystems zu erhalten.
MaSSnahmen für den Geldmarkt
ties Market Programme (SMP*), Staatsanleihen von
sollen die Kurse gestützt und in weitere Folge die
Kosten der Schuldaufnahme für diese Länder gesenkt
werden. Derzeit (Stand 13. April 2012) wurden Staats-
Die EZB versorgt die Geschäftsbanken im Rahmen
anleihen im Ausmaß von 214 Mrd. EUR von der EZB
Diese Auktion wird normalerweise als Zinstender*
einzelnen Länder wird von der EZB nicht bekannt ge-
bestimmten Zinssatz für ein nachgefragtes Volumen.
hinaus eine zentrale Rolle für die Weitergabe geldpo-
eines Auktionsverfahrens (Tender) mit Liquidität.
durchgeführt, d.h. die Geschäftsbanken bieten einen
Die Zuteilung durch die EZB erfolgt nach der Höhe
der Gebote, wobei die EZB das zugeteilte Gesamtvo-
gekauft. Die genaue Aufteilung dieser Summe auf die
geben. Die Märkte für Staatsanleihen spielen darüber
litischer Impulse an die Wirtschaft. Die Rendite* auf
Staatsanleihen* ist ein wichtiger Referenzwert für
lumen festlegt. Die Geschäftsbanken bekommen also
die Zinssätze, die Unternehmen auf Anleihen zahlen
Ende der Laufzeit (üblicherweise eine Woche bis drei
Aktivposten in der Bilanz des privaten Sektors dar.
nicht immer das gesamte nachfragte Volumen. Nach
Monate) müssen die Geschäftsbanken der EZB das
Geld zurückzahlen und bekommen ihre hinterlegten
Sicherheiten zurück.
Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009
müssen. Staatsanleihen stellen auch einen wichtigen
Die niedrigeren Sekundärmarktpreise der Anleihen
können große Bewertungsverluste bedeuten, die
wiederum die Aktivseite der Unternehmensbilanz
schmälern und damit die Kreditwürdigkeit reduzieren. Weiters erschwert eine niedrige Liquidität auf
kam es zum Austrocknen des Interbankenmarktes,
den Märkten für Staatsanleihen Banken und anderen
grund des gestiegenen Misstrauens kein Geld mehr,
ten in ihren Geschäften zu verwenden. Die Interven-
das heißt, die Banken liehen sich gegenseitig auf-
wodurch ihre wichtigste Finanzierungsquelle zum Er-
liegen kam. Als Reaktion stellte die EZB das Auktions-
verfahren auf einen Mengentender mit unbegrenzter
Zuteilung um. Dabei wird der Zinssatz von der EZB vor-
gegeben. Die Geschäftsbanken machen Gebote über
die Höhe des Geldbetrages. Die EZB teilt den Banken
das gesamte gewünschte Volumen zu, wodurch ihre
Liquiditätsplanung erheblich vereinfacht wird. Damit
gelang es der EZB, die enorm wichtige Liquiditätsver-
Finanzintermediären, diese Anleihen als Sicherheitionen im Rahmen des SMP dienen daher dazu, die
Funktionsweise der Märkte wiederherzustellen, um
negative Auswirkungen auf die Weitergabe geldpolitischer Impulse an die Wirtschaft zu verringern.
Wie beeinflusst der Kurs von Anleihen die
Kosten der Schuldaufnahme für Staaten?
Staatsanleihen sind in der Regel fixverzinste Wert-
papiere, d.h. die Verzinsung ist über die gesamte
sorgung der Geschäftsbanken aufrechtzuerhalten. Laufzeit konstant. Eine Staatsanleihe zum Nomi-
wurde ebenfalls erweitert, wodurch viele Geschäfts-
wirft daher pro Jahr eine Zinszahlung (Kupon*) von
Refinanzierungszugang erhielten.
he zum Nominalwert getilgt, d.h. der Investor be-
Die Liste der von der EZB akzeptieren Sicherheiten
banken (vor allem in den Krisenländern) leichteren
16
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
nalwert von 100 EUR mit einer Verzinsung von 5 %
5 EUR ab. Am Ende der Laufzeit wird diese Anlei-
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
den jedoch am Sekundärmarkt* gehandelt. Sinkt
3.3 Die reformierte Steuerungs­
architektur der Europäischen Union
nominelle Kupon unverändert. Im Verhältnis zum
Das Design der Wirtschafts- und Währungsunion hat
man den erwarteten Kursgewinn hinzu (die Anlei-
Finanzkrise hinreichend funktioniert. Die Krise hat
kommt 100 EURO zurück. Diese Staatsanleihen werder Wert der Anleihe z.B. auf 50 EURO, so bleibt der
niedrigeren Kurs steigt er aber auf 10 %. Rechnet
he wird am Ende der Laufzeit zum Nominalwert
getilgt, solange der Staat nicht insolvent wird), so
ergibt sich in Abhängigkeit von der Restlaufzeit
der Anleihe eine deutlich höhere Rendite (Verhält-
nis der erwarteten zukünftigen Zahlungsströme
zum eingesetzten Kapital) von z.B. 20 %. Diese ge-
stiegene Sekundärmarktrendite hat unmittelbar
noch keine Konsequenzen auf die Finanzierungskosten des jeweiligen Staates. Wenn dieser je-
doch am Primärmarkt* neue Staatsanleihen emit-
tiert, so muss die Verzinsung dieser Anleihen mit der durchschnittlichen Sekundärmarktrendite ver-
in der Schönwetterphase vor der Wirtschafts- und
jedoch eine Reihe von Konstruktionsfehlern der Wirt-
schafts- und Währungsunion offenbart. Im Vertrag von
Lissabon, der im Dezember 2007 abgeschlossen wurde
und die rechtliche Grundlage der Europäischen Union
darstellt, waren keine ausreichenden institutionellen
und wirtschaftspolitischen Vorkehrungen zur Präven-
tion und Bewältigung der Banken- und Staatsschul-
denkrise in der EU getroffen worden. So gab es etwa
keine Instrumente zur finanziellen Stabilisierung des
Euro-Währungsgebiets. Kontrollinstrumente – wie der
Stabilitäts- und Wachstumspakt oder die Grundzüge
der Wirtschaftspolitik – waren wohl vorgesehen, aber
gleichbarer Anleihen konkurrieren. Die Zinskosten
von den Mitgliedstaaten nicht bzw. nicht ausreichend
schnittliche Verzinsung der gesamten ausstehen-
tutionellen Entscheidungsabläufe waren in der Krise zu
für diese Staatsanleihen steigen daher. Die durch-
den Staatsschuld steigt mit jeder neu emittierten
Tranche von Staatsanleihen kontinuierlich an.
Neben dem Staatsanleihenankaufsprogramm SMP
hat die EZB bereits im Mai 2009 begonnen, gedeckte
eingesetzt worden. Die vertraglich vorgesehenen insti-
behäbig. Deshalb wurde zur Bewältigung der Banken-
und Staatsschuldenkrise eine Reihe von Maßnahmen
getroffen, die im Folgenden vorgestellt werden sollen.
Europa 2020 löst als Strategie für Wachstum die Lis-
Bankschuldverschreibungen (Covered Bonds) im Rah-
sabon-Strategie ab. Bezüglich der Art des Wachstums
aufzukaufen, da diese eine wichtige Refinanzierungs-
tes Wachstum (Bildung, Forschung und Innovation,
men des Covered Bonds Purchase Programme (CBPP*)
quelle für Banken darstellen. Damit soll in weiterer
Folge die Kreditvergabe belebt werden. Bis zum Aus-
laufen dieses Programms bis Juni 2010 wurden ge-
deckte Bankschuldverschreibungen im Ausmaß von
wurden drei Prioritäten gesetzt, nämlich intelligen-
digitale Gesellschaft), nachhaltiges Wachstum (Ressourceneffizienz, Umweltfreundlichkeit und Wett-
bewerbsfähigkeit) und integratives Wachstum (hohe
Beschäftigung, wirtschaftlicher, sozialer und territo-
60 Mrd. Euro aufgekauft. Diese Maßnahme hat zu
rialer Zusammenhang). Zur Verbesserung der wirt-
Seiten der Banken geführt. Anfang Oktober 2011 hat
Instrumenten neu geschaffen bzw. verbessert.
einer spürbaren Zunahme der Emissionstätigkeit von
der EZB-Rat beschlossen, das Programm bis Oktober
2012 wiederaufzunehmen.
schaftspolitischen Steuerung wurde eine Reihe von
Das Europäische Semester ist ein Mechanismus zur
verbesserten Koordinierung der Wirtschafts- und
Haushaltspolitiken der EU-Mitgliedsstaaten. Seit 2011
findet jeweils in der ersten Jahreshälfte eine intensive
Abstimmung zwischen den 27 EU-Mitgliedsstaaten
statt. Die jährliche Überwachung der Haushalts- und
Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten, aber auch
deren grundsätzliche Ausrichtung, erfolgt nicht mehr
getrennt voneinander, sondern gemeinsam bzw. in
integrierter Form.
17
aktuelle
U N TE R L AG E
Im Jänner 2012 trat das sogenannte „Sixpack"* in
Kraft, ein im März 2011 beschlossenes Paket von sechs
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
(IWF, 30 Mrd. Euro). Es stellte sich jedoch bald heraus,
dass diese Mittel nicht ausreichen werden, um Grie-
europäischen Verordnungen bzw. Richtlinien. Vier da-
chenland vor dem Bankrott zu retten. Deshalb wurde
Wachstumspakts ab. Zwei betreffen Aktionen bei ma-
Das Hilfspaket bestand im Wesentlichen aus der Be-
ist ein Schritt hin zu einer gemeinsamen Wirtschafts-
von Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF*) und
von zielen auf eine Verschärfung des Stabilitäts- und
kroökonomischen Ungleichgewichten. Das Sixpack
regierung. Die Europäische Kommission kann künftig
in nationale Budgetplanungen eingreifen. Darüber
im Juli 2011 ein zweites Rettungspaket beschlossen.
reitstellung von zusätzlichen Finanzierungsmitteln
IWF, aus einer Reduktion des Zinssatzes und einer
Verlängerung der Laufzeit für einen Teil der beste-
hinaus sind die Eurostaaten verpflichtet, Schulden-
henden Schulden gegenüber anderen Euroraumlän-
Der Euro-Plus-Pakt* wurde im März 2011 beschlossen.
teiligung des privaten Sektors gestalteten sich aber
23 EU-Mitgliedsstaaten (Euroraum plus Bulgarien,
einer Nettobarwertreduktion in der Höhe von rund
bremsen* einzuführen.
Er basiert auf der freiwilligen Zusammenarbeit von
Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien).
Durch eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinati-
on in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, öffentliche Finanzen und Finanzstabilität soll
die Wirtschaftskraft der beteiligten Länder verbessert
dern sowie einer geplanten „freiwilligen“ Beteiligung
privater Gläubiger. Die Verhandlungen über die Be-
sehr schwierig und konnten erst im März 2012 mit
80 % abgeschlossen werden. Damit wurde die letz-
te Bedingung der Eurogruppe für die Implementierung
eines nun adaptierten zweiten Hilfsprogramms für
Griechenland erfüllt. Ziel des Hilfsprogramms ist es, die
Schuldenquote Griechenlands bis zum Jahr 2020 auf
werden.
ein „nachhaltiges“ Niveau von 120,5 % zu reduzieren.
Finanzierung der Problemstaaten
Nach dem ersten Hilfspaket für Griechenland wurden
der Zuspitzung der Lage in Griechenland. Um die dro-
chanismen für die Finanzierung der Problemländer
gruppe das erste Hilfspaket im Ausmaß von 110 Mrd.
fazilität) vergibt Kredite und kauft Staatsanleihen am
Die Staatsschuldenkrise begann im Frühjahr 2010 mit
hende Insolvenz abzuwenden, wurde von der Euro-
Euro beschlossen. Dieses bestand aus bilateralen Krediten der anderen Euroraumstaaten (80 Mrd. Euro)
und aus Krediten des Internationalen Währungsfonds
als sofort wirksame Maßnahme zwei temporäre Me-
geschaffen. Die EFSF* (Europäische FinanzstabilitätsPrimärmarkt. Sie finanziert sich durch die Ausgabe
eigener Anleihen am Kapitalmarkt, wobei die Euroraumländer dafür Bürgschaften bereitstellen. Das
1 Über die freiwillige Gläubigerbeteiligung wurde zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Unterlage noch verhandelt.
18
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
maximal ausschöpfbare Volumen beträgt 440 Mrd.
die Kreditwürdigkeit ist mit teils erheblichen Kosten
eine günstige Refinanzierung erhält, müssen die
spezialisiert und können dies für eine große Anzahl
Euro. Damit die EFSF* ein Triple-A Rating und damit
Bürgschaften mit 780 Mrd. Euro das Maximalvolu-
men deutlich übersteigen. Der EFSM* (Europäischer
Finanzstabilisierungsmechanismus) wurde von der
EU eingerichtet und hat ein Volumen von 60 Mrd.
Euro, die aus dem EU-Haushalt bereitgestellt werden.
Der ESM* (Europäischer Stabilitätsmechanismus)
wird Mitte 2012 als permanenter Mechanismus in
verbunden. Ratingagenturen sind auf diese Aufgabe
von Gläubigern gemeinsam und daher kostengünstig
machen. Gleichzeitig fördern die Ratings die Standardisierung von Finanzprodukten. Die Beurteilung der
Kreditwürdigkeit erfolgt entlang einer Skala, wobei
jede Ratingagentur eine eigene Skala verwendet.
Kraft treten. Er soll Kredite im Ausmaß von 500 Mrd.
Die Ratingskalen
sollen die Euroraumländer nicht nur Bürgschaften
Ratingagenturen geben Einschätzungen (Ratings)
Euro an Staaten zur Verfügung stellen können. Dabei
bereitstellen, sondern Kapital einzahlen, was deren
der drei groSSen Ratingagenturen
über die Kreditwürdigkeit bestimmter Emittenten
Haushalte belastet. Zusätzlich existieren Kreditzusa-
(Staaten und Unternehmen) und Finanzprodukte
nach heutigem Stand in Summe ein Gesamtvolumen
reitschaft von Schuldnern ihren zukünftigen Zah-
gen des IWF im Ausmaß von 250 Mrd. Euro, wodurch
von insgesamt 750 Mrd. Euro zur Verfügung stehen
wird.
3.4 Die Rolle der Ratingagenturen
in der Krise
Aufgaben der Ratingagenturen
und Ratingklassen
ab, d.h. sie beurteilen die Fähigkeit und die Be-
lungsverpflichtungen nachzukommen. Ein Rating
ist daher im Gegensatz zu buchhalterischen Kenn-
ziffern vorausschauend. Spielt bei Unternehmen
die Fähigkeit zur Schuldentilgung die wichtigste
Rolle, so kommt im Falle von Staaten auch die Bereitschaft zur Schuldentilgung hinzu, da die juristi-
schen Möglichkeiten zur Schuldeneintreibung im
internationalen Recht limitiert sind.
Die aktuelle Finanzmarktkrise hat die Ratingagentu-
Die Ratings basieren üblicherweise sowohl auf
rückt. Sie wurden vielfach als Auslöser oder Verstärker
chen Informationen, die von den Emittenten zur
ren in den Blickwinkel des öffentlichen Interesses ge-
der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise bezeichnet.
Herabstufungen von Ländern wurden inhaltlich in
allgemein zugänglichen als auch auf vertrauli-
Verfügung gestellt werden. Die Schuldner werden
in Folge in Ratingklassen eingeteilt, die die Kredit-
Frage gestellt und als politisch motiviert bezeichnet.
würdigkeit reflektieren. S&P und Fitch orientie-
blick über die Ratingindustrie, ihre Aufgaben und Pro-
Moody’s an den erwarteten Verlusten. Eine detail-
Aber ist dieser Befund wirklich zutreffend? Ein Überbleme, soll helfen diese Frage zu beantworten.
Ratingagenturen erfüllen eine sowohl für Investoren als auch für Emittenten wichtige Aufgabe. Sie
helfen, das Problem der asymmetrischen Information zwischen Marktteilnehmern zu lindern. Emitten-
ren sich dabei an der Ausfallswahrscheinlichkeit,
lierte Metrik betreffend die Klassifizierung wird
von den Ratingagenturen jedoch nicht veröffent-
licht. Alle drei Ratingagenturen verwenden eine
21teilige Skala die von der höchsten Bewertung,
dem bekannten „Triple A“, bis zum eingetreten
Zahlungsausfall „D“ reichen. Die zehn Klassen
ten von Schuldtiteln, seien es private Unternehmen
AAA bis BBB- werden üblicherweise als „Invest-
betreffend die eigene Kreditwürdigkeit als potentiel-
„Speculative Grade“.
oder Staaten, verfügen über mehr Informationen
le Gläubiger. Das Sammeln von Informationen über
ment Grade“ bezeichnet, schlechtere Ratings als
19
aktuelle
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
U N TE R L AG E
Ratingklassen
Jedes Rating wird außerdem noch mit einem Ausblick versehen, der auf mögliche bevorstehende Änderun-
gen des Ratings hinweist. Dieser Ausblick kann positiv, stabil oder negativ sein. Im Falle eines negativen/
positiven Ausblicks besteht zumindest eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel, dass das Rating in den
nächsten Monaten herab/hinaufgestuft wird. Änderungen des Ausblicks laufen den tatsächlichen Rating-
änderungen üblicherweise voraus und sind häufig frühzeitige Signale für eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit. Tab. 2: Ratingklassen
20
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
Kritikpunkte an den Ratingagenturen
on der Ratingagenturen bei der Ländereinschätzung
Öffentlichkeit hängt mit einer Reihe von Problemen
aufgrund ihrer Erfahrung bei der Beurteilung der
Dass schlechte Image der Ratingagenturen in der
und Fehlentwicklungen zusammen, die im Folgenden
diskutiert werden.
Die vier wichtigsten Kritikpunkte
an den Ratingagenturen:
1. Fehlerhafte Einschätzungen in der Vergangenheit – unzuverlässige Ratings
2. Oligopolistische Marktstrukturen – mangelnder Wettbewerb
3. Interessenskonflikte
4.Auslöser bzw. Verstärkung von Krisen
Fehlerhafte Einschätzungen in der
Vergangenheit – unzuverlässige Ratings
Die Einschätzungen der Ratingagenturen haben sich
in der Vergangenheit immer wieder als falsch heraus-
gestellt. So haben sie die Asienkrise 1997/98 zu spät
erkannt und bei spektakulären Unternehmenspleiten
wie Enron und WorldCom bis zum Schluss Topbonitä-
mag überraschen. Erstens sollten Ratingagenturen
Bonität einen Informationsvorsprung gegenüber
anderen Marktteilnehmern haben. Zweitens ist es
die wichtigste Aufgabe der Ratingagenturen die In-
vestoren frühzeitig vor Zahlungsausfällen zu warnen.
Sie sind daher angehalten besonders kritisch – sprich
pessimistisch – zu urteilen. Andererseits sind sich Ra-
tingagenturen der Gefahr selbsterfüllender Prophe-
zeiungen bewusst, die durch die starke Verankerung
von Ratings in der Finanzmarktregulierung besteht
(siehe unten). Eine systematische Fehleinschätzung
ist bei Länderratings nicht auszumachen. Bei der Be-
urteilung der Bonität von strukturierten Produkten
ist es in der Vergangenheit jedoch zu systematischen
Verzerrungen (tendenziell zu positive Ratings) gekommen.
Oligopolistische Marktstrukturen –
mangelnder Wettbewerb
Der Markt für Ratings wird von drei großen Agen-
ten vergeben. In der jüngsten Vergangenheit gerie-
turen beherrscht: S&P, Moody’s und Fitch. Mit S&P
der Beurteilung von verbrieften Schuldverschreibun-
in amerikanischen Besitz während die dritte, Fitch,
ten sie insbesondere durch ihre Geschäftspolitik bei
und Moody’s sind zwei der großen Ratingagenturen
gen (Collateralized Debt Obligations, CDOs)*, einem
mehrheitlich Fimalac S.A mit Sitz in Paris gehört.
Kreuzfeuer der Kritik. Schließlich haben die Rating-
Branchenführer – ein Spiegelbild der hohen Markt-
seit den 1990er Jahren rasant wachsenden Markt, ins
agenturen auch die Kreditwürdigkeit der besonders
stark von der aktuellen Schuldenkrise betroffenen
Über 90 % der Ratingerlöse entfallen auf die drei
konzentration. Skalenerträge, Benchmarkfunktion
und hohe Markteintrittskosten erschweren neuen
Euroraumländer Griechenland, Irland und Portugal
Anbietern den Markeintritt und so ist es auch um die
revidiert. Erste geringfügige Anpassungen fanden ab
zuletzt wieder deutlich ruhiger geworden. Mangeln-
erst relativ spät, dann aber umso kräftiger nach unten
Gründung einer neuen europäischen Ratingagentur
dem Jahreswechsel 2008/09 statt, es dauerte aber zu-
der Wettbewerb kann negative Folgen für die Quali-
zurückgenommen wurden. Die oft zögerliche Reakti-
des Finanzsystems von einzelnen Ratingagenturen.
mindest ein weiteres Jahr bis die Ratings substantiell
tät der Ratings haben und erhöht die Abhängigkeit
MaSSzahlen der Marktkonzentration im Ratinggeschäft
Tab. 3: Maßzahlen der Marktkonzentration im Ratinggeschäft
21
aktuelle
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
U N TE R L AG E
Interessenskonflikte
Verstärkung von Krisen
sind nicht die Beurteilungen der Kreditwürdigkeit
das heißt sie verstärken den Konjunkturzyklus. Dieser
Die Haupteinnahmequelle von Rating-Agenturen
von Staaten, sondern von Unternehmen und Wertpapieren. Seit den 1970er und 1980er Jahren sind es
mehrheitlich nicht mehr wie früher die Investoren,
die für das Rating bezahlen, sondern die Emittenten.
Ein wichtiger Grund für diese Änderung lag in der
Ratings wird eine prozyklisch Wirkung nachgesagt,
Effekt resultiert nicht zuletzt aus einer Vielzahl von
Regulierungen, die auf Ratings abstellen. Ratings fin-
den beispielsweise bei der Bestimmung von Eigenka-
pitalvorschriften Verwendung: Ein besseres Rating der
Aktiva führt zu einem niedrigeren Eigenkapitalerfor-
Trittbrettfahrerproblematik, nachdem Ratings und
dernis. Auch Veranlagungsbestimmungen für Fonds,
lich bekannt wurden. Die Kehrseite dieser Entwick-
Vielfach muss z. B. ein bestimmter Mindestanteil des
Ratingberichte immer häufiger und schneller öffent-
lung ist eine problematische Anreizstruktur, da nun
Versicherungen etc. stellen auf externe Ratings ab.
Veranlagungsvolumens im „Investment Grade“ erfol-
der Prüfer vom Überprüften bezahlt wird.
gen. Bei Absicherungsgeschäften am Geldmarkt oder
Interessenskonflikte sind im Falle von Länderratings
litätsanforderung für die hinterlegten Sicherheiten
jedoch von geringer Bedeutung. Hier besteht eher
die Gefahr der versuchten politischen Einflussnah-
me. Evident wurden Interessenskonflikte hingegen
im Bereich der strukturierten Produkte, dem seit den
1990er Jahren am schnellsten wachsenden und pro-
bei Repogeschäften* mit Zentralbanken wird die Qua-
mit Hilfe externer Ratings bestimmt. Aber auch bei der
Feststellung eines Zahlungsausfalls bei Kreditausfalls-
versicherungen (CDS) finden Ratings Verwendung.
fitabelsten Marktsegment im Ratinggeschäft. Ratin-
3.5 Das Rating der Republik Österreich
als Beurteiler der Bonität auf, sondern auch als Bera-
Die Ratingagentur Standard & Poor`s hat am 13. Jän-
Produkte. Dies führte dazu, dass Emittenten „Rating
reich von ’AAA’ auf ’AA+ gesenkt und den Ausblick
gagenturen traten in diesem Bereich nicht mehr nur
ter bei der Ausgestaltung der von ihnen geprüften
ner 2012 die langfristige Bonität der Republik Öster-
shoping“ betreiben konnten und sich ihr gewünsch-
auf negativ gestellt. Genau ein Monat später am 13.
haben. Zusätzlich litt die Ratingqualität unter dem
bestätigt, aber den Ausblick von stabil auf negativ he-
tes Rating zu möglichst geringen Kosten „gekauft“
Bestreben der Ratingagenturen sich Marktanteile in
diesem Wachstumsmarkt zu sichern. Längerfristige
Reputationsüberlegungen traten demgegenüber zunehmend in den Hintergrund.
Die systematisch zu positiven Einschätzungen von
strukturierten Produkten in den Jahren vor der Fi-
nanzkrise durch die Ratingagenturen waren mit ein
Auslöser für die Wirtschafts- und Finanzkrise.
Februar hat Moody’s das Triple A für Österreich zwar
rabgestuft. Die Ratingagenturen sind zwar weiterhin
von der Stabilität der Wirtschaftspolitik in Österreich
und der Wettbewerbsfähig der Wirtschaft überzeugt,
sehen aber in den ungelösten finanziellen Problemen
der Eurozone, der eher zögerlichen Budgetkonsolidie-
rung in Österreich und im großen Auslandsexposure
des österreichischen Bankensystems in den CESEELändern* Risiken für die langfristige Kreditwürdigkeit
Österreichs.
22
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
Vergleich Österreichs mit den verbliebenen AAA-Staaten
(ohne Liechtenstein, Hongkong, Singapur)
Tab. 4: Vergleich Österreichs mit den verbliebenen AAA-Staaten (ohne Liechtenstein, Hongkong, Singapur)
Der Wirtschaftskraft Österreichs wird von den inter-
Euroraumdurchschnitt und im Pro Kopf Einkommen
bonität zugemessen. Österreichs Wirtschaft wird
guten vierten Platz ein. Bemerkenswert ist auch die
nationalen Ratingagenturen nach wie vor eine Topvon S&P als „wohlhabend, diversifiziert und höchst
wettbewerbsfähig“ beschrieben. Die Innovations-
kraft und Ertragslage der österreichischen Unter-
nehmen ist ausgezeichnet und die internationale
Wettbewerbsfähigkeit hoch. Dies spiegelt sich in
der Leistungsbilanz* wider, die seit 2002 stabil im
Plus ist. Das Wirtschaftswachstum liegt über dem
nimmt Österreich unter den Euroraumländern den
Arbeitslosenquote – mit knapp 4 % die niedrigste
im gesamten Euroraum und auch unter den Triple-A
Staaten im Spitzenfeld.
Die Verschuldung der privaten Haushalte und Unter-
nehmen ist im internationalen Vergleich gering, die
Sparquote hoch. Die Inflationserwartungen sind stabil bei rund 2 % verankert.
23
aktuelle
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
U N TE R L AG E
Neben der ungelösten europäischen Schuldenproble-
60 % des BIP gesenkt werden. Bis Ende 2010 stieg
Erstens liegt Österreich beim Budgetsaldo und der
auf 72,2 %, wodurch Österreich zwar unter dem Eu-
der und der Konsolidierungspfad wird als nicht sehr
meisten Triple-A Ländern liegt. Für die Ratingagen-
matik geben jedoch zwei Bereiche Anlass zur Sorge:
Staatsverschuldung schlechter als viele Triple-A-Länambitioniert erachtet. Zweitens bergen die geringe
Eigenkapitalquote* und das hohe Auslandsexposure
Österreichs, insbesondere des österreichischen Fi-
nanzsektors, in den CESEE-Ländern Risiken für die gesamtstaatliche Kreditwürdigkeit. Denn aufgrund der
die Schuldenquote krisenbedingt allerdings wieder
roraumdurchschnitt (85 %), aber deutlich über den
turen ist auch der zukünftige Konsolidierungsplan
bedeutend. Hier wurden mit der gesetzlichen Verankerung einer Schuldenbremse* und dem Anfang 2012
von der Regierung beschlossenen Konsolidierungs-
paket erste wichtige Schritte gesetzt. Insgesamt wer-
niedrigen Eigenkapitalquote ist die Schockresistenz
den die geplanten Konsolidierungsbemühungen im
nalen Vergleich gering.
sehr ausgeprägt angesehen. Der höhere Schulden-
des österreichischen Bankensystems im internatio-
Sollten negative Entwicklungen in den CESEE-Län-
Vergleich mit anderen Triple-A Staaten aber als nicht
stand verringert den budgetären Spielraum zum Ge-
dern zu einem großen zusätzlichen Kapitalbedarf der
gensteuern im Falle neuer Turbulenzen. Zu den kon-
staatliche Hilfen notwendig machen. Angesichts der
aus österreichischer Sicht neben einer Verschärfung
österreichischen Banken führen, könnte dies erneut
angespannten Budgetlage ist der Spielraum dafür
jedoch deutlich niedriger als noch vor Ausbruch der
Finanz- und Wirtschaftskrise.
Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen
Wie in fast allen Ländern ist auch in Österreich die
Neuverschuldung während der Finanz- und Wirt-
schaftskrise gestiegen. Mit einem Defizit von -4,6 % des
BIP im Jahr 2010 liegt Österreich zwar deutlich bes-
ser als der Euroraumdurchschnitt (-6,2 %), unter den
Triple-A Ländern gibt es jedoch mehrere mit deutlich
kreten Risiken für die öffentlichen Finanzen zählen
der Schuldenkrise in Europa insbesondere das hohe
Exposure in den CESEE-Ländern.
Unterdurchschnittliche
Eigenmittelquoten des österreichischen
Bankensektors
Die aggregierte Kernkapitalquote* (Eigenmittelquo-
te) aller österreichischen Banken ist seit dem Tief
im dritten Quartal 2008 bis zum dritten Quartal
2011 kontinuierlich auf 10,3 % gestiegen. Trotz der
Verbesserung der Eigenmittelsituation der österrei-
geringeren Budgetdefiziten oder sogar Budgetüber-
chischen Banken bestätigen die European Banking
Maastricht konnte in Österreich von 2001 bis 2007
die heimischen Institute im internationalen Vergleich
schüssen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote laut
um etwas mehr als 6 Prozentpunkte auf knapp über
Authority*(EBA)-Berechnungen vom Herbst 2011, dass
weiterhin unterdurchschnittlich kapitalisiert sind.
Konsolidierte Kapitalquoten österreichischer Banken
Tab. 5: Konsolidierte Kapitalquoten österreichischer Banken
24
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
Das Exposure der österreichischen Banken
in Zentral- und Osteuropa (CESEE)
Die österreichischen Banken haben ihre Auslands-
aktivitäten in den letzten Jahren stetig ausgeweitet.
Das Hauptaugenmerk wurde dabei auf die Erschließung der Märkte in den CESEE-Ländern gelegt. Ende
Juni 2011 belief sich das konsolidierte Auslandsobligo
(Aktiva) der heimischen Banken auf 376 Milliarden
Euro.2 In absoluten Zahlen gibt es mehrere europäi-
sche Staaten (UK, Frankreich, Deutschland, Schweiz,
Niederlande, Italien) mit höheren internationalen
Forderungen. Relativ (in Prozent des BIP) nimmt Ös-
terreich jedoch hinter der Schweiz, den Niederlanden
70 | April | 2012
und dem Vereinigten Königreich mit 125 % den vier-
ten Platz ein. Österreich ist zwar in den besonders
krisengeschüttelten Euroraumländern Irland, Spa-
nien, Griechenland und Portugal kaum exponiert.
Aufgrund der hohen Konzentration der Auslandsaktivitäten auf die CESEE-Länder ist das österreichische
Bankensystem jedoch für regionale Schocks in dieser
Region besonders anfällig. Ende September 2011 entfielen allein 222,4 Mrd. Euro an internationalen For-
derungen von mehrheitlich in österreichischem Be-
sitz befindlichen Banken (d.h. ohne die Bank Austria,
die der italienischen Unicredit zugerechnet wird) auf
die CESEE-Länder.
Vergleich der konsolidierten Auslandsforderungen westlicher Banken
Tab. 6: Vergleich der konsolidierten Auslandsforderungen westlicher Banken
2 Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
25
aktuelle
U N TE R L AG E
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
Konsolidierten Auslandsforderungen österreichischer Banken
Tab. 7: Konsolidierten Auslandsforderungen österreichischer Banken
26
3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise
70 | April | 2012
Bei der Beurteilung des CESEE-Exposures der öster-
Der Großteil des Exposures besteht mit 56 % gegen-
dass es sich hierbei keinesfalls um einen homogenen
gliedsstaaten, wo das wirtschaftliche und politische
reichischen Banken wird jedoch vielfach übersehen,
Wirtschaftsraum handelt und dass die Verflechtung
des österreichischen Bankensektors mit der Region
breit diversifiziert ist.
über den im Jahr 2004 neu beigetretenen EU-Mit-
Risiko vielfach recht gering eingeschätzt wird. Eine
– für Österreich allerdings sehr wichtige – Ausnahme
stellte zuletzt Ungarn dar.
Engagement der Banken in der CESEE-Region
Abb. 6: Engagement der Banken in der CESEE-Region
Trotz höherer Aufwendungen für Risikovorsorgen*
stieg das Periodenergebnis* in der Region im Jahr
2011 auf rund 1,8 Mrd. Euro. Die höhere Ertragskraft
Mittel- und langfristig verspricht das CESEE-Enga-
gement der österreichischen Banken auch weiterhin
gute Ertragschancen, denn innerhalb Europas hat
geht allerdings mit einem größeren Kreditrisiko ein-
diese Region das größte Wachstumspotenzial. Der
der stärker an und lag bei rund 7,3 %.
war bemerkenswert, ist aber noch keinesfalls abge-
her. Die Wertberichtigungsquote* stieg zuletzt wie-
Aufholprozess dieser Länder in den letzten Jahren
schlossen. Das Wachstumsdifferenzial zwischen den
EU-Mitgliedstaaten der Region und dem Euroraum
hat sich während der Krise zwar verringert. Die ver-
fügbaren Prognosen gehen aber davon aus, dass der
Abstand in den nächsten Jahren wieder auf etwa 2
Prozentpunkte steigen wird.
27
aktuelle
4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
U N TE R L AG E
4 DER BLICK IN DIE ZUKUNFT: DIE KONJUNKTURPROGNOSE
„Prognosen sind eine unsichere Sache. Vor allem wenn
sie die Zukunft betreffen.“ (Mark Twain)
der abhängigen Gleichungen, die mittels mathematischer und statistischer Methoden geschätzt
werden. Gesamtwirtschaftliche Modelle können
4.1 Wie entsteht eine
Konjunkturprognose?
für Konjunkturprognosen ebenso eingesetzt wer-
Konjunkturprognosen sind unverzichtbare Entschei-
wichtiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
dungshilfen für Unternehmen und Wirtschaftspo-
litiker. Der Entscheidung über das Zinsniveau durch
die europäische Zentralbank liegt neben anderen
den wie zur Abschätzung der Wirkungen wirtschaftpolitischer Maßnahmen oder Änderungen
wie der Ölpreise oder der Wechselkurse.
Kurzfristig (d.h. über einen Horizont von ein bis zwei
wichtigen Informationen ebenso eine Konjunktur-
Jahren) ist das BIP in vielen Modellen nachfragesei-
Finanzministers. Auch Unternehmen treffen ihre In-
werden die Ergebnisse hingegen angebotsseitig, d.h.
prognose zugrunde wie dem Budgetentwurf des
vestitionsentscheidungen nicht zuletzt auf Basis von
Nachfrageerwartungen, also auf Basis einer Wachs-
tumsprognose.
4.2 G
esamtwirtschaftliche Modelle:
Das wichtigste Werkzeug
für Konjunkturprognosen
Viele nationale und internationale Entscheidungs-
träger erstellen ihre Konjunkturprognosen mit Hilfe
von gesamtwirtschaftlichen Modellen. So unterhält
auf internationaler Ebene beispielsweise die Europäische Kommission, die EZB, der Internationale
tig bestimmt. Langfristig (länger als zwei, drei Jahre)
durch die zur Verfügung stehenden Produktionsfak-
toren (Kapital und Arbeit) und den technischen Fort-
schritt bestimmt.
In einem gesamtwirtschaftlichen Modell wird eine
Volkswirtschaft in einzelne Sektoren unterteilt. Die
drei wichtigsten Sektoren sind der Unternehmenssek-
tor, der Sektor der privaten Haushalte und der Sektor
Staat. Neben den Sektoren werden noch verschiedene Märkte wie z.B. der Arbeitsmarkt, der Gütermarkt
oder der Kreditmarkt abgebildet. Die Modellstruktur
folgt dabei stark der Methodik der Volkswirtschaftli-
chen Gesamtrechnung.
Währungsfond oder die OECD gesamtwirtschaftliche
Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
die OeNB.
wirtschaftliche Geschehen einer Volkswirtschaft.
Modelle, auf nationaler Ebene das WIFO, das IHS und
Ein gesamtwirtschaftliches oder makroökonomet-
risches Modell bildet die ökonomischen Wirkungszusammenhänge einer Volkswirtschaft ab. Es ba-
bietet einen umfassenden Überblick über das
Sie ist ein wirtschaftstatistisches System, das ex-
post – also nach Abschluss einer Wirtschaftsperiode (Jahr oder Quartal) – alle Güter- und Einkom-
mensströme kontenmäßig erfasst. Man kann die
siert einerseits auf theoretischen Überlegungen
VGR daher auch als eine Art volkswirtschaftliche
und andererseits auf empirischen Beobachtungen
folgt dem Kreislaufgedanken wirtschaftlicher Zu-
de Annahme – auch in Zukunft Gültigkeit haben. dargestellt wird. Zentrales Ergebnis der VGR ist
betreffend die ökonomischen Zusammenhänge
der Vergangenheit, die – so die zugrunde liegen-
Das Verhalten der verschiedenen Wirtshaftakteure wird in Form von mathematischen Gleichungen
beschrieben. Ein gesamtwirtschaftliches Modell
28
besteht daher aus einem System von untereinan-
Buchhaltung bezeichnen. Der Aufbau der VGR
sammenhänge wie er in Abbildung 7 schematisch
die quantitative Erfassung der Entstehung, Verwendung und Verteilung des Bruttoinlandspro-
duktes. Als wichtigstes statistisches Instrument
4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
70 | April | 2012
der Wirtschaftsbeobachtung ist die VGR eine we-
wirtschaftlichen Modell abgebildet werden. Der
unternehmerische Entscheidungen. Sie findet in
sätzliche Märkte wie z.B. den Geldmarkt oder den
sentliche Grundlage für wirtschaftspolitische und
dargestellte Wirtschaftskreislauf kann noch um zu-
der volkswirtschaftlichen Analyse und Prognose
Immobilienmarkt erweitert werden.
ternationale Vergleiche.
Unumgänglich insbesondere für kleine offene Volks-
Verwendung und ist Grundlage für zahlreiche in-
Abbildung 7 zeigt die vielfachen Wirkungszusammenhänge, die bereits in einem einfachen gesamt-
wirtschaften wie z.B. Österreich ist auch die Berück-
sichtigung des „Auslands“ als zusätzlichen Sektor, der
aus Darstellungsgründen ausgeblendet wurde.
Schematische Darstellung des inländischen Wirtschaftskreislaufs
Abb. 7: Schematische Darstellung des inländischen Wirtschaftskreislaufs
Das Verhalten der Wirtschaftsakteure in jedem Sek-
Die privaten Haushalte geben 90 % ihres verfügba-
tor wird durch Gleichungen dargestellt. Beispielhaft
ren Einkommens für Konsumzwecke aus. Der Rest
der privaten Haushalte angeführt.
gen die Konsumausgaben mit der Höhe des ange-
sei eine einfache Gleichung für die Konsumausgaben
des Einkommens wird gespart. Darüber hinaus stei-
Konsum = 0,9 x Einkommen
häuften Vermögens und sinken bei höheren Zinsen,
sätzlich können auch weniger handfeste Faktoren
+ 0,1 x Vermögen
- 0,01 x Zinsen.
weil dadurch Konsumkredite verteuert werden. Zu-
29
aktuelle
4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
U N TE R L AG E
wie das Vertrauen der Konsumenten eine wichtige
wiederum das Einkommen und damit wiederum die
lassen sich die gegenseitigen Abhängigkeiten und
schaftsprognostiker mit Modellen, in denen mehrere
Rolle spielen. Bereits in diesem einfachen Beispiel
Verflechtungen im Wirtschaftskreislauf sehr gut
veranschaulichen. Nehmen wir als Beispiel das Ein-
kommen, das allen Haushalten zusammengerech-
Konsumausgaben. Aus diesem Grund arbeiten Wirt-
Gleichungen gleichzeitig gelöst werden – sogenannte simultane Gleichungssysteme.
net zur Verfügung steht. Es hängt ganz wesentlich
Gleichungen wie die oben beschriebene für das Kon-
Unternehmen zahlen, ab. Aber auch die Steuern und
reiche einer Volkswirtschaft. Zusammen sollen sie ein
und die Transferzahlungen, die man vom Staat erhält,
schaftablaufs geben. Wie umfangreich und detailliert
von der Höhe des durchschnittlichen Lohns, den die
Abgaben, die an den Staat gezahlt werden müssen,
bestimmen das Einkommensniveau. Hinzu kommen
sumverhalten des Haushaltssektors gibt es für alle Be-
möglichst realistisches Abbild des tatsächlichen Wirtein Modell ist, hängt nicht zuletzt von der jeweiligen
noch Gewinnausschüttungen von Unternehmen und
Fragestellung ab. Dabei gilt es, die richtige Balance
von der Geldpolitik maßgeblich beeinflusst. Neben
gender Größe eines Modells wird es immer schwieri-
die Zinseinkommen aus Vermögen. Letztere werden
zwischen Größe und Einfachheit zu finden. Mit stei-
diesen direkten sind aber auch noch indirekte Effek-
ger, dessen Wirkungsweise genau nachzuvollziehen.
steigt das BIP. In der Folge werden neue Arbeitsplät-
aus 283 Gleichungen und 369 Variablen und ist damit
ten bedeutsam. Konsumieren die Haushalte mehr, so
ze geschaffen und das Lohnniveau steigt. Das erhöht
Das aktuelle Modell der OeNB besteht beispielsweise
ein mittelgroßes gesamtwirtschaftliches Modell.
4.3 Vier Schritte zur Konjunkturprognose
Vier Schritte zur Konjunkturprognose
Externe
Rahmenbedingungen
kurzfristprognose
Einschätzung der wirtschaftlichen Situation für das nächste Quartal
mithilfe von Indikatoren (z.B. wachsende Unternehmenskredite)
konjunkturprognose
für die nächsten zwei bis drei Jahre werden BIP-Wachstum, die Preisund Kostenentwicklung, die Aussichten für den Arbeitsmarkt und die
Budgetentwicklung prognostiziert
Expertenwissen
30
Dazu zählen alle global bestimmten Größen, wie das Niveau der
Wechselkurse und der Rohstoffpreise, Wachstums- und Preisent­
wicklung bei wichten Handelspartnern
Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Experten
(z.B. Aspekte der aktuellen Krise)
4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
70 | April | 2012
In der Praxis läuft die Erstellung einer Prognose übli-
planten Investitionsvorhaben bzw. Konsumausgaben
kurz skizziert werden. Zunächst werden Annahmen
Arbeitskräfte („offene Stellen“) zeigen frühzeitig die
cherweise in vier Arbeitsschritten ab, die nachfolgend
über die externen Rahmenbedingungen getroffen.
Danach folgt eine indikatorgestützte Kurzfrist-Pro-
gnose des Wirtschaftswachstums in Österreich (für
zwei Quartale). Anschließend wird die eigentliche
Prognose mit Hilfe eines gesamtwirtschaftlichen
Modells erstellt. Abschließend werden die Ergebnisse
noch entsprechend den Einschätzungen der Experten
liefern. Die Zahl der von Unternehmen gesuchten
weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt an. Be-
sondere Bedeutung haben auch Umfragedaten, die
die Stimmungslage der Wirtschaftsakteure zu erfas-
sen helfen und damit den für die Konjunkturentwick-
lung so wichtigen Faktor „Psychologie“ abdecken. Die
OeNB beispielsweise verdichtet die Informationen,
die aus diesen Indikatoren gewonnen werden kön-
adaptiert, falls dies durch aktuelle Entwicklungen,
nen, in ihrem OeNB-Konjunkturindikator, der das
werden können, oder durch institutionelle Faktoren
mende Quartal schätzt.
die nicht durch die Modellgleichungen abgebildet
geboten erscheint.
Externe Rahmenbedingungen: Viele wichti-
Wirtschaftswachstum für das laufende und das kom-
Konjunkturprognose: Basierend auf den externen Annahmen und der Kurzfristprognose wird nun
ge Größen des Wirtschaftslebens können nicht im
die eigentliche Konjunkturprognose erstellt. Mit Hil-
Österreich prognostiziert werden. Dazu zählen alle
BIP-Wachstum, die Preis- und Kostenentwicklung, die
Rahmen eines gesamtwirtschaftlichen Modells für
global bestimmten Größen, wie das Niveau der kurzund langfristigen Zinsen, der Wechselkurse und der
Rohstoffpreise. Auch die Wachstums- und Preisent-
fe eines gesamtwirtschaftlichen Modells werden das
Aussichten für den Arbeitsmarkt und die Budgetent-
wicklung für die nächsten zwei bis drei Jahre prog-
nostiziert. Das BIP-Wachstum wird dabei meist nicht
wicklung bei unseren wichtigsten Handelspartner
direkt geschätzt, sondern ergibt sich aus der Progno-
kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich mit ei-
des privaten Konsums, des öffentlichen Konsums,
muss exogen vorgegeben werden. Gerade für eine
nem großen Außenhandelsanteil ist die Bedeutung
der externen Annahmen für die Qualität der gesamten Prognose immens. Entsprechend sorgfältig muss
bei der Festlegung dieser Rahmenbedingungen vorgegangen werden.
Kurzfrist-Prognose: Als zweiter Schritt folgt die
Einschätzung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Si-
tuation und der weiteren Entwicklung in den nächsten Monaten, um einen möglichst guten Überblick
über den aktuellen konjunkturellen Ausgangspunkt
der Prognose zu erhalten. Hier helfen sogenannte
Indikatormodelle, die eine einfache Beziehung zwi-
se seiner verwendungsseitigen Komponenten, d.h.
der Exporte und Importe, der Bruttoanlageinves-
titionen und der Lagerveränderungen. Diese erge-
ben zusammen das Bruttoinlandsprodukt. Auch die
Preisentwicklung wird separat für jede Komponente
prognostiziert. Die Prognose der einzelnen BIP-Kom-
ponenten erlaubt es die Wirkungszusammenhänge
im Wirtschaftskreislauf abzubilden und eine in sich
schlüssige und konsistente „Prognosegeschichte“ zu
erzählen.
Expertenwissen: Zusätzlich zum Einsatz eines
gesamtwirtschaftlichen Modells ist aber vor allem
die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung
schen verfügbaren Wirtschaftsindikatoren und ei-
durch die Experten von zentraler Bedeutung, da ge-
wachstum, herstellen. Gute Indikatoren müssen
unzureichend in der Lage sind, außergewöhnlichen
ner gewünschten Zielgröße, meist dem Wirtschaftsfrühzeitig verfügbar sein, gute Vorlaufeigenschaften
aufweisen und nicht anfällig für zukünftige Revisio-
nen sein. So kann beispielsweise das Wachstum der
Kredite an Unternehmen und Haushalte wertvolle
Informationen über die in der nahen Zukunft ge-
samtwirtschaftliche Modelle nicht bzw. häufig nur
Ereignissen (z. B. geopolitische Krisen, Naturkatastrophen aber auch viele Aspekte der aktuellen Krise)
oder Strukturbrüchen (z. B. Gesetzesänderungen oder
EU-Integration) gerecht zu werden.
31
aktuelle
U N TE R L AG E
4.4 Warum sind Prognosen falsch?
von wirtschaftlichen Akteuren auf Prognosen können
„Errare humanum est“, das gilt natürlich auch für
können Unternehmen ihre Investitionen angesichts
Wirtschaftsprognostiker. Der Blick in die ökonomi-
sche Glaskugel ist unvermeidlich mit Fehlern behaf-
tet. Eine nähere Analyse dieser Fehler ist aus zweierlei
jedoch die Wirtschaftsentwicklung beeinflussen. So
einer pessimistischen Prognose drosseln. Dies führt
zu einer selbsterfüllenden Prognose. Doch auch das
Gegenteil ist denkbar. So wird die Geldpolitik auf
Gründen wichtig. Erstens kann eine genaue Analyse
Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingun-
zu verringern. Zweitens hilft die Fehleranalyse den
Fiskalpolitik kann einer prognostizieren Wachstums-
der Prognosefehler dazu beitragen, diese in Zukunft
gen, die die Preisstabilität gefährden, reagieren. Die
Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft zu
schwäche mit einem Konjunkturpaket entgegenwir-
vermag und den in der Öffentlichkeit und in der me-
führen, da die prognostizierte Entwicklung aufgrund
erkennen, was eine Wirtschaftsprognose zu leisten
dialen Diskussion vielfach vorherrschenden Missver-
ständnissen entgegenzuwirken.
Die drei wichtigsten Gründe
für Prognosefehler sind:
1) Fehler bei den externen Annahmen
2) Revision historischer Daten
3) Fehler der Experten bzw. der verwendeten Modelle
Wesentlich für ein richtiges Verständnis von Wirt-
schaftsprognosen ist das Konzept der „bedingten“
Prognose, das heißt jede Prognose geht von be-
stimmten externen Annahmen über ihre Rahmenbedingungen aus. So liegt der gesamtwirtschaftlichen
ken. Dies kann zu einer selbstzerstörenden Prognose
der Reaktion auf die Prognose nicht eintritt.
Besonders schwer ist es, die Bedeutung der Revisionen
historischer Daten für Prognosefehler der Öffentlichkeit
zu vermitteln. Viele ökonomische Daten stehen erst
mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung zur Verfü-
gung, sind mit teils großen Messfehlern behaftet und
unterliegen häufig erheblichen Revisionen. So wurde
das österreichische Wirtschaftswachstum gemessen
am realen BIP für das Jahr 1999 in der ersten Veröffent-
lichung mit nur 2,1 % ausgewiesen. Inzwischen wurde
diese Zahl auf 3,5 % erhöht. Aber nicht nur viele der prognostizieren Reihen selbst, sondern auch zahlreiche
Konjunkturindikatoren, die – wie z.B. die Industriepro-
duktion – im Rahmen der Erstellung einer Prognose
Prognose der OeNB die Annahme zu Grunde, dass
eine wichtige Informationsquelle bilden, müssen häu-
Prognosezeitraum den Markterwartungen (Termin-
gangslage einer Prognose und tragen insbesondere zu
die Zinssätze und die Ölpreise über den gesamten
kursen) folgen und die Wechselkurse des Euro gegen-
über allen anderen Währungen unverändert bleiben.
In ähnlicher Weise werden Annahmen etwa für das
künftige Wachstum des Welthandels sowie für die
Entwicklung inländischer Größen wie Löhne oder
fig revidiert werden. Falsche Daten verzerren die Aus-
Beginn des Prognosehorizonts nicht unwesentlich zu
Prognosefehlern bei. Da sich Revisionen (fast) nicht vor-
hersagen lassen, sind darauf beruhende Prognosefehler
zwar ärgerlich, aber (fast) unvermeidbar.
Staatseinnahmen und -ausgaben getroffen. Für eine
Die dritte – für den Prognostiker unangenehmste – Feh-
dabei insbesondere die Annahmen betreffend der
des Experten kann ebenso falsch sein wie das von ihm
kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich sind
zukünftigen Entwicklung der außenwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen von zentraler Bedeutung. Ökonomische Prognosen dienen in erster Linie als Ba-
sis für wirtschaftspolitische Entscheidungen. Dadurch
unterschieden sie sich wesentlich von etwa einer
Wetterprognose. Das tatsächliche Wetter wird sich
unabhängig von der Prognose einstellen. Reaktionen
32
4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
lerquelle stellt er selbst dar: Die subjektive Einschätzung
verwendete Modell. Das ein Modell falsch sein kann,
liegt in der Natur der Sache. Wie Experten mit ihrer
Einschätzung danebenliegen können, sei wieder an-
hand eines Beispiels zu den privaten Konsumausgaben
illustriert. In einer Phase schwachen Wirtschaftswachstums wird mit einer unterdurchschnittlichen Lohnent-
wicklung und steigender Arbeitslosigkeit zu rechnen
sein. Das Einkommen der privaten Haushalte wird zu-
4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose
70 | April | 2012
mindest unterdurchschnittlich wachsen oder sogar sin-
Wie stark können Änderungen
Wenn sie die Wachstumsschwäche als temporäres Phä-
die Prognoseergebnisse verändern?
ken. Wie reagieren nun die privaten Haushalte darauf?
nomen interpretieren, werden sie ihre Konsumausga-
ben nur geringfügig zurücknehmen und in Erwartung
eines baldigen Aufschwungs in den Sparstrumpf grei-
fen. Erwarten die Konsumenten hingegen eine längere
Abschwungphase, so werden sie ihre Konsumausgaben
der externen Annahmen nun
Die Auswirkungen auf das Wachstum und die
Inflation in Österreich können mit Hilfe von ge-
samtwirtschaftlichen Modellen simuliert werden.
Die hier angeführten Ergebnisse für vier typische
Simulationen basieren auf dem gesamtwirtschaft-
an das niedrigere Einkommen anpassen und aus Sorge
lichen Modell der OeNB. Die gezeigten Szenarien
mehr zur Seite legen als in guten Zeiten. Dieses Phäno-
wertung des Euro gegenüber allen anderen Wäh-
um einen möglichen Arbeitsplatzverlust vielleicht sogar
men bezeichnen die Ökonomen als Angstsparen. Es
liegt nun am Experten, sich für ein bestimmtes Verhal-
tensmodell zu entscheiden.
Vergleicht man die vorliegenden Prognosen verschiedener Institutionen miteinander, so stechen zwei
Fakten ins Auge. Erstens sind Prognosen „glatter“
sind ein Anstieg des Ölpreises um 10%, eine Aufrungen um 10%, ein Anstieg der Zinsen um 100 Ba-
sispunkte (=1%) und ein Anstieg des Welthandels
und damit der Nachfrage nach österreichischen
Exporten um 1%. Die Ergebnisse geben die Abwei-
chung des BIP bzw. des HVPI von der Basislösung
nach drei Jahren an.
als die Realisationen, d.h. Prognosen sind typischer-
in Boomphasen und überschätzen es in Rezessionen.
Euro
weise konservativ, sie unterschätzen das Wachstum
Zweitens liegen die Prognosen meist relativ nah bei-
einander. Dies wird auch als Herdentrieb bezeichnet
und liegt nicht nur in dem üblicherweise regen Kon-
takt zwischen den Prognostikern begründet. Viel-
mehr ist es für Prognostiker häufig weniger proble-
matisch, sich „gemeinsam“ mit anderen zu irren, als
alleine eine Fehlprognose abzuliefern.
Ölpreis
-Wechselkurs
Zinsen Welthandel BIP
-0,20% -0,47% -0,10% +0,38% HVPI
+0,46%
-1,03%
-0,39%
+0,11%
Natürlich tragen aber auch außergewöhnliche Er-
eignisse zur Prognoseunsicherheit bei. Dazu zählen
wirtschaftliche Sonderentwicklungen, die nicht mit
Hilfe von Modellen erklärbar und somit nicht prognostizierbar sind, ebenso wie politische Krisen und
3.5 Darstellung von Prognoserisiken
Naturkatastrophen. Beispiele dafür sind die Terror-
Auch ohne dramatische Ereignisse wie Kriege oder
katastrophe 2002 oder einige Aspekte der aktuellen
Naturkatastrophen ist jede Prognose mit Unsicher-
heit behaftet. Der Grad an Unsicherheit kann jedoch
von Prognose zu Prognose stark variieren. Die Quantifizierung des Prognoserisikos erfolgt vor allem durch
die Berechnung von Szenarien, die – im Vergleich
anschläge vom 11. September 2001, die Hochwasser-
Finanzkrise. Unter bestimmten Annahmen lassen
sich die Auswirkungen solcher Ereignisse mit Hilfe
gesamtwirtschaftlicher Modelle simulieren.
Eine andere Form von Risiken stellen die jeder Prog-
zur Basisprognose – die wirtschaftliche Entwicklung
nose immanenten Prognoseungenauigkeiten dar, da
dingungen darstellen. Dies geschieht üblicherweise
berücksichtigt werden können. Diesen Risiken trägt
bei geänderten außenwirtschaftlichen Rahmenbeunter Zuhilfenahme gesamtwirtschaftlicher Model-
le. Zu den typischen Szenarien gehören alternative
Annahmen bezüglich der zukünftigen Entwicklung
des Ölpreises, der Wechselkurse, der Zinsen oder des
Welthandels.
eben nicht alle Einflüsse in einem Prognosemodell
etwa die EZB in der Veröffentlichung der Prognosen
für den Euroraum durch „Bandbreiten“ Rechnung,
die mit zunehmender Entfernung von Prognosezeit-
punkt immer größer werden.
33
aktuelle
U N TE R L AG E
5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
5 PROGNOSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFT BIS 2013
5.1 Hauptergebnisse der Prognose
Die österreichische Wirtschaft konnte im Jahr 2011
kräftig expandieren. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) erwartet in ihrer vorliegenden Prognose
für das Jahr 2011 ein reales BIP-Wachstum von 3,3 %.
Im Jahr 2012 wird das Wachstum aufgrund der deut-
amerikanischen Immobilienmarkt und die hohe Ver-
schuldung der privaten Haushalte dämpfen aber die
kurz- bis mittelfristigen Wachstumsaussichten.
Rahmenbedingungen und des Vertrauenseinbruchs
5.3 Euroraumkrise dämpft
Wachstumsaussichten
mit der unterstellten Erholung der internationalen
Die Konjunktur im Euroraum hat sich nach einem
mit der Staatsschuldenkrise verbundenen Vertrau-
zweiten und dritten Quartal 2011 war im Euroraum
lichen Verschlechterung der außenwirtschaftlichen
voraussichtlich nur noch 0,7 % betragen. Im Einklang
Konjunktur und dem angenommenen Abklingen der
ensverluste wird es im Jahr 2013 zu einer Beschleuni-
guten ersten Quartal 2011 deutlich abgeschwächt. Im
nur noch ein geringes Wachstum von jeweils 0,2 % zu
gung des Wachstums auf 1,6 % kommen. Im Vergleich
verzeichnen; im vierten Quartal war ein Rückgang um
Konjunkturaussichten damit wesentlich ungünstiger
der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise verbundenen
zur OeNB-Prognose vom Juni 2011 stellen sich die
dar. Die Prognose für die Jahre 2012 und 2013 wurde
um 1,6 bzw. 0,9 Prozentpunkte zurückgenommen.
0,3 % zu verzeichnen. Dafür zeichnen neben den mit
Konsolidierungsmaßnahmen und Vertrauensverlusten die Abkühlung der globalen Konjunktur und die
hohen Energiepreisanstiege verantwortlich. Zu Jah-
Die HVPI-Inflation erreicht 2011 aufgrund starker
resbeginn 2012 ist mit einer Rückkehr zu moderaten
mitteln und Energie 3,5 %. In den Jahren 2012 bzw.
Annahme zugrunde, dass es weder zu einer weiteren
Preissteigerungen bei Dienstleistungen, Nahrungs2013 wird es aufgrund fallender Rohstoffpreise zu
Wachstumsraten zu rechnen. Der Prognose liegt die
Zuspitzung noch zu einer raschen Lösung der Staats-
einem deutlichen Rückgang der Teuerung auf 2,2 %
schuldenkrise kommt.
vor allem konjunkturbedingt und durch den Wegfall
Die Lage in Griechenland hat sich in letzter Zeit dra-
BIP verbessern und in den beiden Folgejahren um die
Hilfspakets vereinbarten und zum Teil auch bereits
bzw. 1,6 % kommen. Der Budgetsaldo wird sich 2011
von Einmaleffekten spürbar von –4,4 % auf –3,1% des
3-Prozent-Grenze pendeln (2012: –2,9 %, 2013: –3,2 %).
matisch zugespitzt. Die im Rahmen des zweiten
umgesetzten Sparmaßnahmen haben nicht im er-
warteten Ausmaß zu einer Stabilisierung der Fiskalsituation geführt. Daher ist auch unklar, ob der im
5.2 Erholung der Weltwirtschaft
verliert an Kraft
zweiten Hilfspaket ausverhandelte Schuldenschnitt
Die Perspektiven für die Weltwirtschaft haben sich
angesichts der erforderlichen fiskalischen Anpassun-
seit dem Sommer 2011 deutlich eingetrübt. Die Zuspitzung der Schuldenkrise fällt mit einer Abschwä-
chung des – immer noch kräftigen – Wachstums in
ausreicht, damit Griechenland auf einen langfristig
tragfähigen Schuldenpfad einschwenken kann. Die
gen stark gestiegene Unzufriedenheit der Bevölkerung
hat mittlerweile zur Regierungsauflösung geführt. Es
ist unklar, ob die derzeitige Übergangsregierung in der
den Schwellenländern zusammen. Die Finanzmärkte
Lage sein wird, die erforderlichen Maßnahmen umzu-
in der Bekämpfung der Schuldenproblematik; dies
Finanzhilfen ausbezahlt werden können. Dazu leidet
zeigen sich skeptisch gegenüber den Fortschritten
führt zu einer Neubewertung der Risiken und einem
Anstieg der Renditen* auf Staatsanleihen*. Die USA
34
sind zwar nicht von Rezessionsgefahren bedroht, die
nach wie vor sehr angespannte Lage auf dem US-
setzen, damit die nächsten Tranchen der europäischen
Griechenland unter einem massiven Verlust an inter-
nationaler Wettbewerbsfähigkeit. Das Jahr 2012 wird
5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
70 | April | 2012
Hauptergebnisse der Prognose für Österreich1
Abb. 8: Hauptergebnisse der Prognose für Österreich; Quelle: OeNB, Statistik Austria
damit – auch unter der, der Prognose zugrunde liegen-
den Annahme, dass Griechenland nicht einseitig seine
Zahlungsunfähigkeit erklärt – das fünfte Jahr in Folge
nur Irland auf einem moderaten Erholungspfad. Trotz
dramatischer Konsolidierungsmaßnahmen, die in-
folge der umfangreichen Bankenrettungspakete er-
mit einer rückläufigen Wirtschaftsleistung sein.
forderlich geworden sind, konnte die Rezession dank
Derzeit erhalten neben Griechenland auch Irland und
Maßgeblich dazu beigetragen hat eine dank sinken-
gemeinschaft. Von diesen drei Ländern befindet sich
bewerbsfähigkeit. Portugal steckt hingegen noch
Portugal Finanzhilfen von der europäischen Staaten-
Zuwächsen im Außenhandel überwunden werden.
der Lohnstückkosten verbesserte preisliche Wett-
35
aktuelle
5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
U N TE R L AG E
Internationale Rahmenbedingungen der Prognose
2010
2011
2012
2013
Veränderung zum Vorjahr in % (real)
Bruttoinlandsprodukt
Welt ohne Euroraum
USA
Japan
Asien ohne Japan
Lateinamerika
Vereinigtes Königreich
Neue EU-Mitgliedstaaten 1
Schweiz
+5.7
+3.0
+4.1
+9.4
+6.0
+1.8
+1.9
+2.7
+4.1
+1.8
-0.3
+7.3
+4.4
+0.9
+3.1
+1.9
+3.9
+1.8
+1.9
+6.7
+3.5
+1.0
+2.2
+0.9
+4.5
+2.5
+1.7
+7.4
+4.1
+2.0
+3.0
+1.6
Euroraum 2
+1.8
1.5 - 1.7
-0.4 - 1
0.3 - 2.3
+12.4
+13.6
+11.8
+11.4
+6.9
+7.2
+6.4
+6.7
+5.6
+5.6
+4.8
+4.4
+7.1
+7.6
+6.9
+6.4
79.6
0.8
3.2
1.33
111.5
1.4
3.3
1.40
109.4
1.2
3.8
1.36
104.0
1.4
4.1
1.36
104.63
104.63
103.70
103.70
Welthandel (Importe i. w. S.)
Welt
Welt außerhalb des Euroraums
Wachstum der Exportmärkte des Euroraums (real)
Wachstum der österreichischen Exportmärkte (real)
Preise
Erdölpreis in USD/Barrel Brent
Drei-Monats-Zinssatz in %
Langfristiger Zinssatz in %
USD/EUR-Wechselkurs
Nominal-effektiver Wechselkurs des
Euro (Euroraum-Index)
1 2004 und 2007 beigetretene EU-Mitgliedstaaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben: Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen. Ab 2011: ohne Estland.
2 2011 bis 2013: Ergebnis der Dezember-Projektion 2011 des Eurosystems. Die EZB veröffentlicht die Ergebnisse in Form von Bandbreiten,
wobei die Bandbreiten auf dem durchschnittlichen Prognosefehler früherer Projektionen beruhen.
Abb. 9: Internationale Rahmenbedingungen der Prognose; Quelle: Eurosystem
inmitten einer sehr schwierigen Anpassungsphase.
Die Sparmaßnahmen führen zu massiven Einbußen
im verfügbaren Haushaltseinkommen, da neben den
chen Wachstum des Produktionspotenzials im Jahr
öffentlichen Beschäftigten weite Kreise von Transfer-
2012 zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung
teren drastischen Konsolidierungsmaßnahmen zu
Spanien hat zwar im Vergleich zu Griechenland und
empfängern betroffen sind. Im Jahr 2012 ist mit wei-
rechnen. Als Folge davon wird sich der BIP-Rückgang
im Jahr 2012 spürbar beschleunigen.
führen.
Italien eine relativ geringe öffentliche Verschuldung,
der private Sektor hatte hingegen im Zuge des kredit-
Italien hat angesichts einer Staatsschuldenquote
finanzierten Immobilienbooms seine Verschuldung
ebenfalls unter einem Vertrauensschwund durch
che Korrektur des über Jahre hinweg akkumulierten
von 120 % des BIP und seiner Wachstumsschwäche
die Finanzmarktakteure zu leiden. Die Kurse von ita-
lienischen Staatsanleihen sind in den letzten Monaten spürbar gesunken. Derzeit (Stand: 22. November
2011) betragen die Renditeunterschiede zu deutschen
Staatsanleihen 487 Basispunkte. Der Anstieg der Fi-
36
nanzierungskosten für die Unternehmen und priva-
ten Haushalte wird in Verbindung mit dem schwa-
stetig erhöht. Darüber hinaus dämpft die erforderli-
Leistungsbilanzdefizits die Wachstumsaussichten.
Die spanische Wirtschaft wird zwar in den Jahren
2011 und 2012 nach der Stagnation im Vorjahr (–0,1
%) wieder wachsen, das Tempo der Expansion bleibt
aber sehr verhalten.
5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
70 | April | 2012
Die wichtigste Volkswirtschaft im Euroraum, Deutsch-
5.5 Inlandsnachfrage bleibt verhalten
Erholung verzeichnet, die sich bis weit ins Jahr 2011
Im Zuge der einsetzenden Erholung kam der Investi-
land, hat hingegen im Jahr 2010 eine eindrucksvolle
fortgesetzt hat. Im zweiten Quartal 2011 kam es
zwar bedingt durch Sonderfaktoren (wetterbeding-
ter Rückgang der Bauinvestitionen und Abschaltung
von Kernkraftwerken nach der Erdbebenkatastrophe
in Japan) zu einer deutlichen Abschwächung nach
einem sehr starken ersten Quartal, die zugrunde-
liegende starke Dynamik hat sich aber bis ins dritte
tionszyklus im Jahr 2010 langsam in Schwung, verlor
aber bereits zur Jahresmitte 2011 wieder an Kraft.
Die bis zur Mitte des Jahres 2011 noch vorhandenen
Überkapazitäten deuten darauf hin, dass die bisher
getätigten Ausrüstungsinvestitionen in erster Linie
den Ersatz alter Anlagen und weniger die Erweite-
rung der Produktionsmöglichkeiten zum Ziel hatten.
Quartal gehalten. Deutschland als exportorientierte
Im Zuge der Vertrauenskrise und des erwarteten
direkt betroffen. Die abnehmenden Exportauftrags-
Investitionspläne aufschieben und ihre Ausrüstungs-
Volkswirtschaft ist von der globalen Abschwächung
Konjunkturabschwungs werden die Unternehmen
bestände deuten auf eine deutliche Delle in der Ex-
investitionen im Jahr 2012 drosseln (–0,4 %). Der In-
Als direkte Folge wird sich die bislang sehr kräftige
schwach. Im Hochbau ist erst im Jahresverlauf 2012
Unternehmen geplante Erweiterungsinvestitionen
nehmende Baubewilligungen und die zuletzt kräfti-
spürbare Verlangsamung des Wachstums bringen.
tionsdynamik im Tiefbau bleibt aufgrund fehlender
portentwicklung gegen Ende des Jahres 2011 hin.
Investitionskonjunktur ebenfalls abkühlen, da die
aufschieben werden. Das Jahr 2012 wird daher eine
5.4 Österreichs Exportdynamik verliert
mit Ende 2011 an Schwung
Trotz guter wirtschaftlicher Fundamentaldaten wird
vestitionszyklus war damit ungewöhnlich kurz und
mit einer leichten Erholung zu rechnen, worauf zu-
gen Immobilienpreisanstiege hindeuten. Die InvestiImpulse der öffentlichen Hand gering.
5.6 Konsum stabilisiert sich
auf niedrigem Niveau
Österreichs Wirtschaft die Folgen der Schulden- und
Der private Konsum hat im Jahr 2011 unter der hohen
exportorientierte Volkswirtschaft kann sich Öster-
tums nahmen die real verfügbaren Haushaltsein-
Vertrauenskrise deutlich zu spüren bekommen. Als
reich nicht von der Eintrübung der internationalen
Konjunkturperspektiven abkoppeln. Das Export-
Inflation gelitten. Trotz hohen Beschäftigungswachskommen kaum zu. Die Ergebnisse der Herbstlohnrunde 2011 deuten zwar auf ein hohes Wachstum der
wachstum hat sich nach einem sehr guten ersten
Tariflöhne im Jahr 2012 hin, die in einem Abschwung
Ende des Jahres stagnieren. Für das Jahr 2012 ist mit ei-
Überzahlungen werden das Lohnwachstum jedoch
Quartal 2011 spürbar abgekühlt und dürfte gegen
nem deutlich schwächeren Exportwachstum (+2,9 %)
sinkenden Überstundenzahlungen und sonstigen
dämpfen. In Kombination mit einem nur schwachen
als im Jahr 2011 (+7,3 %) zu rechnen. Im Jahr 2013 sollte
Beschäftigungswachstum und fehlenden Impulsen
unterstellten Erholung der internationalen Konjunktur
men ergibt sich daher trotz rückläufiger Inflation im
sich das Wachstum der Ausfuhren im Einklang mit der
wieder erholen.
von den Selbstständigen- und Vermögenseinkom-
Jahr 2012 lediglich ein kaum spürbarer Anstieg der
Kaufkraft. Das prognostizierte Konsumwachstum
von 1,0 % bzw. 0,7 % für die Jahre 2011 und 2012 kann
daher nur durch einen Rückgang der Sparquote fi-
nanziert werden.
37
aktuelle
5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
U N TE R L AG E
5.7 Kräftiges Beschäftigungswachstum
dämpft die Arbeitslosenquote
nur langsam
chischen Arbeitsmarkt. So ist die Anzahl der offenen
Der Arbeitsmarkt konnte in den Jahren 2010 und
weils saisonbereinigt, im Quartalsabstand) seit dem
2011positiv überraschen. In fast allen Wirtschaftssek-
toren wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Seit der
Jahresmitte 2011 signalisieren jedoch wichtige Vor-
laufindikatoren eine Trendwende auf dem österrei-
Stellen seit dem dritten Quartal rückläufig und die
Anzahl der arbeitslos gemeldeten Leiharbeiter ( jezweiten Quartal wieder im Steigen begriffen.
Das Beschäftigungswachstum wird sich 2012 mit 0,4 %
spürbar gegenüber 2010 (1,5 %) abschwächen.
ARBEITSMARKT
Abb. 10: Arbeitsmarkt; Quelle: OeNB, Statistik Austria
Die im Mai 2011 in Kraft getretene vollständige Li-
Arbeitslosigkeit von 4,2 % im Jahr 2011 wieder auf 4,5
hat nach bisherigen Daten zu einem Zuwachs des
2013 verharren. Österreich hat damit in allen drei
beralisierung des österreichischen Arbeitsmarktes
Arbeitskräfteangebots um 20.000 Personen geführt.
Die schwache Konjunktur des Jahres 2012 wird die
38
% ansteigen lassen. Auf diesem Niveau wird sie auch
Prognosejahren die niedrigste Arbeitslosenquote im
Euroraum.
5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013
70 | April | 2012
5.8 Rückgang der Inflation
im Jahr 2012 hauptsächlich durch
Energie bestimmt
Der Rückgang der Inflationsrate von 3,5 % (2011) auf
Die HVPI-Inflation wird 2011 im Jahresdurchschnitt
mittelsektor
3,5 % betragen. Der starke Anstieg der Teuerungsrate im Jahr 2011 ist vor allem auf die Entwicklung
im Dienstleistungssektor (insbesondere Hotel- und
Bewirtschaftungsdienstleistungen) und in einem
geringeren Ausmaß auf den Nahrungsmittel- und
2,2 % im Jahr 2012 ist vor allem auf die Entwicklung
im Energie- und Dienstleistungssektor sowie – in ei-
nem geringeren Ausmaß – auch auf den Nahrungszurückzuführen.
Ausschlaggebend
dafür sind fallende Rohstoffpreise und Basiseffekte
(Beschleunigung der Teuerung im Dienstleistungs-
sektor ab Herbst 2010; Konsolidierungspaket 2011),
die nunmehr wesentlich zum Rückgang der HVPIInflation beitragen sollten. Die relativ hohen Tarif-
Energiesektor zurückzuführen, wobei die Steuererhö-
lohnabschlüsse der Herbstlohnrunde 2011 sollten
0,4 Prozentpunkte zur HVPI-Inflation beitragen. Vor
Anstieg der Kerninflation (HVPI-Inflation ohne un-
hungen im Rahmen des Konsolidierungspakets 2011
allem im Nahrungsmittel- und Energiesektor hat sich
sich erst im Lauf des Jahres 2012 in einem leichten
verarbeitete Nahrungsmittel und Energie) bemerk-
die globale Rohstoffverteuerung auf die inländischen
bar machen.
Dienstleistungen (wie etwa Hotel- und Bewirtschaf-
Änderungen von administrierten bzw. durch den öf-
Verbraucherpreise übertragen, aber auch einige
tungsdienstleistungen) sind davon betroffen.
Bis Ende des ersten Quartals 2012 wird ein starker
Rückgang der Teuerungsrate auf etwa 2,0 % erwar-
tet, der sich bis Ende 2012 etwas verflachen sollte. Im
Durchschnitt wird für 2012 eine HVPI-Inflationsrate
von 2,2 % erwartet.
fentlichen Sektor beeinflussten Preisen tragen zur
HVPI-Inflation im Jahr 2011 rund 0,7 Prozentpunkte
bei. Dabei gehen 0,4 Prozentpunkte auf Steuererhö-
hungen und 0,3 Prozentpunkte auf administrierte
Maßnahmen zurück. 2012 sinkt nach derzeitigem In-
formationsstand der Beitrag des öffentlichen Sektors
zur HVPI-Inflation auf 0,4 Prozentpunkte.
HVPI INFLATIONSRATE
Abb. 11: HVPI Inflationsrate
39
aktuelle
U N TE R L AG E
6 WICHTIGE QUELLEN
6 WICHTIGE QUELLEN
■ Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO): Konjunkturprognosen sowie aktuelle Forschungsergebnisse: www.wifo.ac.at
■ Statistik Austria: Offizieller Statistikanbieter in Österreich: www.statistik.at
■ Arbeitsmarktservice (AMS): Aktuelle Daten zum Arbeitsmarkt: www.ams.at
■ Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): Aktuelle unternehmensrelevante Informationen: portal.wko.at/
■ Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Kommission): Vielzahl von Daten für die EU und die einzelnen
Mitgliedsländer: epp.eurostat.ec.europa.eu
■ Europäische Kommission: Analysen, Prognosen, Daten etc. für die EU und die einzelnen Mitgliedsländer:
ec.europa.eu/index_de.htm
■ OECD (Organisation for Economic Co-Operation and Development): Studien nach Ländern und Themengebieten sowie Daten: www.oecd.org
■ Internationaler Währungsfond (IMF, International Monetary Fund): Studien, Analysen und Daten zu fast
allen Ländern der Welt und vielen Themengebieten: www.imf.org
■ Europäische Zentralbank (EZB): Daten und Analysen zu Wechselkursen, Zinsen, Geldpolitik und vielen
anderen volkswirtschaftlichen Fragestellungen. Datenbank für den Euroraum (Statistical Data Warehouse):
www.ecb.int
■ Bundesministerium für Finanzen (BMF): Informationen und Daten zur Wirtschafts- und Budgetpolitik:
www.bmf.gv.at/
■ Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK): Diverse Analysen und die BALI
Datenbank (www.dnet.at/bali/) mit u.a. aktuellen Arbeitsmarktdaten www.bmsk.gv.at/
■ Bank-Austria Creditanstalt: Finanzmarktanalysen und volkswirtschaftliche Ausarbeitungen: www.bankaustria.at/de/index.html
■ Oesterreichische Nationalbank (OeNB): Vielzahl an Informationen zum Thema Geld und Wirtschaft: www.oenb.at
40
7 GLOSSAR
70 | April | 2012
7 GLOSSAR
■B
onität
Bezeichnet die Kreditwürdigkeit eines Schuldners.
■ CDO (Collaterized Debt Obligation)
Eine verbriefte Schuldverschreibung (CDO) ist eine Anleihe, die durch ein diversifiziertes Schuldenportefeuille besichert wird. In der Regel wird eine CDO in verschiedene Tranchen unterschiedlicher Bonität
aufgeteilt.
■C
overed Bonds Purchase Programme (CBPP) Programm zum Ankauf von Pfandbriefen durch das Eurosystem mit dem Ziel, die Refinanzierung der Banken zu stärken und die Kreditvergabe zu fördern.
■ Credit Default Swap (CDS)
CDS sind Finanzprodukte, mit denen man sich gegen Kreditausfälle versichern kann. Die Höhe des Kurses
(spread) spiegelt die Versicherungskosten wider.
■ CESEE
-Länder
Der Begriff CESEE (Central, Eastern and Southeastern Europe) umfasst hier die der EU 2004 und 2007 bei-
getretenen zentral-, ost- und südosteuropäischen Länder sowie nicht zur EU gehörende Staaten Südosteu-
ropas und die Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.
■D
epression
Lange andauernde, tiefe Rezession.
■ EBA (European Banking Authority)
Die am 1. Jänner 2011 gegründete Europäische Behörde zur Finanzmarktaufsicht (EBA) mit Sitz in London ist
Teil des Europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision, ESFS). ■ Eigenkapitalquote
siehe Kernkapitalquote (Tier 1-Ratio)
■ Europäisches Semester
Mechanismus zur verbesserten Koordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitiken der EU-Mitgliedsstaaten.
■ Europa 2020
Neue Wachstumsstrategie der Europäischen Union. Europa 2020 löst damit die Lissabon-Strategie ab.
■ E uropean Financial Stability Facility (EFSF)
Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität wurde am 7. Juni 2010 von Mitgliedstaaten des Euroraums
als Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht gegründet mit dem Ziel, Kredite an Mitgliedsländern
in finanziellen Schwierigkeiten zu vergeben. Sie finanziert sich durch die Begebung eigener Anleihen. Das
Volumen ist mit maximal 440 Milliarden Euro beschränkt und durch die Mitgliedsstaaten garantiert.
41
aktuelle
U N TE R L AG E
7 GLOSSAR
■ European Financial Stabilisation Mechanism (EFSM)
Der im Mai 2010 von der EU eingerichtete EFSM kann bis zu 60 Milliarden Euro an in finanzielle Not geratene Mitgliedsländer vergeben.
■ European Stability Mechanism (ESM)
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) – umgangssprachlich auch als permanenter Euro-Rettungsschirm* oder Euro-Schutzschirm bezeichnet – tritt ab Mitte 2012 in Kraft und wird EFSF und EFSM schritt-
weise ersetzen. Die Euroraum Mitgliedsstaaten stellen neben Bürgschaften auch 80 Mrd. Euro an Kapital bereit. Darlehen an Mitgliedstaaten, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder
denen solche Probleme drohen, können unter strikten Auflagen bis zu einem Gesamtvolumen von 500
Milliarden Euro vergeben werden. Über eine Ausweitung des ESM finden aktuell politische Gespräche statt.
■ Europäischer Stabilitätsmechanismus
siehe European Stability Mechanism
■ Euro-Plus Pakt
Freiwillige Zusammenarbeit von 23 EU-Mitgliedstaaten (Euroraum plus Bulgarien, Dänemark, Lettland,
Litauen, Polen und Rumänien) zur stärkeren wirtschaftspolitischen Koordination.
■ Gedeckte Bankschuldverschreibungen
siehe Pfandbriefe
■ Interbankenmarkt
Markt, auf dem Geschäfte des Geld- und Kreditverkehrs zwischen Banken getätigt werden.
■ Investitionsbank
In den USA wurde lange zwischen Geschäftsbanken und Investitionsbanken unterschieden. Investitions-
banken waren auf den Handel an Finanzmärkten spezialisiert und ihnen war im Gegensatz zu Geschäftsbanken die Aufnahme von Kundeneinlagen nicht gestattet.
■ Kernkapitalquote (Tier 1-Ratio)
Wichtigste Kennzahl für die Kapitalstruktur von Banken. Sie gibt den Anteil der durch das Kernkapital
(Stammkapital, Gewinnrücklagen….) gedeckten Summe der risikogewichteten Aktiva (gewährte Kredite …) eines Kreditinstituts an. Nach neuen EU-Vorschriften müssen die Banken bis Juni 2012 eine
Kernkapital­quote in Höhe von 9% erreichen.
■K
upon
Zinszahlung eines Wertpapiers
■ L eistungsbilanz
Saldo aus exportierten und importierten Waren und Dienstleistungen sowie geleisteten und empfangenen
Übertragungen. Ein Leistungsbilanzüberschuss ist häufig Ausdruck einer hohen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit.
■ MBS (Mortgage Backed Security)
Wertpapier, das durch einen Pool von verbrieften und gebündelten Hypotheken gedeckt ist.
42
7 GLOSSAR
70 | April | 2012
■P
eriodenergebnis
Betriebsergebnis oder anders ausgedrückt der Gewinn bzw. Verlust aus dem Kerngeschäft eines Unternehmens in einer bestimmten Periode.
■P
fandbriefe (Covered Bonds)
Langfristige, gedeckte Bankschuldverschreibungen, die von einer auf das Pfandbriefgeschäft spezialisierten
Bank (Pfandbriefbank) ausgegeben werden.
■ Primärmarkt
Markt, an dem Wertpapiere erstmals begeben werden.
■ Rendite
Verhältnis der (erwarteten) Auszahlungen eines Wertpapiers über die gesamte Laufzeit zum eingesetzten
Kapital. Die Rendite einer Anleihe weicht vom Nominalzinssatz ab, wenn der aktuelle Kurs der Anleihe
nicht mit dem Nominalwert übereinstimmt.
■R
epo (Sale and Repurchase Agreement)
Ein Repo ist ein Finanzierungsgeschäft, bei dem gleichzeitig der Kauf und der spätere Rückkauf eines Wertpapiers vereinbart werden. Notenbanken verwenden Repos, um die Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld
zu versorgen.
■R
ettungsschirm
siehe European Stability Mechanism
■R
ezession
Schrumpfen der Wirtschaftsleistung über einen gewissen Zeitraum. Nach angelsächsischer Definition ist
das der Fall, wenn das reale BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft (auch „technische
Rezession” genannt). Nach einer etwas vorsichtigeren Definition spricht man erst dann von einer Rezession,
wenn das BIP in einem Gesamtjahr gegenüber dem Vorjahr sinkt.
■R
isikovorsorge
Neudotierungen von Wertberichtigungen und Direktabschreibungen.
■S
chuldenbremse
Gesetzliche Regelung zur Beschränkung der Staatsverschuldung.
■S
ecurities Market Programme (SMP)
Interventionen (Käufe) auf Märkten für staatliche und private Schuldverschreibungen im Euroraum durch
das Eurosystem. Ziel ist es in Krisensituation der unzureichenden Liquidität und Tiefe auf Anleihenmärkten
entgegenzuwirken und so die gelpolitische Transmission sicher zu stellen.
■S
ekundärmarkt
Markt, an dem Wertpapiere, die am Primärmarkt emittiert wurden, gehandelt werden.
43
aktuelle
U N TE R L AG E
7 GLOSSAR
■ SIV (Strucured Investment Vehicle)
Von Banken gegründete außerbilanzielle Zweckgesellschaft. Ziel eines SIVs ist es, höhere Erträge zu erwirtschaften, ohne dafür Eigenkapital bereitstellen zu müssen. Ein SIV versucht, die Differenz zwischen
den kurz- und langfristigen Zinssätzen auszunützen.
■ Sixpack
Ein im März 2011 beschlossenes Paket von sechs europäischen Verordnungen bzw. Richtlinien. Vier davon
zielen auf eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ab. Zwei betreffen Aktionen bei makroökonomischen Ungleichgewichten.
■ Staatsanleihe
Kurz-, mittel- oder langfristige Schuldverschreibung, die von Bund oder Ländern und anderen Körper­
schaften ausgegeben werden.
■ Subprime Mortages
Hypothekendarlehen mit niedriger Bonität.
■W
ertberichtigungsquote
Bezogen auf das Kreditgeschäft von Banken beschreibt die Wertberichtigungsquote den Anteil der ausgefallenen Kreditsumme an der gesamten Kreditsumme einer Bank.
■Z
instender (variable rate tender)
Auktionsverfahren, bei dem die Geschäftspartner Betrag sowie Zinssatz des Geschäfts bieten, das sie mit
der Zentralbank tätigen wollen.
44
aktuelle Unterlage
| Übungsblatt 1 | Seite 45
70 | April | 2012
ÜBUNGSBLATT 1
1. Tragen Sie die vier idealtypischen Konjunkturphasen an der jeweils richtigen Stelle ein.
2. Warum weicht der reale Konjunkturverlauf von der oben angeführten Darstellung ab?
3. Nennen Sie verschiedene Ursachen für Konjunkturschwankungen.
4. Soll der Staat die Konjunktur durch öffentliche Ausgaben ankurbeln?
a) Bilden Sie zwei Gruppen und sammeln Sie jeweils Argumente (Internetrecherche), die dafür bzw. dagegen sprechen.
c) Fassen Sie diese Argumente in einer übersichtlichen Präsentation zusammen.
b) Nennen Sie Beispiele, wie der Staat derzeit versucht, die Wirtschaft anzukurbeln.
d) Präsentieren Sie Ihre Rechercheergebnisse in der Klasse.
e) Diskutieren Sie die Pro- und Kontra- Argumente.
5. Welche Auswirkungen hat eine Änderung des Zinssatzes durch eine Zentralbank?
a) Stellen Sie die verschiedenen Auswirkungen und die davon jeweils besonders betroffenen Personengruppen dar.
c) Diskutieren Sie in der Klasse die Pro- und Kontra- Argumente für eine Erhöhung der Zinsen.
b) Recherchieren Sie den Zinsverlauf im letzten Jahr und stellen Sie diesen in einer einfachen Grafik dar.
aktuelle Unterlage
| Übungsblatt 2 | Seite 46
70 | April | 2012
ÜBUNGSBLATT 2
1.Ergänzen Sie den folgenden Wirtschaftskreislauf um den Sektor „Ausland“. Welche Güter- und Geldströme zwischen den
inländischen Sektoren und dem Ausland sind für die österreichische Wirtschaft besonders wichtig?
2. Warum sind höher verschuldete Staaten außerhalb Europas weniger in den Strudel der Schuldenkrise geraten?
3. Welche Gefahren sind mit hohen Budgetdefiziten und Staatsschulden verbunden?
4.Beschreiben Sie die aktuellen Wachstumsaussichten für die österreichische Wirtschaft. Welche Nachfragekomponenten
(Exporte, Konsum, Investitionen…) sind von der erwarteten Abkühlung 2012 besonders betroffen, welche wirken tendenziell
stabilisierend?
5.Wie hat sich der österreichische Arbeitsmarkt seit Ausbruch der Krise 2008 entwickelt? Warum gingen angesichts der Tiefe des
Wirtschaftseinbruchs nur verhältnismäßig wenige Jobs verloren?
6.Wie haben sich die Wachstumsprognosen für Österreich in jüngster Vergangenheit geändert? Recherchieren Sie die aktuellen
Prognosen von WIFO, IHS und OeNB und vergleichen Sie sie mit den in Kapitel 5 beschriebenen Prognoseergebnissen.
aktuelle Unterlage
| Übungsblatt 3 | Seite 47
70 | April | 2012
ÜBUNGSBLATT 3
1. Stellen Sie den Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise übersichtlich auf einer Power Point Folie dar.
2.Wodurch unterscheidet sich die finanzwirtschaftliche Lage in den einzelnen GIIPS-Staaten? Erstellen Sie eine Übersicht anhand der Kriterien
■ Öffentliche Verschuldung
■ Private Verschuldung
■ Leistungsbilanzsaldo
3. Erklären Sie folgende Begriffe:
■ SIV
■ Mortages Backed Security
■ Suprime Mortages
■ CDS
4. Erklären Sie den Unterschied zwischen Zinstender und Mengentender.
5.Erklären Sie den Zusammenhang der gestiegenen Sekundärmarkt-Rendite von Staatsanleihen mit der Verzinsung neu
zu begebender Staatsanleihen.
6.Welchen neuen Steuerungselemente hat die EU im Zuge der Bewältigung der Schuldenkrise geschaffen? –
Ergänzen Sie die folgende Abbildung und erklären Sie kurz die Aufgaben der einzelnen Elemente.
Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union
Europa 2020
• Strategie für Wachstum
• Mit drei Prioritäten:
- intelligentes Wachstum
(z.B. F&I)
■ ___________________
___________________
________________
■ ___________________
___________________
• Jährliche Überwachung
erfolgt gemeinsam für
alle EU-Staaten
Sixpack
• Sechs Richtlinien für
- Verschärfung des
Stabilitäts- und
Wachstumspaktes
■ ___________________
___________________
■ ___________________
■ ___________________
___________________
___________________
■ ___________________
___________________
________________
• Freiwillige Zusammen­
arbeit von 23 EU-Staaten
■ ___________________
___________________
aktuelle Unterlage
| Übungsblatt 3 | Seite 48
70 | April | 2012
7. a) Welchen Nutzen haben Rating-Agenturen? Was sind die vier wichtigsten Kritikpunkte an den Rating-Agenturen?
b) Welche Rating-Agenturen dominieren den Markt? Nennen Sie einige der verwendeten Ratingklassen.
8.Erstellen Sie eine Übersicht: Welche Faktoren der heimischen Wirtschaft werden von den Ratingagenturen, insbesondere von
S&P, als positiv beurteilt, welche als negativ?
9. Kreuzen Sie an: Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche falsch? Stellen Sie die falschen Aussagen richtig.
Die österreichische Wirtschaft stagnierte im Jahr 2011
In den Jahren 2012/13 wird es aufgrund fallender Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmittel zu einem deutlichen Rückgang der Teuerung kommen.
Derzeit erhält neben Griechenland Italien Finanzhilfen von der europäischen Staatengemeinschaft.
Spanien hat im Vergleich zu Griechenland eine relativ geringe öffentliche Verschuldung
Der private Konsum hat im Jahr 2011 unter einer hohen Inflation gelitten.
richtig
falsch
aktuelle Unterlage
| Übungsblatt 4 | Seite 49
70 | April | 2012
ÜBUNGSBLATT 4
1. Kreuzworträtsel: Viel Spaß! (ä= ae)
WAAGRECHT
4. Lange andauernde, wirtschaftliche Rezession
6. Wichtiger Schritt zu einer gemeinsamen EU-Wirtschaftsregierung
8. Finanzprodukte, mit denen man sich gegen Kreditausfälle versichern kann
9. Markt an dem Wertpapier erstmals begeben werden.
11. Wertpapier, das durch einen Pool von verbriefte und gebündelten Hypotheken
gedeckt ist (Abkürzung)
13. Die EZB versorgt Banken im Rahmen eines Auktionsverfahrens mit Liquidität
15. Kreditwürdigkeit eines Schuldners
17. Neudotierungen von Wertberichtigungen und Direktabschreibungen
18. Eurostaat mit hoher privater Verschuldung
19. Kritikpunkt an den Ratingagenturen
SENKRECHT
1. Äußere Ursache für Konjunkturschwankungen
2. Konjunkturphase
3. Eine der wichtigsten Ratingagenturen
5. Markt, an dem Wertpapiere, die am Primärmarkt emittiert wurden, gehandelt
werden
7. Zinszahlung eines Wertpapiers
10. Langfristige, gedeckte Bankschuldverschreibungen
12. Gesetzliche Regelung zur Beschränkung von Staatsverschuldung
14. Euroland mit hoher öffentlicher Verschuldung
16. CESEE-Land
aktuelle Unterlage
| Übungsblatt 4 | Seite 50
HVPI-Inflationsrate
Arbeitsmarkt
Engagement der Banken in
der CESEE-Region
2. Interpretieren Sie folgende Grafiken.
70 | April | 2012
aktuelle Unterlage
| Lösungsvorschläge | Seite 51
70 | April | 2012
LÖSUNGSVORSCHLÄGE
ÜBUNGSBLATT 1
1.
Rezession – Aufschwung – Boom – Abschwung
2.Der wichtigste Grund für das Abweichen des realen Konjunkturverlaufs sind die immer wieder auftretenden wirtschaftlichen
Schocks, die die idealtypischen Konjunkturphasen überlagern. Unter einem Schock versteht man in der Volkswirtschaftslehre
eine unvorhergesehene Veränderung einer wirtschaftlichen Größe, die die Wirtschaftsentwicklung von außen beeinflusst.
Beispiele dafür sind Ereignisse wie Kriege, Missernten oder Naturkatastrophen. In der heutigen global vernetzten Wirtschaft
kommen eine Reihe weiterer Ursachen wie Energiepreise, Wechselkurse, Aktienkurse usw. dazu.
3.Fehlerhafte Erwartungen lösen Schwankungen beispielsweise der Produktion oder Staatsausgaben aus. Viele wirtschaftliche
Vorgänge sind mit Wirkungsverzögerungen verbunden, die zyklische Schwankungen verursachen können. Änderungen im
4.
5.
Kreditvergabeverhalten der Banken können Konjunkturschwankungen dämpfen oder aber verstärken.
Individuelle Schülerlösungen
Lösung siehe http://www.oenb.at
ÜBUNGSBLATT 2
1.Exporte und Importe stellen die wichtigsten Ströme von Gütern und Dienstleistungen zwischen Österreich und dem Rest der
Welt dar. Österreichische Unternehmen importieren Güter und Dienstleistungen für die heimische Produktion, die privaten
Haushalte für Konsumzwecke. In geringerem Umfang fragt auch der Sektor Staat Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland nach. Österreichische Unternehmen exportieren aber auch sehr erfolgreich Güter und Dienstleistungen.
Von besonderer Bedeutung sind dabei die Exporteinnahmen aus dem Fremdenverkehr. Seit der in den Achtzigerjahren er-
folgten endgültigen Öffnung des österreichischen Kapitalmarktes gewinnen auch die grenzüberschreitenden Kapitalströme
stetig an Bedeutung. Österreichische Unternehmen, der österreichische Staat und in einem geringeren Maß auch private
Haushalte können im Ausland Kapital aufnehmen (sich verschulden), aber auch Geld an das Ausland verleihen. Schließlich
wird auch der Arbeitsmarkt zunehmend internationaler. Der Anteil ausländischer Arbeitskräfte insbesondere aus den anderen
EU-Ländern an der Gesamtbeschäftigung steigt stetig an, aber auch österreichische Arbeitskräfte nehmen verstärkt Beschäftigungschancen im Ausland wahr.
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2.Japan hat eine deutlich höhere Staatsverschuldung als alle Krisenländer in Europa (siehe Tabelle 1). Aber der hohen Staatsverschuldung steht eine sehr große Sparneigung des privaten Sektors gegenüber. In den USA und UK ist die Staatsverschuldung
in Zuge der aktuellen Krise stark angestiegen. Für beide Länder erwarten die Märkte jedoch, dass im Falle von Zahlungs-
schwierigkeiten der öffentlichen Hand die Notenbank Staatsanleihen ankauft, d.h. die Notenpresse zum Zweck der Staatsfi-
nanzierung anwirft. Dass würde zwar über eine höhere Inflation den Wert von bereits emittierten Staatsanleihen verringern
und die Käufer dieser Staatsanleihen treffen, aber einen Zahlungsausfall verhindern. Im Euroraum ist das rechtlich nicht
möglich. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein in Schwierigkeiten geratenes Mitgliedsland des Euroraums seinen
Schuldendienst nicht leistet kann.
3.Schulden müssen zurückgezahlt werden. Hohe Staatschulden machen daher eine zukünftige Konsolidierung notwendig. Der
dadurch ausgelöste Nachfrageausfall kann in labilen Konjunktursituationen wie der aktuellen eine Rezession auslösen. Dem
stehen mittel- bis langfristige Gefahren im Falle keiner oder unzureichender Konsolidierungsbemühungen gegenüber:
■ Eine hohe Staatschuld bedingt auch höhere Aufwendungen für den Schuldendienst – finanzielle Mittel, die in anderen
Bereichen der Wirtschaft fehlen und so z.B. die Finanzierung von Investitionsvorhaben oder Forschungs- und Entwicklungsprojekten gefährden können.
■ Eine höhere Verschuldung reduziert den Spielraum, um im Falle zukünftiger Krisen fiskalpolitisch gegensteuern zu können.
■ Wenn die Märkte die langfristige Tragfähigkeit der Staatsschuld in Frage stellen, kann dies einen Teufelskreis auslösen: Ge-
änderte Markteinschätzungen führen zu höheren Risikoaufschlägen und damit zu höheren Zinsbelastungen, die ihrerseits
wieder die Staatschulden erhöhen.
■ Vielfach wird erwartet, dass die gegenwärtige Krise zu einem langfristig niedrigeren Wachstumspfad mit entsprechend
negativen Folgen für den Staatshaushalt führt. Geringeres Wirtschaftswachstum ist bei gleichbleibenden Bedingungen
mit höheren Staatsausgaben und sinkenden Steuereinahmen verbunden (automatische Stabilisatoren), was eine zusätzliche Belastung für den Staatshaushalt darstellt.
■ Angesichts ständig steigender Staatsschulden könnten sich Regierungen genötigt sehen, diese durch das „Anwerfen der
4.
Ö
sterreich ist eine kleine offene Volkswirtschaft mit einer hohen Exportquote von über 50 % (Anteil der Exporte am BIP).
Notenpresse“ zu finanzieren. Steigende Inflation mit mittel- bis langfristig negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum wäre die Folge.
Außenwirtschaftliche Entwicklungen sind daher für die Konjunktur von zentraler Bedeutung. Da die Fundamentaldaten der
österreichischen Wirtschaft weiterhin ausgezeichnet sind, ist die erwartete Wachstumsabschwächung 2012 in erster Linie auf
die globale Konjunktureintrübung zurückzuführen. Demnach sind die Exporte eine der am stärksten betroffenen Nachfra-
gekomponente. Aber auch die sehr konjunkturreagiblen Investitionen werden sich schwach entwickeln. Stabilisierend wenn
auch auf recht niedrigem Niveau werden die privaten Konsumausgaben wirken. Die privaten Haushalte streben typischer-
weise ein recht glattes Konsumprofil über die Zeit an; d.h. sie entsparen in Zeiten schwacher Konjunktur und sparen wieder
5.
mehr, wenn sich ihre Einkommenssituation während einer Hochkonjunkturphase verbessert.
M
it der üblichen Verzögerung hat die Krise auch auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen. Der Stellenabbau ist jedoch geringer
ausgefallen, als es die Tiefe der Rezession erwarten ließ. Erstens haben wirtschaftspolitische Maßnahmen wie die Ausdehnung der Kurzarbeit einem stärkeren Stellenabbau entgegengewirkt. Zweitens haben viele Betriebe angesichts der Erfah-
rung von Arbeitskräftemangel in den Jahren vor der Krise vor Entlassungen zurückgeschreckt. Drittens wurden in der Krise
Überstunden und Urlaubsansprüchen abgebaut. Viertens wurde der kapitalintensive Industriesektor von der Krise stärker
betroffen als der arbeitsintensive Dienstleistungssektor. Die überraschend positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat
sich während der Erholung im Jahr 2011 fortgesetzt. Für 2012 wird aufgrund des steigenden Arbeitskräfteangebots (Pensionsreformen, Öffnung des Arbeitsmarktes….) un der erwarteten Konjunkturabkühlung wieder mit einem Anstieg der Arbeitslo6.
senquote gerechnet.
Internetrecherche:
http://oenb.at/de/geldp_volksw/prognosen/prognosen.jsp,
http://www.ihs.ac.at/vienna/IHS-Departments-2/Economics-and-Finance-2/Applied-Research-3/Economic-Forecast-2.htm.
http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?&fid=12
Individuelle Schülerlösung
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ÜBUNGSBLATT 3
1.
1. Finanzkrise – Liquiditätskrise (Sommer 2007 – Frühling 2008) – Solvenzkrise (Frühjahr 2008 bis August 2008)
2. Große Rezession – Vertrauenskrise (15. September 2008 bis Ende Oktober 2008) –
Globale Wirtschaftskrise (Ende 2008 bis Mitte 2009)
3. Temporäre Aufhellung und Staatsschuldenkrise – Zwischenzeitliche Aufhellung (Mitte 2009 bis Frühjahr 2010) –
Europäische Schuldenkrise (seit Frühjahr 2010)
Individuelle Schülerlösung
2.
GRIECHENLAND
Öffentliche
Verschuldung
Private
Verschuldung
Leistungs-
bilanzsaldo
IRLAND
ITALIEN
hoch
hoch
hoch
niedrig
niedrig
hoch
niedrig
hoch
hoch
hoch
hoch
hoch
PORTUGAL
SPANIEN
3. SIV – Strucured Investment Vehicle: Von Banken gegründete außerbilanzielle Zweckgesellschaft. Ziel eines SIVs ist es, höhere
Erträge zu erwirtschaften, ohne dafür Eigenkapital bereitstellen zu müssen. Ein SIV versucht, die Differenz zwischen den kurz-
und langfristigen Zinssätzen auszunützen.
– Suprime Mortages
Hypothekendarlehen mit niedriger Bonität
– Mortages Backed Security
Wertpapier, das durch einen Pool von verbrieften gebündelten Hypotheken gedeckt ist.
– CDS
Credit Default Swap (CDS) sind Finanzprodukte, mit denen man sich gegen Kreditausfälle versichern kann. Die Höhe des Kur-
ses (spread) spiegelt die Versicherungskosten wider. CDS-Kurse geben die Risikoeinschätzung des Finanzsektor wieder. Höhere
Spreads führen dann zu höheren Zinsen für die neu aufzunehmenden Staatsschulden.
4.Die EZB versorgt die Geschäftsbanken, die einen bestimmten Zinssatz für das nachgefragte Volumen bieten, im Rahmen eines
Auktionsverfahrens (Zinstender) mit Liquidität. Die Zuteilung erfolgt nach der Höhe der Gebote. Die Banken bekommen nicht
immer das gesamte Volumen. In der Wirtschafts-und Finanzkrise 2008/09 brach der Interbankenmarkt zusammen. Banken
liehen sich gegenseitig kein Geld mehr und verlieren damit ihre wichtigste Finanzierungquelle. Die EZB stellt das Auktionsver-
fahren auf einen Mengentender mit unbegrenzter Zuteilung und vorgegebenem Zinssatz um.
5.Staatsanleihen sind in der Regel festverzinste Wertpapiere. Diese werden am Sekundärmarkt gehandelt. Die gestiegene
Sekundärmarktrendite hat unmittelbar noch keinen Einfluss auf die Finanzierungskosten des jeweiligen Staates. Wenn dieser
jedoch am Primärmarkt neue Staatsanleihen emittiert, so muss die Verzinsung dieser Anleihen mit der durchschnittlichen
Sekundärmarktrendite bestehender Anleihen konkurrieren. Die Zinskosten für diese Staatsanleihen steigen daher. Die durchschnittliche Verzinsung der gesamten Staatsschuld steigt mit jeder neu emittierten Staatsanleihe an.
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6.
Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union
Europa 2020
Europäisches
Semester
• Strategie für Wachstum
• Verbesserte Koordinie-
• Mit drei Prioritäten:
- intelligentes Wachstum
(z.B. F&I)
- nachhaltiges Wachstum
(Wettbewerbsfähigkeit)
- integratives Wachstum
rung der Wirtschafts-
und Haushaltpolitiken
• Jährliche Überwachung
erfolgt gemeinsam für
alle EU-Staaten
(hohe Beschäftigung)
Sixpack
• Sechs Richtlinien für
- Verschärfung des
Stabilitäts- und
Wachstumspaktes
- Aktionen bei makro­
ökonomischen
Ungleichgewichten.
- Eingriff in nationale
Budgetplanungen
- Schuldenbremsen
7.
Euro-Plus-Pakt
• Freiwillige Zusammen­
arbeit von 23 EU-Staaten
- in der wirtschafts-
politischen Koordination in den Bereichen
Wett­bewerbsfähigkeit,
Beschäftigung, Finanz­
stabilität > Wirtschaftskraft der beteiligten
Länder verbessern.
a)
• Ratingagenturen erfüllen eine sowohl für Investoren als auch für Emittenten wichtige Aufgabe. Ratingagenturen geben
Einschätzungen (Ratings) über die Kreditwürdigkeit bestimmter Emittenten (Staaten und Unternehmen) und Finanzpro-
dukte ab, d.h. sie beurteilen die Fähigkeit und die Bereitschaft von Schuldnern ihren zukünftigen Zahlungsverpflichtungen
nachzukommen. Ein Rating ist daher im Gegensatz zu buchhalterischen Kennziffern vorausschauend.
• Sie helfen, das Problem der asymmetrischen Information zwischen Marktteilnehmern zu lindern. Das Sammeln von Infor-
• Gleichzeitig fördern die Ratings die Standardisierung von Finanzprodukten.
1. Fehlerhafte Einschätzungen in der Vergangenheit – unzuverlässige Ratings
mationen über die Kreditwürdigkeit ist mit teils erheblichen Kosten verbunden. Ratingagenturen sind auf diese Aufgabe
spezialisiert und können dies für eine große Anzahl von Gläubigern gemeinsam und daher kostengünstig machen.
Die vier wichtigsten Kritikpunkte an den Ratingagenturen:
2. Oligopolistische Marktstrukturen – mangelnder Wettbewerb
3. Interessenskonflikte
4. Auslöser bzw. Verstärkung von Krisen
b)
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8. Positiv werden die Stabilität der Wirtschaftspolitik und die Wettbewerbsfähigkeit eingestuft.
Risiken für die langfristige Kreditwürdigkeit Österreichs sind
• eher zögerliche Budgetkonsolidierung in Österreich und
• ungelöste finanzielle Problemen der Eurozone,
9.
• großes Auslandsexposure des österreichischen Bankensystems in den CESEE-Ländern
richtig
X
Die österreichische Wirtschaft stagnierte im Jahr 2011
In den Jahren 2012/13 wird es aufgrund fallender Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmittel zu einem deutlichen Rückgang der Teuerung kommen.
X
X
Derzeit erhält neben Griechenland Italien Finanzhilfen von der europäischen Staatengemeinschaft.
Spanien hat im Vergleich zu Griechenland eine relativ geringe öffentliche Verschuldung
X
Der private Konsum hat im Jahr 2011 unter einer hohen Inflation gelitten.
X
ÜBUNGSBLATT 4
Kreuzworträtsel
(ä= ae)
WAAGRECHT
SENKRECHT
6. Sixpack
2. Aufschwung
4. Depression
8. CDS
9. Primaermarkt
11. MBS
13. Tender
15. Bonität
17. Risikovorsorge
18. Irland
19. Interessenskonflikte
1. Naturkatastrophe
3. Fitch
5. Sekundaermarkt
7. Kupon
10. Pfandbrief
12. Schuldenbremse
14. Griechenland
16. Bulgarien
falsch
Idealtypischer Konjunkturzyklus und Konjunkturverlauf in Österreich
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Die sechs Phasen der Krise
aktuelle Unterlage
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70 | April | 2012
Engagement der Banken in der CESEE-Region
aktuelle Unterlage
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Arbeitsmarkt
aktuelle Unterlage
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aktuelle
U N TE R L AG E
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) bietet im Rahmen
ihrer „Initiative Finanzwissen“ zahlreiche Angebote zu
wirtschafts- und geldpolitischen Themen für den Unterricht an.
AWS
Tipp
Für Lehrkräfte werden regelmäßig sowohl
■ Seminare
■ als auch volkswirtschaftliche Themenblätter mit begleitendem Didaktikmaterial zur Verfügung gestellt.
■ Weiters wird das aktualisierte OeNB-Unterrichtspaket zu Geld und Geldpolitik
inkl. Kurzvideos (auf DVD) ab Herbst 2012 verfügbar sein.
■ Für die jüngere Zielgruppe gibt es seitens des Geldmuseums Workshops, Führungen u.v.m. Im
Rahmen der Euro-Kids-Tour können Volksschüler/innen österreichweit mehr über die Sicherheitsmerkmale der Euro-Banknoten erfahren.
■ Darüber hinaus werden Schülervorträge österreichweit, direkt in Schulen, von der OeNB angeboten.
Informationen zu den Schülerwettbewerben „jetzt teste ich“ sowie „Generation Euro Students‘
Award“ finden sich auf der OeNB-Website.
Kooperationspartner:
Das gesamte Angebot zur Initiative Finanzwissen, angefangen vom Inflationscockpit
bis hin zum Online-Quiz mit Gewinnspiel findet sich unter den Links:
www.oenb.at sowie www.geldmuseum.at
Österreichische Post AG
Info.Mail Entgelt bezahlt
IMPRESSUM: Medieninhaber: AWS Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule im Rahmen des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule (AWS) ist eine Initiative von Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Österreichischem Sparkassenverband und ist als Projekt am
Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw), Rainergasse 38, 1050 angesiedelt. Leiter: Mag. Josef Wallner
Autoren: Mag. Gerhard Fenz, Dr. Martin Schneider; Didaktik: Mag. Josef Wallner, Gudrun Dietrich; Redaktion: Mag. Josef Wallner, Gudrun Dietrich, Gestaltung: www.designag.at
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