Rundbrief 02/2009 Aktuelle Berichte Bericht aus der

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Rundbrief
02/2009
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Aus dem Inhalt:
Aktuelle Berichte: Bericht aus der Vertreterversammlung 28.03.2009
Einführung der neuen Schmerzdiagnose: Interview mit dem leitenden Psychologen des
Schmerzzentrums Mainz
Bündnisse gegen Depression: Auftaktveranstaltung in Mainz am 08.05.2009
Aus anderen Psychotherapeutenkammern
Veranstaltungshinweise
Öffentlichkeitsarbeit
Aktuelle Berichte
Bericht aus der Vertreterversammlung am 28.03.2009
Bericht des Vorstandes
Der Präsident, Herr Alfred Kappauf beschreibt, dass die Vorstandsarbeit aufgrund der Rücktritte
von Herrn Gönner und Herrn Kießling nicht leicht gewesen sei. Weiter berichtet er u.a. von
einer guten Entwicklung der Kooperation mit der KV. In einem Gespräch mit dem Vorstand der
KV konnten verschiedene Themen positiv diskutiert werden. So ist auch die Umsetzung der
Neuregelung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes besprochen worden. Bisher hat die KV
zwar halbe Sitze entzogen, aber noch keine ausgeschrieben. Für die Umsetzung der 20%-Quote
für KJP sucht die KV intern noch nach geeigneten Berechnungsmodellen. Die LPK setzte sich
dafür ein, nur diejenigen in die Berechnungen einzubeziehen, die hauptsächlich mit Kindern und
Jugendlichen arbeiten. Im günstigsten Fall werden ca. 20 neue Sitze entstehen. Weiter ist
diskutiert worden, inwieweit die KV Weiterbildungen in Richtlinienverfahren als Fachkunde
anerkennt. Eine Eintragung ins Arztregister wird bisher nur beim Erwerb einer zweiten
Fachkunde vorgenommen. Anders stellt sich die Lage bei Approbationen im Übergangsverfahren
und dem Erwerb der ersten Fachkunde dar. Hier wird die von der Kammer geprüfte
Weiterbildung nicht von der KV anerkannt.
Diskussion mit Frau Birgit Belz, Leiterin des Referats Gesundheitsberufe,
Alterssicherung und Unfallversicherung im MASGFF, zu den Aufgaben der LPK
Der Vorstand hatte Frau Belz in die Vertreterversammlung eingeladen. Ihr Aufgabenbereich
umfasst die Aufsicht über die Kammern der akademischen Heilberufe und die Fachaufsicht über
das Landesprüfungsamt. Frau Belz verwies ausdrücklich auf die qualitativ gute Zusammenarbeit
mit der LPK und betonte dass die Kammer stolz darauf sein könne, was sie bereits bewirkt hat;
sie habe die Anerkennung ihrer Aufsichtsbehörde, auf Bundes- und auf Länderebene erreicht. Es
wurden neben Themen, wie der Bolognaprozess oder Notfallversorgung folgende Fragen
erörtert.
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Ausbildung und Selbstständigkeit:
Ebenfalls wurde ihre Einschätzung diskutiert, wie die deutschen Psychotherapeuten künftig in
der EU stehen und ob der hohe Status in Deutschland künftig gehalten werden kann. Laut Frau
Belz betreffe dies die EU-Richlinie 2005/36. Die Umsetzung der Richtlinie stelle ein Problem für
alle Länder dar. In den unterschiedlichen Mitgliedsländern bestünden unterschiedliche Interessen,
die einander angeglichen werden müssten. Das System in Deutschland, d. h. die Ausbildung und
die Selbstständigkeit des Standes sei zu loben. Über eine Angleichung der deutschen
Psychotherapeuten an den Status in anderen Ländern sei bisher nicht diskutiert worden.
o PP und KJP im stationären Bereich
Frau Belz führt aus, dass der Beruf der PPs und KJPs rein berufsrechtlich gleichwertig zu
anderen akademischen Heilberufen ist. Das gelte auch für den stationären Bereich. Für die
Umsetzung der Gleichstellung sei die Rechtsaufsicht grundsätzlich nicht zuständig; dies sei eine
Frage der Berufspolitik, da sie Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen.
Das MASGFF sei dann Ansprechpartner, wenn originäre Landeseinrichtungen betroffen seien.
Bei diesen habe das Ministerium eine mittelbare Einwirkungsmöglichkeit, da zwischen der
Geschäftsführung und dem Ministerium (Abteilung Gesundheit) regelmäßiger Kontakt bestehe
o Beitragspflicht der Angestellten
Frau Belz führt aus, dass die Frage der Beitragspflicht der Angestellten, die unterschiedlich
eingruppiert sind, nicht vom Ministerium beantwortet werden könne. Das HeilBG gäbe vor, wie
die Kammer ordnungsgemäß zu arbeiten habe. Dafür müssten Strukturen bereitgehalten werden,
die finanziert werden müssten. Wie die Beiträge erhoben würden, sei aber Sache der
Selbstverwaltung.
Bericht des Ausschusses Aus- und Weiterbildung
Der Ausschuss hat sich gegen die Ermächtigung der Psychotherapeuten zur
Medikamentenverschreibung ausgesprochen. Die Vertreterversammlung wünscht, in eine
Diskussion über dieses wichtige Thema einzutreten. Das Thema wird zunächst erneut im
Ausschuss bearbeitet.
Zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit wird eine Klausurtagung der VV am 3.10.2009
durchgeführt werden.
Die nächste Sitzung der Vertreterversammlung im Jahre 2009 findet am
07. November 2009 von 10:00 bis 17:00 Uhr statt.
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Bündnisse gegen Depression in Rheinland-Pfalz:
Auftaktveranstaltung in Mainz am 08.05.2009
Im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen lud die
Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LZG) in Rheinland-Pfalz auch die LPK RLP zur
Auftaktveranstaltung zu den zu gründenden Bündnissen gegen Depression ein. Die hochkarätig
besetzte Veranstaltung fand reges Interesse in der Bevölkerung, aber auch bei Repräsentanten
unterschiedlicher mit depressiven Menschen arbeitenden Institutionen und Verbänden.
Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) hob in ihrem einleitenden Statement die Wichtigkeit
der frühen Erkennung von Depressionen und der adäquaten Versorgung depressiver Menschen
hervor, da außer Frage steht, dass diese sehr ernste Erkrankung in den letzten Jahren deutlich
zugenommen hat und auch wahrscheinlich weiter zunehmen wird. Den Schwerpunkt der
Versorgung sieht die Ministerin bei den Ärzten und den von ihnen verschriebenen
Psychopharmaka, Psychotherapie wurde zwar erwähnt, nahm aber einen eher marginalen
Stellenwert ein.
Es folgten Grußworte von Herrn Dr. Auernheimer, Geschäftsführer des Vereins zur
Unterstützung Gemeindenaher Psychiatrie in Deutschland und Dr. Gerhardt, Vorsitzender der
LZG und der KV Rheinland-Pfalz. Auch sie stellten die Wichtigkeit der Bündnisse fest, da die
Evaluation des ersten Bündnisses in Nürnberg-Erlangen eine deutlich positive Resonanz zeigte,
u.a. einen deutlichen Rückgang der Suizide. Dies verdeutlichte anschließend Prof. Hegerl,
Vorstandsvorsitzender des Deutschen Bündnisses gegen Depression in seinem Vortrag. Herr
Hegerl war Mitinitiator dieses ersten Bündnisses und stellte die Wichtigkeit des Vorgehens auf
vier Ebenen in den Vordergrund: es müssen die „Versorger“ mit einbezogen werden (Ärzte,
Psychotherapeuten, Pflegepersonal etc.), die Betroffenen und deren Angehörige müssen
angesprochen werden, über Multiplikatoren (Pfarrer, Lehrer etc.) muss die Krankheit und deren
Behandlungsmöglichkeiten bekannt gemacht werden, ebenso wie über Kampagnen und
Informationsveranstaltungen. Auf diese Weise können Depressionen schneller und zuverlässiger
erkannt, aber auch der Zugang zu professioneller Hilfe erleichtert werden. Prof. Hegerl betonte,
dass sowohl die Medikation, aber auch die Psychotherapie eine wichtige Rolle in der Behandlung
spielt. Leider machte er allerdings die Güte der Versorgung am Grad der antidepressiven
Behandlung fest, wohl unter der Annahme, dass jeder depressive Mensch auch antidepressiv
behandelt werden müsse. Die neu erschienenen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für
Psychologie stellen genau dies aber in Frage. Dort wird darauf hingewiesen, dass bei leichten
depressiven Episoden eine antidepressive Medikation keinen Vorteil erbringt und langfristig
weniger wirksam ist als Psychotherapie (hier kognitive VT). Auch bei mittelgradigen
Depressionen müssen Antidepressiva nicht das Mittel der Wahl sein. In Prof. Hegerls Vortrag
wurden Antidepressiva immer wieder mit Insulin verglichen, das Diabetiker eben auch nehmen
müssten und das man bei Erreichen guter Blutzuckerwerte auch nicht einfach wieder absetze.
Leider führt das Absetzen von Insulin bei Typ 1 Diabetikern innerhalb kurzer Zeit zum Tode
und es stellte sich die Frage, ob Herr Hegerl dies für Antidepressiva auch so sieht. Am Ende des
spannenden Vortrags blieb zumindest bei vielen nicht-ärztlichen Zuhörern ein etwas
zwiespältiges Gefühl.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein 50-minütiges Expertengespräch, zu der 10 (!)
Vertreter von Institutionen auf das Podium gebeten wurden (es waren vier Ärzte dazu geladen
und eine Psychotherapeutin). Themen konnten hier nur kurz angerissen werden. Der rheinlandpfälzische Patientenvertreter kritisierte dabei Herrn Hegerl scharf und wollte sich auf keine
Diskussionen einlassen. Er verließ die Veranstaltung. Die Vizepräsidentin der LPK RLP, Dr.
Andrea Benecke, betonte die Notwendigkeit, psychotherapeutische Kenntnisse und
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Behandlungsmöglichkeiten stärker einzubeziehen. Sie wurde zunächst zu Wartezeiten auf
Psychotherapie befragt. Sie bestätigte, dass die Wartezeiten im Schnitt 4-6 Monate betragen, aber
je nach Region auch sehr unterschiedlich sein können. Eine weitere Diskussion zu diesem
Thema, welche durch eine anwesende niedergelassene Psychotherapeutin in privater Praxis
angestoßen worden war, wurde als nicht zum Thema der Veranstaltung gehörig unterbunden.
Von den Podiumsteilnehmern wurde zunächst eine Zuständigkeit der Psychiatrie und
Psychosomatischen Medizin um eine Evaluierung der Bündnisse proklamiert, gegen die aber die
Vizepräsidentin protestierte mit dem Hinweis, dass der Großteil der ambulanten Versorgung
durch Psychotherapeuten geleistet wird und man diesen wesentlichen Teil in einer Evaluation
nicht außen vor lassen könne. Wenn eine Untersuchung geplant werde, dann sollte man daran
auch Psychotherapeuten beteiligen.
Die Vertreterin des Bündnisses gegen Depression aus Alzey berichtete, wie die Arbeit in dem
Bündnis praktisch aussehen kann und betonte mehrmals, dass diese natürlich zeitliche
Ressourcen erfordere, dass es aber darauf ankomme, viele Mitstreiter zu gewinnen, damit die
Belastung für die Einzelnen nicht so groß sei. Es sei auch gar nicht kompliziert, ein Bündnis auf
die Beine zu stellen und mache zudem viel Freude. Mit diesem positiven Eindruck endete die
Veranstaltung.
Was ist das Fazit? Es bleibt der Eindruck, dass es noch einiger Arbeit bedarf, bis der Stellenwert
unserer psychotherapeutischen Arbeit in der Versorgung psychisch Kranker an allen relevanten
Stellen angekommen ist. Die Vertreter der Landespsychotherapeutenkammer werden daran
weiter arbeiten. Wichtig aber wird vor allem sein, dass wir als Berufsstand uns in diese Initiativen
einbringen und uns engagieren. Auch darüber wird deutlich, dass wir ein unumstößlicher und
immens wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung sind. Machen Sie also mit, wenn im Laufe
dieses Jahres Veranstaltungen in Ihrer Region stattfinden zur Gründung dieser Bündnisse. Wenn
wir uns heraushalten und am Ende der Eindruck entstünde, es ginge auch ohne uns, wäre dies ein
verheerendes Signal.
AB
Die Chronische Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren ist in die ICD-10-GM aufgenommen.
NEU: F 45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
Definition:
Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen seit mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen
in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem
physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren wird eine
wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen
beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der Schmerz verursacht in
klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen
wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht
(wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation). Schmerzstörungen insbesondere im
Zusammenhang mit einer affektiven, Angst-, Somatisierungs- oder psychotischen Störung sollen
hier nicht berücksichtigt werden.
Exkl.:
Andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (F62.80)
Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
(F54)
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Nach jahrelangem Ringen konnte ein
wesentlicher Schritt zur Integration und
Akzeptanz psychologischer Erkenntnisse
und
psychotherapeutischer
Behandlungsmöglichkeiten bei psychosomatischen
Krankheiten
erreicht
werden. Einer der unermüdlichen
Mitstreiter ist unser Kammermitglied
Herr Dr. rer. nat. Paul Nilges,
psychologischer Leiter des DRKSchmerzzentrum Mainz. Er erklärte sich
zu einem Interview bereit.
Paul Nilges
1982 Diplom in Psychologie an der Johannes-Gutenberg
Universität in Mainz. Promotion am Psychologischen
Institut der Universität Trier. Ausbildungen in verschiedenen
psychologischen Behandlungsverfahren, abgeschlossene
Zusatzausbildung in Verhaltenstherapie 1990, Approbation
als Psychotherapeut. Seit 1985 klinische und wissenschaftliche Tätigkeit im DRK Schmerz-Zentrum Mainz, leitender
Psychologe. Lehrbeauftragter in klinischer Psychologie am
Psychologischen Institut der Universität Mainz, Dozent und
Supervisor in der Ausbildung von Psychotherapeuten,
Referent in der Fortbildung von Zahnärzten und
Schmerztherapeuten. Vorstand der Deutschen Gesellschaft
für Psychologische Schmerztherapie und -forschung.
http://www.drk-schmerz-zentrum.de/
Sehr geehrter Herr Dr. Nilges, wie viel Jahre haben Sie gebraucht, um das
moderne bio-psycho-soziale Konzept der Schmerzerkrankung in den ICD-Katalog zu
bekommen?
Über 5 Jahre. Die Diskussion zur Erweiterung der ICD um die Diagnose „chronischer Schmerz“
wurde 2003 von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) begonnen.
Eine Arbeitsgruppe mit Professor Dr. med. M. Zenz, Bochum, Prof. Dr. med. R.-D. Treede,
Mannheim (beide in dieser Zeit Präsidenten der DGSS), Prof. W. Rief, Marburg und ich haben
mit dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
Kontakt aufgenommen. Den für die deutsche ICD zuständigen Vertretern von 13 psychologischpsychosomatischen Fachgesellschaften, der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen,
Krankenhausgesellschaft, Rentenversicherung und des Medizinischen Dienstes haben wir
verschieden Lösungen vorgeschlagen. Dazu gehörten auch Erweiterungen der F54, eine neue
Diagnosegruppe sowie Erweiterungen der Diagnose Anpassungsstörung. Schließlich wurde als
von allen akzeptierter Kompromiss 2009 die Chronische Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren mit dem Code F45.41 sowie einer Ergänzung des einleitenden Textes für
die F45 in die ICD-10-GM aufgenommen.
Welche Auswirkungen durch die Einführung der neuen Schmerzdiagnose haben
Sie in Ihrer Funktion als leitender Psychologe im DRK Schmerzzentrum Mainz
beobachten können?
Zunächst einmal große Erleichterung und positive Rückmeldungen vieler Kolleginnen und
Kollegen. Wir können jetzt erstmals in der „ICD-Welt“ für viele Patienten chronischen Schmerz
angemessen diagnostizieren und damit behandeln, ohne ständige Diskussionen führen zu
müssen, ob der Schmerz nun „psychisch“ oder „somatisch“ ist. Damit hat sich die Akzeptanz
psychologischer Faktoren und psychotherapeutischer Tätigkeit bei Patienten und ärztlichen
Kollegen deutlich verbessert. Psychotherapeutische Verfahren sind auch sinnvoll und notwendig,
wenn somatische Befunde vorhanden sind – was nach früherer Diagnoselogik meist nicht der
Fall war und zu einer Unterversorgung von Patienten führte. Durch diese Diagnose wird das
Indikationsgebiet für Psychotherapie erweitert, werden ursächlich somatische Erkrankungen mit
einbezogen und damit viele Patienten, die sonst "weitergeschickt" würden. Und auch der
Spannungskopfschmerz, der gelegentlich zu Ärger durch die Ablehnung von Therapieanträgen
führte, ist eingeschlossen.
Psychotherapie ist jetzt ein selbstverständlicher Bestandteil der Schmerzbehandlung. Das zeigt
sich auch in der Entwicklung der DRGs bzw. der OPS (Vergütungssystem über Fallpauschalen
mit zugeordneten therapeutischen Leistungen). Eine multimodale Schmerztherapie ohne
Psychotherapie ist nicht mehr akzeptabel – ein wichtiger Schritt zu einer angemessenen
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Versorgung von Patienten und die Voraussetzung für die Finanzierung von stationärer und
teilstationärer interdisziplinärer Schmerztherapie.
Wo muss im Gesundheitswesen noch weiter umgedacht werden, damit Patienten
und Patientinnen nicht mehr nur aus einer Kausalkette heraus verstanden werden:
körperlich oder psychisch?
Klinische Erfahrungen, viele Studien und nicht zuletzt auch neurobiologische
Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass diese Unterscheidung weitgehend obsolet ist. Die
Umsetzung dieses Wissens würde bedeuten, dass wir bei Patienten mit den häufigsten
Schmerzformen, Rücken- oder Kopfschmerzen, psychologische Faktoren frühzeitig und
angemessen berücksichtigen. Der Arzt muss Risikofaktoren für chronische Entwicklungen
kennen. Dazu gehören dysfunktionale Kognitionen, ungünstige Verhaltensmuster wie anhaltende
Schonung oder auch Überforderung, schmerzspezifische Ängste und depressive Entwicklungen.
Entscheidend ist es, frühzeitig darauf zu reagieren. Das kann in Form vernünftiger Information
direkt geschehen, aber auch als enge und schnelle Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten.
Überweisungen an Schmerzkliniken und –therapeuten sollten früher vorgenommen werden.
Zum einen sollte sich das Bewusstsein dafür nach stärker entwickeln, dass Schmerz nur selten ein
ausschließlich somatisches Problem ist, also auch dann, wenn somatische Befunde vorliegen.
Zum anderen sollte der „schiefe Blick“ und die krampfhafte Suche nach „psychischen
Ursachen“, wenn keine Befunde erhoben werden können, zukünftig als Kunstfehler gelten.
Schließlich lassen sich über 80 Prozent der Rücken- und über 90 Prozent der Kopfschmerzen
keinen organpathologischen Ursachen zuordnen. Der Umkehrschluss „alles Psyche“ ist natürlich
ebenso unsinnig. Im Vordergrund sollten Überlegungen stehen, welche Faktoren Schmerzen
aufrechterhalten und eine Spontanremission verhindern. Vor allem aber, welche Bedeutung
psychosoziale Faktoren für das Leiden der Patienten haben. Lebensqualität, Behinderung,
Depression oder Zufriedenheit korrelieren nämlich nur sehr schwach mit der erlebten
Schmerzintensität.
Was können Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten tun, um
gegebenenfalls bei Patienten mit akuten oder leichten Schmerzstörungen einer
Chronifizierung entgegenzuwirken?
Vor allem sich über die neueren Ergebnisse der Schmerzforschung und –therapie informieren.
Die Suche nach psychischen „Ursachen“ sollte sich stärker auf das unmittelbare
Schmerzgeschehen und damit einhergehende psychologische Prozesse konzentrieren:
Katastrophisieren, Vermeidungsverhalten, Angst und depressive Merkmale entwickeln sich meist
im Verlaufe einer Schmerzerkrankung. Patienten mit ausschließlich „psychisch bedingten“
Schmerzen sind eine seltene Ausnahme. Ein weiterer Punkt: Die Irritation, die uns überfällt,
wenn Patienten „keine Befunde“ haben oder mit gut klingenden (aber nichtssagenden)
Diagnosen kommen, ist meist unangemessen. Ein typischer Fehler besteht darin, aus Angst oder
Unsicherheit nur halbherzig Psychotherapie zu beginnen und gut gemeinte Tipps für weitere
medizinische Untersuchungen zu geben. Für uns Psychotherapeuten ist es entscheidend, mit
kompetenten ärztliche Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten, die eine angemessene somatische
Diagnostik durchführen. Das bedeutet, Überdiagnostik vermeiden, Patienten gut und umfassend
über Schmerzen informieren und chronischen Schmerz als bio-psycho-sozialen Prozess zu
verstehen. Andererseits tendieren wir manchmal dazu, die biologischen Aspekte, die ja auch bei
anderen Störungen im F-Kapitel zunehmend berücksichtigt werden (Zwänge, Essstörungen,
Posttraumatische Belastungsstörungen) nicht ausreichend zu berücksichtigen. Dadurch kann es
zur somatischen Unterversorgung kommen, d.h. ergänzende Verfahren wie Physiotherapie,
Anregung zu körperlicher Aktivität oder in einigen Fällen auch der Einsatz von Medikamenten
werden nicht ausreichend in die Behandlung integriert.
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Welche Erkenntnisse aus der Schmerzpsychologie und Schmerzpsychotherapie
sollten von unserer Berufsgruppe noch offensiver geäußert und vertreten werden?
Prävention und Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen sollten als gemeinsame
Aufgabe von somatischen Behandlern und Psychotherapeuten betrachtet werden. Für die
häufigsten Schmerzformen (Rücken- und Kopfschmerzen) ist die Wirksamkeit von
Psychotherapie und teilweise Überlegenheit gegenüber somatischen Verfahren nachgewiesen.
Und für den Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen spielen psychosoziale Faktoren die
entscheidende Rolle.
GBS
Diese Entwicklung ist nicht nur sehr erfreulich, sondern bestätigt auch das innovative Vorgehen
der LPKRPL von 2005, die spezielle Schmerz-Psychotherapie als ankündigungsfähigen
Zusatztitel im Rahmen der Weiterbildungsordnung zu etablieren. Es gibt sogar erste
Bestrebungen, die Weiterbildung „Schmerzpsychotherapie“ für stationär in Schmerzkliniken
arbeitende PsychologInnen und ÄrztInnen als Qualitätsmerkmal zu fordern.
Aus anderen Psychotherapeutenkammern
Das psychotherapeutische Behandlungs- und Vertrauensverhältnis ist durch neue
Regelung des BKA-Gesetzes gefährdet.
Dies betrifft insbesondere weitere Einschränkungen des Zeugnisverweigerungsrechts und eine
Aufweichung der Schweigepflicht. Damit wird der explizite oder implizite psychotherapeutische
Behandlungsvertrag: „Aufrichtigkeit gegen völlige Diskretion“ unmöglich gemacht. Kein
Psychotherapeut kann mehr aus eigener Kraft absolute Diskretion garantieren. Darüber hinaus
wird der geschützte therapeutische Raum durch besondere Fahndungsmethoden
(Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchung, Observation mittels akustischer und
optischer Mittel) unsicher. Besonders erschwerend ist daran, dass die für die Diskretion
gegenüber ihren Patienten verantwortlichen Psychotherapeuten (siehe Berufsordnung) davon
selbst nicht unterrichtet werden müssen. Daher hat der Präsident der PTK Hessen gemeinsam
mit anderen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Siehe Pressemitteilung
http://www.ptk-hessen.de/neptun/neptun.php/oktopus/download/357
Resolution des Deutschen Psychotherapeutentages, 09.05.2009
Auf Initiative unseres Kammerpräsidenten Alfred Kappauf gemeinsam mit dem Kollegen
Könning hat der DPT einstimmig eine Resolution zur Weiterentwicklung der
Sozialpsychiatrievereinbarung verabschiedet:
“…
Zur Sicherstellung dieser Versorgung genügt jedoch nicht eine einfache Fortschreibung der alten
Sozialpsychiatrievereinbarung, in der die mit dem Psychotherapeutengesetz geschaffenen Berufe
des PP und des KJP noch nicht berücksichtigt sind…Die etwa 2.700 Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut leisten mindestens 70 Prozent der kinder- und
jugendpsychotherapeutischen Versorgung, verglichen mit 700 KJPP.
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
Der DPT fordert den Gesetzgeber auf, bei der anstehenden Regelung alle an der Versorgung von
Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen beteiligten Heilberufe einzubeziehen.“
Resolution der Kammerversammlung PKN, 08.05.2009
“…
Wir fordern die KVN und die Zulassungsausschüsse auf, in allen Bezirken, in denen Sitze für
KJP zu erwarten sind, sofort Ermächtigungen auszusprechen.“
Veranstaltungen
„Wenn Eltern psychisch krank sind, leiden auch die Kinder“
Dienstag, 2. Juni 2009 in der Rhein-Mosel-Fachklinik
Weiter : http://www.lpk-rlp.de/web/news.php4
Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz informiert über die bundesweite
Aktionswoche Alkohol.
Unter http://www.aktionswoche-alkohol.de/ finden Sie gutes Informationsmaterial.
Öffentlichkeitsarbeit
In der Artikelserie über das Tätigkeitsfeld Psychotherapie in der AZ Mainz war am 4.05.2009 das
Thema Kinder und Jugendlichenpsychotherapie an der Reihe. Unter dem Titel „Kinder
selbstsicherer machen - Psychotherapeuten setzten auf Gespräche statt auf Medikamente“
erschien ein Beitrag.
Weiter: http://www.allgemeine-zeitung.de/ratgeber/6785554.htm
Übrigens:
"Die großen Lebensprobleme sind nie auf immer gelöst. Sind sie es einmal anscheinend, so ist es
immer ein Verlust. Ihr Sinn und Zweck scheint nicht in ihrer Lösung zu liegen, sondern darin,
dass wir unablässig an ihnen arbeiten. Das allein bewahrt uns vor Verdummung und
Versteinerung."
(C.G. Jung, Die Lebenswende, Ges. Werke 8, Abs. 771)
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Alfred Kappauf
Präsident
Gisela Borgmann-Schäfer
Vorstandsbeauftragte für Öffentlichkeitsarbeit
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Rundbrief 2-2009
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