Kostverweigerer mit Anspruch

Werbung
34 Slow Food
04_2013
Gesellschaft
Kostverweigerer
mit Anspruch
Ernährung ist mehr als eine bloße Aufnahme von Energie
und Nährstoffen. Sie ist auch ein sozialer und
kommunikativer Akt. Und bisweilen ein politischer.
Vegetarier und vor allem Veganer haben sich entschieden,
durch Verzicht auf Fleisch und häufig andere Produkte
tierischer Herkunft einen Beitrag für eine nachhaltigere
Land- und Ernährungswirtschaft zu leisten.
Motiviert werden sie durch die ethischen Abgründe der
Massentierhaltung, die Umwelt- und Klimafolgen der
Fleischproduktion sowie gesundheitliche Gründe.
Von Torsten Mertz.
Vegetarier und vor allem Veganer werden
nach wie vor häufig als Genussfeinde verlacht und als Zielgruppe vernachlässigt.
Bisweilen begegnet man ihnen auch mit
offener Ablehnung. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich so konsequent für eine
nachhaltigere Ernährung entscheiden
und somit von der Norm abwenden. Dabei repräsentieren sie längst eine wachsende gesellschaftliche Bewegung, der
sich vor allem viele Jüngere anschließen.
Weiblich, jung, gebildet
Nach jedem neuen Fleischskandal
steigt die Zahl der Vegetarier – wenngleich
häufig auch nur vorübergehend. Der Deut­
sche Vegetarierbund (Vebu) geht aktuell
(Oktober 2012) recht großzügig von rund
sieben Millionen vegetarisch lebenden
Menschen – rund acht bis neun Prozent
der Bevölkerung – und etwa 700 000 Ve­
ganern in Deutschland aus. Das Bundes­
institut für Ernährung und Lebensmittel
zählte in seiner Nationalen Verzehrstudie
2008 hingegen nur 1,6 Prozent. Die Reali­
tät wird irgendwo dazwischen liegen. Hin­
zu kommen die Menschen, die nur sehr
Pythagoras advocating vegetarianism 1618 –
30, Sir Peter Paul Rubens and Frans Snyders,
Acquired by Queen Victoria, Royal Collection.
selten und bewusst Fleischprodukte ver­
zehren, und sich neuerdings zur Gruppe
der „Flexitarier“ zählen dürfen.
Klarer als ihre Anzahl scheint die so­
ziologische Typologie der Vegetarier zu
sein. Dabei sollte man eher von Vegeta­
rierinnen sprechen, denn der typische
Fleischverächter ist weiblich, zudem jung,
überdurchschnittlich gebildet und Groß­
städter. Das unterschiedliche Essverhal­
ten der Geschlechter ist dabei mehr als ein
Klischee: Nach wie vor ist die Zahl der Ve­
getarierinnen und Veganerinnen mehrfach
so hoch wie die der Vegetarier und Vega­
ner. Vor einigen Monaten hat der US-ame­
rikanische Sozialpsychologe Hank Roth­
gerber dazu etwas Empirie betrieben: Je
mehr sich seine männlichen Testpersonen
selbst als Machos verstanden, desto
wahrscheinlicher war es, dass sie reich­
lich Fleisch konsumierten, den Fleischkon­
sum geradezu zelebrierten – am Grill wie
im teuren Restaurant – und ihn mit den Er­
nährungsweisen unserer Vorfahren recht­
fertigten. Rotes Fleisch sei ihrer Ansicht
nach zudem für die Gesundheit und für
einen männlichen Körper unbedingt erfor­
derlich. „Fleisch zu essen, gehört zur sozial
konstruierten Männlichkeit“, formuliert
es auch die Philosophin und Tierethikerin
Friederike Schmitz: „Männer, die sich dem
verweigern, werden als unmännlich wahrgenommen.“
Slow Veggie?
Und wie viel veggie steckt in Slow
Food? Für Vorstandsvorsitzende Ursula
Hudson ist das erst einmal gar keine Fra­
ge: „Bei Slow Food sind Sie als Vegetarierin genauso gut aufgehoben wie als
Fleischesser. Egal, ob man sich zum Beispiel mit Soja in allen Varianten ernährt
oder Fleisch isst, die wichtigen Fragen sind
dabei immer die gleichen: Unter welchen
ökologischen und sozialen Bedingungen
und in welcher handwerklichen Qualität
wird produziert und welche Auswirkungen
hat das lokal und global?“
Slow Food Gründer Carlo Petrini macht
deutlich, dass es ihm vor allem darum geht,
die katastrophalen Bedingungen in der
Tierhaltung abzuschaffen. Vegetarier zu
werden, sei eine nachvollziehbare Möglich­
keit, schrieb er in einem Beitrag der Zeitung
„La Repubblica“ vom 14. März 2012. Aller­
dings sei diese Entscheidung auf der indi­
viduellen Ebene nicht ausreichend, um ge­
gen bestimmte vorherrschende Zustände
vorzugehen. Dennoch betonte er in einem
Interview in der „Frankfurter Allgemei­
ne“, dass er sehr dafür sei, „den Fleischkonsum stark einzuschränken. Ich sage
nicht, dass wir alle Vegetarier sein sollten,
aber weniger Fleisch als allgemein üblich,
das auf alle Fälle.“ Entsprechend dieser
Grundeinstellung hat Slow Food Internatio­
nal gemeinsam mit den NGOs Action­Aid
und Compassion in World Farming 2013
eine Broschüre mit dem Titel „Too Much
at Steak“ herausgebracht – ein Wortspiel
in Anlehnung an die englische Redewen­
dung „too much at stake“, was so viel wie
„es steht zu viel auf dem Spiel“ bedeutet.
Die Broschüre zeigt sehr anschaulich die
Folgen des ungebremsten Fleischkonsums
für die Gesellschaft, die Landwirtschaft,
die Umwelt und das Klima auf.
Und wie sieht es in Deutschland aus?
Hierzulande wirkt Slow Food noch ausge­
sprochen fleisch- und wurstlastig: Es gibt
nur sehr wenige Anknüpfungspunkte für
Vegetarier, sich für Slow Food zu interes­
sieren oder zu engagieren. Lediglich eine
einzige vegetarische Slow Food Initiative
gibt es bisher in Deutschland: Slow Veg­
gie, eine Gruppe des Berliner Conviviums.
Aber auch diese tritt noch kaum in Erschei­
nung: Bislang gibt es lediglich eine Face­
book-Gruppe mit noch weniger als 100
Mitgliedern – und hin und wieder einen
Naschmarkt, zu dem gezielt auch zahl­
reiche vegane Anbieter eingeladen wer­
den. Weitere Aktionen – auch in Zusam­
menarbeit mit dem Vebu – sind geplant.
Slow Food Deutschland hänge der ge­
sellschaftlichen Entwicklung hier deutlich
hinterher, findet Udo Tremmel, der sich
im Slow Food Convivium Berlin um die Öf­
fentlichkeitsarbeit kümmert. Damit werde
ein großes Potenzial für weitere Mitglie­
der oder eine Zusammenarbeit mit vege­
tarischen oder veganen Organisationen
verschenkt. „Das ist schade“ sagt Trem­
mel, „denn viele der politischen Ziele –
vor allem was die Landwirtschaft angeht –
stimmen durchaus überein“.
Vegetariertypen
Ovo-Lakto-Vegetarier sind die häufig­s­
ten Vertreter unter den Vegetariern: Sie
verzichten auf Fleisch und Fisch,
essen aber Milchprodukte und Eier.
Ovo-Vegetarier verzichten – häufig aus
gesundheitlichen Gründen, etwa wegen
einer Laktose-Unverträglichkeit –
neben Fisch und Fleisch auch auf Milch­
produkte, essen aber Eier.
Lakto-Vegetarier ernähren sich eben­
falls nicht rein pflanzlich. Sie verzichten
neben Fleisch und Fisch zwar auch auf
Eier, verzehren aber Milchprodukte.
Flexitarier schränken ihren Fleisch­
konsum stark ein, lassen sich zu
besonderen Gelegenheit aber auch
mal ein Stück Fleisch oder eine Wurst
schmecken.
Veganer lehnen die Nutzung von Tieren
komplett ab. Sie verzichten daher nicht
nur auf alle Lebensmittel vom Tier –
vor allem auf Eier und Milch, aber auch
auf Honig; sie meiden auch Leder­
produkte, Wolle oder mit Gelatine
geklärte Getränke.
Frutarier sind sicherlich die dogma­
tischsten Esser und werden daher
gerne herangezogen, um sich über die
gesamte vegetarische Bewegung lustig
zu machen. Sie wollen der Natur keinen
Schaden zufügen und essen daher nur
Pflanzen, die für die Ernte nicht verletzt
oder getötet werden müssen. Daher
beschränkt sich der Speiseplan vorwie­
gend auf Fallobst, Samen und Nüsse.
Die Motivation, Vegetarier zu sein
Das bringt uns zurück zu der Frage,
was eigentlich die Motivation für einen
fleischlosen Ernährungsstil ist. In der be­
reits oben zitierten Studie der Universität
Jena führten sowohl Frauen als auch Män­
ner vor allem moralische Argumente dafür
an, sich vegetarisch zu ernähren. Nur für
etwa 20 Prozent der Befragten spielten
gesundheitliche und für etwa elf Prozent
emotionale Gründe die größte Rolle.
Die moralischen Gründe dürften ne­
ben tierethischen vor allem ökologische
und soziale Argumente beinhalten, denn
während es auf manch schenkelklopfend-
35
36 Slow Food
04_2013
humorvoll bedrucktem T-Shirt „Vegetarier
essen meinem Essen das Essen weg“
heißt, ist es in der Realität freilich genau
andersherum: An die Masttiere wird jede
Menge Getreide oder Soja verfüttert, da­
mit sie Fleisch auf die Rippchen bekom­
men. Da nur ein Teil der Körner- und Le­
guminosenkalorien in Muskeln und Fett
umgesetzt wird, geht bei dieser „Vered­
lung“ jede Menge Energie verloren. Man
kann die armen Geschöpfe noch so eng
einpferchen, damit sie sich nicht bewegen
können und auf diese Weise wenig Ener­
gie verbrauchen. Um eine Kalorie Rind­
fleisch zu erzeugen, muss das Tier – je
nach Produktions- und Berechnungsform
– zwischen sechs und 17 pflanzliche Kalo­
rien zu sich nehmen; für eine Kalorie Ge­
flügelfleisch werden vier Körnerkalorien
benötigt. Das Schwein suhlt sich irgendwo
zwischen diesen Werten. Warum uns das
interessieren sollte? Weil dort, wo Tierfut­
ter angebaut wird, kein Platz mehr ist für
Wälder und natürliche Grasländer oder
für den Anbau von Nahrungsmitteln, die
hungrige Menschen auch direkt satt ma­
chen könnten.
Aus dieser Erkenntnis heraus lässt
sich fast direkt der Klimaschutzaspekt
ableiten: Je mehr Futter verbraucht wird,
desto höher steigt der Energieverbrauch
für Dünger, Pflanzenschutzmittel und Ma­
schinen – und desto größer werden die
Flächen gerodeter Wälder und zerstörten
natürlichen Grünlands. Dabei entstehen
riesige Mengen Kohlendioxid (CO2), Lach­
gas und – bei den Rindern als pupsende
und rülpsende Wiederkäuer – Methan. Al­
lesamt Treibhausgase.
Aber Vorsicht: Rinder pauschal als Kli­
makiller hinzustellen, geht häufig an der
Realität vorbei, denn naturnahe WeideTierhaltungsformen auf Grünland sorgen
dafür, dass CO2 im Humus des Bodens
gespeichert wird. Wiederkäuer auf der
Weide sind keine Nahrungsmittelkonkur­
renten für die Menschen, wenn sie Gräser
und Kräuter verzehren, die der Mensch
nicht verdauen kann, und damit Milch und
Fleisch erzeugen. „Nicht die Kuh ist der
Gau“, formuliert es die bekannte Land­
wirtschaftsspezialistin Anita Idel, „sondern landwirtschaftliche Systeme, die unsere Nutztiere vom Grasland aussperren
und mit immer eiweißreicherem Kraftfutter
aus Mais, Soja und Getreide zu Nahrungskonkurrenten des Menschen machen.“
Ambivalent bleibt die Rolle der Viehzucht
auch in Sachen Biodiversität: Während
Ackerflächen für Soja, Mais und anderes
auf ehemaligen Wald- oder Moorflächen
die Artenvielfalt stark belasten, sorgt die
Weidehaltung in Mitteleuropa zum Bei­
spiel dafür, dass unser Landschaftsbild
und die zahlreichen Tier- und Pflanzen­
arten der Agrarlandschaft erhalten blei­
ben. An den Haaren herbeigezogen ist
allerdings das Argument mancher Fleisch­
esser, wenn alle Menschen Vegetarier wä­
ren, dann würde für das benötigte Soja
als Eiweißlieferant noch mehr Regenwald
fallen. Laut der FAO, der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Verein­
ten Nationen, dienen rund drei Viertel des
weltweiten Ackerlands in irgendeiner Wei­
se der Tierfütterung.
Wenngleich der ökologische Aspekt
also durchaus auch differenziert betrach­
tet werden kann, besteht weitestgehend
Einigkeit, dass der heutige Fleischkonsum
deutschland- und weltweit viel zu hoch ist.
Jeder Deutsche isst pro Jahr statistisch ge­
sehen rund 60 Kilogramm Fleisch – dop­
pelt so viel wie die Deutsche Gesellschaft
für Ernährung (DGE) als Obergrenze emp­
fiehlt. Über sein Leben gerechnet ver­
braucht er im Durchschnitt 1 094 Tiere, da­
runter vier ganze Rinder, vier Schafe, zwölf
Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten
und 945 Hühner, wie der „Fleischatlas
2013“ vorrechnet. Bei Endverbraucher­
preisen von teilweise nur zwei bis fünf
Euro pro Kilogramm Fleisch erübrigt sich
die Frage nach einer tier-, mensch- und
umweltverträglichen Produktionsweise.
Es ist daher ein wichtiger Verdienst der
Vegetarierbewegung, auf die Zusammen­
hänge hinzuweisen und die fleischlose
Küche salonfähig gemacht zu haben: Kei­
ne Kochbuchsparte ist in den letzten Jah­
ren so gewachsen wie die vegetarische
und zunehmend auch die vegane. Kaum
ein Segment im Lebensmittelhandel ex­
pandiert so stark und vielfältig wie das
der vegetarischen Fertiggerichte und der
veganen Fleisch- und Käse-Imitate. Und
auch immer mehr (Spitzen-)Köche wagen
sich an eine hochwertige Gemüseküche,
in der sie die einstige Beilage zum Haupt­
gericht erheben.
Geschichte des Vegetarismus
Dass Ernährungsgewohnheiten kul­
turelle Hintergründe haben, ist Vegeta­
riern wie Fleischessern klar. Historisch
gesehen gibt es allerdings keine klaren
Belege dafür, ob unsere Vorfahren zu
bestimmten Epochen reine Fleischesser
oder Vegetarier waren. Unser Gebiss und
unsere Verdauungsorgane lassen darauf
schließen, dass sie sowohl Fleisch, Fisch
oder andere Tiere wie auch Wurzeln, Obst
und Getreide essen konnten – und es
auch getan haben. Noch heute können
die Menschen als Omnivoren – also Al­
lesfresser – ganz pragmatisch das essen,
was zur Verfügung steht. Die freie Wahl
der Nahrung – oder das Verschmähen
bestimmter Speisen – ist ein eher junges
Phänomen und nur in Gesellschaften rea­
lisierbar, in denen ein entsprechendes
Angebot vorhanden ist.
Dennoch gilt tierische Nahrung aus
anthropologischer Sicht weiterhin als
eine wesentliche Voraussetzung für die
Entstehung des modernen Menschen:
Denn um das in der Entwicklungsge­
schichte immer weiter wachsende Gehirn
zu versorgen, brauchte die Gattung Homo
fett- und proteinreiche Kost; und die war
am einfachsten über Fleisch zu bekom­
men. Gleichwertig war und ist aber auch
eine Kombination aus pflanzlichen Ei­
weißen und Fetten – ob eine rein vegane
Kost auch für die Embryo­nalentwicklung
sowie die Gehirnentwicklung bei Säuglin­
gen und Kleinkindern ausreicht, darf al­
lerdings bezweifelt werden.
Der Vegetarismus war möglicher­
weise erstmals bei den Griechen popu­
lär. Die Gemeinsamkeiten von Tieren und
Menschen, sowie die Nachteile für die ei­
genen philosophischen Bestrebungen,
motivierten die Griechen zu fleischfreier
Ernährung. Als erster großer Vegetarier
gilt heute der Gelehrte Pythagoras, der im
6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung
lebte. Von ihm stammt der Satz: „Alles,
was der Mensch den Tieren antut, kommt
auf den Menschen zurück.“ Antike Den­
ker und Dichter wie Platon und Ovid for­
mulierten den Gedanken, man solle den
Tieren für ein kleines Stückchen Fleisch
nicht ihre Seele nehmen. Im europäischen
Mittelalter ist Fleischverzicht kein Thema.
Auch in Indien ist der Vegetarismus aus
religiösen Gründen erst einige Jahrhun­
derte alt. Erst in der Renaissance rückt die
Leidensfähigkeit des Tieres wieder in den
Fokus. Unter anderem lebte Leonardo da
Vinci vegetarisch.
Der moderne Vegetarismus aber ist
ein recht junges Phänomen: 1847 wurde in
England die „Vegetarian Society“ gegrün­
det – als Ausdruck des Respekts vor dem
eigenen und dem Wohlbefinden der Tiere.
In Deutschland kam es 1867 zur Gründung
der deutschen „Vegetarischen Vereini­
gung“. Allerdings erwuchs daraus keine
größere Bewegung: Insbesondere zu den
Weltkriegen, wo Fehlernährung die Bevöl­
kerung plagte, waren vor allem tierische
Lebensmittel gefragt. Bei der Kriegs- und
Nachkriegsgeneration blieben tierische
Produkte ein Zeichen für Wohlstand. Auch
Politik und Bauernvereinigungen setzten
auf Fleisch- und Milch-Produktion in in­
dustriellen Maßstäben.
Die daraus resultierenden Folgen wur­
den der Gesellschaft seit den 1970er- und
1980er-Jahren bewusst. Umweltauswir­
kungen, Welthunger sowie Krankheiten
infolge von Fleischkonsum gingen in die
Diskussionen ein. Ihren vorläufigen Höhe­
punkt erreichte die vegetarische Bewe­
gung hierzulande nach dem ersten BSEFall in Deutschland im Jahr 2000. Jeder
neue Fleischskandal macht seither wei­
tere Menschen zu Vegetariern – oder eben
Flexitariern. Der Boom der fleischarmen,
fleischlosen oder der rein pflanzlichen Er­
nährung ist letztlich auch eine Gegenbe­
wegung zur Industrialisierung der Land­
wirtschaft. Und da kämpfen Slow Food
und Vegetarier gegen die gleichen uner­
träglichen „Produktionsbedingungen“ für
Fleisch, die große Verschwendung von
Rohstoffen, die Zerstörung der Böden, die
Verschmutzung der Gewässer und nicht
zuletzt die Gefährdung der Menschen
durch den hemmungslosen Einsatz von
Medikamenten in der Tierzucht.
Gesund ohne Fleisch
Zahlreiche Menschen verzichten aus
gesundheitlichen Gründen auf Fleisch
und andere tierische Produkte. Während
die ökologischen und sozialen Probleme
der Fleischproduktion aus globaler Sicht
eher unstrittig sind, herrscht beim Thema
Gesundheit wie so oft ein offener Streit.
Immer wieder werden Studien veröffent­
licht, die Fleisch oder Milch wahlweise als
gesund oder ungesund herausstellen, oder
solche, die die vegane Ernährungsweise
als die gesündeste bezeichnen, während
andere wiederum vor Nährstoffmangel und
Leistungsproblemen warnen.
Zusammenfassend lässt sich aber
schlicht sagen: Gesundheitsgefahren birgt
eine vegetarische und auch eine vega­
ne Ernährung nicht. Viel wahrscheinlicher
ist, dass Vegetarier und Veganer seltener
an Krebs erkranken, weniger unter HerzKreislauf-Erkrankungen oder an Diabetes
leiden, seltener von rheumatischen Leiden
und Autoimmunkrankheiten betroffen sind
und eine höhere Lebenserwartung haben.
Unklar bleibt in einigen Fällen allerdings
die Kausalität: Liegt es am Verzicht auf
Fleisch, oder daran, dass die, die sich be­
wusst ernähren, generell gesünder leben?
Im Allgemeinen wird davon ausgegangen,
dass Vegetarier weniger oder keinen Alko­
hol trinken, nicht rauchen und sich ausge­
wogener ernähren. Ausgewogen bedeu­
tet: viel frisches Obst und dunkelgrünes
Gemüse (für den Eisenbedarf), hochwer­
tige Kohlenhydrate aus Vollkorngetreide
und Kartoffeln, Nüsse für Kalziumversor­
gung und ausreichend Eiweiß aus Hülsen­
früchten, Sojaprodukten oder Seitan.
Dass auch eine vegane Ernährung
nicht gesundheitsschädlich oder leis­
tungsschwächend ist, zeigen unter an­
derem zahlreiche Leistungssportler aus
verschiedenen Disziplinen. Pflanzliches
Eiweiß reicht also für die Ernährung völlig
aus. Einzig Vitamin B12 sollten Veganer
sich über ein Nahrungsergänzungsmit­
tel zuführen. Mehr als für jeden anderen
Menschen auch ist für Veganer allerdings
eine gewisse Ernährungskompetenz hilf­
reich. Mit der vegetarisch-veganen Er­
nährungspyramide des Vebu macht man
übrigens nichts falsch. Informationen
Slow Veggie www.facebook.com/SlowVeggie,
Ansprechpartner: Udo Tremmel, [email protected]
„Too Much at Steak“ Download der Broschüre als
PDF unter www.slowfood.com/sloweurope/
filemanager/guide/SlowFood_TMAS_web.pdf
„Fleischatlas“ der Heinrich Böll Stiftung Download als PDF unter www.boell.de/
downloads/2013-01-Fleischatlas.pdf
Vegetarisch-vegane Ernährungspyramide des Vebu www.vebu.de/pyramide
Lust auf eine geistige Erfrischung?
politische ökologie
Die Zeitschrift für Querdenker und Vordenkerinnen
JET
Z
Prob T
Es gibt Dinge, die sind erfrischend anders.
anfo eabo
Seit 25 Jahren verlässt die politische ökologie
rder
n
ausgetretene Denkpfade, spricht unliebsame
Wahrheiten aus und inspiriert mit unorthodoxen
Lösungsvorschlägen.
Leseproben unter www.oekom.de/
politische-oekologie
Probeabo
Zwei Ausgaben für nur 18,50 Euro statt
33,90 Euro (inkl. Versand innerhalb Deutschlands)
unter [email protected]
37
Herunterladen