Hausarzt Medizin EINE REISE DURCH DEN MAGEN-DARM-TRAKT Das Spektrum gastroenterologischer Erkrankungen, mit dem der Hausarzt alltäglich konfrontiert wird, ist breit. Es reicht von harmlosen funktionellen Störungen wie Reizmagen und -darm über entzündliche Erkrankungen bis hin zu malignen Tumoren. Im Rahmen der XVI. Gastroenterologie-Seminarwoche ­Titisee (27.2. – 2.3.2016) wurde ein umfassender Überblick über die wichtigsten Fortschritte bei Erkrankungen des ­Magen-Darm-Traktes geboten. Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg Unter Dyspepsie versteht man einem dem Magen zugeordneten ­Symptomenkomplex mit chronischen oder ­rezidivierenden epigastrischen oder ­supraumbilikal lokalisierten Schmerzen, Druck- oder Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Aufstoßen und/oder Sodbrennen. Unter solchen Beschwerden leiden 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung. Nur bei jedem Zweiten findet sich eine organische Ursache, bei den anderen spricht man von einer funktionellen Dyspepsie. Das Ausmaß und die Invasivität der ­Diagnostik sollten sich an den Begleitumständen wie Alter, Risikofaktoren und Alarmsymptomen orientieren. Bei jüngeren Patienten ohne Risikofaktoren und Alarmsymptomen muss nicht immer sofort eine Gastroskopie durchgeführt werden. Durchaus gerechtfertigt in solchen Situationen ist ein zeitlich begrenzter Therapieversuch. Gerade bei äl54 teren Patienten schließt das Fehlen von Alarmsymptomen aber eine schwere organische Erkrankung nicht aus. Neben der Gastroskopie sollte immer ein Basislabor bestimmt und eine Oberbauchsonografie durchgeführt werden. Zur Basistherapie der funktionellen Dyspepsie gehören die Berücksichtigung aggravierender oder lindernder exogener Faktoren, genauer gesagt der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Die Wahl der medikamentösen Therapie sollte sich an der dominierenden Symptomatik orientieren. Sinnvoll sind Phytotherapeutika, PPI bei Sodbrennen und Prokinetika. Von einer H.p.-Eradikation profitieren nur etwa 10 Prozent der Patienten mit einer funktionellen Dyspepsie. Auch für Psychopharmaka gibt es keine überzeugenden Daten. Akupunktur und psychotherapeutische Verfahren scheinen dagegen wirksam zu sein. Der Hausarzt 07/2016 Fotos: Eraxion - iStockphoto, Petra Beerhalter - Fotolia Funktionelle Dyspepsie: Wieviel Diagnostik ist sinnvoll? Hausarzt Medizin NASH: (noch) keine ­medikamentöse Therapie Die nicht-alkoholische Fettleber ist die häufigste Lebererkrankung unserer Zeit. Sie verläuft meist blande, aber in fünf bis zehn Prozent entwickelt sich eine Fettleberhepatitis, die zu einer Zirrhose und sogar zu einem Leberzellkarzinom führen kann. Dabei handelt es sich um die hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms. Deshalb ist NASH in der Regel mit Adipositas, Hyperlipidämie und einem gestörten Kohlenhydratstoffwechsel assoziiert. Pathogenetisch dürften die Insulinresistenz und ein oxidativer Stress die zentrale Rolle spielen. Bisher gibt es keine zugelassene medikamentöse Therapie mit einem nachgewiesenen positiven Langzeiteffekt auf die prognostisch relevante Fibroseentwicklung. Auch für Metformin und Pioglitazon konnte ein solcher Wirknachweis nicht erbracht werden. Im Mittelpunkt der therapeutischen Bemühungen sollten Lifestyle-Änderungen insbesondere die Gewichtsreduktion stehen. Stadienadaptierte Hämorrhoiden-Therapie 70 Prozent aller Erwachsenen leiden in ihrem Leben irgendwann einmal an Hämorrhoiden. Doch nicht alles, was juckt, brennt, schmiert oder blutet sind Hämorrhoiden. Deshalb muss bei einer Hämatochezie zunächst immer endoskopisch ein Karzinom ausgeschlossen werden. Die Behandlung erfolgt stadienadaptiert: ▪▪ Grad I: nur im Proktoskop erkennbare Vergrößerung: Sklerotherapie ▪▪ Grad II: Prolaps bei Defäkation mit spontaner Retraktion: Gummibandligatur ▪▪ Grad III: Spontanprolaps, manuell reponibel: Segmentresektion ▪▪ Grad IV: fixierter Prolaps, irreponibel: Plastische Rekonstruktion 56 NOTIZEN Bolusimpaktierung: Was steckt dahinter? Dysphagie für geformte Speisen, wiederholte Bolusimpaktierungen, therapierefraktäre Retrosternalschmerzen. Dies sind die Leitsymptome einer eosinophilen Ösophagitis, an die Sie vorwiegend bei jüngeren Patienten denken sollten. Es handelt sich um eine chronische, immunvermittelte, entzündliche Erkrankung des Ösophagus, wobei als auslösende Antigene Lebensmittelbestandteile in Frage kommen dürften. Endoskopisch findet sich eine Pseudotrachealisierung und Längsfurchung der Schleimhaut, außerdem zeigt sie eine erhöhte Vulnerabilität. Die Diagnose wird gesichert durch Biopsien, die eine eosinophile Entzündung zeigen. Therapie der Wahl sind hochdosierte PPI in Kombination mit topischen Steroiden, in schweren Fällen kann auch eine systemische Steroidtherapie notwendig sein. Dabei geht es darum, Langzeitfolgen wie Strikturen oder Narbenbildungen zu verhindern. Aber auch eine Eliminationsdiät nach entsprechender NahrungsallergenTestung ist wirksam. Zöliakie: Ein Chamäleon Die Manifestation einer Zöliakie erfordert die Kombination von äußeren Faktoren, nämlich Gluten, und genetischen Faktoren. Das klinische Bild kann stark variieren. So gibt es einerseits asymptomatische Verläufe, andererseits aber auch ein weites Spektrum von klassischen intestinalen Symptomen wie Diarrhö, Steatorrhö und Maldigestion. Daneben treten atypische Formen auf. Dazu gehören neurologische Erkrankungen mit Depression und Ataxie, gynäkologische Störungen bzgl. Menarche und Me- nopause und Hauterkrankungen wie die Dermatitis herpetiformis Duhring. Dazu kommen oligooder monosymptomatische Verlaufsformen, d.h. die Erkrankung manifestiert sich nur als Eisenmangelanämie oder Osteoporose oder Leberwerterhöhung. Eine lebenslange glutenfreie Ernährung ist bisher die einzige sinnvolle Therapie. In der klinischen Erprobung sind das topische Steroid Budesonid und Antikörper. Diarrhöabklärung in der Praxis Diarrhöen, die nicht länger als drei bis vier Wochen anhalten, werden als akute Diarrhöen bezeichnet. Sie sind fast immer infektiös bedingt und erfordern nur in Risikosituationen eine weitere Abklärung mittels Erregerdiagnostik. Bei Patienten mit einer chronischen Diarrhö ist immer eine weitere Diagnostik erforderlich. Es findet sich aber nur in 40 Prozent eine organische Ursache, in 10 Prozent eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Eine genaue Medikamenten- bzw. Reiseanamnese kann manchmal schnell zur Klärung führen. Nach Fernreisen ist eine chronische Lamblieninfektion die häufigste Ursache. Sind diese Ursachen ausgeschlossen, sollte eine Koloskopie erfolgen. Diese führt bei 20 Prozent der Patienten zur richtigen Diagnose. Dabei sollte immer das terminale Ileum eingesehen werden, um einen M. Crohn nicht zu übersehen. Bei einem makroskopisch unauffälligen Befund sollten auch immer Biopsien entnommen werden. Ergibt sich endoskopisch keine Ursache, so muss jetzt mittels Funktionstests nach Ursachen einer Maldigestion z.B. einer chronischen Pankreatitis oder einer Laktoseintoleranz gefahndet werden. Der Hausarzt 07/2016