W i r b r i n g e n d i e W i r t s c h a f t i n s U N TE R L A G E aktuelle K l a s s e n z i m m e r Österreichs Wirtschaft 2012 Fakten, Hintergründe und Prognosen Ideelle und materielle Unterstützung erhalten wir von unseren Projektpartnern: 70 April | 2012 aktuelle U N TE R L AG E Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1Übersicht 3 2 Was ist überhaupt Konjunktur? 4 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 9 9 15 17 19 22 2.1 Wirtschaftswachstum und Konjunktur 2.2Die Konjunkturphasen 2.3 Warum gibt es überhaupt Konjunkturschwankungen? 2.4Konjunkturzyklen in der Realität 3.1Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise 3.2 Reaktion der Geldpolitik 3.3Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union 3.4Die Rolle der Ratingagenturen in der Krise 3.5Das Rating der Republik Österreich 5 5 7 8 4Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose 28 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 34 6 Wichtige Quellen 40 7 Glossar 41 4.1 Wie entsteht eine Konjunkturprognose? 4.2 Gesamtwirtschaftliche Modelle: Das wichtigste Werkzeug für Konjunkturprognosen 4.3Vier Schritte zur Konjunkturprognose 4.4 Warum sind Prognosen falsch? 4.5Darstellung von Prognoserisiken 5.1Hauptergebnisse der Prognose 5.2Erholung der Weltwirtschaft verliert an Kraft 5.3Euroraumkrise dämpft Wachstumsaussichten 5.4 Österreichs Exportdynamik verliert mit Ende 2011 an Schwung 5.5Inlandsnachfrage bleibt verhalten 5.6Konsum stabilisiert sich auf niedrigem Niveau 5.7Kräftiges Beschäftigungswachstum dämpft die Arbeitslosenquote nur langsam 5.8 Rückgang der Inflation im Jahr 2012 hauptsächlich durch Energie bestimmt DIDAKTIK Übungsblätter, Lösungsvorschläge, Kopiervorlagen 28 28 30 32 33 34 34 34 37 37 37 38 39 45 ISBN 978-3-902742-00-1 | Datenstand: 17. April 2012 Zu den Autoren: Mag. Gerhard Fenz und Dr. Martin Schneider, Oesterreichische Nationalbank, Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen. Hinweis: Im Sinne einer leichten Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen in der Sachinformation nur in ihrer männlichen Form angeführt. Die mit * gekennzeichneten Begriffe werden im Glossar erklärt. 2 1 Übersicht 70 | April | 2012 1 Übersicht Die Finanz- und Wirtschaftskrise beherrscht seit nun- mehr vier Jahren die Medien wie kein anderes Thema. Österreichs Wirtschaft hat in der Wirtschafts- und Fi- offenbart. Im Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2007 abgeschlossen wurde und die rechtliche Grundlage der Europäischen Union darstellt, waren keine nanzkrise der Jahre 2008 und 2009 zwar Produktions- ausreichenden institutionellen und wirtschaftspoliti- ßig geringe Auswirkungen auf den Lebensstandard der Banken- und Staatsschuldenkrise in der EU getrof- einbußen erlitten, diese hatten jedoch verhältnismä- schen Vorkehrungen zur Prävention und Bewältigung der Bevölkerung. Die Beschäftigung ist nur kurzfristig fen worden. Deshalb wurde zur Bewältigung der Ban- Beschäftigung bereits wieder deutlich übertroffen. men umgesetzt, die zum größten Teil auf eine stärkere gesunken; mittlerweile wird das Vorkrisenniveau der Die Krise wäre jedoch mit Sicherheit um Einiges dra- matischer ausgefallen, wenn die Wirtschaftspolitik ken- und Staatsschuldenkrise eine Reihe von MaßnahHaushaltsdisziplin abzielen. Ratingagenturen stehen spätestens seit dem Verlust nicht so schnell und beherzt eingegriffen hätte. Die der Topbonität* Österreichs auch hierzulande im Fo- Konjunkturpaketen zur Stimulierung der Konjunktur. den geringen Fortschritten bei der Budgetkonsoli- jeweiligen Regierungen schnürten eine Reihe von In Österreich sind besonders die Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung hervorzuheben. Die Europäi- sche Zentralbank (EZB) setzte eine Reihe von unkon- ventionellen Maßnahmen, um den austrocknenden Geldmärkten entgegenzuwirken. Darüber hinaus be- gann die EZB Staatsanleihen von europäischen Problemländern sowie Bankanleihen aufzukaufen. Damit wurden die Kurse gestützt und in weitere Folge die kus. Die Herabstufung Österreichs wurde – neben dierung – vor allem mit dem Risiko durch das starke Osteuropaengagement der Banken begründet. Die Ratingagenturen wurden vielfach als Auslöser oder Verstärker der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise bezeichnet. Es zeigt sich jedoch, dass ihre zweifelsoh- ne sehr hohe Macht nicht zuletzt auf der Vielzahl von Regulierungen beruht, die sich auf Ratings beziehen. Kosten der Schuldaufnahme gesenkt. Die Krise hat in allen europäischen Ländern zu einem deutlichen An- stieg der Staatsverschuldung geführt. Nach einer temporären Aufhellung der Konjunktur- aussichten kam es nach dem Auslaufen der stützenden Maßnahmen zur europäischen Staatsschuldenkrise. Diese begann im Frühjahr 2010 mit der Zuspitzung der Lage in Griechenland. Um die drohende Insolvenz abzuwenden, wurde von der Eurogruppe ein ers- tes umfangreiches Hilfspaket beschlossen. Es zeigte sich jedoch rasch, dass die Mittel nicht reichen und weitere Finanzhilfen nötig sind. Deshalb wurden für Griechenland und die anderen Problemländer Mecha- nismen geschaffen, die für diese Länder Finanzmittel bereitstellen. Die Krise hat auch eine Reihe von Kons- truktionsfehlern der Wirtschafts- und Währungsunion 3 aktuelle 2 Was ist überhaupt Konjunktur? U N TE R L AG E Die Perspektiven für die Weltwirtschaft haben sich Die vorliegende Lehrunterlage spitzung der Schuldenkrise fällt mit einer Abschwä- In Kapitel zwei werden die zum Verständnis der wei- seit dem Sommer 2011 deutlich eingetrübt. Die Zu- chung des – immer noch kräftigen – Wachstums in ist wie folgt aufgebaut: teren Teile grundlegenden Begriffe erläutert. In Kapi- den Schwellenländern zusammen. Die Entwicklung tel drei wird zunächst die Finanz- und Schuldenkrise Problemstaaten bestimmt. Daran anschließend wird gezeigt, mit welchen Maß- im Euroraum wird maßgeblich von der Situation der Trotz guter wirtschaftlicher Fundamentaldaten wird nach sechs Phasen gegliedert anschaulich dargestellt. nahmen die Geldpolitik auf die Krise reagiert hat und welche Auswirkungen die Krise auf die Steuerungsar- Österreichs Wirtschaft die Folgen der Schulden- und chitektur der Europäischen Union hatte. Weiters wird exportorientierte Volkswirtschaft kann sich Öster- Kapitel vier vermittelt die Grundlagen von Konjunk- Vertrauenskrise deutlich zu spüren bekommen. Als reich nicht von der Eintrübung der internationalen Konjunkturperspektiven abkoppeln. Wenngleich die Rolle der Ratingagenturen in der Krise diskutiert. turprognosen, die unverzichtbare Entscheidungs- grundlagen sowohl für die Wirtschaftspolitik, aber nicht – wie im Jahr 2009 – mit einem Rückgang der auch für Unternehmen darstellen. Kapitel fünf gibt Wachstumsaussichten doch eher verhalten. se für Österreich. Wirtschaftsleistung gerechnet werden muss, sind die einen Überblick über die aktuelle Konjunkturprogno- 2 WAS IST ÜBERHAUPT KONJUNKTUR? Um die Bedeutung von Konjunkturschwankungen ters führt ein Boom in der Regel dazu, dass Grund- mit einem einfachen Beispiel beginnen. In einem zwar Grundstückseigentümer, Mieter müssen jedoch für unser tägliches Leben zu illustrieren, wollen wir Konjunkturaufschwung weiten die Unternehmen ihre Produktion aus. Dazu benötigen sie zusätzliche Arbeitskräfte. Jobsuchende finden nun viel einfacher monatlich einen höheren Betrag für ihre Wohnung bezahlen. einen neuen Job. Da Arbeitskräfte knapper werden, Wie wir an diesem Beispiel gesehen haben, sind prak- zen. Aber auch die Unternehmensgewinne steigen. tuellen konjunkturellen Lage abhängig. können diese leichter Lohnsteigerungen durchset- Die Aktienkurse legen in der Regel zu. Dies kommt nicht nur Aktienbesitzern zugute, sondern auch Per- sonen, die eine private Pensionsvorsorge besitzen, da die Pensionsfonds einen Teil der ihnen zur Verfügung gestellten Mittel in Aktien anlegen. Die Steuereinnahmen sprudeln und geben dem Finanzminister Spielraum zur Ausweitung der Staatsausgaben oder zur Senkung von Steuersätzen. Eine gute Konjunktur ist jedoch nicht unbedingt für alle gleich vorteilhaft. So veranlassen die steigenden Preise in einem Boom die Zentralbank dazu, die Zin- sen anzuheben, um so die Inflation zu dämpfen. Höhere Zinsen bringen zwar mehr Erträge auf Spareinlagen, belasten aber die Nettoschuldner, da diese nun höhere Kreditrückzahlungen zu leisten haben. Wei4 stückspreise und Mieten steigen. Dadurch profitieren tisch alle Menschen in irgendeiner Form von der ak- 2 Was ist überhaupt Konjunktur? 2.1 Wirtschaftswachstum und Konjunktur Was ist mit dem Begriff „Konjunktur” überhaupt ge- meint? Dazu müssen wir etwas ausholen und uns ansehen, wie wirtschaftliche Aktivität überhaupt gemessen wird. Die gebräuchlichste Maßzahl für die wirtschaftliche Aktivität ist das Bruttoinlandspro- dukt oder abgekürzt BIP. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein wichtiger 70 | April | 2012 die Einlegung von Sonderschichten begegnet wer- den. Weiters besteht die Möglichkeit, die Nachfrage aus Lagerbeständen zu decken. Langfristig wird das Wachstum nicht durch eine un- terschiedliche Auslastung der vorhandenen Kapazi- täten bestimmt, sondern durch die Schaffung neuer Produktionskapazitäten durch Investitionen und durch den technischen Fortschritt. Daher unterscheiden sich auch die Maßnahmen, mit Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähig- denen die Wirtschaftspolitik versuchen kann, das BIP gibt die Summe aller Güter und Dienstleistun- versucht die konjunkturellen Schwankungen durch keit und für den Wohlstand der Bevölkerung. Das gen an, die in einem Land im Laufe eines Jahres hergestellt werden und denen ein Geldstrom gegenübersteht. Unter Wirtschaftswachstum versteht man die Ver- änderung des Bruttoinlandsprodukts im Zeitablauf. Wenn Ökonomen über Wirtschaftswachstum sprechen, unterscheiden sie dabei zwischen langfristigem Wachstum positiv zu beeinflussen. Konjunkturpolitik staatliche Nachfragepolitik (Fiskalpolitik) zu dämp- fen. Dabei versucht der Staat die gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche zu kompensieren. So gab es beispielsweise in Österreich in den Jahren 2001 und 2002 – zwei Jahre mit sehr schwachem Wirtschafts- wachstum – Konjunkturpakete, die vor allem Infra- strukturinvestitionen enthielten, und auch in der aktuellen Krise wirkte die Regierung durch eine aktive Trendwachstum und kurzfristigen Schwankungen um Fiskalpolitik dem Abschwung entgegen. junktur oder Konjunkturschwankungen bezeichnet. Neben staatlicher Nachfrage kann die Geldpolitik diesen Trend. Diese Schwankungen werden als Kon- Unter Konjunkturschwankungen versteht man die Schwankungen des BIP um das langfristige Trendwachstum. Warum macht eine derartige Unterscheidung über- haupt Sinn? Deswegen, weil sich sowohl die Ursachen als auch die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten zur Beeinflussung des kurzfristigen und des Trendwachstums unterscheiden. Kurzfristig sind die den Unternehmen zur Verfü- gung stehenden Produktionskapazitäten konstant. über Änderungen der Zinsen oder wie gegenwär- tig auch durch unkonventionelle Maßnahmen die Nachfrage beeinflussen (siehe auch Kapitel 3). Wachstumspolitik hingegen versucht Faktoren zu beeinflussen, die den technischen Fortschritt bestim- men. Dazu zählen in erster Linie Bildung sowie Forschung und Entwicklung. 2.2 Die Konjunkturphasen Die konjunkturellen Schwankungen um den lang- Kapazitätserweiterungen wie der Bau eines neuen fristigen Trend folgen idealtypisch vier Phasen (Ab- Einschulung neuer Mitarbeiter benötigen Zeit. Da die junktur (Boom), Abschwung, Tiefstand (Rezession*). Fabrikgebäudes, der Kauf neuer Maschinen oder die Produktionskapazitäten kurzfristig nicht veränderbar sind, kann eine Veränderung der Nachfrage nur durch bildung 1, links): Aufschwung (Expansion), HochkonIm Aufschwung beschleunigt sich das BIP-Wachstum. Die Unternehmen beginnen, Arbeitskräfte einzustel- eine Veränderung der Auslastung der vorhandenen len. Die Arbeitslosigkeit ist jedoch zunächst noch einer Nachfrageerhöhung durch erhöhten Arbeits- entwicklung ist noch mäßig. Die Zinsen sind in der Produktionskapazitäten befriedigt werden. So kann druck, einer Ausweitung der Überstunden oder durch hoch und sinkt nur allmählich. Die Lohn- und PreisRegel noch niedrig. 5 aktuelle 2 Was ist überhaupt Konjunktur? U N TE R L AG E In der Hochkonjunktur (Boom) ist ein starkes Beschäf- tigungswachstum festzustellen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Arbeitskräfte werden knapp, es kommt daher zu stärkeren Lohnerhöhungen. Dies führt zu stärke- ren Preissteigerungen. Die Zentralbank bekämpft diese Preissteigerungen, indem sie die Zinsen anhebt. Dies verteuert Kredite und dämpft damit die Investitionstätigkeit. Anderer- seits wird durch die höheren Zinsen Sparen attrak- tiver. Dadurch werden die privaten Haushalte mehr Im Abschwung schwächt sich das Wachstum der Pro- duktion ab. Die Unternehmen beginnen, Arbeitskräfte zu entlassen, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bei den Lohnver- handlungen nimmt ab, das Lohnwachstum schwächt sich daher ab. Dadurch geht die Inflation zurück. Im Tiefstand hat sich das Wirtschaftswachstum noch weiter abgeschwächt oder ist sogar negativ gewor- den. Die Arbeitslosigkeit erreicht den Höchststand. Den Arbeitnehmern gelingt es nur schwer, Lohnerhö- sparen und gleichzeitig ihre Konsumausgaben ein- hungen durchzusetzen. Die Inflation ist sehr niedrig. schaftliche Nachfrage und damit den Preisauftrieb. senkungen anzukurbeln. schränken. Beide Faktoren dämpfen die gesamtwirt- Die Zentralbank versucht die Konjunktur durch Zins- Idealtypischer Konjunkturzyklus und Konjunkturverlauf in Österreich Abb. 1: Idealtypischer Konjunkturzyklus und Konjunkturverlauf in Österreich 6 2 Was ist überhaupt Konjunktur? 2.3 Warum gibt es überhaupt Konjunkturschwankungen? Man konnte in der Vergangenheit immer schon 70 | April | 2012 tischen Entwicklungen führten zu massiven Verun- sicherungen bezüglich der zukünftigen Versorgung mit Erdöl. Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität be- Fehlerhafte Erwartungen sachen hervorgerufen. Daneben gibt es Kräfte im liche Rolle. Ein Unternehmen, das in eine neue Ma- obachten. Diese werden häufig durch äußere Ur- Erwartungen spielen in der Wirtschaft eine wesent- Wirtschaftsgeschehen wie fehlerhafte Erwartungen, schine investiert und damit Güter produziert, geht vergabeverhalten der Banken, die von sich heraus zu Ehepaar, das einen Kredit für eine gemeinsame Woh- Wirkungsverzögerungen oder Änderungen im KreditWachstumsschwankungen führen können. ÄuSSere Ursachen Zu den frühesten Ursachen von Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität zählen Kriege, Missernten oder Naturkatastrophen. In der heutigen global ver- von bestimmten Absatzerwartungen aus. Ein junges nung aufnimmt, geht von Einkommenserwartungen aus. Die Regierung, die ein Budget für das nächste Jahr erstellt, geht von Erwartungen über Steuereinnahmen und Ausgaben aus. Es liegt auf der Hand, dass diese Erwartungen in der Realität nicht exakt eintreffen. Hat das Unternehmen den Absatz als zu hoch einge- netzten Wirtschaft kommen eine Reihe weiterer Ur- schätzt, bleibt es auf Teilen seiner Produktion sitzen. In usw. dazu. Kommt es zu starken unerwarteten Ände- drosseln, um die bisher auf Lager produzierten Güter sachen wie Energiepreise, Wechselkurse, Aktienkurse rungen einer dieser Größen, so spricht man von einem Schock. Unter einem Schock versteht man in der Volkswirt- schaftslehre eine unvorhergesehene Veränderung einer wirtschaftlichen Größe, die die Wirtschafts- entwicklung von außen beeinflusst. Dabei ist es un- erheblich, ob sich diese Größe positiv oder negativ auf das Wachstum auswirkt. Diese Schocks bewirken, dass die Wirtschaftsentwicklung laufend von außen gestört wird und das Wachs- tum daher vom Trendwachstum abweicht. Die Weltwirtschaft wurde in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts durch zwei Ölpreisschocks der nächsten Periode wird es daher seine Produktion abzusetzen. Nimmt der Staat bei fixen Ausgaben weniger Steuern als geplant ein, so muss er irgendwann in der Zukunft seine Ausgaben reduzieren. Dies zeigt deutlich, wie die wirtschaftliche Entwicklung durch falsche Erwartungen gestört wird. Die New-Economy-Bubble: Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Allgemeinen und des Internets im Spezi- ellen führte in den Neunziger Jahren vor allem in den USA zu einer regelrechten Goldgräberstimmung. Viele Computerhersteller erhöhten ihre Produktions­ kapazitäten. Es wurden unzählige Internetfirmen gegründet. Diese kamen ohne eigenes Kapital aus, da sie sich leicht über die Finanzmärkte finanzieren konnten. Die Anleger an den Börsen waren voll getroffen. Dabei stiegen die Rohölpreise binnen Vertrauen auf grenzenloses Wachstum und trieben maßgeblich durch Kriege hervorgerufen. Der erste nichts mehr mit dem Wert des Unternehmens zu kurzer Zeit stark an. Beide Ölpreisschocks wurden Ölpreisschock 1973/74 wurde durch den Angriff Isra- els auf Ägypten und Syrien (Jom-Kippur-Krieg) ausgelöst. Die arabischen Erdölproduzenten erhöhten die Ölpreise massiv und übten dadurch politischen die Aktienkurse steil nach oben, bis diese schließlich tun hatten. Im Jahr 2000 kam es allerdings zu einem Kippen der Stimmung. Es stellte sich heraus, dass in den letzten Jahren viel zu viel investiert wurde. Die Unternehmen schränkten ihre Investitionen mas- Druck aus. Der zweite Ölpreisschock 1979/80 steht siv ein oder gingen überhaupt pleite. Diese führten iranischen Revolution Ende 1978 und dem Ausbruch schwappte rasch auf andere Bereiche der Wirtschaft in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der des Krieges mit dem Irak im Oktober 1980. Die poli- rasch dazu, dass die Börsenkurse fielen. Die Krise über und löste die Rezession 2001 aus. 7 aktuelle Wirkungsverzögerungen Kreditvergabe zögerungen (Lags) verbunden. So hinkt die Produktion derungen des Kreditvergabeverhaltens von Banken Viele wirtschaftliche Vorgänge sind mit Wirkungsver- aufgrund der Produktionsdauer hinter der Nachfrage nach. Die Löhne sind in der Regel durch Tarifverträge für die Dauer eines Jahres oder länger gebunden. Wird Konjunkturschwankungen können auch durch Änausgelöst werden. Im Aufschwung gewähren die Banken großzügig Kredite. Treten nun größere Probleme mit der Kreditrückzahlung auf können die beispielsweise in einem Jahr mit starkem Wachstum Banken die Kreditvergabekonditionen verschärfen einem Abschwung im nächsten Jahr die Gewinne der Abschwung auslösen. Die durch die globale Finanz- eine starke Lohnerhöhung vereinbart, so kann dies bei Unternehmen belasten und so zu einer Verstärkung bzw. das Kreditangebot verknappen und damit einen krise ausgelöste aktuelle Rezession ist ein besonders der Schwankungen führen. Preise werden ebenfalls dramatisches Beispiel, das jedoch über einen „norma- mit Kosten verbunden sind. Im Fall von Preisänderun- Notenbank hat über die bereitgestellte Geldmenge mit Verzögerungen angepasst, da Preisänderungen gen müssen Preislisten, Speisekarten u.ä. neu erstellt werden. Wirtschaftspolitische Eingriffe wirken eben- falls zeitverzögert. Entschließt sich die Regierung bei- spielsweise, eine schwache Konjunkturlage durch öf- fentliche Investitionen zu stützen, so gibt es drei Lags. Ein Informations-Lag tritt auf, da es Zeit dauert, bis len“ Konjunkturabschwung deutlich hinausgeht. Die und die dafür von den Banken verlangten Zinsen Ein- fluss auf die Kreditkonditionen der Banken und kann damit derartige Konjunkturschwankungen dämpfen oder aber verstärken. die relevanten Wirtschaftsdaten erhoben und ausge- 2.4 Konjunkturzyklen in der Realität Beschlussfassung im Parlament Zeit benötigen, gibt In der Realität halten sich Konjunkturzyklen jedoch vestition tatsächlich umgesetzt wird, gibt es weiters dung 1, links). Wenn wir den rechten Teil von Abbil- wertet werden. Da politische Entscheidungen bis zur es ein Entscheidungs-Lag. Da es Zeit dauert, bis die Innoch ein Umsetzungs-Lag. Das wohl bekannteste Beispiel zu Schwankun- gen, die durch Lags hervorgerufen werden, ist der nicht an diese strenge mathematische Form (Abbildung 1 betrachten, sehen wir, dass die konjunkturelle Komponente eine sehr unregelmäßige Entwicklung aufweist. Der wichtigste Grund dafür sind die immer wieder auftretenden wirtschaftlichen Schocks, die sogenannte Schweinezyklus. Darunter versteht die idealtypischen Konjunkturphasen überlagern. In Schweinefleisch. Bei hohen Schweinefleischprei- betrachtet, d.h. Abweichungen der Wachstumsraten man Schwankungen der angebotenen Menge an sen erscheinen Investitionen in Schweinezucht lu- krativ. Die Produzenten beginnen, vermehrt Ferkel aufzuziehen. Durch die für die Aufzucht benötigte Zeit bleibt die angebotene Menge – und damit auch der Preis – lange Zeit unverändert. Es wer- der Praxis werden zudem meist Wachstumszyklen vom Trendwachstum. Der Grund dafür ist, dass in den letzten Jahrzehnten Rezessionen, in denen das BIP längere Zeit gesunken ist, selten geworden sind. Die aktuelle Krise stellt den daher immer mehr Züchter dazu verlockt, in diesbezüglich eine Ausnahme dar. Gemäß dieser De- aufgezogen sind, herrscht plötzlich ein Überan- sprochen, wenn das Wachstum unterdurchschnittlich den Keller. Viele Schweinezüchter gehen entweder überdurchschnittlich sind. Weiters fällt noch auf, dass Schweineaufzucht zu investieren. Wenn die Ferkel gebot. Die Preise für Schweinefleisch purzeln in bankrott oder schränken ihre Produktion ein. Dies führt zu einer Verknappung des Angebots und damit zu steigenden Preisen. Der nächste Zyklus kann also beginnen. 8 2 Was ist überhaupt Konjunktur? U N TE R L AG E finition wird dann von Abschwung bzw. Rezession ge- ausfällt und von Boom, wenn die Wachstumsraten das Trendwachstum nicht konstant ist, sondern im Zeitablauf schwankt. Diese spiegelt das unterschied- liche Wachstum der verfügbaren Produktionskapazitäten wider. 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 3 ANATOMIE DER FINANZ- UND SCHULDENKRISE 3.1 Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise Finanzkrise Grosse Rezession Temporäre Aufhellung und Staatsschuldenkrise • Liquiditätskrise (Sommer 2007 bis Frühjahr 2008) • Solvenzkrise (Frühjahr 2008 bis August 2008) • Vertrauenskrise (Mitte September 2008 bis Ende Oktober 2008) • Globale Wirtschaftskrise (Ende 2008 bis Mitte 2009) • Zwischenzeitliche Aufhellung (Mitte 2009 bis Frühjahr 2010) • Europäische Schuldenkrise (seit Frühjahr 2010) Abb. 2: Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise Der bisherige Verlauf der Finanz-, Wirtschafts- und ■ Phase 1a) Liquiditätskrise den, in denen sich jeweils spezifische Probleme in den Der Beginn der Finanzmarktkrise kann mit Jahresmit- Schuldenkrise kann in sechs Phasen eingeteilt werunterschiedlichen betroffenen Sektoren zeigten: 1. Finanzkrise 1a) Liquiditätskrise (Sommer 2007 – Frühjahr 2008) 1b) Solvenzkrise (Frühjahr 2008 – August 2008) 2. GroSSe Rezession 2a) Vertrauenskrise (15. September 2008 bis Ende (Sommer 2007 bis Frühling 2008) te 2007 datiert werden. Zu diesem Zeitpunkt platzte die kreditfinanzierte US-Immobilienblase. Steigende Zinsen und fallende Immobilienpreise ließen die Zahl der Kreditausfälle stark steigen. Die folgenden Zwangsversteigerungen setzten die Immobilienprei- se weiter unter Druck. Die eigens für den Zweck der Bündelung und des Weiterverkaufs der Immobilien- kredite gegründeten Zweckgesellschaften (Special Oktober 2008) Investment Vehicle, SIV*) hatten nur sehr wenig Ei- Mitte 2009) am Kapitalmarkt. Dies stellte in Zeiten niedriger 2b) Globale Wirtschaftskrise (Ende 2008 bis 3. Temporäre Aufhellung und Staatsschuldenkrise 3a) Zwischenzeitliche Aufhellung (Mitte 2009 bis Frühjahr 2010) 3b) Europäische Schuldenkrise (seit Frühjahr 2010) genkapital und refinanzierten sich sehr kurzfristig Zinsen eine einträgliche Strategie dar, da kurzfristige Finanzierungen günstiger sind als langfristige Finan- zierungen. Da die mit minderwertigen Immobilien- krediten (Subprime Mortgages*) hinterlegten Wert- papiere (Mortgage Backed Securities*) stark an Wert verloren, gelang es den Special Investment Vehicles 9 aktuelle 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise U N TE R L AG E nicht mehr, ihren laufenden Liquiditätsbedarf zu de- schwächte sich das Wirtschaftswachstum in den USA tor breiteten sich die Probleme rasch aus und setzten erst im zweiten Halbjahr begann die Wirtschaftsleis- cken. Durch die engen Verflechtungen im Finanzsekeine Reihe anderer Finanzinstitute unter Druck. Es kam in dieser Phase zwar noch nicht zu Konkursen in einem hohen Ausmaß, das Finanzsystem wurde je- doch bereits erheblich geschwächt. Die globale Realwirtschaft war in dieser Phase noch nicht in nennenswertem Umfang betroffen. Zwar zu Beginn des Jahres 2008 bereits deutlich ab, aber tung stark zu schrumpfen. Im Euroraum drehte das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2008 ins Minus. Abb. 3 gibt einen Überblick über wichtige Ereignisse und die Auswirkungen auf Konjunktur, Finanzmärkte und Staatsschulden in den sechs Phasen der Krise. Die sechs Phasen der Krise Abb. 3: Die sechs Phasen der Krise 10 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 ■ Phase 1b) Solvenzkrise ber das Geld oder legten es zu weitaus niedrigeren In der zweiten Phase der Krise, die im Frühjahr 2008 ihr jeweiliger Geschäftspartner kurzfristig zahlungs- mobilienmarkt als die Bilanzsituation im Bankensek- fähigkeit des Finanzsystems konnte in dieser Zeit (Frühjahr 2008 bis August 2008) einsetzte, standen weniger die Probleme am US-Im- tor im Mittelpunkt des Interesses der Finanzmärkte. Die Aussichten für das Kreditausfallsrisiko und die Zinsen bei der Notenbank an, da sie das Risiko, dass unfähig wird, nicht eingehen wollten. Die Funktionsnur durch eine massive Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken sichergestellt werden. In dieser Zeit er- Ertragslage der Banken verschlechterten sich zuse- fasste die Finanzkrise auch die Realwirtschaft voll. Finanzinstituten herab. Dies führte dazu, dass sie ihre ■ Phase 2b) Globale Wirtschaftskrise kapital unterlegen mussten, was die Finanzierung Mit dem Übergreifen der Finanzkrise auf die Re- auswirkte. Als Folge sanken die Kurse der von ihnen Weltwirtschaftskrise in den Dreißiger Jahren des letz- hends. Die Ratingagenturen stuften eine Reihe von ausstehenden Kreditforderungen mit mehr Eigen- verteuerte und sich ungünstig auf ihre Ertragslage ausgegebenen Wertpapiere. Die Banken, die diese Wertpapiere hielten, konnten diese teilweise nicht mehr als Sicherheit am Interbankenmarkt* verwen- den. Dadurch wurden die Banken bei der gegenseitigen kurzfristigen Kreditgewährung über den Interbanken- markt zusehends zurückhaltender. Zahlreiche Finan- (Ende 2008 bis Mitte 2009) alwirtschaft wurde die stärkste Rezession seit der ten Jahrhunderts (Große Depression*) ausgelöst. Die Unsicherheit über zukünftige Absatzerwartungen und der Verlust des Vertrauens in die Solidität von Geschäftspartnern und Banken lies die Nachfrage nach Investitionsgütern einbrechen; Sorgen um Arbeitsplätze und Vermögensverluste jene nach (lang- zinstitute konnten nur durch staatliche Hilfen oder lebigen) Konsumgütern. Negative Rückkoppelungs- Rock, Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac). verstärkten den Abwärtssog. Die Industrieprodukti- durch eine Verstaatlichung gerettet werden (Northern ■ Phase 2a) Vertrauenskrise (15. September 2008 bis Ende Oktober 2008) Die dritte Phase der Finanzkrise begann am 15. Sep- effekte zwischen Realwirtschaft und Finanzmärkten on brach Ende 2008 mit einer bisher unbekannten Heftigkeit und globalen Synchronität ein. Am Ende des ersten Quartals 2009 lag die weltweite Produktion von Industriegütern um über 15 % unter ihrem tember 2008. An diesem Tag beantragte die US- Höchststand vor der Krise. nach dem US-Konkursrecht. Die Schwierigkeiten von ■ Phase 3a) Zwischenzeitliche Aufhellung Investitionsbank* Lehman Brothers Insolvenzschutz Lehman Brothers waren den Finanzmärkten zwar schon längere Zeit bekannt, allerdings wurde mit (Mitte 2009 bis Frühjahr 2010) Die Wirtschaftspolitik reagierte rasch, entschlossen einer Rettung der Bank durch die US-Behörden ge- und in vielen Bereichen auch international koordi- anmelden. Dies löste eine Schockwelle aus, die die wurden erste Stabilisierungserfolge der staatlichen rechnet. Als diese ausblieb, musste Lehman Konkurs globalen Finanzmärkte erschütterte. Einer Reihe von niert auf die Krise. Ab dem zweiten Quartal 2009 Hilfspakete sichtbar. Die Vermögensmärkte zogen anderen Finanzinstitutionen drohte nun ebenfalls der wieder an und die Risikoaufschläge auf den Geld-, in die Solvenz der Geschäftspartner massiv. Davon setzende Erholung verlief bedeutend langsamer als Konkurs. Auf den Finanzmärkten sank das Vertrauen Kredit- und Anleihemärkten sanken. Die global ein- war vor allem der ohnehin schon angespannte In- der Abschwung und regional sehr uneinheitlich. Chi- sich die Banken, die am Ende eines Tages Liquidität die Weltwirtschaft. Die USA erreichten wieder einen terbankenmarkt betroffen. Normalerweise besorgen benötigen, diese am Interbankenmarkt von anderen Banken. In dieser Zeit jedoch horteten die Banken lie- na behielt seine Rolle als Wachstumslokomotive für moderaten Wachstumspfad, während die Erholung im Euroraum schleppender verlief. 11 aktuelle 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise U N TE R L AG E ■ Phase 3b) Europäische Schuldenkrise Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Staatsver- Die massiven Hilfspakete zur Stabilisierung des Fi- 2007 und den erwarteten Schuldenstand im Jahr (seit Frühjahr 2010) nanzsektors und die Konjunkturpakete ließen in vielen europäischen Ländern Sorgen über die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen aufkommen. Weltweit stiegen Budgetdefizite und Staatsverschuldungen. schuldung in % des BIP zu Beginn der Finanzkrise 2013 für ausgewählte Länder. Dabei zeigt sich ein starker Anstieg der Staatsverschuldung vor allem in den Ländern, die auch von der Krise besonders stark betroffen waren. Starker weltweiter Anstieg der Staatsverschuldung Tab. 1: Staatsschuld in % des BIP: Ausgangslage und Prognose Mit der Staatsverschuldung stiegen auch die Zweifel, dass die besonders betroffenen Länder – allen voran Grie- chenland – ihren Zahlungsverpflichtungen zukünftig nachkommen können. Geänderte Markteinschätzungen und Herabstufungen durch die Ratingagenturen führten zu höheren Risikoaufschlägen und damit zu höheren Zinsbelastungen, die ihrerseits wieder die Staatschulden erhöhten. Neben Griechenland sind auch andere süd- europäische Länder (Portugal, Spanien und Italien) in eine gefährliche Schieflage gekommen. Deutlich ablesen kann man die Sorgen über die Kreditwürdigkeit an den steigenden Kursen (Prämien) für Ausfallsversicherun- gen für Staatsanleihen (Credit Default Swaps, CDS*) dieser Länder. Anfang 2009 sind auch die Kurse für Credit Default Swaps für österreichische Staatsanleihen aufgrund des hohen Osteuropaexposure der heimischen Banken sprunghaft angestiegen. 12 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 CDS-Prämien für Staatsanleihen in Europa Abb. 4: CDS-Prämien für Staatsanleihen in Europa; Quelle: Thomson Financial. Stand: 2.3.2010, OeNB 13 aktuelle U N TE R L AG E Spezifische Probleme der GIIPS-Staaten Die fünf europäischen Problemstaaten Griechen- land, Irland, Italien, Portugal und Spanien leiden zwar alle unter einer Schuldenproblematik, im De- Wachstumsproblem. Portugal hat eine hohe priva- te Verschuldung, wenngleich dieses Problem nicht so ausgeprägt ist wie in Irland und Spanien. Die öffentliche Verschuldung war relativ niedrig. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch ein tail sind die Problemlagen in den Ländern jedoch massives Problem der portugiesischen Wirtschaft. hohe öffentliche Verschuldung (161 % des BIP im privates Verschuldungsproblem. Die niedrigen sehr unterschiedlich. Griechenland hat eine sehr Jahr 2012). Die private Verschuldung ist hingegen relativ niedrig. Ein zentrales Problem ist der mas- Spanien hat ähnlich wie Irland in erster Linie ein Zinsen nach der Euroeinführung haben zu einem Immobilienboom mit einem starken Anstieg der sive Verlust an Wettbewerbsfähigkeit im letzten privaten Schulden geführt. Die öffentliche Ver- tung des Leistungsbilanzdefizits geführt. Irland Spanien hat aber wie auch Griechenland ein Prob- Jahrzehnt. Dies hat zu einer deutlichen Auswei- hatte hingegen vor der Krise ein ausgeglichenes Budget und eine sehr niedrige Staatsverschul- dung, dafür aber eine hohe private Verschuldung. schuldung war vor Ausbruch der Krise sehr gering. lem mit der Wettbewerbsfähigkeit und ein hohes Leistungsbilanzdefizit. Im Zuge der Krise musste der irische Staat jedoch Die CDS-Kurse geben die Risikoeinschätzung des Fi- tems aufwenden, wodurch die öffentliche Ver- terer Folge auch zu höheren Zinsen für die neu auf- enorme Summen zur Rettung seines Bankensys- schuldung stark zunahm. Italien hat eine hohe nanzsektors wieder. Höhere Prämien führen in wei- zunehmenden Staatsschulden. Aktuell (Stand 17.April öffentliche Verschuldung, dafür ist die private 2012) muss Griechenland um 1945 Basispunkte oder ter Wettbewerbs- sondern vor allem unter einem als Deutschland. Der Aufschlag für Österreich beträgt Verschuldung niedrig. Italien leidet nicht nur un- 14 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 19,45 Prozentpunkte mehr für neue Schulden zahlen derzeit nur 109 Basispunkte (1,09 Prozentpunkte). 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 Zinsdifferentiale 10-jähriger Staatsanleihen zu Deutschland Abb. 5: Zinsdifferentiale 10-jähriger Staatsanleihen zu Deutschland; Quelle: Thomson Financial. Stand: 2.3.2010, OeNB Dass sich im Zuge der Schuldenkrise Marktein- 3.2Reaktion der Geldpolitik Herabstufung Die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und schätzungen rasch ändern können, zeigt auch die der Kreditwürdigkeit zahlreicher westeuropäischer Länder, denen von den großen 2009 führte zu massiven Problemen für den euro- Ratingagenturen noch vor Kurzem eine Topbonität päischen Bankensektor. Die Krise eskalierte am 15. Österreich (siehe Kap. 3.5). Brothers Insolvenz anmeldete. Dies löste eine Schock- zugeschrieben wurde. Eines dieser Länder ist auch September 2008, als die US-Investitionsbank Lehman 15 aktuelle U N TE R L AG E welle aus, die die globalen Finanzmärkte erschütterte. MaSSnahmen für Wertpapiermärkte Auf den Finanzmärkten sank das Vertrauen in die Sol- Die EZB reagiert auf die Zuspitzung der Schuldenkri- angespannte Interbankenmarkt kam komplett zum Er- kauf von Staatsanleihen und gedeckten Bankschuld- venz der Geschäftspartner massiv. Der ohnehin schon liegen. Der Finanzsektor war knapp am Kollaps, vielen Banken drohte ihre kurzfristige Liquidität auszugehen. se unter anderem mit dem erstmaligen gezielten An- verschreibungen (Pfandbriefe*). Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte auf diese Im Mai 2010 begann die EZB im Rahmen des Securi- Reihe von beispiellosen Maßnahmen, um die Stabilität europäischen Problemländern aufzukaufen. Damit Krise neben einer Senkung ihrer Leitzinsen mit einer des europäischen Bankensystems zu erhalten. MaSSnahmen für den Geldmarkt ties Market Programme (SMP*), Staatsanleihen von sollen die Kurse gestützt und in weitere Folge die Kosten der Schuldaufnahme für diese Länder gesenkt werden. Derzeit (Stand 13. April 2012) wurden Staats- Die EZB versorgt die Geschäftsbanken im Rahmen anleihen im Ausmaß von 214 Mrd. EUR von der EZB Diese Auktion wird normalerweise als Zinstender* einzelnen Länder wird von der EZB nicht bekannt ge- bestimmten Zinssatz für ein nachgefragtes Volumen. hinaus eine zentrale Rolle für die Weitergabe geldpo- eines Auktionsverfahrens (Tender) mit Liquidität. durchgeführt, d.h. die Geschäftsbanken bieten einen Die Zuteilung durch die EZB erfolgt nach der Höhe der Gebote, wobei die EZB das zugeteilte Gesamtvo- gekauft. Die genaue Aufteilung dieser Summe auf die geben. Die Märkte für Staatsanleihen spielen darüber litischer Impulse an die Wirtschaft. Die Rendite* auf Staatsanleihen* ist ein wichtiger Referenzwert für lumen festlegt. Die Geschäftsbanken bekommen also die Zinssätze, die Unternehmen auf Anleihen zahlen Ende der Laufzeit (üblicherweise eine Woche bis drei Aktivposten in der Bilanz des privaten Sektors dar. nicht immer das gesamte nachfragte Volumen. Nach Monate) müssen die Geschäftsbanken der EZB das Geld zurückzahlen und bekommen ihre hinterlegten Sicherheiten zurück. Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 müssen. Staatsanleihen stellen auch einen wichtigen Die niedrigeren Sekundärmarktpreise der Anleihen können große Bewertungsverluste bedeuten, die wiederum die Aktivseite der Unternehmensbilanz schmälern und damit die Kreditwürdigkeit reduzieren. Weiters erschwert eine niedrige Liquidität auf kam es zum Austrocknen des Interbankenmarktes, den Märkten für Staatsanleihen Banken und anderen grund des gestiegenen Misstrauens kein Geld mehr, ten in ihren Geschäften zu verwenden. Die Interven- das heißt, die Banken liehen sich gegenseitig auf- wodurch ihre wichtigste Finanzierungsquelle zum Er- liegen kam. Als Reaktion stellte die EZB das Auktions- verfahren auf einen Mengentender mit unbegrenzter Zuteilung um. Dabei wird der Zinssatz von der EZB vor- gegeben. Die Geschäftsbanken machen Gebote über die Höhe des Geldbetrages. Die EZB teilt den Banken das gesamte gewünschte Volumen zu, wodurch ihre Liquiditätsplanung erheblich vereinfacht wird. Damit gelang es der EZB, die enorm wichtige Liquiditätsver- Finanzintermediären, diese Anleihen als Sicherheitionen im Rahmen des SMP dienen daher dazu, die Funktionsweise der Märkte wiederherzustellen, um negative Auswirkungen auf die Weitergabe geldpolitischer Impulse an die Wirtschaft zu verringern. Wie beeinflusst der Kurs von Anleihen die Kosten der Schuldaufnahme für Staaten? Staatsanleihen sind in der Regel fixverzinste Wert- papiere, d.h. die Verzinsung ist über die gesamte sorgung der Geschäftsbanken aufrechtzuerhalten. Laufzeit konstant. Eine Staatsanleihe zum Nomi- wurde ebenfalls erweitert, wodurch viele Geschäfts- wirft daher pro Jahr eine Zinszahlung (Kupon*) von Refinanzierungszugang erhielten. he zum Nominalwert getilgt, d.h. der Investor be- Die Liste der von der EZB akzeptieren Sicherheiten banken (vor allem in den Krisenländern) leichteren 16 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise nalwert von 100 EUR mit einer Verzinsung von 5 % 5 EUR ab. Am Ende der Laufzeit wird diese Anlei- 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 den jedoch am Sekundärmarkt* gehandelt. Sinkt 3.3 Die reformierte Steuerungs­ architektur der Europäischen Union nominelle Kupon unverändert. Im Verhältnis zum Das Design der Wirtschafts- und Währungsunion hat man den erwarteten Kursgewinn hinzu (die Anlei- Finanzkrise hinreichend funktioniert. Die Krise hat kommt 100 EURO zurück. Diese Staatsanleihen werder Wert der Anleihe z.B. auf 50 EURO, so bleibt der niedrigeren Kurs steigt er aber auf 10 %. Rechnet he wird am Ende der Laufzeit zum Nominalwert getilgt, solange der Staat nicht insolvent wird), so ergibt sich in Abhängigkeit von der Restlaufzeit der Anleihe eine deutlich höhere Rendite (Verhält- nis der erwarteten zukünftigen Zahlungsströme zum eingesetzten Kapital) von z.B. 20 %. Diese ge- stiegene Sekundärmarktrendite hat unmittelbar noch keine Konsequenzen auf die Finanzierungskosten des jeweiligen Staates. Wenn dieser je- doch am Primärmarkt* neue Staatsanleihen emit- tiert, so muss die Verzinsung dieser Anleihen mit der durchschnittlichen Sekundärmarktrendite ver- in der Schönwetterphase vor der Wirtschafts- und jedoch eine Reihe von Konstruktionsfehlern der Wirt- schafts- und Währungsunion offenbart. Im Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2007 abgeschlossen wurde und die rechtliche Grundlage der Europäischen Union darstellt, waren keine ausreichenden institutionellen und wirtschaftspolitischen Vorkehrungen zur Präven- tion und Bewältigung der Banken- und Staatsschul- denkrise in der EU getroffen worden. So gab es etwa keine Instrumente zur finanziellen Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets. Kontrollinstrumente – wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt oder die Grundzüge der Wirtschaftspolitik – waren wohl vorgesehen, aber gleichbarer Anleihen konkurrieren. Die Zinskosten von den Mitgliedstaaten nicht bzw. nicht ausreichend schnittliche Verzinsung der gesamten ausstehen- tutionellen Entscheidungsabläufe waren in der Krise zu für diese Staatsanleihen steigen daher. Die durch- den Staatsschuld steigt mit jeder neu emittierten Tranche von Staatsanleihen kontinuierlich an. Neben dem Staatsanleihenankaufsprogramm SMP hat die EZB bereits im Mai 2009 begonnen, gedeckte eingesetzt worden. Die vertraglich vorgesehenen insti- behäbig. Deshalb wurde zur Bewältigung der Banken- und Staatsschuldenkrise eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Europa 2020 löst als Strategie für Wachstum die Lis- Bankschuldverschreibungen (Covered Bonds) im Rah- sabon-Strategie ab. Bezüglich der Art des Wachstums aufzukaufen, da diese eine wichtige Refinanzierungs- tes Wachstum (Bildung, Forschung und Innovation, men des Covered Bonds Purchase Programme (CBPP*) quelle für Banken darstellen. Damit soll in weiterer Folge die Kreditvergabe belebt werden. Bis zum Aus- laufen dieses Programms bis Juni 2010 wurden ge- deckte Bankschuldverschreibungen im Ausmaß von wurden drei Prioritäten gesetzt, nämlich intelligen- digitale Gesellschaft), nachhaltiges Wachstum (Ressourceneffizienz, Umweltfreundlichkeit und Wett- bewerbsfähigkeit) und integratives Wachstum (hohe Beschäftigung, wirtschaftlicher, sozialer und territo- 60 Mrd. Euro aufgekauft. Diese Maßnahme hat zu rialer Zusammenhang). Zur Verbesserung der wirt- Seiten der Banken geführt. Anfang Oktober 2011 hat Instrumenten neu geschaffen bzw. verbessert. einer spürbaren Zunahme der Emissionstätigkeit von der EZB-Rat beschlossen, das Programm bis Oktober 2012 wiederaufzunehmen. schaftspolitischen Steuerung wurde eine Reihe von Das Europäische Semester ist ein Mechanismus zur verbesserten Koordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitiken der EU-Mitgliedsstaaten. Seit 2011 findet jeweils in der ersten Jahreshälfte eine intensive Abstimmung zwischen den 27 EU-Mitgliedsstaaten statt. Die jährliche Überwachung der Haushalts- und Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten, aber auch deren grundsätzliche Ausrichtung, erfolgt nicht mehr getrennt voneinander, sondern gemeinsam bzw. in integrierter Form. 17 aktuelle U N TE R L AG E Im Jänner 2012 trat das sogenannte „Sixpack"* in Kraft, ein im März 2011 beschlossenes Paket von sechs 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise (IWF, 30 Mrd. Euro). Es stellte sich jedoch bald heraus, dass diese Mittel nicht ausreichen werden, um Grie- europäischen Verordnungen bzw. Richtlinien. Vier da- chenland vor dem Bankrott zu retten. Deshalb wurde Wachstumspakts ab. Zwei betreffen Aktionen bei ma- Das Hilfspaket bestand im Wesentlichen aus der Be- ist ein Schritt hin zu einer gemeinsamen Wirtschafts- von Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF*) und von zielen auf eine Verschärfung des Stabilitäts- und kroökonomischen Ungleichgewichten. Das Sixpack regierung. Die Europäische Kommission kann künftig in nationale Budgetplanungen eingreifen. Darüber im Juli 2011 ein zweites Rettungspaket beschlossen. reitstellung von zusätzlichen Finanzierungsmitteln IWF, aus einer Reduktion des Zinssatzes und einer Verlängerung der Laufzeit für einen Teil der beste- hinaus sind die Eurostaaten verpflichtet, Schulden- henden Schulden gegenüber anderen Euroraumlän- Der Euro-Plus-Pakt* wurde im März 2011 beschlossen. teiligung des privaten Sektors gestalteten sich aber 23 EU-Mitgliedsstaaten (Euroraum plus Bulgarien, einer Nettobarwertreduktion in der Höhe von rund bremsen* einzuführen. Er basiert auf der freiwilligen Zusammenarbeit von Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien). Durch eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinati- on in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, öffentliche Finanzen und Finanzstabilität soll die Wirtschaftskraft der beteiligten Länder verbessert dern sowie einer geplanten „freiwilligen“ Beteiligung privater Gläubiger. Die Verhandlungen über die Be- sehr schwierig und konnten erst im März 2012 mit 80 % abgeschlossen werden. Damit wurde die letz- te Bedingung der Eurogruppe für die Implementierung eines nun adaptierten zweiten Hilfsprogramms für Griechenland erfüllt. Ziel des Hilfsprogramms ist es, die Schuldenquote Griechenlands bis zum Jahr 2020 auf werden. ein „nachhaltiges“ Niveau von 120,5 % zu reduzieren. Finanzierung der Problemstaaten Nach dem ersten Hilfspaket für Griechenland wurden der Zuspitzung der Lage in Griechenland. Um die dro- chanismen für die Finanzierung der Problemländer gruppe das erste Hilfspaket im Ausmaß von 110 Mrd. fazilität) vergibt Kredite und kauft Staatsanleihen am Die Staatsschuldenkrise begann im Frühjahr 2010 mit hende Insolvenz abzuwenden, wurde von der Euro- Euro beschlossen. Dieses bestand aus bilateralen Krediten der anderen Euroraumstaaten (80 Mrd. Euro) und aus Krediten des Internationalen Währungsfonds als sofort wirksame Maßnahme zwei temporäre Me- geschaffen. Die EFSF* (Europäische FinanzstabilitätsPrimärmarkt. Sie finanziert sich durch die Ausgabe eigener Anleihen am Kapitalmarkt, wobei die Euroraumländer dafür Bürgschaften bereitstellen. Das 1 Über die freiwillige Gläubigerbeteiligung wurde zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Unterlage noch verhandelt. 18 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 maximal ausschöpfbare Volumen beträgt 440 Mrd. die Kreditwürdigkeit ist mit teils erheblichen Kosten eine günstige Refinanzierung erhält, müssen die spezialisiert und können dies für eine große Anzahl Euro. Damit die EFSF* ein Triple-A Rating und damit Bürgschaften mit 780 Mrd. Euro das Maximalvolu- men deutlich übersteigen. Der EFSM* (Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus) wurde von der EU eingerichtet und hat ein Volumen von 60 Mrd. Euro, die aus dem EU-Haushalt bereitgestellt werden. Der ESM* (Europäischer Stabilitätsmechanismus) wird Mitte 2012 als permanenter Mechanismus in verbunden. Ratingagenturen sind auf diese Aufgabe von Gläubigern gemeinsam und daher kostengünstig machen. Gleichzeitig fördern die Ratings die Standardisierung von Finanzprodukten. Die Beurteilung der Kreditwürdigkeit erfolgt entlang einer Skala, wobei jede Ratingagentur eine eigene Skala verwendet. Kraft treten. Er soll Kredite im Ausmaß von 500 Mrd. Die Ratingskalen sollen die Euroraumländer nicht nur Bürgschaften Ratingagenturen geben Einschätzungen (Ratings) Euro an Staaten zur Verfügung stellen können. Dabei bereitstellen, sondern Kapital einzahlen, was deren der drei groSSen Ratingagenturen über die Kreditwürdigkeit bestimmter Emittenten Haushalte belastet. Zusätzlich existieren Kreditzusa- (Staaten und Unternehmen) und Finanzprodukte nach heutigem Stand in Summe ein Gesamtvolumen reitschaft von Schuldnern ihren zukünftigen Zah- gen des IWF im Ausmaß von 250 Mrd. Euro, wodurch von insgesamt 750 Mrd. Euro zur Verfügung stehen wird. 3.4 Die Rolle der Ratingagenturen in der Krise Aufgaben der Ratingagenturen und Ratingklassen ab, d.h. sie beurteilen die Fähigkeit und die Be- lungsverpflichtungen nachzukommen. Ein Rating ist daher im Gegensatz zu buchhalterischen Kenn- ziffern vorausschauend. Spielt bei Unternehmen die Fähigkeit zur Schuldentilgung die wichtigste Rolle, so kommt im Falle von Staaten auch die Bereitschaft zur Schuldentilgung hinzu, da die juristi- schen Möglichkeiten zur Schuldeneintreibung im internationalen Recht limitiert sind. Die aktuelle Finanzmarktkrise hat die Ratingagentu- Die Ratings basieren üblicherweise sowohl auf rückt. Sie wurden vielfach als Auslöser oder Verstärker chen Informationen, die von den Emittenten zur ren in den Blickwinkel des öffentlichen Interesses ge- der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise bezeichnet. Herabstufungen von Ländern wurden inhaltlich in allgemein zugänglichen als auch auf vertrauli- Verfügung gestellt werden. Die Schuldner werden in Folge in Ratingklassen eingeteilt, die die Kredit- Frage gestellt und als politisch motiviert bezeichnet. würdigkeit reflektieren. S&P und Fitch orientie- blick über die Ratingindustrie, ihre Aufgaben und Pro- Moody’s an den erwarteten Verlusten. Eine detail- Aber ist dieser Befund wirklich zutreffend? Ein Überbleme, soll helfen diese Frage zu beantworten. Ratingagenturen erfüllen eine sowohl für Investoren als auch für Emittenten wichtige Aufgabe. Sie helfen, das Problem der asymmetrischen Information zwischen Marktteilnehmern zu lindern. Emitten- ren sich dabei an der Ausfallswahrscheinlichkeit, lierte Metrik betreffend die Klassifizierung wird von den Ratingagenturen jedoch nicht veröffent- licht. Alle drei Ratingagenturen verwenden eine 21teilige Skala die von der höchsten Bewertung, dem bekannten „Triple A“, bis zum eingetreten Zahlungsausfall „D“ reichen. Die zehn Klassen ten von Schuldtiteln, seien es private Unternehmen AAA bis BBB- werden üblicherweise als „Invest- betreffend die eigene Kreditwürdigkeit als potentiel- „Speculative Grade“. oder Staaten, verfügen über mehr Informationen le Gläubiger. Das Sammeln von Informationen über ment Grade“ bezeichnet, schlechtere Ratings als 19 aktuelle 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise U N TE R L AG E Ratingklassen Jedes Rating wird außerdem noch mit einem Ausblick versehen, der auf mögliche bevorstehende Änderun- gen des Ratings hinweist. Dieser Ausblick kann positiv, stabil oder negativ sein. Im Falle eines negativen/ positiven Ausblicks besteht zumindest eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel, dass das Rating in den nächsten Monaten herab/hinaufgestuft wird. Änderungen des Ausblicks laufen den tatsächlichen Rating- änderungen üblicherweise voraus und sind häufig frühzeitige Signale für eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit. Tab. 2: Ratingklassen 20 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 Kritikpunkte an den Ratingagenturen on der Ratingagenturen bei der Ländereinschätzung Öffentlichkeit hängt mit einer Reihe von Problemen aufgrund ihrer Erfahrung bei der Beurteilung der Dass schlechte Image der Ratingagenturen in der und Fehlentwicklungen zusammen, die im Folgenden diskutiert werden. Die vier wichtigsten Kritikpunkte an den Ratingagenturen: 1. Fehlerhafte Einschätzungen in der Vergangenheit – unzuverlässige Ratings 2. Oligopolistische Marktstrukturen – mangelnder Wettbewerb 3. Interessenskonflikte 4.Auslöser bzw. Verstärkung von Krisen Fehlerhafte Einschätzungen in der Vergangenheit – unzuverlässige Ratings Die Einschätzungen der Ratingagenturen haben sich in der Vergangenheit immer wieder als falsch heraus- gestellt. So haben sie die Asienkrise 1997/98 zu spät erkannt und bei spektakulären Unternehmenspleiten wie Enron und WorldCom bis zum Schluss Topbonitä- mag überraschen. Erstens sollten Ratingagenturen Bonität einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern haben. Zweitens ist es die wichtigste Aufgabe der Ratingagenturen die In- vestoren frühzeitig vor Zahlungsausfällen zu warnen. Sie sind daher angehalten besonders kritisch – sprich pessimistisch – zu urteilen. Andererseits sind sich Ra- tingagenturen der Gefahr selbsterfüllender Prophe- zeiungen bewusst, die durch die starke Verankerung von Ratings in der Finanzmarktregulierung besteht (siehe unten). Eine systematische Fehleinschätzung ist bei Länderratings nicht auszumachen. Bei der Be- urteilung der Bonität von strukturierten Produkten ist es in der Vergangenheit jedoch zu systematischen Verzerrungen (tendenziell zu positive Ratings) gekommen. Oligopolistische Marktstrukturen – mangelnder Wettbewerb Der Markt für Ratings wird von drei großen Agen- ten vergeben. In der jüngsten Vergangenheit gerie- turen beherrscht: S&P, Moody’s und Fitch. Mit S&P der Beurteilung von verbrieften Schuldverschreibun- in amerikanischen Besitz während die dritte, Fitch, ten sie insbesondere durch ihre Geschäftspolitik bei und Moody’s sind zwei der großen Ratingagenturen gen (Collateralized Debt Obligations, CDOs)*, einem mehrheitlich Fimalac S.A mit Sitz in Paris gehört. Kreuzfeuer der Kritik. Schließlich haben die Rating- Branchenführer – ein Spiegelbild der hohen Markt- seit den 1990er Jahren rasant wachsenden Markt, ins agenturen auch die Kreditwürdigkeit der besonders stark von der aktuellen Schuldenkrise betroffenen Über 90 % der Ratingerlöse entfallen auf die drei konzentration. Skalenerträge, Benchmarkfunktion und hohe Markteintrittskosten erschweren neuen Euroraumländer Griechenland, Irland und Portugal Anbietern den Markeintritt und so ist es auch um die revidiert. Erste geringfügige Anpassungen fanden ab zuletzt wieder deutlich ruhiger geworden. Mangeln- erst relativ spät, dann aber umso kräftiger nach unten Gründung einer neuen europäischen Ratingagentur dem Jahreswechsel 2008/09 statt, es dauerte aber zu- der Wettbewerb kann negative Folgen für die Quali- zurückgenommen wurden. Die oft zögerliche Reakti- des Finanzsystems von einzelnen Ratingagenturen. mindest ein weiteres Jahr bis die Ratings substantiell tät der Ratings haben und erhöht die Abhängigkeit MaSSzahlen der Marktkonzentration im Ratinggeschäft Tab. 3: Maßzahlen der Marktkonzentration im Ratinggeschäft 21 aktuelle 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise U N TE R L AG E Interessenskonflikte Verstärkung von Krisen sind nicht die Beurteilungen der Kreditwürdigkeit das heißt sie verstärken den Konjunkturzyklus. Dieser Die Haupteinnahmequelle von Rating-Agenturen von Staaten, sondern von Unternehmen und Wertpapieren. Seit den 1970er und 1980er Jahren sind es mehrheitlich nicht mehr wie früher die Investoren, die für das Rating bezahlen, sondern die Emittenten. Ein wichtiger Grund für diese Änderung lag in der Ratings wird eine prozyklisch Wirkung nachgesagt, Effekt resultiert nicht zuletzt aus einer Vielzahl von Regulierungen, die auf Ratings abstellen. Ratings fin- den beispielsweise bei der Bestimmung von Eigenka- pitalvorschriften Verwendung: Ein besseres Rating der Aktiva führt zu einem niedrigeren Eigenkapitalerfor- Trittbrettfahrerproblematik, nachdem Ratings und dernis. Auch Veranlagungsbestimmungen für Fonds, lich bekannt wurden. Die Kehrseite dieser Entwick- Vielfach muss z. B. ein bestimmter Mindestanteil des Ratingberichte immer häufiger und schneller öffent- lung ist eine problematische Anreizstruktur, da nun Versicherungen etc. stellen auf externe Ratings ab. Veranlagungsvolumens im „Investment Grade“ erfol- der Prüfer vom Überprüften bezahlt wird. gen. Bei Absicherungsgeschäften am Geldmarkt oder Interessenskonflikte sind im Falle von Länderratings litätsanforderung für die hinterlegten Sicherheiten jedoch von geringer Bedeutung. Hier besteht eher die Gefahr der versuchten politischen Einflussnah- me. Evident wurden Interessenskonflikte hingegen im Bereich der strukturierten Produkte, dem seit den 1990er Jahren am schnellsten wachsenden und pro- bei Repogeschäften* mit Zentralbanken wird die Qua- mit Hilfe externer Ratings bestimmt. Aber auch bei der Feststellung eines Zahlungsausfalls bei Kreditausfalls- versicherungen (CDS) finden Ratings Verwendung. fitabelsten Marktsegment im Ratinggeschäft. Ratin- 3.5 Das Rating der Republik Österreich als Beurteiler der Bonität auf, sondern auch als Bera- Die Ratingagentur Standard & Poor`s hat am 13. Jän- Produkte. Dies führte dazu, dass Emittenten „Rating reich von ’AAA’ auf ’AA+ gesenkt und den Ausblick gagenturen traten in diesem Bereich nicht mehr nur ter bei der Ausgestaltung der von ihnen geprüften ner 2012 die langfristige Bonität der Republik Öster- shoping“ betreiben konnten und sich ihr gewünsch- auf negativ gestellt. Genau ein Monat später am 13. haben. Zusätzlich litt die Ratingqualität unter dem bestätigt, aber den Ausblick von stabil auf negativ he- tes Rating zu möglichst geringen Kosten „gekauft“ Bestreben der Ratingagenturen sich Marktanteile in diesem Wachstumsmarkt zu sichern. Längerfristige Reputationsüberlegungen traten demgegenüber zunehmend in den Hintergrund. Die systematisch zu positiven Einschätzungen von strukturierten Produkten in den Jahren vor der Fi- nanzkrise durch die Ratingagenturen waren mit ein Auslöser für die Wirtschafts- und Finanzkrise. Februar hat Moody’s das Triple A für Österreich zwar rabgestuft. Die Ratingagenturen sind zwar weiterhin von der Stabilität der Wirtschaftspolitik in Österreich und der Wettbewerbsfähig der Wirtschaft überzeugt, sehen aber in den ungelösten finanziellen Problemen der Eurozone, der eher zögerlichen Budgetkonsolidie- rung in Österreich und im großen Auslandsexposure des österreichischen Bankensystems in den CESEELändern* Risiken für die langfristige Kreditwürdigkeit Österreichs. 22 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 Vergleich Österreichs mit den verbliebenen AAA-Staaten (ohne Liechtenstein, Hongkong, Singapur) Tab. 4: Vergleich Österreichs mit den verbliebenen AAA-Staaten (ohne Liechtenstein, Hongkong, Singapur) Der Wirtschaftskraft Österreichs wird von den inter- Euroraumdurchschnitt und im Pro Kopf Einkommen bonität zugemessen. Österreichs Wirtschaft wird guten vierten Platz ein. Bemerkenswert ist auch die nationalen Ratingagenturen nach wie vor eine Topvon S&P als „wohlhabend, diversifiziert und höchst wettbewerbsfähig“ beschrieben. Die Innovations- kraft und Ertragslage der österreichischen Unter- nehmen ist ausgezeichnet und die internationale Wettbewerbsfähigkeit hoch. Dies spiegelt sich in der Leistungsbilanz* wider, die seit 2002 stabil im Plus ist. Das Wirtschaftswachstum liegt über dem nimmt Österreich unter den Euroraumländern den Arbeitslosenquote – mit knapp 4 % die niedrigste im gesamten Euroraum und auch unter den Triple-A Staaten im Spitzenfeld. Die Verschuldung der privaten Haushalte und Unter- nehmen ist im internationalen Vergleich gering, die Sparquote hoch. Die Inflationserwartungen sind stabil bei rund 2 % verankert. 23 aktuelle 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise U N TE R L AG E Neben der ungelösten europäischen Schuldenproble- 60 % des BIP gesenkt werden. Bis Ende 2010 stieg Erstens liegt Österreich beim Budgetsaldo und der auf 72,2 %, wodurch Österreich zwar unter dem Eu- der und der Konsolidierungspfad wird als nicht sehr meisten Triple-A Ländern liegt. Für die Ratingagen- matik geben jedoch zwei Bereiche Anlass zur Sorge: Staatsverschuldung schlechter als viele Triple-A-Länambitioniert erachtet. Zweitens bergen die geringe Eigenkapitalquote* und das hohe Auslandsexposure Österreichs, insbesondere des österreichischen Fi- nanzsektors, in den CESEE-Ländern Risiken für die gesamtstaatliche Kreditwürdigkeit. Denn aufgrund der die Schuldenquote krisenbedingt allerdings wieder roraumdurchschnitt (85 %), aber deutlich über den turen ist auch der zukünftige Konsolidierungsplan bedeutend. Hier wurden mit der gesetzlichen Verankerung einer Schuldenbremse* und dem Anfang 2012 von der Regierung beschlossenen Konsolidierungs- paket erste wichtige Schritte gesetzt. Insgesamt wer- niedrigen Eigenkapitalquote ist die Schockresistenz den die geplanten Konsolidierungsbemühungen im nalen Vergleich gering. sehr ausgeprägt angesehen. Der höhere Schulden- des österreichischen Bankensystems im internatio- Sollten negative Entwicklungen in den CESEE-Län- Vergleich mit anderen Triple-A Staaten aber als nicht stand verringert den budgetären Spielraum zum Ge- dern zu einem großen zusätzlichen Kapitalbedarf der gensteuern im Falle neuer Turbulenzen. Zu den kon- staatliche Hilfen notwendig machen. Angesichts der aus österreichischer Sicht neben einer Verschärfung österreichischen Banken führen, könnte dies erneut angespannten Budgetlage ist der Spielraum dafür jedoch deutlich niedriger als noch vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen Wie in fast allen Ländern ist auch in Österreich die Neuverschuldung während der Finanz- und Wirt- schaftskrise gestiegen. Mit einem Defizit von -4,6 % des BIP im Jahr 2010 liegt Österreich zwar deutlich bes- ser als der Euroraumdurchschnitt (-6,2 %), unter den Triple-A Ländern gibt es jedoch mehrere mit deutlich kreten Risiken für die öffentlichen Finanzen zählen der Schuldenkrise in Europa insbesondere das hohe Exposure in den CESEE-Ländern. Unterdurchschnittliche Eigenmittelquoten des österreichischen Bankensektors Die aggregierte Kernkapitalquote* (Eigenmittelquo- te) aller österreichischen Banken ist seit dem Tief im dritten Quartal 2008 bis zum dritten Quartal 2011 kontinuierlich auf 10,3 % gestiegen. Trotz der Verbesserung der Eigenmittelsituation der österrei- geringeren Budgetdefiziten oder sogar Budgetüber- chischen Banken bestätigen die European Banking Maastricht konnte in Österreich von 2001 bis 2007 die heimischen Institute im internationalen Vergleich schüssen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote laut um etwas mehr als 6 Prozentpunkte auf knapp über Authority*(EBA)-Berechnungen vom Herbst 2011, dass weiterhin unterdurchschnittlich kapitalisiert sind. Konsolidierte Kapitalquoten österreichischer Banken Tab. 5: Konsolidierte Kapitalquoten österreichischer Banken 24 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise Das Exposure der österreichischen Banken in Zentral- und Osteuropa (CESEE) Die österreichischen Banken haben ihre Auslands- aktivitäten in den letzten Jahren stetig ausgeweitet. Das Hauptaugenmerk wurde dabei auf die Erschließung der Märkte in den CESEE-Ländern gelegt. Ende Juni 2011 belief sich das konsolidierte Auslandsobligo (Aktiva) der heimischen Banken auf 376 Milliarden Euro.2 In absoluten Zahlen gibt es mehrere europäi- sche Staaten (UK, Frankreich, Deutschland, Schweiz, Niederlande, Italien) mit höheren internationalen Forderungen. Relativ (in Prozent des BIP) nimmt Ös- terreich jedoch hinter der Schweiz, den Niederlanden 70 | April | 2012 und dem Vereinigten Königreich mit 125 % den vier- ten Platz ein. Österreich ist zwar in den besonders krisengeschüttelten Euroraumländern Irland, Spa- nien, Griechenland und Portugal kaum exponiert. Aufgrund der hohen Konzentration der Auslandsaktivitäten auf die CESEE-Länder ist das österreichische Bankensystem jedoch für regionale Schocks in dieser Region besonders anfällig. Ende September 2011 entfielen allein 222,4 Mrd. Euro an internationalen For- derungen von mehrheitlich in österreichischem Be- sitz befindlichen Banken (d.h. ohne die Bank Austria, die der italienischen Unicredit zugerechnet wird) auf die CESEE-Länder. Vergleich der konsolidierten Auslandsforderungen westlicher Banken Tab. 6: Vergleich der konsolidierten Auslandsforderungen westlicher Banken 2 Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). 25 aktuelle U N TE R L AG E 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise Konsolidierten Auslandsforderungen österreichischer Banken Tab. 7: Konsolidierten Auslandsforderungen österreichischer Banken 26 3 Anatomie der Finanz- und Schuldenkrise 70 | April | 2012 Bei der Beurteilung des CESEE-Exposures der öster- Der Großteil des Exposures besteht mit 56 % gegen- dass es sich hierbei keinesfalls um einen homogenen gliedsstaaten, wo das wirtschaftliche und politische reichischen Banken wird jedoch vielfach übersehen, Wirtschaftsraum handelt und dass die Verflechtung des österreichischen Bankensektors mit der Region breit diversifiziert ist. über den im Jahr 2004 neu beigetretenen EU-Mit- Risiko vielfach recht gering eingeschätzt wird. Eine – für Österreich allerdings sehr wichtige – Ausnahme stellte zuletzt Ungarn dar. Engagement der Banken in der CESEE-Region Abb. 6: Engagement der Banken in der CESEE-Region Trotz höherer Aufwendungen für Risikovorsorgen* stieg das Periodenergebnis* in der Region im Jahr 2011 auf rund 1,8 Mrd. Euro. Die höhere Ertragskraft Mittel- und langfristig verspricht das CESEE-Enga- gement der österreichischen Banken auch weiterhin gute Ertragschancen, denn innerhalb Europas hat geht allerdings mit einem größeren Kreditrisiko ein- diese Region das größte Wachstumspotenzial. Der der stärker an und lag bei rund 7,3 %. war bemerkenswert, ist aber noch keinesfalls abge- her. Die Wertberichtigungsquote* stieg zuletzt wie- Aufholprozess dieser Länder in den letzten Jahren schlossen. Das Wachstumsdifferenzial zwischen den EU-Mitgliedstaaten der Region und dem Euroraum hat sich während der Krise zwar verringert. Die ver- fügbaren Prognosen gehen aber davon aus, dass der Abstand in den nächsten Jahren wieder auf etwa 2 Prozentpunkte steigen wird. 27 aktuelle 4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose U N TE R L AG E 4 DER BLICK IN DIE ZUKUNFT: DIE KONJUNKTURPROGNOSE „Prognosen sind eine unsichere Sache. Vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“ (Mark Twain) der abhängigen Gleichungen, die mittels mathematischer und statistischer Methoden geschätzt werden. Gesamtwirtschaftliche Modelle können 4.1 Wie entsteht eine Konjunkturprognose? für Konjunkturprognosen ebenso eingesetzt wer- Konjunkturprognosen sind unverzichtbare Entschei- wichtiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen dungshilfen für Unternehmen und Wirtschaftspo- litiker. Der Entscheidung über das Zinsniveau durch die europäische Zentralbank liegt neben anderen den wie zur Abschätzung der Wirkungen wirtschaftpolitischer Maßnahmen oder Änderungen wie der Ölpreise oder der Wechselkurse. Kurzfristig (d.h. über einen Horizont von ein bis zwei wichtigen Informationen ebenso eine Konjunktur- Jahren) ist das BIP in vielen Modellen nachfragesei- Finanzministers. Auch Unternehmen treffen ihre In- werden die Ergebnisse hingegen angebotsseitig, d.h. prognose zugrunde wie dem Budgetentwurf des vestitionsentscheidungen nicht zuletzt auf Basis von Nachfrageerwartungen, also auf Basis einer Wachs- tumsprognose. 4.2 G esamtwirtschaftliche Modelle: Das wichtigste Werkzeug für Konjunkturprognosen Viele nationale und internationale Entscheidungs- träger erstellen ihre Konjunkturprognosen mit Hilfe von gesamtwirtschaftlichen Modellen. So unterhält auf internationaler Ebene beispielsweise die Europäische Kommission, die EZB, der Internationale tig bestimmt. Langfristig (länger als zwei, drei Jahre) durch die zur Verfügung stehenden Produktionsfak- toren (Kapital und Arbeit) und den technischen Fort- schritt bestimmt. In einem gesamtwirtschaftlichen Modell wird eine Volkswirtschaft in einzelne Sektoren unterteilt. Die drei wichtigsten Sektoren sind der Unternehmenssek- tor, der Sektor der privaten Haushalte und der Sektor Staat. Neben den Sektoren werden noch verschiedene Märkte wie z.B. der Arbeitsmarkt, der Gütermarkt oder der Kreditmarkt abgebildet. Die Modellstruktur folgt dabei stark der Methodik der Volkswirtschaftli- chen Gesamtrechnung. Währungsfond oder die OECD gesamtwirtschaftliche Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) die OeNB. wirtschaftliche Geschehen einer Volkswirtschaft. Modelle, auf nationaler Ebene das WIFO, das IHS und Ein gesamtwirtschaftliches oder makroökonomet- risches Modell bildet die ökonomischen Wirkungszusammenhänge einer Volkswirtschaft ab. Es ba- bietet einen umfassenden Überblick über das Sie ist ein wirtschaftstatistisches System, das ex- post – also nach Abschluss einer Wirtschaftsperiode (Jahr oder Quartal) – alle Güter- und Einkom- mensströme kontenmäßig erfasst. Man kann die siert einerseits auf theoretischen Überlegungen VGR daher auch als eine Art volkswirtschaftliche und andererseits auf empirischen Beobachtungen folgt dem Kreislaufgedanken wirtschaftlicher Zu- de Annahme – auch in Zukunft Gültigkeit haben. dargestellt wird. Zentrales Ergebnis der VGR ist betreffend die ökonomischen Zusammenhänge der Vergangenheit, die – so die zugrunde liegen- Das Verhalten der verschiedenen Wirtshaftakteure wird in Form von mathematischen Gleichungen beschrieben. Ein gesamtwirtschaftliches Modell 28 besteht daher aus einem System von untereinan- Buchhaltung bezeichnen. Der Aufbau der VGR sammenhänge wie er in Abbildung 7 schematisch die quantitative Erfassung der Entstehung, Verwendung und Verteilung des Bruttoinlandspro- duktes. Als wichtigstes statistisches Instrument 4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose 70 | April | 2012 der Wirtschaftsbeobachtung ist die VGR eine we- wirtschaftlichen Modell abgebildet werden. Der unternehmerische Entscheidungen. Sie findet in sätzliche Märkte wie z.B. den Geldmarkt oder den sentliche Grundlage für wirtschaftspolitische und dargestellte Wirtschaftskreislauf kann noch um zu- der volkswirtschaftlichen Analyse und Prognose Immobilienmarkt erweitert werden. ternationale Vergleiche. Unumgänglich insbesondere für kleine offene Volks- Verwendung und ist Grundlage für zahlreiche in- Abbildung 7 zeigt die vielfachen Wirkungszusammenhänge, die bereits in einem einfachen gesamt- wirtschaften wie z.B. Österreich ist auch die Berück- sichtigung des „Auslands“ als zusätzlichen Sektor, der aus Darstellungsgründen ausgeblendet wurde. Schematische Darstellung des inländischen Wirtschaftskreislaufs Abb. 7: Schematische Darstellung des inländischen Wirtschaftskreislaufs Das Verhalten der Wirtschaftsakteure in jedem Sek- Die privaten Haushalte geben 90 % ihres verfügba- tor wird durch Gleichungen dargestellt. Beispielhaft ren Einkommens für Konsumzwecke aus. Der Rest der privaten Haushalte angeführt. gen die Konsumausgaben mit der Höhe des ange- sei eine einfache Gleichung für die Konsumausgaben des Einkommens wird gespart. Darüber hinaus stei- Konsum = 0,9 x Einkommen häuften Vermögens und sinken bei höheren Zinsen, sätzlich können auch weniger handfeste Faktoren + 0,1 x Vermögen - 0,01 x Zinsen. weil dadurch Konsumkredite verteuert werden. Zu- 29 aktuelle 4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose U N TE R L AG E wie das Vertrauen der Konsumenten eine wichtige wiederum das Einkommen und damit wiederum die lassen sich die gegenseitigen Abhängigkeiten und schaftsprognostiker mit Modellen, in denen mehrere Rolle spielen. Bereits in diesem einfachen Beispiel Verflechtungen im Wirtschaftskreislauf sehr gut veranschaulichen. Nehmen wir als Beispiel das Ein- kommen, das allen Haushalten zusammengerech- Konsumausgaben. Aus diesem Grund arbeiten Wirt- Gleichungen gleichzeitig gelöst werden – sogenannte simultane Gleichungssysteme. net zur Verfügung steht. Es hängt ganz wesentlich Gleichungen wie die oben beschriebene für das Kon- Unternehmen zahlen, ab. Aber auch die Steuern und reiche einer Volkswirtschaft. Zusammen sollen sie ein und die Transferzahlungen, die man vom Staat erhält, schaftablaufs geben. Wie umfangreich und detailliert von der Höhe des durchschnittlichen Lohns, den die Abgaben, die an den Staat gezahlt werden müssen, bestimmen das Einkommensniveau. Hinzu kommen sumverhalten des Haushaltssektors gibt es für alle Be- möglichst realistisches Abbild des tatsächlichen Wirtein Modell ist, hängt nicht zuletzt von der jeweiligen noch Gewinnausschüttungen von Unternehmen und Fragestellung ab. Dabei gilt es, die richtige Balance von der Geldpolitik maßgeblich beeinflusst. Neben gender Größe eines Modells wird es immer schwieri- die Zinseinkommen aus Vermögen. Letztere werden zwischen Größe und Einfachheit zu finden. Mit stei- diesen direkten sind aber auch noch indirekte Effek- ger, dessen Wirkungsweise genau nachzuvollziehen. steigt das BIP. In der Folge werden neue Arbeitsplät- aus 283 Gleichungen und 369 Variablen und ist damit ten bedeutsam. Konsumieren die Haushalte mehr, so ze geschaffen und das Lohnniveau steigt. Das erhöht Das aktuelle Modell der OeNB besteht beispielsweise ein mittelgroßes gesamtwirtschaftliches Modell. 4.3 Vier Schritte zur Konjunkturprognose Vier Schritte zur Konjunkturprognose Externe Rahmenbedingungen kurzfristprognose Einschätzung der wirtschaftlichen Situation für das nächste Quartal mithilfe von Indikatoren (z.B. wachsende Unternehmenskredite) konjunkturprognose für die nächsten zwei bis drei Jahre werden BIP-Wachstum, die Preisund Kostenentwicklung, die Aussichten für den Arbeitsmarkt und die Budgetentwicklung prognostiziert Expertenwissen 30 Dazu zählen alle global bestimmten Größen, wie das Niveau der Wechselkurse und der Rohstoffpreise, Wachstums- und Preisent­ wicklung bei wichten Handelspartnern Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Experten (z.B. Aspekte der aktuellen Krise) 4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose 70 | April | 2012 In der Praxis läuft die Erstellung einer Prognose übli- planten Investitionsvorhaben bzw. Konsumausgaben kurz skizziert werden. Zunächst werden Annahmen Arbeitskräfte („offene Stellen“) zeigen frühzeitig die cherweise in vier Arbeitsschritten ab, die nachfolgend über die externen Rahmenbedingungen getroffen. Danach folgt eine indikatorgestützte Kurzfrist-Pro- gnose des Wirtschaftswachstums in Österreich (für zwei Quartale). Anschließend wird die eigentliche Prognose mit Hilfe eines gesamtwirtschaftlichen Modells erstellt. Abschließend werden die Ergebnisse noch entsprechend den Einschätzungen der Experten liefern. Die Zahl der von Unternehmen gesuchten weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt an. Be- sondere Bedeutung haben auch Umfragedaten, die die Stimmungslage der Wirtschaftsakteure zu erfas- sen helfen und damit den für die Konjunkturentwick- lung so wichtigen Faktor „Psychologie“ abdecken. Die OeNB beispielsweise verdichtet die Informationen, die aus diesen Indikatoren gewonnen werden kön- adaptiert, falls dies durch aktuelle Entwicklungen, nen, in ihrem OeNB-Konjunkturindikator, der das werden können, oder durch institutionelle Faktoren mende Quartal schätzt. die nicht durch die Modellgleichungen abgebildet geboten erscheint. Externe Rahmenbedingungen: Viele wichti- Wirtschaftswachstum für das laufende und das kom- Konjunkturprognose: Basierend auf den externen Annahmen und der Kurzfristprognose wird nun ge Größen des Wirtschaftslebens können nicht im die eigentliche Konjunkturprognose erstellt. Mit Hil- Österreich prognostiziert werden. Dazu zählen alle BIP-Wachstum, die Preis- und Kostenentwicklung, die Rahmen eines gesamtwirtschaftlichen Modells für global bestimmten Größen, wie das Niveau der kurzund langfristigen Zinsen, der Wechselkurse und der Rohstoffpreise. Auch die Wachstums- und Preisent- fe eines gesamtwirtschaftlichen Modells werden das Aussichten für den Arbeitsmarkt und die Budgetent- wicklung für die nächsten zwei bis drei Jahre prog- nostiziert. Das BIP-Wachstum wird dabei meist nicht wicklung bei unseren wichtigsten Handelspartner direkt geschätzt, sondern ergibt sich aus der Progno- kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich mit ei- des privaten Konsums, des öffentlichen Konsums, muss exogen vorgegeben werden. Gerade für eine nem großen Außenhandelsanteil ist die Bedeutung der externen Annahmen für die Qualität der gesamten Prognose immens. Entsprechend sorgfältig muss bei der Festlegung dieser Rahmenbedingungen vorgegangen werden. Kurzfrist-Prognose: Als zweiter Schritt folgt die Einschätzung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Si- tuation und der weiteren Entwicklung in den nächsten Monaten, um einen möglichst guten Überblick über den aktuellen konjunkturellen Ausgangspunkt der Prognose zu erhalten. Hier helfen sogenannte Indikatormodelle, die eine einfache Beziehung zwi- se seiner verwendungsseitigen Komponenten, d.h. der Exporte und Importe, der Bruttoanlageinves- titionen und der Lagerveränderungen. Diese erge- ben zusammen das Bruttoinlandsprodukt. Auch die Preisentwicklung wird separat für jede Komponente prognostiziert. Die Prognose der einzelnen BIP-Kom- ponenten erlaubt es die Wirkungszusammenhänge im Wirtschaftskreislauf abzubilden und eine in sich schlüssige und konsistente „Prognosegeschichte“ zu erzählen. Expertenwissen: Zusätzlich zum Einsatz eines gesamtwirtschaftlichen Modells ist aber vor allem die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung schen verfügbaren Wirtschaftsindikatoren und ei- durch die Experten von zentraler Bedeutung, da ge- wachstum, herstellen. Gute Indikatoren müssen unzureichend in der Lage sind, außergewöhnlichen ner gewünschten Zielgröße, meist dem Wirtschaftsfrühzeitig verfügbar sein, gute Vorlaufeigenschaften aufweisen und nicht anfällig für zukünftige Revisio- nen sein. So kann beispielsweise das Wachstum der Kredite an Unternehmen und Haushalte wertvolle Informationen über die in der nahen Zukunft ge- samtwirtschaftliche Modelle nicht bzw. häufig nur Ereignissen (z. B. geopolitische Krisen, Naturkatastrophen aber auch viele Aspekte der aktuellen Krise) oder Strukturbrüchen (z. B. Gesetzesänderungen oder EU-Integration) gerecht zu werden. 31 aktuelle U N TE R L AG E 4.4 Warum sind Prognosen falsch? von wirtschaftlichen Akteuren auf Prognosen können „Errare humanum est“, das gilt natürlich auch für können Unternehmen ihre Investitionen angesichts Wirtschaftsprognostiker. Der Blick in die ökonomi- sche Glaskugel ist unvermeidlich mit Fehlern behaf- tet. Eine nähere Analyse dieser Fehler ist aus zweierlei jedoch die Wirtschaftsentwicklung beeinflussen. So einer pessimistischen Prognose drosseln. Dies führt zu einer selbsterfüllenden Prognose. Doch auch das Gegenteil ist denkbar. So wird die Geldpolitik auf Gründen wichtig. Erstens kann eine genaue Analyse Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingun- zu verringern. Zweitens hilft die Fehleranalyse den Fiskalpolitik kann einer prognostizieren Wachstums- der Prognosefehler dazu beitragen, diese in Zukunft gen, die die Preisstabilität gefährden, reagieren. Die Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft zu schwäche mit einem Konjunkturpaket entgegenwir- vermag und den in der Öffentlichkeit und in der me- führen, da die prognostizierte Entwicklung aufgrund erkennen, was eine Wirtschaftsprognose zu leisten dialen Diskussion vielfach vorherrschenden Missver- ständnissen entgegenzuwirken. Die drei wichtigsten Gründe für Prognosefehler sind: 1) Fehler bei den externen Annahmen 2) Revision historischer Daten 3) Fehler der Experten bzw. der verwendeten Modelle Wesentlich für ein richtiges Verständnis von Wirt- schaftsprognosen ist das Konzept der „bedingten“ Prognose, das heißt jede Prognose geht von be- stimmten externen Annahmen über ihre Rahmenbedingungen aus. So liegt der gesamtwirtschaftlichen ken. Dies kann zu einer selbstzerstörenden Prognose der Reaktion auf die Prognose nicht eintritt. Besonders schwer ist es, die Bedeutung der Revisionen historischer Daten für Prognosefehler der Öffentlichkeit zu vermitteln. Viele ökonomische Daten stehen erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung zur Verfü- gung, sind mit teils großen Messfehlern behaftet und unterliegen häufig erheblichen Revisionen. So wurde das österreichische Wirtschaftswachstum gemessen am realen BIP für das Jahr 1999 in der ersten Veröffent- lichung mit nur 2,1 % ausgewiesen. Inzwischen wurde diese Zahl auf 3,5 % erhöht. Aber nicht nur viele der prognostizieren Reihen selbst, sondern auch zahlreiche Konjunkturindikatoren, die – wie z.B. die Industriepro- duktion – im Rahmen der Erstellung einer Prognose Prognose der OeNB die Annahme zu Grunde, dass eine wichtige Informationsquelle bilden, müssen häu- Prognosezeitraum den Markterwartungen (Termin- gangslage einer Prognose und tragen insbesondere zu die Zinssätze und die Ölpreise über den gesamten kursen) folgen und die Wechselkurse des Euro gegen- über allen anderen Währungen unverändert bleiben. In ähnlicher Weise werden Annahmen etwa für das künftige Wachstum des Welthandels sowie für die Entwicklung inländischer Größen wie Löhne oder fig revidiert werden. Falsche Daten verzerren die Aus- Beginn des Prognosehorizonts nicht unwesentlich zu Prognosefehlern bei. Da sich Revisionen (fast) nicht vor- hersagen lassen, sind darauf beruhende Prognosefehler zwar ärgerlich, aber (fast) unvermeidbar. Staatseinnahmen und -ausgaben getroffen. Für eine Die dritte – für den Prognostiker unangenehmste – Feh- dabei insbesondere die Annahmen betreffend der des Experten kann ebenso falsch sein wie das von ihm kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich sind zukünftigen Entwicklung der außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen von zentraler Bedeutung. Ökonomische Prognosen dienen in erster Linie als Ba- sis für wirtschaftspolitische Entscheidungen. Dadurch unterschieden sie sich wesentlich von etwa einer Wetterprognose. Das tatsächliche Wetter wird sich unabhängig von der Prognose einstellen. Reaktionen 32 4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose lerquelle stellt er selbst dar: Die subjektive Einschätzung verwendete Modell. Das ein Modell falsch sein kann, liegt in der Natur der Sache. Wie Experten mit ihrer Einschätzung danebenliegen können, sei wieder an- hand eines Beispiels zu den privaten Konsumausgaben illustriert. In einer Phase schwachen Wirtschaftswachstums wird mit einer unterdurchschnittlichen Lohnent- wicklung und steigender Arbeitslosigkeit zu rechnen sein. Das Einkommen der privaten Haushalte wird zu- 4 Der Blick in die Zukunft: Die Konjunkturprognose 70 | April | 2012 mindest unterdurchschnittlich wachsen oder sogar sin- Wie stark können Änderungen Wenn sie die Wachstumsschwäche als temporäres Phä- die Prognoseergebnisse verändern? ken. Wie reagieren nun die privaten Haushalte darauf? nomen interpretieren, werden sie ihre Konsumausga- ben nur geringfügig zurücknehmen und in Erwartung eines baldigen Aufschwungs in den Sparstrumpf grei- fen. Erwarten die Konsumenten hingegen eine längere Abschwungphase, so werden sie ihre Konsumausgaben der externen Annahmen nun Die Auswirkungen auf das Wachstum und die Inflation in Österreich können mit Hilfe von ge- samtwirtschaftlichen Modellen simuliert werden. Die hier angeführten Ergebnisse für vier typische Simulationen basieren auf dem gesamtwirtschaft- an das niedrigere Einkommen anpassen und aus Sorge lichen Modell der OeNB. Die gezeigten Szenarien mehr zur Seite legen als in guten Zeiten. Dieses Phäno- wertung des Euro gegenüber allen anderen Wäh- um einen möglichen Arbeitsplatzverlust vielleicht sogar men bezeichnen die Ökonomen als Angstsparen. Es liegt nun am Experten, sich für ein bestimmtes Verhal- tensmodell zu entscheiden. Vergleicht man die vorliegenden Prognosen verschiedener Institutionen miteinander, so stechen zwei Fakten ins Auge. Erstens sind Prognosen „glatter“ sind ein Anstieg des Ölpreises um 10%, eine Aufrungen um 10%, ein Anstieg der Zinsen um 100 Ba- sispunkte (=1%) und ein Anstieg des Welthandels und damit der Nachfrage nach österreichischen Exporten um 1%. Die Ergebnisse geben die Abwei- chung des BIP bzw. des HVPI von der Basislösung nach drei Jahren an. als die Realisationen, d.h. Prognosen sind typischer- in Boomphasen und überschätzen es in Rezessionen. Euro weise konservativ, sie unterschätzen das Wachstum Zweitens liegen die Prognosen meist relativ nah bei- einander. Dies wird auch als Herdentrieb bezeichnet und liegt nicht nur in dem üblicherweise regen Kon- takt zwischen den Prognostikern begründet. Viel- mehr ist es für Prognostiker häufig weniger proble- matisch, sich „gemeinsam“ mit anderen zu irren, als alleine eine Fehlprognose abzuliefern. Ölpreis -Wechselkurs Zinsen Welthandel BIP -0,20% -0,47% -0,10% +0,38% HVPI +0,46% -1,03% -0,39% +0,11% Natürlich tragen aber auch außergewöhnliche Er- eignisse zur Prognoseunsicherheit bei. Dazu zählen wirtschaftliche Sonderentwicklungen, die nicht mit Hilfe von Modellen erklärbar und somit nicht prognostizierbar sind, ebenso wie politische Krisen und 3.5 Darstellung von Prognoserisiken Naturkatastrophen. Beispiele dafür sind die Terror- Auch ohne dramatische Ereignisse wie Kriege oder katastrophe 2002 oder einige Aspekte der aktuellen Naturkatastrophen ist jede Prognose mit Unsicher- heit behaftet. Der Grad an Unsicherheit kann jedoch von Prognose zu Prognose stark variieren. Die Quantifizierung des Prognoserisikos erfolgt vor allem durch die Berechnung von Szenarien, die – im Vergleich anschläge vom 11. September 2001, die Hochwasser- Finanzkrise. Unter bestimmten Annahmen lassen sich die Auswirkungen solcher Ereignisse mit Hilfe gesamtwirtschaftlicher Modelle simulieren. Eine andere Form von Risiken stellen die jeder Prog- zur Basisprognose – die wirtschaftliche Entwicklung nose immanenten Prognoseungenauigkeiten dar, da dingungen darstellen. Dies geschieht üblicherweise berücksichtigt werden können. Diesen Risiken trägt bei geänderten außenwirtschaftlichen Rahmenbeunter Zuhilfenahme gesamtwirtschaftlicher Model- le. Zu den typischen Szenarien gehören alternative Annahmen bezüglich der zukünftigen Entwicklung des Ölpreises, der Wechselkurse, der Zinsen oder des Welthandels. eben nicht alle Einflüsse in einem Prognosemodell etwa die EZB in der Veröffentlichung der Prognosen für den Euroraum durch „Bandbreiten“ Rechnung, die mit zunehmender Entfernung von Prognosezeit- punkt immer größer werden. 33 aktuelle U N TE R L AG E 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 5 PROGNOSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFT BIS 2013 5.1 Hauptergebnisse der Prognose Die österreichische Wirtschaft konnte im Jahr 2011 kräftig expandieren. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) erwartet in ihrer vorliegenden Prognose für das Jahr 2011 ein reales BIP-Wachstum von 3,3 %. Im Jahr 2012 wird das Wachstum aufgrund der deut- amerikanischen Immobilienmarkt und die hohe Ver- schuldung der privaten Haushalte dämpfen aber die kurz- bis mittelfristigen Wachstumsaussichten. Rahmenbedingungen und des Vertrauenseinbruchs 5.3 Euroraumkrise dämpft Wachstumsaussichten mit der unterstellten Erholung der internationalen Die Konjunktur im Euroraum hat sich nach einem mit der Staatsschuldenkrise verbundenen Vertrau- zweiten und dritten Quartal 2011 war im Euroraum lichen Verschlechterung der außenwirtschaftlichen voraussichtlich nur noch 0,7 % betragen. Im Einklang Konjunktur und dem angenommenen Abklingen der ensverluste wird es im Jahr 2013 zu einer Beschleuni- guten ersten Quartal 2011 deutlich abgeschwächt. Im nur noch ein geringes Wachstum von jeweils 0,2 % zu gung des Wachstums auf 1,6 % kommen. Im Vergleich verzeichnen; im vierten Quartal war ein Rückgang um Konjunkturaussichten damit wesentlich ungünstiger der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise verbundenen zur OeNB-Prognose vom Juni 2011 stellen sich die dar. Die Prognose für die Jahre 2012 und 2013 wurde um 1,6 bzw. 0,9 Prozentpunkte zurückgenommen. 0,3 % zu verzeichnen. Dafür zeichnen neben den mit Konsolidierungsmaßnahmen und Vertrauensverlusten die Abkühlung der globalen Konjunktur und die hohen Energiepreisanstiege verantwortlich. Zu Jah- Die HVPI-Inflation erreicht 2011 aufgrund starker resbeginn 2012 ist mit einer Rückkehr zu moderaten mitteln und Energie 3,5 %. In den Jahren 2012 bzw. Annahme zugrunde, dass es weder zu einer weiteren Preissteigerungen bei Dienstleistungen, Nahrungs2013 wird es aufgrund fallender Rohstoffpreise zu Wachstumsraten zu rechnen. Der Prognose liegt die Zuspitzung noch zu einer raschen Lösung der Staats- einem deutlichen Rückgang der Teuerung auf 2,2 % schuldenkrise kommt. vor allem konjunkturbedingt und durch den Wegfall Die Lage in Griechenland hat sich in letzter Zeit dra- BIP verbessern und in den beiden Folgejahren um die Hilfspakets vereinbarten und zum Teil auch bereits bzw. 1,6 % kommen. Der Budgetsaldo wird sich 2011 von Einmaleffekten spürbar von –4,4 % auf –3,1% des 3-Prozent-Grenze pendeln (2012: –2,9 %, 2013: –3,2 %). matisch zugespitzt. Die im Rahmen des zweiten umgesetzten Sparmaßnahmen haben nicht im er- warteten Ausmaß zu einer Stabilisierung der Fiskalsituation geführt. Daher ist auch unklar, ob der im 5.2 Erholung der Weltwirtschaft verliert an Kraft zweiten Hilfspaket ausverhandelte Schuldenschnitt Die Perspektiven für die Weltwirtschaft haben sich angesichts der erforderlichen fiskalischen Anpassun- seit dem Sommer 2011 deutlich eingetrübt. Die Zuspitzung der Schuldenkrise fällt mit einer Abschwä- chung des – immer noch kräftigen – Wachstums in ausreicht, damit Griechenland auf einen langfristig tragfähigen Schuldenpfad einschwenken kann. Die gen stark gestiegene Unzufriedenheit der Bevölkerung hat mittlerweile zur Regierungsauflösung geführt. Es ist unklar, ob die derzeitige Übergangsregierung in der den Schwellenländern zusammen. Die Finanzmärkte Lage sein wird, die erforderlichen Maßnahmen umzu- in der Bekämpfung der Schuldenproblematik; dies Finanzhilfen ausbezahlt werden können. Dazu leidet zeigen sich skeptisch gegenüber den Fortschritten führt zu einer Neubewertung der Risiken und einem Anstieg der Renditen* auf Staatsanleihen*. Die USA 34 sind zwar nicht von Rezessionsgefahren bedroht, die nach wie vor sehr angespannte Lage auf dem US- setzen, damit die nächsten Tranchen der europäischen Griechenland unter einem massiven Verlust an inter- nationaler Wettbewerbsfähigkeit. Das Jahr 2012 wird 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 70 | April | 2012 Hauptergebnisse der Prognose für Österreich1 Abb. 8: Hauptergebnisse der Prognose für Österreich; Quelle: OeNB, Statistik Austria damit – auch unter der, der Prognose zugrunde liegen- den Annahme, dass Griechenland nicht einseitig seine Zahlungsunfähigkeit erklärt – das fünfte Jahr in Folge nur Irland auf einem moderaten Erholungspfad. Trotz dramatischer Konsolidierungsmaßnahmen, die in- folge der umfangreichen Bankenrettungspakete er- mit einer rückläufigen Wirtschaftsleistung sein. forderlich geworden sind, konnte die Rezession dank Derzeit erhalten neben Griechenland auch Irland und Maßgeblich dazu beigetragen hat eine dank sinken- gemeinschaft. Von diesen drei Ländern befindet sich bewerbsfähigkeit. Portugal steckt hingegen noch Portugal Finanzhilfen von der europäischen Staaten- Zuwächsen im Außenhandel überwunden werden. der Lohnstückkosten verbesserte preisliche Wett- 35 aktuelle 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 U N TE R L AG E Internationale Rahmenbedingungen der Prognose 2010 2011 2012 2013 Veränderung zum Vorjahr in % (real) Bruttoinlandsprodukt Welt ohne Euroraum USA Japan Asien ohne Japan Lateinamerika Vereinigtes Königreich Neue EU-Mitgliedstaaten 1 Schweiz +5.7 +3.0 +4.1 +9.4 +6.0 +1.8 +1.9 +2.7 +4.1 +1.8 -0.3 +7.3 +4.4 +0.9 +3.1 +1.9 +3.9 +1.8 +1.9 +6.7 +3.5 +1.0 +2.2 +0.9 +4.5 +2.5 +1.7 +7.4 +4.1 +2.0 +3.0 +1.6 Euroraum 2 +1.8 1.5 - 1.7 -0.4 - 1 0.3 - 2.3 +12.4 +13.6 +11.8 +11.4 +6.9 +7.2 +6.4 +6.7 +5.6 +5.6 +4.8 +4.4 +7.1 +7.6 +6.9 +6.4 79.6 0.8 3.2 1.33 111.5 1.4 3.3 1.40 109.4 1.2 3.8 1.36 104.0 1.4 4.1 1.36 104.63 104.63 103.70 103.70 Welthandel (Importe i. w. S.) Welt Welt außerhalb des Euroraums Wachstum der Exportmärkte des Euroraums (real) Wachstum der österreichischen Exportmärkte (real) Preise Erdölpreis in USD/Barrel Brent Drei-Monats-Zinssatz in % Langfristiger Zinssatz in % USD/EUR-Wechselkurs Nominal-effektiver Wechselkurs des Euro (Euroraum-Index) 1 2004 und 2007 beigetretene EU-Mitgliedstaaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben: Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen. Ab 2011: ohne Estland. 2 2011 bis 2013: Ergebnis der Dezember-Projektion 2011 des Eurosystems. Die EZB veröffentlicht die Ergebnisse in Form von Bandbreiten, wobei die Bandbreiten auf dem durchschnittlichen Prognosefehler früherer Projektionen beruhen. Abb. 9: Internationale Rahmenbedingungen der Prognose; Quelle: Eurosystem inmitten einer sehr schwierigen Anpassungsphase. Die Sparmaßnahmen führen zu massiven Einbußen im verfügbaren Haushaltseinkommen, da neben den chen Wachstum des Produktionspotenzials im Jahr öffentlichen Beschäftigten weite Kreise von Transfer- 2012 zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung teren drastischen Konsolidierungsmaßnahmen zu Spanien hat zwar im Vergleich zu Griechenland und empfängern betroffen sind. Im Jahr 2012 ist mit wei- rechnen. Als Folge davon wird sich der BIP-Rückgang im Jahr 2012 spürbar beschleunigen. führen. Italien eine relativ geringe öffentliche Verschuldung, der private Sektor hatte hingegen im Zuge des kredit- Italien hat angesichts einer Staatsschuldenquote finanzierten Immobilienbooms seine Verschuldung ebenfalls unter einem Vertrauensschwund durch che Korrektur des über Jahre hinweg akkumulierten von 120 % des BIP und seiner Wachstumsschwäche die Finanzmarktakteure zu leiden. Die Kurse von ita- lienischen Staatsanleihen sind in den letzten Monaten spürbar gesunken. Derzeit (Stand: 22. November 2011) betragen die Renditeunterschiede zu deutschen Staatsanleihen 487 Basispunkte. Der Anstieg der Fi- 36 nanzierungskosten für die Unternehmen und priva- ten Haushalte wird in Verbindung mit dem schwa- stetig erhöht. Darüber hinaus dämpft die erforderli- Leistungsbilanzdefizits die Wachstumsaussichten. Die spanische Wirtschaft wird zwar in den Jahren 2011 und 2012 nach der Stagnation im Vorjahr (–0,1 %) wieder wachsen, das Tempo der Expansion bleibt aber sehr verhalten. 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 70 | April | 2012 Die wichtigste Volkswirtschaft im Euroraum, Deutsch- 5.5 Inlandsnachfrage bleibt verhalten Erholung verzeichnet, die sich bis weit ins Jahr 2011 Im Zuge der einsetzenden Erholung kam der Investi- land, hat hingegen im Jahr 2010 eine eindrucksvolle fortgesetzt hat. Im zweiten Quartal 2011 kam es zwar bedingt durch Sonderfaktoren (wetterbeding- ter Rückgang der Bauinvestitionen und Abschaltung von Kernkraftwerken nach der Erdbebenkatastrophe in Japan) zu einer deutlichen Abschwächung nach einem sehr starken ersten Quartal, die zugrunde- liegende starke Dynamik hat sich aber bis ins dritte tionszyklus im Jahr 2010 langsam in Schwung, verlor aber bereits zur Jahresmitte 2011 wieder an Kraft. Die bis zur Mitte des Jahres 2011 noch vorhandenen Überkapazitäten deuten darauf hin, dass die bisher getätigten Ausrüstungsinvestitionen in erster Linie den Ersatz alter Anlagen und weniger die Erweite- rung der Produktionsmöglichkeiten zum Ziel hatten. Quartal gehalten. Deutschland als exportorientierte Im Zuge der Vertrauenskrise und des erwarteten direkt betroffen. Die abnehmenden Exportauftrags- Investitionspläne aufschieben und ihre Ausrüstungs- Volkswirtschaft ist von der globalen Abschwächung Konjunkturabschwungs werden die Unternehmen bestände deuten auf eine deutliche Delle in der Ex- investitionen im Jahr 2012 drosseln (–0,4 %). Der In- Als direkte Folge wird sich die bislang sehr kräftige schwach. Im Hochbau ist erst im Jahresverlauf 2012 Unternehmen geplante Erweiterungsinvestitionen nehmende Baubewilligungen und die zuletzt kräfti- spürbare Verlangsamung des Wachstums bringen. tionsdynamik im Tiefbau bleibt aufgrund fehlender portentwicklung gegen Ende des Jahres 2011 hin. Investitionskonjunktur ebenfalls abkühlen, da die aufschieben werden. Das Jahr 2012 wird daher eine 5.4 Österreichs Exportdynamik verliert mit Ende 2011 an Schwung Trotz guter wirtschaftlicher Fundamentaldaten wird vestitionszyklus war damit ungewöhnlich kurz und mit einer leichten Erholung zu rechnen, worauf zu- gen Immobilienpreisanstiege hindeuten. Die InvestiImpulse der öffentlichen Hand gering. 5.6 Konsum stabilisiert sich auf niedrigem Niveau Österreichs Wirtschaft die Folgen der Schulden- und Der private Konsum hat im Jahr 2011 unter der hohen exportorientierte Volkswirtschaft kann sich Öster- tums nahmen die real verfügbaren Haushaltsein- Vertrauenskrise deutlich zu spüren bekommen. Als reich nicht von der Eintrübung der internationalen Konjunkturperspektiven abkoppeln. Das Export- Inflation gelitten. Trotz hohen Beschäftigungswachskommen kaum zu. Die Ergebnisse der Herbstlohnrunde 2011 deuten zwar auf ein hohes Wachstum der wachstum hat sich nach einem sehr guten ersten Tariflöhne im Jahr 2012 hin, die in einem Abschwung Ende des Jahres stagnieren. Für das Jahr 2012 ist mit ei- Überzahlungen werden das Lohnwachstum jedoch Quartal 2011 spürbar abgekühlt und dürfte gegen nem deutlich schwächeren Exportwachstum (+2,9 %) sinkenden Überstundenzahlungen und sonstigen dämpfen. In Kombination mit einem nur schwachen als im Jahr 2011 (+7,3 %) zu rechnen. Im Jahr 2013 sollte Beschäftigungswachstum und fehlenden Impulsen unterstellten Erholung der internationalen Konjunktur men ergibt sich daher trotz rückläufiger Inflation im sich das Wachstum der Ausfuhren im Einklang mit der wieder erholen. von den Selbstständigen- und Vermögenseinkom- Jahr 2012 lediglich ein kaum spürbarer Anstieg der Kaufkraft. Das prognostizierte Konsumwachstum von 1,0 % bzw. 0,7 % für die Jahre 2011 und 2012 kann daher nur durch einen Rückgang der Sparquote fi- nanziert werden. 37 aktuelle 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 U N TE R L AG E 5.7 Kräftiges Beschäftigungswachstum dämpft die Arbeitslosenquote nur langsam chischen Arbeitsmarkt. So ist die Anzahl der offenen Der Arbeitsmarkt konnte in den Jahren 2010 und weils saisonbereinigt, im Quartalsabstand) seit dem 2011positiv überraschen. In fast allen Wirtschaftssek- toren wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Seit der Jahresmitte 2011 signalisieren jedoch wichtige Vor- laufindikatoren eine Trendwende auf dem österrei- Stellen seit dem dritten Quartal rückläufig und die Anzahl der arbeitslos gemeldeten Leiharbeiter ( jezweiten Quartal wieder im Steigen begriffen. Das Beschäftigungswachstum wird sich 2012 mit 0,4 % spürbar gegenüber 2010 (1,5 %) abschwächen. ARBEITSMARKT Abb. 10: Arbeitsmarkt; Quelle: OeNB, Statistik Austria Die im Mai 2011 in Kraft getretene vollständige Li- Arbeitslosigkeit von 4,2 % im Jahr 2011 wieder auf 4,5 hat nach bisherigen Daten zu einem Zuwachs des 2013 verharren. Österreich hat damit in allen drei beralisierung des österreichischen Arbeitsmarktes Arbeitskräfteangebots um 20.000 Personen geführt. Die schwache Konjunktur des Jahres 2012 wird die 38 % ansteigen lassen. Auf diesem Niveau wird sie auch Prognosejahren die niedrigste Arbeitslosenquote im Euroraum. 5 Prognose für die österreichische Wirtschaft bis 2013 70 | April | 2012 5.8 Rückgang der Inflation im Jahr 2012 hauptsächlich durch Energie bestimmt Der Rückgang der Inflationsrate von 3,5 % (2011) auf Die HVPI-Inflation wird 2011 im Jahresdurchschnitt mittelsektor 3,5 % betragen. Der starke Anstieg der Teuerungsrate im Jahr 2011 ist vor allem auf die Entwicklung im Dienstleistungssektor (insbesondere Hotel- und Bewirtschaftungsdienstleistungen) und in einem geringeren Ausmaß auf den Nahrungsmittel- und 2,2 % im Jahr 2012 ist vor allem auf die Entwicklung im Energie- und Dienstleistungssektor sowie – in ei- nem geringeren Ausmaß – auch auf den Nahrungszurückzuführen. Ausschlaggebend dafür sind fallende Rohstoffpreise und Basiseffekte (Beschleunigung der Teuerung im Dienstleistungs- sektor ab Herbst 2010; Konsolidierungspaket 2011), die nunmehr wesentlich zum Rückgang der HVPIInflation beitragen sollten. Die relativ hohen Tarif- Energiesektor zurückzuführen, wobei die Steuererhö- lohnabschlüsse der Herbstlohnrunde 2011 sollten 0,4 Prozentpunkte zur HVPI-Inflation beitragen. Vor Anstieg der Kerninflation (HVPI-Inflation ohne un- hungen im Rahmen des Konsolidierungspakets 2011 allem im Nahrungsmittel- und Energiesektor hat sich sich erst im Lauf des Jahres 2012 in einem leichten verarbeitete Nahrungsmittel und Energie) bemerk- die globale Rohstoffverteuerung auf die inländischen bar machen. Dienstleistungen (wie etwa Hotel- und Bewirtschaf- Änderungen von administrierten bzw. durch den öf- Verbraucherpreise übertragen, aber auch einige tungsdienstleistungen) sind davon betroffen. Bis Ende des ersten Quartals 2012 wird ein starker Rückgang der Teuerungsrate auf etwa 2,0 % erwar- tet, der sich bis Ende 2012 etwas verflachen sollte. Im Durchschnitt wird für 2012 eine HVPI-Inflationsrate von 2,2 % erwartet. fentlichen Sektor beeinflussten Preisen tragen zur HVPI-Inflation im Jahr 2011 rund 0,7 Prozentpunkte bei. Dabei gehen 0,4 Prozentpunkte auf Steuererhö- hungen und 0,3 Prozentpunkte auf administrierte Maßnahmen zurück. 2012 sinkt nach derzeitigem In- formationsstand der Beitrag des öffentlichen Sektors zur HVPI-Inflation auf 0,4 Prozentpunkte. HVPI INFLATIONSRATE Abb. 11: HVPI Inflationsrate 39 aktuelle U N TE R L AG E 6 WICHTIGE QUELLEN 6 WICHTIGE QUELLEN ■ Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO): Konjunkturprognosen sowie aktuelle Forschungsergebnisse: www.wifo.ac.at ■ Statistik Austria: Offizieller Statistikanbieter in Österreich: www.statistik.at ■ Arbeitsmarktservice (AMS): Aktuelle Daten zum Arbeitsmarkt: www.ams.at ■ Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): Aktuelle unternehmensrelevante Informationen: portal.wko.at/ ■ Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Kommission): Vielzahl von Daten für die EU und die einzelnen Mitgliedsländer: epp.eurostat.ec.europa.eu ■ Europäische Kommission: Analysen, Prognosen, Daten etc. für die EU und die einzelnen Mitgliedsländer: ec.europa.eu/index_de.htm ■ OECD (Organisation for Economic Co-Operation and Development): Studien nach Ländern und Themengebieten sowie Daten: www.oecd.org ■ Internationaler Währungsfond (IMF, International Monetary Fund): Studien, Analysen und Daten zu fast allen Ländern der Welt und vielen Themengebieten: www.imf.org ■ Europäische Zentralbank (EZB): Daten und Analysen zu Wechselkursen, Zinsen, Geldpolitik und vielen anderen volkswirtschaftlichen Fragestellungen. Datenbank für den Euroraum (Statistical Data Warehouse): www.ecb.int ■ Bundesministerium für Finanzen (BMF): Informationen und Daten zur Wirtschafts- und Budgetpolitik: www.bmf.gv.at/ ■ Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK): Diverse Analysen und die BALI Datenbank (www.dnet.at/bali/) mit u.a. aktuellen Arbeitsmarktdaten www.bmsk.gv.at/ ■ Bank-Austria Creditanstalt: Finanzmarktanalysen und volkswirtschaftliche Ausarbeitungen: www.bankaustria.at/de/index.html ■ Oesterreichische Nationalbank (OeNB): Vielzahl an Informationen zum Thema Geld und Wirtschaft: www.oenb.at 40 7 GLOSSAR 70 | April | 2012 7 GLOSSAR ■B onität Bezeichnet die Kreditwürdigkeit eines Schuldners. ■ CDO (Collaterized Debt Obligation) Eine verbriefte Schuldverschreibung (CDO) ist eine Anleihe, die durch ein diversifiziertes Schuldenportefeuille besichert wird. In der Regel wird eine CDO in verschiedene Tranchen unterschiedlicher Bonität aufgeteilt. ■C overed Bonds Purchase Programme (CBPP) Programm zum Ankauf von Pfandbriefen durch das Eurosystem mit dem Ziel, die Refinanzierung der Banken zu stärken und die Kreditvergabe zu fördern. ■ Credit Default Swap (CDS) CDS sind Finanzprodukte, mit denen man sich gegen Kreditausfälle versichern kann. Die Höhe des Kurses (spread) spiegelt die Versicherungskosten wider. ■ CESEE -Länder Der Begriff CESEE (Central, Eastern and Southeastern Europe) umfasst hier die der EU 2004 und 2007 bei- getretenen zentral-, ost- und südosteuropäischen Länder sowie nicht zur EU gehörende Staaten Südosteu- ropas und die Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. ■D epression Lange andauernde, tiefe Rezession. ■ EBA (European Banking Authority) Die am 1. Jänner 2011 gegründete Europäische Behörde zur Finanzmarktaufsicht (EBA) mit Sitz in London ist Teil des Europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision, ESFS). ■ Eigenkapitalquote siehe Kernkapitalquote (Tier 1-Ratio) ■ Europäisches Semester Mechanismus zur verbesserten Koordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitiken der EU-Mitgliedsstaaten. ■ Europa 2020 Neue Wachstumsstrategie der Europäischen Union. Europa 2020 löst damit die Lissabon-Strategie ab. ■ E uropean Financial Stability Facility (EFSF) Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität wurde am 7. Juni 2010 von Mitgliedstaaten des Euroraums als Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht gegründet mit dem Ziel, Kredite an Mitgliedsländern in finanziellen Schwierigkeiten zu vergeben. Sie finanziert sich durch die Begebung eigener Anleihen. Das Volumen ist mit maximal 440 Milliarden Euro beschränkt und durch die Mitgliedsstaaten garantiert. 41 aktuelle U N TE R L AG E 7 GLOSSAR ■ European Financial Stabilisation Mechanism (EFSM) Der im Mai 2010 von der EU eingerichtete EFSM kann bis zu 60 Milliarden Euro an in finanzielle Not geratene Mitgliedsländer vergeben. ■ European Stability Mechanism (ESM) Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) – umgangssprachlich auch als permanenter Euro-Rettungsschirm* oder Euro-Schutzschirm bezeichnet – tritt ab Mitte 2012 in Kraft und wird EFSF und EFSM schritt- weise ersetzen. Die Euroraum Mitgliedsstaaten stellen neben Bürgschaften auch 80 Mrd. Euro an Kapital bereit. Darlehen an Mitgliedstaaten, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, können unter strikten Auflagen bis zu einem Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro vergeben werden. Über eine Ausweitung des ESM finden aktuell politische Gespräche statt. ■ Europäischer Stabilitätsmechanismus siehe European Stability Mechanism ■ Euro-Plus Pakt Freiwillige Zusammenarbeit von 23 EU-Mitgliedstaaten (Euroraum plus Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien) zur stärkeren wirtschaftspolitischen Koordination. ■ Gedeckte Bankschuldverschreibungen siehe Pfandbriefe ■ Interbankenmarkt Markt, auf dem Geschäfte des Geld- und Kreditverkehrs zwischen Banken getätigt werden. ■ Investitionsbank In den USA wurde lange zwischen Geschäftsbanken und Investitionsbanken unterschieden. Investitions- banken waren auf den Handel an Finanzmärkten spezialisiert und ihnen war im Gegensatz zu Geschäftsbanken die Aufnahme von Kundeneinlagen nicht gestattet. ■ Kernkapitalquote (Tier 1-Ratio) Wichtigste Kennzahl für die Kapitalstruktur von Banken. Sie gibt den Anteil der durch das Kernkapital (Stammkapital, Gewinnrücklagen….) gedeckten Summe der risikogewichteten Aktiva (gewährte Kredite …) eines Kreditinstituts an. Nach neuen EU-Vorschriften müssen die Banken bis Juni 2012 eine Kernkapital­quote in Höhe von 9% erreichen. ■K upon Zinszahlung eines Wertpapiers ■ L eistungsbilanz Saldo aus exportierten und importierten Waren und Dienstleistungen sowie geleisteten und empfangenen Übertragungen. Ein Leistungsbilanzüberschuss ist häufig Ausdruck einer hohen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. ■ MBS (Mortgage Backed Security) Wertpapier, das durch einen Pool von verbrieften und gebündelten Hypotheken gedeckt ist. 42 7 GLOSSAR 70 | April | 2012 ■P eriodenergebnis Betriebsergebnis oder anders ausgedrückt der Gewinn bzw. Verlust aus dem Kerngeschäft eines Unternehmens in einer bestimmten Periode. ■P fandbriefe (Covered Bonds) Langfristige, gedeckte Bankschuldverschreibungen, die von einer auf das Pfandbriefgeschäft spezialisierten Bank (Pfandbriefbank) ausgegeben werden. ■ Primärmarkt Markt, an dem Wertpapiere erstmals begeben werden. ■ Rendite Verhältnis der (erwarteten) Auszahlungen eines Wertpapiers über die gesamte Laufzeit zum eingesetzten Kapital. Die Rendite einer Anleihe weicht vom Nominalzinssatz ab, wenn der aktuelle Kurs der Anleihe nicht mit dem Nominalwert übereinstimmt. ■R epo (Sale and Repurchase Agreement) Ein Repo ist ein Finanzierungsgeschäft, bei dem gleichzeitig der Kauf und der spätere Rückkauf eines Wertpapiers vereinbart werden. Notenbanken verwenden Repos, um die Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld zu versorgen. ■R ettungsschirm siehe European Stability Mechanism ■R ezession Schrumpfen der Wirtschaftsleistung über einen gewissen Zeitraum. Nach angelsächsischer Definition ist das der Fall, wenn das reale BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft (auch „technische Rezession” genannt). Nach einer etwas vorsichtigeren Definition spricht man erst dann von einer Rezession, wenn das BIP in einem Gesamtjahr gegenüber dem Vorjahr sinkt. ■R isikovorsorge Neudotierungen von Wertberichtigungen und Direktabschreibungen. ■S chuldenbremse Gesetzliche Regelung zur Beschränkung der Staatsverschuldung. ■S ecurities Market Programme (SMP) Interventionen (Käufe) auf Märkten für staatliche und private Schuldverschreibungen im Euroraum durch das Eurosystem. Ziel ist es in Krisensituation der unzureichenden Liquidität und Tiefe auf Anleihenmärkten entgegenzuwirken und so die gelpolitische Transmission sicher zu stellen. ■S ekundärmarkt Markt, an dem Wertpapiere, die am Primärmarkt emittiert wurden, gehandelt werden. 43 aktuelle U N TE R L AG E 7 GLOSSAR ■ SIV (Strucured Investment Vehicle) Von Banken gegründete außerbilanzielle Zweckgesellschaft. Ziel eines SIVs ist es, höhere Erträge zu erwirtschaften, ohne dafür Eigenkapital bereitstellen zu müssen. Ein SIV versucht, die Differenz zwischen den kurz- und langfristigen Zinssätzen auszunützen. ■ Sixpack Ein im März 2011 beschlossenes Paket von sechs europäischen Verordnungen bzw. Richtlinien. Vier davon zielen auf eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ab. Zwei betreffen Aktionen bei makroökonomischen Ungleichgewichten. ■ Staatsanleihe Kurz-, mittel- oder langfristige Schuldverschreibung, die von Bund oder Ländern und anderen Körper­ schaften ausgegeben werden. ■ Subprime Mortages Hypothekendarlehen mit niedriger Bonität. ■W ertberichtigungsquote Bezogen auf das Kreditgeschäft von Banken beschreibt die Wertberichtigungsquote den Anteil der ausgefallenen Kreditsumme an der gesamten Kreditsumme einer Bank. ■Z instender (variable rate tender) Auktionsverfahren, bei dem die Geschäftspartner Betrag sowie Zinssatz des Geschäfts bieten, das sie mit der Zentralbank tätigen wollen. 44 aktuelle Unterlage | Übungsblatt 1 | Seite 45 70 | April | 2012 ÜBUNGSBLATT 1 1. Tragen Sie die vier idealtypischen Konjunkturphasen an der jeweils richtigen Stelle ein. 2. Warum weicht der reale Konjunkturverlauf von der oben angeführten Darstellung ab? 3. Nennen Sie verschiedene Ursachen für Konjunkturschwankungen. 4. Soll der Staat die Konjunktur durch öffentliche Ausgaben ankurbeln? a) Bilden Sie zwei Gruppen und sammeln Sie jeweils Argumente (Internetrecherche), die dafür bzw. dagegen sprechen. c) Fassen Sie diese Argumente in einer übersichtlichen Präsentation zusammen. b) Nennen Sie Beispiele, wie der Staat derzeit versucht, die Wirtschaft anzukurbeln. d) Präsentieren Sie Ihre Rechercheergebnisse in der Klasse. e) Diskutieren Sie die Pro- und Kontra- Argumente. 5. Welche Auswirkungen hat eine Änderung des Zinssatzes durch eine Zentralbank? a) Stellen Sie die verschiedenen Auswirkungen und die davon jeweils besonders betroffenen Personengruppen dar. c) Diskutieren Sie in der Klasse die Pro- und Kontra- Argumente für eine Erhöhung der Zinsen. b) Recherchieren Sie den Zinsverlauf im letzten Jahr und stellen Sie diesen in einer einfachen Grafik dar. aktuelle Unterlage | Übungsblatt 2 | Seite 46 70 | April | 2012 ÜBUNGSBLATT 2 1.Ergänzen Sie den folgenden Wirtschaftskreislauf um den Sektor „Ausland“. Welche Güter- und Geldströme zwischen den inländischen Sektoren und dem Ausland sind für die österreichische Wirtschaft besonders wichtig? 2. Warum sind höher verschuldete Staaten außerhalb Europas weniger in den Strudel der Schuldenkrise geraten? 3. Welche Gefahren sind mit hohen Budgetdefiziten und Staatsschulden verbunden? 4.Beschreiben Sie die aktuellen Wachstumsaussichten für die österreichische Wirtschaft. Welche Nachfragekomponenten (Exporte, Konsum, Investitionen…) sind von der erwarteten Abkühlung 2012 besonders betroffen, welche wirken tendenziell stabilisierend? 5.Wie hat sich der österreichische Arbeitsmarkt seit Ausbruch der Krise 2008 entwickelt? Warum gingen angesichts der Tiefe des Wirtschaftseinbruchs nur verhältnismäßig wenige Jobs verloren? 6.Wie haben sich die Wachstumsprognosen für Österreich in jüngster Vergangenheit geändert? Recherchieren Sie die aktuellen Prognosen von WIFO, IHS und OeNB und vergleichen Sie sie mit den in Kapitel 5 beschriebenen Prognoseergebnissen. aktuelle Unterlage | Übungsblatt 3 | Seite 47 70 | April | 2012 ÜBUNGSBLATT 3 1. Stellen Sie den Verlauf der Finanz- und Schuldenkrise übersichtlich auf einer Power Point Folie dar. 2.Wodurch unterscheidet sich die finanzwirtschaftliche Lage in den einzelnen GIIPS-Staaten? Erstellen Sie eine Übersicht anhand der Kriterien ■ Öffentliche Verschuldung ■ Private Verschuldung ■ Leistungsbilanzsaldo 3. Erklären Sie folgende Begriffe: ■ SIV ■ Mortages Backed Security ■ Suprime Mortages ■ CDS 4. Erklären Sie den Unterschied zwischen Zinstender und Mengentender. 5.Erklären Sie den Zusammenhang der gestiegenen Sekundärmarkt-Rendite von Staatsanleihen mit der Verzinsung neu zu begebender Staatsanleihen. 6.Welchen neuen Steuerungselemente hat die EU im Zuge der Bewältigung der Schuldenkrise geschaffen? – Ergänzen Sie die folgende Abbildung und erklären Sie kurz die Aufgaben der einzelnen Elemente. Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union Europa 2020 • Strategie für Wachstum • Mit drei Prioritäten: - intelligentes Wachstum (z.B. F&I) ■ ___________________ ___________________ ________________ ■ ___________________ ___________________ • Jährliche Überwachung erfolgt gemeinsam für alle EU-Staaten Sixpack • Sechs Richtlinien für - Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ■ ___________________ ___________________ ■ ___________________ ■ ___________________ ___________________ ___________________ ■ ___________________ ___________________ ________________ • Freiwillige Zusammen­ arbeit von 23 EU-Staaten ■ ___________________ ___________________ aktuelle Unterlage | Übungsblatt 3 | Seite 48 70 | April | 2012 7. a) Welchen Nutzen haben Rating-Agenturen? Was sind die vier wichtigsten Kritikpunkte an den Rating-Agenturen? b) Welche Rating-Agenturen dominieren den Markt? Nennen Sie einige der verwendeten Ratingklassen. 8.Erstellen Sie eine Übersicht: Welche Faktoren der heimischen Wirtschaft werden von den Ratingagenturen, insbesondere von S&P, als positiv beurteilt, welche als negativ? 9. Kreuzen Sie an: Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche falsch? Stellen Sie die falschen Aussagen richtig. Die österreichische Wirtschaft stagnierte im Jahr 2011 In den Jahren 2012/13 wird es aufgrund fallender Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmittel zu einem deutlichen Rückgang der Teuerung kommen. Derzeit erhält neben Griechenland Italien Finanzhilfen von der europäischen Staatengemeinschaft. Spanien hat im Vergleich zu Griechenland eine relativ geringe öffentliche Verschuldung Der private Konsum hat im Jahr 2011 unter einer hohen Inflation gelitten. richtig falsch aktuelle Unterlage | Übungsblatt 4 | Seite 49 70 | April | 2012 ÜBUNGSBLATT 4 1. Kreuzworträtsel: Viel Spaß! (ä= ae) WAAGRECHT 4. Lange andauernde, wirtschaftliche Rezession 6. Wichtiger Schritt zu einer gemeinsamen EU-Wirtschaftsregierung 8. Finanzprodukte, mit denen man sich gegen Kreditausfälle versichern kann 9. Markt an dem Wertpapier erstmals begeben werden. 11. Wertpapier, das durch einen Pool von verbriefte und gebündelten Hypotheken gedeckt ist (Abkürzung) 13. Die EZB versorgt Banken im Rahmen eines Auktionsverfahrens mit Liquidität 15. Kreditwürdigkeit eines Schuldners 17. Neudotierungen von Wertberichtigungen und Direktabschreibungen 18. Eurostaat mit hoher privater Verschuldung 19. Kritikpunkt an den Ratingagenturen SENKRECHT 1. Äußere Ursache für Konjunkturschwankungen 2. Konjunkturphase 3. Eine der wichtigsten Ratingagenturen 5. Markt, an dem Wertpapiere, die am Primärmarkt emittiert wurden, gehandelt werden 7. Zinszahlung eines Wertpapiers 10. Langfristige, gedeckte Bankschuldverschreibungen 12. Gesetzliche Regelung zur Beschränkung von Staatsverschuldung 14. Euroland mit hoher öffentlicher Verschuldung 16. CESEE-Land aktuelle Unterlage | Übungsblatt 4 | Seite 50 HVPI-Inflationsrate Arbeitsmarkt Engagement der Banken in der CESEE-Region 2. Interpretieren Sie folgende Grafiken. 70 | April | 2012 aktuelle Unterlage | Lösungsvorschläge | Seite 51 70 | April | 2012 LÖSUNGSVORSCHLÄGE ÜBUNGSBLATT 1 1. Rezession – Aufschwung – Boom – Abschwung 2.Der wichtigste Grund für das Abweichen des realen Konjunkturverlaufs sind die immer wieder auftretenden wirtschaftlichen Schocks, die die idealtypischen Konjunkturphasen überlagern. Unter einem Schock versteht man in der Volkswirtschaftslehre eine unvorhergesehene Veränderung einer wirtschaftlichen Größe, die die Wirtschaftsentwicklung von außen beeinflusst. Beispiele dafür sind Ereignisse wie Kriege, Missernten oder Naturkatastrophen. In der heutigen global vernetzten Wirtschaft kommen eine Reihe weiterer Ursachen wie Energiepreise, Wechselkurse, Aktienkurse usw. dazu. 3.Fehlerhafte Erwartungen lösen Schwankungen beispielsweise der Produktion oder Staatsausgaben aus. Viele wirtschaftliche Vorgänge sind mit Wirkungsverzögerungen verbunden, die zyklische Schwankungen verursachen können. Änderungen im 4. 5. Kreditvergabeverhalten der Banken können Konjunkturschwankungen dämpfen oder aber verstärken. Individuelle Schülerlösungen Lösung siehe http://www.oenb.at ÜBUNGSBLATT 2 1.Exporte und Importe stellen die wichtigsten Ströme von Gütern und Dienstleistungen zwischen Österreich und dem Rest der Welt dar. Österreichische Unternehmen importieren Güter und Dienstleistungen für die heimische Produktion, die privaten Haushalte für Konsumzwecke. In geringerem Umfang fragt auch der Sektor Staat Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland nach. Österreichische Unternehmen exportieren aber auch sehr erfolgreich Güter und Dienstleistungen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Exporteinnahmen aus dem Fremdenverkehr. Seit der in den Achtzigerjahren er- folgten endgültigen Öffnung des österreichischen Kapitalmarktes gewinnen auch die grenzüberschreitenden Kapitalströme stetig an Bedeutung. Österreichische Unternehmen, der österreichische Staat und in einem geringeren Maß auch private Haushalte können im Ausland Kapital aufnehmen (sich verschulden), aber auch Geld an das Ausland verleihen. Schließlich wird auch der Arbeitsmarkt zunehmend internationaler. Der Anteil ausländischer Arbeitskräfte insbesondere aus den anderen EU-Ländern an der Gesamtbeschäftigung steigt stetig an, aber auch österreichische Arbeitskräfte nehmen verstärkt Beschäftigungschancen im Ausland wahr. aktuelle Unterlage | Lösungsvorschläge | Seite 52 70 | April | 2012 2.Japan hat eine deutlich höhere Staatsverschuldung als alle Krisenländer in Europa (siehe Tabelle 1). Aber der hohen Staatsverschuldung steht eine sehr große Sparneigung des privaten Sektors gegenüber. In den USA und UK ist die Staatsverschuldung in Zuge der aktuellen Krise stark angestiegen. Für beide Länder erwarten die Märkte jedoch, dass im Falle von Zahlungs- schwierigkeiten der öffentlichen Hand die Notenbank Staatsanleihen ankauft, d.h. die Notenpresse zum Zweck der Staatsfi- nanzierung anwirft. Dass würde zwar über eine höhere Inflation den Wert von bereits emittierten Staatsanleihen verringern und die Käufer dieser Staatsanleihen treffen, aber einen Zahlungsausfall verhindern. Im Euroraum ist das rechtlich nicht möglich. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein in Schwierigkeiten geratenes Mitgliedsland des Euroraums seinen Schuldendienst nicht leistet kann. 3.Schulden müssen zurückgezahlt werden. Hohe Staatschulden machen daher eine zukünftige Konsolidierung notwendig. Der dadurch ausgelöste Nachfrageausfall kann in labilen Konjunktursituationen wie der aktuellen eine Rezession auslösen. Dem stehen mittel- bis langfristige Gefahren im Falle keiner oder unzureichender Konsolidierungsbemühungen gegenüber: ■ Eine hohe Staatschuld bedingt auch höhere Aufwendungen für den Schuldendienst – finanzielle Mittel, die in anderen Bereichen der Wirtschaft fehlen und so z.B. die Finanzierung von Investitionsvorhaben oder Forschungs- und Entwicklungsprojekten gefährden können. ■ Eine höhere Verschuldung reduziert den Spielraum, um im Falle zukünftiger Krisen fiskalpolitisch gegensteuern zu können. ■ Wenn die Märkte die langfristige Tragfähigkeit der Staatsschuld in Frage stellen, kann dies einen Teufelskreis auslösen: Ge- änderte Markteinschätzungen führen zu höheren Risikoaufschlägen und damit zu höheren Zinsbelastungen, die ihrerseits wieder die Staatschulden erhöhen. ■ Vielfach wird erwartet, dass die gegenwärtige Krise zu einem langfristig niedrigeren Wachstumspfad mit entsprechend negativen Folgen für den Staatshaushalt führt. Geringeres Wirtschaftswachstum ist bei gleichbleibenden Bedingungen mit höheren Staatsausgaben und sinkenden Steuereinahmen verbunden (automatische Stabilisatoren), was eine zusätzliche Belastung für den Staatshaushalt darstellt. ■ Angesichts ständig steigender Staatsschulden könnten sich Regierungen genötigt sehen, diese durch das „Anwerfen der 4. Ö sterreich ist eine kleine offene Volkswirtschaft mit einer hohen Exportquote von über 50 % (Anteil der Exporte am BIP). Notenpresse“ zu finanzieren. Steigende Inflation mit mittel- bis langfristig negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum wäre die Folge. Außenwirtschaftliche Entwicklungen sind daher für die Konjunktur von zentraler Bedeutung. Da die Fundamentaldaten der österreichischen Wirtschaft weiterhin ausgezeichnet sind, ist die erwartete Wachstumsabschwächung 2012 in erster Linie auf die globale Konjunktureintrübung zurückzuführen. Demnach sind die Exporte eine der am stärksten betroffenen Nachfra- gekomponente. Aber auch die sehr konjunkturreagiblen Investitionen werden sich schwach entwickeln. Stabilisierend wenn auch auf recht niedrigem Niveau werden die privaten Konsumausgaben wirken. Die privaten Haushalte streben typischer- weise ein recht glattes Konsumprofil über die Zeit an; d.h. sie entsparen in Zeiten schwacher Konjunktur und sparen wieder 5. mehr, wenn sich ihre Einkommenssituation während einer Hochkonjunkturphase verbessert. M it der üblichen Verzögerung hat die Krise auch auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen. Der Stellenabbau ist jedoch geringer ausgefallen, als es die Tiefe der Rezession erwarten ließ. Erstens haben wirtschaftspolitische Maßnahmen wie die Ausdehnung der Kurzarbeit einem stärkeren Stellenabbau entgegengewirkt. Zweitens haben viele Betriebe angesichts der Erfah- rung von Arbeitskräftemangel in den Jahren vor der Krise vor Entlassungen zurückgeschreckt. Drittens wurden in der Krise Überstunden und Urlaubsansprüchen abgebaut. Viertens wurde der kapitalintensive Industriesektor von der Krise stärker betroffen als der arbeitsintensive Dienstleistungssektor. Die überraschend positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich während der Erholung im Jahr 2011 fortgesetzt. Für 2012 wird aufgrund des steigenden Arbeitskräfteangebots (Pensionsreformen, Öffnung des Arbeitsmarktes….) un der erwarteten Konjunkturabkühlung wieder mit einem Anstieg der Arbeitslo6. senquote gerechnet. Internetrecherche: http://oenb.at/de/geldp_volksw/prognosen/prognosen.jsp, http://www.ihs.ac.at/vienna/IHS-Departments-2/Economics-and-Finance-2/Applied-Research-3/Economic-Forecast-2.htm. http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?&fid=12 Individuelle Schülerlösung aktuelle Unterlage | Lösungsvorschläge | Seite 53 70 | April | 2012 ÜBUNGSBLATT 3 1. 1. Finanzkrise – Liquiditätskrise (Sommer 2007 – Frühling 2008) – Solvenzkrise (Frühjahr 2008 bis August 2008) 2. Große Rezession – Vertrauenskrise (15. September 2008 bis Ende Oktober 2008) – Globale Wirtschaftskrise (Ende 2008 bis Mitte 2009) 3. Temporäre Aufhellung und Staatsschuldenkrise – Zwischenzeitliche Aufhellung (Mitte 2009 bis Frühjahr 2010) – Europäische Schuldenkrise (seit Frühjahr 2010) Individuelle Schülerlösung 2. GRIECHENLAND Öffentliche Verschuldung Private Verschuldung Leistungs- bilanzsaldo IRLAND ITALIEN hoch hoch hoch niedrig niedrig hoch niedrig hoch hoch hoch hoch hoch PORTUGAL SPANIEN 3. SIV – Strucured Investment Vehicle: Von Banken gegründete außerbilanzielle Zweckgesellschaft. Ziel eines SIVs ist es, höhere Erträge zu erwirtschaften, ohne dafür Eigenkapital bereitstellen zu müssen. Ein SIV versucht, die Differenz zwischen den kurz- und langfristigen Zinssätzen auszunützen. – Suprime Mortages Hypothekendarlehen mit niedriger Bonität – Mortages Backed Security Wertpapier, das durch einen Pool von verbrieften gebündelten Hypotheken gedeckt ist. – CDS Credit Default Swap (CDS) sind Finanzprodukte, mit denen man sich gegen Kreditausfälle versichern kann. Die Höhe des Kur- ses (spread) spiegelt die Versicherungskosten wider. CDS-Kurse geben die Risikoeinschätzung des Finanzsektor wieder. Höhere Spreads führen dann zu höheren Zinsen für die neu aufzunehmenden Staatsschulden. 4.Die EZB versorgt die Geschäftsbanken, die einen bestimmten Zinssatz für das nachgefragte Volumen bieten, im Rahmen eines Auktionsverfahrens (Zinstender) mit Liquidität. Die Zuteilung erfolgt nach der Höhe der Gebote. Die Banken bekommen nicht immer das gesamte Volumen. In der Wirtschafts-und Finanzkrise 2008/09 brach der Interbankenmarkt zusammen. Banken liehen sich gegenseitig kein Geld mehr und verlieren damit ihre wichtigste Finanzierungquelle. Die EZB stellt das Auktionsver- fahren auf einen Mengentender mit unbegrenzter Zuteilung und vorgegebenem Zinssatz um. 5.Staatsanleihen sind in der Regel festverzinste Wertpapiere. Diese werden am Sekundärmarkt gehandelt. Die gestiegene Sekundärmarktrendite hat unmittelbar noch keinen Einfluss auf die Finanzierungskosten des jeweiligen Staates. Wenn dieser jedoch am Primärmarkt neue Staatsanleihen emittiert, so muss die Verzinsung dieser Anleihen mit der durchschnittlichen Sekundärmarktrendite bestehender Anleihen konkurrieren. Die Zinskosten für diese Staatsanleihen steigen daher. Die durchschnittliche Verzinsung der gesamten Staatsschuld steigt mit jeder neu emittierten Staatsanleihe an. aktuelle Unterlage | Lösungsvorschläge | Seite 54 70 | April | 2012 6. Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union Europa 2020 Europäisches Semester • Strategie für Wachstum • Verbesserte Koordinie- • Mit drei Prioritäten: - intelligentes Wachstum (z.B. F&I) - nachhaltiges Wachstum (Wettbewerbsfähigkeit) - integratives Wachstum rung der Wirtschafts- und Haushaltpolitiken • Jährliche Überwachung erfolgt gemeinsam für alle EU-Staaten (hohe Beschäftigung) Sixpack • Sechs Richtlinien für - Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes - Aktionen bei makro­ ökonomischen Ungleichgewichten. - Eingriff in nationale Budgetplanungen - Schuldenbremsen 7. Euro-Plus-Pakt • Freiwillige Zusammen­ arbeit von 23 EU-Staaten - in der wirtschafts- politischen Koordination in den Bereichen Wett­bewerbsfähigkeit, Beschäftigung, Finanz­ stabilität > Wirtschaftskraft der beteiligten Länder verbessern. a) • Ratingagenturen erfüllen eine sowohl für Investoren als auch für Emittenten wichtige Aufgabe. Ratingagenturen geben Einschätzungen (Ratings) über die Kreditwürdigkeit bestimmter Emittenten (Staaten und Unternehmen) und Finanzpro- dukte ab, d.h. sie beurteilen die Fähigkeit und die Bereitschaft von Schuldnern ihren zukünftigen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ein Rating ist daher im Gegensatz zu buchhalterischen Kennziffern vorausschauend. • Sie helfen, das Problem der asymmetrischen Information zwischen Marktteilnehmern zu lindern. Das Sammeln von Infor- • Gleichzeitig fördern die Ratings die Standardisierung von Finanzprodukten. 1. Fehlerhafte Einschätzungen in der Vergangenheit – unzuverlässige Ratings mationen über die Kreditwürdigkeit ist mit teils erheblichen Kosten verbunden. Ratingagenturen sind auf diese Aufgabe spezialisiert und können dies für eine große Anzahl von Gläubigern gemeinsam und daher kostengünstig machen. Die vier wichtigsten Kritikpunkte an den Ratingagenturen: 2. Oligopolistische Marktstrukturen – mangelnder Wettbewerb 3. Interessenskonflikte 4. Auslöser bzw. Verstärkung von Krisen b) aktuelle Unterlage | Lösungsvorschläge | Seite 55 70 | April | 2012 8. Positiv werden die Stabilität der Wirtschaftspolitik und die Wettbewerbsfähigkeit eingestuft. Risiken für die langfristige Kreditwürdigkeit Österreichs sind • eher zögerliche Budgetkonsolidierung in Österreich und • ungelöste finanzielle Problemen der Eurozone, 9. • großes Auslandsexposure des österreichischen Bankensystems in den CESEE-Ländern richtig X Die österreichische Wirtschaft stagnierte im Jahr 2011 In den Jahren 2012/13 wird es aufgrund fallender Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmittel zu einem deutlichen Rückgang der Teuerung kommen. X X Derzeit erhält neben Griechenland Italien Finanzhilfen von der europäischen Staatengemeinschaft. Spanien hat im Vergleich zu Griechenland eine relativ geringe öffentliche Verschuldung X Der private Konsum hat im Jahr 2011 unter einer hohen Inflation gelitten. X ÜBUNGSBLATT 4 Kreuzworträtsel (ä= ae) WAAGRECHT SENKRECHT 6. Sixpack 2. Aufschwung 4. Depression 8. CDS 9. Primaermarkt 11. MBS 13. Tender 15. Bonität 17. Risikovorsorge 18. Irland 19. Interessenskonflikte 1. Naturkatastrophe 3. Fitch 5. Sekundaermarkt 7. Kupon 10. Pfandbrief 12. Schuldenbremse 14. Griechenland 16. Bulgarien falsch Idealtypischer Konjunkturzyklus und Konjunkturverlauf in Österreich aktuelle Unterlage | Kopiervorlagen | Seite 56 70 | April | 2012 Die sechs Phasen der Krise aktuelle Unterlage | Kopiervorlagen | Seite 57 70 | April | 2012 Engagement der Banken in der CESEE-Region aktuelle Unterlage | Kopiervorlagen | Seite 58 70 | April | 2012 Arbeitsmarkt aktuelle Unterlage | Kopiervorlagen | Seite 59 70 | April | 2012 aktuelle U N TE R L AG E Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) bietet im Rahmen ihrer „Initiative Finanzwissen“ zahlreiche Angebote zu wirtschafts- und geldpolitischen Themen für den Unterricht an. AWS Tipp Für Lehrkräfte werden regelmäßig sowohl ■ Seminare ■ als auch volkswirtschaftliche Themenblätter mit begleitendem Didaktikmaterial zur Verfügung gestellt. ■ Weiters wird das aktualisierte OeNB-Unterrichtspaket zu Geld und Geldpolitik inkl. Kurzvideos (auf DVD) ab Herbst 2012 verfügbar sein. ■ Für die jüngere Zielgruppe gibt es seitens des Geldmuseums Workshops, Führungen u.v.m. Im Rahmen der Euro-Kids-Tour können Volksschüler/innen österreichweit mehr über die Sicherheitsmerkmale der Euro-Banknoten erfahren. ■ Darüber hinaus werden Schülervorträge österreichweit, direkt in Schulen, von der OeNB angeboten. Informationen zu den Schülerwettbewerben „jetzt teste ich“ sowie „Generation Euro Students‘ Award“ finden sich auf der OeNB-Website. Kooperationspartner: Das gesamte Angebot zur Initiative Finanzwissen, angefangen vom Inflationscockpit bis hin zum Online-Quiz mit Gewinnspiel findet sich unter den Links: www.oenb.at sowie www.geldmuseum.at Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt IMPRESSUM: Medieninhaber: AWS Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule im Rahmen des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule (AWS) ist eine Initiative von Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Österreichischem Sparkassenverband und ist als Projekt am Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw), Rainergasse 38, 1050 angesiedelt. Leiter: Mag. Josef Wallner Autoren: Mag. Gerhard Fenz, Dr. Martin Schneider; Didaktik: Mag. Josef Wallner, Gudrun Dietrich; Redaktion: Mag. Josef Wallner, Gudrun Dietrich, Gestaltung: www.designag.at