Natur zwischen Logik und Geschichte

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Natur zwischen
Logik und Geschichte
Beiträge zu Hegels Naturphilosophie
Herausgegeben von
Wolfgang Neuser
Steffen Lange
L- K.ris.'rsl:rutern.
.:-
-::.' :,.nt ie und Wisscn-
- -. .-..-:hi.' (1992),Prof.
Königshausen
Ea
Neumann
Inhaltsve rzeichnis
Vorwort......
Bedarf die Lösung der höchsten
Denkens der NaturPhilosoPhie?
Renate \Wahsner...
At
Natur und Notwendigkeit. Eine
Hegels Naturbegriff.
Wolfgang Lenski........
sv
Die absolute Form in Hegels Wissi
Klaus J. Schmidt.... '.
Die Entäußerung der Idee zur Nltr
ontologische Bedeutung
Dieter Wandschneidcr..'.......... "'
Die Idee der Natur. Hegels losisch
Wissen von der Welt
Pirmin Stekeler-\fleithofer.........'
Die Organisation des Geisterreich.
$
1
[ I 1r,,y,tJi :tl.,e I fi onn.t t ott
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Die Deursche Narionalbibliorhek verzeichner diesc Publikrtion in de'r Deurschen
Nationalbibliografie; deraillierte bibliogrefische Daren sind im Internct
über hrrp://rJnb.d-nh.de abrulbar
Logische Genealogie der Nirtur
Ettore Barbagallo.
Begriff und Idee der Natur
Lu De Vos...........
Der Begriff der Natur in der Ge:cL
Wolfgang Neuser.......
O VerJag Kiinigsh.ruse n E( Ncumrnn GrrbH, Würzburg 2016
GcJruckt .ruI s.iurefrciem, rlttrungsbesr.inditem Prpicr
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und Vcrarbcirung in clckrronischcn Sr srcnren
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ISBN 978-3-8260-580
I-
1
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wrv.buchh andel. de
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Der naturphilosophische Idealis nr:
und Carl Friedrich von Weizsickr'I
Manfred Wetzel.......
Das Leben denken: UrsPrung unu
Heqelschen PhilosoPhie
Stcfania Achella......'
Die Entäußerung der Idee zur Natur bei Hegel
und ihre ontologische Bedeutung
Dieter Wandschneider
Zusammenfassung
Hegels Deutung der EntciuJlerung der ldee z.ur Natur betrifft eine der
Hauptfragen jeder idealistischen Philosophie, nämlich wie sie Realitrit
bestimmt und begründet. Doch Hegels extrem knappe Aussagen dazu
wirken eher improvisiert und können schwerlich überzeugend genannt
werden. Allein der l{ekurs auf die Dialektik des Unendlichen und Endlichen eröffnet eine Interpretationsperspektive, die hier deshalb weiterverfolgt wird. Die Natur ist danach da,s Nicbt-Ideelle, das gleichwohl in der
Idee mitgesetzt ist: als das ewige Begleitphänomen der Idee. Fundamentale
ontologische Bestimttungen der Natur ergeben sich aus ihrem nicht-ideellen Charakter als Auseinandersein, das als solches primär quantittttizt be-
stimmt ist, das als Nicht-ft/eelles aber auf die Idee bezogen bleibt und
darum durch eine der Natur zugrunde liegende Logik, d.h. Naturgesetze
bestimmt ist. Daraus ergibt sich weiter die Erbennbarbeit 'Jer Natur. Zugleich ist im Naturprozess, qua Naturgesetzlichkeit, eine Idealisierungstendenz wirksam derart, dass das immanent ideelle §V'esen der Natur zunehmend deutlicher zutage tritt: insbesondere in den Formen psychischen
und zuletzt eeistigen Seins. Eben diese ,objehtia-idealistische' Nattrrontologie des Hegelschen Typs wird aber von der Natur-lV'issenschaft immer
sclron vorausgesetzt. lhr r»issenschaftlicber Naturbegriff enthält also viel
mehr ,Hegel', als sie zugibt und weill, und ist gleichwohl nur so ontologisch begrii»dbar.
Gliederung des Artikels
1.
2.
3.
4.
Hegelsche Argumente zur Entäul3erung der Idee
Das Endliche als Moment des Unendlichen selbst
Die Natur als das Nicht-Ideelle
OntologischeKonsequenzen
6t
5.
6.
l.
hung auf siclt".
schaft
rrgraphen § 2^1-l .1.: .
Sein" (8.393 Zus. . L
Literatur
Hegelsche Argumente zur Entäußerung der ldee
Hegel bemerkt in der Vorrede zur zn'eiren Auflage der Logik,,,dass Platon seine Bücher über den Staat siebcnmal umgearbeitet habe" und er
selbst sich gewünscht hättc, dass iür scin Werk,,die freie Muße, es siebenundsiebzigmal durchzuarbeiten, ges'ährt gewesen wäre", - um dann
fortzufahren: ,,So aber musste der Verfasser, indem er es im Angesicht der
Größe der Aufgabe betrachtet, sich mir dem begnügen, was es hat werden
mögen" (Hegel5.33 f).'
Dies im Kopf, fallt auf, dass die Schlusspassage der Logik, den Ubergang in die Naturpbilosopbie' betreffend, r-on lapidarer Kürze ist und so,
im Vergleich mit der sonstigen Ausführlichkeit der Logik, geradezu improvisiert wirkt. Dabei handelt es sich im Grund um eine der Hauptfragen
jeder idealistischen Philosophie, nämlich wie sie Realität bestimmt und
begründet - auch und gerade eines Idealismus des Hegelschen Typs, der
als ,objeh.tioer Idealistnws'in der Unhintergehbarkeit der Logik' zugleich
das Grundprinz-ip objektiver Virklichkeit fundiert sieht.*
Ich stelle kurz die Argumente vor, zusammen mit einigen kritischen
Anmerkungen, die sich in diesen eher eiligen Formulierungen Hegels für
den Ubergang von der - die Logib abschliel3enden - ,absoluten Idee' zur
Naturphilosophie finden lassen.'
(1) In der absoluten Idee erfasst die Idee sich selbst als ldee. Sie verhalt sich also letztlich ,,nur zu sich selbst", ,,ist daher die einfacbe Bezie' Literaturangaben
dieser
Art verweisen stcts luf Hegel,
lü(/erke, hier z.B. auf Bd.
und 10.
2 Zur Klärung des systematischen Stellenwerts der von der Hegel-Rezeption
selbst lrrnge vcrnachlässiqten N;uurphilosophie Hegcls s. Hösle 198h, Bd. 2,277 ii.
r Gemeint ist hier Hegels dialektische Logik, nicht irgend eine der diversen formalen,Logiken', dic als formale Konstrukte stets auf Annahmen beruhen, auf
,Axiomen', dic euch anders gewihlt wcrdcn könnten, insofern e.in konventionelles
Element und damit auch Beliebigkeit enthalten. Demgesenüber ist die Hcgelsche Logrk e,ls firndanentale Logik zu verstehcn, die euch jencn formrlen Logiken zugrunde
5, S. 33 f. ,Zus.'verweist auf die Zusätze in den Bänden 8, 9
liegt. Denn um diesc überhaupt erst einzuführen und zu definieren, bed:rri es schon der
Logik (ausführlich hierzu lVandschneider 2O 13).
' Hicrzu Vendschneider 1985 so*,ie die außerordentlich klirende Untersuchung
Begründungsfr,tgen des objektiv^en Ide,tlismus von Vittorio Hösle (Hösle 1987b).
I Hicr einige frühe Arbeiten, die schon die zcntrale Bedeutung dieser Thernatik
crkannt und in die Hegel-Interpretltion einbezogen hrben: Schon zu Hegcls Zeit
kritisch Schelling 1827, 433 ff; nach der ,Hcgel-Renaissance' des 20. Jrhrhunderts
ferner Schulz-Seitz (1951), tl2 ff; Kroner (1961),509 ff; Volkrnrnn-Schluck (tleZ),
34-44; Findl:ry (1964),268 f; Schulz (1975), 105 ff; cher polcmisch Croce (1909), 156
ff; mit Bezur.l auf idcalismus-irnmrnentc Einw;inde Brinkmrnn (1976). 176 ff, 199 ff;
eher philologisch Bmun (1970). 51-64.
62
uni :..
Die implizit objektiv-idealisri.ci:e \rlturontologie der Naturwissen-
Begriffsentwickluns
Ausdruck dessen.
z
d;..
einer Entä uflerttn g Jt:-
(2) Gleichwohi .,
Zus.). In der Enzvklo;
dass die Idee, indenr .:
1...) Anschauerz" und
\Wieso? Offenb.rr ri'c.i.
überblickt und sie so
und zugleich ihre di;rle
lich sieht. Freilich ist ,
was, das der Vorstellu
bezüglich der absolrtte,
davon, dass (a) ein \.
stimmungen nicht die .'
der Idee genau ,Ansch;r
(3) Der im
Vergl
charakter von Mrrrrr i:
,,noch logisch" und .rl.
ihre,,Realisation" rrlso
fern in die Subjektii'it
zugleich,,Trieb, dicsc
,A"fo"S einer antleren I
solut für sich selbst ol
wnd der
Zeit" (6.573).
Auch dies wirkt c
sche noch defizienr, n.i
und Objektioität in det
liegen' und Hegcl dic
stimmt (6.466), als den
lteit von Begriff und
k.
Warum sollte die lo,li.c
lende tsegründung s'ire
denn diese beginnt in .
schem und theoretisch.
des prätendierten obje
text setzt unmittelbar h
(4) Der genannre
überwinden, soll nun
::
eines erzwungencn ..G.
Befreiung", als ein frui,
ologie der Naturwissen-
r Idee
;rge der logl,t, ,,dass Pla,gearbeitet habe" und er
,die freie Muße, es sieberscn wäre", - um dann
m er es im Angesicht der
nügen, was es hat werden
;qe der logi,€, den Uberrid,.rrer Kürze ist und so'
J.'r logi,b, geradezu imu:l cine der Hauptfragen
bungauf sicb", und als solche sei sie ,,Seiz" (6.572). Ahnlich im Schlussparagraphen § 244 der enzr-klopädischen Logih: §flir haben so ,,die ltlee als
Sein" (8.393 Zus.). Doch diese Rückkehr im Abschluss der Iogischen
Begriffsentwicklung zu ihrem Ausgangspunkt ,Sein' ist zunächst nur
Ausdruck dessen, dass sich di.rs System des Logischen scblietlt, nicht schon
einer EntciuJlerung d,er Idee zur Natur.
(2) Gleichwohl soll ,,diese scicndc Idee [...] die Natur" sein (8.393
Zus.). In der Enzyklopädie § 244 wird dies durch den Gedanken gestützt,
dass die Idee, indcm sie sich ,,nach dieser rhrer Einbeit mit sich betracbtet,
1...) Anscbauen" vnd als dicse ,,anschauende Idec Natur" sei (8.393).
Wieso? Offenbar weil sie die Ftille ihrer Bestimmungen nun im Ganzen
überblickt und sie so als ein Nebeneinander vor sich hat, d.h. rtiumlicb,
und zugleich ihre dialektische Bewegung nachvollzieht und sie damit zeit-
cs Heqelschen TyPs, der
lich sieht. Freilich ist solches ,ansch:luende Uberblicken' und ,Sehen' ets/as, das der Vorstellungssphäre entllicber Subjektioitat angehört, dürfte
bezüglich der absoluten ldee also unangemessen sein - gar'z abgesehen
davon, dass (a) ein Nebeneinander und Nacheinander von logiscben Bestimmungen nicht die Natur ist und (b) nicht geklärt ist, in welchem Sinn
rkcit der Logik' zugleich
der Idee genau ,Anschauen' zugesprochen werden kann.
c Re;rlität bestimmt und
(3) Der im Vergleich mit der Logik
;:.i.'ht.'
cn mit einigen kritischen
,rnrulierungen Hcgels für
en - .;rbsoluten Idee' zur
::
rclbst ,l/s Idee. Sie verJ.rhcr die einfaclte Bezie-
.:-r-. \\'rrke. hier z'ß. luf
Bd.
r -:;'.].
::: : J.r Hc';cl-RczcPtion
i -.. 19S7.r. P,d.2,277 if.
: -:j;:.i .inl der dil'ersen for:-: -i:.:::.;t:.:l hcruhen' .ru[
: - :.::'. .ir: konvcntionclles
--: -:- j: :.r .lie Hegclschc Lo.n Logikcn z-ugrunde
.,:
.
:-..:.:1. L.cdari es schon der
:--::: kj:irende Untcrsuchung
.-. ,Hiisle
.- B.jcutung
1987b).
dieser Thcmatik
-.----';r:: Schon
zu Hegels Zeit
:--.
-.-.-.r.cc' des 20. Jahrhundcrts
::: \-olkmann-Schluck (1962),
- rt,icmisch Croce (1909), 156
.r':rnn
(1976). 176
ii,199 lf:
essenriell andersartrge Seins-
charakter von Natur ist angesprochen in der Formulierung, dass die Idee
,,noch logisch" und als solche ,,in den reinen Gedanken eingeschlossen",
ihre ,,Realisation" also ,,innerhalb dcrselben Sphäre gchalten" und ,,insofern in die Subjektivität eingeschlossen" sei. Aus dicsem Grund sei sie
zugleich ,,Trieb, diese [die Subjektivität] aufzuheben" (6.572) und damit
,,Anfang einer anderen Sphare wnd Wissenscbaft" (6.573), nämlich der ,,absolut für sich selbst ohne Subjektivität seiende Aufierlicbkeit des Raums
und der Zen" (6.573).
Auch dies wirkt eher improvisiert. Wieso etwa ist die Idee als logische noch defizient, nämlich bloß subjektiv, wenn doch die Subjektit'it,tt
und Objebtiaität in der Begriffsentwicklung der Logik schon ,hinter ihr
liegen' und Hegel die Idee entsprechcnd als ,,das Subjekt-Objekt" bestimmt (6.466), als den ,,adciquaten Begrtff' (6.462), der als solcher ,,Eiirheit von Begriff und Realiat" im Sinn ,,oabrbaften Seizs" sein soll (6.466) ?
'§flarum sollte die logische Idee dann darüber noch hinausgehen? Die fehlende Begründung wird auch in der Naturphilosophie nicht nachgelieiert,
denn diese beginnt in der Einleitung mit der Unterscheidung von praktischem und theoretischem Verhalten, gefolgt von Erläuterungen bezüglich
des prätendierten ob;'ektiv-idealistischen Naturbegriffs, und der Haupttext setzt unmittelbar beim Außereinander des Rau ms und der Zeit an.
(4) Der genannte ,Trieb', die behauptete ,Subiektivität' der Logik zu
überwinden, soll nun aber nicht als ein Zwang zu verstehen sein im Sinn
eines erzwungenen ,,Geuordenseins und Ubergangs" sondern als ,,absolute
Befreiwng", als ein freier,,Entschluss der reinen Idee, sich als äußerliche
63
Idee zu bestimmen" in dem Sinn, dass sie ,,sich selbst /rei entlässt, threr
absolut sicher und in sich ruhcnd" (6.573), ähnlich in der enzyklopädischen Logib von l83O (§ 244)). Und,,um dieser Freiheit willen" sei auch
,,das Andere als ein Freies, Selbständiges" (17.243), nämlich die ,,ÄuJlerlichheit des Raums und der Zeit" (6.573).
Nun, für die ,Selbständigkeit' der Natur bedürfte es
- angesichts ihrer Abhängigkeit von der Idee - jedenfalls weiterer Interpretation. Zugleich aber wird Hegels Argument von Hegel selbst auch wieder relativiert in dem Sinn, dass die Natur ,,n'tr dern endlicben Geiste gegenüber
diese Weise der Selbständigkeit" habe (17.246).
Diese vier Argumente Hegels erweisen sich somit als wenig überzeugend oder zumindest weiterer argumentativer Unterfütterung bedürftig.
2.
Das Endliche als Moment des Unendlichen selbst
(5) Eine andere, fünfte Perspektive ist in den Vorlesungen über clie Philosophie der Religion eröffnet. Hegel greift hier auf die Dialektik des Unendlichen und Endlichen zurück: Vird das Unendliche als dem Endlichen
geuenüberstehend gedacht, ist es selbst als begrenzt und damit gleichfalls
als endlich bestimmt. Das wahre Unendliche stehe deshalb dem Endlichen
nicht ge genüber, sondern schließe dieses mit ein und sei so ,,die untrennbare Einheit beider" (16.190). Das Endliche sei somit ein ,,wesentliches
Moment des Unendlichen" (16. 191). Für das Gottesverständnis heißt das
dann: Gott muss sich verendlichen in der Form einer endlichen lVelt.
,,Ohnc W'clt ist Gott nicht Gott" (16.192). Damit hat man gervissermaßen
auch ein Argument für das Verhältnis von Idee und Natur, wenn ,Gott'
für ,absolute Idee' steht und ,\ü/elt' für ,Natur'. Die Natur ist danach ein
wesentliches Moment der Idee selbst. Wie ist das zu verstehen?
Hegels Formulierung am Ende der enzyklopädischen logi&, dass die
absolutc Idee ,,sich entscblieJlt, [...] die unmittelbare ldee als ihren Viderschein, sich als Natur frei aus sicb zu entlassen" (8.393), gewinnt in der
Perspektive der Dialektik des Unendlichen und Endlichen einen nachvollziehbaren Sinn: Indem die Idee sich - im Sinn der Unhintergehbarkeit der
Logik' - als absolut erfasst, muss sie das Nicht-Absolute mit umfassen
derart, dass sie sich selbst, ihrer eigenen dialektischen Natur entsprechend, gleichsam ent-zweit und sich als äußerliche Natur setzt. Indem sie
sich zum System scblieflt, ent-scblieft sie sich zusleich in die Vereinzelung
der Natur - ,ent-schließen' hier nicht im Sinn von ,einen Entschluss fassen', sondern eines (dialektisch verstandenen) ausdifferenzierenden,Aufschließens'. Die Frage, die bei Fichte und bei Schelling wesentlich offenbleibt, '@^arum ein Absolutes überhaupt aus sich herausgehen und sich in
die Endlichkeit der Natur entäußern sollte, findet im Rahmen des Hegelschen Systementwurfs also eine Antrr'orr, die, *-ie es sein muss, aus dem
Begriff des Absoluten selbst geschöpft ist. also der Dialektik des Unend-
lichen und Endlichen.-
D;.
---
cher Gexak, d'h. die It-i ':'hier nicht thematiscl:. ; = :
1983, 17 6 ff; Wandsci: :-.. : ='
In einer abges .::.: =.: '
bezüglich der tli:-r:.: '-:::
Anderes kurz so t'-rr l-- ---:I
'b't.:l:-:-:'
selbst als absolut
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heißt auch: als rol.zl,l'.i,:-a:_.- .'
gen die von Heqel Pointiert'
keit oon Nicht-Ideelle»i. De
so den Bezug auf ein
Nicht-
Nicht-Ideelle unumgäntlich
derschein" der Idee (8.393)
begleitet: das Nicht-Ideelle :
Bernd Braßel hat dcm
er sagt, gegeben (Braliel I
Hegels und seines Diktum'
sich entlasse, argumentlerl
der Idee zu begreifeni nur s
Systems sein (- aber ist *ie
dialektischen Deutuns?). E
rück, dass die erste und drit
Idee in ihrer Absolutheit. t
rlkterisieren und tllnrit. s-ic
lichen Geistes rePräsentter!'
erforderte wohl eine g;rnz
entwurfs. Doch auch un.l -:
ein Begleitphänomen der
3.
Ii
Die Natur als das Nicl
Aber was ist das Nicht-l,ic
sammenhang bestimnrt.
i.:
Getrenntheit char.rkteri.ir:
Auseinandersein" (9.55)
de
r
7
Pics g.rnz im Sinn J.' ''
Anspruchs: ,,Das Absolute. --.1'
tisch ist das Sein dcs Nicht--\:"
lctz-tere Sein zu begründen"
*
H.
,,Entscheidend ist sol:-'
auszumachen, eine innere \.natürlichc \Welt ist" (Hösle 19S' Hegel sPricht vom .{;r .1"
(2.8.9. § 253 t.Zus.). sclejc::.
Ü
64
Hierzu ausführlich Wrndschncidcr 19Si. -l-i6 ffr Hl;slc \987b,245'it.
Ich verwende hier einiachl:cit'
,sich selbst frei entlcisst, threr
ähnlich in der enzyklopädieser Freiheit willen" sei auch
17.243), nämlich die .,Äufierr bedürfte es
- angesichts ih*'eirerer Interpretation. Zu-
---, selbst auch wieder relati.»dlichen Geiste gegenüber
.:
---.r .()mir als wenig überzeuL' -
:. :;ü rterung bedtirftig.
hen selbst
'.' r-'.s:/ilge?t iiber tlie
Pbilo: .-.u: iie Dialektik des Un-
'.
nsniiiche als dem Endlichen
:rc:zr und damit
eleichfalls
,rehe deshalb dem Endlichen
ein und sei so ,,dic untrenn-
:;i
somir ein ,,wesentlichcs
Gurir.Sr'.rsr.indnis heißt das
rrrrnr L.iner endlichen
Velt.
=ir hrr man gervissermaßen
c. unrl \atur, wenn ,Gott'
r'. Dic \erur ist danach ein
l:.
zu vcrstehen?
.ltrp.:tlirchen Zogib, dass die
.lirtre Itlee als ihren Wider-
':-
i
S.i93), gewinnt in der
ErJlichen einen nachvoll-
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Unhintergehbarkeit der
::-:--\bsolute mit umfassen
:-cxtischen Natur entspre;:r( \iltur setzt. Indem sie
-::leich in die Vereinzelung
i on ,einen Entschluss fas.:usdifferenzierenden,Aufichellin g s/esenrlich offen h herausgehen und sich in
let im Rahmen des Hegel*,ie es sein muss, aus dem
der Dialektik des UnendJösle 1982b,245 ff.
lichen und Endlichen. D:e Llee, das ist recht verstanden die Idee in dreifucher Gexak, d.h. dic ltr:ische Idee selbst, ihr Anderes - Natur - sov/ie,
hier nicht thematisch. iie Svnthese beider - Geist (Wandschneider/Hösle
1983, 176 ffr Vancl.chn.i.ler 1985,34410.
In einer abgen'ln.i.'iten, vereinfachten Fassung kann das Argument
bezüglich der dialektischen Selbst-Transzendierung der Idee in ihr
Anderes kurz so iornruliert werden: Indem die Idee,
da.s ldeelle, sich
selbst als absolut bc-stimmt, erfasst es sich als in sich vollendet, und das
heißt auch: als unabb,Ingig von dem, das nicht nicbt die Idee ist - sozusagen die von Hesel pointierte Freibeit der Idee im Sinn threr Unabbängigbeit aon Nicht-lcleelletn. Der Absolutheitscharakter des Ideellen schlielSt
so den Bezug auf ein Nicht-Ideelles dialektisch mit ein.' In der Idee ist das
Nicht-Ideelle unumgänglich mitgesetzt, gleichsam, so Hegel, als der ,,Widerschein" der Idce (8.393) oder etwa auch als ihr Schatten, der sie immer
begleitet: das Nicht-Ideelle als euiges Begleitphrinomen der Idee.
Bernd Braßel hat dem übrigens einen ,,leicht veränderten Sinn", wie
er sagr, gegeben (Bral3el 2004, 102): In einer bedenkenswerten Kritik
Hegels und seines Diktums, dass die vollendete Idee die Natur frei aus
sich entlasse, argumentiert Braßel dafür, Natur und Geist selbst als Teil
der Idee zu begreifen; nur so könne die Idee wirklich die Vollendung des
Systems sein (- aber ist sie das nicht auch im Sinn der vorher skizzierten
dialektischen Deutung?). Er greift dazu auf Hegels eigene Aussage zurück, dass die erste und dritte Bestimmung eines dialektischen Zyklus die
Idee in ihrer Absolutheit, die zweite hingegen in ihrer Endlichkeit charakterisieren und damit, wie er es deutet, Formen der Natur und des endlichen Geistes repräsentieren (BralSel 2004,97 f). Dieser Deutungsansarz
erforderte wohl eine ganz neue Interpretation des Hegelschen Gesamtentwurfs. Doch auch und gerade hier bleibt das Nicht-Ideelle - Natur ein Begleitphänomen der Idee.
3. Die Natur als das Nicht-Ideelle
Aber was isr das Nicht-Ideelle? Nun, ist Ideelles durch begrifflichen Zusammenhang bestimmt, ist Nicht-Ideelles durch Nicht-Zusammenhang,
Getrenntheit charakterisiert, wie es empirisch in dem räumlich-zeitlichen
Auseinanclersein' (9.55) der Natur begegnet. Die Natur, als das Nicht-Ide' Dics ganz im Sinn des von Vittorio Hösle forrnul.ierten objektiv-idealistischcn
Anspruchs: ,,Das Absolute, als Prinzip jeder Vahrhcit, ist absolut uewiss; problematisch ist d,rs Sein des Nicht-Absoluten. Dennoch ist die Forderung unabweisbar, diescs
letztere Sein zu begründen" (Hösle l98Zb,265).
' ,,Entscheidend ist wohl, irn Absoluten selbst so etwas wie innere Negativitrit
auszumrchen, eine innere Negativität, deren L,xplikation, deren Bild die konkrete
natürliche lVelt ist" (Hösle 1987b, 265).
' Hegel spricht vorn Ar$ereinander der Natur oder auch von ihrcm AuJlersicbsein
(2.8. 9. § 253 u.Zus.), gelegentlich auch nurvon einem Arseinantlersein (2.B. 9. § 260).
Ich vernende hier einiachheitshalber durchgängig den letzteren, umgangssprachlich
65
in der Absolutheit des Logisch-Ideellen dialektisch rnitgesetzt:
eben als das ewige Begleitphänomen des Logisch-Ideellen. Idee und Natur
elle, ist
sind objektiv-idealistisch nicht als schlechthin voneinander unabhängir:e
,Seinsbereiche' zu denken. Die Natur stellt sich vielmehr als dialektisches
Implikat des Logisch-Ideellen dar. Sie ist, wie Hegel sagt, ,,die Idee in der
Form des Andersseini' (9.24). Sie ist also ebenfalls die Idee, aber eben in
,nicht-ideeller' Form. Auch die Natur ist so ,,eine der Weisen der Idee ...,
sich zu manifestieren" (9.25 Zus.).
Im Rahmen dieser Argumentation hat mir Wolfgang Neuser''
den
durchaus naheliegenden Einwand einer illegitimen metdbasis eis illo gdnos
qemacht. Denn die dialektische Begriffsentwicklung finder innerlogisclt
statt, während die prätendierte dialektische Opposition von logischer Idee
auf der einen Seite und Natur auf der andern Seite die Zo9l,6, scheint es,
überschreitet und so die ontologisch oölligoerschiedenen Sphären des Logischen und der Natur dialektisch zusammenspannt. Der Einwand einer
illegitimen Metabasis drängt sich so geradezu auf. Ist er auch zutreffend?
Nun, hat die dialektisch-logische Entwicklung in der absoluten Idee
ihre Vollendung erreicht, dann können darüber hinaus keine neuen /ogiscl:ez Bestimmungen generiert werden." Eben darum ist der dialektische
Fortgang, der aus der Absoiutheit der Idee resultiert, notwendig deren
Selbstüberschreitung. Aber auf uas hin wird überschritten? Der entwickelten Argumentation zufolge hin auf Nicht-Ideelles. Doch diese Aussage ist unpräzise. ,Nicht-Ideelles', das ist hier nicht das nicht-ideelle Seiz,
sondern der Begriff nicht-ideellen Seins, denn was dialektisch miteinander
verbandelt ist, sind natürlich Begriffe. Gleichwohl ist der Begriff des
Nicht-Ideellen keine Bestimmung der Logib mehr, also keine innerlogische Bestimmung, denn sein Gegenstand ist - im Gegensatz z.t) den Bestimmungen der Logih - das Nicht-Ideelle, und insofern liegt in der Tat
eine Selbstüberschreitung der Idee vor.
Die Selbstüberschreitung der Idee führt also wieder auf einen Begriff
von
einer Metabasis kann deshalb nicbt die Rede sein. Es ist dies der
Begriff von etwas Nicht-Begrifflichem, Nicür-Ideellem, hervorg;egangen
aber, wie gesehen, aus der Dialektik der Absolutheit der absoluten ft/ee.
\(enn aber ,,allcs \X/irkliche nur insofern ri/, als es die Idee in sich hat und
sie ausdrückf (6.464), dann rs, auch das Nicht-Ideelle, insofern es
gleichfalls aus der Idee hervorgeht. Das Nicht-Ideelle hat so ebenfalls
Existenz, wie gesagt: als die äußerliche Idee, als Auseinandersein, als Natur, als das et»ige Begleiphänomen der ldee.
Kurzum: Die Entäu
Ideellen; deshalb ist keir
auch dem Nicht-Ideelle
sein Begriff in der Idee »t
4.
Ontologische Kons
Ich möchte nur noch ku
des Naturbegriffs skiz.zi
Seinsu'e ise des Nicht-Ide
Nicht-Ideelles h.rt,'
chen Charakter, der für (
kret? Hegel zufolgc cntl
Allgemeinheit, Besonder
der I3egri:
rentielle Strukturen der
,Baum' und weiter ,Pil
Körper' etc. Uber ,B.ru
sammenbang
,\X/eide' etc., über,Pfl;rnz
hier mit Allem begriitiic
gen von dialebtischen Zu,
Dem Nicht-Idceller
scheint deshalb als ein .-1;
sicb. Es unterliegt d;rmit
ches andere Eins ausschl
Natur in ihrer abstr;rkte.
,,fängt darum nicht mit d
an" (9.42); sie ist prim.ir
Ein weiteres ontolor
unmittelbar aus sein.'nl ]
ja an den Begriff de. I,
Nicht-Ideelle ist deshai
zeichnet: Seiner Errcl-,cu;
sein, das - als .,die ldc. i:
ebenfalls der Idee verdar
nem'\Yesen nach -] cin l
innere Wesen ,Jes Au.eir
tende ,Logik', die sich in
2004), als Naturgesetze.
'' Zur wciteren Kl.irur:
vcrtrautcn Ausdruck (wonrit keincsrvegs Sl,nonymität der genanntcn Begriifc behauptet sein soll).
'o
Vollqans Neuser, mündliche Mittcilung 1983.
übrigens Mrnfrcd Vetzel in sciner Dissertetion von 196S (§ 19).
" Ahnlich
66
rr
,,Die Nltur ist ,t;l -'1.
ihrern ßegrific nichtr :ic i':
ruch ,rl. der Abfall der IJ..
diese Gestalt der Aulicrlici
(e.27i).
leellen dialektisch mitgesetzt:
isch-Ideellen. Idee und Natur
rin voneinander unabhängige
ich vielmehr als dialektisches
e Hegel sagt, ,,die Idee in der
enfalls die Idee, aber eben in
..eine der'§ü'eisen der Idee ...,
n:ir Wolfgang Neuser'o den
l-;ien metibasis eis rillo gönos
r.-:cklung findet innerlogisch
)-:-:osition i.on logischer Idee
:. S.ite dfu Logih, scheint es,
:-i: jtrlenen Sphären des Logi-
:.r.-..nr. Der Einwand einer
-.'::. Ist er auch zutreffend?
in der absoluten Idee
':-;r
i--in:rus keine neuen /ogi: c:ruir isr der dialektische
:l--:r:
:-.uliir,rr. not*'endig deren
i li.tr.chritten? Der entwir:-lcc-elles. Doch diese Aus-
: :richt das nicht-ideelle Sein,
dialektisch miteinander
".'...s
chn'ohl ist der Begriff
des
rnehr. also keine innerlogi-
-
im Gegensa,tz zu den Bein der Tat
',:.J insoJ'ern liegt
der auf einen Begriff
R.e,le sein. Es ist dies der
'',--l,ieellem,
hervorgegangen
c,-urheit der absoluten ldee.
: :i die Idee in sich hat und
:.:e-r s-ie
\icht-Ideelle, insofern es
:rt-Ideelle hat so ebenfalls
:1s
-\useinandersein, als Na-
icr
genannten Begriife behaup-
serrationvon 1958 (§ 19).
Kurzum: Die Entäu13erung der I;cs ir.rlri ruf den Begriff des NichtIdeellen; deshalb ist keine N{erabasi. ,1.'ii:-.i: r.erbunden. Gleichzeitig muss
auch dem Nicht-Ideellen, Aulierlicilct Ertstenz, zukommen, eben weil
sein Begriff in der ldee mitgesetzt i>r.
4.
Ontologische Konsequenzen
Ich möchte nur noch kurz ontologische Konsequenzen dieser Begründung
des Naturbegriffs skizzieren. Die Frage ist also: Was lässt sich über die
Seinsroeise des Nicht-Ideellen, also der Natur, sagen?
Nicht-Ideelles hat, wie schon erwrihnt, .fedenfalls nicht den begrifflichen Charakter, der für das Ideelle kennzeichnend ist. \flas heißt das konkret? Hegel zufolge enthält der ,,Begriff als solcher" die ,,Momente" der
Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit (8.311). Dadurch isr eir, Zustlmmenhdng der Begriffe konstituiert - in elemenrarsrer Form inferentielle Strukturen der Über- und Unterordnung: ,Linde' impliziert
,Baum' und weiter,Pflanze',,Organismus',,Gegenstand',,materieller
Körper' etc. Uber ,Baum' hat sie Gemeinsames mit ,Eiche', ,Buche',
,Weide' etc., über,Pflanze'mit ,Rose', ,Gras', ,Tomate' usw. usw. Alles ist
hier mit Allem begrifflich verschachtelt und verbandelt - ganz zu schweigen von dialektischen Zusammenhängen.
Dem Nicht-Ideellen fehlt dieser begriffliche Zusammenhang. Es erscheint deshalb als ein Auseinandersein.lü/as es ist, ist es so immer reinftir
sicb. Es unterliegt damit der Logik des Fürsichseins, des Eins, das als solches andere Eins ausschließt und so logisch das Setzen vieler Eins ist. Die
Natur in ihrer abstraktesten Form, d.h. als reines Auseinander oder Raum,
,,fängt darum nicht mit dcm Qualitativen, sondern mit dem Quantitativen
an" (9.42); sic ist primär quantitativ bestimmt.''
Ein weiteres ontologisch bedeutsames Moment der Natur ergibt sich
unmittelbar aus seinem Begriff als das Ntcht-Ideelle: Als solches bleibt es
ja an den Begriff des Ideellen zurückgebunden. Das Natursein als das
Nicht-Ideelle ist deshalb durch eine konstitutive Ambioalenz gekennzeichnet: Seiner Erscbeinung nach ist es ein unbegriffliches Auseinandersein, das - als ,,die Idee in der Form des Andersseins" (9.24) - sich jedoch
ebenfalls der Idee verdankt, und das heißt, daß es ,,wesentlich [- also seinem.\ilesen nach -] ein Ideellcs ist" (9.25).'' Die Idee ist das verborgene,
.Wesen
innere
des Auseinanderseins, gleichsam eine die Natur durchwaltende ,Logik', die sich tn der Gesetzmrifligkeit der Natur zeigt (vgl. Neuser
2A04), als Naturgesetze, die als solche selbst nicht real in Erscheinung
ir Zur weiteren Klärung
dieser Auffassung Hegels s. Hösle 1987a, Bd. 2,299 fi.
lr
,,Die Natur ist,tn sitlt, in der Idee göttlich, aber rvie sie isr, entspricht ihr Sein
ihrem Begriffe nicht; sie ist rielmehr der unufgeli;ste'Widersprucb.... So ist die Nattrr
auch els der Abfall der Idee von sich selbst ausgesprochen worden, indem die Idee als
diese Gestalt der Aullerlichkcir in der L)nangemessenheit ihrer selbst mit sich ist"
(e.27f).
67
treten, aber das Natursein durchgängig bestimmen. Dieses lst, was es ist,
nur vermöge der Naturgesetze.
Eine unmittelbare Konsequenz daraus ist, dass die Natur erkennbar
ist - auch das ist eine ontologiscle Eigenschaft. Die Naturgesetze, die das
Natursein bestimmen, haben ja ideellen Charakter und sind darum begrifflich fassbar. Im Vergleich mit Kants transzendentalem E,rkenntnisbegriff ist das ontologisch ein Unterschied ums Ganze. Das Innere der Natur ist demnach nicht ein Sein-an-sicb, verborgen hinter einem für
menschliches Erkennen undurchdringlichen Vorhang, sondern es ist ihre
Gesetzmäßigkeit, also die der Natur zugrunde liegende Logik, ihr immanenter Logos, der als solcher begrifflich-theoretisch fassbar ist. Auch eine
konsistente Erkenntnistheorie ist offenbar nur auf der Grundlage einer
objektiv-idealistischen Naturontolo gie mö glich.
lJnd weiter: Dass die Natur das Nicht-Ideelle ist, bedeutet auch, dass
ihr, anders als der Idee, keine Absolutheit zukommt. AIs das Nicht-Ideelle ist sie auch das Nicht-Absolute, tr,d das heißt, sie ist cercinderbar. Der
je faktische Zustand der Natur ist nie ,die Natur', sondern immer nur ein
Moment derselben. Aus diesem Grund gehört zum Natursein essentiell
Veränderung, Proze s s ualikit.
Zlglerch ist im Naturprozess jedoch so etwas wie ein Driae wirksam,
eine intrinsische Tendenz, die aus der erwähnten Diskrepanz von realer
Erscheinung (materielles Auseinandersein) und ideellem Wesen (Natur-
gesetzlichkeit) resultiert. Ich habe dies eine Idealisierwngstendenz der
Natur genannt (§üandschneider 2001a), die dazu führt, dass das der Natur
zugrunde liegende Ideelle im Naturprozess z-unehmend deutlicher zutage
tritt: zunächst als Überwindung puren Auseinanderseins in der Formierung komplexer materieller Systeme, auf dieser Basis weiter in der Entwicklung von Organismen, sodann von Formen psychischen und zuletzt
geistigen Seins. Diese Idealisierungstendenz wird von Hegel eher bildhaft
umschrieben, etwa: ,,Das Ziel der Natur ist, sich selbst zu töten und ihre
Rinde des Unmittelbaren, Sinnlichen zu durchbrechen, sich als Phönix zu
verbrennen, um aus dieser Außerlichkeit verjüngt als Geist hervorzutreten" (9.538 Zus.). Die treibende Kraft hinter dieser Entwicklungstendenz
ist die Naturgesetzlichkeit, eben der ideelle Grund der Natur. Der sich
hier aufdrängende Gedanke einer Nattr-Eoolwtion wird von Hegel bekanntlich abgewiesen, aber, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe (Vandschneider 2001b), ist er dem Geist der Hegelschen Philosophie eigentlich
gemäßer als die Verneinung des Evolutionsprinzips.
Resultat des evolutionären Idealisierungsprozesses ist, dass das der
Natur zunächst verborgen zugrunde liegende Ideelle dann auch als solches
in Erscheinung tritt, nämlich in Gestalt psycbiscber und zuletzt geistiger
Seinsformen. Man denke etwa an die Befahigutg ztr Wahrnehmwng bei
Tiersubjekten: Neuronale Kausalprozesse haben hier, über ihren rein
energetis chen Charakter hinaus, r ePrä s e nti
68
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5. Die implizit objekt
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sind Träger von Informationen, also Zeichench.rrlkrcre. die auf Bedeutungsgehalte verweisen, etwa Umweltsituationen oder,ruch Befindlichkeiten des organismischen Subjekts.
Mit dem Auftreten des Geistes schlielllich ist das \atursein zugleich
überschritten Qua Naturerkenntnis kann der Geist ets'a die Natur technisch verändern - oder sich auch gegen sie s'enden, sie zerstören. Indem
der Geist das Ideelle selbst zu erfassen vermag, transzendiert er das
naturale Anderssein der Idee und kehrt, gut Hegelsch, zu dieser zurück eine großartige Hegelsche Pointe, die ich hier auf sich beruhen lassen
muss.
5. Die implizit objektiv-idealistische
Naturontologie der Naturwis-
senschaft
Ich stelle abschlielSend die entscheidenden Punkte hinsichtlich der naturontologischen Bedeutung von Hegels Begründung der Natur und dem
damit verknüpften Naturbegriff noch einmal kurz zusammen:
Singulär in der Geschichte der Philosophie ist, dass eine philosophisch schlüssige Begründung ftir die Existenz der Natur gegeben wird.
Natürlich wissen wir, dass es sie gibt, aber philosophisch ist das zu wenig.
Das Be greifenwollen fordert einen ,,Beweis ... , dass notwendig eine Natur
sei" (9.10 Zus.); ,,die Natur muss bewiesen werden" (Hegel2000, 61).
Auch für die fundamentalen Bestimmungen naturalen Seins liefert
Hegel eine triftige Begründung - was gleichfalls ohne Parallele in der Geschichte der Philosophie ist: Die Natur wird näher als die Idee in ihrem
Anderssein gefasst, und das hei{3t, als Äu.ferlichbeir, als primär quantitatia
bcstimmtes Auseinandersein - das als solches freilich auf die Idee zurückbezogen bleibt und damit durch Naturgesetze, dh. eine der Natur zugrunde liegende Zogi,6 bestimmt ist. Unmittelbare Konsequenz daraus ist
die Erhennbarheit der Natur. Als Nicht-Ideelles ist die Natur ferner nichtabsolut, somit veränderlich, durch Prozesshaftigkeit geprägt - wobei die
Prozesse durch Naturgesetze bestimmt sind, die wiederum eine Itlealisierungstendenz der Naturentwicklung zur Folge haben, die im Auftreten
p sy ch i scher und ge i st iger Seinsformen terminiert.
Damit sind die fundamentalen Prinz,ipien des Naturseins und seiner
schließlichen Überschreitung benannt und pbilosopbiscb begrtinder. Das ist
- ich wiederhole es - ohne Parallele in der Geschichte der Philosophie und
der Naturphilosophie insbesondere. Nun setzt aber jeder Naturoissezschaftler die Existenz. und Gesetzmä{ligkeit der Natur voraus, natürlich
auch ihre Erkennbarkeit und das Evolutionsgeschehen bis hin zur Entwicklung mentaler Seinsformen. Diese von der Naturwissenschaft immer
schon vorausgesetzte Naturontologie ist also eben die, die im Rahmen
eines objektiv-idealistischen Systementwurfs des Hegelschen Typs begründbar ist - und offenbar ilur so. Hinsichtlich der ontologischen Bedeutung des Hegelschen Naturbegriffs liel3e sich somit ftr die moderne
Naturwissenschaft, in Abn-andlung des bekannten Hegeldiktums bezüg-
69
lich der Physik,
in ihrem
wissenschaftlichen Naturbegriff
recht verstanden viel mehr ,Hegei' ist, als sie zugibt und weiß, oder, wenn
etwa ,Hegel' für etwas Schlimmes gelten sollte, dass sie schlimmer ist, als
sagen, dass
sie meint (entsprechend 9. 1 1)
6.
.
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