Institut für Physikalische und Theoretische Chemie Physikalisch-Chemisches Praktikum für Studenten L2 5. Kalorimetrie - Bestimmung von Reaktionswärmen Thema In diesem Versuch soll die Reaktionswärme bei der Neutralisation von wässrigen Lösungen von Salzsäure und Natronlauge bestimmt werden. Grundlagen Chemische Umsetzungen sind fast immer von einer Energieänderung begleitet, wobei der umgesetzte Energiebetrag entweder vom reagierenden System aufgenommen (endotherme Reaktion) oder an die Umgebung abgegeben wird (exotherme Reaktion). Prinzipiell werden in der physikalischen Chemie Energiemengen, die ein System an seine Umgebung abgibt, um die es also ärmer wird, negativ gerechnet, und solche, die das System aufnimmt, also seine Innere Energie erhöhen, positiv gezählt. Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik beruht die Änderung der Inneren Energie U eines Systems auf dem Austausch von Wärme Q und mechanischer Arbeit W mit der Umgebung: U = Q + W Für sehr kleine Änderungen gilt dU = Q + W (1) Bei einer Änderung des Systemvolumens um dV fällt die Volumenarbeit W = -p · dV an, die gegen den äußeren Druck p verrichtet wird. Somit gilt dU = Q - p · dV (2) Bei jeder Expansion (dV > 0) gegen einen äußeren Druck ist A negativ. Das System leistet Volumenarbeit und verliert dadurch an Energie. Läuft eine Reaktion bei konstantem Volumen ab, gilt dV = 0, und die gesamte Änderung der Inneren Energie tritt in Form von Wärme auf. Es gilt dann dU = QV (3) wobei das Subskript V das konstante Volumen indiziert. Gl. 3 sagt aus, dass die bei konstantem Volumen umgesetzte Reaktionswärme gerade so groß ist, wie die Änderung der Inneren Energie. Eine Änderung der Inneren Energie des Systems kann es bei konstantem Volumen nur bei einer Temperaturänderung geben, denn es gilt dU = cV · dT (4) mit der Wärmekapazität cV des Systems bei konstantem Volumen und der Temperaturänderung dT. Deshalb kann bei bekanntem cV die Änderung dU und damit die Reaktionswärme QV bei konstantem Volumen über einfache Temperaturmessungen bestimmt werden. Die Forderung der Volumenkonstanz wird jedoch nur von solchen Systemen erfüllt, 2 bei denen die Reaktion in verschlossenen Behältern ablaufen, z. B. in einem Bombenkalorimeter. Wenn eine Reaktion in einem offenen Behältern abläuft, z. B. in einem Dewargefäß, dann steht das System in freier Verbindung mit der Atmosphäre und die Reaktion verläuft nun nicht mehr bei konstantem Volumen sondern bei konstantem Atmosphärendruck. Da eine Temperaturänderung bei konstantem Druck stets von einer Volumenänderung dV begleitet ist, fällt in diesem Fall Volumenarbeit W= -p · dV an, die bei Temperaturerhöhung wegen der thermischen Ausdehnung (dV > 0) negativ ist. Das System leistet dann Volumenarbeit gegen den äußeren Druck. Zur quantitativen Beschreibung von Reaktionswärmen bei konstantem Druck verwendet man zweckmäßigerweise eine andere Energiefunktionen als U, nämlich die Enthalpie H. Diese ist als Summe von Innerer Energie und dem Produkt von Druck und Volumen des Systems definiert. H = U + p·V (5) Für eine differentielle Änderung der Enthalpie gilt dH = dU + p · dV + V · dp (6) Setzt man Gl. 2 in Gl. 6 ein, erhält man dH = Q + V · dp (7) Bei konstantem Druck (dp = 0) wird dann dH = Qp (8) Gl. 8 sagt aus, dass die bei konstantem Druck umgesetzte Reaktionswärme gerade so groß ist wie die Änderung der Enthalpie. Eine Änderung der Enthalpie des Systems kann es bei konstantem Druck nur bei einer Änderung der Temperatur geben. Es gilt dH = cp · dT (9) mit der Wärmekapazität cp des Systems bei konstantem Druck. Deshalb kann bei bekanntem cp die Änderung dH und damit die Reaktionswärme Qp bei konstantem Druck über einfache Temperaturmessungen bestimmt werden. Vorbereitungsfragen Wie ist die Enthalpie definiert? Was besagt der Heßsche Satz? Aufgaben Bestimmen Sie experimentell den Wasserwert W des Kalorimeters aus der Mischungswärme zweier Wassermengen m1 und m2 der Temperaturen T1 und T2. Bestimmen Sie die Reaktionswärme der Neutralisation von Salzsäure mit Natronlauge. 3 Versuchsanleitung Zubehör Dewargefäß, Deckel mit Bohrung für Thermometer, ein Thermometer 0 – 50 oC mit 0,1 oC und eines 0 – 40 oC mit 0,1 oC Auflösung, Heizplatte, zwei 100 mL Vollpipetten, Filzstift zum Beschriften, zwei 200 mL Bechergläser, zwei Reagenzgläser, 1 M Salzsäure, 1 M Natronlauge, dest. Wasser, Schutzbrille. Allgemeines über Neutralisationsreaktionen Bei der Neutralisation einer Säure mit einer Base läuft in Wasser die Reaktion H3O+ + OH– 2 H2O (13) ab. Daneben können auch noch andere Vorgänge stattfinden, z.B. die Reaktion der Säure HS (oder der Base B) mit H2O zu H3O+ und S- (oder zu BH+ und OH–) und Verdünnung der Lösung während der Zugabe der Reagenzien. Die Wärmetönung der Neutralisationsreaktion hängt also von der Natur des Säure-Basen-Paares und von den Konzentrationsverhältnissen ab. Bei der Neutralisation verdünnter starker Säuren mit verdünnten starken Basen sind diese Nebeneffekte gering, und die Wärmetönung ist praktisch unabhängig von der Natur des Säure-Basen-Paares und von der Verdünnung. Man führt die Reaktion in einem Dewargefäß aus und misst die Temperaturerhöhung der Lösung. Kennt man die Wärmekapazität des Systems, kann man aus der Temperaturerhöhung die Enthalpieänderung H der Neutralisationsreaktion berechnen. Bei Ermittlung von cp begeht man keinen wesentlichen Fehler, wenn man die spezifische Wärme des Wassers gleich cs,p = 4,184 J g-1 K-1 setzt und die spezifische Wärme des bei der Reaktion entstehenden NaCl gleich Null. Der Wasserwert des Kalorimeters muss experimentell ermittelt werden. Bestimmung der Neutralisationswärme Es werden 100 mL einer 1 M Natronlauge mit 100 mL einer 1 M Salzsäurelösung neutralisiert. Zunächst wird die Natronlauge mit der 100 mL Pipette (nun mit NaOH beschriften) in das Dewargefäß gefüllt. Mit dem Thermometer 1 (bessere Auflösung) wird kurz und vorsichtig gerührt. Nach zwei bis drei Minuten (Einstellung des thermischen Gleichgewichts) wird die Temperatur T1 der Natronlauge gemessen. In ein Becherglas werden mit der zweiten 100 mL Pipette (mit HCl beschriften) 100 mL 1 M HCl gegeben. Mit dem Thermometer 1 (zuvor abspülen und trocknen) bestimmt man darauf die Temperatur der Salzsäurelösung. Falls notwendig, wird die Säure auf dieselbe Temperatur T1 wie die Lauge gebracht. Die Temperaturanpassung erfolgt mit Hilfe eines mit kaltem bzw. warmem Wasser gefüllten Reagenzglases, das so lange in die Säurelösung eingetaucht wird, bis die Temperaturdifferenz zur Natronlauge etwa 0,1 K oder weniger beträgt. Jetzt wird die Säurelösung zur Natronlauge in das Dewargefäß gegossen, der Deckel des Gefäßes geschlossen, und die Lösung kurz und vorsichtig gerührt. Wenn sich die Temperatur T2 nicht mehr ändert, wird abgelesen. 4 Auswertung Die Wärmekapazität cp des Gesamtsystems setzt sich gemäß Gl 12 aus den Wärmekapazitäten des Wassers und des Kalorimeters (der Dewarwandung, des Rührers usw.) zusammen. Die Enthalpieänderung H und die molare Enthalpieänderung Hm werden nach Gl 15 und 16 bestimmt. Qp = H = - cp · (T2 – T1) = - cp · T (15) Mit der Molzahl n der neutralisierten H3O+-Ionen gilt für die molare Enthalpieänderung Hm Hm = Qp / n (16) Diskussion der Ergebnisse Vergleichen Sie Ihre gemessene molare Enthalpieänderung für die Neutralisation eines Mols H3O+-Ionen mit dem in der Literatur angegebenen Wert von Hm = -56,7 kJ mol-1. Welche Fehlerquellen müsste man eliminieren, um das Messergebnis zu verbessern? Arbeitsblatt: Kalorimetrie - Bestimmung von Reaktionswärmen Bestimmung des Wasserwerts Temperatur des warmen Wassers zur Zeit der Mischung: T2 = Mischungstemperatur: Tm = Temperatur des Wassers von Zimmertemperatur: T1 = Massen der beiden Wassermengen: m1 = m2 = 100 W m2 (T2 Tm ) m1 Tm T1 W= Bestimmung der Neutralisationswärme Temperatursprung: T = T2 – T1 = Wärmekapazität: cp = (m1 + m2 + W) · cs,p, cs,p = 4,184 J g-1 K-1 cp = Enthalpieänderung: Qp = H = - cp · T Molzahl H3O+ n = VH3O+ · [H3O+] = Molare Enthalpieänderung: Hm = Qp / n Geben Sie alle Ergebnisse mit den Einheiten an!