Einführung in die Astronomie und Astrophysik I

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WS 2004 / 05
Einführung in die Astronomie und Astrophysik
2 Physik der Sterne
2.1 Überblick
Die Physik der Sterne ist ein fundamentaler Teil der Astrophysik, da ein großer Teil der leuchtenden Materie sich in Sternen
befindet. Das physikalische Verständnis der Sterne ist eng verbunden mit der Entwicklung der Physik, viele Berührungspunkte. Einige Meilensteine sind hier beschrieben.
Methoden
Parallaxen (1840)
Visuelle Doppelsterne (1803)
Sternphysikalische Bedeutung
Bestimmung der Entfernungen der Fixsterne
61 Cyg: 0."293 ⇒ 3.4 pc bzw. 11.1 LJ
Nächster Stern: Proxima Cen, 1.31 pc
Massen von Sternen über 3. Kepler'sches Gesetz
 M 1M 2  T 2
a
Photometrie (~1850)
Photographische ~ (1904)
Photoelektrische ~ (1911)
Einführung_2.1-2_2004.sxw
3
= 1
M1 und M2 in Sonnenmassen, T in Jahren, a in Astr. Einheiten (1.49 108 km)
Massensumme, Einzelmassen bei bekannten "absoluten" Bahnen
Kataloge scheinbarer Helligkeiten
Bei bekannten Abständen ⇒ Leuchtkräfte
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Spektroskopie:
Spektralanalyse (~1860)
Dopplereffekt
­
 nuy

v
=
=
c


Atomphysik
Hydrodynamik
Magnetohydrodynamik (~1950),
Plasmaphysik
Kernphysik
Relativitätstheorie
Helioseismologie
Asteroseismologie
Einführung_2.1-2_2004.sxw
Einführung in die Astronomie und Astrophysik
Absorptionslinien im Sonnenspektrum (1814) und in Sternspektren (1823)
Chemische Zusammensetzung von Sonne und Sternen durch Vergleich mit
Laborspektren
Klassifikation der Sternspektren nach Temperatur (Harvard) bzw. Temperatur
und Leuchtkraft (MKK)
Radialgeschwindigkeiten
Hertzsprung-Russell - Diagramm
Strahlungstransport
Theorie der Sternatmosphären
Quantentheorie der Absorption
Energietransport durch Konvektion
Kosmische Magnetfelder
Stellare Aktivität, Sonnenflecken, Dynamos
Theorie des inneren Aufbaus der Sterne
Späte Stadien der Entwicklung:
Weiße Zwerge
Neutronensterne
Supernovae
Neutrino-Astrophysik
Gravitationswellen
Schwarze Löcher
Messung des inneren Aufbaus der Sonne (und Sterne)
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Einführung in die Astronomie und Astrophysik
2.2 Einführung in die Strahlungstheorie
Dieses Kapitel befaßt sich mit Feldern elektromagnetischer Strahlung in den Atmosphären von Sternen. Ihre Beobachtung
dient der Analyse des Sternaufbaus.
2.2.1 Intensität und Strahlungsstrom
Die Strahlungsenergie dE des Frequenzintervalls  ,   , welche pro Zeiteinheit dt ein Flächenelement d  in den
Raumwinkel d  in Richtung  ,  strömt, sei gegeben mit
dE
= I   , d  cos d  d  .
dt
(2.1)
Für das Raumwinkelelement gilt d  = sin  d  d  .
Die Größe I   ,  heißt Strahlungsintensität (specific intensity). Einheit [W m-2 Hz-1 sr-1]. Die Umrechnung von
Frequenz auf Wellenlänge erfolgt nach
I d  = I d  
 I =  I

I =
c
I .
2
(2.2)
Integriert über die Frequenz erhält man die Gesamtintensität (total intensity)
∞
I =
∫ I d 
∞
=
∫ I  d  [W m-2 sr-1].
0
(2.3)
0
Der spektrale Strahlungsstrom (spectral flux) durch das Flächenelement d  ist gegeben mit dem Integral der Intensität
über den Raumwinkel:
 2
F d  d  =
∫ ∫ I   , cossin  d  d  d  d  [W m-2 Hz-1].
0
(2.4)
0
Für ein isotropes Strahlungsfeld ( I   ,  = const. = I  ) gilt
F = 0 !
Man unterscheidet daher zwischen Einstrahlung in und Ausstrahlung aus dem Flächenelement:
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/ 2 2 
∫ ∫ I   , cossin  d  d  d 
p

F d =
0 0
 2
(2.5)
∫ ∫ I   , cossin  d  d  d 
F m d  =
/ 2 0
p
m
Fd  = F d  ­ F d 
Der Gesamt-Strahlungsstrom (total flux) ist gegeben mit
∞
F =
∫ Fd  =
0
∞
∫ Fd 
[W m-2].
(2.6)
0
Bestimmung des Flusses eines Sterns:
Annahme - die Intensität sei keine Funktion des Azimuths ϕ: I   ,  = I  
Die mittlere Intensität ergibt sich aus dem Integral der Intensität über die Sternoberfläche. Ein Flächenelement dort läßt sich
darstellen mit d  = R cos d ⋅ R sin  d  . Somit ergibt sich durch Vergleich mit (2.5)
/ 2 2 
 R I =
2
∫ ∫ I   R2 cossin  d  d 
0 0
/ 2 2 
=R
2
∫ ∫ I  cossin  d  d 
0
(2.7)
0
2
p
= R F
p
  I = F 
R2
Der Raumwinkel dω, unter welchem die Sternscheibe mit dem Abstand r vom Beobachter erscheint, ist d  =  2 . Damit
r
ergibt sich der spektrale Strahlungsstrom fυ am Ort des Beobachters mit
2
p R
f  = I d  = F  2
r
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[W Hz-1 m-2].
(2.8)
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Die gesamte (spektrale) Strahlungsleistung eines Sterns bezeichnet man als (spektrale) Leuchtkraft Lν und L:
2
­1
L = 4  R F  [W Hz ]
L = 4  R 2 F [W ]
.
(2.9)
2.2.2 Strahlungstransport
Wir betrachten die Energiebilanz durch Austausch von Strahlung eines Volumenelements dV.
dV
ds
dσ
dΩ
Die Strahlungsenergie dE des Frequenzintervalls [ν,ν+δν], welche pro Zeiteinheit dt von einem Volumenelement dV in den
Raumwinkel dΩ emittiert wird, sei gegeben mit
dE
= j  d  dV d  .
dt
(2.10)
Die Größe jν heißt Emissionskoeffizient, Einheit [W m-3 Hz-1 sr-1].
Die spektral integrierte, gesamte Emission des Volumenelements beträgt
∞
dE
= 4 ∫ j  d  dV .
dt
0
Die Absorption eines Strahlenbündels, welches das Volumenelement dV in Richtung von dΩ mit der Intensität Iν um eine
Strecke ds durchläuft, sei gegeben mit
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d I
= ­ I  .
ds
(2.11)
Die Größe κν heißt Absorptionskoeffizient, Einheit [m-1].
Die Energiebilanz führt zu der Strahlungstransportgleichung
d I
= ­ I   j  ,
ds
(2.12)
welche die Änderung der Intensität eines Strahlungsfeldes pro Wegelement beschreibt.
Für ein emissionsfreies Medium gilt
d I  = ­ I  ds
d I
= d ln  I   = ­ ds
I
Durch Integration ergibt sich

s
I   s = I  0exp ­∫  ds '
0
(2.13)

(2.14)
Die Intensität hängt also exponentiell vom Integral über den Absorptionskoeffizienten ab. Eine nützliche Größe ist die
optische Dicke dτν der Schicht bei der Frequenz ν - im Gegensatz zu ihrer geometrischen Dicke ds - welche gegeben ist mit
d  =  ds .
(2.15)
Die Intensität in Gl. (2.14) läßt sich daher mit Hilfe der optischen Dicke einfach darstellen
I   s = I  0exp ­  .
(2.16)
Die Strahlungstransportgleichung läßt sich durch Kombination von (2.12) und (2.15) bequem in Einheiten der optischen Dicke ausdrücken:
d I
 ds
= ­I  
j


d I
d 
(2.17)
= ­I   S 
j

Den Term S  =  nennt man Quellfunktion (source function) oder Ergiebigkeit, Einheit [W m-2 Hz-1 sr-1].

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Im allgemeinen muß man neben der Absorption (κν) auch Streuung (σν) berücksichtigen, um die Veränderung der Intensität
zu berücksichtigen. Die Summe der Absorptions- und Streuungskoeffizienten heißt Extinktionskoeffizient k  =     .
Die optische Dicke (2.15) muß ggf. entsprechend modifiziert werden. Analog kann die Emission ebenfalls einen Streuterm
enthalten.
2.2.3 Strahlungsfelder im thermodynamischen Gleichgewicht
2.2.3.1 Hohlraumstrahlung
In einem auf gleichförmiger Temperatur T gehaltenen Hohlraum ist die durch jedes Flächenelement dσ hindurchtretende Intensität eine Konstante (Strahlung eines Schwarzen Körpers)
I  = B  T  d  d  cos d 
(2.18)
mit der Kirchhoff-Planck - Funktion Bν(T)
2h
B  T  =
c2
3
1
h
exp
­1
kT
 
[W Hz-1 m-2 sr-1]
(2.19)
[W m-1 m-2 sr-1]
(2.20)
bzw. als Funktion der Wellenlänge
2hc
B  T  =
5

2
1
hc
exp
­1
k T
 
mit den Konstanten
h
Planck'sches Wirkungsquantum
6.63 10-34 [J s]
k
Boltzmann-Konstante
1.381 10-23 [J K-1]
c
Lichtgeschwindigkeit
2.998 108 [m s-1]
Im kurzwelligen Spektralbereich, d. h. für
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h
≫ 1 bzw.
kT
hc
≫ 1 gilt näherungsweise das Wien'sche Gesetz
k T
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3
B T  ≈
  bzw.
2h
h
exp ­
2
kT
c
Im langwelligen Spektralbereich, d. h. für
B  T  ≈
2 2 k T
c
2
bzw. B T  ≈
2


2hc
hc
exp ­
(2.21)
5
kT

hc
h
≪ 1 gilt näherungsweise das Rayleigh-Jeans - Gesetz
≪ 1 bzw.
k T
kT
B T  ≈
2c k T
.
4

(2.21)
Die Kirchhoff-Planck-Funktion hat ein ausgeprägtes Maximum, dessen Lage im Spektrum von der Temperatur abhängt.
Dieser Zusammenhang ist durch das Wien'sche Verschiebungsgesetz gegeben:
­3
max T = const = 2.90⋅10 [m K ]
(2.22)
Ein Hohlraum mit einer Temperatur von 1 K hat damit das Maximum der Intensität bei einer Wellenlänge von 2.9 mm, d. h.
im kurzwelligen astronomischen Radiofrequenzbereich. Bei einer Temperatur von 5780 K (Effektivtemperatur der Sonne) ist
das Maximum bei 502 nm, d. h. im grünen, sichtbaren Spektralbereich.
Der Gesamt-Strahlungsstrom der Hohlraumstrahlung ist nach dem Stefan-Boltzmann'schen Gesetz gegeben mit
∞
F p T  = ∫ B T  d  =  T 4
(2.23)
0
mit der Stefan-Boltzmann – Konstante
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2 5 k 4
=
= 5.67⋅10­8 [W m-2 K-4]
2 3
15 c h
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(2.24)
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Intensität für T = 5780 K
3
bb max
1 .10
Intensität [MW µm^-1 m^-2 sr^-1]
100
bbi
wwi
rri
10
1
0.1
bb min
0.01
0.1
1
−1
li
10
10
1
10
µm
Wellenlänge [µm]
Kirchhoff-Planck
Wien
Rayleigh-Jeans
Abbildung 2.1: Kirchhoff-Planck-Funktion für einen schwarzen Körper mit einer
Temperatur von 5780 K. Wien'sche und Rayleigh-Jeans – Näherungen.
Ein schwarzer Körper bei einer Temperatur von 1 K hat somit einen über alle Wellenlängen integrierten Strahlungsstrom von
ca. 57 Nanowatt pro m2, während ein Hauptreihenstern (näherungsweise auch ein schwarzer Körper) mit einer Effektivtemperatur von 6000 K pro m2 Oberfläche etwa 63 Megawatt abstrahlt! Bei steigender Temperatur nimmt die Intensität eines
Hohlraumstrahlers in allen Spektralbereichen stetig zu, d. h., die Kirchhoff-Planck-Funktionen bei unterschiedlicher
Temperatur schneiden sich nicht.
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Intensität [MW µm^-1 m^-2 sr^-1]
3
1 .10
bb max
100
bb1i
bb2i
10
bbi
bb3i
1
bb wien
i
0.1
bb min 0.01
0.1
1
−1
li
10
10
1
10
µm
Wellenlänge [µm]
T = 12000 K
T = 9000 K
T = 5780 K
T = 3000 K
Verschiebungsgesetz
Abbildung 2.2: Kichhoff-Planck-Funktionen für verschiedene Temperaturen und Wien'sches
Verschiebungsgesetz.
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2.2.3.2 Thermodynamisches Gleichgewicht
Im thermodynamischen Gleichgewicht entspricht die Intensität der Kirchhoff-Planck-Funktion. Außerdem muß die Emission
und die Absorption in allen Volumenelementen gleich sein - d. h. die Änderung der Intensität verschwindet. Durch Einsetzen
von (2.19) in die Strahlungstransportgleichung (2.12) und Nullsetzen der linken Seite ergibt sich der Kirchhoff'sche Satz
j  =  B  T 
(2.25)
bzw. unter Verwendung von (2.17),
j

(2.26)
= S  = B  T 
Im thermodynamischen Gleichgewicht bei der Temperatur T ist die Quellfunktion also gleich der Kirchhoff-Planck-Funktion
zur Temperatur T.
Als Beispiel einer Anwendung des Kirchhoff'schen Satzes berechnen wir die Intensität einer Materieschicht der Dicke S bei
konstanter Temperatur T. Vergleichbare Probleme tauchen beim Strahlungstransport durch eine Sternatmosphäre auf.
Die Emission eines Volumenelements, welches sich über das Intervall [x,x+dx] längs des Sehstrahls erstreckt, ist unter Verwendung von (2.25) gegeben mit j  dx = B T  dx = B T  d  . Die Absorption dieser Intensität längs des Weges zur
x
Oberfläche bei s = 0 ist gegeben durch die der geometrischen Tiefe x entsprechenden optische Tiefe  = ∫  dx ' , und be0
trägt einen Faktor exp­  . Somit ist der Beitrag der Schicht im Intervall [x,x+dx] zu der Intensität an der Oberfläche
d I  = B  T  exp ­  d 
(2.27)
Integration von (2.27) bis zur der geometrischen Dicke S entsprechenden optischen Dicke T der Schicht ergibt
T
I  = ∫ B T  exp­  d 
(2.28)
0
= B T   1 ­ exp­T 
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zum Beobachter
0
0
x
x + dx
S
Tν
Gesamt-Strahlungsstrom [W m^-2]
geometrische optische
Dicke
Dicke
1 .10
9
1 .10
8
1 .10
7
1 .10
6
0.01
0.1
1
Optische Tiefe
10
100
Zeichnung 1: Zur Intensität einer Schicht mit konstanter Temperatur.
Für Schichten mit einer optischen Dicke T ≪1 ist die Intensität proportional zur optischen Dicke. Solche Schichten nennt
man optisch dünn. Schichten mit einer optischen Dicke T ≫1 haben eine von ihrer Dicke unabhängige Intensität, man
nennt sie optisch dick. In einer optisch dicken Schicht entsteht die freiwerdende Strahlung im wesentlichen bei einer
optischen Tiefe von  ≈1 .
2.2.3.3 Strahlungsdichte
Als spektrale Strahlungsdichte uν bezeichnet man die spektrale Energiedichte eines Strahlungsfeldes. Sie ergibt sich - pro
Raumwinkeleinheit - aus der Intensität durch Division mit der Lichtgeschwindigkeit und anschließende Integration über alle
Raumwinkel
u =
1
c
∫ I d  =
4
J
c
[J m-3].
(2.29)
Dabei ist Jν die (über die Oberfläche des Volumenelementes) gemittelte Intensität.
Für die Hohlraumstrahlung ist J  = B T  . In diesem Falle ist die Gesamtenergiedichte (spektral integriert)
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Einführung in die Astronomie und Astrophysik
∞
u = ∫ u  d nuy = a T 4
(2.30)
0
mit der Konstanten a =
Einführung_2.1-2_2004.sxw
4
= 1.56⋅10­16 [J m-3 K-4].
c
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