18.12.2014 SPRICH MIT MIR! SELEKTIVER MUTISMUS IN DER KINDERTAGESFÖRDERUNG Referentin: Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow Carmen Koop SELEKTIVER MUTISMUS • Was wissen Sie über dieses Störungsbild? • Haben Sie eigene Erfahrungen mit Kindern, die Kommunikation vermeiden? • Kennen Sie Betroffene oder Angehörige? Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 1 18.12.2014 BEGEGNUNGEN IN DER PRAXIS Max, Emi und Sarah Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow BEGEGNUNGEN IN DER PRAXIS • • • • MAX Max ist sehr still und zurückhaltend. Max spricht nicht mit den Erzieherinnen. Max schaut den Erzieherinnen nicht in die Augen. Es konnte noch nicht beobachtet werden, dass Max mit anderen Kindern spricht. • Zu Hause spricht Max nach Aussagen der Mutter normal. • Wenn Max unbeobachtet von Erwachsenen ist, spricht er mit anderen Kindern. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 2 18.12.2014 BEGEGNUNGEN IN DER PRAXIS • Emi spricht im Kindergarten nur mit ihrem Bruder und mit ihrer Freundin. • Gegenüber Erzieherinnen und anderen Kindern übernehmen beide Kinder die Sprache für Emi. • Zu Hause ist Emi sehr kommunikativ und durchsetzungsstark. Emi Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow BEGEGNUNGEN IN DER PRAXIS • Sarah hat nur eine Spielfreundin in der KiTa, mit der sie spricht. Kommt noch ein Kind hinzu, zieht sie sich zurück. • Den Erzieherinnen gegenüber äußert sie auf Nachdruck hin sehr leise nur ein „Guten Tag“ und ein „Tschüss“. • Körperliche Nähe vermeidet sie ebenso wie jeglichen Blickkontakt. • Zu Hause spricht Sarah normal, wenn kein Besuch da ist. Kommt z.B. die Oma zu Besuch, verstummt sie sofort. Sarah Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 3 18.12.2014 BEGEGNUNGEN IN DER PRAXIS Was Max, Emi und Sarah gemeinsam haben: • Sprechen in der Kernfamilie. • Vermeiden von jeglicher Kommunikation mit anderen Erwachsenen und/oder den meisten anderen Kindern. • Kaum vorhandene Mimik und Gestik, erstarrte Körperhaltung bei Ansprache. • Vermeiden von Blickkontakt. • Mutter, Vater oder Tante waren bzw. sind selbst ebenfalls betroffen. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow BEGEGNUNGEN IN DER PRAXIS Was Max, Emi und Sarah unterscheidet: • Max: • zweites Kind einer Erzieherin • Mutter erkennt ohne Kenntnis des Störungsbildes im Kleinkindalter Handlungsbedarf und sucht Hilfe • nach mehreren therapeutischen Fehlversuchen erste adäquate Hilfe mit ca. 23 Jahren • Emi: • Sarah: • Eltern erfahren erstmals von Emis Schweigen, als diese schon das Gymnasium besucht • Emi erhält niemals professionelle Hilfe • fällt in der KiTa auf und kommt in eine Integrativgruppe • durch zu späte Kommunikation mit der Mutter verliert diese das Vertrauen in die Fachkräfte • erste adäquate Hilfe mit neun Jahren Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 4 18.12.2014 WIE WÜRDE ES IHNEN GEHEN? Bitte fühlen Sie einmal in sich hinein. Ein Kind reagiert nun schon seit Wochen oder Monaten nicht auf ihre Bemühungen, mit ihm in Kontakt zu treten. Sie erhalten auf keine Frage eine Antwort. Dieses Kind vermeidet körperliche Nähe und jeglichen Blickkontakt zu Ihnen. Manchmal spielt es mit anderen Kindern, aber sobald Sie oder Kolleginnen in die Nähe kommen, stellt es die meisten Aktivitäten ein, senkt den Blick und zeigt eine völlig versteinerte Mimik, auf Ansprache auch Gestik. Bei Gruppenaktivitäten folgt es kaum und selten Ihren Aufforderungen. Es erobert nicht den Raum, sagt beim Essen nicht was es will und lässt oft Essen auf dem Teller. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow WENN KINDER NICHT SPRECHEN Erwartungen vom Umfeld Bemühungen und Besorgnis Druck Bewertungen durch das Umfeld Zeigen von Verwunderung, Unverständnis, Enttäuschung Resignation des Umfeldes Kontaktversuche Ausgrenzung Einsamkeit, Isolation Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 5 18.12.2014 WENN KINDER NICHT SPRECHEN Geistig behindert? Kann sie nicht? Autistisch? Will sie nicht? Fall für die Psychiatrie? Fehlinterpretationen des Schweigens Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow WENN KINDER NICHT SPRECHEN Angst, Hilflosigkeit Bei Ansprache „Erstarrung“ Nonverbale Kommunikation gelingt kaum Fehlende Selbstwirksamkeitserfahrungen im weiteren Umfeld Fehlende Erfahrungen mit Kommunikation Fehlende Erfahrungen im Sozialverhalten Abnehmendes Selbstwertgefühl Ich trau mir nichts mehr zu. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 6 18.12.2014 WAS IST MUTISMUS? • Mutismus kommt von „mutus“ (lateinisch) und bedeutet „stumm, sprachlos, still“. • Das Kind spricht nicht trotz vorhandener physiologischer Sprachfähigkeit und vollzogenem Spracherwerb. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow FORMEN DES MUTISMUS Mutismus Totaler Mutismus komplettes Schweigen bei erhaltenem Hörvermögen (S)elektiver Mutismus Passagerer Mutismus Schweigen bestimmten Personen gegenüber oder in definierten Situationen Teil einer Störung mit Trennungsangst, Kernauslöser: Furcht vor der Trennung ICD 10 F94.0 Elektiver Mutismus ICD 10 F93.0 Früh- und Spätmutismus (auch Schulmutismus) werden nach dem zeitlichen Beginn der Störung unterschieden. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 7 18.12.2014 DEFINITION NACH ICD-10 F94.0 Elektiver Mutismus Dieser ist durch eine deutliche, emotional bedingte Selektivität des Sprechens charakterisiert, so dass das Kind in einigen Situationen spricht, in anderen definierbaren Situationen jedoch nicht. Diese Störung ist üblicherweise mit besonderen Persönlichkeitsmerkmalen wie Sozialangst, Rückzug, Empfindsamkeit oder Widerstand verbunden. Inkl.: Selektiver Mutismus Exkl.: Passagerer Mutismus als Teil einer Störung mit Trennungsangst bei jungen Kindern (F93.0) Schizophrenie (F20.-) Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84.-) Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache (F80.-) Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow DIAGNOSTISCHE KRITERIEN NACH DSM-IV-313.23 Selektiver Mutismus • A – Andauernde Unfähigkeit, in bestimmten Situationen zu sprechen (in denen das Sprechen erwartet wird, z.B. in der Schule), wobei in anderen Situationen Sprechfähigkeit besteht. • B – Die Störung behindert die schulischen oder beruflichen Leistungen oder die soziale Kommunikation. • C – Die Störung dauert mindestens einen Monat (und ist nicht auf den ersten Monat nach Schulbeginn beschränkt). • D – Die Unfähigkeit zu sprechen ist nicht durch fehlende Kenntnisse der gesprochenen Sprache bedingt, die in der sozialen Situation benötigt werden oder dadurch, das der Betroffene sich in dieser Sprache nicht wohlfühlt. • E – die Störung kann nicht besser durch eine Kommunikationsstörung (z.B. Stottern) erklärt werden und tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, Schizophrenie oder einer anderen Psychotischen Störung auf. Katz-Bernstein, 2011, S. 27 (nach Saß et.al.1998) Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 8 18.12.2014 ELEKTIV ELEKTIV SELEKTIV SELEKTIV • suggeriert, dass die betroffene Person selbst die Wahl treffen kann, wann und mit wem sie kommuniziert • Betroffene können auch bei größter Bemühung nicht beeinflussen, wann und mit wem sie kommunizieren, die Situation bestimmt, ob das Kind zu sprechen in der Lage ist • kann als freiwilliges Schweigen verstanden werden und birgt die Gefahr einer Verharmlosung des Schweregrads dieses Störungsbildes • „Bei dieser Art von Störungen stehe das Kind wie unter einem „Bann“ bzw. Zwang, das Sprechen an bestimmten Orten oder in bestimmten Situationen einzustellen und keinen Laut von sich zu geben.“ (Katz-Bernstein 2011, S. 26) Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow ART DER STÖRUNG Fachleute haben unterschiedliche Auffassungen: Kommunikationsstörung • als subjektiv sinnvolle Bewältigungsstrategie des Kindes anzusehen • betrifft nicht nur das Kind, sondern muss in seinen Wechselwirkungen im interpersonellen Geschehen verstanden werden (nach R. Bahr) Angststörung • im aktuellen DSM-V (USA) unter Angststörungen eingeordnet • Merkmale der drei Formen der kindlichen Ängste finden sich auch beim selektivem Mutismus Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 9 18.12.2014 DREI FORMEN DER KINDLICHEN ÄNGSTE Trennungsangst Vermeidungsverhalten Extreme Angst vor der Trennung von vertrauten Bezugspersonen Übermäßiges Zurückschrecken vor unbekannten Personen, dadurch Einschränkung sozialer Beziehungen, Schüchternheit und mangelnder sozialer Kontakt Alle hier genannten Merkmale finden wir beim selektiven Mutismus. Störung mit Überängstlichkeit Übermäßige, unrealistische Befürchtungen, verbunden mit Gefühlen extremer Beklommenheit Nachdenken über Leistungen und allgemeine Angespanntheit bis zur Erstarrung Vgl. Katz-Bernstein 2011, S. 27, 28 Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow KINDLICHE ÄNGSTE UND SELEKTIVER MUTISMUS Gemeinsamkeiten (nach Carbone et. al 2010, 1058: vgl. Katz-Bernstein 2011. S. 28) • die hohe Co-Morbidität beider Störungen • die hohe Rate der Angststörungen bei den Angehörigen • ähnliche Temperamentsmerkmale beider Störungen • die Ähnlichkeit der therapeutischen Maßnahmen Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 10 18.12.2014 CO-MORBIDITÄT UND RISIKOFAKTOREN Psychopathologische Auffälligkeiten (Rösler 1986): • Angstsymptome (90,6%) • Passives Rückzugsverhalten (63%) • Stimmungsschwankungen (37,5%) • Konzentrations- und Leistungsstörungen (37,5%) • Aggressivität (28,1%) • Hypermotorik (28,1%) • Markante Mimik und Gestik (28,1%) • Hartnäckigkeit (18,8%) • Bettnässen (Enuresis) (31,2%) • Tics, Jactation, Stereotypien (21,9%) • Zwänge (21,9%) • Einkoten (Enkopresis) (6,3%) • Nägelkauen (Onychophagie), Daumenlutschen und Haareraufen (40,6%) Weitere Befunde bezüglich neurologischer Auffälligkeiten • Pathologische Anamnese (50%) • Auffällige Anamnese (34,4%) • Unauffällige Anamnese (15,6%) • Klinisch-neurolog. Befund (50%) • Pathologisches EEG (50%) Entwicklungsstörungen • Statomotorische Entwicklungsverzögerung (31,3%) • Sprachentwicklungsverzögerung (65,6%) • Sprachstörung (46,6%) • Visuo-motorische Störung (40,6%) • Linkshändigkeit (12,5%) • Lese-Rechtschreibschwäche (15,6%) Vgl. Katz-Bernstein 2011, S. 35 Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow CO-MORBIDITÄT UND RISIKOFAKTOREN Weitere Risikofaktoren • Migration und Bilingualität (28% bzw. 22%) • Psychische Störungen, Persönlichkeitsstörungen der Eltern (10,5%) • Mutistischanmutende Verhaltensweisen der engsten Angehörigen (72,2%, Kontrollgruppe 17,6%) • Prä-, peri-, postnatale Komplikationen (75%) • Störung der pragmatisch-kommunikativen Kompetenz • Temperamentsmerkmale wie z.B. Rückzug, Scheu, Ängstlichkeit, Schweigsamkeit (Steinhausen/Juzi 1996, zit. n. Hartmann 2002) • Geschwister- oder Zwillingskonstellation (Subellok et al. 2011) Vgl. Katz-Bernstein 2011, S. 35 Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 11 18.12.2014 CO-MORBIDITÄT UND RISIKOFAKTOREN Zusätzlich auftretende Sprachstörungen Stottern, Poltern-Stottern Partielle, multiple Dyslalie Disarthrophonie, Dysarthrie, Dyspraxie Stark eingeschränkter Wortschatz, semantische Störungen Grammatische (syntaktisch-morphologische) Störungen Sprachentwicklungsstörung bei Zweisprachigkeit Vgl. Katz-Bernstein 2011, S. 35 Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow HÄUFIGKEIT UND VERTEILUNG • Fachliteratur spricht von 0,1 – 0,7% Betroffenen mit der Vermutung einer hohen Dunkelziffer. • Universität Dortmund erhielt bei Befragung von 405 Klassenlehrerinnen und –lehrern bezogen auf 7917 Schüler ein Ergebnis von 2,6%. • Mädchen sind offenbar häufiger betroffen als Jungen. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 12 18.12.2014 STUDIEN ZUR GESCHLECHTERVERTEILUNG BEI SELEKTIVEM MUTISMUS Studien Bahr, Anzahl Fälle männlich weiblich Wright (1968) 24 7/24 = 29 % 17/ 24 = 71 % Kos-Robes (1976) 25 10/25 = 40 % 15/ 25 = 60 % Funke et al. (1978) 17 05/ 17 = 29 % 12/17 = 71 % Löwenstein (1979) 21 16/ 21 =76% 05/ 21 = 24 % Wergeland (1979) 11 04/11 = 36% 07/11 = 64 % Rösler (1981) 32 13/32 = 41 % 19/ 32 = 59 % Kolvin & Fundudis (1981) 24 11/24 = 46 % 13/ 24 = 54 % Wilkins (1985) 24 07/ 24 = 29 % 17/ 24 = 71 % Cline & Kysel (1987) 23 11/23 = 48 % 12/23 = 52 % Sluckin et al. (1992) 25 05/ 25 = 20 % 20/ 25 = 80 % Krohn et al. (1992) 20 08/ 20 = 40 % 12/20 = 60 % Black & Uhde (1995) 30 09/ 30 = 30 % 21/ 30 =70 % Gesamt: 276 106/ 276 = 38 % 170/ 276 = 62 % Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow Bahr, 2002 URSACHEN • Erklärungsmodelle verschieden (psychologisch, organisch, genetisch) • Ursachen multifaktoriell • Gerade bei Angststörungen spielen genetische Faktoren eine große Rolle (bis zu 52,3% Vererbung bei Verwandten ersten Grades, vgl. Hartmann, 2011) Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 13 18.12.2014 MÖGLICHE FOLGEN Nichtbehandlung • Manifestation • inadäquater Bildungsabschluss • Folgestörungen wie Sozialphobie, Depressionen • Isolation, Kontaktarmut • Abhängigkeit vom Sozialsystem falsche Behandlung • Häufung von Misserfolgserfahrungen • Manifestation • inadäquater Bildungsabschluss • Folgestörungen • Isolation • Abhängigkeit vom Sozialsystem adäquate Therapie • Selbstwirksamkeitserfahrungen • Erlernen neuer Bewältigungsstrategien • Angemessener Bildungsabschluss • Soziale Eingebundenheit Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow MÖGLICHE FOLGEN FÜR DIE BETROFFENEN Hohe, sehr häufige und anhaltende Ausschüttung von Stresshormonen ! Auswirkungen HerzKreislaufSystem Merkfähigkeit Konzentrationsfähigkeit Wahrnehmung der Umwelt Blackouts Auf Dauer: Schädigung der Nervenzell-Strukturen des Gehirns Explorationsfähigkeit Immunsystem Körperliche Belastbarkeit Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 14 18.12.2014 MÖGLICHE FOLGEN FÜR DIE BETROFFENEN Erfahrungen von: • regelmäßigem Scheitern • wenig bis keiner Selbstwirksamkeit • einseitigen Bewältigungsstrategien (Vermeidung) • Ohnmacht • Ausgeliefertsein • • • • • • „Ich schaff das nicht!“ • „Ich bin anders.“ • „Ich kann weniger als alle anderen.“ • „Ich enttäusche alle.“ • „Niemand kann mir helfen. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl können nicht aufgebaut werden Basis für den Aufbau eines positiven und umfassenden Selbstbildes fehlt Herausbildung von negativen Glaubenssätzen „negative“ Nervenzell-Netzwerke im Gehirn stabilisieren sich „positive“ nervenzell-Netzwerke nehmen ab (vgl. Bauer, 2011) Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow MÖGLICHE FOLGEN FÜR DIE FAMILIE • Bewertungen, Schuldzuweisungen vom Umfeld • Unverständnis und Druck vom Umfeld • Hilflosigkeit und Verzweiflung • Unsicherheit im Umgang mit Kind und Umfeld • Ratlosigkeit: Niemand kann helfen! • Schuldgefühle Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 15 18.12.2014 MÖGLICHE FOLGEN FÜR FACHKRÄFTE • Scheitern aller Bemühungen?! • Zweifeln an den eigenen pädagog. Fähigkeiten • Zuwendungsverhältnis: einzelnes Kind Gruppe ?! • Diskrepanzen mit den Eltern • Unsicherheit und Hilflosigkeit • Ärger, Wut, Enttäuschung, Resignation • Ratlosigkeit: Niemand kann helfen! Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow FRÜHERKENNUNGSMERKMALE Hartmann beschreibt: • Geringes bis fehlendes Explorationsverhalten des Kindes • Permanente Positionierung in der Nähe oder auf dem Schoß der Mutter • Keine verbalkommunikative oder körpersprachliche Kontaktaufnahme zu anderen Krabbelkindern • Selbstisolierung • Konstantes Fremdeln Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 16 18.12.2014 FRÜHERKENNUNGSMERKMALE Außerdem: • • • • • wenig Bewegungsdrang Einschlafstörungen Launenhaftigkeit Wutanfälle, wenn etwas anders läuft als gewollt regelrechte Weinanfälle Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow THERAPEUTISCHE MÖGLICHKEITEN Nach erfolgter Ursachenklärung gibt es ff. Möglichkeiten: • Psychotherapie • Sprachheilpädagogische oder logopädische Behandlung • medikamentöse (zusätzliche) Behandlung • Ansätze wie Spieltherapie, systemischen Herangehensweisen, Familientherapie 1. Voraussetzung: Fachkräfte kennen das Störungsbild! 2. Wichtig ist ein interdisziplinäres Vorgehen! 3. Ausschlaggebend ist auch, wem der Kontakt zum Kind gelingt. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 17 18.12.2014 GEZIELTE THERAPIEN Drei Therapien, die auf selektiven Mutismus spezialisiert sind: DortMut KoMut SyMut Dortmunder Mutismustherapie Kooperative Mutismustherapie Systemische Mutismustherapie Katz-Bernstein, N. Feldmann, D. Kopf, A. Kramer, J. Hartmann. B. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow DORTMUT • Ausgangspunkt: Jeder möchte sprechen! • Hintergrund: Spracherwerb durch wechselseitige Interaktionsprozesse mit bedeutungsvollen anderen Personen, abhängig von bedeutsamen Handlungszusammenhängen • Zentrales Mittel: geschützte Ausgangsposition • Methodik: interaktiv, ressourcenorientiert, Transferarbeit, systemisch, vernetzend • Prinzip: Selbstwirksamkeitserleben Transferarbeit, Vernetzung • Fernziel: Betroffener erlebt sich als sozial kompetenter kommunikativer Akteur Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 18 18.12.2014 KOMUT Unter einem Save-Place versteht man einen für das Kind sicheren Ort als Ausgangspunkt (es darf sich zurückziehen, verweigern, abwägen, testen usw.). Aufbau der nonverbalen Kontaktaufnahme bis hin zum Sprechen: 1. nonverbal, nonvokal (ohne Stimme / flüstern), 2. nonverbal, vokal 3. verbal, nonvokal 4. verbal , vokal Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow SYMUT • Wichtige Grundlage: Therapievertrag mit konkreten Zielen und Belohnungssystem mit Punkteverteilung • Setzt eine gewisse Ausübung von Druck auf das Kind voraus, um Veränderungen in eine positive Richtung zu bewirken Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 19 18.12.2014 WAS KÖNNEN SIE TUN? Achten Sie auf eine Ausgewogenheit des betroffenen Kindes innerhalb der Gruppe: Ausgrenzung im Mittelpunkt stehen Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow WAS KÖNNEN SIE TUN? Gehen Sie immer davon aus, dass das Kind sprechen möchte, auch wenn es für Sie nicht so aussieht. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 20 18.12.2014 WAS KÖNNEN SIE TUN? Zeigen Sie dem Kind: • dass Sie Verständnis haben für sein Verhalten • dass Sie aber weiterhin an einer Beziehungsaufnahme interessiert sind Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow WAS KÖNNEN SIE TUN? Beobachten Sie das Verhalten des Kindes neugierig Beobachten Sie über einen längeren Zeitraum! Dokumentieren Sie das Kommunikationsverhalten Befragen Sie die Eltern zum Kommunikationsverhalten des Kindes zu Hause und in weiterer Umgebung • Erörtern Sie ggf., ob für das Kind eine derzeitige besondere Stresssituation vorliegt • • • • Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 21 18.12.2014 WAS KÖNNEN SIE TUN? • Üben Sie keinen Druck auf das Kind aus. • Finden Sie heraus, wo seine Interessen liegen. • Wecken Sie das Interesse des Kindes, teilnehmend seine Umgebung zu beobachten. • Versuchen Sie kleinschrittig, zunächst nonverbal mit dem Kind zu kommunizieren. • Finden Sie nach und nach heraus, wo seine Stärken liegen und wo es besonderen Hilfebedarf hat. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow WAS KÖNNEN SIE TUN? • Setzen Sie sich inhaltlich mit dem Störungsbild auseinander. • Klären Sie die Angehörigen des Kindes auf. • Klären Sie ggf. ihre Kollegen auf. • Unterstützen Sie die Eltern, frühzeitig Hilfe zu organisieren, v.a. wenn es Ihnen nicht gelingt, das Problem in der Tagesförderung zu lösen. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 22 18.12.2014 WAS KÖNNEN SIE TUN? „Auf den anderen Warten heißt: ... • ... auf ihn neugierig sein und seinen Freiraum achten. • ... das Vertrauen schaffen, dass man anzutreffen ist, und notfalls entgegenkommt. • ... nicht manipulativ gängeln, sondern kooperativ locken. • ... einander Spielraum geben, um sich schöpferisch zu unterstützen.“ (Schönberger, Praschak, Jetter 1987, 190 ff) Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow WIR SCHAFFEN DAS! Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 23 18.12.2014 WIR SCHAFFEN DAS! Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow THERAPEUTEN IN DEUTSCHLAND • Rote Punkte für Therapeuten aus dem Netzwerk der Universität Dortmund • Grüne Punkte für Therapeuten aus dem Netzwerk Mutismus Selbsthilfe Deutschland • Rot-grün für die Therapeuten, die in beiden Netzwerken eingetragen sind • In MV stimmen die Punkte etwa geografisch mit den Standpunkten überein, in den anderen Bundesländern orientieren sie sich ausschließlich an der Anzahl der Therapeuten in einem bestimmten PLZ-Bereich Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 24 18.12.2014 LITERATUR • • • • • • • • • • Bahr, R. (1998). Schweigende Kinder verstehen. Kommunikation und Bewältigung beim elektiven Mutismus. 2. Aufl. Heidelberg: Ed. Schindele. Bahr, R. (2004). Wenn Kinder schweigen. Redehemmungen verstehen und behandeln. Ein Praxisbuch. 2. Aufl. Düsseldorf/Zürich: Walter Verlag. Buß, M. (2005). Kommunikationsstörung Mutismus.Integration und Förderung von Kindern in den Schulalltag. Norderstedt: Grin Verlag. Dobslaff, O. (2005). Mutismus in der Schule. Erscheinung und Therapie. Ed. Marhold: Berlin. Hartmann, B. (1997). Mutismus. Zur Theorie und Kasuistik des totalen und elektiven Mutismus. 4.Aufl. Berlin: Ed. Marhold. Hartmann, B. (Heft 6. Oktober 2011). Mutismus und Schule-Grundlagen, Empfehlungen und Strategien für den Umgang mit schweigenden Schülern. Mutismus.de, S. 04-22. Hartmann, B., Lange, M. (2013). Mutismus im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Für Angehörige, Betroffene sowie therapeutische und pädagogische Berufe. 6. Aufl. Roßdorf: TZVerlag. Katz-Bernstein, N. (2011). Selektiver Mutismus bei Kindern. Erscheinungsbilder, Diagnostik, Therapie. 3. Aufl. München: Ernst Reinhardt. Katz-Bernstein, N. M.-S.-S. (2012). Mut zum Sprechen finden. Therapeutische Wege mit selektiv mutistischen Kindern. 2. Aufl. München: Ernst Reinhardt. Katz-Bernstein, N. S. (2002). Gruppentherapie mit stotternden Kindern und Jugendlichen. Konzepte für die sprachtherapeutische Praxis. München, Basel: Ernst Reinhardt. Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow INTERNETSEITEN • • • • http://www.fk-reha.tu-dortmund.de/zbt/de/spa/DortMuZ/ind www.selektiver-mutismus.de/ http://www.mutismus.de/ www.boris-hartmann.de/ Dezember 2012 - Carmen Koop - Bildungszentrum Teterow 25