Programmheft - spielzeit 13/14

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Karlsruhe, Badisches Staatstheater
So 15.12.2013
Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart des SWR
Jörg Widmann, Klarinette
Dirigent: Dima Slobodeniouk
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Programm
Jörg Widmann
*1973
Armonica, für Orchester (2006)
Christa Schönfeldinger, Glasharmonika
Teodoro Anzellotti, Akkordeon
Carl Maria von Weber
1786 – 1826
Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll op. 73
Allegro
Adagio ma non troppo
Rondo. Allegretto
PAUSE
Sergej Prokofjew
1891 – 1953
Sinfonie Nr. 7 cis-Moll op. 131
Moderato
Allegretto
Andante espressivo
Vivace
So 15.12.2013
Jörg Widmann, Klarinette
Karlsruhe, Badisches Staatstheater, Großes Haus
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
19 Uhr Konzertbeginn (Konzertende ca. 21 Uhr)
Dirigent: Dima Slobodeniouk
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© Marco Borggreve
Studie über die Leichtigkeit
Jörg Widmann: Armonica, für Orchester
Bevor die Glasharmonika in Vergessenheit geriet, erlebte sie einen lang anhaltenden
und recht triumphalen Siegeszug durch Europa: Der amerikanische Erfinder Benjamin
Franklin hatte das Instrument im Jahr 1761 in London aus einem Vorläufer, den »Musical
Glasses«, weiterentwickelt. Und unter dem vornehm italianisierten Namen »Armonica«
ließ es sich dann auch schnell verbreiten. Bis in die Romantik hinein war die Glashar­
monika verbreitet und beliebt. Ihr einziger Nachteil war ihre Empfindlichkeit. Von den
30 bis 40 ineinandergeschobenen Glasglocken, die auf einer waagerechten Achse mon­
tiert waren und sich, per Pedal angetrieben, drehten, war auch schnell einmal eine
zersprungen.
Natürlich war auch Wolfgang Amadé Mozart, der stets ein feines Ohr für besondere
Klangfarben hatte, fasziniert von der »Armonica«. Der renommierten blinden Glasharmonika-Solistin Marianne Kirchgeßner verhalf er mit dem für sie komponierten Quintett
und einem Solo-Adagio zu Tournee-Erfolgen. Heute ist das Instrument nur noch selten
zu erleben. Umso persönlicher – ja, fast zärtlich – wirkt die Hommage, in der Jörg Widmann anlässlich des 250. Geburtstages von Wolfgang Amadé Mozart darauf zurückgreift. Widmann, selbst virtuoser Klarinettist, war sehr bewegt vom vibrierenden,
schwebenden Klang des Instrumentes.
Kurzinfo für Einsteiger
Wie sind Sie darauf gekommen, sich in diesem Werk mit der Glasharmonika auseinanJörg Widmann ist als Komponist und Klarinettist gleichermaßen erfolgreich wurde 1973 in München
derzusetzen?
geboren studierte Klarinette in München und New York begann mit elf Jahren seinen Kompositions-
Jörg Widmann: Das Stück sollte von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt werden.
unterricht hat Doppelprofessur an der Musikhochschule in Freiburg inne mehrere Klarinettenkonzer-
Und da gibt es diese Legenden über die Wiener Oboe, das Wiener Horn, die solch einen ganz
te wurden ihm als Solist gewidmet, die er auch uraufgeführt hat in seinen Kompositionen widmet sich
Jörg Widmann unterschiedlichen Genres, wie dem Musiktheater, der Orchestermusik, Chormusik, Lied-
eigenen Klang haben. Daher habe ich mich mit einzelnen dieser Musiker getroffen, um zu
und Kammermusik
erfahren, was diesen Klangunterschied ausmacht. Dabei habe ich auch die Wiener Glas4
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harmonika-Virtuosin Christa Schönfeldinger kennengelernt. Als sie mir Mozarts Adagio für
über die Leichtigkeit, das Leicht-Werden zu schreiben. Klarinette und Glasharmonika
Glasharmonika vorspielte, hat mich das zu Tränen gerührt. Mir war sofort klar, wie mein
waren außerdem beides späte Lieblingsinstrumente von Mozart. Und sie haben beide eine
Stück zu klingen hat.
ähnliche Fähigkeit: Nämlich einen Klang aus dem Nichts heraus zu entwickeln. In diesem
Stück entwickelt sich alles aus einem Glasharmonika-Ton. Daraus wird diese musikalische
Und wie haben Sie diese klangliche Vorstellung dann umgesetzt?
Welt gebaut.
J.W.: Das Orchester sollte wie eine einzige Glasharmonika klingen. Was die Form des
Stückes angeht, gibt es also dieses stetige Anschwellen bis zu einem Höhepunkt. Danach
Mit ihrem feinen, schwebenden Klang bildet die Glasharmonika Ausgangs – und End-
schwächt sich das Klanggeschehen allmählich wieder ab, wie eine einzige riesige Atembe-
punkt des ca. 15-minütigen Werkes. Dazwischen bietet sie einen reichhaltigen Nähr­
wegung des Orchesters. Außerdem habe ich versucht, die Einschwingvorgänge aller Instru-
boden, aus dem Widmann verwandte Orchesterklänge ableitet, die bald ein Eigenleben
mente – bis auf einige Sforzati in der Mitte – zu verschleiern. Denn bei der Glasharmonika
entwickeln und sich rhythmisch, melodisch und dynamisch immer weiter zu einem viel-
hört man nie den Anfang. Alles schwebt, jedes klangliche Ereignis im Orchester klingt schon
schichtigen Klangkosmos entwickeln. Harfe, Tamtam, Celesta und Wassergong oder die
10 Sekunden lang, bevor man es bemerkt. Alles ist immer ein bisschen versetzt.
zart perlenden Klangspiele des Klaviers unterstreichen die sphärische, mystische Atmos­
phäre, die hier hervorgerufen wird. Kurz vor Ende des Werkes ertönen, vom Glasharmo-
Welche Rolle spielt dabei das Ein- und Ausatmen? Sie haben viele Luftgeräusche in das
nikasolist gesungene, schlichte Vokalisen. Durch Luftgeräusche, die etwa das Akkordeon
Stück integriert.
durch seinen Blasebalg oder die Holzbläser durch tonloses Blasen erzeugen, erscheint
J.W.: Zwei Instrumente spielen eine besondere Rolle: Glasharmonika und Akkordeon. Gleich
die Atmosphäre des Werkes noch viel unwirklicher, ephemerer und zugleich doch orga-
am Anfang folgt auf das Ein- und Ausschwingen des Glasharmonika-Tons ein Luftgeräusch
nisch. So weckt »Armonica« nicht nur Assoziationen an die Klangwelt des 18. Jahrhun-
des Akkordeons. Die Streicher übernehmen das dann mit ihren Steggeräuschen. Das Stück
derts, sondern scheint zugleich das Verstreichen der Zeit, das Aufflackern und wieder
ist streng und einfach gebaut, reduziert auf eine Bewegung. Die Wiener Philharmoniker
Verlöschen großartiger Epochen mit zu thematisieren.
spielen traditionell sehr kammermusikalisch, das habe ich hier aufgegriffen. Der Streicherapparat ist enorm aufgefächert, jeder hat im Prinzip seine eigene Stimme, die Partitur ist
»Armonica« ist ein Auftragswerk der Stiftung Mozarteum zum 250. Geburtstag von
quasi schwarz durch die Dichte der Ereignisse. Das Ganze soll aber – so wünsche ich es mir
Wolfgang Amadé Mozart und wurde am 27. Januar 2007 durch die Wiener Philharmoni-
jedenfalls – leicht klingen, keine Gravitation haben. Zusätzlich verwende ich verschiedene
ker unter Pierre Boulez im Rahmen der Mozartwoche in Salzburg uraufgeführt.
Schlaginstrumente, wie Celesta, Glockenspiel oder Wassergong, die den übernatürlichen,
sphärischen Klang der Glasharmonika unterstützen. Alles soll schwerelos wirken, wie ein
Amalgam, innerhalb dessen der Eigenklang in einem übergeordneten neuen Klang aufgeht.
Inwiefern nehmen Sie dabei Bezug auf Mozart?
J.W.: In dieser Hommage wollte ich auf keinen Fall Mozart zitieren. Dazu liebe ich diesen
Komponisten zu sehr. Seit ich denken kann, ist er für mich das Größte, was es überhaupt
gibt. Man spricht immer über die Leichtigkeit bei Mozart. Ich habe versucht, eine Studie
Autorin
Julika Jahnke wurde 1969 in Berlin geboren und lebt in Augsburg. Dort produziert sie Beiträge und Texte
über das aktuelle Musikleben für BR Klassik, SWR 2 und MDR Figaro und führt die Geschäftsstelle der
Deutschen Mozart-Gesellschaft in Augsburg. Sie studierte Musikwissenschaft und Nordamerikanistik in
ihrer Heimatstadt Berlin und arbeitet seit 1997 als Autorin und Moderatorin für Kulturwellen der ARD
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Baermanns himmlisches Blasen
Carl Maria von Weber: Klarinettenkonzert Nr. 1 f-Moll
»Dieses Stück war nicht eines jener gewöhnlichen Concerte, die größtentheils aus an
einander gereiheten Passagen bestehen, und bei denen es nur darauf angelegt zu seyn
scheint, den Virtuosen in seinen Kunstsprüngen und Seiltänzereien zu zeigen, sondern
es war vielmehr, wie es den höheren Forderungen an ein Concert entspricht, ein schönes,
würdiges Musik-Stück, was ein planmäßiges, poetisch gedachtes und kunstreich aus­
geführtes Ganzes bildete.«
Dies berichtete das »Journal des Luxus und der Moden« im März 1812 nach einer
Aufführung des 1. Klarinettenkonzerts von Carl Maria von Weber. Solist war der Solo­
klarinettist der Münchner Hofkapelle Heinrich Baermann, den Weber im Jahr zuvor
kennengelernt hatte – Baermann bestellte bei Weber zunächst ein Concertino für sein
Instrument, und als dieses dem König Max Joseph von Bayern ausnehmend gefiel, er-
Carl Maria von Weber, Bild von Caroline Bardua, 1821
hielt Weber sogleich den Auftrag für zwei große Konzerte, die er in erstaunlich kurzer
Zeit im Frühjahr und Sommer 1811 fertigstellte. Das 1. Konzert in f-Moll wurde von
Baermann und der Münchner Hofkapelle unter der Leitung des Komponisten am
13. Juni 1811 mit großem Erfolg uraufgeführt. (Spätere »Ergänzungen« Baermanns sind
zwar bis heute bei Interpreten geläufig, wurden von Weber jedoch im Erstdruck 1822
Kurzinfo für Einsteiger
nicht berücksichtigt.)
Carl Maria von Weber wurde 1786 in Eutin geboren war Schüler von Michael Haydn komponierte ab
dem Alter von 14 Jahren schon seine ersten Opern trat in die Dienste des württembergischen Prinzen
Die Klarinette ist ein relativ junges Orchesterinstrument und entwickelte sich im Laufe
Eugen in Schlesien und des Herzogs Ludwig von Württemberg in Stuttgart Freundschaft zum Klarinet-
des 18. Jahrhunderts aus dem Chalumeau. Und es waren bedeutende Solisten, die zur
tisten Heinrich Joseph Baermann, dem er auch das Klarinettenkonzert op. 73 widmete, das am 13. Juni
Entstehung berühmter Werke für dieses Instrument beitrugen: Anton Stadler inspirier-
1811 in München uraufgeführt wurde war von 1813-16 Operndirektor in Prag wurde 1816 zum Hof­
kapellmeister in Dresden ernannt
te Wolfgang Amadeus Mozart zu dessen Klarinettenquintett wie auch zum unvergleich-
1821 Uraufführung seiner ersten großen Oper »Der Freischütz«
lichen Klarinettenkonzert, Heinrich Baermann beflügelte die Fantasie Webers, und
Weber starb 1826 in London
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Ein Komponistenleben für die »Neue Einfachheit«
Sergej Prokofjew: Sinfonie Nr. 7
später war Johannes Brahms von dem Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld so angetan, dass er ein Trio, ein Quintett und zwei Sonaten für ihn schrieb, obwohl er eigentlich das Komponieren schon aufgeben wollte.
Webers 1. Klarinettenkonzert in f-Moll ist zwar in der üblichen dreisätzigen Form
gehalten, innerhalb der einzelnen Sätze aber unterscheidet es sich beträchtlich vom
Konzertmodell Mozarts und Beethovens. Zwar ist Webers Rondo-Finale noch der relativ
konventionellste Satz, worin ein kapriziöses Hauptthema dem Solisten reichlich virtuose
Möglichkeiten bietet. Ansonsten aber ist das Stück kein Virtuosenkonzert im oberfläch­
lichen Sinne der Zeitmode, doch auch der gewohnten Konzertdramaturgie geht Weber
aus dem Wege. So ist im ersten Satz zwar eine rudimentäre Form des Sonatenkonzepts
zu erkennen, wesentlicher aber ist, dass Weber eine Reihe einfacher Themenbildungen
im Laufe des Satzes gleichsam assoziativen Varianten unterwirft, so dass die Aufeinanderfolge und Verarbeitung nicht unbedingt dem Formschema Exposition-Durchführung-Reprise entspricht. Die neueste Weber-Forschung spricht deshalb auch von einem
Von der westlich geprägten Avantgarde wird die siebte Sinfonie op. 131 in cis-Moll von
»narrativen« (»erzählenden«) Komponieren, welches eher Stimmungsgehalten folgt, die
Sergej Prokofjew nach ihrer Uraufführung 1952 als ein völlig aus der Zeit gefallener
dann die formale Entfaltung generieren. Dies lässt sich auch im melodieseligen zweiten
Nachtrag zum Neoklassizismus belächelt. Ein Stück weit sollte Prokofjew dieses Verdikt
Satz erkennen, einer deutlichen Mozart-Reminiszenz. Der dreiteiligen Liedform wurde
selbst befördern mit seiner Aussage, diese Sinfonie sei ein dezidierter Beitrag zur
ein choralartiger Satz für drei Hörner und die Soloklarinette implantiert, der dann auch
»Neuen Einfachheit«. Das wird plakativ und daher falsch verstanden. Diese »Neue
am Schluss des Satzes wieder aufgenommen wird. Die Spannungen des eher melan­
Einfachheit« ist jedoch nicht, wie von der westlichen Kritik bitterböse konstatiert, ein
cholischen Kopfsatzes und des entrückten, aber durch den Choral leicht eingetrübten
völliges »Abrutschen in die Banalität«, sie ist geprägt von Prokofjews Grundbedürfnis
zweiten Satzes werden im »befreiten« Finale in F-Dur gelöst und zu einem prachtvollen
nach klaren, durchsichtigen Strukturen. Diese Sinfonie ist deshalb auch kein Werk im
Abschluss geführt.
Sinne sowjetischer Kunstideologie, dessen Komponist sich abgewandt hat »von den Auswüchsen des Formalismus und seine endliche Hinwendung zu den ästhetischen Forderungen des sowjetischen Volkes« wie die Prawda 1952 schrieb. Prokofjew ist Kind seiner
Zeit und Außenseiter zugleich, sein Werk eng mit seiner Biographie verknüpft.
Autor
Kurzinfo für Einsteiger
Dr. phil. Hartmut Lück studierte Musikwissenschaft, Slavistik und Germanistik. Seit 1972 lebt er als freiberuflicher Wissenschaftler und Journalist in Bremen. Seit 1983 ist er Juror beim »Preis der deutschen
Sergej Prokofjew russischer Komponist wurde 1891 auf Gut Sonzowka im Gouvernement Jekaterinos­
Schallplattenkritik«. Im Jahre 1988 erhielt er von der Berliner Akademie der Künste den erstmals verliehe-
law geboren und starb 1953 in Moskau
nen »Hörfunkpreis Vermittlungsformen Neuer Musik«. In der Buchreihe »edition neue zeitschrift für
seiner Mutter und Reinhold Glière
musik“ des Schott-Verlages Mainz publizierte er u.a. Aufsätze über Helmut Lachenmann, Mauricio Kagel,
von 13 Jahren 1908 Debüt als hervorragender Pianist mit anschließenden Konzertreisen im Ausland
erhielt den ersten Unterricht in Klavier und Komposition von
begann sein Studium am St. Peterburger Konservatorium im Alter
Pierre Boulez, Erkki-Sven Tüür und George Benjamin sowie gemeinsam mit Dieter Senghaas das Buch
errang eine große Popularität vor allem mit seinen Balletten
»Den Frieden komponieren? «
und letzte Sinfonie
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1951/52 komponierte er seine siebente
annähert und 1936 endgültig zurückkehrt. Anders als Schostakowitsch, der im selben
Jahr für seine Oper »Lady Macbeth von Mzensk« von der Prawda als Komponist schier
vernichtet wird, sieht sich Prokofjew hofiert. Das wird nicht immer so bleiben. In späteren Jahren wird auch er gemaßregelt. Doch es wäre leichtfertig, die siebte und letzte
seiner Sinfonien als Konzession an die sowjetische Kulturideologie zu lesen. Denn die
bewusste Hinwendung Prokofjews zur »Neuen Einfachheit« beginnt schon Jahrzehnte
zuvor. 1929 beschreibt er in einem Interview seine Lesart davon als eine Anlehnung an
Bach, Mozart und Haydn, als eine vor allem melodisch fokussierte Kompositionsweise.
Jahrzehnte später sollte er als Pendant zu seiner frühen »Symphonie Classique« (1918)
mit der siebten Sinfonie die Quintessenz dieser Idee vorlegen.
Die Siebte ist klassisch viersätzig angelegt, mit einem klar gegliederten liedhaften
Sonatensatz zu Beginn. Auf diesen folgt ein elegisch gefärbter Walzer (Allegretto) und
ein lyrisches Andante espressivo. Das Finale ist als typischer Kehraus gesetzt. Scharfe,
dissonante Kontraste sind in allen vier Sätzen die Ausnahme. Im ersten Satz wird in
mancher harmonischer Wendung der Tonfall Tschaikowskys gestreift. Der sinfonische
Walzer im zweiten Satz zitiert stilistische Eigenheiten eines Michail Glinka, eines Alexander Glasunow. Der langsame Satz ist als Referenz Prokofjews an den langsamen Satz von
Schumanns zweiter Sinfonie angelegt. Im Finale zitiert sich Prokofjew selbst. Paraphrasiert scheinen Themen aus seiner Ballettmusik zu »Romeo und Julia« oder aus »Aschenbrödel« auf. Als man dem todkranken Prokofjew von der Uraufführung berichtete, soll
er wiederholt gefragt haben: »Ist die Musik auch nicht zu einfach?« Beweis genug
dafür, dass es ihm um die Kunst ging und nur darum.
Sergej Prokofjew in New York, 1918
Geboren wird Prokofjew 1891 im zaristischen Russland. Der Vater führt ein großes Gut
in der Ukraine. Die Mutter arbeitet als Lehrerin. In den Wintermonaten reist sie mit ihrem Sohn regelmäßig nach St. Petersburg und Moskau, um Theater, Opern und Konzerte
zu besuchen. Dieses Russland, in dem Prokofjew aufwächst, ist im weitesten Sinn liberal
geprägt. Nichts deutet darauf hin, dass Prokofjew Zeitzeuge der Oktober­revolution wer-
Autorin
den würde, der rigiden Herrschaft Lenins und danach der Schreckens­herrschaft Stalins.
Annette Eckerle studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Neuere Literaturwissenschaft. Sie arbei-
Die Generation Prokofjews sollte sich unter diesen Vorzeichen in Sympathisanten, Mit-
tete als freie Musikjournalistin in Stuttgart (u.a. für die Stuttgarter Zeitung, die Neue Zeitschrift für
läufer, aktive Parteigänger und Emigranten spalten. Prokofjew, von Zeitgenossen in po-
Musik, Das Orchester und diverse andere Tageszeitungen) sowie als Dramaturgin für das SWR Vokalen-
litischen Dingen als desinteressiert, ja naiv beschrieben, verbringt lange Jahre im euro-
semble Stuttgart. Seit September 2012 ist sie bei Musik der Jahrhunderte in Stuttgart verantwortlich für
päischen Ausland und in den USA, bevor er sich Ende der 1920er Jahre der Heimat wieder
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Dramaturgie.
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Biografien
Jörg Widmann
Der Klarinettist, Komponist und Dirigent Jörg Widmann gehört zu den aufregendsten
und vielseitigsten Künstlern seiner Generation. In der kommenden Saison wird er als
Residenzkünstler gleich bei mehreren Festivals zu erleben sein: Beim Grafenegg Festival,
Rheingau Musik Festival und dem Mozartfest Würzburg. Im Rahmen des Festivals
»Présences«von Radio France wird er als Solist mit dem Orchestre National de France,
beim George Enescu Festival in Bukarest und Storioni Festival Eindhoven als Solist und
Dirigent zu Gast sein. Weitere solistische Auftritte führen ihn in diesem Jahr zu den
Dresdner Philharmonikern, Orchestre Philharmonique de Montréal, Radio-Sinfonie­
orchester Stuttgart des SWR, Helsinki Philharmonic Orchestra, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Toronto Symphony Orchestra und dem Deutschen Sinfonieorchester
Berlin mit Heinz Holliger. Als Kammermusiker kehrt er zurück zum Lincoln Center New
York, zu den Salzburger Festspielen und dem Musikverein Wien. Er wird mit namhaften
Künstlern wie dem Hagen Quartett, Arcanto Quartett, mit András Schiff, Tabea Zimmermann, Elisabeth Leonskaja und Nicolas Altstaedt zusammenarbeiten. Der Bariton Christian Gerhaher wird im Wiener Konzerthaus seinen Liederzyklus für Bariton und Klavier,
das WDR Sinfonieorchester Köln unter Emilio Pomàrico seinen Labyrinth Zyklus in der
Kölner Philharmonie uraufführen.
Seine Tätigkeiten als Dirigent erweitert Jörg Widmann stetig und setzt seine Position als
ständiger Gastdirigent beim Irish Chamber Orchestra fort. Ausgebildet von Gerd Starke
und Charles Neidich ist der Klarinettist Jörg Widmann regelmäßig zu Gast bei bedeutenden Orchestern im In- und Ausland und konzertiert mit Dirigenten wie Christoph von
Dohnányi, Sylvain Cambreling, Christoph Eschenbach, Kent Nagano und Franz WelserMöst. Mehrere Klarinettenkonzerte sind ihm gewidmet und durch ihn uraufgeführt
worden, unter anderem etwa die Musik für Klarinette und Orchester von Wolfgang
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rung der Spielzeit 2003/04 gewählt, sondern erhielt auch den Ehrenpreis der Münchner
Opern-Festspiele. 2006 erhielt Jörg Widmann den Kompositionspreis des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg für die bemerkenswerteste Uraufführung der Donaueschinger Musiktage sowie den Claudio-Abbado-Kompositionspreis der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker.
Zentral im kammermusikalischen Schaffen stehen seine Streichquartette. Für großes
Orchester hat Widmann eine Trilogie über die Projektion vokaler Formen auf instrumentale Besetzungen konzipiert. Sie besteht aus den Werken Lied, Chor und Messe. 2005
wurde Labyrinth durch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin uraufgeführt und
Armonica durch die Wiener Philharmoniker unter Pierre Boulez (2007). Im selben Jahr
erfolgten die Uraufführung seiner Elf Humoresken für Klavier solo durch Yefim Bronfman in der Carnegie Hall New York und die des für Christian Tetzlaff geschriebenen
Violinkonzertes. Zu Beginn der Saison 2008/09 führte das Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons sein Werk für Orchester Con brio auf. Auf
einen durch das Siemens Arts Program geförderten Arbeitsaufenthalt in Dubai folgte
die Komposition Dubairische Tänze und 2009 wurde zum 20-jährigen Jubiläum der
Pariser Opéra Bastille die Musik-Installation Am Anfang von Anselm Kiefer und Jörg
Widmann uraufgeführt. Widmann agierte hier als Komponist, Klarinettist und gab sein
Debut als Dirigent. Im Mai 2011 wurde sein Flötenkonzert Flûte en suite von Joshua
Smith und dem Cleveland Orchestra unter der Leitung von Franz Welser-Möst uraufgeführt, das in der Saison 2012/13 seine europäische Erstaufführung mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle erlebte. Unter der Leitung von Kent Nagano und
unter Mitwirkung namhafter Sänger eröffnete die Uraufführung seiner Oper »Babylon«
die Spielzeit 2012/13 an der Bayerischen Staatsoper München, weitere Aufführungen
des Werkes stehen auf dem Spielplan. Die Alte Oper Frankfurt widmete ihm in derselben
Saison ihr Komponistenporträt »Auftakt«, im Rahmen dessen Aufführungen seiner
Rihm (1999) und Cantus von Aribert Reimann (2006). Als Nachfolger von Dieter Klöcker
Werke u.a. mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Paavo Järvi auf dem
ist Widmann Professor für Klarinette an der Hochschule für Musik Freiburg, außerdem
Programm standen.
hat er eine Professur für Komposition inne. Komposition studierte Jörg Widmann bei
Kay Westermann, Wilfried Hiller und Wolfgang Rihm. Sein Schaffen ist vielfach ausge-
Widmann ist Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin und ordentliches Mitglied der
zeichnet, unter anderem mit dem Belmont-Preis für zeitgenössische Musik der Forberg-
Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Freien Akademie der Künste Hamburg
Schneider-Stiftung (1999), dem Schneider-Schott-Musikpreis (2002), dem Paul-Hinde-
(2007) und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (2007). Jörg Widmann
mith-Preis des Schleswig-Holstein-Festivals (2003), dem Arnold Schönberg-Preis des Ar-
lebt und arbeitet in Freiburg und München.
nold Schönberg-Centers Wien und des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (2004),
sowie mit dem renommierten, nur alle zwei Jahre verliehenen Stoeger Prize der New
Yorker Chamber Music Society of Lincoln Center (2009). 2003 erhielt er den begehrten
Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung. Seine Oper Das Gesicht im Spiegel
wurde nicht nur von der Fachjury der Zeitschrift »Opernwelt« zur wichtigsten Urauffüh16
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Dima Slobodeniouk
In Russland aufgewachsen, erhielt Dima Slobodeniouk seine musikalische Ausbildung in
Finnland, seiner heutigen Heimat. Die Fähigkeit, die musikalischen Traditionen und den
Ausdruck beider Länder zu vereinen, macht ihn zu einem der interessantesten Repräsentanten der jungen Dirigentengeneration. Geboren in Moskau, studierte Slobodeniouk von
1980-1989 Violine an der Zentralen Musikschule bei Z. Gilels und J. Chugajev. Er setzte sein
Studium anschließend am Konservatorium Moskau, am Konservatorium Mittelfinnland
sowie an der Sibelius Akademie fort. 1994 nahm er zudem das Dirigierstudium auf und
erhielt 1996-1998 Unterricht von Atso Almila. Er vertiefte sein Studium an der Sibelius
Akademie bei Leif Segerstam, Jorma Panula und studierte bei Ilja Musin und Esa-Pekka
Salonen. 2001 schloss er sein Studium an der Sibelius Akademie mit Auszeichnung ab.
Vergangene Saison hatte Dima Slobodeniouk sein Debüt bei renommierten Orchestern
wie dem Gewandhausorchester Leipzig, hr-Sinfonieorchester, Deutschen Symphonieorchester Berlin, der Dresdner Philharmonie, Staatskapelle Weimar, dem Sinfonieorchester
Als Chefdirigent des Oulu Symphony Orchestra (2005-2008) dirigierte Dima Sloboden-
St. Gallen, Swedish Radio Symphony Orchestra und Malmö Symphony Orchestra. 2011/12
iouk zuletzt die Opernproduktionen Les Contes d’Hoffmann, Don Giovanni und Orfeo ed
kehrt Slobodeniouk erneut an das Pult des Luzerner Sinfonieorchesters, des RAI Turin,
Euridice. Im Mai 2010 debütierte er an der Royal Swedish Opera in Stockholm mit Tosca.
Netherlands Philharmonic, Orchestre Philharmonique de Strasbourg und des Malmö
Symphony Orchestra zurück und dirigiert unter anderem erstmalig das Radio-Sinfonie-
Der junge Dirigent wird zunehmend für seine Zusammenarbeit mit zeitgenössischen
orchester Stuttgart des SWR, die Essener Philharmoniker, das Orchestre Philharmonique
Komponisten geschätzt. Als künstlerischer Leiter des alle zwei Jahre stattfindenden
de Radio France wie auch das Orquesta Sinfónica de Castilla y León.
Korsholm Musikfestivals hat sich Slobodeniouk 2009 vor allem dem Werk des jungen
Komponisten Sebastian Fagerlund gewidmet. Slobodeniouk hat seine Werke mit dem
Zu den Solisten, mit denen er zusammenarbeitet, zählen Künstler wie Daniel Müller-
Gothenburg Symphony Orchestra für das Label BIS eingespielt, die CD wurde im Frühjahr
Schott, Baiba Skride, Kari Kriikku, Katia Buniatishvilli, Jean-Guihen Queyras, Nikolai De-
2011 veröffentlicht. Slobodeniouk leitet als Gast das Avanti! chamber orchestra in zahlrei-
midenko, Yevgeny Sudbin, Håkan Hardenberger, Patricia Kopatchinskaja, Gil Shaham,
chen Konzerten, so auch beim Summer Sounds Festival 2009, wo Werke von Jukka Tiensuu,
Arabella Steinbacher, Lise de la Salle und Kristine Opolais.
Kirmo Lintinen, Markus Fagerrud und Jaako Kuusisto auf dem Programm standen.
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Vorschau
SILVESTERKONZERT
RSO Feuerwerk
Di 31. Dezember 2013, 17 Uhr
Stuttgart, Liederhalle, Hegelsaal
in Verbindung mit StuttgartKonzert
Richard Wagner
Die Meistersinger:
Vorspiel (3. Aufzug) / Tanz der Lehrbuben (3. Aufzug) / Vorspiel (1. Aufzug)
Luigi Bassi
Fantasia da concerto
mit Motiven aus Verdis Oper Rigoletto für Klarinette und Orchester
Antonín Dvor ák
Slawischer Tanz e-Moll op. 72 Nr. 2 / Slawischer Tanz g-Moll op. 46 Nr. 8
Bedr ich Smetana
Ouvertüre zur Oper »Die verkaufte Braut«
GASTKONZERT
In Verbindung mit der Internationalen Bachakademie Stuttgart
Antonio Pasculli
Sakral Modern II
Konzert für Oboe und Orchester
Fr 20. Dezember 2013, 19 Uhr
über Motive aus der Oper »Die Favoritin von Donizetti«
Stuttgarter Liederhalle, Beethovensaal
Antonín Dvor ák
Igor Strawinsky
Romanze für Violine und Orchester f-Moll op. 11
Vom Himmel hoch, Choralvariationen für Chor und Orchester nach J.S. Bach
Richard Strauss
Ottorino Respighi
Rosenkavalier-Suite für Orchester op. 59
Lauda per la Natività del Signore, Kantate für Soli, gemischten Chor und
Natalie Chee, Violine
Instrumentalensemble
Philippe Tondre, Oboe
Arthur Honegger
Sebastian Manz, Klarinette
Une cantate de Noël für Bariton, Orgel, gemischten Chor und Orchester
Moderation: Kerstin Gebel
Jeannette Köhn (Sopran)
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Roxana Constantinescu (Mezzosopran)
Dirigent: Asher Fisch
Maximilian Schmitt (Tenor)
Jean-Sébastian Bou (Bass)
Südwestpfälzer Kinderchor Münchweiler
Gächinger Kantorei Stuttgart
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Leitung: Stéphane Denève
Im Gespräch:
Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber und Prof. Götz W. Werner
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RSO KONZERTZYKLUS 5
UNSER GESCHENKTIPP:
Do 16. Januar 2014, 20 Uhr A
Fr. 17. Januar 2014, 20 Uhr B
Das Benefizkonzert des RSO Stuttgart
zugunsten der Baydur-Stiftung
»Zukunfts-Musik«
Liederhalle Stuttgart, Beethovensaal
19 Uhr Einführung mit Meinhard Saremba
Maurice Ravel
Pavane pour une infante défunte für Orchester
Sergej Rachmaninow
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 g-Moll op. 40
So 4. Mai 2014, 11 Uhr
Stuttgart, Liederhalle, Mozart-Saal
Igor Strawinsky
Der Feuervogel, Ballett-Suite für Orchester (1919)
Jean Baptiste Lully
Suite aus »Le Bourgeoise Gentilhomme«
Georg Philipp Telemann
Konzert für Flöte, Oboe d'amore und Viola d'amore
Jean-Philippe Rameau
Suite aus »Abaris ou Les Boréades«
Felix Mendelssohn Bartholdy
Sinfonie Nr. 1 c-Moll
Nicholas Angelich, Klavier
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Dirigent: Stéphane Denève
Ahmet Baydur mit Kindern
Gaby Pas-van Riet, Flöte
Philippe Tondre, Oboe
Gunter Teuffel, Viola d´amore
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Dirigent: Sir Roger Norrington
Unterstützen sie mit dem Kauf einer Eintrittskarte die Projekte der BaydurStiftung »Zukunfts-Musik«. Ein wichtiges Ziel der Stiftung ist die Heranführung
von Kindern und Jugendlichen aus allen Bevölkerungsschichten an die europä­
ische Musikkultur. Dabei soll vorrangig die Integration von Kindern mit Migra­
tionshintergrund bzw. die Förderung von Kindern aus benachteiligten Schichten
unterstützt werden. www.baydur-stiftung.de
Tickets ab sofort erhältlich!
SWR2KulturService 07221 300 200 • [email protected]
Quellen: Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.
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Herausgeber
SÜDWESTRUNDFUNK
Marketing SWR2/SWR Orchester & Ensembles
Orchestermanagement/
Konzeption der Veranstaltungen
Felix Fischer
Redaktion
Kerstin Gebel
Friederike Wild (Mitarbeit)
Gestaltung
SWR Design Stuttgart
Umschlagsfoto
Marco Borggreve
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facebook.com/RSO.SWR
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