Gliederung der Vorlesung 1. Chemische Zusammensetzung der Atmosphäre 1. Vorl. 21.10 1.1 Einleitung 1.2 Stoffliche Zusammensetzung 2. Vorl. 28.10 1.3 Besonderheit der Erdatmosphäre 3. Vorl. 4.11 1.4 Stoffkreisläufe 2. Auswirkungen auf physikalische Prozesse der Erdatmosphäre 2.1 Fluchgeschwindigkeit 2.2 Vertikalprofil der Temperatur 4. Vorl. 11.11 2.3 Treibhauseffekt 2.4 Einfluss der Dynamik 3. Chemische Grundlagen 5. Vorl. 18.11 3.1 Allgemeine Grundlagen 3.2 Photochemie 3.2.1 Photodissoziation 6. Vorl. 25.11 3.2.2 Photoionisation 3.3 Reaktionskinetik 4. Chemie der Stratosphäre 6. Chemie der Troposphäre 4.1 Bedeutung des OH-Radikals 4.2 Photosmog und Ozon 4.3 Saurer Regen 7. Umweltchemische Modelle 1 Folgeprozesse nach Aktivierung Absorption eines Photons führt zur elektronischen Anregung (Elektronen auf höheres Energieniveau *) AB + hν → AB* Quantenausbeute gibt für einen der 7 Prozesse an, wie häufig dieser im Verhältnis zur Anzahl der absorbierten Photonen auftritt 2 3.2.1 Photodissoziation Bedingung: Energie des absorbierten Photons muss größer als die Bindungsenergie der chemischen Verbindung sein Schematisches Diagramm der potentiellen Energie für 2-atomiges Molekül stabile Vibrationsniveaus XY** r groß: separate Atome, keine anziehenden bzw. abstoßenden Kräfte r*: maximale Stabilität des Grundzustandes r klein: Moleküle, Atome haben Abstossungskräfte angeregte Niveaus können stabile (XY*) Zustände haben oder immer instabil sein (XY**) Potentielle Energie [eV] r → r*: Anziehungskräfte (Potentielle Energie nimmt ab) X*+Y* X*+ Y XY* X+Y XY Kernabstand r [nm] Grundzustand r* 3 Photodissoziation Mögliche Übergänge bei Absorption eines Photons Übergang 1 Absorption muss zu einem bestimmten Vibrationszustand führen → diskrete Wellenlänge Bewegungen entlang von Potentiallinien sind adiabatisch XY** X*+Y* Potentielle Energie [eV] Übergang 1 instabiler Zustand wir erzeugt. Kontinuierliches Wellenlängenspektrum X*+ Y XY* X+Y XY Kernabstand r [nm] r* 4 Spektroskopische Notation } M Spinmultiplizität S Elektronenspindrehimpuls L = S,P,D,F.. Nebenquantenzahl = 0,1,2,3.. M Atome: 2 s +1 Moleküle: X L 2s +1 +/− Λ X Grundzustand Λ = Σ, Π, ∆, Φ.. = 0,1,2,3.. A a B b mit gleimit unterchem Spin schiedl. Spin angeregte Zustände 5 Beispiel: Sauerstoff O2 → O O(3P) + O(3P) = 5.11 eV ~ 242 nm O(3P) + O(1D) = 5.11 eV + 1.97 eV ~ 175 nm O(3P) + O(1S) = 5.11 eV + 4.18 eV ~ 133 nm Schumann-Runge Band (175-200 nm) Prädissoziation Schumann-Runge Kontinuum (137-175 nm) optische Dissoziation 6 Sauerstoff-Spektrum 7 Unterscheidung zwischen Photodissoziationen optische Dissoziation direkt vom angeregten Zustand kontinuierliches Absorptionsspektrum, da Fragmente Translationsenergie mitführen können genügt hν nicht ganz zur Spaltung wird die Energie in Vibrationsbewegung überführt Prädissoziation durch Kreuzen der Potentialkurven, z.B. bei Kollisionen Bildung vom Grundzustand über erlaubte Übergänge 8 Vibrationsschwingungen Dissipation + translation asymmetrische Streckung symmetrische Streckung Vibration vertikale Biegung horizontale Biegung 9 Sauerstoff-Dissoziation Ji = λmax ∫λ σ (λ ) φ (λ ) I (λ ) dλ i min i Herzberg ist unterhalb von ca. 65 km der dominierende Dissoziationsmechanismus ist, obwohl es ein eigentlich verbotener Übergang ist 10 Ozonabsorption Hartley: 1881 Beobachtungen mit Ozonspektrometer zeigen Präsenz von Ozon in oberer Atmosphäre Chappius: 1880 entdeckt Ozonabsorption im Sichtbaren Huggins: 1917 benennen Fowler und Strutt Ozonabsorption (Sirius) nach dem 11 Astronom William Huggins Ozonabsorption Hartley-Bande 12 Ozonabsorption 13 Wichtige Photolyseprozesse 14 3.2.2 Photoionisation Spezieller Fall der Photodissoziation Produktion von positiv geladenem Ion und freiem, negativ geladenem Ion, z.B. O + hν → O + + e − + O2 + hν → O2 + e − Ionisierungspotential i.a. höher als Dissoziationspotential → immer UV-Strahlung notwendig → nur in der hohen Atmosphäre wichtig Ionisierungspotentiale angeregter Atome/Moleküle sind niedriger → Strahlung mit längeren Wellenlängen kann genutzt werden es gibt auch "optische Ionisierung" und "Präionisierung" 15 3.3 Reaktionskinetik Auftrittswahrscheinlichkeit und zeitlicher Ablauf von Reaktionen große Fortschritt in Laboruntersuchungen in letzten Jahre Einfluß externer Größen wie Druck und Temperatur "elementarer Reaktionschritt" vs. Nettoreaktion Cl + O3 → ClO + O2 R = k [ClO ] [O3 ] Molekularität=2 Ordnung=2 elementar Cl + O3 → ClO + O2 ClO + O → Cl + O2 O 3 +O → 2O2 Molekularität=2 R ≠ k [O3 ] [O] Ordnung≠2 Netto: 16 Wir hatten... A → Produkte d [ A] = −k1[ A] dt 1. Ordnung A+B → C + D d [ A] = − k 2 [ A][ B] dt 2. Ordnung A+B+M → AB+M Ratenkonstante k1 [s-1] k2 [cm3 s-1] k3 [cm6 s-1] d [ A] 3. Ordnung == k3 [ A][ B][ M ] dt R=[A]x [B]y [C]z x+y+z Ordnung der Reaktion 17 Reaktion 2. Ordnung A+B→C+D d [ A] d [ B] R=− =− = k[ A][ B] dt dt Annahme: [B] liegt in einer sehr großen Konzentration vor oder wird kontinuierlich nachgeführt (steady-state) d [ A] − = k[ A][ B] = k '[ A] dt Integration über die Zeit [ A] = [ Ao ] exp(− k[ B ]t ) [B] = [Bo] k Reaktionsratenkonstante [cm3 s-1 ] τ chemische Lebensdauer 1 τA = k[ B] 18 3.3.1 Bimolekulare Reaktion Isolierte Kollision zwischen zwei Molekülen führt zu einem Rearrengement der Bindung und der Formation neuer Produkte, z.B. OH + CO → H + CO2 Kurve gilt nur für eine Annäherungsrichtung. Der Reaktionsweg ist nur eine Möglichkeit, da BC bzw. AB unterschiedliche Orientierungen bei Annäherung einnehmen können: A + BC → ABC * → AB + C ABC* d.h. 3-dim Gebilde im Raum A+BC B rAB A rBC rAC AB+C C 19 Potentielle Energie im Raum rAB A+BC B rAB A rBC rAC C Alle Annäherungen gehen über das metastabile Zwischenprodkt ABC*, da ansonsten Potentialwände zu hoch Berechnung der Potentialflächen komplex und z.T. sehr ungenau ABC* AB+C rBC Vereinfachung: Winkel unter dem das dreiatomige Metamolekül gebildet wird ist fest 20 Potentielle Energie im Raum 21 Kollisionstheorie Moleküle verhalten sich wie feste Kugeln. Für Reaktion notwendig: A BC Kollision muß auftreten Stoßenergie muss Aktivierungspotential überschreiten Bedingungen günstig (passende Orientierung der Moleküle) Molekül bewegt sich mit der mittleren Geschwindigkeit v durch ein Gas der Dichte ρ Es trifft nur dann auf ein Molekül, wenn sich dieses innerhalb des Stoßzylinders mit der Grundfläche σ vt (Kollisionsquerschnitt) befindet σc= π (rA+rBC)2 rAB=rBC σc= 4π r2 σ [10-15cm²] H2 2.7 N2 4.3 O2 224.0 CO2 5.2 Kollisionstheorie Volumen des in der Zeit t mit der mittleren Geschwindigkeit v durchflogenen Stoßzylinders V = l ⋅σ = t ⋅ v ⋅σ Anzahl der Gasmoleküle im Zylinder N = ρ V = ρ ⋅ t ⋅ v ⋅σ Mit Berücksichtigung der Bewegung der Gasmoleküle im Stoßzylinder (Faktor √2) ergibt sich die Stoßfrequenz für ein einzelnes Molekül (d.h. die Zahl der Kollisionen pro Zeiteinheit): N z = = 2 ⋅ ρ ⋅ v ⋅σ t Zur Bestimmung der Gesamtzahl der Stöße pro Volumen und Zeiteinheit muss man dies noch mit der Dichte multiplizieren: vt 1 Z= ⋅ ρ 2 ⋅ v ⋅σ 2 23 Kollisionstheorie Wir hatten bereits (2.1) die wahrscheinlichste Geschwindigkeit eines Moleküls mit Hilfe der Maxwell-Geschwindigkeitsverteilung T = 293K m = 4.81·10-26 kg 8kT v= πm mittlere thermische Geschwindigkeit v ≈ 500 m/s mittlere Zeit zwischen zwei Stößen von etwa 10-10 s Mittlere freie Weglänge zwischen zwei Stößen λ λm = v 1 1 k BT = = z 2 ⋅σ ⋅ ρ 2π d 2 p Größe von Molekülen: freie Weglänge von N2: vt 0.1-0.3 nm 70 nm 24 Kollisionstheorie 1/ 2 8kT v = πµ mittlere relative Geschwindigkeit von Molekülen mit µ= m A mBC m A + mBC d [ A] d [ BC ] Ea − = = [ A][ BC ] σ c v exp − dt dt RT Stoßwahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit RT>Ea E k = A(T ) exp a RT A=σcv Kollisionsfrequenzfaktor, allgemein ist Kollisionstheorie die obere Schranke für A 25 Komplexe Reaktion Eine komplexe Reaktion besteht aus ein oder mehreren Elementarschritten Bei der Kollision geformte Struktur lebt länger als eine Rotationsperiode A + B → AB R= * Kollisionsrate x Wahrscheinlichkeit der Bildung x Wahrscheinlichkeit, dass Komplex zu Produkten übergeht 26 Einmolekulare Reaktion ka A + M → A* + M Kollisionsaktivierung kd A* + M → A + M kr A →B+C * Kollisionsdeaktivierung Lindemann 1922 nicht thermische Reaktion 1.Ordnung sondern 3 elementare Schritte Dissoziation Bilanzgleichungen − d [ A] = k r [ A* ] dt Dekomposition von A ! d [ A* ] * = k a [ A][ M ] − k d [ A ][ M ] − k r [ A] = 0 steady-state Hypothese dt k a [ A][ M ] [A ] = k d [ A* ][ M ] * k a [ A][ M ] d [ A] = kr dt kd [M ] + kr 27 Fallunterscheidung k [ A][ M ] d [ A] = kr a dt kd [M ] + kr 1. "high pressure limit": kd [M] >> kr d [ A] k r k a = [ A] dt kd Reaktion 1. Ordnung 2. "low pressure limit": kd [M] << kr d [ A] = k a [ A][ M ] dt Ein Beispiel ist die thermische Dekomposition Reaktion 2. Ordnung in der Stratosphäre, die sich im Zwischenbereich befindet N 2O5 = NO2 + NO3 28 Dreimolekulare Reaktion kc A + B → AB ks + AB + M → AB + M + kd AB → A + B A + B + M → AB + M Kombination + * Stabilisation M * → M + Wärme Dissoziation Bilanzgleichungen d [ AB] = − k s [ AB + ][ M ] dt d [ AB + ] = kc [ A][ B] − k s [ AB + ][ M ] − k d [ AB + ] dt pseudo-steady-state approximation PSSA: Konzentration von AB+ ist konstant (Abbau=Aufbau) 29 Fallunterscheidungn steady-state d [ AB + ] = kc [ A][ B] − k s [ AB + ][ M ] − k d [ AB + ] = 0 dt kc [ A][ B] k s kc [ A][ B][ M ] d [ AB] + [ AB ] = =− + k s [ AB ] − k d dt ks [M ] − kd Bei höheren Temperaturen ist AB+ ist nicht langlebig genug, daß Stabilisierung stattfindet 1. kd << ks [M] "high pressure limit": d [ AB] = kc [ A][ B] dt Reaktion 2. Ordnung 2. ks [M] << kd "low pressure limit" lineare Druckabhängigkeit d [ AB] k c k s ≈ [ A][ B][ M ] dt kd k c ks k∞ = kc und ko = kd Reaktion 3. Ordnung 30 Dreimolekulare Reaktionen Bei dreimolekularen Reaktionen trägt Stoßpartner M die überschüssige Energie in seiner Bewegung fort Erwärmung der Luft Stoßpartner sind die inerten Moleküle, die am häufigsten in der Luft vertreten sind (O2,N2) Somit liegt M entsprechend der Dichte der Luft vor Bei trimolekularer Reaktion entsteht zuerst der Zwischenzustand AB* , der so reaktiv ist, dass er entweder schnell wieder abgebaut wird oder entsprechend weiter reagiert (d[AB]/dt=0) Im Fall niedrigen Drucks ist die Reaktionsgleichung dritter Ordnung; im Fall hohen Druckes ergibt sich eine Reaktion 2. Ordnung Für die Ratenkonstanten existieren Grenzfälle für den Fall hohen (k∞) und niedrigen (ko) Druck; dazwischen gilt d [ AB] k o [ A][ B][ M ] = ko dt 1+ [M ] k∞ 31 Dreimolekulare Reaktionen: Beispiele Im Fall niedrigen Drucks ist die Reaktionsgleichung dritter Ordnung; im Fall hohen Druckes ergibt sich eine Reaktion 2. Ordnung Die Konzentration von [M] bei der die Reaktionsrate von 3. zur 2. Ordnung übergeht wird geringer mit zunehmender Komplexität des Produktmoleküls AB H + H + M → H2 + M ist 3.Ordnung bis zu 104 atm Zugabe von OH zu 1-Buten (C4H8) ist 2. Ordnung über dern ganzen troposphärischen Bereich Zwei wichtige Reaktionen, die in der Atmosphäre gerade im Zwischenbereich liegen, sind: OH + NO2 + M → HNO3 + M O + O2 + M → O3 + M 32 Berechnung von Ratenkonstanten im Zwischenbereich ko (T ) = ko300 K (T / 300 ) −n k∞ (T ) = k∞300 K (T / 300 ) −m [cm 6 Moleküle −2 s −1 ] [cm3 Moleküle − 2 s −1 ] (1+[log10 ( ko (T )[ M ] / k∞ (T ) ]2 )−1 ko (T )[ M ] 0.6 k ( M , T ) = 1 + ko (T )[ M ] / k∞ (T ) 33