Gliederung der Vorlesung 1. Chemische Zusammensetzung der Atmosphäre 1.1 Einleitung 1.2 Stoffliche Zusammensetzung 1.3 Besonderheit der Erdatmosphäre 1.4 Stoffkreisläufe 2. Auswirkungen auf physikalische Prozesse der Erdatmosphäre 2.1 Fluchtgeschwindigkeit 2.2 Vertikalprofil der Temperatur 2.3 Treibhauseffekt 2.4 Einfluss der Dynamik auf Verteilung von Spurenstoffen 3. Chemische Grundlagen 3.1 Allgemeine Grundlagen 3.2 Strahlungs- und Bindungsenergien 3.3 Photochemische Primärprozesse 3.4 Adiabatische Prozesse und Erhaltungsregeln 3.5 Reaktionskinetik 4. Chemie der Troposphäre 4.1 Bedeutung des OH-Radikals 4.2 Photosmog und Ozon 4.3 Saurer Regen 5. Chemie der Stratosphäre 6. Umweltchemische Modelle Lerninhalte 6. Vorlesung Wonach lassen sich die Reaktionsprozesse in der Atmosphäre einteilen? Was beschreibt die Bildungsenthalpie ΔHf einer chemischen Verbindung? Und was die die Reaktionsenthalpie ΔHR? Was ist die Einheit? Was bedeutet der Begriff Abstraktion? Welche Rolle spielen die Energiezustände von Atomen und Molekülen, z.B. O(3P) und O(1D)? Woraus ergibt sich die Spontanität einer Reaktion? ΔG = ΔH − TΔdS Welche Molekularität kann eine Reaktion besitzen? Was unterscheidet die Reaktionsgeschwindigkeit R (Reaktionsrate) von der Reaktionsratenkonstante k (Ratenkoeffizient)? A+ B → C + D Wie lässt sich die chemischer Lebensdauer der zerfallenden Substanz AB → A +B abschätzen? R = k [ A] [ B] Wann kommt es zu bimolekularen Reaktionen? Wie lässt sich die Konzentration eines bestimmten Moleküls in der Atmosphäre berechnen? 3.2 Photochemische Reaktionen - Strahlung und BindungsenergienWirkung solarer Strahlung auf atmosphärische Bestandteile Anregung "excitation" Elektronen auf höheres Energieniveau, Erhöhung der Vibrationsenergie E = N A hν = = 119625 λ Aufspaltung (Photolyse) Ionen (geladene Teilchen) Atome (ungeladen gerade Elektronenzahl) N A hc Radikale, molekulare Bruchstücke mit ein oder mehreren ungesättigten Elektronenpaaren λ [kJ / mol ] mit λ in [nm] O2 + hν → O + O Q= 2ΔHO – ΔHO2 –hc/λ 2 x 249 0 = 498 kJ/mol - 119625/λ λ<240 nm hν Energie eines Photons [J] NAhν Energie zur Spaltung eines Mols [J mol-1] NA= 6.022 ⋅ 1023 mol-1 Avogadro-Konstante Planck Wirkungsquantum h= 6.6 ⋅ 1034 J s-1 c= 3 ⋅ 108 m s-1 Lichtgeschwindigkeit Phototodissoziation Name E = N A hν = = 119625 λ N A hc λ [kJ / mol ] O3 + hν → O2 + O Q= ΔHO + ΔHO2 – ΔHO3 -hc/λ 249 0 -142 = 107 kJ/mol - 119625/λ 119625 λ < = 1120 nm 107 Wellenlänge [nm] E [kJ/mol] 170 190 210 230 250 280 VIS Rot Orange Gelb Grün Blau Violett 700 620 580 530 470 420 Nahes Ultraviolett 400-200 300-600 Fernes Ultraviolet 200-50 600-2400 CO2: H2O: O2: O3: λ < 165 nm λ < 180 nm λ < 240 nm λ < 1120 nm Phototodissoziation in der Atmosphäre CO2: H2O: O2: O3: λ < 165 nm λ < 180 nm λ < 240 nm λ < 1120 nm kürzeste Wellenlänge für Photochemie der Troposphäre ist 290 nm Photodissoziationsraten Ji = λmax ∫λ σ (λ ) φ (λ ) I (λ ) dλ i i min Genau genommen muss über alle Raumwinkel integriert werden und es müssen alle Streumechanismen berücksichtigt werden J Photodissoziationskoeffizient [s-1] σ Absorptionsquerschnitt [cm2 Molekül-1] φ Quantenausbeute, Wahrscheinlichkeit dieses Kanals I(λ) Aktinischer Fluss [Photonen cm-2 s-1] λmax Dissoziationsschwelle Aktinischer Fluss kann mit Strahlungstransportmodell berechnet oder mit Photometern gemessen werden Aktinischer Fluss Beispiel:Ozonabsorption Ji = λmax ∫λ σ (λ ) φ (λ ) I (λ ) dλ i min i Solarer extraterrestrischer aktinischer Fluss Unsicherheit Unsicherheiten der verschiedenen Reaktionsraten und Photodissoziationsraten sind von großer Bedeutung für die Modellierung der Atmosphärenchemie Umfangreiche Sammlung ("Bibel") “Chemical Kinetics and Photochemical Data for Use in Atmospheric Studies” http://jpldataeval.jpl.nasa.gov/ Photochemische Primärprozesse Absorption eines Photons führt zur elektronischen Anregung (Elektronen auf höheres Energieniveau *) AB + hν → AB* 1. Schritt bei photochemischen Reaktionen Es wird "quasi" Energie gespeichert, die je nach Anregungsgröße für unterschiedliche Folgeprozesse eingesetzt wird. Bildung einer Verbindung ist nur ein Prozess (von 7)! Quantenaus beute Rate mit der ein Pr ozess abläuft = Anzahl der absorbierten Photonen 7 ∑ 1 Quantenaus beute = 1 Folgeprozesse nach Aktivierung Energie wird zum Aufbrechen der chemischen Verbindung und zur Schaffung einer neuen gebraucht Quantenausbeute gibt für einen der 7 Prozesse an, wie häufig dieser im Verhältnis zur Anzahl der absorbierten Photonen auftritt 3.2.1 Photodissoziation Bedingung: Energie des absorbierten Photons muss größer als die Bindungsenergie der chemischen Verbindung sein Schematisches Diagramm der potentiellen Energie für 2-atomiges Molekül stabile Vibrationsniveaus XY** r groß: separate Atome, keine anziehenden bzw. abstoßenden Kräfte r*: maximale Stabilität des Grundzustandes r klein: Moleküle, Atome haben Abstossungskräfte angeregte Niveaus können stabile (XY*) Zustände haben oder immer instabil sein (XY**) Potentielle Energie [eV] r → r*: Anziehungskräfte (Potentielle Energie nimmt ab) X*+Y* X*+ Y XY* X+Y XY Kernabstand r [nm] Grundzustand r* Photodissoziation Mögliche Übergänge bei Absorption eines Photons Übergang 1 Absorption muss zu einem bestimmten Vibrationszustand führen → diskrete Wellenlänge Bewegungen entlang von Potentiallinien sind adiabatisch XY** X*+Y* Potentielle Energie [eV] Übergang 1 instabiler Zustand wird erzeugt. Kontinuierliches Wellenlängenspektrum X*+ Y XY* X+Y XY Kernabstand r [nm] r* Spektroskopische Notation } M Spinmultiplizität S Elektronenspindrehimpuls L = S,P,D,F.. Nebenquantenzahl = 0,1,2,3.. M Atome: 2 s +1 Moleküle: X L 2s +1 +/− Λ A a B b mit gleimit unterchem Spin schiedl. Spin angeregte Zustände X Grundzustand Λ = Σ, Π, Δ, Φ.. = 0,1,2,3.. Beispiel: Sauerstoff O2 → O O(3P) + O(3P) = 5.11 eV ~ 242 nm O(3P) + O(1D) = 5.11 eV + 1.97 eV ~ 175 nm O(3P) + O(1S) = 5.11 eV + 4.18 eV ~ 133 nm Schumann-Runge Band (175-200 nm) Prädissoziation Schumann-Runge Kontinuum (137-175 nm) optische Dissoziation Sauerstoff-Spektrum Unterscheidung zwischen Photodissoziationen optische Dissoziation direkt vom angeregten Zustand kontinuierliches Absorptionsspektrum, da Fragmente Translationsenergie mitführen können genügt hν nicht ganz zur Spaltung wird die Energie in Vibrationsbewegung überführt Prädissoziation durch Kreuzen der Potentialkurven, z.B. bei Kollisionen Bildung vom Grundzustand über erlaubte Übergänge Vibrationsschwingungen Dissipation + translation asymmetrische Streckung symmetrische Streckung Vibration vertikale Biegung horizontale Biegung Sauerstoff-Dissoziation Ji = λmax ∫λ σ (λ ) φ (λ ) I (λ ) dλ i min i Herzberg ist unterhalb von ca. 65 km der dominierende Dissoziationsmechanismus ist, obwohl es ein eigentlich verbotener Übergang ist Ozonabsorption Hartley: 1881 Beobachtungen mit Ozonspektrometer zeigen Präsenz von Ozon in oberer Atmosphäre Chappius: 1880 entdeckt Ozonabsorption im Sichtbaren Huggins: 1917 benennen Fowler und Strutt Ozonabsorption (Sirius) nach dem Astronom William Huggins Ozonabsorption Hartley-Bande Ozonabsorption Hartley < 310 nm Huggins 310-350 Chappius ca. 500 nm Wichtige Photolyseprozesse 3.2.2 Photoionisation Spezieller Fall der Photodissoziation Produktion von positiv geladenem Ion und freiem, negativ geladenem Ion, z.B. O + hν → O + + e − + O2 + hν → O2 + e − Ionisierungspotential i.a. höher als Dissoziationspotential → immer UV-Strahlung notwendig → nur in der hohen Atmosphäre wichtig Ionisierungspotentiale angeregter Atome/Moleküle sind niedriger → Strahlung mit längeren Wellenlängen kann genutzt werden es gibt auch "optische Ionisierung" und "Präionisierung" 3.3 Reaktionskinetik Auftrittswahrscheinlichkeit und zeitlicher Ablauf von Reaktionen große Fortschritt in Laboruntersuchungen in letzten Jahre Einfluß externer Größen wie Druck und Temperatur "elementarer Reaktionschritt" vs. Nettoreaktion Cl + O3 → ClO + O2 R = k [ClO ] [O3 ] Molekularität=2 Ordnung=2 elementar Cl + O3 → ClO + O2 ClO + O → Cl + O2 O 3 +O → 2O2 Molekularität=2 R ≠ k [O3 ] [O] Ordnung≠2 Netto: Wir hatten... A → Produkte d [ A] = −k1[ A] dt 1. Ordnung A+B → C + D d [ A] = − k 2 [ A][ B] dt 2. Ordnung A+B+M → AB+M Ratenkonstante k1 [s-1] k2 [cm3 s-1] k3 [cm6 s-1] d [ A] 3. Ordnung == k3 [ A][ B ][ M ] dt R=[A]x [B]y [C]z x+y+z Ordnung der Reaktion Reaktion 2. Ordnung A+B→C+D d [ A] d [ B] R=− =− = k[ A][ B] dt dt Annahme: [B] liegt in einer sehr großen Konzentration vor oder wird kontinuierlich nachgeführt (steady-state) d [ A] − = k[ A][ B] = k '[ A] dt Integration über die Zeit [ A] = [ Ao ] exp(− k[ B ]t ) [B] = [Bo] k Reaktionsratenkonstante [cm3 s-1 ] τ chemische Lebensdauer 1 τA = k[ B] 3.3.1 Bimolekulare Reaktion Isolierte Kollision zwischen zwei Molekülen führt zu einem Rearrengement der Bindung und der Formation neuer Produkte, z.B. OH + CO → H + CO2 Kurve gilt nur für eine Annäherungsrichtung. Der Reaktionsweg ist nur eine Möglichkeit, da BC bzw. AB unterschiedliche Orientierungen bei Annäherung einnehmen können: A + BC → ABC * → AB + C ABC* d.h. 3-dim Gebilde im Raum A+BC B rAB A rBC rAC AB+C C Potentielle Energie im Raum rAB A+BC B rAB A rBC rAC C Alle Annäherungen gehen über das metastabile Zwischenprodukt ABC*, da ansonsten Potentialwände zu hoch Berechnung der Potentialflächen komplex und z.T. sehr ungenau ABC* AB+C rBC Vereinfachung: Winkel unter dem das dreiatomige Metamolekül gebildet wird ist fest Potentielle Energie im Raum Kollisionstheorie Moleküle verhalten sich wie feste Kugeln. Für Reaktion notwendig: A BC Kollision muß auftreten Stoßenergie muss Aktivierungspotential überschreiten Bedingungen günstig (passende Orientierung der Moleküle) Molekül bewegt sich mit der mittleren Geschwindigkeit v durch ein Gas der Dichte ρ Es trifft nur dann auf ein Molekül, wenn sich dieses innerhalb des Stoßzylinders mit der Grundfläche σ vt (Kollisionsquerschnitt) befindet σc= π (rA+rBC)2 rAB=rBC σc= 4π r2 σ [10-15cm²] 2.7 H2 N2 4.3 O2 4.0 5.2 CO2