Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen

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Stefan Loubichi
Kölner Lesebuch
gegen das Vergessen
der NS Verbrechen
oder
Elf kurze Beiträge, damit wir aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen
und sich eine Barbarei wie das NS Regime nie mehr wiederholt
Vorwort:
Bis in die Mitte der 1980er Jahre erfolgte maximal eine rudimentäre Aufarbeitung der Schrecken der
Nazi-Verbrechen. Und erst am Ende des 20. Jahrhunderts wurde wirklich in wissenschaftlicher Art und
Weise für weite Teile unserer Bevölkerung das Thema NS-Diktatur aufgearbeitet. Gewollt oder
ungewollt gerät die Aufarbeitung des Naziterrors immer mehr in Vergessenheit, obgleich im Jahr 2015
das Ende dieser Schreckensherrschaft erst siebzig Jahre her ist.
Nun mag man vielleicht einwenden, dass Antisemitismus der Vergangenheit angehöre und es keine
antisemitischen Straftaten mehr gäbe. Hierzu eine aktuelle Statistik der Amadeu Antonio Stiftung bzgl.
der antisemitischen Straftaten 2014 in Deutschland nach Quartal:
I. Quartal 2014:
191 Straftaten
II. Quartal 2014:
159 Straftaten
III. Quartal 2014:
302 Straftaten
IV. Quartal 2014:
212 Straftaten
Quelle:http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/antisemitismus-in-deutschland-ein-lagebild-2015/
Wir reden hier von 864 [!] gemeldeten antisemitische Straftaten. Die Dunkelziffer ist hier gar nicht mit
eingerechnet.
Interessant ist aber auch der tendenziell eher zurückhaltende Verfassungsschutzbericht vom 30. Juni
2015, der für das Jahr 2014 von 10.500 gewaltorientierten Rechtsextremisten spricht.
Mit aller Entschiedenheit müssen alle demokratischen Kräfte versuchen, ein Erstarken aller derjenigen
zu verhindern, die auch nur ansatzweise etwas Gutes in der Hitler-Diktatur sehen.
Dieses Kölner Lesebuch präsentiert elf kurze Beiträge, die aufzeigen wollen, wie verbrecherisch das
NS-Regime wirklich war und verweist zum Ende jeden Abschnitts auf spezielle Literaturquellen oder
Internetquellen, in der noch weitere Informationen zu dem Themengebiet zu finden sind. Mit diesem
Lesebuch soll erreicht werden, dass sich vor allem jüngere Menschen mit dieser Thematik beschäftigen
und sich einfach ihren Beitrag aussuchen, der Ihnen zeigt, wie das System damals wirklich war.
Durch die Zahlen, Daten und Fakten kann dann jeder in seinem persönlichen Umfeld dafür sorgen, dass
„Rechte“ in ihrer Agitation entlarvt werden. Bei diesem Werk geht es aber nicht nur um das Entlarven
der „rechten“ Agitation. Vielleicht gelingt es auch in verschiedenen Einzelfällen, Verirrte auf den Weg
der Demokratie und des Rechtsstaates zurück zu bringen.
Lassen Sie uns doch an das in Deutschland im Jahr 2008 gezeigte deutsche Filmdrama „Die Welle“
denken, welches mehr als 2 ½ Millionen Kinobesuchern aufzeigte, wie leicht manipulierbar wir alle
letztlich doch sind. Sicherlich gibt es auch bei „rechten Jugendlichen“ einige manipulierte junge
Menschen, die es nicht besser wissen, die aber umkehren würden, wenn sie die wahren Fakten kennen
würden.
An diesem Werk will der Autor nichts verdienen. Wenn Sie der Auffassung sind, das Ihnen das Werk
etwas gebracht hat, dann können Sie natürlich gerne spenden, zum Beispiel an:
 Zukunft braucht Erinnerung e.V.; www.zukunft-braucht-erinnerung.de
 Yad Vashem; www.yadvashem.org/yv/de/index.asp
 Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft; www.stiftung-evz.de/
 Dokumentations- und Kulturzentrum Sinti und Roma; www.sintiundroma.de
 Zentralrat der Juden in Deutschland, www.zentralratjuden.de
Und natürlich gäbe es noch viele weitere Organisationen, die es wert wären, mit Spenden bedacht zu
werden.
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Über den Autor:
Der Autor, Jahrgang 1966, ist Migrant [Vater Deutscher, Mutter Italienerin] und wuchs in einem
multikulturellen Umfeld auf. Über das Thema Nationalsozialismus wurde in seiner Familie aber
genauso wenig gesprochen wie über das Thema II. Weltkrieg. Lediglich am Rande erfuhr der Autor,
dass er einen Onkel hatte, der am 30. April 1945 im II. Weltkrieg als Mitglied der Luftwaffe der
Deutschen Wehrmacht gestorben sei. Auf Nachfragen wurde dem Autor nie näheres mitgeteilt.
Folglich interessierte den Autor das Unterrichtsfach Geschichte sehr und so kam es nicht von ungefähr,
dass Geschichte ein Prüfungsfach im Abitur war. Interessanter Weise schien es jedoch zwischen 1933
und 1945 nichts geschichtsrelevantes gegeben zu haben, denn an den Geschichtsunterricht bzgl. dieses
Zeitraums kann sich der Autor nicht erinnern. Der Geschichtsunterricht endete mit der
Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 und der Politik-Unterricht reflektierte die Zeit nach Ende des II.
Weltkrieges.
Nach dem Abitur waren für den Autor dann erst einmal Themen wie Ausbildung, Studium und erste
Berufserfahrungen von prioritärem Gewicht. Erst im Alter von knapp 30 Jahren erwachte beim Autor
wieder das Interesse an der deutschen Geschichte von 1933 – 1945. Steven Spielbergs Film „Schindlers
Liste“ aus dem Jahr 1993 bewegte ihn damals sehr und er begann wieder bei der Familie nachzufragen,
wie das denn eigentlich wirklich war. Heute weiß der Autor, dass er damals die üblichen
Schutzbehauptungen hörte, wie:
-
Wir haben von nichts gewusst, woher auch.
Aber irgendwie gab es damals für alle Arbeit.
Und eine Frau konnte nachts auf die Straße gehen, ohne Angst zu haben.
Nach und nach erschloss sich der Autor dann aber selbst die Thematik der Verbrechen des
Nationalsozialismus. Als Autor der Online-Plattform www.zukunft-braucht-erinnerung.de engagiert er
sich mit diversen Artikeln über Themen aus der Schreckensherrschaft der NS-Diktatur.
Mit diesem Werk will er einen Beitrag dafür liefern, dass die Verbrechen der NS Diktatur methodischdidaktisch aufbereitet werden, damit man an verschiedenen Themenbereichen ersehen kann, dass die
NS-Diktatur zweifelsfrei der dunkelste Fleck der Menschheitsgeschichte war und dass wir hieraus
lernen müssen.
Gleichheitsbekenntnis:
In diesem Werk findet sich oftmals bei unspezifischen Formulierungen die männliche Form. Dies soll
kein Ausdruck irgendeiner Benachteiligung oder Diskriminierung darstellen. Der Autor bekennt sich an
dieser Stelle ausdrücklich zum Gender Mainstreaming, den Aspekten des Diversity Management sowie
der im Grundgesetz garantierten Gleichheit aller Menschen sowie den gesetzlichen Bestimmungen des
AGG.
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INHALTSVERZEICHNIS:
Vorwort
Über den Autor
Gleichheitsbekenntnis
Inhaltsverzeichnis:
01
02
02
04
20.01.1942 Wannseekonferenz – der dunkelste Tag der deutschen Geschichte
05
Stille Hilfe – eine „Hilfsorganisation“ für NS-Mörder
12
Militärprostitution im Dritten Reich
19
Systematische Verbrechen der Wehrmacht
24
Die IG Farben-Industrie und ihre Rolle im III. Reich
32
SS-Mitglied Prof. Dr.-Ing. von Braun – leider mehr als ein Wissenschaftler
39
Die unrühmliche Rolle der Evangelischen Kirche im Dritten Reich
47
Thule Gesellschaft – ein Ideengeber der NS-Ideologie
54
Der Holocaust an Sinti und Roma
59
Der Naumann Kreis: Der missglückte Versuch von ehemaligen Nazis, in den 1950ern
die FDP in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen
64
Aktion T4 – Systematischer Mord der Nazis an behinderten Menschen
69
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20.01.1942 Wannseekonferenz – der dunkelste Tag der deutschen Geschichte
Rom hatte Unmenschen wie einen Nero, in der Sowjetunion wütete Stalin und in Deutschland war
Hitler zweifelsfrei das Maß aller Unmenschlichkeit. Die Perversität der Nazis in ihren Morden
unterscheidet sich aber von anderen Untaten zweifelsfrei dadurch, dass noch niemals in der bekannten
Geschichte so systematisch ein Völkermord geplant wurde wie bei den Nazis. Und wenn es ein
spezielles Datum gibt, aus dem die Systematik des Völkermordes der Nazis ersichtlich wird so ist dies
der 20. Januar 1942, der Tag der Wannseekonferenz. Aus diesem Grunde muss und wird dieser Tag
leider als der dunkelste Tag der deutschen Geschichte in die entsprechenden Annalen eingehen.
Am 20. Januar 1942 kamen in einer Villa am Berliner Wannsee 15 hochrangige Vertreter der NS
Regierung und der NS Behörden zusammen, um den Holocaust im Detail zu planen. Welchen
Völkermord die Nazis am 20. Januar 1942 planten, lässt sich daran erkennen, dass man in der
historischen Aufarbeitung später ein Dokument mit dem Titel „Liste der jüdischen Bevölkerung in
Europa“ fand, aus der hervorgeht, dass die Nazis am 20. Januar 1942 den Mord an über 11.000.000
Menschen planten!
Dass wir in der historischen Aufarbeitung überhaupt so genaue Kenntnisse über die
Wannseekonferenz haben, ist im Übrigen einem Zufall zu verdanken. Denn nur durch Zufall entging
das 15seitige Exemplar des Wannseeprotokolls von AA-Unterstaatssekretär Martin Luther der
Vernichtung. Besagter Martin Luther verlor einen internen Machtkampf im Auswärtigen Amt gegen
seinen Vorgesetzten Reichsaußenminister Ribbentrop und wurde 1943 ins KZ Sachsenhausen
verbracht. Dort erhielt er eine Sonderbehandlung, d.h. seine Haft erfolgte unter relativ guten
Bedingungen. Als Ursache hierfür ist der „nachvollziehbare“ Grund zu sehen, dass man Luther in einem
besonderen Schauprozess später vorführen wollte. Im Zuge dessen wurden alle Akten Luthers, auch
sein persönliches Exemplar des Protokolls der Wannseekonferenz ausgelagert. Als die Alliierten dann
1945 vor Berlin standen, glaubten SS und Auswärtiges Amt alle Protokolle der Wannseekonferenz
vernichtet zu haben, vergasen dabei aber wohl das ausgelagerte Protokoll Martin Luthers. Anfang März
1947, d.h. mitten in der Vorbereitung auf den „Wilhemstraßen-Prozess“ fand sich ein dickes Paket mit
der Aufschrift „D“, was für die Deutschland – Abteilung des Auswärtigen Amtes stand. In diesem dicken
Paket fand sich dann durch Zufall das Protokoll der Wannseekonferenz. Der Inhalt dieses Protokolls
war für den Chefankläger im Wilhelmstraßenprozeß, Telford Taylor, auch erst einmal so unglaublich,
dass es um Haaresbreite nicht verwendet worden wäre.
Die Aussagen des Protokollanten Adolf Eichmann zur Wannseekonferenz
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Protokollanten der
Wannseekonferenz (Adolf Eichmann) in seinem Prozess, hier speziell in seiner Prozessvernehmung am
24.07.1961 zur Wannseekonferenz:
Richter:
Jetzt wegen des Wannseeprotokolls - wegen der Wannseetagung – hier haben Sie meinem Kollegen,
dem Richter Raven, geantwortet, dass in dem Teil, der nicht im Protokoll erwähnt ist - über
Tötungsmethoden gesprochen wurde.
Eichmann:
Jawohl.
Richter:
Wer hat über dieses Thema gesprochen? Da?
Eichmann:
Im Einzelnen ist mir diese Sache heute nicht mehr gegenwärtig, Herr Präsident, aber ich weiß, dass die
Herren beisammen gespannt und beisammen gesessen sind und da haben sie eben in sehr
unverblümten Worten - nicht in den Worten, wie ich sie dann ins Protokoll geben musste, sondern in
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sehr unverblümten Worten die Sache genannt - ohne sie zu kleiden. Ich könnte mich dessen auch
bestimmt nicht mehr erinnern, wenn ich nicht wüsste, dass ich mir damals gesagt hätte: schau, schau
der Stuckart, den man immer als einen sehr genauen und sehr heiklen Gesetzesonkel betrachtete und
da hier wars eben der Ton und die ganzen Formulierungen waren hier sehr unparagraphenmäßig
gewesen …
Richter:
Was hat er über dieses Thema gesagt?
Eichmann:
Im Einzelnen, Herr Präsident, möchte ich
Richter:
Nicht im Einzelnen - im Allgemeinen!
Eichmann:
Es wurde von Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen. Ich selber hatte ja meine
Vorbereitungen zu machen für die Protokollangelegenheit - ich konnte nicht dastehen und einfach
zuhorchen - aber die Worte drangen eben zu mir herein - zu mir ran, denn das Zimmer war ja nicht zu
groß gewesen, als dass man in dem Wortschwall nicht einzelne Worte hätte aufgeschnappt
Richter:
Aber auch diese Sachen wurden von den Stenographen oder der Stenographin aufgenommen?
Eichmann:
Von den Stenographen. Jawohl.
Richter:
Und Sie haben anscheinend dann den Auftrag bekommen, das nicht in das offizielle Protokoll
hineinzuschreiben.
Eichmann:
Jawohl, das war so gewesen. Die Stenotypistin saß neben mir und ich hatte dafür zu sorgen, dass das
alles aufgenommen wird. Und nachher hatte dann die Stenotypistin das abgeschrieben und Heydrich
hat dann bestimmt, was in das Protokoll hineinkommen soll und was nicht. Und dann hatte er es
gewissermaßen noch abgeschliffen und damit war die Sache fertig.
Es ist im Übrigen mehr als seltsam, dass man sich dieses Protokolls in der historischen Aufarbeitung
nur so rudimentär bedient. Durch die glaubwürdigen Ausführungen des Protokollanten zur
Wannseekonferenz ist eindeutig, dass die Nazis den größten Völkermord in der Geschichte der
Menschheit systematisch planten. Interessant ist aber auch, dass die Teilnehmer an der
Wannseekonferenz (alles hochrangige NS-Funktionäre) im Januar 1942 wohl durchaus schon Zweifel
an ihrem Sieg hatten, denn nur so lässt sich ernsthaft erklären, dass wesentliche Aspekte nicht im
offiziellen Protokoll erwähnt wurden.
Kommen wir nun aber zu dem Papier, welches die Wannseekonferenz erst auslöste.
Görings Auftrag an Heydrich vom 31. Juli 1941
Mittelbarer Ausgangspunkt der systematischen Planung des Völkermordes ist ein Schriftsatz von
Hermann Göring vom 31. Juli 1941 an SS Obergruppenführer Heydrich (in seiner Funktion als Chef der
Sicherheitspolizei und des SD), aus dem wie folgt zitiert wird:
„In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlass vom 24.1.1939 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in
Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst
günstigen Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in
organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage
im deutschen Einflussgebiet in Europa. Sofern hierbei die Zuständigkeiten anderer Zentralinstanzen
berührt werden, sind diese zu beteiligen. Ich beauftragte Sie weiter, mir in Bälde einen Gesamtentwurf
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über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der
angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen.“
Dass Göring diese Beauftragung ohne Kenntnis und / oder Weisung Hitlers vornahm ist absolut
unwahrscheinlich.
Warum die Wannseekonferenz verschoben wurde
Ursprünglich übersandte Heydrich am 29. November 1941 die Einladungen für die Konferenz, welche
am 9. Dezember 1941 hätte stattfinden sollen. Da jedoch der sowjetische General Schukow am 5.
Dezember 1941 seine Gegenoffensive gestartet hatte, die Japaner zwei Tage später am 7. Dezember
1941 Pearl Harbour angriffen und somit den USA den Krieg erklärten, benötigten die Nazis einige Zeit,
um diese Ereignisse zu bewerten. Aus diesem Grunde musste die Wannseekonferenz verschoben
werden. Hitlers Bewertung dieser Ereignisse gipfelte im Übrigen darin, dass er am 11. Dezember 1941
vor dem Reichstag den Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg erklärte. Einen Tag später, d.h. am
12. Dezember 1941 berief er dann die Spitzen der NSDAP in die Reichskanzlei ein und erklärte den
NSDAP – Vertretern unter Bezug auf seine „Prophezeiung vom 30. Januar 1939“ folgendes: „Wenn es
zu einem Weltkrieg kommt, so werden die Urheber dieses blutigen Krieges mit ihrem Leben bezahlen
müssen.“ Für Hitlers eigene Logik waren damit die Juden gemeint.
Es existiert ein weiterer glaubwürdiger Beweis dafür, was Hitler an diesem 12. Dezember 1941 gesagt
haben mag. Schließlich schrieb Joseph Goebbels am 12. Dezember 1941 folgendes in sein Tagebuch:
„Der Führer ist entschlossen, reinen Tisch zu machen. Er hat den Juden prophezeit, dass, wenn sie
nochmal einen Weltkrieg herbeiführen würden, sie dabei ihre Vernichtung erleben würden. Das ist
keine Phrase gewesen. Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige
Folge sein. Diese Frage ist ohne jede Sentimentalität zu betrachten.“
Wenige Tage später kam es dann zu einem Gespräch zwischen Hitler und Himmler bezüglich der
Judenfrage. Hiernach fanden dann wiederum Gespräche zwischen Himmler und Heydrich statt und
dann war auch schon der 20. Januar 1942 angebrochen. Durch diese Kausalkette lässt sich eindeutig
belegen, dass Menschen wie Himmler, Hitler, Goebbels oder Göring – auch wenn diese nicht persönlich
an der Wannseekonferenz teilnehmen- Initiatoren dieses geplanten Massenmordes waren, den es
vorher in der Menschheitsgeschichte ob seines Umfanges noch nie gab.
Inspiration im Vorfeld durch das Gedankengut von Henry Ford?
Gegenstand der Wannseekonferenz war die Organisation eines „effizienten Massenmordes
industrieller Prägung“. Von vielen Historikern wird in diesem Zusammenhang im Übrigen
argumentiert, dass die Nazis sich im Vorfeld der Wannseekonferenz von der Fließbandmethode eines
Henry Ford hatten inspirieren haben lassen, welcher seine Anregungen wiederum aus den Chicagoern
Schlachthöfen bezog.
Dass Henry Ford seit 1920 ein überzeugter Antisemit war und dass sein Buch „Der internationale Jude“
von antisemitischem Gedankengut geprägt sind, dürfte ebenso unstrittig sein wie der Umstand, dass
in Hitlers Büro in München ein Bild von Henry Ford hing und dass Hitler im Jahr 1938 den USIndustriellen Henry Ford mit dem Großkreuz des Adlerordens auszeichnen ließ. In wie weit die
Fließbandmethode von Fords Autoherstellung Modellcharakter für die Fließbandmethode in den
Konzentrationslagern hatte, lässt sich aber ebenso wenig verifizieren wie die von einigen Historikern
geäußerte Vermutung, dass Henry Ford die NSDAP mit finanziert hätte.
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Wie „effizient“ die Fließbandmethode in den Konzentrationslagern aber war, lässt sich daran ersehen,
dass von der Wannseekonferenz Mitte Januar 1942 bis zum Ende 1942 fast vier Millionen Juden aus
West- und Mitteleuropa sowie aus der Sowjetunion ermordet wurden.
Letztlich mag es für das Ergebnis des Massenmordes sekundär sein, woher die Inspiration der
Fließbandmethode wirklich kam. Von Relevanz für die historische Bedeutung der Wannseekonferenz
ist jedoch, dass man an diesem 20. Januar 1942 plante, wie man mit industriellen Möglichkeiten in
möglichst kurzer Zeit auf kostengünstigem Wege Millionen Menschen töten kann. Etwas
Vergleichbares an Perversität gab es in der Menschheitsgeschichte nicht.
Die Rolle des Auswärtigen Amtes bei der Vorbereitung der Wannseekonferenz
Bevor wir uns nun aber mit der Wannseekonferenz und ihren Teilnehmern beschäftigen, sollte nicht
unerwähnt bleiben, dass das nach dem II. Weltkrieg so sehr auf seinen guten Ruf bedachte Auswärtige
Amt sowohl bei der Vorbereitung des Holocaust als auch bei der Durchführung in großem Umfang
beteiligt war.
Wie sehr im Übrigen das Auswärtige Amt auch in der Planung des Holocaust im Vorfeld der
Wannseekonferenz beteiligt war, lässt sich aus der Vortragsnotiz des Unterstaatssekretärs des
Auswärtigen Amtes Martin Luther zum Empfang des bulgarischen Außenministers Popoff durch den
Reichaußenminister vom 24. November 1941 ersehen:
„Nach Ausführung des Entschlusses des Führers, dass am Ende des Krieges sämtliche Juden Europa
werden verlassen müssen, werden die vom bulgarischen Außenminister Popoff zur Sprache
gebrachten Schwierigkeiten mit Juden ungarischer, rumänischer, spanischer und sonstiger Nationalität
wegfallen.
Bis dahin würde es nach Auffassung von Abteilung Deutschland zur Behebung der Schwierigkeiten
dienen, wenn mindestens die im Antikomintern-Pakt vereinigten europäischen Staaten dazu gebracht
werden könnten, eine der deutschen angepasste Judengesetzgebung bei sich einzuführen.
Sodann wird bei sämtlichen europäischen Mächten darauf hinzuwirken sein, dass sie die deutschen
Judengesetze adoptieren. Schwierigkeiten werden in dieser Hinsicht nur zu erwarten sein bei Ungarn,
Italien, Spanien, Schweden und der Schweiz, bei denen sich infolge der – soweit Italien und Spanien in
Frage kommen – schon bisher zu Tage getretenen klerikalen Einflüsse voraussichtlich Widerstände
zeigen werden.“
Es bedarf eigentlich keiner weiteren Ausführungen um zu belegen, dass auch hochrangige Vertreter
des Auswärtigen Amtes nicht nur bei der operativen Durchführung sondern auch bei der
systematischen Vorbereitung mithalfen.
Die Teilnehmenden an der Wannseekonferenz
Vergegenwärtigen wir uns aber einmal, wer an der Wannseekonferenz teilnahm und was aus diesen
Menschen wurde:
1. Reinhard Heydrich (1904-1942), SS-Obergruppenführer, Hauptredner und Vorsitzender der
Wannseekonferenz, wurde am 27. Mai 1942 bei einem Attentat in Prag schwer verletzt und
starb am 4. Juni 1942. Als Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und stellvertretender
Reichsprotektor in Böhmen und Mähren war er für zahlreiche Kriegsverbrechen und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich.
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2. Adolf
Eichmann
(1906-1962),
SS-Obersturmbannführer,
Protokollführer
der
Wannseekonferenz. Als Leiter des Eichmannreferats des Reichssicherheitshauptamtes war er
zentral mitverantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen Menschen. Mit Hilfe des
österreichischen Bischofs Hudal gelang ihm über die Rattenlinie die Flucht nach Südamerika.
1960 wurde er von israelischen Agenten von Argentinien nach Israel verbracht, wo ihm der
Prozess gemacht wurde, er zum Tode verurteilt und im Mai 1962 hingerichtet wurde.
3. Josef Bühler (1904-1948), Staatssekretär im Amt des Generalgouverneurs in Krakau, 1948
wegen seiner Kriegsverbrechen von einem polnischen Gericht zum Tode verurteilt und am
21.08.1948 hingerichtet
4. Roland Freisler (1893-1945), Staatssekretär im Reichsjustizministerium, seit August 1942
Präsident des Volksgerichtshofes, kam am 3.2.1945 während eines schweren Luftangriffs auf
Berlin ums Leben
5. Otto Hofmann (1896-1982), SS-Gruppenführer, Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes der
SS), im März 1948 wurde er im Prozess gegen das Rasse- und Siedlungshauptamt zu 25 Jahren
Haft verurteilt, jedoch am 7. April 1954 begnadigt und aus der Haftanstalt Landsberg entlassen.
6. Gerhard Klopfer (1905-1987), SS-Oberführer, Ministerialdirektor in der Parteikanzlei der
NSDAP, Leiter der Staatsrechtlichen Abteilung III. Nach der Entlassung aus dem
Internierungslager wurde Klopfer 1949 durch eine Nürnberger Hauptspruchkammer für
„minderbelastet“ erklärt. Er erhielt eine Geldstrafe und eine dreijährige Bewährungsfrist,
während der er keine verantwortungsvolle berufliche Tätigkeit aufnehmen durfte. Ab 1952
war er dann Helfer in Steuersachen, und ab 1956 als Rechtsanwalt in Ulm tätig.
7. Friedrich Wilhelm Kritzinger (1890-1947), Ministerialdirektor in der Reichskanzlei, im
Dezember 1946 inhaftiert, wurde er kurze Zeit später aus gesundheitlichen Gründen aus der
Haft entlassen und verstarb tatsächlich kurze Zeit später
8. Rudolf Lange (1910-1945), SS-Sturmbannführer, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des
SD für Lettland in Vertretung seines Befehlshabers, Suizid 1945
9. Georg Leibbrandt (1899 – 1982), Reichsamtsleiter, Reichsministerium für die besetzten
Ostgebiete, neben Rosenberg wichtigster NS-Ideologe im außenpolitischen Amt der NSDAP,
im Januar 1950 wurde das Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eröffnet, am 10.
August 1950 wurde das Verfahren eingestellt. Später wurde er Leiter des Bonner Büros der
Salzgitter AG
10. Martin Luther, (1895 – 1945), Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, am 13. Mai 1945
durch Herzinfarkt verstorben
11. Alfred Meyer (1891 – 1945), Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten
Ostgebiete), begann am 11. April 1945 Selbstmord
12. Heinrich Müller (1900 - ???), SS-Gruppenführer, Chef des Amtes IV (Gestapo) des
Reichssicherheitshauptamtes, seit Kriegsende verschollen
13. Erich Neumann (1892 – 1951), Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan,
1945 wurde er interniert, Anfang 1948 wegen Krankheit entlassen.
14. Karl Eberhard Schöngarth (1903 – 1946), SS-Oberführer, Befehlshaber der Sicherheitspolizei
und des SD im Generalgouvernement. 1946 wurde er von einem britischen Militärgericht
wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und 16.05.1946 hingerichtet.
15. Wilhelm Stuckart (1902 – 1953), Staatssekretär im Reichsministerium des Innern. Stuckart
wurde 1950 als „Mitläufer“ entnazifiziert eingestuft und zu einer Geldstrafe von 500 DM
verurteilt. 1952 war er bereits Geschäftsführer des „Instituts zur Förderung der
niedersächsischen Wirtschaft“. Auch war er eine Zeit lang Kämmerer der Stadt Helmstadt. Er
verstarb 1953 im Alter von 51 Jahren bei einem Verkehrsunfall
Die Beispiele der Herren Stuckart, Leibbrandt, Klopfer oder Hofmann belegen (leider), wie wenig NS
Täter oftmals in der jüngeren deutschen Nachkriegsgeschichte für ihre Taten zur Verantwortung
gezogen wurden.
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Der eindeutige Inhalt der Wannseekonferenz
Seite 5 Absatz 3 ff. des Protokolls der Wannseekonferenz ist mehr als eindeutig und wird hier wie folgt
widergegeben:
„Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender
vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten. Diese
Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits
jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die in Hinblick auf die kommende Endlösung der
Judenfrage von Bedeutung sind. Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen
rund 11 Millionen Juden in Betracht.
………
Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im
Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter,
werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifelsfrei ein
Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Bestand
wird, da es sich bei diesen zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend
behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als
Keimzelle eines neues jüdischen Aufbaues anzusprechen ist (siehe die Erfahrung der Geschichte).
Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten
durchgekämmt.
……….
Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um
von dort weiter nach dem Osten transportiert zu werden.“
Diese Aussagen sind eindeutig und belegen, dass die Nazis im Rahmen der Wannseekonferenz den
größten Völkermord aller Zeiten planten. Wer dies nicht wahrhaben möchte oder leugnen möchte, der
kann in keinster Weise ernst genommen werden.
Was wusste der Durchschnittsdeutsche wirklich von der Wannseekonferenz?
Nun wird oftmals in rechten Kreisen kolportiert, dass doch nur sehr wenige Deutschen wussten, was
in der Wannseekonferenz geplant und besprochen wurde. Dies kann jedoch eindeutig widerlegt
werden: In seiner berühmt-berüchtigten „Posener Rede“ vom Oktober 1942 bezeichnete Himmler
den durch die Wannseekonferenz eingeleiteten „industriellen Holocaust“ als ein „niemals
geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt der deutschen Geschichte“.
Und dass viele Deutsche von der durch die Wannseekonferenz initiierten systematischen Ermordung
wussten, lässt sich am Beispiel der Deutschen Reichsbahn ersehen. Die Deutsche Reichsbahn war 1942
mit 1,4 Millionen Beschäftigten nach der Wehrmacht das größte Unternehmen im III. Reich. Und die
Reichsbahn profitierte von den Folgen der Wannseekonferenz in beträchtlichem Umfang. Durch die
Beschlüsse der Wannseekonferenz, Juden in die Konzentrationslager zu verbringen, musste man sich
eines Transportmittels bedienen und dieses Transportmittel war die Deutsche Reichsbahn. Im Rahmen
des Holocaust wurden Juden in Güter- und Viehwagons zum selben Preis befördert wie Fahrgäste mit
einer Fahrkarte für eine Hinfahrt. Auffällig gewesen sein musste für die Bediensteten der Deutschen
Reichsbahn, dass immer nur Hinfahrten geordert wurden und dass die GeStaPo die Fahrkarten aus
dem Vermögen der jüdischen Bevölkerung bezahlte. Es muss als absolut unglaubwürdig angesehen
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werden, dass die Bediensteten der Deutschen Reichsbahn sich hierüber keine Gedanken machten oder
über diesen Sachverhalt nicht mit Dritten sprachen. Und wenn dieser Sachverhalt den Mitarbeitenden
der Deutschen Reichsbahn bekannt war, so ist davon auszugehen, dass auch deren Familien hierüber
Bescheid wussten.
Hoffentlich werden wir diesen 20. Januar 1942 niemals vergessen, denn dieser Tag erinnert uns
daran, zu welchen Morden Menschen fähig sein können. Niemals darf sich jemals so etwas
wiederholen. Alle Deutsche haben eine besondere Verantwortung, dass sich diese Geschichte
niemals wiederholen darf!
Literatur:
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Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die
Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, Karl Blessing
Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.
Hans-Jürgen Döscher: Martin Luther – Aufstieg und Fall eines Unterstaatssekretärs. In: Die
braune Elite II. Hrsg. v. Ronald Smelser, Enrico Syring und Rainer Zitelmann. WBG, Darmstadt
1993. ISBN 3-534-80122-9, S. 179–192.
Mario R. Dederichs: Heydrich. Das Gesicht des Bösen. Piper, München 2005, ISBN 3-492-04543X
Christian Gerlach: Die Wannseekonferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers
politische Grundsatzentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden, in: Christian Gerlach:
Krieg, Ernährung, Völkermord – Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, PendoVerlag, Zürich/München 2001, ISBN 3-85842-404-8
Heiner Lichtenstein, Otto R. Romberg (Hrsg.): Täter – Opfer – Folgen, Der Holocaust in
Geschichte und Gegenwart, Bonn 1997, ISBN 3-89331-257-9
Norbert Kampe, Peter Klein: Die Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 – Planung und Beginn
des Genozids an den europäischen Juden, Edition Hentrich, Berlin, 1998, ISNM 3-89468-250-7
Mark Roseman: Die Wannsee-Konferenz – Wie die NS-Bürokratie den Holocaust organisierte,
Ulstein, München, 2002, ISBN 3-548-364-09
Peter Longerich: Politik der Vernichtung: Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen
Judenverfolgung, München, 1988, ISBN 3-492-03755-0
Internetquellen:
http://www.welt.de/kultur/history/article13808004/Durchfuehrung-der-Endloesung-derProtokollfund.html
http://www.ghwk.de
http://www.h-ref.de/vernichtung/wannsee/wannsee-konferenz.php
http://www.ifz-muenchen.de/archiv/zs/zs-0988.pdf
http://www.zeit.de/1987/08/ein-wohltaeter
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Stille Hilfe – eine „Hilfsorganisation“ für NS-Mörder
Die „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“ wurde1951 von Helene Elisabeth Prinzessin von
Isenburg gegründet. Es handelt sich um eine Organisation, die vor allem in der Unterstützung von NSMördern engagierte, leider erst jedoch sehr spät der Öffentlichkeit und nur rudimentär bekannt
wurde. Das Erschreckende an der Hilfsorganisation war jedoch neben ihrer nicht nachzuvollziehenden
Intention auch der Umstand, welche Personen sich in oder für diese Organisation engagierten.
Zumindest bis 2011 war die Organisation immer noch sehr aktiv. Wie aktiv diese Organisation bis in
unsere Gegenwart war/ist, zeigte sich unter anderem im Fall Anton Malloth.
DER FALL ANTON MALLOTH – DIE STILLE HILFE WIRD DER ÖFFENTLICHKEIT BEKANNT
Anton Malloth (geboren 1912) war von 1940 bis 1945 Aufseher im GeStaPo – Gefängnis
Theresienstadt. Im September 1948 wurde er von einem tschechoslowakischen Gericht in Litoměřice
zu Tode verurteilt, nachdem durch Zeugenaussagen bewiesen wurde, dass er nahezu 100 Menschen
zu Tode geprügelt hat. Von 1948 bis 1988 lebte er in Meran / Italien, wobei ihm interessanter Weise
vom deutschen Konsulat in Mailand trotz mehrere Auslieferungsgesuche deutscher und
österreichischer Behörden der deutsche Pass verlängert wurde. 1988 besorgte ihm dann Gudrun
Burwitz, eine Tochter Heinrich Himmlers im Auftrag der oben genannten Organisation „Stille Hilfe“ ein
Zimmer in einem Pullacher Seniorenheim gehobenen Niveaus. Erst am 15. Dezember 2000 wurde
Malloth [dann im Alter von 88 Jahren und 52 Jahre nach dem Urteil des tschechoslowakischen
Gerichtes in Litoměřice] von der Staatsanwaltschaft München angeklagt und am 30. Mai 2001 vom
Landgericht München I wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Allein schon an diesem Fall kann ersehen werden, um welche Art von Organisation es sich bei der
„Stillen Hilfe“ handelt. Kehren wir aber nun zu den Anfängen der Stillen Hilfe zurück:
DIE GRÜNDERIN UND DER „ERFOLG“ DES JAHRES 1951:
Die Organisation wurde 1951 von Helene Elisabeth Prinzessin von Isenberg (6.4.1900 – 24.1.1974)
gegründet. Vergegenwärtigen wir uns erst einmal, um welche Person es sich hier handelt:
Prinzessin von Isenburg wuchs in einer stark katholisch sozialisierten Familie auf. Am 30.04. 1930
heiratete sie Wilhelm Prinz von Isenburg und Büdingen (1903–1956), welcher 1937 Professor für
Sippen- und Familienforschung wurde und die Rassenideologie des Nationalsozialismus vertrat
(Interessanter Weise wurde er 1946 seines Amtes enthoben, aber im Folgejahr wieder in sein Amt
wieder eingesetzt). Prinzessin von Isenburg selbst wurde von der NSDAP als „politisch zuverlässig“
eingestuft.
Bekannt wurde sie als „Mutter der Landsberger“. Was hatte es aber mit dem Begriff „Landsberger“ auf
sich? 1947 richtete die US-Militärverwaltung in Landsberg das Kriegsverbrechergefängnis Landsberg
ein. Die Stadt Landsberg wurde unter anderem deshalb ausgewählt, weil 1923 Adolf Hitler dort knapp
9 Monate Festungshaft verbüßte und auch die Nazi-Größen Rudolf Heß, Julius Streicher sowie Gregor
Strasser dort inhaftiert waren. Fast alle in den Nürnberger Nachfolgeprozessen angeklagten und
verurteilten Beschuldigten saßen im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg ein, wobei dort bis 1951
288 Todesurteile vollstreckt wurden.
Mit Schriftsatz vom 4. November 1950 wandte sich Prinzessin von Isenburg wie folgt an Papst Pius XII:
„Ich kenne jeden, um den es geht. Niemand kann mehr von Schuld und Verbrechen reden, der in ihre
Seelen geschaut hat… Es bittet Dich, heiliger Vater, ganz im Vertrauen, die Mutter der Landsberger.“
Am 10. November 1950 versprach der ohnehin sehr umstrittene Papst Pius XII. Prinzessin von Isenburg,
„dass von Rom aus alles getan wird, um den Landsbergern das Leben zu retten.“
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Prinzessin von Isenburg war dann wohl Mitinitiatorin der Aktion „Weihnachten in Landsberg“ des
Jahres 1950, mit der versucht wurde, Druck auf den amerikanischen Hohen Kommissar John McCloy
mittels Protestbriefen auszuüben.
Fakt ist, dass John McCloy am 31.01.1951 seine endgültige Entscheidung über die Gnadengesuche von
89 deutschen Kriegsverbrechern bekannt gab, die in Landsberg verweilten. Fünf der insgesamt
fünfzehn Todesurteile wurden bestätigt, von denen die meisten gegen Mitglieder der Einsatzgruppen
wegen Tötung tausender Juden in Osteuropa verhängt worden waren. Auch fünf weiteren
Wehrmachtsoffizieren, die der Erschießung von Geiseln und Kriegsgefangenen in der damaligen
Sowjetunion und auf dem Balkan angeklagt worden waren, wurden nicht begnadigt. In weiteren 79
Fällen änderte John McCloy seine Meinung. Aufgrund der Anrechnung von Untersuchungshaft und
guter Führung führten die Urteilsminderungen zur sofortigen Entlassung von über 30 Gefangenen,
darunter auch die sofortige Freilassung des Industriellen Alfred Krupp, dem sogar das enorme
Industrievermögen zurückgegeben wurde.
In gewisser Form muss jedoch als Entlastung für Prinzessin von Isenburg geltend gemacht werden, dass
es auch viele andere gab, welche sich zu dieser Zeit für die Landsberger einsetzten:
PROMINENTE KIRCHLICHE UNTERSÜTZER FÜR DIE „LANDSBERGER“
Prominente Unterstützer der katholischen Kirche:
Kardinal Jochen Frings [1887 – 1978]
von 1942 bis 1969 Erzbischof von Köln sowie von 1945 bis 1965 Vorsitzender der Bischofskonferenz
Kardinal Frings, welcher ein Freund von Bundeskanzler Adenauer war und darüber hinaus auch
Vorsitzender der einflussreichen Fuldaer Bischofkonferenz war, setzte sich vehement für eine
Umwandlung der Todesstrafen in Haftstrafen ein, weil viele Taten der Angeklagten „nicht aus einer
kriminellen Disposition heraus geschehen seien“. Gegenüber General Handy machte Kardinal Frings
für eine Überprüfung der Urteile „die durch die Kriegsverhältnisse, unter welchen die Taten
stattgefunden hat, bedingte Schwierigkeit der Urteilsfindung“ geltend.
Weihbischof Johannes Neuhäusler [1888 – 1973]
ab 1947 Weihbischof im Erzbistum München und Freising
Der Münchner Weihbischof Johannes Neuhäusler erklärte in diversen Briefen an amerikanische
Kongressabgeordnete, dass sich das Gericht Berufszeugen bedient habe, die gegen die Angeklagten
(von Landsberg) ausgesagt hätten, um dafür als Gegenleistung von den Amerikanern gut behandelt zu
werden. Auch verwies Neuhäusler darauf, dass man bei der Erlangung von Geständnissen Zwang
angewandt habe und dass es nicht rechtsstaatlich sei, dass den Kriegsverbrechern nicht die Möglichkeit
von Rechtsinstanzen durch Berufungsgerichte ermöglicht wurde. Am 20.01.1951 teilte Neuhäusler im
Übrigen McCloy folgendes mit: „Da die Bundesrepublik Deutschland dazu aufgerufen ist, sich
zusammen mit den anderen westlichen Mächten zu einem starken Verteidigungsblock gegen den
Bolschewismus im Osten zu formieren, sollten die Vereinigten Staaten Gnade gegenüber den
Landesberger Häftlingen walten lassen und alle verbliebenen Todesurteile in Haftstrafen
umzuwandeln.“ Es stellt sich die Frage, ob solche Worte wirklich von einem Geistlichen kommen.
Prominente Unterstützer der evangelischen Kirche:
Landesbischof Hans Meiser [1881 – 1956]
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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von 1933 (durchgängig) bis 1955 erster Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern,
negativ bekannt geworden durch folgenden 1926 (!) erschienen Schriftsatz, aus dem wie folgt zitiert
wird: „Die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen, die wir den Juden zu verdanken haben,
sollen voll anerkannt werden … Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der jüdische Geist für uns
etwas Wesensfremdes hat und dass sein Umsichgreifen zum allergrößten Schaden für unser Volk wäre.
Es ist oft betont worden, dass der jüdische Verstand etwas Zerfressendes, Ätzendes, Auflösendes an
sich hat. Er ist kritisch zersetzend, nicht kontemplativ, konstruierend, produktiv. Das ist von jüdischer
Seite selbst anerkannt, wenn der Jude Abraham Geiger im Hinblick auf Börne und Heine schreibt: ‚Es
ist jüdischer Geist, der in ihnen lebendig ist, der sprudelnde, zersetzende, witzige, weniger positiv
aufbauende, aber Ferment hineinbringende in den stockphiliströsen, zähen, trockenen, deutschen
Geist‘."
Landesbischof Theophil Wurm [1868 - 1953]
von 1926 bis 1948 Landesbischof der evangelischen Kirche in Württemberg, von 1945 – 1949 (erster)
Ratsvorsitzender der EKD,
negativ bekannt geworden dadurch, dass er im März 1938 die Gemeinden in Württemberg anwies, mit
einem einstündigen Glockenläuten den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich als „göttliche
Fügung zu begrüßen“ sowie negativ bekannt als Mitglied im Gründungsvorstand der oben genannten
Stillen Hilfe.
In einer durch Wurm und Meiser geprägten Denkschrift der EKD von 1949 wurde sich gegen „das
Handicap der Verteidigung gegenüber der Anklagebehörde, die Beeinflussung von Zeugen, die
Anwendung eines neuen Rechts, das nicht allgemein verbindlich ist, die willkürliche Auswahl der
Angeklagten, die Aburteilung von Soldaten durch ein Gericht, das in Wahrheit kein Militärgericht ist“
gewandt und man erbat die Nachprüfung der Urteile durch eine Berufungsinstanz. Die Denkschrift
schloss mit den Worten, „dass höchster Ausdruck der Gerechtigkeit nicht Urteil und Vollstreckung der
Strafe sein muss.“ Als Diener Christi bat man (, d.h. die EKD) darum, in geeigneten Fällen Gnade walten
zu lassen.
Sehr bedenklich stimmen auch die Äußerungen des ersten EKD Ratsvorsitzenden Wurm nach McCloys
Urteilsumwandlungen für die Landesberger: „Die Nachrichten über die Kriegsführung in Korea lassen
vielfach die Frage auftauchen, ob nicht die ersten Urteile gegen die Generale auf unzulänglicher
Kenntnis der heutigen Partisanenkriegsführung beruht haben und ob deshalb nicht eine stärkere
Reduktion der Strafen hätte eintreten sollen.“
(WEITERE) VORSTANDSMITGLIEDER DER ERSTEN HILFE ZU GRÜNDUNGSZEITEN:
Schauen wir uns nun einmal an, mit welchen Personen Prinzessin von Isenberg und der erste EKD
Ratsvorsitzende Wurm im Vorstand der ersten Hilfe saßen:
Heinrich Malz
SS-Obersturmbannführer und persönlicher Referent im RSHA von Ernst Kaltenbrunner
Malz trat 1930 der NSDAP und auch der SS bei. Im Mai 1940 übernahm er die Leitung des Referats III
A 2 (Rechtsleben) des Reichssicherheitshauptamtes. Am 30. Januar 1941 wurde er zum SSSturmbannführer befördert und avancierte 1944 als SS-Obersturmbannführer schließlich zum
persönlichen Referenten des RSHA-Chefs Kaltenbrunner. Bei Ernst Kaltenbrunner handelt es sich um
den Chef der Sicherheitspolizei, des Sicherheitsdienstes SD und des GeStaPo-Amtes sowie für die
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Einsatzgruppen verantwortlich, die im Rücken der Ostfront bis Kriegsende rund 1.000.000 Menschen
ermordeten. Zwar wurde Malz nach Kriegsende interniert, jedoch 1948 wieder entlassen. Der
persönliche Referent einer der Hauptangeklagten im Nürnberger Prozess soll nichts von den Taten
seines Vorgesetzten gewusst haben. Wie wahrscheinlich dies ist, mag der Leser selbst beurteilen.
Wilhelm Spengler
SS-Standartenführer und Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt (RSHA)
Noch vor der Machtergreifung der Nazis publizierte der promovierte Germanist Spengler in der
Zeitschrift „Volk im Werden“, herausgegeben von Ernst Krieck, dem führenden Interpret der
nationalsozialistischen Pädagogik. Spengler war jedoch nicht nur als Germanist am Schreibtisch tätig,
sondern gemäß Heydrichs Losung von der „kämpfenden Verwaltung“ im März 1942 auch bei der
Partisanenbekämpfung im Nordabschnitt der Ostfront eingesetzt worden. Im Mai 1942 war er drei
Wochen bei der „Einsatzgruppe D“ auf der Krim. Von 1945 bis 1947 war Spengler in Internierungshaft,
danach lebte er in München.
Wenn es den vorstehend genannten Vertretern der Kirche sowie der sich auf ihre christlichen Wurzeln
berufenden Prinzessin von Isenberg nur um ihren caritativen Auftrag ging, so stellt sich die Frage,
warum NS-Funktionäre wie Malz und Spengler in den Gründungsvorstand berufen wurden. Eine
hinreichende Erklärung kann hier nicht ersehen werden.
WEN DIE STILLE HILFE SONST NOCH UNTERSTÜTZTE:
Vergegenwärtigen wir uns an dieser Stelle aber auch, welche Personen die Stille Hilfe sonst noch
unterstützte und man wird an den nachstehenden vier Beispielen kaum glauben können, für wen sich
eingesetzt wurde:
Hildegard Lächert (1920 – 1995)
Lächert war Aufseherin in den Konzentrationslagern Ravensbrück, Majdanek und Auschwitz und wurde
wegen ihrer Brutalität auch „Blutige Brigitte“ genannt. Im Krakauer Auschwitz Prozess wurde sie am
22. Dezember 1947 zwar zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, gleichwohl aber 1956 vorzeitig entlassen.
Erst viel später erkannte man oder wollte man erkennen, wofür Hildegard Lächert wirklich
verantwortlich war. In dem am 26. November 1975 vor dem Landgericht Düsseldorf begonnenen
Majdankek-Prozess wurde sie wegen Mordbeihilfe in 1.196 Fällen (!!!) angeklagt und am 30. Juni 1981
wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum Mord an mindestens hundert Menschen zu zwölf Jahren Haft
verurteilt. Ihre Strafe mussten sie jedoch nicht absitzen, da die Haft in Polen angerechnet wurde.
Klaus Barbie (1913 – 1991)
SS Hauptsturmführer, der vor allem in Frankreich, rudimentär aber auch in den Niederlanden
unsägliche Verbrechen begann. Barbie folterte Geistliche in Frankreich mit Elektroschocks, hängte sie
an den Füßen auf und vergriff sich sogar an Kindern, indem er diese hungern ließ und diese auch noch
prügelte. Ebenso mussten sich Frauen zuerst völlig entkleiden, wurden hiernach bis zur
Bewusstlosigkeit geprügelt, vergewaltigt sowie missbraucht. Viele Mitglieder der Résistance wurden
von Barbie gefoltert und ermordet. Als Folterinstrumente benutzte er unter anderem Schneidbrenner,
glühenden Schürhaken, kochendes Wasser sowie diverse Peitschen, Werkzeugen und Knüppel. Von
1945 bis 1955 genoss Barbie den Schutz britischer sowie US-amerikanischer Geheimdienste. 1951
emigrierte er auf der sogenannten Rattenlinie unter dem Namen Klaus Altmann nach Bolivien und
betätigte sich dort als Geschäftsmann. In Bolivien agierte er später als Berater und Ausbilder der
Sicherheitskräfte unter dem Diktator Hugo Banzer Suarez. Im November 1952 wurde Kriegsverbrecher
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Barbie in Lyon wegen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung und die Widerstandsbewegung im Jura
in Abwesenheit der Prozess gemacht, und er wurde ein zweites Mal in Abwesenheit zum Tode
verurteilt. Nach einem weiteren Prozess in Abwesenheit im November 1954 wurde Barbie wegen des
Massakers von Saint-Genis-Laval und zahlreicher Erschießungen im Gefängnis Montluc in Lyon erneut
zum Tode verurteilt. Genau so wenig wie man verstehen kann, dass man sich für einen Menschen wie
Klaus Barbie einsetzen kann, kann man nicht verstehen, dass Barbie 1966 für den
Bundesnachrichtendienst als Informant unter dem Decknamen Adler angeworben wurde und
mindestens ein Jahr für den BND tätig war. Im Alter von 70 Jahren wurde er am 4. Februar 1983 von
Bolivien nach Frankreich ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt. Am 4. Juli 1987 wurde Barbie dann
der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Haftstrafe
verurteilt. Barbie verstarb am 1991 im Alter von 77 Jahren in Haft.
Erich Priebke (1913-2013):
Priebke war SS-Hauptsturmführer und negativ bekannt durch seine führende Rolle bei den
Geißelerschießungen in den Ardeatinischen Höhlen. Als Reaktion auf ein Attentat der italienischen
Resistenza am 23.03.1944, bei der 33 deutsche Soldaten ums Leben kamen, beschloss die deutsche
Armeeführung in Rom, für jeden getöteten Deutschen 10 italienische Geiseln zu erschießen. Daraufhin
überstellte die italienische Kommandantur 335 italienische Zivilisten, die von deutschen
Erschießungskommandos unter maßgeblicher Leitung Priebkes erschossen wurden, wobei Priebke
ebenfalls persönlich Zivilisten erschoss. Nach Kriegsende verblieb Priebke 20 Monate in englischer
Kriegsgefangenschaft in Italien, bis ihm die Flucht gelang. Auf Ersuchen des österreichischen Bischofs
Alois Hudal versteckten ihn die Franziskaner hiernach in ihrem Kloster in Bozen.
Die katholische Kirche beschaffte Priebke einen Reisepass des Internationalen Roten Kreuzes und mit
Hilfe der katholischen Kirche konnte auch Priebke im Rahmen der „Rattenlinie“ von Genua nach Italien
entkommen. Über die Rattenlinie und den Bischof Hudal (der von den Päpsten Pius XII. und Paul VI.
mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wurde), sind 180 (!!!) bekannte NS-Verbrecher nach
Argentinien gelangt, unter anderem:
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Klaus Barbie
Gerhard Bohne
Adolf Eichmann
Berthold Heilig
Josef Mengele
Ante Pavelić
Erich Priebke
Walter Rauff
Eduard Roschmann
Josef Schwammberger
Franz Stangl
Friedrich Schwend
Gustav Wagner
Friedrich Warzok
Johann von Leers
Welche Rolle die Stille Hilfe im Rahmen der „Rattenlinie“ wirklich hatte, kann bis heute nicht
abschließend geklärt werden, da bei den NS Verbrechern oftmals das Gelübde des Schweigens sehr
groß war.
Martin Sommer (1915-1988)
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Sommer, war als Mitglied der SS (Hauptscharführer) Aufseher in den Konzentrationslagern von
Sachsenburg sowie Buchenwald und ging als „Henker von Buchenwald“ in die Geschichte ein.
Sein hauptsächlicher Verantwortungsbereich in Buchenwald war dabei das Arrestgebäude, in der er
Insassen besonders qualvoll tötete und/oder folterte. Dabei ließ er die KZ-Insassen verhungern,
erhängte sie in ihrer Zelle, vergiftete das Essen oder injizierte den Häftlingen Phenol, Evipan oder Luft
in die Venen. Andere grauenvolle Morde begann er dadurch, dass er einmal einem Insassen den Kopf
mit einer Schraubzwinge zerquetschte oder im Winter einen Häftling außen an das Arrestgebäude
kettete, mit kaltem Wasser übergoss und dann zusah, wie dieser erfror. Für alle diese Taten gibt es
hinreichend glaubwürdige Zeugenaussagen.
1955 kam es zur Anklage gegen Sommer, welche jedoch wegen Verhandlungsfähigkeit abgebrochen
wurde, so dass er freigelassen wurde. 1958 kam er zu einer erneuten Anklage vor dem Bayreuther
Landgericht. Er wurde zwar zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, erhielt aber bereits 1971
Haftverschonung und lebte hiernach 17 weitere Jahre praktisch auf freiem Fuß in den Rammelsberger
Anstalten.
GUDRUN BURWITZ – LETZTER STILLER STAR DER STILLEN HILFE
Wie engagiert die „Stille Hilfe“ auch noch bis heute agiert, lässt sich am Beispiel von Gudrun Burwitz,
des einzigen, 1929 geborenen Kindes vom Reichsführer-SS und Reichsinnenminister Heinrich Himmler
ersehen. Wie der Kölner Express in seiner Ausgabe vom 19.06.2011 zum Beispiel berichtete, engagierte
sich die rüstige 81 jährige im Jahr 2011 für den 90 jährigen, ehemaligen SS Obersturmführer Søren
Kam, der für die Tötung eines Zeitungsjournalisten von der dänischen Justiz zur Verantwortung
gezogen werden soll. Zuvor hatte sie dafür gekämpft, dass der niederländische SS-Scherge Klaas Carel
Faber wegen der Morde an Juden während des Zweiten Weltkrieges nicht ausgeliefert wird. Und dies
ist nur eine Auflistung für die Aktivitäten in den Jahren 2010 und 2011.
Was von Frau Burwitz und ihren Aktivitäten für die „Stille Hilfe“ wirklich zu halten ist, kann man daran
erkennen, wie sich ein Verfassungsschützer im Kölner Express im Jahr 2011 über sie äußerte: „Sie ist
über 80, aber bei klarem Verstand. Ihr gefällt es, wenn man sie als eine »Mrs Doubtfire«, als eine Art
stacheliges, aber liebenswürdiges Kindermädchen sieht – das ist sie aber ganz und gar nicht.“
ABSCHLIESSENDES FAZIT ZUR STILLEN HILFE:
Es ist mehr als erschreckend, wie viele so genannte „Gut-Menschen“ NS-Mördern geholfen haben,
dass diese entkommen konnten und sich für ihre Morde nicht verantworten mussten bzw. sich erst in
sehr hohem Alter verantworten mussten. Genau so unglaublich ist es aber auch, dass die „Stille Hilfe“
zumindest bis 2011 (!!) existieren und wirken konnte bzw. für ihr Wirken so viele Erfolge erzielen
konnte.
Literatur:
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Oliver Schröm, Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden. Das geheime Netzwerk der
Alt- und Neonazis. Christoph Links Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-86153-231-X
Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe. Wie die Kirchen den Nazis halfen (FischerTaschenbuch; 10956). 5. Aufl. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-59610956-6.
Thomas A. Schwarz: Die Begnadigung Deutscher Kriegsverbrecher: John J. McCloy und die
Häftlinge von Landsberg, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 38 (1990), Heft 3,
Seite 375 ff.
Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Frage der Kriegsverbrecher vor
amerikanischen Militärgerichten, 1949, in: EZA Berlin, Bestand 2/261]
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Peter Hammerschmidt: Deckname Adler - Klaus Barbie und die westlichen Geheimdienste. S.
Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-029610-8
Joachim Staron: Fosse Ardeatine und Marzabotto. Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza.
Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien (1944–1999). Schöningh,
Paderborn u. a. 2002, ISBN 3-506-77522-7
Gerald Steinacher: Nazis auf der Flucht. Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee
entkamen Studienverlag, Innsbruck 2008, ISBN 978-3-7065-4026-1
Andrej Angrick & Klaus-Michael Mallmann Hgg.: Die Gestapo nach 1945. Karrieren, Konflikte,
Konstruktionen. Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg, 14. WBG, 2009 ISBN
978-3-534-20673-5
Buchenwald. Ein Konzentrationslager. Bericht der ehemaligen KZ-Häftlinge Emil Carlebach,
Paul Grünewald, Helmut Röder, Willy Schmidt, Walter Vielhauer. Hrsg. im Auftrag der
Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora der Bundesrepublik Deutschland. Röderberg im PahlRugenstein-Verlag, Köln; 2. Auflage, 1991; ISBN 978-3876827865
Internetquellen:
http://www.hagalil.com/archiv/2001/04/malloth.htm
http://www1.jur.uva.nl/junsv/brd/Gericht01fr.htm
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/archiv/208563_Rechenschaft-statt-Rache.html
http://books.google.de/books?id=6toyVjk07UMC&pg=PA407&lpg=PA407&dq=Sippen+und+Familienforschung+in+M%C3%BCnchen&source=bl&ots=mRngvXH4Q&sig=TsMkxjmgueu6_2JASdlIf2Xmxww&hl=de&sa=X&ei=iCZ4UMaNJrH54QSciYGgDQ&ved=0
CD0Q6AEwBQ
http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2009_33_09_01.htm
http://www.express.de/politik-wirtschaft/mit-81-jahren-himmlers-tochter-sammelt-fuer-diess,2184,8575990.html
http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=1073
http://www.justice.gov/criminal/hrsp/archives/1983/08-02-83barbie-rpt.pdf
http://www1.jur.uva.nl/junsv/brd/files/brd464.htm
http://www.tagesspiegel.de/politik/gudrun-burwitz-und-die-stille-hilfe-die-schillernde-naziprinzessin/233116.html
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Militärprostitution im Dritten Reich
Eines der von den Nationalsozialisten selbst über sich verbreiteten Märchen bestand darin, dass
gerade sie selbst erst die Prostitution verboten und entschieden bekämpft hätten. Unglaublich, aber
wahr ist der Sachverhalt, dass die Nationalsozialisten nach der totalen Überwachung der
Prostitution im Deutschen Reich als auch in den besetzten Territorien trachteten.
Im Bereich der Militärprostitution ist es hierbei mehr als interessant, wie sehr sich die
Nationalsozialisten bei der Errichtung und des Betriebs von Bordellen mit Zwangsprostituierten bei der
Wehrmacht und den Konzentrationslagern engagierten. Wie wir hier noch sehen werden, waren
letztlich die größten Zuhälter im III. Reich:
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Walther von Brauchitsch (1881 – 1948), Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber des
Heeres von 1938 – 1941
Wilhelm Frick (1876 – 1946), Reichsminister des Inneren von 1933 – 1943, einer von 24 im
Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher angeklagten Personen
Heinrich Himmler (1900 – 1945), Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, ab 1943
auch Reichminister des Inneren
Betrachten wir nun den Bereich der Wehrmachtsbordelle.
Wehrmachtsbordelle
Am 9.9.1939 gab der Reichsinnenminister Wilhelm Frick einen Erlass heraus, der die polizeiliche
Behandlung der Prostitution im „Operationsgebiet“ der deutschen Wehrmacht neu regeln sollte.
Durch Untersagung und Verfolgung wilder Prostitution sollten gesundheitliche Schädigungen der
Wehrmachtsangehörigen verhindert werden. Die Prostitution durfte „nur in besonderen Häusern“
unter Aufsicht des deutschen Sanitätswesens unterhalten werden. Ein grundsätzliches Verbot der
geschlechtlichen Betätigung hielt man für „inopportun, weil dadurch die Zahl der Notzuchtverbrechen
und die Gefahren von Verstößen gegen § 175 RStG (Verbot homosexueller Handlungen unter
Männern) steigen würde.“
Auf operativer Ebene wurde dies von Walther von Brauchitsch, dem Oberbefehlshaber des Heeres
umgesetzt. Hierzu heißt es in einem Befehl von ihm: „Der Geschlechtsverkehr mit gesundheitlich nicht
kontrolliertem weiblichen Personal muss unterbunden werden, soweit das möglich ist“. Gleichzeitig
forderte er von den deutschen Soldaten „auf geschlechtlichem Gebiet Selbstzucht“ zu üben, „Vor allem
für die verheirateten Soldaten ist dieses Gebot eine Selbstverständlichkeit.“ Auf Anweisung des
Oberbefehlshaber des Heeres von Brauchitsch gaben der Heeresarzt und der Generalquartiermeister
im Juli 1940 zwei einander Erlasse heraus, die die Errichtung von Bordellen für die Soldaten und die
Verfolgung wilder Prostitution für das besetzte Frankreich in die Wege leiteten. Die Anordnung
lautete, ausgewählte Bordelle für die Besatzungsmacht zu beschlagnahmen. Die Umsetzung der
Direktiven ist in einem Lagebericht des Leitenden Sanitätsoffiziers beim Bezirkschef B vom 23.
September 1940 dokumentiert:
„Bordelle für Soldaten sind in fast allen größeren Orten eingerichtet und werden laufend überwacht;
außerdem sind in Biarritz, Bordeaux, La Rochelle, Nantes, Angers, Vannes, La Baule und Lorient
‘Absteigehotels’ eingerichtet. Razzien bezüglich der freien Prostitution wurden auf Veranlassung der
Kommandaturärzte in fast allen größeren Orten durch die französische Sittenpolizei, die anscheinend
gut arbeitet, durchgeführt. Es wurden dabei eine Anzahl wilder Prostituierter als geschlechtskrank
erfasst und der Behandlung zugeführt.“
Kommen wir nun dazu, wer im operativen Bereich hier hauptsächlich verantwortlich war
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Für die Kontrolle der Prostitution war das Wehrmachtssanitätswesen maßgeblich. Mit dem
Waffenstillstand im Juni 1940 wurden etwa zwei Drittel des französischen Territoriums, die
sogenannte Nordzone, deutscher Militärverwaltung unterstellt. Das besetzte französische Gebiet
gliederte sich in vier, zwischenzeitlich fünf Militärverwaltungsbezirke, die wiederum in
Feldkommandanturen unterteilt waren, deren Zuständigkeitsbereich ein oder mehrere Departements
umfassten. Auf allen Ebenen der Militärverwaltung - beim Militärbefehlshaber, den Bezirkschefs und
den Feldkommandanten - wurden leitende Sanitätsoffiziere bzw. Kommandaturärzte angesiedelt.
Diese Sanitätseinheiten waren neben den Spitzen der Sanitätsabteilungen im OKH und OKW die
hauptverantwortlichen Instanzen für die Prostitutionsüberwachung. Dass die Wehrmachtsmediziner
somit administrative Funktionen gegenüber der Zivilbevölkerung wahrnahmen, ist auch deshalb zu
unterstreichen, weil das Sanitätswesen der Wehrmacht bis heute unzureichend erforscht ist.
Keineswegs auf die medizinische Versorgung der deutschen Truppen beschränkt, beschäftigten sich
die Kommandaturärzte in Frankreich vielmehr schwerpunktmäßig mit dem Betrieb von
Wehrmachtsbordellen und der Einleitung von Repressalien gegenüber prostitutionsverdächtigen
Frauen.
Das Beispiel Frankreich
Die quantitative Dimension des Wehrmachtsbordellsystems war alles andere als unbedeutend. Ende
1941 beispielsweise verfügte die deutsche Besatzungsmacht nach eigenen Angaben allein im
Militärverwaltungsbezirk A - ein Gebiet, das etwa ein Drittel der deutschbesetzten Nordzone
einschloss - über 143 Wehrmachtsbordelle, in denen 1166 Frauen arbeiteten. Der Massencharakter
des Bordellsystems zeigt sich ebenso am Beispiel der Hafenstadt La Rochelle, wo im Verlauf des Jahres
1942 mindestens 250 Französinnen in den für deutsche Truppen reservierten Bordellen tätig waren,
wie die Auswertung zeitgenössischer Unterlagen der örtlichen französischen Gesundheitsbehörden
ergibt.
Man kann davon ausgehen, dass es im besetzten Frankreich Frauen gab, die sich um die Tätigkeit in
einem Wehrmachtsbordell beworben haben, sei es aus eigenem Antrieb oder infolge der Gewalt eines
privaten Zuhälters, und auch die polizeiliche Repression der Straßenprostitution spielte in diesem
Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zugleich gründete sich die Bordellarbeit jedoch
auf direkte, administrativ ausgeübte Zwangsmaßnahmen. So belegen die überlieferten Quellen, dass
Französinnen aus Internierungslagern in Wehrmachtsbordelle überwiesen wurden.
Die im Kontext der Prostitutionsüberwachung verhängten Internierungsmaßnahmen, deren nähere
Untersuchung bis heute aussteht, lassen sich am Beispiel des Lagers Jargeau im Departement Loiret in
Zentralfrankreich beleuchten, in das zwischen Oktober 1941 und November 1944 mindestens 303 als
Prostituierte klassifizierte Frauen aus der umliegenden Region eingeliefert wurden. Aus den bei der
Einweisung maßgeblichen Motiven und Begründungen erschließt sich die Willkür, mit der die
Wehrmacht über Französinnen verfügte, die deutschen Soldaten ihre Gesellschaft gewährten. So
befahl der Sanitätsoffizier der Feldkommandantur Orléans der französischen Polizei im Oktober 1941,
alle außerhalb der Wehrmachtsbordelle arbeitenden "filles soumises", deren Dienste die deutschen
Soldaten bis dahin in Anspruch genommen hatten, zu verhaften und in das Lager zu überführen.
Die Internierung so genannter Prostituierter in Jargeau wurde auf direkte Weise mit dem
Wehrmachtsbordellsystem verbunden. Ab Dezember 1941 ließen die Besatzungsbehörden
Französinnen aus dem Lager durch Polizeikräfte in verschiedene, für die Wehrmacht reservierte
Bordelle überstellen. Die Rekrutierung zur Bordellarbeit geschah in formaler Hinsicht mit
Einverständnis und auf Antrag der Internierten. Faktisch handelte es sich um eine der wenigen
Möglichkeiten, das Lager zu verlassen. Dass die in Wehrmachtsbordelle überführten Frauen zum Teil
vor ihrer Meldung zur Bordellarbeit erfolglos versucht hatten, dem Lager mit Hilfe individueller
Entlassungsgesuche oder mittels Flucht zu entkommen, deutet darauf hin, unter welchem Druck die
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Einwilligung zum Abtransport in ein Wehrmachtsbordell erfolgte. Hervorzuheben ist weiterhin, dass
die Feldkommandantur durchaus nicht allen Anträgen stattgab, sondern unter den betreffenden
Frauen selbst ihre Auswahl traf.
Mit den Ergebnissen ihres Einstiegs ins Geschäft mit dem käuflichen Sex war die Wehrmachtsführung
zufrieden. In einem Bericht vom 27. Januar 1943 jedenfalls heißt es: “In den besetzten Gebieten hat
sich die Einrichtung von Bordellen durch die Wehrmacht bewährt, soweit ein sorgfältige Kontrolle
des Bordellbetriebs und … Kontrolle der Insassen durch deutsche Sanitätsoffiziere erfolgte.”
In größeren Städte gab es getrennte Etablissements für Mannschaften und für Unteroffiziere. Allein in
Paris waren im April 1941 zum Beispiel 29 Wehrmachtsbordelle zugelassen, in Caen elf. Natürlich
existierten ebenfalls spezielle Offiziersbordelle, doch darüber findet sich in den fragmentarisch
erhaltenen Unterlagen zum Sanitätswesen sehr viel weniger. Offiziell sollten sie als Vorbilder
“Selbstzucht” üben. Dennoch wurden “Absteigehotels für durchreisende Offiziere” eingerichtet, in
denen die gleichen Vorschriften wie in gewöhnlichen Wehrmachtsbordellen galten. Allein in Paris gab
es drei davon.
Ebenfalls nur punktuell erhalten haben sich Angaben über den Betrieb der Wehrmachtsbordelle.
Offiziell sollte jedes eine Hausordnung bekommen, in der Öffnungszeiten, Verhaltensregeln und Preise
festgehalten waren. Im Normalfall kostete Sex offenbar zwei bis drei Reichsmark, in besser
ausgestatteten Bordellen manchmal auch fünf Reichsmark. Jeder Freier hatte sich nach dem
Geschlechtsverkehr von einem deutschen Sanitätsdienstgrad “sanieren” zu lassen.
Auch wenn sich dieses Beispiel auf Frankreich bezieht, so sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass es
derartige Wehrmachtsbordelle in allen von den Nationalsozialisten besetzten Ländern gab.
Lagerbordelle
Im Zeitraum 1942 bis 1945 wurden in den Konzentrationslagern Auschwitz, Ravensbrück,
Neuengamme, Sachsenhausen, Mittelbau-Dora, Buchenwald, Flossenbürg, Dachau, Gusen und
Mauthausen circa 200 weibliche Häftlinge von der SS für Lagerbordelle eingesetzt, wobei
mittlerweile 174 namentlich bekannt sind.
Die Idee der Lagerbordelle geht auf einen Besuch Himmlers im KZ Mauthausen zurück. Hierzu heißt es
in einem Brief Heinrich Himmlers an Oswald Pohl am 23. März 1942: „Für notwendig halte ich
allerdings, dass in der freiesten Form den fleißig arbeitenden Gefangenen Weiber in Bordellen
zugeführt werden.“
Die Frauen, welche zur Prostitution gezwungen wurden, kamen ausschließlich aus den
Konzentrationslagern Ravensbrück sowie Auschwitz-Birkenau. Unter Vorspielung der
wahrheitswidrigen Aussage, dass die Frauen nach sechsmonatiger Bordelltätigkeit entlassen würden,
versuchte die SS, dass sich die Frauen freiwillig meldeten. Nachdem bald bekannt wurde, dass die SS
hier ihr Wort nicht hielt, wurden die Frauen einfach ohne irgendwelche Versprechen zu dieser
Prostitution gezwungen. Die meisten der Frauen waren Deutsche, die als „Asoziale“ in ein
Konzentrationslager verschleppt worden waren und von der SS weiterhin so bezeichnet wurden.
Andere waren Polinnen, Ukrainerinnen, Weißrussinnen, aber auch Roma und Sinti. Jüdische Frauen
gab es in den Lagerbordellen nie.
Himmlers Menschenschinder ließen ausgesuchte Häftlinge, die wichtig waren für die
Rüstungsproduktion und sich durch "Fleiß, Umsichtigkeit, gute Führung und besondere Arbeitsleistung
auszeichnen" als Belohnung in das Bordell - wenn sie "eine Gebühr von Reichsmark 2" entrichteten.
Von dem Betrag behielt die SS 1,50 Reichsmark ein, fünf Reichspfennig erhielt der
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"aufsichtsführende weibliche Häftling", die übrigen 45 Pfennige sollten an die zum Sex gezwungenen
Frauen gehen. Die Frauen sollten das Geld nach der Entlassung bekommen, die man ihnen in Aussicht
stellte und die freilich nie kam.
Häftlinge, die zu den Prostituierten wollten, mussten ein Antragsformular ausfüllen. Der Besuch im
Bordell durfte nicht länger als 20 Minuten dauern, Geschlechtsverkehr war nur im Liegen erlaubt. In
den Zimmertüren waren Löcher eingelassen, damit Wachmänner das Geschehen von außen verfolgen
konnten. Nach jedem Geschlechtsakt mussten die Frauen zum Häftlingsarzt, welcher dann die Vagina
einer „Reinigung durch Milchsäure“ unterzog.
Entschädigung der Zwangsprostituierten
Vergegenwärtigen wir uns hierzu zuerst einmal wer Opfer des Nationalsozialismus nach dem
Bundesentschädigungsgesetzes ist:
„Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den
Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch
nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben,
Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem
wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter).“
Es ist mehr als beschämend, dass Zwangsprostituierte bis in die 1990er Jahre nicht als Opfer des
Nationalsozialismus anerkannt wurden und auch keine Entschädigung erhielten.
Es stellt sich aufgrund des vorstehenden Sachverhaltes die Frage, ob denn damals sexuelle Gewalt
nicht als verbotene Kriegshandlung gewertet wurde.
Hinsichtlich der Vergewaltigung als Kriegshandlung lässt sich seit Jahrhunderten ein
gewohnheitsrechtliches Verbot nachweisen. Der Lieber-Code von 1863, mit dem die USA ihr
Landkriegsrecht kodifizierten und der als Grundlage für die späteren internationalen Abkommen zum
humanitären Völkerrecht diente, verbot in Art. 44 die Vergewaltigung bei Todesstrafe. In das IV.
Haager Abkommen (Haager Landkriegsordnung, HLKO) von 1907 wurde hingegen kein ausdrückliches
Verbot sexueller Gewalt aufgenommen. Art. 46 HLKO, der die Achtung der Ehre und der Rechte der
Familie vorschreibt, wird in Anbetracht des damals vorherrschenden Verständnisses von
„Familienehre“ jedoch ein Verbot sexueller Übergriffe auf die Frau entnommen.
Die vier Genfer Konventionen von 1949, die die Hauptquellen des humanitären Völkerrechts
darstellen und nahezu universelle Geltung haben, behandeln sexuelle Gewalt explizit nur in einem
einzigen Artikel. Nach Art. 27 Abs. 2 der Vierten Genfer Konvention (über den Schutz von
Zivilpersonen in Kriegszeiten) sollen Frauen „besonders vor jedem Angriff auf ihre Ehre und
namentlich vor Vergewaltigung, Nötigung zur gewerbsmäßigen Unzucht und jeder unzüchtigen
Handlung geschützt“ werden. Auch wenn Art. 27 Abs. 2 nicht als Verbot formuliert ist, soll er nach
dem IKRK-Kommentar zur Konvention von Pictet (1958) so verstanden werden.
Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen, der Mindestanforderungen auch für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt aufstellt, enthält keinen auf sexuelle Gewalt gemünzten
Tatbestand, verbietet aber „Angriffe auf Leib und Leben, namentlich […] „grausame Behandlung und
Folterung“ sowie jede „Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und
entwürdigende Behandlung“.
Vergegenwärtigt man sich diese vorstehenden Sachverhalte, so fallen Zwangsprostituierte zu Zeiten
des III. Reiches nach diesseitiger Sicht unter Artikel 46 Haager Landkriegsordnung, welche vom
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Deutschen Reich anerkannt worden war und welche im Zeitraum 1933 – 1945 auch Rechtskraft hatte.
Aus diesem Sachverhalt heraus hätte es eigentlich logisch sein müssen, dass die Zwangsprostituierten
hätten entschädigt werden. Dass es so lange dauerte bis die Entschädigung kam, ist kein Ruhmesblatt.
Literatur:
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Christa Paul: Zwangsprostitution: Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus, Edition
Hentrich, ISBN 978-3894681418
Baris Alakus: Sex-Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, MandelbaumVerlag, ISBN 978-3854762058
Patrick Buisson: 1940 – 1945 Années érotiques: Vichy ou les infortunes de la vertu, Verlag Albin
Michel, ISBN 978-222618394
Robert Sommer: Das KZ-Bordell – Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen
Konzentrationslagern, Schöningh-Verlag, ISBN 978-3506765246
Birgit Beck: Wehrmacht und sexuelle Gewalt. Sexualverbrechen vor deutschen
Militärgerichten 1939–1945, Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-71726-X
Internetquellen:
http://www.zeit.de/online/2009/27/lagerbordelle
http://www.buchenwald.de/599/
http://www.sueddeutsche.de/politik/nationalsozialismus-himmlers-zwangsprostituierte-1.532668
http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80470.htm
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40749007.html
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Systematische Verbrechen der Wehrmacht
Lassen Sie uns erst einmal Äußerungen wichtiger Vertreter der deutschen Wehrmacht zur Kenntnis
nehmen, bevor wir uns konkret mit den systematischen Verbrechen der deutschen Wehrmacht
auseinander setzen:
EINDEUTIGE ÄUSSERUNGEN DER WEHRMACHT 1938 – 1941:
Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber des Heeres Walther von Brauchitsch in seinem Erlass des
Jahres 1938 über die Erziehung des Offizierskorps:
„Wehrmacht und Nationalsozialismus sind desselben geistigen Stammes. Sie werden weiter Großes für
die Nation leisten, wenn sie dem Vorbild und der Lehre des Führers folgen, der in seiner Person den
echten Soldaten und Nationalsozialisten verkörpert.“
Generalquartiermeister Eduard Wagner Anfang Oktober 1941:
„Nichtarbeitende Kriegsgefangene in den Gefangenenlagern haben zu verhungern. Arbeitende
Kriegsgefangene können im Einzelfalle auch aus Heeresbeständen ernährt werden.“
Befehl des Generaloberst von Manstein vom 20. November 1941:
„Dieser Kampf wird nicht in hergebrachter Form gegen die sowjetische Wehrmacht allein nach
europäischen Kriegsregeln geführt. […] Das Judentum bildet den Mittelsmann zwischen dem Feind im
Rücken und den noch kämpfenden Resten der Roten Armee und der Roten Führung […] Das jüdischbolschewistische System muss ein für alle Mal ausgerottet werden.“
Befehl des Generalfeldmarschalls Walther von Reichenau vom 10. Oktober 1941:
„Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch ein
Träger einer unerbittlichen, völkischen Idee und der Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und
artverwandtem Volkstum zugefügt wurden. Deshalb muss der Soldat für die Notwendigkeit der harten
aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben. Sie hat den weiteren
Zweck, Erhebungen im Rücken der Wehrmacht, die erfahrungsgemäß stets von Juden angezettelt
wurden, im Keime zu ersticken. […] Immer noch werden heimtückische, grausame Partisanen und
entartete Weiber zu Kriegsgefangenen gemacht […] und wie anständige Soldaten behandelt und in die
Gefangenenlager abgeführt. […] Ein solches Verhalten der Truppe ist nur noch durch völlige
Gedankenlosigkeit zu erklären.
Es ist dies im Übrigen nur eine kleine Auswahl von eindeutigen Befehlen hochrangiger
Wehrmachtsvertreter, die belegen, dass große Teile der Wehrmacht eindeutig hinter der NS-Ideologie
standen.
Wie sehr die oberste Führung der Nationalsozialisten und die oberste Führung der Wehrmacht auf
einer Linie in Sachen Verbrechen gegen die Menschheit waren, zeigen unmissverständlich die
folgenden drei Erlasse:
KRIEGSGERICHTBARKEITSERLASS VOM 13.05.1941:
1.Abschnitt des Erlasses
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Behandlung von Straftaten feindlicher Zivilpersonen:
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Für Straftaten feindlicher Zivilpersonen sind Kriegsgerichte oder Standgerichte bis auf weiteres
nicht zuständig.
Freischärler sind im Kampf oder auf der Flucht „schonungslos zu erledigen“.
Zivilpersonen, die Wehrmachtsangehörige angreifen, sind sofort „niederzukämpfen“.
Tatverdächtige können auf Geheiß eines Offiziers erschossen werden.
Gegen Ortschaften können nach Anordnung eines Bataillonskommandeurs „kollektive
Gewaltmaßnahmen“ durchgeführt werden.
Ausdrücklich verboten wird die Festsetzung und Verwahrung von Verdächtigen, um diese
später einem Gericht zuzuführen.
Erst wenn das besetzte Gebiet „ausreichend befriedet“ ist, können die Oberbefehlshaber die
Wehrmachtsgerichtsbarkeit über Zivilpersonen einführen.
2.Abschnitt des Erlasses
Straftaten, die von Wehrmachtsangehörigen gegen Einwohner des besetzten Gebietes verübt
werden
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Es besteht kein Verfolgungszwang gegen den Wehrmachtsangehörigen, selbst wenn es sich um
ein militärisches Verbrechen handelt.
Bei der Beurteilung solcher Taten sind Rachegedanken und Leiderfahrungen zu berücksichtigen,
die dem deutschen Volk durch „bolschewistischen Einfluss“ zugefügt worden sind.
Nur schwere Sexualstraftaten, Taten aus verbrecherischer Neigung, sinnlose Vernichtung von
Unterkünften und Beutegut sind kriegsgerichtlich zu ahnden, da dieses zur „Aufrechterhaltung
der Manneszucht“ diene.
Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit feindlicher Zivilpersonen ist „äußerste Vorsicht“ zu
beachten.
Dieser völkerrechtswidrige Erlass stammt von Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der
Wehrmacht. Gesunder Menschenverstand hätte ausgereicht, damit jeder Soldat erkennen konnte,
dass dieser Erlass gegen das Völkerrecht verstößt.
KOMMISSARBEFEHL VOM 6. JUNI 1941:
In diesen Richtlinien, die von Alfred Jodl als Chef des Wehrmachtführungsstabes beim
Oberkommando der Wehrmacht unterzeichnet wurden und die weitestgehend von Generalstabschef
Franz Halder formuliert wurden, heißt es:
„In diesem Kampfe ist Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme diesen Elementen gegenüber
falsch. ….. Politische Kommissare als Organe der feindlichen Truppe sind kenntlich an besonderen
Abzeichen – roter Stern mit golden eingewebtem Hammer und Sichel auf den Ärmeln. […] Sie sind aus
den Kriegsgefangenen sofort, d. h. noch auf dem Gefechtsfelde, abzusondern. Dies ist notwendig, um
ihnen jede Einflussmöglichkeit auf die gefangenen Soldaten abzunehmen. Diese Kommissare werden
nicht als Soldaten anerkannt; der für die Kriegsgefangenen völkerrechtlich geltende Schutz findet auf
sie keine Anwendung. Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen.“
Es wird in diesem Erlass deutlich, dass jeder Leser dieser „Richtlinien für die Behandlung politischer
Kommissare“ wissen musste, dass er bei Anwendung der Richtlinien gegen das Völkerrecht verstößt.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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DER KUGEL ERLASS VOM 2. MÄRZ 1944:
Wie wenig sich die Wehrmacht um das internationale Kriegsrecht scherte, lässt sich auch aus dem auf
den 4.3.1944 datierten Erlass „Maßnahmen gegen wiederergriffene flüchtige kriegsgefangene
Offiziere und nichtarbeitende Unteroffiziere“ [später als Kugel Erlass bekannt] ersehen.
Das OKW hatte in diesem Erlass folgendes angeordnet:
Jeder wiederergriffene Offizier oder „nichtarbeitende Unteroffizier“ mit Ausnahme britischer und
amerikanischer Kriegsgefangener sind dem „Chef der Sipo und dem SD“ mit dem Kennwort „Stufe III“
zu übergeben sei. Diese Überstellung darf „unter keinen Umständen offiziell bekannt werden“. An die
Wehrmachtauskunftstelle sind diese Kriegsgefangenen als „geflohen und nicht wiederergriffen“ zu
melden, bei Anfragen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ist dieselbe Auskunft zu
gegeben.
Die Überstellten werden nach dem bisher üblichen Verfahren“ in das Konzentrationslager Mauthausen
überführt. Beim Transport sind die Gefangenen zu fesseln, dies ist aber vor unbeteiligten Zuschauern
zu verbergen. Dem Lagerkommandanten in Mauthausen ist mitzuteilen, dass „die Überstellung im
Rahmen der Aktion ‚Kugel’ erfolgt. Im Rahmen der Aktion Kugel sind diese Gefangen zu erschießen.
Dieser Befehl verstieß gegen die „Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen“
von 1929, der bei Flucht von Kriegsgefangenen lediglich disziplinarische Strafen vorsah.
Im Rahmen des Kugel Erlasses verloren im Übrigen im Konzentrationslager Mauthausen mehr als 5.000
Menschen ihr Leben.
KRIEGSVERBECHEN DER WEHRMACHT AN KONKRETEN BEISPIELEN:
Vergegenwärtigen wir uns nun, dass es sich bei den Taten der Wehrmacht nicht um einzelnen Aktionen
weniger handelte, sondern dass die Wehrmacht systematisch Kriegsverbrechen verübte und sich auch
am Holocaust beteiligte. Die nachfolgenden Beispiele mögen dies belegen:
ÜBERFALL AUF POLEN – DIE MASSAKER VON CIEPELOW UND PRUESYSL
Mehr als 3.000 polnische Soldaten wurden abseits der Kampfhandlungen von deutschen Soldaten zu
Beginn des II. Weltkriegs im September 1939 ermordet. Allein zwischen dem 1.9.1939 und dem
25.10.1939 wurden mehr als 16.000 Zivilisten hingerichtet, wobei mehr als die Hälfte dieser Morde
von der Wehrmacht begangen wurden.
Besonders verabscheuungswürdig sind dabei sicherlich:


das Massaker von Ciepelow am 8. September 1939
das Massaker von Pruesysl in der Zeit vom 15.-19. September 1939
Gerade das Beispiel des Polen Überfalls zu Beginn des II. Weltkrieges und die nachgewiesene
Beteiligung der Wehrmacht an der Ermordung von Zivilisten belegt eindeutig, dass die Wehrmacht von
Anfang an in die NS-Verbrechen eingebunden war. Es stellt sich an dieser Stelle natürlich die Frage, ob
man nicht bereits 1939 die entsprechenden Lehren aus diesen Verbrechen der Wehrmacht hätte
ziehen müssen und die Nazis mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln hätte bekämpfen müssen.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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NIEDERLANDE – DER FALL PUTTEN
Nachdem niederländische Partisanen in der Nacht zum 1.10.1944 nahe der der holländischen Stadt
Putten vier deutsche Offiziere in einem Auto beschossen hatten und dabei einer von diesen ums Leben
kam, befahl der damalige General Friedrich Christiansen, dass am Folgetag, d.h. am 2.10.1944 661
Puttener Männer ab 16 Jahre bei einer großen Razzia gefangen genommen und zunächst in das Lager
Amersfoort und anschließend in die KZ Neuengamme, KZ Bergen-Belsen, KZ Auschwitz-Birkenau und
KZ Ladelund verschleppt wurden. Die Frauen, Kinder und alten Menschen der Gemeinde mussten das
Dorf verlassen, ihre Häuser wurden niedergebrannt. Dabei wurden über 100 Gebäude und
Wohnungen zerstört. In den sieben Monaten bis Kriegsende kamen die meisten der gefangenen und
deportierten Männer in deutschen Konzentrationslagern um, alleine 111 im KZ Ladelund. Nur 49 der
Deportierten überlebten. In keinster Weise war diese Vorgehensweise der Wehrmacht, die leider
systematisch war, mit dem internationalen Kriegsrecht vereinbar.
DER KEITEL BEFEHL VOM 16.09.1941
Die Perversität der Wehrmachtsführung mag man an dem nachfolgenden Befehl erkennen:
Der Keitel-Befehl vom 16. September 1941 besagte, dass für jeden ermordeten Deutschen bis zu 100
Geiseln und für jeden Verwundeten 50 Geiseln zur Sühne erschossen werden sollten. Basierend darauf
hatte der Wehrmachtbefehlshaber Südost am 19. März 1942 Weisung an seine Truppenkommandeure
„betreffend Bekämpfung von Aufständischen“ erlassen. Die von Jodl unterzeichnete „Kampfanweisung
für die Bandenbekämpfung im Osten“ vom 11. November 1942 fasste alle vorherigen
Einzelverfügungen zusammen und forderte unerbittliche Härte auch gegen Frauen und Kinder ein.
Dieser Befehl wurde im Rahmen des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion von Beginn
an vollumfänglich umgesetzt. Diese Morde, zusammen mit dem Verhungernlassen der
Kriegsgefangenen führten auch dazu, dass mehrere Millionen von Kriegsgefangenen von der
deutschen Wehrmacht in juristischem Sinne ermordet wurden. Es mag an dieser Stelle sehr
überraschen, wie schnell man all dies nach Kriegsende vergas.
ITALIEN – DAS MASSAKER VON KEFALONIA
Das Massaker von Kefalonia war ein Kriegsverbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zu Lasten
des ehemaligen Verbündeten Italien. Deutsche Truppen erschossen 5.200 Soldaten der italienischen
Division „Acqui“, die sich am 21. und 22. September 1943 Teilen der deutschen 1. Gebirgs-Division auf
der griechischen Insel Kefalonia ergeben hatten.
Erst im Jahr 2013, d.h. nach mehr als 70 Jahren, wurde ein deutscher Wehrmachtssoldat in Italien zu
lebenslanger Haft wegen der Beteiligung an der Ermordung von 117 italienischen Offizieren in
Abwesenheit verurteilt. Interessant ist dabei zweifelsfrei, wie unterschiedlich die Taten von deutscher
und italienischer Justiz bewertet wurden. 2006 wurde das Massaker von Kefalonia von dem
Landgericht München untersucht. Diese sahen in dem Massaker von Kefalonia -im Gegensatz zur
italienischen Justiz- keinen Mord sondern nur mittlerweile verjährten Totschlag. In diesem
Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass sich Italien am 8. September 1942 den Alliierten
ergab und ab dem 9. September 1943 auf der Seite der Alliierten gegen Nazi-Deutschland kämpfte.
Nachstehend nun die Begründung der Oberstaatsanwaltschaft München aus dem Jahr 2006, warum
kein Mord vorlegen würde: „Aus Verbündeten wurden sie zu heftig kämpfenden Gegnern und damit
im Sprachgebrauch des Militärs zu ‚Verrätern‘. Damit liegt der Fall nicht wesentlich anders, als wenn
Teile der deutschen Truppe desertiert und sich dem Feind angeschlossen hätten. Eine daran
anschließende Hinrichtung wäre wohl ebenfalls nicht als Tötung aus niedrigen Beweggründen im
Sinne von § 211 StGB anzusehen.“
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Es war dies im Übrigen nicht das einzige Verbrechen, dass die deutsche Wehrmacht an dem
ehemaligen Verbündeten Italien verübte. Aber auch in vielen anderen Fällen war man nicht sehr an
einer nachhaltigen Aufarbeitung dieser Kriegsverbrechen interessiert und noch heute gibt es viele
böswillige Witze über die mangelnde Loyalität und Kampfbereitschaft der Italiener im II. Weltkrieg.
BETEILIGUNG DER WEHRMACHT AM HOLOCAUST:
DIE 707. INFANTERIE DIVISION:
Die 707. Infanterie Division wurde am 2.5.1941 aus Ersatzeinheiten des Wehrkreises VII aufgestellt.
Die Division bestand bis zur sowjetischen Sommeroffensive 1944 fort und wurde am 3.8.1944 offiziell
aufgelöst. Die Division wurde nach dem Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im August
1941 von der im Reich befindlichen Bereitstellung in die hinteren Bereiche der Ostfront zur „Sicherung
und Befriedung“ in Marsch gesetzt. Ihre Hauptaufgaben waren Sicherungen hinter der Front und die
Partisanenbekämpfung.
Kommandeur der 707. Infanterie-Division in den Jahren 1941–1943 war Generalmajor Gustav Freiherr
von Bechtolsheim. Er war bekannt als ausgewiesener Antisemit und regimetreuer Nationalsozialist im
Sinne der NS-Propaganda. Unter diesem Befehlshaber kam es nachweislich unter den Juden und der
weißrussischen Zivilbevölkerung zu Tötungen und Massenmorden, deren geschätzte Gesamtzahl in
die Zehntausende geht.
In ihrem Besatzungsgebiet kam es zu einer „Arbeitsteilung“ mit der SS; die SS machte die größeren
Städte „judenfrei“, die Einheiten der Division kümmerte sich um Juden, „Zigeuner“ und „sonstiges
Gesindel“ auf dem flachen Land. Das der Division unterstellte Reserve-Polizei-Bataillon 11 (mit
litauischer Schutzmannschaft) ermordete 5.900 Juden im Raum Sluzk-Kleck.
Allein für den Oktober 1941 meldete die Division in ihrem Monatsbericht, innerhalb von vier Wochen
10.940 „Gefangene“ gemacht und davon 10.431 erschossen zu haben. Ihre eigenen Verluste beliefen
sich auf 2 Tote und 5 Verwundete.
Man mag allein aus diesen Zahlen hochrechnen, wie viele Menschen hier getötet wurden. Es geht hier
um einen nachweislichen Massenmord der Wehrmacht im Rahmen des Holocausts.
Interessant ist, was aus Generalmajor Gustav Freiherr von Bechtolsheim nach Kriegsende wurde.
Hierzu wird aus Hannes Heer: Gustav Freiherr von Mauchenheim, genannt Bechtolsheim – ein
Wehrmachtsgeneral als Organisator des Holocaust. In: Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul (Hrsg.):
Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 2004, S. 33 wie folgt zitiert:
„Nach Kriegsende wurde 1961 aufgrund der Aussage eines ehemaligen Polizeikommandeurs, der
Bechtolsheim beschuldigte Judenmorde befohlen zu haben, gegen Bechtolsheim ermittelt.
Bechtolsheim stritt die Anschuldigungen mit dem Argument ab, seine Division hätte weder an
Judenmorden teilgenommen noch diese an Polizeieinheiten delegiert. Der Untersuchungsrichter sowie
die Staatsanwaltschaft meinten, dass nach allgemeiner Erfahrung die Wehrmacht nicht an
Judenaktionen beteiligt gewesen wäre und so wurde das Ermittlungsverfahren gegen Bechtolsheim
im März 1962 eingestellt.“
Eigentlich kann man so etwas nicht glauben.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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STRAFVERFOLGUNG DER WEHRMACHTSVERBRECHEN NACH ENDE DES II. WELTKRIEGES:
Zu Beginn der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch die Alliierten im Nürnberger Prozess
widmeten sich diese auch der Verbrechen der Wehrmacht. Die deutschen Justizorgane, die man ob
der Vielzahl der Verbrechen der Wehrmacht besser an der Aufarbeitung und Strafverfolgung mit
berücksichtigt hätte, wurden jedoch von den Alliierten außen vor gelassen.
Die Alliierten bestimmten im Kontrollratsgesetz Nr. 4 des Jahres 1945, dass deutsche Justizorgane nur
solche Straftaten von Wehrmachtangehörigen verfolgen dürften, die gegen deutsche Soldaten oder
Zivilisten begangen worden waren. Auch das Kontrollratsgesetz Nr. 10 von 1945 beschränkte die
deutsche Justiz auch in ihrer Zuständigkeit bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit. Gleichwohl konnten die Alliierten aber deutsche Gerichte ermächtigen,
wenn die Straftaten an Deutschen oder Staatenlosen verübt worden waren. Erst durch das
Kontrollratsgesetz Nr. 13 aus dem Jahr 1950 war die deutsche Gerichtsbarkeit bei Kriegsverbrechen im
Allgemeinen wieder hergestellt. In der Zwischenzeit hatte sich aber aufgrund einer viel zu geringen
Aufarbeitung der Verbrechen der Wehrmacht durch die alliierte Gerichtsbarkeit in der Öffentlichkeit auch aufgrund des medialen Umgangs- ein Bild des anständigen deutschen Soldaten sowie das Bild der
sauberen Wehrmacht etabliert. Für den Biedermeier galt und gilt eben: „Es kann nicht sein, was nicht
sein darf.“
TEILWEISER SICHTWECHSEL DURCH DIE WEHRMACHTSAUSSTELLUNGEN:
Erst durch die beiden Wehrmachtsausstellungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die von
1995 – 1999 sowie von 2001 bis 2004 zu sehen waren änderte sich ein wenig das Bild der Öffentlichkeit
über die angeblich so saubere Wehrmacht.
Es war im Übrigen mehr als traurig, dass das Bundesverteidigungsministerium den Angehörigen der
Bundeswehr den Besuch in der ersten Ausstellung 1995-1999 nur als Privatperson erlaubte. Auch
Bayerns damaliger Kulturminister Hans Zehetmayer empfahl die Ausstellung nicht zu besuchen und
Florian Sturmfall schrieb unter dem Titel „Wie Deutsche diffamiert werden“ in einem am 22.02.1997
gedruckten Artikel im Bayernkurier: „Die Ausstellung verallgemeinert tatsächliche Verbrechen durch
Einheiten und Soldaten der Wehrmacht zum Pauschalvorwurf gegen alle ehemaligen Soldaten. […] Es
geht also den Veranstaltern darum, Millionen von Deutschen die Ehre abzusprechen.“
EINE SONSTIGE UNGLAUBLICHKEIT IN SACHEN WEHRMACHT:
Wie die Einstellung vieler Wehrmachtsoffiziere in den Nachkriegsjahren wirklich war, lässt sich aus
einem Bericht der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 11.05.2014 ersehen, wobei sich DIE ZEIT auf nunmehr
zugängliche BND Akten bezieht:
Hiernach planten 2.000 Wehrmachtsoffiziere nach einem BND-Bericht, ab 1949 eine 40.000 Mann
starke Truppe aufzubauen. Dabei habe die Aktion erst einmal hinter dem Rücken der Bundesregierung
stattgefunden, wobei der Hauptorganisator der späterer Bundeswehr-Heeresinspekteur Albert Schnez
gewesen sein soll.
Es wären laut den Berichten von DER SPIEGEL und DIE ZEIT Spenden bei Unternehmen eingeworben
worden, man habe mit Speditionen besprochen, welche Transportmittel diese zur Verfügung stellen
könnten und es war auch bereits klar, dass die Waffen im Ernstfall aus den Beständen der
Bereitschaftspolizei kommen sollten. Wie die SÜDDEUTSCHE ZEITING im Jahr 2014 berichte, habe diese
Geheimorganisation sogar einen eigenen Abwehrapparat betrieben und linksorientierte Politiker wie
den späteren SPD Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler bespitzelt. Laut des vorstehenden Artikels in der
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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ZEIT (www.zeit.de/politik/deutschland/2014-05/bnd-akten-geheimarme) sind viele Angehörige dieser
Geheimtruppe dann 1955 zur gegründeten Bundeswehr gewechselt, darunter:
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Hand Peiler, ab 1957 NATO Oberbefehlshaber
Albert Schnez, späterer Heeresinspekteur der Bundeswehr
Adolf Heusinger, erster Generalinspekteur der Bundeswehr
Soviel zur Rechtschaffenheit der ehemaligen Wehrmachtsoffiziere.
Literatur
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Felix Römer: Der Kommissarbefehl. Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42.
Ferdinand Schöningh, Paderborn u. a. 2008, ISBN 978-3-506-76595-6
Christian Streit: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen, in: Gerd Überschär,
Wolfram Wette: Unternehmen Barbarossa, 1991, ISBN 3-596-24437-4
Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen
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1945. (Militärgeschichtliches Forschungsamt Freiburg i. B.), Oldenbourg-Verlag, München
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Karl Glaubauf, Stefanie Lahousen: Generalmajor Erwin Lahousen, Edler von Vivremont. Ein
Linzer Abwehroffizier im militärischen Widerstand.LIT Verlag, Berlin, Hamburg, Münster, 2005,
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Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.): Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des
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Redaktion: Christoph Bitterberg, Jutta Mühlenberg, Birgit Otte. Hamburger Edition, Hamburg
2002 ISBN 3-930908-74-3
INTERNETQUELLEN:
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http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0093_kgs&l=de
http://www.icrc.org/ihl.nsf/FULL/305?OpenDocument
http://de.mauthausenmemorial.at/?aufl=1&cbereich=5&cthema=193&carticle=49&fromlist=
http://www.sueddeutsche.de/politik/massaker-an-offizieren-ex-wehrmachtssoldat-wegenkriegsverbrechen-verurteilt-1.1798168
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http://www.verbrechen-der-wehrmacht.de/
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Die IG Farben-Industrie und ihre Rolle im III. Reich:
Einer der wohl spektakulärsten der zwölf Nachkriegsprozesse gegen Verantwortliche im Rahmen der
sogenannten Nürnberger Prozesse war sicherlich der Prozess „Vereinigte Staaten ./. Carl Krauch u.a.“,
der später unter dem Namen „I.G. Farben-Prozess“ von besonderer Bedeutung für die Aufarbeitung
der Beziehungen von Spitzenfunktionären der deutschen Wirtschaft zum NS-Regime werden sollte.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass „IG Farben“ zu den unternehmerischen Zeiten während des
Dritten Reiches mit 200 Werken in Deutschland sowie 400 deutschen und 500 ausländischen
Unternehmensbeteiligungen das größte europäische Unternehmen und nach General Motors, US
Steel sowie Standard Oil das viertgrößte Unternehmen der Welt war.
Beginnen wir unsere Aufarbeitung mit dem 3. Mai 1947, dem Verkünden der Anklageschrift in o.g.
Verfahren, in der den angeklagten 23 leitenden Angestellten folgendes zur Last gelegt wurde:
1. Verbrechen gegen den Frieden durch Planung, Vorbereitung, Einleitung und Führung von
Angriffskriegen und Invasionen anderer Länder
2. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Plünderung und Raub
öffentlichen und privaten Eigentums in kriegerisch besetzten Ländern
3. Versklavung der Zivilbevölkerung in von Deutschland besetzten oder kontrollierten Gebieten,
Einziehung dieser Zivilisten zur Zwangsarbeit, Teilnahme an der Versklavung von
Konzentrationslagerinsassen innerhalb Deutschlands, an der völkerrechtswidrigen
Verwendung von Kriegsgefangenen bei Kriegshandlungen, Misshandlung, Einschüchterung,
Folterung und Ermordung versklavter Menschen
4. Mitgliedschaft in der SS, die als verbrecherische Organisation eingestuft worden war
5. Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden
Entstehung, Wachstum und internationale Verflechtung der I.G. Farben, die Milde der Strafe gegen
einige Angeklagte sowie das rund 60 Jahre andauernde Liquidationsverfahren führen noch heute zu
vielen offenen Fragen.
Wie entstand I.G. Farben?
Am 21. November 1925, d.h. erst sechs Jahre und zwei Monate vor der Machtergreifung Hitlers
schlossen die nachfolgenden Firmen:
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Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation, Firmensitz Berlin
Badische Anilin- und Sodafabrik AG, Firmensitz Ludwigshafen
Ammoniakwerk Merseburg GmbH - Leuna Werke, Firmensitz Merseburg
Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Firmensitz Leverkusen
Chemische Fabrik Griesheim-Elektron, Firmensitz Griesheim
Chemische Fabrik Kalle & Co. AG, Firmensitz Biebrich
Chemische Fabriken Weiler-ter Meer, Firmensitz Uerdingen
Farbwerke Leopold Cassella & Co., Firmensitz Fechenheim
Farbwerke vorm. Meister Lucius und Brüning AG, Firmensitz Höchst
einen Vertrag zur konkurrenzlosen Zusammenarbeit in einer Interessengemeinschaft. Die vorstehend
genannten Firmen übertrugen ihre Aktiva in Gänze an die BASF AG und erhielten hierfür wertgleiche
Aktienanteile an der BASF AG, welche wiederum ihren Namen änderte in I.G. Farbenindustrie AG. Sitz
der I.G. Farben wurde Frankfurt, das Gründungsstammkapital betrug 1,1 Milliarden Reichsmark. Die
Stammbelegschaft betrug zur Unternehmensgründung 94.000, wobei diese sich aber zügig auf 189.000
erhöhen sollte.
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Weltweit führend war I.G. Farben zu Zeiten der Unternehmensgründung dabei in den folgenden
Bereichen:
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Luftstickstoffindustrie
Erzeugung von Basischemikalien
Herstellung von Treibstoffen durch Kohlehydrierung
Herstellung von Farbstoffen, Arzneimitteln, Sprengstoffen und Fasern
Bis zur Kriegserklärung des Deutschen Reiches an die Vereinigten Staaten von Amerika am 11.
Dezember 1941 gab es sehr enge Beziehungen zwischen der IG Farben und amerikanischen Banken
und Chemiekonzernen und die 1929 geschlossenen Geschäftsbeziehungen und Kartellabsprachen
zwischen I.G. Farben und der US-amerikanischen Standard Oil of New Jersey von Rockefeller sollten
auch in denen Zeiten des Zweiten Weltkrieges in erheblichem Umfang Geltung behalten, in denen das
Deutsche Reich offiziell mit den Vereinigten Staaten von Amerika im Krieg war.
Zweck der Unternehmensgründung war die Gewinnmaximierung durch Monopolstellung. Welch
verheerende Wirkungen Monopole für Volkswirtschaften haben, war aus den Erfahrungen der USA
mit derartigen Kartellen bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt, so dass es bereits mehr als
seltsam anmutet, dass man in der Weimarer Republik weder aus politischer noch aus juristischer Sicht
etwas gegen die Gründung dieses Monopolisten unternahm.
Gab es vor der Machtergreifung Hitlers Kontakte von I.G. Farben zu Hitler?
Fakt ist erst einmal, dass bis zur Machtergreifung Hitlers niemand aus der Führungsriege der I.G.
Farben Mitglied der NSDAP war. Gleichwohl gab es jedoch gewichtige Kontakte.
Durch das so genannte Bergius Verfahren war der I.G. Farben die Herstellung synthetischen Benzins
durch Kohlehydrierung gelungen, gleichwohl war es der I.G. Farben bewusst, dass nur durch erhebliche
Subventionierung synthetisches Benzin auf den Markt eingeführt werden konnte. Die beiden leitenden
Angestellten der I.G. Farben, Heinrich Bütefisch und Heinrich Gattineau, nahmen aus diesem Grunde
im Sommer 1932 im Auftrag von Carl Bosch, dem damaligen I.G.-Farben-Vorstandsvorsitzenden,
Kontakt zu Adolf Hitler auf, um herauszufinden, welche wirtschaftspolitische Haltung dieser im Falle
einer Machtübernahme hier einnehmen würde. Aus kriegstaktischer Sicht erklärte Hitler sein
unbedingtes Ja zur Subventionierung des kriegswichtigen synthetischen Benzins, so dass der
Vorstandsvorsitzende der I.G. Farben Hitler bei den Spitzenfunktionären der deutschen Wirtschaft
hoffähig machte: „Der Mann ist ja vernünftiger als ich dachte.“
Inwieweit es Absprachen zwischen der NSDAP und der I.G. Farben in Sachen Agrarkartellierung gab,
ist bis heute nicht eindeutig belegt. Bekannt ist nur, dass Hitler sehr stark an einem
Interessenskompromiss zwischen Industrie und Großagrariern gelegen war. Nahezu unmittelbar nach
der Unterstützungszusage Hitlers in Sachen synthetischen Benzins zu Gunsten der I.G. Farben,
befürwortete die I.G. Farben den Interessenkompromiss zwischen Industrie und Großagrariern
dahingehend, dass Anfang Dezember 1932 die I.G.-Farben-Generalversammlung dem Programm der
Agrarkartellierung zu.
Es liegt der Verdacht nahe, dass es hier Absprachen gab. Beweisen lässt sich dies jedoch nicht. Auch
eine Spende von 400.000 Reichsmark von der I.G. Farben an die NSDAP nach dem
Interessenkompromiss in Sachen synthetisches Benzin deutet darauf hin, dass es nicht gerade nur
lockere Beziehungen gab, zumal es zu einem Treffen von IG Farben und Hitlers NSDAP-Führungsriege
am 4. Januar 1933 beim Bankier von Schröder in Köln kam. Ein ebenfalls sehr eindrucksvolles Indiz liegt
darin, dass genau 21 Tage nach der Machtergreifung Hitlers an einem erst nach Kriegsende bekannt
gewordenen geheimen Treffen von Industriellen am 20. Februar 1933 der NSDAP von der deutschen
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Industrie drei Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt wurden, wovon 400.000 Reichsmark von
der I.G. Farben stammten. Ist es ein Zufall, dass die deutsche Regierung ausgerechnet an diesem 20.
Februar 1933 einen Vertrag mit I.G. Farben schloss, welcher Absatz und Mindestpreisgarantie für
350.000 Tonnen synthetisches Benzin fixierte? Hierdurch wurde die I.G. Farben vor einem Verlust 300
Millionen Reichsmark bewahrt.
Gab es politische Kontakte der I.G. Farben zur NSDAP?
Zumindest in Bezug auf die Personalie des I.G.-Farben-Aufsichtsratsvorsitzenden Carl Krauch gab es
eine offensichtliche Verknüpfung zwischen I.G. Farben und NSDAP. Ab 1935 leitete er zusätzlich die
Vermittlungsstelle Wehrmacht der I.G. Farben. Von 1936 bis 1938 hatte er die politische Funktion des
Leiters der Abteilung Forschung und Entwicklung des Amtes für Deutsche Roh- und Werkstoffe inne.
1937 wurde er Mitglied der NSDAP. 1938 wurde er zum Wehrwirtschaftsführer und
Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung und arbeitete in seiner Funktion
als Wehrwirtschaftsführer den "Schnellplan" aus, mit dem Deutschland für den September 1939
kriegsbereit gemacht wurde. Ab 1939 war Carl Krauch, der von Hitler persönlich im Jahr 1939 das
„Eiserne Kreuz“ wegen seiner Siege auf dem „Schlachtfeld der deutschen Industrie“ erhielt, auch
Präsident des Reichsamtes für Wirtschaftsaufbau.
Kommen wir kurz noch auf den" Schnellplan" zu sprechen. Dieser [teilweise auch Crauch-Plan genannt]
war Beweisstück mit der Nummer NI-8797 im so genannten „I.G.-Farben-Prozess“. Gegenstand des
Planes war, dass neben Mineralöl, synthetischem Kautschuk, Aluminium und Magnesium auch die
Produktion von Sprengstoff, Pulver und Kampfstoffen wie folgt gesteigert werden sollte:
Pulver:
Sprengstoff:
Kampfstoffe:
13.250 Monatstonnen
13.600 Monatstonnen
2.900 Monatstonnen
Am 5. Juni 1943 wurde Carl Krauch auch noch das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes überreicht.
Es mag aus diesem Grunde nicht so ganz nachvollziehbar sein, wieso das I.G.-Farben-Gericht im
Anklagepunkt 1 „Verbrechen gegen den Frieden durch Planung, Vorbereitung, Einleitung und Führung
von Angriffskriegen und Invasionen anderer Länder“ weder Carl Krauch noch einen anderen der 22
Angeklagten schuldig sprach und als Begründung hierfür angab, dass eine Teilnahme an der
Wiederaufrüstung nicht strafbar gewesen sei.
Nicht berücksichtigt wurde auch das Engagement der I.G. Farben im Spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936
– April 1939):
Zumindest in zweifacher Form unterstützte I.G. Farben die Putschisten unter dem späteren Diktator
Franco. Zum einen spendete I.G. Farben mehrere Beträge in Höhe von 100.000 Peseten an die Legion
Vidal. Die Legion Vidal war die Sanitätstruppe der Legion Condor. Legion Condor wiederum war eine
verdeckt operierende Einheit der deutschen Wehrmacht im Spanischen Bürgerkrieg, die in allen
bedeutenden Schlachten zu Gunsten von Franco eingriff. Traurige Berühmtheit erlangte die Legion
Condor dadurch, dass sie 1937 nicht nur völkerrechtswidrig die Stadt Guernica bombardierte und
zerstörte, sondern dort auch mit besonderer Menschenverachtung vorging. Das Bild „Guernica“ von
Pablo Picasso wird uns stets hieran erinnern. Des Weiteren nutzte die Legion Condor die von der I.G.
Farben produzierte Elektron-Thermit-Stabbrandbombe B1E. Diese Stabbrandbombe entwickelte beim
Einschlag eine Hitze von bis zu 2.400 Grad und entfachte eine Feuerbrunst, welcher mit Löschwasser
nicht beizukommen war.
Es ist kaum zu glauben, dass die I.G. Farben ihr diesbezügliches Engagement im Spanischen Bürgerkrieg
ohne Rückendeckung des NS-Regimes betrieb. Das in Berlin befindliche Archiv der Legion Condor
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überlebte im Übrigen nicht den Zweiten Weltkrieg, gleichwohl konnte über das in Rom weitestgehend
unversehrte Archiv der Aviazione Legionaria, der Schwesterorganisation der Legion Condor, der
vorstehende Sachverhalt später aufgeklärt werden. Zum Zeitpunkt des I.G.-Farben-Prozesses lagen
diese Informationen jedoch genau so wenig vor wie die für die historische Aufarbeitung des Spanischen
Bürgerkriegs eigentlich unvorstellbare Tatsache, dass Royal Dutch Shell, Texas Oil Company sowie die
Standard Oil Company die Putschisten unterstützten.
I.G. Farben und Auschwitz
Eine Tochtergesellschaft der Degussa AG sowie der IG Farben, die DEGESCH (=Deutsche Gesellschaft
für Schädlingsbekämpfung) produzierte und vertrieb das originär für die Landwirtschaft konzipierte
Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B. Interessanter Weise wurde im I.G.-Farben-Prozess von der
Anklage nachgewiesen, dass I.G. Farben an die SS große Mengen von Zyklon B lieferte. Bis heute nicht
nachzuvollziehen ist dann aber der überraschende Schluss des Gerichtes im I.G.-Farben-Prozess, dass
I.G. Farben „keinerlei Kenntnis über die bestimmungswidrige Verwendung des Zyklon B durch die SS
in den Gaskammern von Auschwitz hatte“. Das Gericht selbst hatte herausgearbeitet, dass es
zumindest teilweise sehr gute Beziehungen von Leistungsfunktionen der I.G. Farben zur NSDAP gab,
so dass diese Leitungsebenen doch gewusst haben müssten, wer die SS war und dass die SS nicht in
der Landwirtschaft tätig war.
Hinzu kommt aber noch ein weiterer bemerkenswerter Umstand:
1941 errichte I.G. Farben eine große Bunafabrik in Auschwitz, da die deutsche Wehrmacht zur
Kriegsführung einen sehr hohen Bedarf an synthetischem Kautschuk sowie synthetischem Benzin
hatte. Im März 1941 einigten sich SS und I.G. Farben dergestalt auf einen Kompromiss, dass die I.G.
Farben Baumaterialien aus ihrem Kontingent an Zement, Eisen und Holz zum Ausbau des
„Stammlagers Auschwitz“ zur Verfügung stellte und die SS im Gegenzug Arbeitskräfte durch die
Häftlinge des KZ Auschwitz erhielt, wobei für 1941 1.000 und ab 1942 3.000 Häftlinge von der SS
zugesagt wurden. Die Häftlinge mussten im Sommer zehn sowie im Winter neun Stunden arbeiten.
Hierfür zahlte die I.G. Farben dann für jeden Facharbeiter täglich vier Reichsmark an die SS sowie für
Hilfsarbeiter täglich drei Reichsmark an die SS. Geschwächte oder kranke Häftlinge, die nach Ansicht
der Lagerärzte der SS nicht (mehr) arbeitsfähig waren, wurden durch andere Häftlinge ersetzt.
Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau müsste eigentlich auch
den Vertretern der I.G. Farben in Auschwitz klar gewesen sein, dass die zurückgesandten Häftlinge im
Konzentrationslager mit sehr großer Wahrscheinlichkeit den Tod finden würden. Circa 20.000 bis
25.000 Menschen fanden beim Bau und Betrieb der I.G.-Farben-Fabrik in Auschwitz übrigens den Tod.
Diese Fakten sprechen für sich. An dem, was in Auschwitz geschah, hat auch I.G. Farben eine nicht
unwesentliche Verantwortung.
Der I.G.-Farben-Prozess
Von den 23 angeklagten leitenden Angestellten der IG Farben wurden folgende Personen verurteilt:
1. Carl Krauch, Aufsichtsratsvorstizender:
sechs Jahre Haft wegen Versklavung, 1950 entlassen, 1955 Aufsichtsratsmitglied der Hüls
GmbH
2. Otto Ambros, Vorstandsmitglied, Planung I.G. Auschwitz:
acht Jahre Haft, 1952 entlassen, ab 1954 diverse Vorstandsfunktionen in der PharmaIndustrie, aber auch Berater für Flick
3. Ernst Bürgin, Vorstandsmitglied:
zwei Jahre Haft
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4. Heinrich Bütefisch, Vorstandsmitglied, Benzin-Synthese I.G. Auschwitz:
sechs Jahre Haft wegen Versklavung, 1951 entlassen, 1952 Aufsichtsrat bei RuhrChemie AG
5. Walter Dürrfeld, Stellvertreter des IG-Farben-Vorstandsmitglieds Otto Ambros:
acht Jahre Haft, 1950 entlassen, später Vorstand der Scholven Chemie AG in GelsenkirchenBuer, wurde Aufsichtsratsvorsitzender der Borkenberge Gesellschaft in Recklinghausen,
Mitglied des Aufsichtsrats der Phenolchemie GmbH in Gladbeck, der Friesecke & Hoepfner
GmbH in Erlangen und des Beirats der Ruhrstickstoff AG.
6. Paul Häfliger, Vorstandsmitglied:
zwei Jahre, 1950 verstorben
7. Max Ilgner, Vorstandsmitglied:
drei Jahre, 1948 vorzeitig entlassen, übernahm im Auftrag der Evangelischen Kirche 1948
Planung und Oberaufsicht der Flüchtlingsstadt Espelkamp, ab 1955 Vorsitz einer
schweizerisch/niederländischen Chemiefirmengruppe
8. Friedrich Jähne, Vorstandsmitglied:
ein Jahr und sechs Monate wegen Plünderung, 1955 Aufsichtsratsmitglied der neuen
Farbwerke Hoechst AG
9. Hans Kugler, Direktor der „Verkaufsgemeinschaft Farbstoffe sowie später Mitglied des
Südost- sowie des kaufmännischen Ausschusses:
ein Jahr und sechs Monate, später: Vorstand der Casella Farbwerke Mainkur AG, Vorstand
der Riedel-de-Haen AG sowie Mitglied im Hauptausschuss des Verbandes der Chemischen
Industrie e.V.
10. Fritz ter Meer, Vorstandsmitglied, Verwalter I.G. Auschwitz:
sieben Jahre wegen „Plünderung“ und „Versklavung“, 1952 entlassen, später: 1955
Aufsichtsratsmitglied der BAYER AG
11. Heinrich Oster, Vorstandsmitglied:
zwei Jahre, 1949 vorzeitig entlassen, seit 1949 Mitglied im Aufsichtsrat der Gelsenberg AG
12. Hermann Schmitz, Aussichtsratsmitglied sowie Finanzchef:
vier Jahre wegen „Plünderung“, 1950 entlassen, 1952 Aufsichtsratsmitglied der deutschen
Bank Berlin West, 1956 Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der Rheinischen Stahlwerke
13. Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied:
fünf Jahre, 1949 entlassen, später: Präsident der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft
Sämtliche zu Haftstrafen verurteilten Angeklagten wurden vorzeitig aus der Haft entlassen. Die letzten
in Haft sitzenden Personen wurden 1951 freigelassen.
Von folgenden Anklagepunkten wurden im Übrigen alle Angeklagten freigesprochen:
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Verbrechen gegen den Frieden durch Planung, Vorbereitung, Einleitung und Führung von
Angriffskriegen und Invasionen anderer Länder
Mitgliedschaft in der SS, die als verbrecherische Organisation eingestuft worden war
Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden
Folgende leitenden Angestellten der I.G. Farben wurden freigesprochen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Fritz Gajewski, Vorstandsmitglied
Heinrich Gattineau, Leiter der Pressestelle IG Farben
Erich von der Heyde, leitender Angestellter
Heinrich Hörlein, Vorstandsmitglied
August von Knierim, Vorstandsmitglied
Hans Kühne, Vorstandsmitglied
Carl-Ludwig Lautenschläger, Vorstandsmitglied
Wilhelm Rudolf Mann, Vorstandsmitglied
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9. Carl Wurster, Vorstandsmitglied
10. Christian Schneider, Vorstandsmitglied
Ein ebenfalls sehr interessantes Faktum ist der Umstand, dass nicht alle Mitglieder im Vorstand
beziehungsweise im Aufsichtsrat der I.G. Farben angeklagt wurden. Im inneren Zirkel nannten sich die
Aufsichtsratsmitglieder der I.G. Farben im Übrigen auch „Rat der Götter“.
Die Höhe der Strafe im I.G.-Farben-Prozess kommentierte im Jahre 1948 Alexander Menne, damaliger
Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Chemie wie folgt:
„Die größere Zahl der Verurteilten, die sich heute als Sträflinge im Gerichtsgefängnis in Landsberg
befinden, ist am Ende eines erfolgreichen, von Fleiß und Gewissenhaftigkeit, Lebensernst und
unbestrittener Moral geführten Lebens in die Gefängniszelle gewandert [...] Wir stehen nur bestürzt
vor der Höhe einer Strafe, die wir nicht fassen und nicht fassen können; mit einem Wort: Wir
empfinden sie als ungerecht und unser Mitleid gilt denen, die –aus unseren Reihen stammend– zur
Zeit in Landsberg schon die Sträflingskleidung tragen.“
Unmittelbare Nachkriegszeit und Entflechtung
Die Ermittler der Finance Division der US-Militärregierung bezifferten das Inlandsvermögen der I.G.
Farben auf sechs Milliarden Reichsmark, das Auslandsvermögen auf einer Milliarde Reichsmark. 87%
des Maschinenparks, den die I.G. Farben 1943 betrieben hatte, war bei Kriegsende uneingeschränkt
nutzbar. Erst am 5. Juli 1945, das heißt knapp zwei Monate nach Kriegsende, verfügte die USMilitärregierung die Beschlagnahme des gesamten I.G.-Farben-Vermögens, die Absetzung und
Entlassung der Konzernleitung sowie die Suspendierung der Aktionäre. Und sogar erst Ende November
1945 bestätigte der von den vier Siegermächten gebildete Alliierte Kontrollrat die Maßnahmen der USMilitäradministration. Interessanterweise hatte die britische Besatzungsmacht die Werksdirektoren
der I.G. Farben in ihren Ämtern belassen und die offizielle Beschlagnahme der Anlagen der I.G. Farben
erfolgte erst im November 1945. In der französischen Besatzungszone wurde anders verfahren. Hier
wurden die Leitungsfunktionen in jeder Fabrik mit französischen Experten besetzt. Und obgleich das
BASF-Werk in Ludwigshafen vergleichsweise sehr beschädigt war, gelang es den Franzosen, dass die
chemische Produktion in ihrer Zone bereits 1948 wieder 91 Prozent des Vorkriegsstandes erreichte.
1951 präsentierte die seit 1949 unter Konrad Adenauer regierende Bundesregierung den
Westalliierten eine Beratergruppe in Sachen der von den Westalliierten gewünschten I.G.-FarbenEntflechtung, die von den folgenden Personen dominiert war:
1. Hermann Josef Abs, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank
2. Helmut Wohltat, vormals Ministerialdirektor in der Vierjahresplanbehörde der Nazi-Größe
Göring
3. Hermann Gross, vormals Leiter der Wiener Außenstelle der Volkswirtschaftlichen Abteilung
der I.G. Farben
Abs war in der NS-Zeit Aufsichtsratsmitglied bei I.G. Farben. Wohltat war Initiator des nach ihm
benannten deutsch-rumänischen Wirtschaftsvertrags vom 23.03.1939, welcher die rumänische
Volkswirtschaft auf die Bedürfnisse der deutschen Rüstungsindustrie ausrichtete.
Auch der damalige Bundeswirtschaftsminister Erhard besetzte die für die Entflechtung der der I.G.
Farben zuständige Abteilung seines Ministeriums in den Schlüsselstellen mit zwei ehemaligen Experten
der I.G. Farben.
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Die Lobbyarbeit all dieser Herren war so erfolgreich, dass statt der Zerschlagung des I.G. Farben –
Konzerns in 50 „Independent Units“ (Vorschlag des von den USA und Großbritannien geschaffenen
Bipartite IG Farben Control Office BIFCO aus dem Jahr 1950) die Alliierte Hohe Kommission am 23. Mai
1952 die Gründung von formal selbständigen IG Farben – Nachfolgeunternehmen vorsah:
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Agfa AG
BASF AG
Cassella Farbwerke AG
Chemische Werke Hüls AG
Bayer AG
Hoechst AG
Duisburger Kupferhütte AG
Kalle AG
Wacker Chemie AG
Dynamit AG
Wasag Chemie AG
Insgesamt wurde auf die I.G.-Farben-Nachfolgeunternehmen ein Reinvermögen von 1,64 Milliarden
DM übertragen. Am 1. Oktober 1953 erhielten dann die I.G.-Farben-Aktionäre für jede I.G.-FarbenAktie im Wert von 1.000 Reichsmark Aktien der Nachfolgeunternehmen im Wert von 915 DM. Hinzu
kam hier noch ein Liquidationsanteilschein, welcher in Reichsmark ausgegeben wurde.
Offiziell beendet wurde dann die Entflechtung der I.G. Farben durch das am 21. Januar 1955 von der
Alliierten Hohen Kommission im Einvernehmen mit der Bundesregierung erlassene „I.G.
Liquidationsschlussgesetz“.
I.G. Farben in Liquidation
Mit dem „Liquidationsschlussgesetz“ von 1955 entstand die formellen Rechtsnachfolgerin, die „I.G.
Farbenindustrie AG in Liquidation“. Erster Aufsichtsratsvorsitzender wurde der damalige I.G. Vorstand,
August von Knieriem. Der I.G. Farbenindustrie AG in Liquidation waren zwei Funktionen zugedacht:
1. Sicherung der Ansprüche auf die im Ausland befindlichen Vermögenswerte
2. Befriedigung der Gläubiger des Konzerns
Strittig war zu dieser Zeit – und dies schon seitdem der ehemalige Zwangsarbeiter Norbert Wollheimer
1951 von der I.G. Farben sowie später von der I.G. Farben i.L. auf Nachzahlung des ihm vorenthaltenen
Lohnes und Schmerzensgeld geklagt hatte – ob ehemalige Zwangsarbeiter Ansprüche gegen diejenigen
hätten, bei denen sie Arbeit verrichten mussten. Die I.G. Farben i.L. verneinte dies stets und verwies
auf die staatlichen Wiedergutmachungsbehörden. Weiterhin wurde ausgeführt, dass die
Bundesrepublik Deutschland schon durch das Israel-Abkommen die Notwendigkeit der Opfer des
Dritten Reiches durch den Staat anerkannt habe.
1958 zahlte dann die I.G. Farben i.L. einmalig 27 Millionen Mark an die Conference on Jewish Material
Claims against Germany zur Entschädigung der jüdischen Zwangsarbeiter der I.G. Auschwitz, wobei die
Zahlung nur unter der Bedingung erfolgte, dass keine weiteren Forderungen mehr gestellt werden
würden. Die Ansprüche anderer Zwangsarbeiter gegenüber der I.G. Farben hatten sich
zwischenzeitlich dadurch erübrigt, dass der Bundesgerichtshof entschieden hatte, dass die
Forderungen von derartigen Zwangsarbeitern aufgrund des Londoner Schuldenabkommens von 1953
bis zum Abschluss eines Friedensvertrages zwischen Deutschland und den Alliierten des Zweiten
Weltkrieges suspendiert sei. Bis zum In-Kraft-Treten des „Zwei-plus-Vertrages“ am 15. März 1991 hatte
Deutschland aber keinen offiziellen Friedensvertrag mit den Alliierten des Zweiten Weltkrieges. Im
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Übrigen ist dies auch der Grund dafür, dass es bis zum März 1991 keinerlei weitere
Schadensersatzforderungen gab.
Mitte der 1990er Jahre wurde dann nahezu das gesamte Kapital der I.G. Farben in Liquidation an die
Aktionäre und somit vor allem an den Mehrheitseigner, die Firma WCM ausgeschüttet. Es handelt sich
hierbei um einen Betrag von 130 Millionen DM. Für die verbliebenen 30 Millionen DM kaufte die I.G.
Farben i.L. Immobilien. Im April 2001 einigten sich I.G. Farben i.L. und oben erwähnte Firma WCM
darauf, dass WCM die Immobilien übernehmen solle und dafür bis Ende 2003 1,5 Millionen Euro zahlen
solle. Plötzlich konnte WCM jedoch seinen Zahlungsverpflichtungen mit der Folge nicht mehr
nachkommen, dass die I.G. Farben i.L. keine ausreichenden eigenen Mittel mehr hatte, um den
laufenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Aus diesem Grunde musste dann im November
2003 der Gang zum Insolvenzverwalter gegangen werden und das Ende der I.G. Farben i.L. war
besiegelt.
Abschließend sollten noch zwei Fakten erwähnt werden:
Am 18. August 1999 erklärten die beiden Liquidatoren der I.G. Farben i.L., Otto Bernhard und Volker
Pollehn, dass sie eine Stiftung zur Entschädigung der I.G.-Opfer gründen wollten. Unter Verweis auf
die eigene Entschädigungsinitiative lehnte die I.G. Farben im Jahr 2001 die Beteiligung an dem von
Bundesregierung und deutscher Wirtschaft im Jahr 2000 geschaffenen Stiftungsfonds für NSZwangsarbeiterInnen ab. Das letztlich in die Stiftung eingebrachte Kapital betrug dann jedoch nur noch
500.000 DM, d.h. 255.000 Euro.
Entschädigungsforderungen ehemaliger ZwangsarbeiterInnen von I.G. Farben haben:



Bayer
BASF
Hoechst
bis in die 1990er Jahre von sich gewiesen, da bei der Entflechtung der I.G. Farben laut Auffassung der
Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, der BASF AG sowie der Hoechst AG „drei organisatorisch völlig
neue und selbständige Unternehmen gebildet wurden, die keine Verantwortlichkeit für die
Gräueltaten des Naziterrors an Zwangsarbeitern trügen.“ Gleichwohl traten diese drei Firmen dann
jedoch doch noch der „Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft“ bei.
Geld kommt nicht weg. Das haben nur andere – an diese Volksweisheit muss man unweigerlich
denken, wenn man sich den Weg der Vermögenswerte in Sachen I.G. Farben anschaut. Und es stellt
sich wirklich die Frage: Ist dies denn wirklich alles so geschehen oder ist dies nur ein schlechter Krimi?
Nein, es ist so geschehen. Unglaublich. Möge sich so etwas nie mehr wiederholen.
Literaturverzeichnis:
 Office of Military Government for Germany, United States (O.M.G.U.S). Ermittlungen gegen die
I.G. Farbenindustrie AG. September 1945. Übersetzt und bearbeitet von der
Dokumentationsstelle zur NS-Sozialpolitik Hamburg. Greno, Nördlingen 1986, ISBN 3-89190019-8
 Jens Ulrich Heine: Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. (1925–1945)
in 161 Kurzbiographien. Verlag Chemie, Weinheim u.a. 1990, ISBN 3-527-28144-4
 Udo Walendy (Hrsg.): Auschwitz im IG-Farben-Prozess. Holocaust-Dokumente? Verlag für
Volkstum u. Zeitgeschichtsforschung, Vlotho/Weser 1981, ISBN 3-922252-15-X.
 Annette Weinke: Die Nürnberger Prozesse (= Beck'sche Reihe 2404 C. H. Beck Wissen). Beck,
München 2006, ISBN 3-406-53604-2
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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


Bundesfachtagung der Chemiefachschaften/Arbeitskreis I.G. Farben (Hrsg.): …von Anilin bis
Zwangsarbeit. Der Weg eines Monopols durch die Geschichte. Zur Entstehung und Entwicklung
der deutschen Chemischen Industrie. 2. Auflage (2007)
Gottfried Plumpe: Die I.G. Farbenindustrie AG – Wirtschaft, Technik und Politik 1904–1945.
Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-06892-0
Diarmuid Jeffreys, Weltkonzern und Kriegskartell. Der zerstörerische Werk der IG Farben, Karl
Blessing Verlag, München 2011
Internetquellen:
http://www.handelsblatt.com/politik/international/100-jahre-weltkrieg/wirtschaft-undfinanzen/geschichte-der-ig-farben-der-konzern-der-hitler-den-weltkrieg-ermoeglichte-seiteall/4428986-all.html
http://www.zeit.de/2004/24/IGFarben_2f24/komplettansicht
http://www.dw.de/norbert-wollheim-gegen-ig-farben/a-16373141
http://www.wollheim-memorial.de/de/nuernberger_prozess_gegen_ig_farben_194748
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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SS-Mitglied Prof. Dr.-Ing. von Braun – leider mehr als ein Wissenschaftler
In der Nachkriegszeit vergaßen viele Deutsche nicht nur ihr Wirken von 1933 – 1945, sondern sagten
einfach die Unwahrheit hierüber. Leider haben jedoch auch Staat und Journalisten oftmals
geschwiegen, wenn es um Menschen ging, die man in der Nachkriegszeit unbedingt zu benötigen
schien. Einer von ihnen ist Wernher von Braun, der Mann, der die Menschheit zum Mond brachte. Er
war aber auch das NSDAP- und SS-Mitglied, welches Hitler die Vergeltungswaffe V2 schenkte und sich
zur Verwirklichung seiner Ziele ungeniert KZ-Häftlingen bediente. 20.000 Tote sind mit dieser Waffe
verbunden.
Von Brauns Leben bis zum 1.9.1934
Wernher von Braun (1912 – 1977), eigentlich Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun,
entstammte einem alten Geschlecht ostpreußischer Gutsbesitzer. Sein Vater war der
Reichsernährungsminister Magnus Freiherr von Braun (1878 – 1972), ein Politiker der DVNLP. Er war
in der Weimarer Republik Minister unter den Reichskanzlern von Schleicher und von Papen.
Wernher von Brauns Bruder Sigmund (1911 – 1998) war zuerst ab 1936 in Hitlers Drittem Reich und
später dann im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik tätig. Am 1.9.1939 trat der Jurist Sigmund von
Braun der NSDAP bei. 1943 tat er als Legationssekretär Dienst an der Botschaft am Heiligen Stuhl in
Rom, wo er bis 1946 blieb. Im Rahmen des Entnazifizierungverfahrens wurde er trotz
Parteimitgliedschaft als „entlastet“ eingestuft. 1956 trat er in die FDP ein. Von 1962 bis 1968 war er
Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen in New York, von 1968 bis 1970 und 1972 bis 1976
deutscher Botschafter in Frankreich und von 1970 bis 1972 Staatssekretär im Auswärtigen Amt unter
Bundesaußenminister Walter Scheel. Im Auswärtigen Amt legte man anscheinend großen Wert auf
Kontinuität; andere Aspekte schienen damals sekundär zu sein.
Im April 1930 legte Wernher von Braun sein Abitur ab, 1932 erwarb er ein Diplom als Ingenieur an der
Technischen Hochschule in Berlin und bereits 1934 promovierte er an der Friedrichs-WilhelmUniversität in Berlin zum Dr. phil. mit dem Thema „Konstruktive, theoretische und experimentelle
Beiträge zu dem Problem der Flüssigkeitsrakete“.
Bereits 1932 begann er seine Karriere als Zivilangestellter in dem Raketenprogramm der
Heeresversuchsanstalt Kummersdorf, 30 km südlich von Berlin. Es handelte sich hierbei um ein gemäß
Versailler Vertrag nicht zulässiges Projekt. Erstes Projekt Wernher von Brauns im Jahr 1933 war die
Rakete „Aggregat 1“. Es handelte sich hierbei um eine Versuchsrakete mit einer Länge von 1,4 m,
einem Startgewicht von 150 kg und einem Stabilisierungskreisel in der Spitze, welcher den Startschub
aus Alkohol und Flüssigsauerstoff stabilisieren sollte. Da die A1 beim Startversuch explodierte und sich
als Grund die falsche Lage des Drehkopfes herausstellte, entwickelte von Braun im Jahr 1934 die
Rakete „Aggregat 2“, bei der sich der Drehkopf in der Mitte befand. Am 19.12.1934 und am 20.12.1934
konnte Wernher von Braun der Wehrmacht vermelden, dass die beiden als Max und Moritz
bezeichneten Raketen eine Flughöhe von 2,3 km erreichten. Ein erfolgreicher Start ins
Raketenprogramm war gelungen.
Pakt mit den Nazis
Ende 1935 / Anfang 1936 wurde ersichtlich, dass Kummersdorf ungeeignet war, um das
Raketenprogramm zu verbergen. Es wurde eine mehrere Kilometer große Testzone benötigt, welche
auch weitestgehend unentdeckt sein sollte. Man glaubte diese in Peenemünde auf der Ostseeinsel
Usedom gefunden zu haben. Für die Raketenprojekte der Nazis wurde die Heeresversuchsanstalt
Peenemünde (HVA) gegründet, deren technischer Direktor Wernher von Braun werden sollte.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Damit die Nazis sich ihres technischen Direktors sicher sein konnten, beantragte Wernher von Braun
am 12. November 1937 seine Aufnahme in die NSDAP. Dort wurde er unter der Mitgliedsnummer
5.738.692 registriert. Diesen Sachverhalt konnte von Braun nicht leugnen. Was er jedoch bis zu seinem
Tode beharrlich leugnete war die später bewiesene Tatsache, dass Wernher von Braun am 1. Mai 1940
als Mitglied der SS aufgenommen wurde. Er erhielt die Mitgliedsnummer 185.068. In der SS machte er
soweit Karriere, dass er zum 28. Juni 1943 zum Sturmbannführer aufstieg.
Auch wenn man die Mitgliedschaft von Brauns in der NSDAP damit zu entschuldigen sucht, dass er als
Wissenschaftler eine Mitgliedschaft in der NSDAP der Einstellung seiner Forschung vorzog, so kann
(und darf) es keinen Entschuldigungstatbestand geben, dass Wernher von Braun Mitglied der SS
wurde.
In Peenemünde leitete Wernher von Braun die Entwicklung des Aggregates 4, einer Großrakete mit
Flüssigkeitstreibstoff. Hier begann die dunkle Seite des Lebens Wernher von Brauns.
A4 – eher bekannt als Hitlers Vergeltungswaffe V2
Wernher von Braun entwickelte das Aggregat 4, welches von den Nazis als Vergeltungswaffe V2
bezeichnet wurde. Die A4-Rakete war 14 Meter hoch und hatte eine Masse von 13,5 Tonnen. Die
einstufige Rakete bestand aus etwa 20.000 Einzelteilen. Der Rumpf bestand aus Spanten und Stringern,
die mit dünnem Stahlblech beplankt waren. Die Technik bestand aus vier Baugruppen:




Spitze mit Gefechtskopf und Aufschlagzünder
Geräteteil mit Batterien und Kreiselsteuerung
Mittelteil mit Tanks für Ethanol und Flüssigsauerstoff
Heckteil mit Schubgerüst, Druckflaschen mit Stickstoff, Dampferzeuger, Turbopumpe,
Brennkammer („Ofen“), Schubdüse, Strahlruder und Luftruder.
Der etwa 738 kg schwere Sprengstoff einer Amatol-Mischung war in der Raketenspitze untergebracht.
Da sich diese während des Flugs durch die Reibung aufheizte, konnten nur Sprengstoffmischungen
verwendet werden, deren Zündtemperatur über 200 °C lag.
8.000 Tote durch den Einsatz der V2 Rakete
Die Raketenstarts der V2 sind als reine Terrormaßnahmen gegen Zivilisten zu werten. Etwa 8.000
Zivilisten [!!!] verloren ihr Leben durch den Einsatz der Waffe, meist im Raum London und Antwerpen.
Allein 1.358 Menschen starben in London und 1.610 Menschen starben in Antwerpen. Und nun darf
man auch nicht vergessen, dass die erste V2 erst am 8. September 1944 gestartet wurde und den
Londoner Vorort Chiswick traf. Wäre die V2 früher fertig erstellt worden, so wäre eine Vielzahl von
Menschen durch Ihren Einsatz um das Leben gekommen. Um es nicht zu vergessen, muss hier eines
nochmals klargestellt werden:
Die von Wernher von Braun entwickelte V2 Rakete war eine reine Vergeltungswaffe der Nazis, die sich
gegen die alliierte Zivilbevölkerung richtete.
12.000 Tote beim Bau der V2 Rakete
Die Produktionsstätten für die Teile der A4 waren über Deutschland und Österreich verteilt. Dabei war
man in der Namensgebung besonders „kreativ“. So wurden unter dem Decknamen „Lager Rebstock“
bei Dernau an der Ahr in unfertigen Eisenbahntunneln Bodenanlagen und Fahrzeuge produziert.
Andere Produktionsstätten waren Oberraderbach, Lüdenscheid [Firma Gustav Schmale] sowie HagenWehringhausen [Accumulatoren-Fabrik AG].
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Von besonderer Relevanz war der Umstand, dass in Peenemünde seit Juni 1943 ein KZ Außenlager
existierte. Zusätzlich gab es ein zweites KZ, ein Kriegsgefangenenlager in Karlshagen und die Lager
Trassenheide. Insgesamt waren hier [für den Bau der V2] insgesamt 1.400 Häftlinge untergebracht,
wobei noch 3.000 „Ostarbeiter“ aus Polen und der Sowjetunion hinzukamen.
Es ist er- und bewiesen, dass Wernher von Braun dieser Sachverhalt bekannt war. Wernher von Braun
wird in einem Protokoll zu einer Besprechung vom 25.08.1943 wie folgt zitiert: „Die Belegschaft für
Mittelteile- und Heckfabrikation könnte aus dem Häftlingslager F1 gestellt werden.“ Unmittelbar vor
dieser Besprechung hatte von Brauns Kollege, der HVA Leiter Walter Dornberger in einem
Besprechungsprotokoll vom 4. August 1943 folgendes festgehalten: „Das Verhältnis der deutschen
Arbeiter zu den KZ-Häftlingen soll 1:15, höchstens aber 1:10 betragen.“
Die vorstehend erwähnten Häftlinge
Konzentrationslagern „bezogen“:




wurden
nachweislich
aus
den
nachfolgenden
KZ Buchenwald
KZ Dachau
KZ Mauthausen
KZ Sachsenhausen
Im Übrigen sollte der August 1943 für Wernher von Braun aus weiteren Gründen ein sehr bedeutsamer
Monat werden:
In der Nacht vom 17. August 1943 wurde die HVA Peenemünde im Zuge der „Operation Hydra” von
den Alliierten bombardiert. Um die Produktion der V2 vor weiteren Bombenangriffen der Alliierten zu
schützen und möglichst geheim zu halten, sollte sie unter die Erde verlegt werden. Daraufhin entstand
ein neues Außenlager des KZ Buchenwald mit dem Tarnnamen „Arbeitslager Dora“ am Südrand des
Harzes. Die Häftlinge der KZ wurden von der SS, unter menschenunwürdigen Bedingungen,
hauptsächlich im Stollenvortrieb und den untertage gelegenen Werksanlagen der Mittelwerk GmbH
eingesetzt. In Mittelbau-Dora fand nun die Serienfertigung der A4 statt.
In einem Gerichtsprozess am 14. Oktober 1947 in Texas gab Wernher von Braun an, dass er 5- bis 20mal im Mittelbau-Dora war. Dies wird auch von diversen KZ Häftlingen bestätigt. Im Übrigen erklärte
Wernher von Braun, dass er vom Elend der Zwangsarbeiter nichts gewusst habe und auch für deren
Einsatz nicht verantwortlich gewesen sei. Gleichwohl war zu diesem Zeitpunkt aber ein Schreiben
Wernher von Brauns vom 12. November 1943 bekannt, in der er 1.350 Arbeitskräfte für den MittelbauDora anforderte. Zu dieser Zeit bedeute das Anfordern von einer derart hohen Anzahl von
Arbeitskräften stets die Anforderung von KZ-Häftlingen.
In einem Interview 1969 gab er dann auch noch zu, dass er im Mittelbau-Dora einige „Hungergestalten
in einem erbarmungswürdigen Zustand gesehen habe.“ Des Weiteren erklärte er, dass er sich
geschämt habe, dass solche Dinge in Deutschland möglich gewesen waren, selbst angesichts der
Kriegssituation. Es ist kaum vorstellbar, dass das SS–Mitglied Wernher von Braun diese gesamten
Umstände nicht gewusst hat.
Es liegen jedoch auch andere Beweise gegen Wernher von Braun vor. So existiert ein Brief des Herrn
Prof. Wernher von Braun an Albin Sawatzki. Aus diesem geht hervor, dass von Braun im KZ Buchenwald
war und dort selbst Häftlinge aussuchte. Da Sawatzki für die Planung und Steuerung der V2 Fabrikation
verantwortlich war, muss von einer Ernsthaftigkeit des Schriftsatzes des Wernher von Braun
ausgegangen werden. Genauso belastend ist ein Erlebnisbericht des KZ-Häftlings Adam Cabala:
„….auch die deutschen Wissenschaftler mit Prof. Wernher von Braun an der Spitze sahen alles täglich
mit an. Wenn sie die Gänge entlang gingen, sahen sie die Schufterei der Häftlinge, ihre mühselige
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Arbeit und ihre Qual. Prof. Wernher von Braun hat während seiner häufigen Anwesenheit in Dora nicht
ein einziges Mal gegen diese Grausamkeit und Bestialität protestiert. Selbst der Anblick von Toten
haben ihn nicht gerührt: Auf einer kleinen Fläche neben der Ambulanzbude lagen tagtäglich
haufenweise die Häftlinge, die das Arbeitsjoch und der Terror der rachsüchtigen Aufseher zu Tode
gequält hatten. [..] Aber Prof. Wernher von Braun ging daran vorbei, so nahe, dass er die Leichen fast
berührte.“ Diese Ausführungen sind eindeutig!
Aus den Akten der SS geht hervor, dass 12.000 Zwangsarbeiter im Mittelbau-Dora ums Leben kamen.
Obgleich man davon ausgehen kann, dass die Anzahl der Toten noch höher war, ist allein schon der
Tod von 12.000 Zwangsarbeitern ein Sachverhalt, der seines Gleichen sucht.
Beim einzigen alliierten Prozess [aus dem Jahr 1947], in dem ausschließlich Verbrechen im KZ
Mittelbau-Dora verhandelt wurden, war von Braun weder angeklagt noch als Zeuge geladen. Allerdings
sagte sein Bruder als Zeuge im so genannten „Nordhausen-Prozess“ gegen die Lagerleitung
des Konzentrationslagers Dora-Mittelbau aus. Er stand wie Wernher von Braun mittlerweile schon in
US-amerikanischen Diensten.
Einziger Ingenieur der „V2“-Produktion, der je vor Gericht gestellt wurde, war der DEMAGGeschäftsführer und Generaldirektor der Mittelwerk GmbH Georg Rickhey. Dieser wurde
freigesprochen, obwohl im Prozess der Mitangeklagte Funktionshäftling Josef Kilian aussagte, dass
Rickhey bei einer besonders brutal inszenierten Massenstrangulation von 30 Häftlingen am 21. März
1945 in Mittelbau-Dora anwesend war. Eigentlich ist so etwas kaum zu glauben.
Kontakte von Brauns mit Hitler
Mehrfach besuchte Wernher von Braun in dem so genannten Führerhauptquartier Wolfsschanze in
Ostpreußen Adolf Hitler. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um reine
Höflichkeitsbesuche handelte, bei denen über das Wetter in Ostpreußen gesprochen wurde. Wernher
von Braun gab zum Beispiel selbst an, wie er am 8. Juli 1943 von Hitler persönlich zum Professor
ernannt wurde: „Nach meinem Gespräch mit Hitler sah ich zufällig, dass Speer mit ihm – gleichsam
hinter vorgehaltener Hand – etwas besprach. Wenige Augenblicke danach schritt Hitler auf mich zu,
reichte mir die Hand und sagte: Professor, ich möchte Ihnen zu Ihrem Erfolg gratulieren.“ Am 29.
Oktober 1944 wurden sowohl Dornberger als auch von Braun nach dem Einsatz der V2 an der
Westfront von Hitler mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern ausgezeichnet.
Wernher von Brauns Erfolge in den USA
Am 11. April 1945 hatten die US-Truppen in Deutschland die Produktionsstätten des Mittelwerks
besetzt und dabei 100 einsatzfähige V2 Raketen vorgefunden und beschlagnahmt. Diese Raketen
sollten später die Grundlage für das US-amerikanische Raketenprogramm werden. Wernher von
Braun, sein Bruder Magnus von Braun sowie Walter Dornberger waren zu diesem Zeitpunkt bereits
nach Süddeutschland „verlegt“ werden. Die letzten Tage des 2. Weltkrieges verbrachte die HVA
Führungsgruppe um Wernher von Braun und Walter Dornberger dann bei bester Verpflegung im
Sporthotel Ingeburg in Sonthofen. Nachdem die Peenemünder Führungsgruppe realisierte, dass die
US-Streitkräfte im Rahmen der Aktion „Operation Overcast“ nach den deutschen Wissenschaftlern
suchten, um sich deren Wissen für das US-amerikanische Raketenprogramm zu bemächtigen, stellten
sich von Braun und seine Kollegen am 2. Mai 1945 den US-Streitkräften.
Hiernach ging Wernher von Braun mit seinem Team in die USA. Er wurde dort der Wegbereiter der USRaketenwaffen und der US-Raumfahrt schlechthin. Denkt man an die Landung der US-Raumfahrt auf
dem Mond, so ist dieser Erfolg unzweideutig mit dem Know-How Wernher von Brauns verbunden.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Aber bereits vorher erlangte Wernher von Braun durch einen geschickten Schachzug ungeahnte
Popularität in den USA. Bekannt machten ihn vor allem drei Fernsehproduktionen Walt Disneys:
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
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Man in Space (1955),
Man and the Moon (1955)
Mars and Beyond (1957).
In diesen von Ward Kimball realisierten Kurzfilmen trat von Braun an der Seite Disneys auf und
erläuterte seine Theorien. Gab es aber eine Person in den 1950ern in den USA, die für die Öffentlichkeit
unantastbar war, so war dies Walt Disney. Wernher von Braun zu dieser Zeit in Zweifel zu stellen hätte
bedeutet, Walt Disney zu kritisieren. Dies war aber zu jener Zeit kaum möglich.
Wie sich von Braun verantworten musste
Außer dem bereits erwähnten Gerichtsprozess in Texas im Jahr 1947 – der für Prof. Dr.-Ing. von Braun
zu keinerlei straf- oder zivilrechtlichen Folgen führte - wurde er nie wieder belangt.
Obwohl in Deutschland bekannt war, dass er am Tod von mindestens 20.000 Menschen
mitverantwortlich war, wurden ihm folgende Ehrungen durch die Bundesrepublik Deutschland zuteil:
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
1959: Verleihung der Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland
1969: Verleihung der Wilhelm Exner Medaille
1970: Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland
1975: Verleihung der Goldenen Medaille der Humboldt-Gesellschaft
Erst heutzutage ist man sich bewusst oder will man sich bewusst werden, wer Wernher von Braun
wirklich war.
Anlässlich des 100. Geburtstags im Jahr 2012 wurde auf Initiative des Polnisch-Deutschen Kulturforums
Insel Usedom die so genannte Peenemünder Erklärung veröffentlicht, in der vor einer Idealisierung von
Brauns gewarnt wird und eine „wissenschaftlich seriöse Aufarbeitung“ der Rolle von Brauns im
Nationalsozialismus gefordert wird. Zu den Erstunterzeichnern gehören Historiker wie Werner
Buchholz, Bernd Faulenbach, Anton Schindling und Thomas Stamm-Kuhlmann, aber auch Politiker wie
Thomas Freund und Karin Timmel. Seine Verstrickung in den Nationalsozialismus und seine Kenntnisse
vom Leiden und Sterben der KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter sind unter anderem in der Gedenkstätte
zum KZ Mittelbau-Dora bei Nordhausen dokumentiert.
Es bedurfte mehr als 30 Jahre nach dem Tod Wernher von Brauns, bis man sich in der Öffentlichkeit
wirklich bewusst wurde [oder bewusst werden wollte], wer Wernher von Braun auch war, nämlich
nicht nur ein Raketenwissenschaftler sondern (auch) ein SS-Mitglied, welcher im II. Weltkrieg
zumindest für den Tod von mehr als 20.000 Menschen mit verantwortlich war und hierfür auf Erden
nicht zur Rechenschaft gezogen wurde.
Literatur
 Stefan Brauburger: Wernher von Braun. Ein deutsches Genie zwischen Untergangswahn und
Raketenträumen. Pendo, München 2009, ISBN 978-3-86612-228-4.
 Michael J. Neufeld: Von Braun. Dreamer of Space, Engineer of War. Alfred A. Knopf, New York
2007, ISBN 978-0-307-26292-9; deutsche Ausgabe: Wernher von Braun. Visionär des
Weltraums, Ingenieur des Krieges. Aus dem Englischen von Ilse Strasmann, Siedler, München
2009, ISBN 978-3-88680-912-7
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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



Rainer Eisfeld, Mondsüchtig, Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist
der Barbarei, Paperback, 2012, ISBN 9783866741676
Jens-Christian Wagner (Hrsg.): Konzentrationslager Mittelbau-Dora 1943–1945 Begleitband
zur ständigen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Wallstein, Göttingen 2007,
ISBN 978-3-8353-0118-4
André Sellier, Yves le Maner: Bilder aus Dora: Zwangsarbeit im Raketentunnel 1943–1945
Deutsches Museum, München, Übers. Waltraud Gros; Bad Münstereifel: Westkreuz, 2001,
ISBN 3-929592-59-2
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der
nationalsozialistischen Konzentrationslager. 9 Bände. Beck, München 2005 bis 2009. ISBN 9783-406-52960-3
Internetquellen

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
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




http://www.peenemuender-erklaerung.eu/
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19285864.html
http://www.buchenwald.de/375/
http://www.buchenwald.de/951/
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,436300,00.html
http://library.si.edu/digital-library/book/report-operation-backfire
https://archive.org/details/A4-Fibel_1944_167p
http://de.wikipedia.org/wiki/Aggregat_4#Aufbau
http://de.wikipedia.org/wiki/Heeresversuchsanstalt_Peenem%C3%BCnde#Errichtung_des_K
Z-Au.C3.9Fenlagers
http://www.historisches-centrum.de/index.php?id=290
http://www.v2werk-oberraderach.de/
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Die unrühmliche Rolle der Evangelischen Kirche im Dritten Reich
Die Rolle der katholischen Kirche im III. Reich ist mittlerweile mehr als dezidiert aufgearbeitet. Aus
diesem Grunde wird in diesem Artikel die Rolle der Evangelischen Kirche im III. Reich untersucht und
die Frage beleuchtet, ob und inwieweit die Evangelische Kirche durch ihr Verhalten eine Mitschuld am
Holocaust hat. Das Ganze beginnt hier mit einer Person, die man als relevante Person in diesem
Zusammenhang oftmals vergisst:
Die besondere Rolle von Martin Luther
Auch wenn es für viele Protestanten nach wie vor unvorstellbar ist, dass der große Reformator Luther
antisemitische Worte kommunizierte, beginnen wir an dieser Stelle mit den nachfolgenden
Äußerungen Luthers:
"Ein solche verzweifeltes durch böstes, durch giftetes, durch teufeltes Ding ist´s um diese Juden, so
diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir
haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes. Da ist kein menschliches Herz gegen uns Heiden.
Solches lernen sie von ihren Rabbinern in den Teufelsnestern ihrer Schulen." (Quelle: Der achte und
letzte aller Bücher und Schriften des teuren seligen Mans Gottes, Doctoris Martini Lutheri, Tomos 8,
Jena 1562, S. 95)
Auch wenn der christliche Antijudaismus die Geschichte Europas zur Zeit Luthers beeinflusste, so war,
ist und kann es nicht sein, dass derartige Äußerungen nicht auf das schärfste zu verurteilen wären. Zu
den Stereotypen zu Zeiten Luthers gehörten damals Äußerungen wie:


Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und die Verfolgung der Juden sei Gottes
fortwährende Strafe für die Kreuzigung Jesu Christi.
Die Juden seien gottlos, christenfeindlich, verstockt, blind gegenüber der göttlichen Wahrheit,
verflucht, stammten vom Teufel ab, seien mit dem Antichrist der Endzeit identisch, hätten den
Gottesmord begangen, verübten regelmäßig Ritualmorde an christlichen Kindern, begingen
Hostienfrevel, Brunnenvergiftung und strebten heimlich nach Weltherrschaft, etwa durch
Verrat an feindliche Mächte.
In seinem Werk „Von den Juden und Ihren Lügen“ aus dem Jahr 1543 fragt sich Luther selbst „Was
sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ und schlägt dann
folgende sieben Schritte als „scharfe Barmherzigkeit“ vor:
„Man solle
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ihre Synagogen niederbrennen,
ihre Häuser zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen,
ihnen ihre Gebetbücher und Talmudim wegnehmen, die ohnehin nur Abgötterei lehrten,
ihren Rabbinern das Lehren bei Androhung der Todesstrafe verbieten,
ihren Händlern das freie Geleit und Wegerecht entziehen,
ihnen das „Wuchern“ (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen
und verwahren,
den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen
lassen.“
In der FAZ werden diese Zeiten und Äußerungen Luthers von Margot Käßmann am 1. April 2013 als die
„dunkle Seite er Reformation“ bezeichnet. Dies mag vielleicht ein erster Schritt in die richtige Richtung
sein, aber es ist noch lange keine Entschuldigung oder Wiedergutmachung dafür, dass diese
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Äußerungen Luthers durchaus mitbegründend für die kranke, menschenverachtende Agitationen der
Nazis war. Welche Rolle Martin Luther in diesem Zusammenhang für Adolf Hitler spielte, mag folgende
Äußerung Hitlers klar belegen:
"Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden,
wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen." (Quelle: Adolf Hitler in: Dietrich Eckart, Der Bolschewismus
von Moses bis Lenin, Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, München 1924, S. 35)
Besondere Beziehung hoher Vertreter der evangelischen Kirche zu Nazis während der
Weimarer Republik
Es ist nicht zutreffend, dass die evangelische Kirche erst nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933
[wie viele andere gesellschaftliche Schichten dies im Übrigen auch wahrheitswidrig kundtun] Partei zu
Gunsten Hitlers ergreift. Wie die nachfolgenden Beispiele verdeutlichen, gab es bereits zu Zeiten der
Weimarer Republik gewichtige Beziehungen zwischen der Evangelischen Kirche und den Nazis:
Hans Meiser, Direktor des evangelischen P-Seminars in Nürnberg und ab 1933 erster evangelischer
Landesbischof Bayerns verfasst 1926 ein „Gutachten“ mit dem Titel „Die evangelischen Gemeinden
und die Judenfrage“. Meiser wehrt sich darin gegen "die Verjudung unseres Volkes", und er erklärt sich
einverstanden mit den völkischen Idealen, deren Anhänger "mit der antisemitischen Bewegung in
einer Front stehen“, was "die Rassenfrage als den Kernpunkt der Judenfrage" betrifft. Der spätere
Landesbischof beklagt auch den Einfluss der Juden, v. a. auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem
Gebiet. Er schreibt: "Mag die Moral vieler Juden nichts anderes sein als stinkende Unmoral", und er
fordert durch einige konkrete Maßnahmen "ein Zurückdrängen des jüdischen Geistes im öffentlichen
Leben" und die "Reinhaltung des deutschen Blutes". Die Reinhaltung des deutschen Blutes ist eine
Gedankenwelt, die der kranken Philosophie der Nazis entspricht, gleichwohl aber nichts mit
christlichem Gedankengut gemein hat. Ebenfalls in Nürnberg nimmt der evangelisch-lutherische
Pfarrer Martin Weigel vor dem Altar der Lorenzkirche in Nürnberg eine SA Fahnenweihe vor. Es sei
darauf verwiesen, dass die SA nichts anderes als der Schlägertrupp der Nazis war und dass die Nazis
im Jahr 1926 von weniger als 5% der Bevölkerung gewählt wurden, so dass wahrscheinlich kein Druck
von außen als Beweggrund angegeben werden kann.
1930 muss es dann auf irgendeine Art und Weise zu einer Übereinkunft zwischen evangelischer Kirche
und Nazis gekommen sein, wie das nachfolgende Faktum beweist:
Das Deutsche Pfarrerblatt veröffentlicht am 11.11.1930 einen Grundsatzbeitrag über das Verhältnis
von NSDAP und Kirche. Der Autor, Pfarrer Friedrich Wienecke, erklärt es zu den Aufgaben der Männer
der Kirche, in die "Tiefe der nationalsozialistischen Gedankenwelt" zu schauen und sich nicht durch
"äußere Schönheitsfehler" wie Härte, Rohheit und Rachsucht abschrecken zu lassen. Unter der "rauen
Schale" keime möglicherweise sogar "das beste Leben, das je aus der alten deutschen Eiche
herauswuchs." Pfarrer Wienecke verweist in diesem Zusammenhang auf Hitlers Mein Kampf, wo Hitler
den Deutschen die Hochachtung vor den Amtskirchen zur Pflicht macht. Die von Gott gewollte Aufgabe
für die deutsche Politik sei nach Wienecke die Förderung des "arisch-germanischen Menschen." Die
Aufgabe von Theologie und Pfarrerschaft sei es, zu helfen, dass die Nazi-Bewegung nicht verrausche,
sondern dass sie, "erfüllt von göttlicher Kraft unserem Volk Gesundung bringe".
Das Deutsche Pfarrerblatt erreichte damals wie heute den deutschen Pfarrerstand in seiner
Gesamtheit und war und ist zudem "Pflichtorgan aller Mitglieder des Pfarrervereins". Das NSDAP-Blatt
Völkischer Beobachter druckte den Artikel aus dem Deutschen Pfarrerblatt wörtlich nach. Wenn der
Völkische Beobachter einen Artikel der evangelischen Kirche wörtlich nachdruckte, so kann davon
ausgegangen werden, dass dies sicherlich nichts mit Kirchengläubigkeit der Nazis zu tun hatte, sondern
eiskaltes Kalkül oder eine Absprache Anlass hierzu war.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC):
Beginnen wir hier erst einmal mit dem Ende des 1. Weltkrieges und der Einstellung der evangelischen
Kirchenoberen zu Demokratie und Weimarer Republik:
Nach Verabschiedung der Weimarer Verfassung richtete der Präsident des altpreußischen
Evangelischen Oberkirchenrats (EOK) Reinhard Möller ein „tiefempfundenes Dankeswort an unseren
fürstlichen Schirmherrn“, den abgesetzten Kaiser. Kirchenführer wie Detlev von Arnim-Kröchlendorff
jubelten: „Der Umsturz hat sich auf unsere Kirche nicht miterstreckt.“ Die konservative Kontinuität der
Landeskirchen, die als Volkskirche für alle religiösen Bedürfnisse der getauften Deutschen zuständig
waren, blieb erhalten.
Machen wir nun einen Sprung zum beginnenden Ende der Weimarer Republik. 1930 gaben sich die
evangelischen Landeskirchen mit dem Deutschen Evangelischen Kirchenbund einen lockeren
Dachverband. Zudem schlossen sie am 11. Mai 1931 einen Kirchenvertrag mit dem Freistaat Preußen
ab, den viele Kirchenführer als Sieg über die „Entrechtung“ durch die Weimarer Verfassung
empfanden. Er sicherte ihnen Religionsunterricht und öffentliche Finanzmittel zu. Seit dem neuen
Kirchenvertrag von 1930 begann die NSDAP, die evangelischen Christen offensiv in ihren Kampf gegen
das „Weimarer System“ aus „Marxismus, Judentum und Zentrum“ einzuspannen: SA-Trupps
besuchten geschlossen evangelische Gottesdienste und hielten „Mahnwachen“ vor Kirchen, um
pazifistisch oder religiös-sozial eingestellte Pastoren einzuschüchtern.
1932 gründete sich dann die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ (DC) als Zusammenschluss von
evangelisch getauften Nationalsozialisten. Sie wollten der NS-Ideologie in ihrer Kirche erst Raum, dann
Alleingeltung verschaffen, nachdem die Deutschnationalen bzw. der „Christlich-soziale Volksdienst“
1930 die Kirchenwahl in Preußen gewonnen hatte. Sie pflegten ein „arteigenes Christentum“, das
durch Elemente einer „neuheidnischen“ Religiosität aus dem „Volkstum“ erneuert werden sollte. Sie
wollten das Führerprinzip innerkirchlich verankern und strebten die Vereinheitlichung der bisher nach
Konfessionen gegliederten Landeskirchen in einer Reichskirche an. Geführt wurden sie vom Pfarrer
Joachim Hossenfelder; gefördert wurden sie von namhaften Theologen wie Emanuel Hirsch, der die
DC-Theologie schon 1920 mit seinem Buch „Deutschlands Schicksal“ vorbereitet hatte. Auch Paul de
Lagarde und Arthur Dinter gelten als Vorläufer, da sie wie die DC Paulus von Tarsus zum Verderber des
Christentums erklärten, Jesus als antijüdischen „Propheten“ darstellten und eine national-deutsche
Religion vertraten.
Es muss an dieser Stelle nochmals klar und eindeutig gesagt werden, dass wir hier von einem Zeitpunkt
sprechen, der weit vor der Machtergreifung Hitlers lag!
Bei der Wahl des Reichsbischofs im Mai 1933 wurde von den Reichskirchen zunächst der nicht den DC
angehörige Friedrich von Bodelschwingh nominiert, der jedoch aufgrund des massiven Drucks der
Deutschen Christen sein Amt schon nach einem Monat aufgeben musste, worauf die
Reichskirchenleitung bei den Kirchenwahlen am 23.7.1933 an den zuvor von Hitler zum
„Bevollmächtigten für Angelegenheiten der evangelischen Kirche" ernannten Ludwig Müller überging.
Dank einer außergewöhnlich hohen Wahlbeteiligung gewannen die Deutschen Christen nun einen
Stimmenanteil von 70% und lösten daraufhin in allen durch sie geführten Landeskirchen das
parlamentarische System auf, so dass nur drei intakte Landeskirchen übrig blieben. Bei der ersten
Nationalsynode unter dieser Leitung wurde der Arierparagraph durchgesetzt, welcher jeden Pfarrer
und Kirchenbeamten nicht-arischer Herkunft seines Amtes enthob.
Durch den Arierparagraphen der evangelischen Kirche ist eindeutig dargelegt, dass zumindest die
Führung der evangelischen Kirche nicht in eindeutigem Konfrontationskurs zu Hitler war, wie man dies
später teilweise zu kommunizieren versuchte. Vielmehr muss klargestellt werden, dass die
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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evangelische Kirche durch Handlungsweisen wie den Arierparagraphen durchaus eine nicht
unerhebliche Mitschuld daran trägt, dass Hitler sein verbrecherisches Tun, welches im Holocaust
seinen unrühmlichen Höhepunkt finden sollte, realisieren konnte.
Wie Teile der evangelischen Kirche tatsächlich zur Naziherrschaft standen und wie auch nach
Kriegsende von der evangelischen Kirche Strafvereitelung betrieben wurde, zeigt das Beispiel des
evangelischen Pfarrers Hoff aus Berlin. Hier zitieren wir den unten als Internetquelle angegebenen
ZEIT-Artikel wie folgt:
"Der Berliner Pfarrer Hoff rühmte sich, am Totensonntag 1931 als erster Geistlicher Berlins einen
Gottesdienst für die »gefallenen Nationalsozialisten« gehalten zu haben. Goebbels hatte ihm ein
Dankschreiben geschickt, Hoff reichte es stets stolz herum. Im Frühjahr 1934 wurde er als
Konsistorialrat in das Konsistorium der Mark Brandenburg berufen. Für sein neues Amt ließ sich der
Pfarrer in SA-Uniform vereidigen. Kollegen der Bekennenden Kirche denunzierte er gern im SS-Organ
„Das Schwarze Korps“. Über seine tägliche Arbeit in der Gemeinde ist wenig bekannt. 1940 kam er zur
Wehrmacht, Mitte 1941 an die Ostfront. Mit Vorliebe stattete er dem Konsistorium, seiner alten
Dienststätte, in Uniform Besuche ab und rühmte sich dabei seines Einsatzes gegen »Partisanen« und
»Spione«.
1943 kehrte Hoff nach Berlin zurück. Zum 10. Jahrestag der Hitlerherrschaft am 30. Januar wandte er
sich in einem Aufruf an die Berliner: Wer die zu Selterswasserfabriken und Kornspeichern
umgewandelten Kirchen Russlands gesehen habe und wer den »unheimlichen Einfluss des Judentums
in Stadt und Land des weiten Ostens gespürt« habe, der könne würdigen, was die Herrschaft der
Nationalsozialisten für Deutschland und ganz Europa bedeute. Hoff dankte dem Allmächtigen und bat
um Segen für den »geliebten Führer«.
Ein Dreivierteljahr später reagierte er empört auf den Rundbrief eines Oberkonsistorialrats an die im
Heeresdienst stehenden Pfarrer. Dessen Rundschreiben (mit Zitaten aus dem Psalter) erschien ihm zu
weichlich. Er antwortete in einer geharnischten Zurechtweisung: Offensichtlich stehe der Kollege dem
großen Geschehen dieser Tage völlig verständnislos gegenüber. Wie soll heute, schreibt Hoff, wo die
Deutschen mit dem »Weltjudentum« ringen, die »jüdischen Rachepsalmen« der Bibel als Offenbarung
göttlichen Erbarmens dienen? »Vielleicht gönnen Sie mir darin ein Wort der Aufklärung«, so wandte
er sich an seinen Adressaten, »wie ich es mit alldem vereinbaren kann, dass ich in Sowjetrussland eine
erhebliche Anzahl von Juden, nämlich viele Hunderte, habe liquidieren helfen. «
Als »heimatvertriebener Ostpfarrer« ließ er sich bei Hamburg nieder. In der Berliner Kirchenleitung
kannte man inzwischen sein Bekennerschreiben von 1943 und legte ihm nahe, auf die Rechte des
geistlichen Standes zu verzichten. Hoff lehnte ab. Ein Disziplinarverfahren entschied 1948 auf
»Entfernung aus dem Dienst«. Wiederholt focht Hoff das Urteil an, im Februar 1957 erreichte er die
erneute Zuerkennung der Rechte des geistlichen Standes. Norddeutsche Landeskirchen gaben ihm
befristete Seelsorgeaufträge.
1960, zu seinem 70. Geburtstag, sandte ihm das Landeskirchenamt Hannover fromme Segenswünsche:
»Gottes Güte und Freundlichkeit hat Sie durch gute und schwere Jahre bis zum heutigen Tage treu
geleitet. [...] Aus den Erfahrungen Seiner Wohltaten in Ihrem Leben werden Sie gewiss in die Worte
des Psalmsängers einstimmen: ›Ich gedenke an die vorigen Zeiten; ich rede von allen deinen Taten und
sage von den Werken deiner Hände.‹«
Zurück bleibt eine mehrfache Beschämung. Zum einen darüber, dass ein Geistlicher mit einer solchen
Biografie jahrzehntelang Pfarrer sein konnte. Zum anderen aber auch Beschämung darüber, wie die
Berliner Nachkriegskirche unter Bischof Otto Dibelius – von Hoffs Brief wissend – mit diesem
Geistlichen umging. Sie deckte einen Mann, der den Engländern als Kriegsverbrecher galt und der
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mutmaßlich am Holocaust beteiligt war. Gewiss wäre Hoff ein Fall für die 1958 gegründete NSErmittlungsstelle in Ludwigsburg gewesen, und es stellt sich durchaus die Frage, ob hier nicht
kirchlicherseits so etwas wie Strafvereitelung im Amt stattgefunden hat. Man ließ den Fall auf sich
beruhen, kehrte die Dinge unter den Teppich, wie so vieles in der Ära Dibelius. 1978 starb Hoff."
Offizielle Äußerungen der evangelischen Kirche nach 1945:
Im April 1948, d.h. drei (!) Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges fanden sich im „Wort zur
Judenfrage“ des evangelischen Reichsbruderrates folgende Worte:
„Israel unter dem Gericht ist die unauflösbare Bestätigung der Wahrheit, Wirklichkeit des göttlichen
Wortes und die stete Warnung Gottes an seine Gemeinde. Dass Gott nicht mit sich spotten lässt, ist die
stumme Predigt des jüdischen Schicksals, uns zur Warnung, den Juden zur Mahnung, ob sie sich nicht
bekehren möchten zu dem, bei dem allein auch ihr Heil steht.“
Vergegenwärtigen wir uns an dieser Stelle –neben der Ungeheuerlichkeit der Ausführungen- wer der
Reichsbruderrat war. Der Reichsbruderrat war das leitende Gremium der Bekennenden Kirche in der
Zeit des Nationalsozialismus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tagte das Gremium weiter als
Bruderrat der EKD. Seit dem von der Dahlemer Synode ausgerufenen kirchlichen Notrecht war der
Reichsbruderrat die legitime Kirchenleitung der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) und gab diese
Leitungsfunktion 1948 an den Rat der EKD ab. Die Äußerung der „stummen Predigt des jüdischen
Schicksals, uns zur Warnung, den Juden zur Mahnung“ stammten von dem Teil der evangelischen
Kirche, der sich gegen Hitler stellte. Sicherlich kann man Mitgliedern der Bekennenden Kirche wie
Dietrich Bonhoeffer oder Martin Niemöller nicht absprechen, dass sie gegen Hitler waren. Die oben
stehenden Äußerungen von gewichtigen Mitgliedern der Bekennenden Kirche drei Jahre nach
unbestrittener allgemeiner Kenntnis über den Holocaust sind jedoch in keinster Weise ein Beleg dafür,
dass sich die evangelische Widerstandskirche auch für die verfolgten Juden im III. Reich einsetzte.
Nicht von ungefähr schrieb Martin Niemöller deshalb 1976 in einem Gedicht:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Im Rahmen der geschichtlichen Aufarbeitung der Bekennenden Kirche stellte sich dann heraus, dass
Mitglieder der Bekennenden Kirche Mitglieder in Hitlers SS waren oder in Konzentrationslagern tätig
waren. Statt dies einfach zuzugeben, ist es mehr als verwerflich, wie dies im Nachhinein gerechtfertigt
wurde:
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Kurt Gerstein bewarb sich wissentlich zur SS, um die Verbrechen in den Vernichtungslagern,
am „Feuerofen des Bösen“, zu verhindern, was ihm nur in ganz geringem Ausmaß gelang.
Hans Friedrich Lenz verrichtete Dienst im Außenlager Hersbruck bei Flossenbürg, wo
Bonhoeffer ermordet wurde. Er schrieb später einen Erlebnisbericht.
Alfred Salomon wurde 1933/1934 in die SS eingeschleust.
Kurt Gerstein arbeitete für das Hygiene-Institut der Waffen-SS. Im Januar 1942 avancierte er zum Chef
der Abteilung Gesundheitstechnik und war zuständig für den technischen Desinfektionsdienst. Somit
hatte er für die Beschaffung von Zyklon B zu sorgen. Was Zyklon B ist und wozu es benötigt wurde,
dürfte allgemein bekannt sein. Gerstein nahm sich 1945 in französischer Haft das Leben, erzählte aber
vorher die vorstehend genannte Version. 1965 wurde Gerstein dann vom damaligen
Ministerpräsidenten (und späteren) Bundeskanzler Kiesinger rehabilitiert, der bekanntlicher Weise
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selbst seit 1933 Mitglied der NSDAP war, ab 1940 Angestellter im Auswärtigen Amt der Nazis und
später sogar stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung der Nazis wurde.
Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch die Entdeckung eines durch den SPIEGEL
aufgedeckten Briefes der EKD in Sachen Adolf Eichmann. Aus der Online Ausgabe des SPIEGEL vom
21.08.2011 wird wie folgt zitiert:
„Nach SPIEGEL-Informationen hat sich der Rat der EKD 1960 bei der Bundesregierung unter Konrad
Adenauer für den Holocaust-Organisator Adolf Eichmann eingesetzt. Das geht aus Akten im Politischen
Archiv des Auswärtigen Amtes hervor.
Darin findet sich ein Schreiben des Linzer Superintendenten Wilhelm Mensing-Braun an das kirchliche
Außenamt in Frankfurt am Main. Der Superintendent bescheinigte dem im österreichischen Linz
aufgewachsenen Massenmörder Eichmann eine "grundanständige Gesinnung“, ein "gütiges Herz" und
"große Hilfsbereitschaft".
Mensing-Braun schreibt, er könne sich "nicht vorstellen", dass der ehemalige SS-Obersturmbannführer
Eichmann "je zu Grausamkeit oder verbrecherischen Handlungen fähig gewesen wäre".
Die EKD hielt das Pro-Eichmann-Votum für "mindestens interessant"
Eichmann war kurz zuvor aus Argentinien nach Israel entführt worden. Seine Geschwister wollten
erreichen, dass ein internationaler Gerichtshof und nicht ein israelisches Gericht den Fall verhandele.
Sie hatten daher Mensing-Braun um Hilfe gebeten.
Tatsächlich leitete Bischof Hermann Kunst, Vertreter der EKD bei der Bundesregierung, das Schreiben
Mensing-Brauns an das Auswärtige Amt weiter - mit dem Hinweis, das Votum sei "mindestens
interessant".
Damit hat sich nicht nur der österreichische Superintendent Mensing-Braun für Eichmann eingesetzt,
sondern auch ein offizieller Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland.“
Aber auch in der jüngsten Vergangenheit ist die offizielle Haltung der evangelischen Kirche in diesem
Bereich nicht immer ein Ruhmesblatt, wie das nachstehende Beispiel belegen mag:
Im August 2011 publizierte der evangelische Theologe Jochen Vollmer im bereits mehrfach vorstehend
erwähnten Deutschen Pfarrerblatt „Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker – Der
Israel-Palästina-Konflikt und die Befreiung der Theologie“ einen eindeutig antizionistischen Aufsatz,
der in weiten Teilen der Öffentlichkeit auf starke Kritik stieß, jedoch nie von kirchenoffizieller Seite,
auch nicht von Frau Käßmann, je verurteilt wurde. Aus diesem Artikel wird wie folgt zitiert:
„Ein jüdischer Staat ist eben ein Staat, der seine jüdische Identität – die nichtjüdische Bevölkerung
ausgrenzend und damit den einen und universalen Gott, der für Juden und Nichtjuden in gleicher
Weise da sein will, verleugnend – mit staatlicher Gewalt nach innen und nach außen sichern will. Der
Glaube an Gott kann nicht durch staatliche Gewalt gesichert werden.“
Nach all diesen Fakten kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Evangelische Kirche eine mehr als
marginale Rolle an den Geschehnissen im III. Reich hatte und dass die Aufarbeitung bis heute nicht
hinreichend erfolgt ist. 69 Jahre sind nun nach dem Ende des II. Weltkrieges vergangen. Im Lutherjahr
2017 hat die evangelische Kirche in Deutschland wohl die historisch letzte Chance, sich von den
antisemitischen Äußerungen Luthers eindeutig zu distanzieren und auch für das Fehlverhalten der
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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evangelischen Kirche im Dritten Reich zu entschuldigen und Widergutmachung zu leisten. Spätestens
das Jahr 2017 wird zeigen, wie die evangelische Kirche wirklich zu ihren christlichen Werten steht.
Literatur:
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Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-55777-7
Stefan Litt: Juden in Thüringen in der Frühen Neuzeit (1520–1650). Böhlau, Wien 2004, ISBN 3412-08503-0
Hans-Martin Barth: Die Theologie Martin Luthers: eine kritische Würdigung. Gütersloher
Verlagshaus, 2009, ISBN 978-3-579-08045-1
Joachim Beckmann (Hrsg.): Kirchliches Jahrbuch für die evangelischen Kirchen in Deutschland
1933–1944. 2. Auflage. 1976
Manfred Gailus: Kirche Amtshilfe: Die Kirche und die Judenverfolgung im Dritten Reich;
Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, 2008, ISBN 978-3525553404
Bernd Rebe: Die geschönte Reformation: Warum Martin Luther uns kein Vorbild mehr sein
kann – Ein Beitrag zur Lutherdekade; Tectum Verlag, 2012; ISBN 978-3828830165
Wolfgang Greive, Peter N. Prove (Hrsg.): Jüdisch-lutherische Beziehungen im Wandel? Kreuz
Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-905676-29-X
Christian Staffa (Hrsg.): Vom protestantischen Antijudaismus und seinen Lügen. Versuche einer
Standort- und Gehwegbestimmung des christlich-jüdischen Gesprächs. Tagungstexte
Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt, Wittenberg 1997, ISBN 3-9805749-0-3
Clemens Vollnhals: Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949. R.Oldenbourg Verlag,
München 1989, ISBN 3-486-54941-3
Rainer Lächele: Germanisierung des Christentums – Heroisierung Christi, in: Stefanie von
Schnurbein, Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe
„arteigener“ Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende, Königshausen und Neumann
GmbH, Würzburg 2001, ISBN 3-8260-2160-6
Internetquellen:
http://www.ev-theol.uni-bonn.de/fakultaet/ST/lehrstuhl-pangritz/pangritz/copy5_of_texte-zumdownload/pangritz_luther.pdf
http://www.faz.net/aktuell/politik/fremde-federn-margot-kaessmann-die-dunkle-seite-derreformation-12131764.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenkampf#Haltung_der_NSDAP_zu_den_Kirchen
http://pfarrerverband.medio.de/pfarrerblatt/index.php?a=show&id=3030
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/evangelische-kirche-ueber-adolf-eichmanngrundanstaendige-gesinnung-a-781429.html
http://www.compass-infodienst.de/Susannah_Heschel__Theologie_und_Rassentheorie__Wie_Jesus_im_deutschen_Protestan.4845.0.html
http://www.zeit.de/2013/08/Holocaust-Bet-und-Lehrhaus-Berlin-Walter-Hoff
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Thule Gesellschaft – ein Ideengeber der NS-Ideologie:
Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, woher die Ideologie der Nationalsozialisten stammt und es kann
dies wahrscheinlich nicht mehr abschließend wissenschaftlich geklärt werden. Es ist aus historischer
Sicht jedoch sehr interessant, dass viele der kranken Ideen der Nationalsozialisten mit Vorstellungen
der zu Ende des 1. Weltkriegs entstandenen Thule Gesellschaft korrespondierenden und dass die
nachfolgenden fünf von vierundzwanzig Hauptkriegsverbrechern Mitglieder/Gäste der ThuleGesellschaft waren:
Wilhelm Frick (1877 – 1946):
von 1933 – 1945 Reichsminister des Inneren, als einer der 24 im Nürnberger Prozess gegen die
Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt, am 1. Oktober 1946 zum Tode verurteilt und am 16.
Oktober 1946 hingerichtet
Julius Streicher (1985 – 1946):
Gründer, Eigentümer und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, als einer der
24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt, am 1. Oktober
1946 zum Tode verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet
Alfred Rosenberg (1893 – 1946):
Führender Ideologe der NSDAP und als Leiter des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete
mitverantwortlich für die systematische Vernichtung der Juden, als einer der 24 im Nürnberger Prozess
gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt, am 1. Oktober 1946 zum Tode verurteilt und
am 16. Oktober 1946 hingerichtet
Hans Frank (1900 – 1946):
Adolf Hitlers Rechtsanwalt und höchster Jurist im III. Reich, als einer der 24 im Nürnberger Prozess
gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt, am 1. Oktober 1946 zum Tode verurteilt und
am 16. Oktober 1946 hingerichtet
Rudolf Hess (1894 – 1987):
Stellvertreter Hitlers, als einer der 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in
Nürnberg angeklagt, am 1. Oktober 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Vergegenwärtigt man sich diese Liste, so kann kaum davon gesprochen werden, dass die Thule
Gesellschaft bzw. die Wertvorstellungen der Thule Gesellschaft durchaus von besonderer Relevanz für
die Nationalsozialisten war.
Gründung und Vorgeschichte
Die Gesellschaft wurde am 17./18. August 1918 mit der Bezeichnung „Thule Gesellschaft, Orden für
deutsche Art“ von Rudolf von Sebottendorf in München gegründet. Sie ging aus dem geheimen
antisemitischen Germanenorden hervor und sollte einen Rahmen für öffentliche politische Aktivitäten
bieten, ohne auf den Orden selber aufmerksam zu machen.
Vorläufer der Thule – Gesellschaft sind:
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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1. der Germanenorden
2. der Reichshammerbund
Der Germanenorden wurde am 12. März 1912 in Leipzig gegründet und verfolgte eindeutig
antisemitische Züge. Als Hauptziel des Germanenordens wurde formuliert, Juden und ihre Aktivitäten
zu überwachen, entsprechende Informationen zu sammeln und diese zu verbreiten. Wer dem Orden
beitreten wollte, musste eine tadellose „germanische“ Abstammung nachweisen, durfte nicht
körperlich behindert sein und sollte idealerweise blondes Haar, blaue bis hellbraune Augen und eine
helle Haut aufweisen. Auch bezüglich des Ehepartners wurden entsprechende Angaben verlangt.
In einem Manifest von 1912 propagierte der Germanenorden eine „arisch-germanische religiöse
Wiedergeburt“. Mit dem Ziel einer rassisch reinen deutschen Nation forderte er bereits die
Deportation von „Juden, anarchistischen Mischlinge[n] und Zigeuner[n]“. Zu den verwendeten
Symbolen gehörte die Swastika („Hakenkreuz“). Diese war damals in völkischen Kreisen allgemein
gebräuchlich, aber es war der Germanenorden, über dessen Nachfolgeorganisation Thule-Gesellschaft
dieses Symbol in das Repertoire des Nationalsozialismus Einzug fand. Bekannt wurde der
Germanenorden unter anderem dadurch, dass er bei der Rekrutierung des Attentäters beteiligt war,
der 1921 den ehemaligen Finanzminister der Weimarer Republik und Unterzeichner des
Waffenstillstandsabkommens von Compiègne, Matthias Erzberger (1875 – 1921) im Auftrag der
Organisation Consul ermordete.
Der Reichshammerbund war eine völkische Vereinigung, die 1912 in Leipzig von dem Verleger und
Autor Theodor Fritsch gegründet wurde. Fritsch war Herausgeber der antisemitischen Zeitschrift Der
Hammer, die in regionalen Lesezirkeln von Anhängern gelesen wurde. Diese Anhängerschaft wurde
auch als Hammerbewegung bezeichnet. Mit dem Reichshammerbund wollte Fritsch die verschiedenen
deutschen völkisch-antisemitischen Gruppierungen des politischen Antisemitismus der Kaiserzeit zu
einem Verband vereinen. Der Reichshammerbund löste sich nach 1919 allmählich auf. Bestehen blieb
ein „Hammer-Verlag“ in Leipzig, der weiter antisemitische Schriften produzierte, z. B. 1924 die Schrift
Die Protokolle der Weisen von Zion mit Vor- und Nachwort von Fritsch.
Die Protokolle der Weisen von Zion sind ein auf Fälschungen beruhendes antisemitisches Pamphlet.
Es wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von unbekannten Redakteuren auf der Grundlage mehrerer
fiktionaler Texte erstellt und gilt als einflussreiche Programmschrift antisemitischen
Verschwörungsdenkens. Die Protokolle geben vor, geheime Dokumente eines Treffens von jüdischen
Weltverschwörern zu sein. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Text zunehmend international
verbreitet, obwohl die Protokolle bereits 1921 in der Londoner Times als Fälschung entlarvt worden
waren. Bekannt wurden insbesondere die Ausgabe aus den 1920er Jahren von Henry Ford in den
Vereinigten Staaten und die deutschen Ausgaben von Gottfried zur Beek und Theodor Fritsch. Trotz
der Aufdeckung als Fälschung unter anderem im Berner Prozess glauben noch heute Antisemiten und
Anhänger von Verschwörungstheorien in der ganzen Welt an die Authentizität oder Wahrheit der
Protokolle.
Interessant ist hierbei sicherlich, dass der spätere NSDAP-Chefideologe Alfred Rosenberg 1923 einen
ausführlichen Kommentar schrieb, in dem er die Nachkriegsentwicklung als Bestätigung der in den
Protokollen geschilderten Pläne ausdeutete. Der Kommentar wurde ein publizistischer Erfolg, er
erlebte 1924, 1933, 1938 und 1941 Neuauflagen. 1927 erschien seine Schrift „Der
Weltverschwörerkongreß zu Basel“, in dem er sich Nilus‘ These zu Eigen machte, wonach die Protokolle
die geheimen Beschlüsse des Zionistenkongresses des Jahres 1897 enthielten.[
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Rudolf von Sebottendorf – offizieller Gründer der Thule Gesellschaft
Rudolf von Sebottendorf wurde am 09.11.1875 in Hoyerswerda geboren und starb am 8. Mai 1945 in
Istanbul. Er war Okkultist, Abenteurer, Verleger und Antisemit. Eigentlich hieß er jedoch Adam Alfred
Rudolf Glauer.
Rudolf Glauer wuchs als Sohn eines Lokomotivführers in Hoyerswerda auf. Er machte sein Abitur und
ging nach Berlin, um an der Technischen Hochschule Ingenieurwissenschaften zu studieren, brach sein
Studium aber ab. Im April 1898 heuerte er als Heizer auf einem Schiff von Bremerhaven nach New York
an und fuhr mehrere Jahre zur See, u. a. auch in den Orient, wo er sich mit Okkultismus beschäftigte.
Von 1901 bis 1914 hielt er sich wiederholt in der Türkei auf. In Bursa machte er 1901 die Bekanntschaft
eines griechischen Juden namens Termudi, der ihn in eine Freimaurerloge eingeführt haben soll.
Im Orient wurde Glauer nach eigenen Angaben von einem (ausgewanderten) Baron Heinrich von
Sebottendorf adoptiert und nannte sich seitdem Rudolf Freiherr von Sebottendorf. Eine erste Ehe hielt
nur einige Monate. Er erwarb die türkische Staatsbürgerschaft und nahm als Soldat der osmanischen
Armee am Zweiten Balkankrieg von 1913 teil. Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück und
ließ sich erst in Berlin, dann in Kleinzschachwitz nieder, einem Dresdener Villenvorort, wo er für 50.000
Reichsmark ein großes Anwesen erstand. Wegen seiner türkischen Staatsangehörigkeit wurde er im
Ersten Weltkrieg nicht zum Militär einberufen. 1915 heiratete er in Wien Bertha Anna Iffland, die
Tochter eines reichen Berliner Kaufmanns. Seitdem lebte er vom Vermögen seiner Frau.
Er trat dem völkischen Germanenorden bei und erhielt den Auftrag, einen bayerischen Ableger des
Ordens aufzubauen. Diesen gründete er 1918 mit der radikal-antisemitischen Thule-Gesellschaft in
München. Die Mitglieder der Thule-Gesellschaft begannen im Januar, noch während des Krieges, mit
rabiater, antisemitisch geprägter Propagandatätigkeit, mit der sie die Entwicklung des völkischen
Radikalismus förderte.
1919 verließ Sebottendorf die Thule-Gesellschaft, weil man ihm vorwarf, mitschuldig am Tod von
sieben Mitgliedern gewesen zu sein. Weil die Räteregierung Mitgliederlisten bei ihm beschlagnahmt
hatte, waren mehrere Thule-Gesellschafter in Geiselhaft genommen und am 30. April 1919 von
Rotgardisten ermordet worden.
Taten der Thule Gesellschaft
Ermordung des Ministerpräsidenten des Freistaates der bayerischen Republik Kurt Eisner:
An der Ermordung Eisners am 21. Februar 1919 war die Thule-Gesellschaft indirekt beteiligt: Der
Mörder Anton Graf von Arco auf Valley war zuvor zeitweilig Mitglied der Gesellschaft gewesen. Er
wurde wegen seiner jüdischen Mutter ausgeschlossen und wollte durch den Mord an Eisner seine
nationale Gesinnung beweisen.
Gründung des publizistischen Parteiorgans der NSDAP „Völkischer Beobachter“:
Im Juli 1918 kaufte die Thule Gesellschaft mit dem Vermögen der Frau des Thule Gründers
Sebottendorf den „Münchner Beobachter“ von der Franz Eher Nachfolger Verlags GmbH. Das
Boulevardblatt wurde unter Sebottendorfs Chefredaktion zum Zentralorgan der Thule-Gesellschaft. Im
August 1918 wurde die Zeitung in „Völkischer Beobachter“ umbenannt. Nachdem im November 1918
die Münchner Räterepublik ausgerufen worden war, hetzte Sebottendorf in seiner Zeitung gegen eine
„jüdischen Weltverschwörung“, die angeblich hinter dem Rätesystem und der Novemberrevolution
stecke.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Gründung der NSDAP Vorläuferorganisation DAP:
Ob im Auftrag der Thule Gesellschaft oder aus persönlichen Gründen war das Thule Mitglied Karl
Harrer im Januar 1919 an der Gründung der Deutschen Arbeiterpartei DAP beteiligt. Adolf Hitler kam
erstmals am 12. September 1919 in Kontakt mit der DAP. Er nahm wohl auf Veranlassung der
„Propagandaabteilung Ib/P“ des Reichswehrgruppenkommandos 4 als V-Mann an Versammlungen der
zahlreichen zu dieser Zeit in München neu gegründeten politischen Parteien teil. Hitler dürfte wohl
„eine Woche“ nach dessen Besuch der DAP-Versammlung am 12. September 1919 Mitglied der DAP
geworden sein. Bereits zum 20. Februar 1920 wurde dann die Deutsche Arbeiterpartei DAP in die
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP vorgenommen.
Dietrich Eckart und die Thule Gesellschaft
Ob Dietrich Eckart wirklich Mitglied der Thule Gesellschaft war, lässt sich heute nicht mehr mit
Bestimmtheit sagen. Nachgewiesen ist jedoch, dass er am 30. Mai 1919 einen wichtigen Vortrag bei
der Thule Gesellschaft gehalten hat. Vieles spricht jedoch dafür, dass er kein formelles Mitglied war,
da er –trotz seines großen Einflusses auf DAP und NSDAP- auch dort nie offizielles Mitglied wurde.
Kommen wir nun aber zur Bedeutung des Thule Gastes Dietrich Eckarts (1868 – 1923) für die Ideologie
der Nationalsozialisten:
Es ist nachgewiesen, dass sich Hitler und Eckart im Herbst 1919 kennenlernten und miteinander
befreundet waren. Eckart vertrat wie Hitler eine gnostisch-dualistische Weltsicht, in der dem Judentum
die Rolle des ewigen Gegenspielers Deutschlands zukam. Er prägte 1919 den nationalsozialistischen
Kampfbegriff „Drittes Reich“, womit vor allem eine Verbindung von christlichem Millenarismus und
politischem Ziel gemeint war: „Im deutschen Wesen ist Christ zu Gast – drum ist es dem Antichristen
verhasst.“. Von Eckart stammte auch die Bezeichnung „Führer“ für Hitler, da er diesen im Dezember
1921 erstmals so bezeichnete. Eckart verfasste das Sturmlied der SA und machte die im Refrain
verwendete Formulierung „Deutschland erwache!“ zum NS-Schlachtruf aus.
Im August 1921 wurde Eckart im Übrigen Chefredakteur des oben erwähnten NS Propagandablattes
Völkischen Beobachters, womit sich der Kreis zur Thule Gesellschaft erneut schließt. 1923 verstarb
Eckart an einem Herzleiden. Seine Tätigkeit als Chefredakteur des Völkischen Beobachters übernahm
darauf der Thule Aktivist Alfred Rosenberg. Wie innig dabei die Beziehung zwischen Hitler und Eckart
gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass Adolf Hitler sein 1925 erschienenes Buch „Mein Kampf“
Eckart widmete.
Ende der Thule Gesellschaft
Begonnen hatte die Thule Gesellschaft mit 200 Mitgliedern. Da viele Mitglieder nach und nach in die
NS – Organisationen wechselten, blieben 1925 nur noch 20 Mitglieder übrig und die Gesellschaft
wurde aufgelöst.
Nun kann man natürlich sagen, warum beschäftigen wir uns in Hinblick auf die historische Aufarbeitung
dann überhaupt mit der Thule Gesellschaft. Wir beschäftigen uns damit, da in Zukunft verhindert
werden, dass sich neue antidemokratische, antisemitische Gruppierungen gründen, die klein
anfangen, aber dann womöglich wachsen und einen schlimmen Schaden anrichten können. Wir sind
es unserer Vergangenheit schuldig, das Entstehen jeder neuen antidemokratischen, antisemitischen
Gruppierung zu verhindern, egal wie klein und unbedeutend sie am Anfang erscheinen mag.
Literatur:
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Joachim Fest, Hitler. Eine Biographie. Frankfurt am Main,Propyläen 1973, ISBN 3-549-07172-8
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Hermann Gilbhard, Die Thule Gesellschaft – Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz,
Kiesling Verlag 1994, ISBN 978-3930423002
Nicholas Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, marixverlag GmbH,
2004, ISBN 978-3-937715-48-3
Wolfgang Benz, Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart,
Band 5 Organisationen, De Gruyter / Sauer, ISBN 978-3-598-24078-2
Martin Broszat: Die Machtergreifung, Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der
Weimarer Republik. Dtv, München 1994, ISBN 3-423-04516-7.
Claus-Ekkehard Bärsch: Die politische Religion des Nationalsozialismus. Die religiösen
Dimensionen der NS-Ideologie in den Schriften von Dietrich Eckart, Joseph Goebbels, Alfred
Rosenberg und Adolf Hitler. 2. überarb. Aufl., Fink, München 2002, ISBN 3-7705-3172-8.
Internetquellen:
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44318
http://www.relinfo.ch/thule/info.html
http://www.hamburg.de/contentblob/102176/data/brennpunkt-esoterik.pdf
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/antisemitismus/reichshammerbund
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44345
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Der Holocaust an Sinti und Roma
Zur Begriffsdefinition von Sinti und Roma
Unter dem Begriff „Sinti und Roma“ versteht man die offizielle Bezeichnung für die Gesamtheit der seit
mehreren Jahrhunderten in Europa ansässigen Roma einschließlich ihrer zahlreichen Untergruppen,
wobei „Sinti“ die in West- und Mitteleuropa Beheimateten und „Roma“ diejenigen bezeichnet, die ostbzw. südosteuropäischer Herkunft sind. Der Begriff „Zigeuner“ ist eine bis ins Mittelalter reichende
Fremdbezeichnung der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung und wird von der Minderheit der Sinti und
Roma als diskriminierend abgelehnt. Es gibt derzeit 70.000 in Deutschland lebende deutsche Sinti und
Roma.
Der Begriff „Roma“ ist der Obergriff für eine nach historisch-geografischer Herkunft aus dem indischen
Subkontinent und ihrer Sprache, dem „Romanes“, seit mehr als 600 Jahren in Europa beheimateten
Bevölkerungsgruppe. Die Sprache der Roma wird derzeit von mindestens 3,5 Millionen Menschen
weltweit gesprochen. Die Wissenschaft der Linguistik rechnet das Romanes zu den neuindischen
Sprachen und weist es Zentralindien zu; nach leicht abgewandelter Mindermeinung ist Romanes mit
der altindischen Hochsprache Sanskrit verwandt. Eine bemerkenswerte Besonderheit besteht darin,
dass das „Romanes“ bis in das 20. Jahrhundert weitestgehend nicht schriftlich war. Auch wenn sich
über die Linguistik belegen lässt, dass die Roma ursprünglich einst aus dem indischen Sprachraum
kamen, so lässt sich deren genaue Wanderung nur dahingehend bestimmen, dass die Roma spätestens
im 14. Jahrhundert von Kleinasien kommend nach Südosteuropa migrierten und von dort weiter in das
„Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ gelangten. In Deutschland werden erstmals 1407 Roma in
der Bischofsstadt Hildesheim erwähnt. Im Jahre 1446 wurde einem „Heincz von Mulhusen, zyguner“
das Bürgerrecht vom Magistrat der Stadt Frank am Main verliehen. Es ist somit nachgewiesen, dass die
Sinti und Roma eine seit Jahrhunderten in Deutschland lebende Minderheit sind.
Während im Mittelalter den Sinti und Roma von dem deutschen Feudalwesen oftmals noch so
genannte Schutzbriefe ausgestellt wurden, änderte sich vieler Orten gegen Ende des 15. Jahrhunderts,
d.h. im Rahmen des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit, das Verhältnis zu Sinti und Roma. Ein aus
soziologischer Sicht interessanter Aspekt ist dabei, dass Antiziganismus und Antisemitismus von
Anfang religiös determiniert waren. Roma wurden in geschichtlicher Sicht oftmals als Heiden
bezeichnet, obgleich viele von ihnen getaufte Christen waren und sind.
Die deutschen Sinti und Roma wurden 1995 als nationale Minderheit in Deutschland mit eigener
Minderheitensprache, verbunden mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen
und politischen Leben, anerkannt. Aus dieser verfassungsrechtlichen Sicht haben diese deutschen Sinti
und Roma die gleichen Rechte wie zum Beispiel die deutschen Friesen im Norden oder die Sorben im
Osten der Bundesrepublik Deutschland. Dachorganisation der Sinti und Roma in der Bundesrepublik
Deutschland ist der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, dessen Vorsitzender Romani Rose ist.
Beschäftigen wir uns nun aber mit der originär relevanten Thematik „Sinti und Roma und der
Holocaust“:
Von der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn
Es darf und sollte nicht vergessen werden, dass Sinti und Roma oftmals im 1. Weltkrieg (1914-1918)
als deutsche Soldaten ihren Militärdienst verrichtet hatten, gleichwohl aber zu den
gesellschaftspolitischen Verlierern der Weimarer Republik gehörten. Schon im Deutschland eines
Kaiser Wilhelm II. gab es eine Forderung nach „Seßhaftmachung der Zigeuner“, die während der
Weimarer Republik in zahlreichen Erlassen mündeten, welche die „Ausweisung ausländischer Sinti und
Roma“ und die „Erschwerung einer reisenden Lebensweise bei inländischen Sinti und Roma“ zum Ziel
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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hatte. Gegen Ende der 1920er, d.h. zu einer Zeit, in der Hitler noch nicht die Macht ergriffen hatte,
wurde durch die Einführung von Sonderausweisen für Sinti und Roma eine lückenlose Erfassung aller
in Deutschland lebenden Sinti und Roma vorangetrieben, die nicht nur diskriminierend war, sondern
Hitler später sein verbrecherisches Handwerk erleichtern sollte.
Welche Haltung Hitler und die NSDAP in Sachen Sinti und Roma hatten, lässt sich daran erkennen, dass
unmittelbar nach der Machtergreifung Planungen für ein Reichszigeunergesetz einsetzten. Zwar wurde
dieses Gesetz nie verabschiedet, gleichwohl wurden aber alle in der Weimarer Republik erlassenen
Diskriminierungen in dem am 6. Juni 1936 verabschiedeten „Erlass zur Bekämpfung der Zigeunerplage“
zusammengefasst und die Sinti und Roma als „dem deutschen Volkstum fremdes Zigeunervolk“
diffamiert.
Gleich zu Beginn der NS-Zeit wurden Sinti und Roma Opfer des Rassenwahns von Hitler. Auf Grundlage
des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juni 1933 wurden die
Voraussetzungen dafür geschaffen, dass spätestens ab 1934 auch Sinti und Roma Opfer von
Zwangssterilisierungen wurden. Weitere Einschränkungen, denen die Sinti und Roma ausgesetzt
waren, waren die 1935 eingeführten Gesetze „Ehegesundheitsgesetz“ sowie „Blutschutzgesetz“, da
das NS-Regime die Ehe- und Fortpflanzungsbeschränkungen ausdrücklich auf „Artfremde“ ausdehnte.
Durch die am 15. September 1935 verkündeten „Nürnberger Rassengesetze“ wurden Sinti und Roma
genau wie Juden zu Bürgern mit eingeschränkten Rechten herabgestuft und Verbindungen zwischen
Deutschen einerseits sowie Sinti und Roma andererseits verboten. Der damalige Reichsinnenminister
Frick erklärte hierzu am 3. Januar 1936: „Zu den artfremden Rassen gehören in Europa außer den Juden
regelmäßig nur die Zigeuner“
Mitte 1935 begann die Stadt Köln damit, Sinti und Roma in umzäumte und bewachte Lager am Rande
der Stadt zu konzentrieren. 1936 wurde dieses (Kölner) Modell in Berlin, Frankfurt am Main sowie
Magdeburg kopiert und 1937 wurden derartige Lager für Sinti und Roma in Düsseldorf, Essen, Kassel
und Wiesbaden „eröffnet“. Dass dies weiten Teilen der Bevölkerung in diesen Städten verborgen blieb,
ist nur schwer zu glauben.
Auch der 1933 verabschiedete Erlass gegen Berufsverbrecher, wonach gegen diese eine sofortige
polizeiliche „Vorbeugungshaft“ angeordnet werden konnte, wurde in großem Umfang gegen Sinti und
Roma angewandt. Hierdurch war es möglich, „Berufsverbrecher“ unbefristet in Konzentrationslager zu
inhaftieren. Durch den Asozialenerlass aus dem Dezember 1937 als Ergänzung zum
Berufsverbrechererlass erhielt die Polizei hiernach die Blankovollmacht, Zigeuner als Asoziale
unbefristet in Konzentrationslager zu inhaftieren. Aber auch dies reichte dem Reichsinnenministerium
nicht. Da die Polizei nach Auffassung des Reichsinnenministeriums den Asozialenerlass nicht mit
genügender Härte umgesetzt hatte, wurden durch die im Juni 1938 durchgeführte Polizeiaktion
„Arbeitsscheu Reich“ weitere 10.000 Personen, darunter eine große Anzahl Roma und Sinti, in
Konzentrationslager eingewiesen.
Auch die unter der Leitung von Goebbels am 22. September 1933 errichtete Reichskulturkammer
stellte einen weiteren Einschnitt dar, da ein nunmehr rassisch begründeter Ausschluss einem
Berufsverbot für viele Sinti und Roma gleichkam. Im Herbst 1935 begann der systematische Ausschluss
aller Nichtarier aus der Reichstheaterkammer und zum Jahreswechsel 1937/1938 waren alle Sinti und
Roma aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen. Sinti und Roma hatten somit spätestens ab diesem
Zeitpunkt keinerlei Möglichkeiten mehr, sich aktiv in das kulturelle Leben einzubringen.
Im November 1937 wurde unter Leitung von Dr. Robert Ritter in Berlin die „Rassenhygienische
Forschungsstelle“ gegründet, die bei der totalen Erfassung von Sinti und Roma eine besondere Rollen
spielen sollte. Diese „Forschungsstelle“ kooperierte eng mit der am 1. Oktober 1938 auf Anweisung
Himmlers beim Reichskriminalamt in Berlin eingerichteten Reichszentrale zur Bekämpfung des
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Zigeunerwesens. Spätestens mit Himmlers Erlass vom 8. Dezember 1938 war dann aber evident, was
die Nazis wirklich wollten: „Es ist die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus
in Angriff zu nehmen.“ Im Rahmen der „endgültigen Lösung der Zigeunerfrage“ ordnete Himmler an,
dass alle Sinti und Roma im Deutschen Reich zu erfassen sind.
Zum Versuch der endgültigen Vernichtung während des II. Weltkrieges
Im Rahmen einer Besprechung des Amtschefs sowie der Leiter der Einsatzgruppen im
Reichssicherheitshauptamt wurde gleich nach Kriegsbeginn am 21. September 1939 beschlossen, die
Juden sowie die restlichen „30.000 Zigeuner“ aus dem Reichsgebiet in das besetzte Polen zu
deportieren. Im Mai 1940 erfolgten dann die ersten Massendeportationen ganzer Sinti und Roma –
Familien in das besetzte Polen. Grundlage hierzu war ein Befehl Himmlers vom 27. April 1940. Die
Einstellung der deutschen Wehrmacht wurde am 11. Februar 1941 offensichtlich: An diesem Tage
ordnete nämlich das Oberkommando der Wehrmacht aus „rassepolitischen Gründen“ die „Entlassung
von allen Zigeunern und Zigeunermischlingen aus dem aktiven Wehrdienst an.
Nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion im Sommer 1941 wurden hinter der Front
systematisch Sinti und Roma von den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei, der SS sowie von
Einsatzkommandos
der
Wehrmacht
erschossen.
Im
Rahmen
des
Nürnberger
Kriegsverbrecherprozesses gestand der Einsatzgruppenleiter Otto Ohlendorf auch: „Es bestand kein
Unterschied zwischen Zigeunern und Juden. Für beide galt damals der gleiche Befehl.“ Wie ernst man
es mit diesem systematischen Mord meinte, lässt die Anordnung des Kreishauptmanns im Bezirk
Warschau-Land vom 28. Mai 1942 erkennen, wonach „Zigeuner in den jüdischen Wohnbezirk
einzuweisen sind und im Warschauer Ghetto Armbinden mit der Aufschrift Z tragen mussten". Die
meisten der Sinti und Roma, welche sich zu diesem Zeitpunkt im Warschauer Ghetto befanden,
wurden später im Konzentrationslager Treblinka ermordet. 1942 brachte aber noch weiteres Leid. Im
Zeitraum Juni bis September 1942 wurden mehr als 25.000 (!) rumänische Sinti und Roma nach
Transnistrien deportiert, wobei nur die wenigstens von dort lebend zurückkommen sollten.
Höhepunkt der NS-Perversität sollte dann der 16. Dezember 1942 sein, der Tag von Himmlers
Auschwitz-Erlass. Dieser bildete schließlich für 13.000 Sinti und Roma aus dem Deutschen Reich und
Österreich die Grundlage für deren Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Dort
richtete die SS im Lagerabschnitt B II e das so genannte „Zigeunerlager“ ein. Um aus NS-Sicht eine
Legitimation für den Vermögensraub der nach Auschwitz-Birkenau deportierten Sinti und Roma zu
haben, wurde am 30. Januar 1943 vom Reichssicherheitshauptamt ein Erlass über die Einziehung des
Vermögens der nach Ausschwitz-Birkenau deportierten Sinti und Roma proklamiert. Am 23. März 1943
begannen dann die ersten Massenvernichtungsaktionen im „Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau". Es
sollte jedoch noch schlimmer kommen. Am 30. Mai 1943 wurde der berüchtigte Josef Mengele
Lagerarzt im „Zigeunerlager“, wo er Häftlinge für seine medizinischen Versuche missbrauchte.
Mengeles „Zwillingsforschung“ -im Übrigen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertfielen unzählige Sinti, Roma und Juden zum Opfer. Am 2. August 1944 wurde dann das „Zigeunerlager“
aufgelöst. Die letzten 2900 Überlende, d.h. zumeist Kinder, Frauen und Alte, wurden in der Nacht zum
3. August 1944 in den Gaskammern ermordet. Zweifelsfrei könnte man die Dokumentation dieser
unvorstellbaren Mordserie hier noch fortsetzen, gleichwohl dürfte aber allein schon durch diese
Schilderung eindeutig sein, dass der Völkermord der Nazis an den Sinti und Roma sowie Juden in der
Menschheitsgeschichte der „negative Höhepunkt“ darstellt und in einem historischen Vergleich
zwischen dem römischen Kaiser Nero und dem NS-Regime der römische Kaiser Nero eher als
Friedensengel bezeichnet werden müsste.
Es wird geschätzt, dass im nationalsozialistisch besetzten Europa und in den mit Hitler im II. Weltkrieg
verbündeten Staaten mehr als 500.000 Sinti und Roma ermordet wurden. Von den im III. Reich
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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erfassten 35.000 – 40.000 erfassten deutschen sowie österreichischen Sinti und Roma wurden circa
25.000 ermordet.
Die (anfangs) nicht geglückte Aufarbeitung des Holocaust an Sinti und Roma
Bzgl. des Völkermordes an den Sinti und Roma im III. Reiches war man in den ersten Nachkriegsjahren
primär an der Reduktion der staatlichen Entschädigungen und erst sekundär an einer ernsthaften
Aufarbeitung der Vorkommnisse interessiert. Kennzeichnend hierfür war zum Beispiel ein Erlass des
Lands Baden-Württemberg aus dem Februar 1950, wonach „Zigeuner überwiegend nicht aus
rassistischen Gründen sondern wegen ihrer asozialen und kriminellen Haltung inhaftiert worden
seien.“ In der Regel wurden deshalb Entschädigungsanträge von Sinti und Roma abgelehnt und nur
wenige wagten den kostspieligen Klageweg. In der deutschen Justiz etablierte sich bis Mitte der 1950er
eine Urteilspraxis, wonach die vor dem „Auschwitz-Erlass“ ergriffenen Maßnahmen gegen Sinti und
Roma keine rassistische Verfolgung gewesen seien. Im Jahr 1956 wurde vom Bundesgerichtshof sogar
in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass eine rassische Verfolgung der Sinti und Roma erst ab März
1943 anzunehmen sei. Alle diesem BGH Grundsatzurteil widersprechenden Urteile wurden bis Ende
1963 stets von höheren Instanzen kassiert. Somit leugnete die deutsche Justiz in der Zeit bis 1963 die
rassische Verfolgung der Sinti und Roma für den Zeitraum 1933 - 1943.
Erst am 17. März 1982, d.h. 37 (!) Jahre nach Ende des II. Weltkrieges wurde der Völkermord an den
Sinti und Roma offiziell von der deutschen Bundesregierung im Rahmen der nachfolgenden Erklärung
des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt anerkannt: „Den Sinti und Roma ist durch die NSDiktatur schweres Unrecht zugefügt worden. Sie wurden aus rassischen Gründen verfolgt. Diese
Verbrechen haben den Tatbestand des Völkermords erfüllt.“
Getreu des Mottos „Zukunft braucht Erinnerung“ ist es an der Zeit, sich des in der deutschen
Geschichtsbewältigung oftmals leider nur rudimentär behandelten und Jahrzehnte sogar teilweise
geleugneten Holocaust an den Sinti und Roma im III. Reich zu erinnern und sich kritisch mit ihm
auseinander zu setzen. Gerade zu einer Zeit, in der wieder Antiziganismus in Teilen der Bevölkerung
offen zur Schau gestellt wird, ist es umso wichtiger, sich eingehend mit den Themengebieten
„Holocaust an Sinti und Roma im III. Reich“ sowie „Antizinganismus“ auseinanderzusetzen, damit
sichergestellt ist, dass sich der schrecklichste Völkermord in der Geschichte der Menschheit, welcher
sich von 1933 bis 1945 ereignete, niemals wiederholen wird.
Literatur:
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
Marion Bonillo, Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, Verlag Peter Lang, 2001
Michael Zimmermann, Rassenutopie und Genozid – Die nationalsozialistische „Lösung der
Zigeunerfrage, Hamburg, 1996
Sybil Milton, Vorstufe zur Vernichtung. Die Zigeunerlager nach 1933, in: Vierteljahrshefte für
Zeitgeschichte, 43 (1995) 1, S. 115-130
Michael Schenk, Rassismus gegen Sinti und Roma: zur Kontinuität der Zigeunerverfolgung
innerhalb der deutschen Gesellschaft von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart,
Frankfurt/M. u.a. 1994
Karola Fings/Frank Sparing, Rassismus, Lager, Völkermord. Die nationalsozialistische
Zigeunerverfolgung in Köln, Köln 2005, S. 93-108
Martin Luchterhandt, Der Weg nach Birkenau. Entstehung und Verlauf der
nationalsozialistischen Verfolgung der "Zigeuner", Lübeck 2000, S. 123-137 und S. 206-226
Waclaw Dlugoborski (Hrsg.), Sinti und Roma im KL Auschwitz-Birkenau 1943-44, Oswiecim
1998 (poln.)
Stowarzyszenie Rom w Polsce (Vereinigung der Roma in Polen) (Hrsg.), Das Schicksal der Sinti
und Roma im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Warszawa 1994 (poln.)
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Katharina Stengel, Tradierte Feindbilder. Die Entschädigung der Sinti und Roma in den
fünfziger und sechziger Jahren, Frankfurt/M. 2004
Gilad Margalit, Die Nachkriegsdeutschen und "ihre Zigeuner", Berlin 2001, S. 117-173
Wolfgang Ayaß, Ein Gebot der nationalen Arbeitsdisziplin. Die Aktion "Arbeitsscheu Reich"
1938, in: ders./Reimar Gilsenbach/Ursula Körber (Hrsg.)
Michael Zimmermann, Zigeunerpolitik und Zigeunerdiskurs im Europa des 20. Jahrhunderts, in:
ders. (Hrsg.), Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im
Europa des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 13–70, hier S. 63
Internetquellen:
zentralrat.sintiundroma.de
romani.uni-graz.at/rombase
romadecade.org
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Der Naumann Kreis: Der missglückte Versuch von ehemaligen Nazis, in den
1950ern die FDP in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen
Immer mehr in Vergessenheit gerät mittlerweile die Tatsache, dass ehemalige Mitglieder der NSDAP
in der unmittelbaren Nachkriegszeit, aber auch noch viele Jahrzehnte später in der Politik Deutschlands
eine gewichtige Rolle spielten. Eine besondere Gefahr für die junge Bundesrepublik Deutschland war
der Versuch ehemaliger NSDAP-Mitglieder unter Führung von Werner Naumann, dem letzten
Staatssekretär des NS-Reichspropagandaministers Joseph Goebbels, Anfang der 1950er die FDP zu
unterwandern.
Gleich zu Beginn dieses Aufsatzes muss natürlich auf einen gewichtigen Sachverhalt verwiesen werden.
Auch wenn dieser Aufsatz sich mit der Verbindung zwischen NSDAP-Mitgliedern und der FDP und
ihrem Umfeld beschäftigt, so sei darauf verwiesen, dass viele der Bundestagsparteien nicht davon
verschont blieben, ehemalige NSDAP-Mitglieder in ihren Reihen zu haben.
Ehemalige NSDAP-Mitglieder mit bundespolitischen Ämtern in der FDP:
Vergegenwärtigen wir uns an dieser Stelle erst einmal, welche ehemaligen NSDAP-Mitglieder in der
FDP zu hohen bundespolitischen Ämtern kamen:
1. Ernst Aschenbach, Mitglied in der NSDAP 1937–1945,
1957–1976 Mitglied im Bundestag
2. Joachim Angermeyer, Mitglied in der NSDAP 1941–1945,
1976–1980 Mitglied im Bundestag
3. Albrecht Aschoff, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1961–1965 Mitglied im Bundestag
4. Hermann Berg, Mitglied in der NSDAP 1937–1945,
1955–1957 Mitglied im Bundestag
5. Ewald Bucher, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1962–1965 Bundesminister der Justiz, 1965–1966 Bundesminister für Wohnungswesen und
Städtebau
6. Richard Burckardt, Mitglied in der NSDAP 1940–1945,
1961–1965 Mitglied im Bundestag
7. Rolf Dahlgrün, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1962–1966 Bundesminister der Finanzen
8. Robert Dannemann, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1945–1955 Mitglied im Bundestag
9. Hermann Dürr, Mitglied in der NSDAP 1943–1945,
1957–1965 Mitglied im Bundestag
10. Josef Effertz, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1961–1968 Mitglied im Bundestag
11. Otto Eisenmann, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1957–1965 Mitglied im Bundestag
12. Josef Ertl, Mitglied in der NSDAP 1943–1945,
1961–1987 Mitglied im Bundestag, 1969–1983 Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft, Forsten
13. Margarete Hütter, Mitglied in der NSDAP 1943–1945,
1943–1953 und 1955–1957 Mitglied im Bundestag
14. Otto Köhler, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1957–1960 Mitglied im Bundestag
15. Martin Reichmann, Mitglied in der NSDAP 1932–1945,
1961–1969 Mitglied im Bundestag
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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16. Hermann Saam, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
Mitglied im Bundestag 1965–1969
17. Walter Scheel, Mitglied in der NSDAP 1941–1945,
1961–1966 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1969–1974 Bundesminister
des Auswärtigen, 1974–1979 Bundespräsident
18. Hermann Schwann, Mitglied in der NSDAP 1933–1945,
1953–1957 Mitglied im Bundestag
19. Artur Stegner, Mitglied in der NSDAP 1931–1945,
1949–1957 Mitglied im Bundestag
20. Willi Weyer, Mitglied in der NSDAP 1937–1945,
1953–1954 Mitglied im Bundestag
21. Siegfried Zoglmann, Mitglied in der NSDAP 1934–1945,
1957–1970 Mitglied im Bundestag
Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass hier noch nicht einmal diejenigen Politiker aufgezählt sind,
die bei der FDP in Landesparlamenten oder später im Europaparlament zu Amt und Würden kamen.
Diese Auflistung erfolgte deshalb, damit man später nicht sagen kann, der Naumann-Kreis wäre etwas
Besonderes, d.h. die einzige Ansammlung von ehemaligen Nationalsozialisten.
Wer oder was aber nun der sogenannte Naumann-Kreis?
Bis heute ist nicht klar, wer der Kopf oder die Köpfe des Naumann-Kreises war. In Frage kommen hier:
1. Ernst Aschenbach, Mitglied des Auswärtigen Amtes unter Hitler und nachweislich 1943 für die
Verhaftung und Deportation von 2.000 französischen Juden ins Konzentrationslager Majdanek
verantwortlich, später: 1950–1958 Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, 1957–
1972 Mitglied des Deutschen Bundestages sowie Mitglied des Europaparlamentes von 1969–
1974.
2. Werner Best, Stellvertreter von Reinhard Heydrich (SS-Obergruppenführer sowie Leiter des
Reichssicherheitshauptamtes, 1941 von Hermann Göring mit der so genannten „Endlösung
der Judenfrage“ beauftragt), in der NS-Zeit: Organisationschef des Sicherheitsdienstes SD
sowie leitender Funktionär im Reichssicherheitshauptamt, ab 1940 Leiter der
Militärverwaltung im besetzten Frankreich, von 1942 bis 1945 Hitlers Reichsbevollmächtigter
in Dänemark; nach Kriegsende: Rechtsberater des FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen
(obgleich er nie Mitglied der FDP war) sowie Direktoriumsmitglied der Dachgesellschaft der
Stinnesschen Unternehmungen, erst 1989, als er schon auf dem Totenbett lag, wurde das
strafrechtliche Hauptverfahren gegen ihn eröffnet.
3. Werner Naumann, ehemaliger Staatssekretär im NS-Propagandaministerium sowie
persönlicher Referent von Joesph Goebbels, nach Kriegsende lebte Naumann unerkannt in
Süddeutschland, 1950 dann Geschäftsführer im Dienste der Firma Cominbel seines NSFreundes Herbert Lucht, welcher wiederum vorher Leiter der Wehrmachtspropaganda in
Frankreich war. Da seine Versuche, in der FDP Karriere zu machen, scheiterten, wurde er
später Direktor der Busch-Jaeger Metallwerk GmbH in Lüdenscheid. Naumann wurde wie sein
Freund Aschenbach nie wegen seiner NS-Vergangenheit angeklagt.
Für den Naumann-Kreis war es zum einen wichtig, dass die ehemaligen NS-Eliten für ihre
Kriegsverbrechen im Rahmen einer Art Generalamnestie ein für alle Mal entlastet werden würden.
Auch ging es diesen Personen, die in der Regel Nationalsozialisten aus der mittleren Führungsebene
waren, darum, sich politischen Einfluss zu verschaffen. Die Landesverbände der FDP in den
Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen waren Anfang der 1950er Jahre sehr
nationalistisch eingestellt, so dass die neuen Mitglieder (aus dem Naumann-Kreis) im Landesverband
Nordrhein-Westfalen der FDP mit offenen Armen empfangen wurden. Bis heute ungeklärt ist die Frage,
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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wie nahe der damalige Vorsitzende der FDP Nordrhein-Westfalen, Friedrich Middlehauve, zu dem
Naumann-Kreis stand. Da die folgenden Mitglieder des Naumann-Kreises:
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


Werner Nauman
Werner Best
Franz Alfred Six
Hans Fritzsche
für Middelhauve für den FDP-Bundesparteitag im November 1952 das rechtsnationale „Deutsche
Programm“ entwickelten, muss es Verbindungen gegeben haben. Es ist im Übrigen den FDPLandesverbänden Hamburg, Bremen und Baden-Württemberg zu verdanken, dass sich nicht das
rechtsnationale Programm durchsetzte sondern das von diesen drei Landesverbänden vorgelegte
„Liberale Manifest“.
Dass der Naumann-Kreis in keiner Weise demokratisch gesinnt war und das alte NS-Gedankengut in
die Entstehungszeit der jungen Bundesrepublik transferieren wollte, lässt sich an den nachfolgenden
Äußerungen von Naumann erkennen, die dieser nachweislich am 18. November 1952 bei einem
Treffen des Naumann-Kreises in Hamburg tätigte:
„Ob man eine liberale Partei am Ende in eine NS-Kampfgruppe umwandeln kann, möchte ich
bezweifeln, wir müssen es aber auf einen Versuch ankommen lassen. … Die Hauptsache ist, den
Kontakt zueinander nicht zu verlieren und die Parteien bloß als ein Mittel zum Zweck anzusehen. Es
wäre am besten, wenn wir unsere Leute in allen Parteien hätten, was teilweise der Fall ist.“
Auch der Bundes-FDP war vieles bekannt. Kurz vor Jahresende 1952 warnte ein anonymes
Rundschreiben in der FDP vor dem Rechtsruck der Partei, und am 3. Januar 1953 trafen sich etwa 30
Vertreter verschiedener Kreisverbände in Köln mit dem FDP-Bundesvorsitzenden Franz Blücher, um
ihre „ernste Besorgnis über den Zustrom rechtsradikaler Elemente“ zu diskutieren.
Es ist den Briten zu verdanken, dass der Naumann-Kreis aufgelöst wurde. Dabei hatte der britische
Hochkommissar Sir Ivone Kirkpatrick nicht nur die deutschen Behörden sondern auch die damaligen
FDP-Politiker Theodor Heuss (damaliger Bundespräsident), Franz Blücher (damaliger
Parteivorsitzender) sowie Thomas Dehler (damaliger Bundesjustizminister) über den Naumann-Kreis
und deren Vorhaben unterrichtet. Es wirft bis heute kein gutes Licht auf die damaligen
bundesdeutschen Behörden, dass diese nicht sofort aktiv wurden, sondern dass in der Nacht vom 15.
Januar 1953 die Briten aufgrund der alliierten Vorbehaltsrechte die folgenden führenden Köpfe des
Naumann-Kreises in Düsseldorf, Solingen und Hamburg verhafteten:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Dr. Werner Naumann
Paul Zimmermann
Dr. Heinrich Haselmayer
Heinz Siepen
Dr. Karl Scharping
Dr. Gustav Scheel
Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten innerparteilichen Vorkommnisse in der FDP ist es
mehr als verwunderlich, wenn ausgerechnet der damalige FDP-Bundesjustizminister Dehler den
Gekränkten spielte und erklärte: „Es zeugt von keinem großen Vertrauen in die Bundesrepublik, wenn
'außerdeutsche Geheimdienste' hier 'Unternehmen' abwickeln, 'die eigentlich den Deutschen
vorbehalten bleiben sollten.'“
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Obgleich einige in der deutschen Öffentlichkeit 1953 angaben, von nichts gewusst zu haben, so ist dies
kaum zu glauben. Es sei hier zum Beispiel auf einen Mitte November 1952 in der schwedischen Zeitung
„Dagens Nyheter“ erschienenen Artikel verwiesen, in dem es heißt:
„Spiritus rector auf dieser Seite ist der Landtagsabgeordnete Ernst Achenbach (Düsseldorf). In seinem
Essener Büro für eine Generalamnestie sind der frühere Reichskommissar in Dänemark, Dr. Werner
Best und der frühere SS-Obergruppenführer Professor Franz Alfred Six tätig. Außenpolitisch lehnen die
Nazis den Generalvertrag und die Europa-Armee ab, weil sie Deutschland nicht genügend nationale
Unabhängigkeit geben. Sie streben ein wiedervereinigtes Deutschland mit eigener Armee an, das im
Spannungsfeld zwischen Ost und West die Situation zu Zugeständnissen von beiden Seiten ausnützen
könnte. Auf diese Parole hofft man alle Neutralisten und Anhänger des dritten Standpunktes in
Deutschland sammeln zu können. Naumann und Konsorten weisen den Antisemitismus als Bestandteil
der kommenden Politik ab, denn dieser hat sich als schlechtes Geschäft erwiesen. “
Dies ist eindeutig. Wenn man dies in Schweden wusste und dies dort in einer nicht unbekannten
Zeitung kommunizierte, so muss die Frage erlaubt sein, warum man dies alles in Deutschland nicht
gewusst haben will.
Das Verfahren gegen die Verschwörer wurde im Sommer 1953 vom 2. Ferienstrafsenat des
Bundesgerichtshofes eingestellt, ohne dass ein Beschuldigter verurteilt wurde. Die Begründung hierzu
lautete: „Das Ziel der Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Führerstaats käme in den
Äußerungen der Angeschuldigten nirgends deutlich zum Ausdruck.“ Dieser Sachverhalt wurde später
als „Blindheit des Bundesgerichtshofes auf dem rechten Auge“ bezeichnet. Lediglich Bundeskanzler
Konrad Adenauer war vor dem Bundesvorstand der CDU klar und eindeutig und erklärte, dass er
Naumann am liebsten wegen Hochverrats verurteilen würde und dass er nach wie von der Schuld
Naumanns überzeugt sei.
Die Mitglieder im Naumann-Kreis:
Nachstehend eine (nicht als abschließend zu verstehende) Auflistung von Personen, die dem
Naumann-Kreis angehörten:
1. Gunter d’Alquen, Journalist, Schriftleiter des „Schwarzen Korps“, SS-Standartenführer
2. Werner Best, Stellvertreter von Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer, Chef des Amtes
Verwaltung
bei der Besatzungsbehörde in Frankreich, November 1942 Bevollmächtigter des Deutschen Reiches in
Dänemark (Leiter der Besatzungsbehörde), nach dem Krieg tätig im Anwaltsbüro Achenbach
3. Karl Friedrich Bornemann, geb. 1908, HJ-Gebietsführer Düsseldorf, danach Herausgeber eines „KBIInformationsdienstes
4. Wolfgang Diewerge, hoher NS-Propagandist aus dem Reichsministerium für Volksaufklärung und
Propaganda, Intendant des Reichssenders Danzig, später Geschäftsführer der Gesellschaft für
Europäische
Wirtschaftspolitik sowie des Internationalen Wirtschaftsclubs
5. Friedrich Karl Florian, Gauleiter von Düsseldorf
6. Hans Fritzsche, zuletzt Leiter der Rundfunkabteilung im Reichsministerium für Volksaufklärung und
Propaganda und im Großdeutschen Rundfunk der „Beauftragte für die politische Gestaltung“, in
Nürnberg
angeklagter Hauptkriegsverbrecher
7. Lydia Gottschewski NS-Frauenschaftsfunktionärin
8. Josef Grohé, zuletzt Reichskommissar für die besetzten Gebiete in Belgien und Nordfrankreich
9. Hans-Bernhard von Grünberg, Professor für Staatswissenschaften und letzter Rektor der Universität
Königsberg unter deutscher Herrschaft
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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10. Heinrich Haselmayer, Alter Kämpfer seit 1927, SA-Mann, Kampfbund für deutsche Kultur in
Hamburg,
Führer des NS-Studentenbundes ebenda, beteiligt an der Sterilisierung von nationalsozialistisch
definierten
„Erbkranken“
11. Paul Hausser, SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst der Waffen-SS, der erste Vorsitzende
der
Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS
12. Horst Huisgen, HJ-Gebietsführer in Schlesien; Landesgeschäftsführer der FDP in Niedersachsen
13. Heinrich Hunke, Arisierer, Funktionär der Deutschen Bank, nationalsozialistischer Raumplaner und
Großraumstratege, später Ministerialdirigent des Landes Niedersachsen
14. Karl Kaufmann, Gauleiter und Reichsstatthalter von Hamburg
15. Herbert Lucht, Leiter der Außenstelle Wehrmachtpropaganda in Paris
16. Wilhelm Meinberg, Aufsichtsrat bei der Dresdner Bank und Wehrwirtschaftsführer
17. Karl Ott, Staatssekretär und Mitglied des Landtages in Niedersachsen
18. Gustav Adolf Scheel, ehemaliger Reichsstudentenführer und Gauleiter von Salzburg
19. Heinz Siepen, NSDAP-Ortsgruppenleiter und Landrat, Mit-Besitzer der Punktal-Stahlwerke in
Solingen
20. Edmund Veesenmeyer,Generalbevollmächtigter in Ungarn, SS-Brigadeführer
Es handelte sich nicht um eine kleine Gruppe ehemaliger NS-Funktionäre und die Gefahr der
Infiltration war groß. Leider wurde nie in der Öffentlichkeit bekannt, welch eine große Gefahr für die
Demokratie in Deutschland 1953 durch die Briten abgewandt wurde.
Literatur:
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Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit
– Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und der Bundesrepublik; Blessing, 2010
Norbert Frei: Hitlers Eliten nach 1945; dtv, 2003
Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe – Wie die Kirchen den Nazis halfen; Fischer Verlag
2013
Ernst Klee: Das Personallexikon zum Dritten Reich – Wer war was vor und nach 1945; Fischer
Verlag, 2005
Eva A. Mayring: Control Commission for Germany (British Element) (CCG/BE), in: Wolfgang
Benz (Hrsg.): Deutschland unter alliierter Besatzung 1945–1949/55. Ein Handbuch. Akademie
Verlag, Berlin 1999
Kristian Buchna: Nationale Sammlung an Rhein und Ruhr. Friedrich Middelhauve und die
nordrhein-westfälische FDP 1945-1953. Oldenbourg Verlag, München 2010
Heiko Buschke: Deutsche Presse, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Vergangenheit
in der Ära Adenauer; Campus-Verlag 2003
Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im Dritten Reich. Arndt-Verlag, 2000
Karl Höffkes: Hitlers politische Generale – Die Gauleiter des III. Reiches, 1986
Internetquellen:
http://www.spiegel.de/einestages/naumann-kreis-die-unterwanderung-der-fdp-durch-altnazis-a951012.html
http://www.zeit.de/2002/23/200223_a-fdp-nazi.xml
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25657293.html
http://www.zeit.de/2002/23/Deutsches_Programm
http://www.deutschlandfunk.de/die-bekannteste-stimme-des-grossdeutschenrundfunks.730.de.html?dram:article_id=102839
http://www.landtag-niedersachsen.de/download/29627/bericht_historische_kommission.pdf
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Aktion T4 – Systematischer Mord der Nazis an behinderten Menschen
Der Mord an Menschen, die nichts getan haben und auch nicht in der Lage sind, sich in irgendeiner Art
und Weise zu wehren, ist in besonderem Maße als verabscheuungswürdig zu bezeichnen. Dass die
Nationalsozialisten sich besonders dann stark fühlten, wenn sie gegen wehrlose Menschen vorgingen,
dürfte mittlerweile als wissenschaftlich belegt gelten und war auch schon mehrfach Gegenstand von
Publikationen. Von besonderer Verabscheuungswürdigkeit war der systematische Mord der
Nationalsozialisten an behinderten Menschen und es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die
Aufarbeitung dieser Massenmorde weder geschichtlich noch juristisch besonders erfolgreich war.
Die Ursprünge der perversen Idee der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“:
Die Ursprünge dieser Idee gehen auf den österreichischen Psychologen Adolf Jost (22.08.1874 –
20.10.1908) zurück, der neben seinen „Jostschen Sätzen zum Lernen und Behalten“ vor allem durch
die 1895 erschienene 53 seitige Streitschrift „Das Recht auf den Tod“ bekannt wurde. Dieses Werk war
in Deutschland der historische Ausgangspunkt einer breiten Diskussion über die Sterbehilfe. Der „Wert
eines Menschenlebens“ wurde von Adolf Jost dabei wie folgt auf Seite 13f. seiner Streitschrift definiert:
„Der Wert eines Menschenlebens kann, einer rein natürlichen Betrachtungsweise nach, sich nur aus
zwei Faktoren zusammensetzen. Der erste Faktor ist der Wert des Lebens für den betreffenden
Menschen selbst, also die Summe von Freud und Schmerz, die er zu erleben hat. Der zweite Faktor ist
die Summe von Nutzen und Schaden, die das Individuum für seine Mitmenschen darstellt. …… Der Wert
eines menschlichen Lebens kann eben nicht bloß null, sondern auch negativ werden, wenn die
Schmerzen so groß sind, wie es in der Todeskrankheit der Fall zu sein pflegt. Der Tod stellt selbst
gewissermaßen den Nullwert dar, ist daher gegenüber einem negativen Lebenswert noch immer das
Bessere.“
Jost forderte in seiner Streitschrift nicht nur ein Recht auf den Tod bei unheilbarer Krankheit sondern
wandte diesen Grundsatz auch auf „unheilbar geistig erkrankte Menschen“ an, da diese nach der
Auffassung von Jost nicht nur ein nutzloses, sondern auch höchst qualvolles Leben führten und darüber
hinaus noch eine „beträchtlicher Menge materieller Werte“ konsumierten. Es mag eine Ironie des
Schicksals sein, dass ein Adolf Jost im Alter von 34 Jahren, völlig mittellos geworden, in einer
Nervenheilanstalt in Sorau verstarb.
Die Ideen Adolf Josts wurden zu Beginn der Weimarer Republik von dem deutschen
Rechtswissenschaftler Karl Binding (04.06.1841 – 07.04.1920) und dem deutschen Psychiater und
Neurologen Alfred E. Hoche (01.08.1865 – 16.05.1943) in ihrer 1920 erschienenen Schrift „Die Freigabe
der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ weiterverarbeitet. Diese Schrift gilt als Wegbereiter der
organisierten Massenvernichtung geistig behinderter Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus. Aus
dem kranken Gedankengut der Herren Binding und Hoche in ihrer Schrift des Jahres 1920 wird wie
folgt zitiert:
„Die Anstalten, die der Idiotenpflege dienen, werden anderen Zwecken entzogen; soweit es sich um
Privatanstalten handelt, muss die Verzinsung berechnet werden; ein Pflegepersonal von vielen tausend
Köpfen wird für diese gänzlich unfruchtbare Aufgabe festgelegt und fördernder Arbeit entzogen; es ist
eine peinliche Vorstellung, dass ganze Generationen von Pflegern neben diesen leeren Menschenhülsen
dahinaltern, von denen nicht wenige 70 Jahre und älter werden. …..
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Zusammenfassung aller Möglichkeiten, ein freimachen jeder verfügbaren Leistungsfähigkeit für
fördernde Zwecke: Der Erfüllung dieser Aufgabe steht das moderne Bestreben entgegen, möglichst
auch die Schwächlinge aller Sorten zu erhalten, allen, auch den zwar nicht geistig toten, aber doch ihrer
Organisation nach minderwertigen Elemente Pflege und Schutz angedeihen zu lassen — Bemühungen,
die dadurch ihre besondere Tragweite erhalten, dass es bisher nicht möglich gewesen, auch nicht im
ernste versucht worden ist, diese von der Fortpflanzung auszuschließen. …..“
Es ist mehr als beschämend, dass im 20. Jahrhundert eine derart kranke Gedankenwelt bei
Wissenschaftlern vorfand, die in dieser Form noch nicht einmal in Sparta mehr als 2.000 Jahre
propagiert wurde. In diesem Zusammenhang dürfte es unstrittig sein, dass die Menschheit sich nicht
in allen Bereichen weiterentwickelte.
Aus dieser Gedankenwelt entwickelte sich die Ideologie der Rassenhygiene der Nationalsozialisten, die
bereits in den Jahren 1933 und 1935 von dem damaligen Reichsinnenminister Wilhelm Frick zu
Gesetzen und Verordnungen wurden.
Struktur des systematischen Mordens
Kommen wir nun zur konkreten Entstehungsgeschichte der Aktion T4:
Im Rahmen der Ideologie der NS-Rassenhygiene sollte jede „Beeinträchtigung des deutschen
Volkskörpers“ verhindert werden. In der typischen Schwarz-Weiß-Malerei der Nazis gab es nur die
beiden Alternativen Heilen oder Vernichten.
1929 erklärte Hitler auf dem Reichsparteitag in München, dass die „Beseitigung von 700.000 – 800.000
der Schwächsten von einer Million Neugeboren jährlich, eine Kräftesteigerung der Nation bedeute und
keinesfalls eine Schwächung.“ Somit waren die Ideen Hitlers nachweislich vor seiner Machtergreifung
bekannt. Auf dem Nürnberger Reichsparteitag von 1935 kündigte er dann gegenüber dem
Reichsärzteführer Gerhard Wagner an, dass er die „unheilbar Geisteskranken zu beseitigen suche und
zwar spätestens im Falle eines künftigen Krieges.“
Der systematisch geplante Mord der Nazis an behinderten Menschen vollzog sich in folgenden Stufen:
1. „Kinder-Euthanasie“ von 1939 – 1945
2. Erwachsenen-Euthanasie von 1940 bis 1945
differenziert nach:
Aktion T4: dezentralisierte Gasmorde von Januar 1940 bis August 1941:
Dezentralisiert durchgeführte, aber zentral gesteuerte „Medikamenten-Euthanasie“ oder
Tötung durch Unterernährung von September 1941-1945
„Invaliden- oder Häftlings-Euthanasie“, bekannt als „Aktion 14f13“ von April 1941 bis Dezember
1944
Dabei wurden mindestens 260.000 Menschen nachweislich getötet. Gleichwohl ist davon auszugehen,
dass die wirkliche Zahl wahrscheinlich ein Vielfaches hiervon ist.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Kindereuthanasie – Vorläufer von T4
Betrachten wir uns die Kindereuthanasie als Vorläufer der Aktion T4:
Zentrales Dokument hierfür war ein Runderlass des Reichsministers des Innern vom 18. August 1939
Az.: IVb 3088/39 – 1079 Mi, der mit dem Vermerk „Streng vertraulich!“ den Kreis der Betroffenen und
die Art und Weise ihrer Erfassung festlegte. Danach wurden Ärzte und Hebammen sowie
Entbindungsanstalten, geburtshilfliche Abteilungen und Kinderkrankenhäuser, soweit dort ein
leitender Arzt nicht vorhanden oder an der Meldung verhindert war, verpflichtet formblattmäßige
Mitteilung an das zuständige Gesundheitsamt zu machen, „falls das neugeborene Kind verdächtig ist
mit folgenden schweren angeborenen Leiden behaftet zu sein:





Idiotie sowie Mongolismus (besonders Fälle, die mit Blindheit und Taubheit verbunden sind),
Mikrocephalie,
Hydrocephalus, schweren bzw. fortschreitenden Grades,
Missbildungen jeder Art, besonders Fehlen von Gliedmaßen, schwere Spaltbildungen des Kopfes
und der Wirbelsäule usw.,
Lähmungen einschließlich Littlescher Erkrankung“
Meldepflichtig waren zunächst nur Kinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, wenig später
wurde die Altersgrenze dann auf 16 Jahre angehoben. Die vorgeschriebenen Meldebogen vermittelten
den Eindruck, dass mit der Erfassung das Ziel einer fürsorgenden besonderen fachärztliche Betreuung
verfolgt werden sollte. Die Amtsärzte leiteten die ausgefüllten Meldebogen an den „Rechtsausschuss“
weiter, wo das dahinterstehende Amt IIb der KdF mit den beiden medizinischen Laien Hefelmann und
von Hegener die Fälle aussortierten, die nach ihrer Auffassung für die Aufnahme in eine
„Kinderfachabteilung“, das heißt für die „Euthanasie“, nicht in Betracht kamen. Von den etwa 100.000
bis 1945 eingegangen Meldebogen wurden etwa 80.000 aussortiert.
Das Urteil über Leben oder Tod der Kinder wurde lediglich anhand des Meldebogens getroffen, ohne
dass die Gutachter Einsicht in die (nicht vorgelegten) Krankenakten nahmen, noch die Kinder gesehen
hatten. Wurde ein Kind als „Euthanasie“-Fall beurteilt, trugen die Gutachter ein „+“ ein und umgekehrt
ein „-“. War aus der Sicht der Gutachter keine eindeutige Entscheidung möglich, wurde ein „B“ für
„Beobachtung“ vermerkt. Diese Kinder wurden zwar von der „Euthanasie“ vorläufig zurückgestellt,
jedoch ebenfalls in eine „Kinderfachabteilung“ eingewiesen. Der dortige Arzt musste nach genauerer
Untersuchung gegenüber dem „Rechtsausschuss“ einen entsprechenden Beobachtungsbericht
abgeben. Entscheidendes Kriterium zur „positiven“ Begutachtung waren prognostizierte Arbeits- und
Bildungsunfähigkeit.
Auch die schon mit einer „Behandlungs“-Ermächtigung eingewiesenen Kinder wurden in der Regel
nicht sofort getötet, sondern dienten teilweise noch für Monate der wissenschaftlichen Forschung. So
fand zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Leiter der „Kinderfachabteilung“ in der
Landesheilanstalt Eichberg, Walter Schmidt, und dem Direktor der Universitäts-Nervenklinik
Heidelberg, Carl Schneider, statt. Diese Opfer wurden in Heidelberg eingehend klinisch beobachtet und
dann nach Eichberg verlegt, wo sie getötet und die Gehirne entnommen wurden.
Zu den Nutznießern der Kinder-„Euthanasie“ gehörte auch das Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für
Hirnforschung in Berlin-Buch (Nachfolger ist heute das Max-Planck-Institut für Hirnforschung in
Frankfurt am Main). Der Abteilungsleiter für Hirnhistopathologie, Professor Julius Hallervorden,
sammelte im KWI über 600 Gehirne von „Euthanasie“-Opfern. In der NS-Tötungsanstalt Bernburg
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sezierte er Leichen von Kindern, die aus der Landesanstalt Görden zur Tötung nach Bernburg
gekommen waren.
Die Tötung der Kinder erfolgte durch zeitlich gestaffelte und überdosierte Barbituratgaben wie
Luminal, Veronal, Trional oder Morphin, die unter das Essen der Patienten gemischt oder als
angebliches „Anti-Typhusmittel“ gespritzt wurden. Diese führten zu Atemlähmungen, Kreislauf- und
Nierenversagen oder Lungenentzündungen. So konnte immer eine scheinbar natürliche, unmittelbare
Todesursache attestiert werden. Das Verfahren war als sogenanntes „Luminalschema“ vom späteren
medizinischen Leiter der „Aktion T4“, Professor Hermann Paul Nitsche, Anfang 1940 entwickelt
worden. In Kombination mit einer systematischen Unterernährung und Unterbringung in
unzureichend geheizten Räumen, konnte die angestrebte Beseitigung „lebensunwerten Lebens“ durch
derart provozierte Lungenentzündungen, Tuberkulose oder Typhus auf scheinbar natürliche und
unauffällige Weise realisiert werden.
Vergegenwärtigen wir uns an dieser Stelle einmal an exemplarischen Beispielen, wie diese Straftaten
später geahndet wurden:
Hans Hefelmann (1906 – 1986):
Funktion: Leiter des für die Kindereuthanasie zuständigen Amtes IIb der KdF sowie des
„Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“
Strafverfolgung: Im Heyde-Verfahren vor dem Landgericht Limburg mit angeklagt, Verfahren am 8.
Oktober 1972 wegen „dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit“ eingestellt. Trotz der 1964
prognostizierten minimalen Lebenserwartung von nur noch zwei Jahren konnte Hefelmann weitere 22
Jahre eines (von juristischer Verantwortung für seine Tätigkeit im nationalsozialistischen Deutschen
Reich unbelästigten) Lebensabends in München verbringen, ehe er dort 1986 verstarb.
Richard von Hegener (1905 – 1981):
Funktion: Vertreter Hefelmann im Amt IIb der KdF
Strafverfolgung: 1951 wurde Hegener wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhaftet und
schließlich mit Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 20. Februar 1952 zu einer lebenslänglichen
Zuchthausstrafe verurteilt. Durch einen sogenannten Ministerialbeschluss wurde er im Juli 1956 nach
vierjähriger Haftzeit entlassen. Hegener nahm umgehend Kontakt zu seinem ehemaligen Vorgesetzten
Hefelmann auf und fand als kaufmännischer Angestellter durch Vermittlung des dort als Justitiar
tätigen Dietrich Allers (vormals Geschäftsführer der Zentraldienststelle-T4) eine Anstellung bei der
Deutschen Werft. Mit Hefelmann hielt Hegener auch weiterhin Kontakt.
Werner Catel (1894 – 1981):
Funktion: Direktor der Universitätskinderklinik Leipzig, „Rechtsausschuss“-Gutachter
Strafverfolgung: Catel wurde 1947 in Wiesbaden als „unbelastet“ eingestuft und leitete dann die
Kinderheilstätte Mammolshöhe in der Nähe von Kronberg, 1949 wurde er in Hamburg beim
Entnazifizierungs-Tribunal freigesprochen und 1954 Professor für Kinderheilkunde an der Universität
Kiel. Die Tötung unheilbarer behinderter Kinder hat er gerechtfertigt und jede Schuld geleugnet. Im
Stasi-Archiv wurden inzwischen Briefe von Catel gefunden, die seine Tätigkeit bei der Euthanasie
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belegen. Noch 1964 behauptete er, dass es jedes Jahr fast 2000 „vollidiotische“ Kinder gebe, die wegen
ihrer Fehlbildungen oder Behinderungen getötet werden sollten.“
Helmut Unger (1891-1953):
Funktion: Angehöriger des Gremiums zur Initiierung der Kinder-Euthanasie
Strafverfolgung: Eine juristische Aufarbeitung seiner Tätigkeit im Dritten Reich unterblieb; keine
Strafverfolgung.
Aktion T4 – Das Morden wird intensiviert
Wie nicht anders von den Nazis zu erwarten, wurde das „systematische Morden“ durch „T4“ erweitert.
Im Zeitraum 1940 bis 1941 wurden im Rahmen von T4 mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und
körperlichen Behinderungen getötet. Dabei wurde der Begriff der T4 nicht von den Nazis geprägt. T4
ist vielmehr die Adresse der Zentraldienststelle T4 Tiergartenstraße 4 in Berlin und ein erst später in
der Geschichtsaufarbeitung gebräuchlicher Arbeitstitel.
Im Oktober 1939 ermächtigte Hitler mit einem auf den 1. September 1939 zurückdatierten Schreiben
den Leiter der KdF Bouhler sowie den Begleitarzt Hitlers, Karl Brandt, als medizinische Ansprechpartner
mit der organisatorischen Durchführung der als „Euthanasie“ bezeichneten Tötung von
„lebensunwertem Leben“. Das Schreiben auf Hitlers privatem Briefpapier hat folgenden Wortlaut:
„Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse
namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar
Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“
Dieses Ermächtigungsschreiben hatte keine Rechtsgültigkeit, ein solcher Erlass hätte von Hitler und
Herbert Linden gegengezeichnet, auf offiziellem Papier gedruckt und im Reichsgesetzblatt publiziert
werden müssen. Somit war sich Hitler vollumfänglich seines Verbrechens bewusst.
Da die Kanzlei des Führers im Zusammenhang mit den beschlossenen Maßnahmen nicht öffentlich in
Erscheinung treten sollte, wurde eine halbstaatliche Sonderverwaltung gebildet, die formal dem
Hauptamt II der KdF, geleitet von Viktor Brack, unterstellt wurde, seit April 1940 in einer Villa in der
Berliner Tiergartenstraße 4 untergebracht war und durch den Reichsschatzmeister der NSDAP
finanziert wurde. Diese Zentraldienststelle T4 unterstand Dietrich Allers.
Für die Auswahl der Opfer waren 40 „Gutachter“ berufen worden, die anhand einer
Patientenbeschreibung auf Meldebögen über deren Schicksal entscheiden sollten. Diese
Beurteilungen wurden -vergleichbar der Fälle der so genannten Kinder-Euthanasie- nur anhand der
Aktenlage gefällt.
In einer Besprechung am 9. Oktober 1939 wurde die Zahl der infrage kommenden Patienten mit etwa
70.000 bestimmt. Dabei wurde das Ziel verfolgt, unheilbare Erbkrankheiten auszurotten und
gleichzeitig die Kosten für die Anstaltspflege zu senken.
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Mit Runderlass vom 9. Oktober 1939 der von Leonardo Conti geleiteten Abteilung IV des
Reichsministeriums des Innern wurden die in Frage kommenden Heil- und Pflegeanstalten zur
Benennung bestimmter Patienten mittels Meldebögen aufgefordert, auf denen detaillierte Angaben
zu Krankheit und Arbeitsfähigkeit zu machen waren. In einem beiliegenden Merkblatt waren folgende
Kriterien angegeben:




Schizophrenie, Epilepsie, Encephalitis, Schwachsinn, Paralyse, Chorea Huntington, Menschen
mit seniler Demenz oder anderen neurologischen Endzuständen, wenn sie nicht oder nur noch
mit mechanischen Arbeiten beschäftigt werden konnten.
Menschen, die schon länger als fünf Jahre in der Anstalt waren.
Kriminelle „Geisteskranke“.
Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen oder nicht „deutschen oder
artverwandten Blutes“ waren.
Die an den zuständigen Referenten Herbert Linden im Reichsministerium des Innern zurückgegebenen
Meldebögen wurden an die T4-Zentrale weitergeleitet. Dort wurde nach Anlegen einer Karteikarte von
jedem Meldebogen Kopien gefertigt und an drei Gutachter gesandt. Die Gutachter trugen ihre
Entscheidung in einem schwarz umrandeten Kasten auf die Meldebogenkopie mit einem roten „+“ für
„Töten“ und einem blauen „–“ für „Weiterleben“ ein. Konnte sich ein Gutachter nicht entscheiden,
versah er den Meldebogen mit einem „?“ und gegebenenfalls einer Bemerkung. Eine wichtige Rolle
bei der Beurteilung spielte die Frage, ob der Patient als arbeitsfähig und heilbar bewertet wurde.
Die T4-Organisatoren Viktor Brack und Werner Heyde ordneten an, dass die Tötung der Kranken
ausschließlich durch das ärztliche Personal erfolgen durfte, da sich das Ermächtigungsschreiben Hitlers
vom 1. September 1939 nur auf Ärzte bezog. In den einzelnen NS-Tötungsanstalten waren folgende
Ärzte tätig, wobei die nachfolgende Anzahl von Menschen getötet wurde:
T4-Tötungsanstalt Grafeneck:
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von Januar 1940 bis Dezember 1940 getötete Menschen: 9.839
Tötungsärzte: Horst Schumann, Ernst Baumhard, Günther Hennecke
T4-Tötungsanstalt Brandenburg:
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von Februar 1940 bis November 1940 getötete Menschen: 9.722
Tötungsärzte: Irmfried Eberl, Aquilin Ulrich, Heinrich Bunke
T4-Tötungsanstalt Hartheim:
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von April 1940 bis August 1941 getötete Menschen: 18.269
Tötungsärzte: Rudolf Lonauer, Georg Renno
T4-Tötungsanstalt Bernburg:
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von November 1940 bis August 1941 getötete Menschen: 8.601
Tötungsärzte: Irmfried Eberl, Aquilin Ulrich, Heinrich Bunke
T4-Tötungsanstalt Sonnenstein:
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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von Juni 1940 bis August 1941 getötete Menschen: 13.720
Tötungsärzte: Horst Schumann, Curt Schmalenbach, Klaus Endruweit, Kurt Borm
T4-Tötungsanstalt Hadamar:
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von Januar 1941 bis August 1941 getötete Menschen: 10.072
Tötungsärzte: Ernst Baumhard, Friedrich Berner, Curt Schmalenbach, Adolf Wahlmann
Die in den ursprünglichen Anstalten und Heimen erfassten und von den Gutachtern für die Euthanasie
vorgesehenen Personen wurden in Zwischenanstalten transportiert. Im Regelfall wurden die
Bustransporte zentral organisiert, nur in Ausnahmefällen wurde auf öffentliche Verkehrsmittel
zurückgegriffen. Den Ursprungsanstalten wurden dabei genaue Vorgaben gemacht, was den Patienten
als Vorbereitung zur Bereicherung mitzugeben sei. Als Zwischenstation in der Euthanasiekette dienten
jeweils zwei bis vier Anstalten im weiteren Umfeld der Tötungsanstalten, zumeist staatliche
Psychiatrien.
Diese Zwischenanstalten dienten einerseits dem Zweck der Verschleierung des Endpunktes:
Begleitpersonen durften den Patienten nur bis dort folgen. Andererseits dienten sie als
Zwischenstation, damit die Tötungsanstalten nicht überfüllt wurden. In der Aufnahmebaracke der
Tötungsanstalt wurden die eingelieferten Menschen entkleidet, gemessen, gewogen, fotografiert und
dann den Ärzten vorgeführt. Dabei wurden die Personendaten überprüft und auffallende Kennzeichen
wie Operationsnarben vermerkt, die für die Erstellung einer angeblichen Todesursache von Bedeutung
sein konnten.
Zur Täuschung der Opfer waren die Gaskammern mit Brauseköpfen ausgestattet. Meist wurden 30
und mehr Menschen zugleich vergast. Die Tötung erfolgte durch Kohlenmonoxidgas, das der
Anstaltsarzt einströmen ließ. Die Zufuhr des Gases betrug in der Regel etwa 20 Minuten; sie wurde
eingestellt, wenn sich im Vergasungsraum keine Bewegung mehr feststellen ließ. Die Leichen wurden
im Regelfall in den anstaltseigenen Krematorien verbrannt; Goldkronen wurden vorher
herausgebrochen. Das so gewonnene Rohmaterial wurde über die Zentraldienststelle T4 an die
Degussa geliefert und zu Feingold verarbeitet.
Als einziger deutscher Richter prangerte Lothar Kreyssig aus Brandenburg an der Havel die
Euthanasiemorde an. Als Vormundschaftsrichter hatte er bemerkt, dass sich nach einer Verlegung
Nachrichten über den Tod seiner behinderten Mündel häuften. Im Juli 1940 meldete er seinen
Verdacht, dass die Kranken massenhaft ermordet würden, dem Reichsjustizminister Franz Gürtner.
Nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass die Mord-Aktion in Verantwortung der Kanzlei des Führers
ausgeführt werde, erstattete Kreyssig gegen Reichsleiter Philipp Bouhler Anzeige wegen Mordes. Den
Anstalten, in denen Mündel von ihm untergebracht waren, untersagte er strikt, diese ohne seine
Zustimmung zu verlegen. Kreyssig, der damit gerechnet hatte, sofort verhaftet zu werden, wurde
lediglich in den Ruhestand versetzt.
Unter dem Datum 31. Januar 1941 notierte Joseph Goebbels in seinem Tagebuch: „Mit Bouhler Frage
der stillschweigenden Liquidierung von Geisteskranken besprochen. 40000 sind weg, 60000 müssen
noch weg. Das ist eine harte, aber auch notwendige Arbeit. Und sie muss jetzt getan werden. Bouhler
ist der rechte Mann dazu.“ Das hier genannte Planungsziel von 100.000 Opfern wurde nach der oben
genannten Hartheimer Statistik nicht verwirklicht und der Tagebucheintrag wird als Beweis dafür
angeführt, dass die Aktion T4 vorzeitig abgebrochen wurde.
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Am 24. August 1941 gab Hitler seinem Begleitarzt Brandt und Reichsleiter Bouhler die mündliche
Weisung, die „Aktion T4“ zu beenden und die „Erwachseneneuthanasie“ in den sechs Tötungsanstalten
einzustellen. Die sogenannte „Kinder-Euthanasie“ wurde jedoch fortgesetzt, ebenso die dezentrale
Tötung behinderter Erwachsener in einzelnen „Heil- und Pflegeanstalten“ durch Nahrungsentzug
sowie Verabreichung von Luminal oder Morphium-Scopolamin. Außerdem wurde in den drei
Tötungsanstalten Bernburg, Sonnenstein und Hartheim die als „Aktion 14f13“ bezeichnete Tötung von
kranken beziehungsweise nicht mehr arbeitsfähigen KZ-Häftlingen weiter durchgeführt.
Aufarbeitung nach 1945:
Vergegenwärtigen wir uns an dieser Stelle einmal an zwei Beispielen, was mit gewichtigen
Persönlichkeiten der Aktion T4 nach 1945 geschah und wir werden uns mal wieder wundern, was
(nicht) geschah.
Dietrich Allers (1910 – 1975):
Funktion: Jurist, Geschäftsführer der Zentraldienststelle T4 und somit leitend an der Organisation des
systematischen Mordens an Behinderten beteiligt
Nachkriegszeit: 1948 von der US-Armee festgenommen und der deutschen Justiz übergeben, diese
entließ ihn im September 1949 aus der Untersuchungshaft, im Oktober 1949 entnazifiziert. Das
Landgericht Frankfurt/Main verurteilte Dietrich Allers wegen seiner Beteiligung an der T4-Aktion am
20. Dezember 1968 wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 34.549 Fällen zu acht Jahren Zuchthaus
Allers mussten jedoch die Haft nicht antreten, da ihm bereits die Untersuchungshaft und andere
Haftzeiten angerechnet wurden und die Strafen damit als verbüßt galt.
Kurt Borm (1909 – 2001):
Funktion: Arzt in der NS-Tötungsanstalt Sonnenstein sowie als Mitarbeiter in der Zentraldienststelle T4
Nachkriegszeit: Obwohl Borm´s Vergangenheit bekannt war, kam es erst im Dezember 1971 zum
Prozess gegen ihn. Am 6. Juni 1972 sprach ihn das Gericht frei. Borm habe zwar objektiv Beihilfe zur
Tötung von mindestens 6652 Geisteskranken geleistet, jedoch könne ihm nicht nachgewiesen werden,
dass er schuldhaft gehandelt habe, da ihm „unwiderlegbar das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit“
seines Tuns gefehlt habe. Das „Unerlaubte“ seiner Handlung sei für ihn nicht erkennbar gewesen,
denn:
„In den entscheidenden Jahren seines Heranwachsens, der Bildung von Wertvorstellungen und
Umweltbegreifung hat er kaum etwas anderes vernommen, als die Verherrlichung
nationalsozialistischen Gedankengutes. Er ist aufgewachsen in einem Beamtenhaushalt mit der dort
erfahrungsgemäß in der Regel vorhandenen staatstreuen Gesinnung und dem unbedingten Glauben
an die Gesetzmäßigkeit hoheitlichen Gebarens“. Das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof am 20. März
1974 bestätigt.
Damit wurde gerichtlich gebilligt, was Borm zu den Tatvorwürfen im Verfahren äußerte:
„Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich im Hinblick auf die gegen mich erhobenen
Beschuldigungen strafrechtlich frei von jeder Verantwortung fühle. Ich bin aufgrund der mir erteilten
Belehrungen der Auffassung gewesen, ‚was Du tust, ist richtig’. Ich kam zu dieser Überzeugung, weil
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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man mir gesagt hatte, es läge ein Gesetz vor, was allerdings aufgrund einer Führerentschließung noch
nicht veröffentlicht war. […] Hinzu kommt, dass ich die Gutachten über die zu euthanisierenden
Kranken mit der größten Hochachtung betrachtete. Ich ging davon aus, dass diese mit der gleichen
Präzision wie im Verfolg des Erbgesundheitsgesetzes erstattet wurden. […] Bei alledem darf nicht
übersehen werden, dass ich damals mit Jahrgang 09 verhältnismäßig jung war. Prof. Dr. Nitsche war
für mich eine Autorität. Er erzählte mir, dass sich fast alle Ordinarien der Euthanasie-Aktion
verschrieben hätten“.
In absolutem Gegensatz hierzu steht die Urteilsbegründung im ersten Ärzteprozess vor dem
Landgericht Frankfurt am Main vom 23. Mai 1967:
„Die im Rahmen der Aktion ‚T4‘ durchgeführten Massentötungen […] erfüllen den Tatbestand des
Mordes im Sinne des § 211 StGB in der zur Tatzeit geltenden und in der heute gültigen Fassung. Jedes
menschliche Leben, auch das der Geisteskranken, genießt bis zu seinem Erlöschen den Schutz des §
211 StGB […] kein Kulturvolk [hat] jemals eine derartige Aktion durchgeführt.“
Von 438 „Euthanasie“-Strafverfahren, die bis 1999 eingeleitet wurden, endeten nur 6,8% mit
rechtskräftigen Urteilen, darunter zahlreiche Freisprüche. Es gibt Momente, da fehlen einem die
Worte. Dies ist zweifelsfrei einer dieser Momente.
Literatur:
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Udo Benzenhöfer: Der gute Tod? Geschichte der Euthanasie und Sterbehilfe. 2. Auflage.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-30162-3
Udo Benzenhöfer: „Das Recht auf den Tod“. Bemerkungen zu einer Schrift von Adolf Jost aus
dem Jahre 1895. In: Recht & Psychiatrie 16 (1998), S. 198–201.
Hans-Walter Schmuhl: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung
zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ 1890–1945. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen 1992, ISBN 3-525-35737-0
Markus Zimmermann-Acklin: Euthanasie. Eine theologisch-ethische Untersuchung. 2. Auflage.
Universitäts-Verlag, Freiburg (Schweiz) 2002, ISBN 3-7278-1148-X; Herder, Freiburg (Breisgau)
und Wien 2002, ISBN 3-451-26554-0.
Karl Binding & Alfred Hoche: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß
und ihre Form. Meiner, Leipzig 1920; Reprint, Hg. Wolfgang Naucke: Die Freigabe der
Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form (1920). BWV Berliner
Wissenschaftsverlag, Berlin 2006 ISBN 3-8305-1169-8
Walter Müller-Seidel: Alfred Erich Hoche – Lebensgeschichte im Spannungsfeld von Psychiatrie,
Strafrecht und Literatur, Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München
1999, ISBN 3-7696-1607-3
Lutz Kaelber, Raimond Reiter (Hrsg.): Kinder und „Kinderfachabteilungen“ im
Nationalsozialismus. Gedenken und Forschung. Lang, Frankfurt 2011, ISBN 978-3-631-61828-8
Andreas Kinast: „Das Kind ist nicht abrichtfähig.“ Euthanasie in der Kinderfachabteilung
Waldniel 1941–1943. Reihe: Rheinprovinz, 18. SH-Verlag, Köln 2010, ISBN 3-89498-259-4
Ernst Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat. 11. Auflage, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main
2004, ISBN 3-596-24326-2
Angelika Ebbinghaus, Klaus Dörner (Hrsg.): Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzteprozeß
und seine Folgen. Berlin 2002, ISBN 3-7466-8095-6
Urteil des Landgerichtes Frankfurt am Main vom 6. Juni 1972 Ks 1/66
Wagma Hayatie: Von der NS-„Euthanasie“ zum Facharzt in Uetersen: der Mediziner Dr. Kurt
Borm. In: Sönke Zankel (Hrsg.): Uetersen und die Nationalsozialisten: Neue
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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Forschungsergebnisse von Schülern des Ludwig-Meyn-Gymnasiums. Schmidt & Klaunig, Kiel
2010, ISBN 978-3-88312-417-9
Internetquellen:
http://journals.zpid.de/index.php/GdP/article/view/362/397
http://www.tolmein.de/bioethik,euthanasie,50,ermordung-behinderter-menschen.html
https://www.kontextwochenzeitung.de/fileadmin/user_upload/2013/4/03042013/Buch_Im_Gedenk
en_der_Kinder.pdf
http://www.zeit.de/2006/42/Dresdener-Hygiene-Museum
http://www.zeit.de/1986/11/euthanasie/komplettansicht
Stefan Loubichi: Kölner Lesebuch gegen das Vergessen der NS Verbrechen
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