Heilpraktiker im Spannungsfeld des Heilmittelwerberechts Ein

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Heilpraktiker-Recht von Dr. René Sasse, Rechtsanwalt
Hrsg. Freie Heilpraktiker e.V. Berufs- und Fachverband, Benrather Schloßallee 49-53, 40597 Düsseldorf
Heilpraktiker im Spannungsfeld des Heilmittelwerberechts
Ein kompakter Überblick über das Werberecht für Heilpraktiker
Als Heilpraktiker gehören Sie wie Anwälte, Ärzte oder Architekten einem Freien Beruf an.
Werbemaßnahmen von Angehörigen dieser Berufe wurden jeher kritisch betrachtet. Berufsethos und Standesrecht auf der einen Seite und legitimes Gewinnstreben auf der anderen Seite standen - und stehen - in einem Spannungsverhältnis. Beachten Sie, dass
Ihre Patienten Ihnen ein Rechtsgut von herausragendem Stellenwert anvertrauen: ihre Gesundheit.
Dies rechtfertigt es, erhöhte Anforderungen an die Werbung von Angehörigen der Heilberufe zu stellen. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) normiert ein „Sonderwerberecht“; dieses
geht über die Vorgaben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) weit hinaus. Als Heilpraktiker sollten Sie mit den speziellen Vorgaben dieses Gesetzes vertraut
sein. Bei Verstößen drohen erhebliche Risiken: zivilrechtliche Abmahnungen oder staatliche Bußgelder.
Dieser Teil widmet sich insbesondere den Schlüsselnormen des HWG: § 3 und § 11. Er
soll Sie in die Lage versetzen, sich einen raschen Überblick über die „Spielregeln“ des
heilkundlichen Werberechts zu verschaffen. Als bescheidener Beitrag zur Eindämmung
der stetig wachsenden Abmahnflut kann er Sie möglicherweise vor finanziellen Einbußen
bewahren.
I. Was ist Werbung?
Auf diese häufig gestellte Frage gibt es zwei Antworten. Nach der formaljuristischen Definition gilt als Werbung: „Jede Äußerung bei der Ausübung eines Gewerbes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.“ Viel gewonnen ist hiermit jedoch kaum. Für eine Abgrenzung im Einzelfall ist der
Werbebegriff zu unscharf; die Ausnahmen hiervon sind juristisch sehr umstritten. Die praktische Antwort lautet deshalb:
Verstehen Sie jede Form Ihrer beruflichen Kommunikation (schriftlich, bildlich, akustisch)
gegenüber Verbrauchern bzw. Patienten in der Öffentlichkeit grundsätzlich als Werbung!
Beachten Sie das HWG nicht nur bei Werbeanzeigen, sondern auch bei der Gestaltung
von Praxisschildern, Visitenkarten, Briefbögen sowie der Internetpräsenz.
Bei öffentliche Vorträgen oder Presse-/TV-Berichten zu einem medizinischen Thema ist zu
unterscheiden: Dient der Beitrag ausschließlich der sachorientierten Aufklärung, findet das
HWG keine Anwendung. Die Grenze zur - redaktionellen - Werbung ist indes rasch überschritten; letztendlich dürfte der überwiegenden Zahl der Beiträge meist ein wirtschaftlicher
(Hinter-)Gedanke innewohnen.
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Tipp
Behandeln Sie Ihre Mitteilungen gegenüber der Öffentlichkeit im Zweifel als Werbung. Überprüfen Sie diese anhand der Vorgaben des HWG.
II. Die Vorgaben des § 11 HWG
Eine der Schlüsselnormen des HWG bildet dessen § 11. Dieser normiert die wesentlichen
werberelevanten Ge- und Verbote für den Heilkundesektor. Prägender Gedanke ist der
Grundsatz der Wahrheit und Sachlichkeit in der Werbung.
Wichtig ist: Lebensmittel und reine Nahrungsergänzungsmitteln unterfallen im Gegensatz
zu Arzneimitteln nicht dem HWG. Eine Abgrenzung kann im Einzelfall jedoch sehr schwierig sein. Das Beispiel der Herstellung, Abgabe und Bewerbung von Bachblüten belegt dies
anschaulich. Eine einheitliche abschließende Sichtweise hat sich hier noch nicht gebildet.
Bitte beachten Sie deshalb den Abschnitt "Nahrungsergänzungsmittel und Werbung".
Die Werbeverbote des § 11 HWG richten sich an Werbemaßnahmen außerhalb der Fachkreise. Bestimmen Sie deshalb die Zielrichtung Ihrer Werbemaßnahmen: Kollegenkreis
oder Verbraucher. Ausführungen in einer medizinischen Fachzeitschrift richten sich in der
Regel ausschließlich an die Fachkreise; eine Anzeige in der Gelben Seiten hingegen an
potentielle Patienten. Im letzteren Falle sind die Vorgaben des § 11 HWG zu berücksichtigen.
III. Das reformierte Heilmittelwerbegesetz
Die einzelnen Werbeverbote wurden jüngst reformiert. Der Fokus der folgenden Ausführungen liegt auf der Neufassung des Gesetzes; auf die alte Rechtslage wird nur dort eingegangen, wo dies zum Verständnis der neuen Regelungen erforderlich ist.
1. Werbung mit Gutachten u.ä.
Das bisherige umfassende Verbot der Gutachtenwerbung aus § 11 Nr. 1 HWG entfällt zukünftig. Die Werbung mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf wird grundsätzlich legalisiert.
Ein Gutachten ist eine eigenständige Stellungnahme eines sachkundigen Verfassers zu einem Untersuchungsobjekt. Diese wird auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnen und in
wissenschaftlicher Weise umfassend dargestellt. Ein Zeugnis ist eine schriftliche fachliche
Bescheinigung eines fachkundigen Verfassers, der - ohne umfassende Würdigung – bestimmte Tatsachen oder Beobachtungen testiert.
Für Heilpraktiker verbleibt jedoch eine Schwierigkeit: Gutachten und Fachveröffentlichungen müssen stets wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Andernfalls kann in Ihrer Verwendung eine Täuschung der Verbraucher liegen. Zahlreiche Gutachten aus dem Bereich
der Naturheilkunde, z. B. zur Akupunktur, sind indes wissenschaftlich stark umstritten.
Über diesen Umstand sollten Sie aufklären, sofern Sie auf ein entsprechendes Gutachten
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Bezug nehmen. Seien Sie deshalb auch zukünftig mit Hinweisen auf Gutachten und Fachveröffentlichungen zurückhaltend. Informieren Sie sich über die fachliche Qualität des Gutachtens und dessen wissenschaftlicher Anerkennung. Sofern das Gutachten einem naturheilkundlichen Verfahren eine spezifische Wirksamkeit bestätigt, muss dieser Befund auch
schulmedizinisch nachvollziehbar sein.
Zudem wird § 6 HWG an Bedeutung gewinnen. Wird mit Gutachten oder Zeugnissen geworben, so müssen diese von wissenschaftlich oder fachlich hierzu berufenen Personen
erstattet worden sein. Erforderlich ist ferner die Angabe des Namens, Berufes und Wohnortes der Person, die das Gutachten erstellt oder das Zeugnis ausgestellt hat, sowie den
Zeitpunkt der Ausstellung des Gutachtens oder Zeugnisses. Auch bei Bezugnahmen auf
wissenschaftliche, fachliche oder sonstige Veröffentlichungen muss aus der Veröffentlichung hervorgehen, ob diese das Verfahren oder die Behandlung, für die geworben wird,
selbst betrifft. Auch hier müssen der Name des Verfassers, der Zeitpunkt der Veröffentlichung und die Fundstelle genannt werden. Weiterhin müssen Zitate, Tabellen oder sonstige Darstellungen aus der Fachliteratur immer wortgetreu übernommen werden.
Tipp
Verzichten Sie bei Ihrer Werbung auf die Erwähnung von Gutachten oder Fachveröffentlichungen, sofern deren wissenschaftliche Anerkennung fraglich ist!
2. Werbung mit Empfehlungen u.ä.
Nach § 11 Nr. 2 HWG darf (weiterhin) nicht geworben werden mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen. Hiervon werden bereits Hinweise auf entsprechende Angaben erfasst. Aufgehoben
wurde hingegen das Verbot eines Hinweises darauf, dass ein Verfahren ärztlich, zahnärztlich, tierärztlich oder anderweitig fachlich geprüft ist oder angewendet wird. Die Abgrenzung zwischen diesen Merkmalen ist jedoch kompliziert. Die Grenze zur weiterhin verbotenen Empfehlung oder zu einer Täuschung der Patienten ist schnell erreicht.
Beispiele möglicher Verstöße:
„Die moderne Medizin setzt daher immer öfter auf...“
„Auch andere Heilpraktiker, die sich auf Naturheilverfahren spezialisiert haben, empfehlen:
...“
„Akupunktur ist effektiver als ... - das bestätigen auch Apotheker“
„Gesundheitsexperten raten: ...“
Tipp
Vermeiden Sie auch weiterhin Bezugnahmen auf die Empfehlungen Dritter. Bei Hinweisen auf eine anderweitige Prüfung oder Anwendung eines Verfahrens beachten
Sie sorgfältig die rechtlichen Vorgaben der §§ 3 und 6 HWG.
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3. Werbung mit Krankengeschichten
Bisher war jede Werbung mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf nach § 11 Nr. 3 HWG unzulässig. Es durfte weder mit realen noch mit fiktiven
Krankengeschichten geworben werden. Dies galt unabhängig vom Autor der Aufzeichnungen; auch von Patienten oder Dritten verfasste Artikel waren stets untersagt. Das Verbot
umfasste selbst erfundene Krankengeschichten.
Zukünftig darf mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf,
nur dann nicht geworben werden, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu
einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann. Anonymisierte Aufzeichnungen über den
Krankheitsverlauf eines Patienten dürfen unter dieser Voraussetzung für werbende Zwecke verwandt werden.
Es wird Aufgabe der Rechtsprechung sein, den konkreten Inhalt der Rechtsbegriffe „missbräuchlich, abstoßend und irreführend“ zu bestimmen. Vorerst sei deshalb weiterhin zur
Vorsicht geraten. Ein Verstoß liegt beispielsweise vor, wenn heilende Wirkungen eines Mittels übertrieben dargestellt würden, so dass zu ihrem Verbrauch angeregt werden könnte,
oder so, dass Angst vor den Folgen ihrer Nichtverwendung geweckt werden könnte, oder
auch, wenn ihnen Merkmale zugesprochen würden, die sie nicht besitzen, und der Verbraucher dadurch in Bezug auf ihre Wirkweise und ihre therapeutischen Wirkungen in die
Irre geführt würde. Keinesfalls sollte Krankengeschichten verfälscht oder derart verkürzt
werden, dass sich eine Irreführung der Leser ergeben kann. Die Wiedergabe einer realen
oder fiktiven Krankengeschichte darf insbesondere keine falschen Vorstellungen über die
Wirksamkeit der Behandlung wecken. Problematisch wird zudem sein, die Grenze zur unzulässigen Verleitung zur falschen Selbstdiagnose zu bestimmen.
4. Bilderwerbung in Berufskleidung
Haben Sie sich schon mal gefragt, weshalb in der Werbung stets Zahnarztfrauen oder
„Gesundheitsexperten“ auftreten? Die Antwort lieferte Nr. 4 des § 11 HWG. Dieser verbot
die Werbung mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung oder bei
der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des
Arzneimittelhandels. Der Gesetzgeber hat dieses Verbot nun aufgehoben. Es ist deshalb
zu erwarten, dass zukünftig der Zahnarzt selbst und nicht dessen Gattin in der Werbung
auftreten wird. Grundsätzlich können Sie sich als Heilpraktiker zukünftig auch in Ihrer Berufskleidung abbilden lassen. Dies gilt auch bei der Ausübung Ihrer beruflichen Tätigkeit,
sofern die weiteren Vorgaben des HWG beachtet werden.
Tipp
Achten Sie insbesondere darauf, dass die von Ihnen veröffentlichen Bilder keine unzutreffenden Vorstellungen bei den angesprochenen Personenkreisen hervorrufen.
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5. Bildhafte Darstellungen
§ 11 Nr. 5 HWG hat bislang jede Werbung mit der bildlichen Darstellung von krankheitsbedingten Veränderungen des menschlichen Körpers untersagt. Dieses Verbot wird wie folgt
eingeschränkt: Es darf nicht geworben werden mit einer bildlichen Darstellung, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen
Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwendet.
Bildliche Darstellungen können bei den Patienten leicht eine unzulässige Täuschung hervorrufen. Stellen Sie krankheitsbedingte Veränderungen vorsorglich vorerst weiterhin weder zeichnerisch noch fotografisch dar. Beachten Sie: Diese Vorgabe gilt unabhängig davon, ob Sie den krankhaften Befund mit einem andern - gesunden - Zustand vergleichen.
Die Wiedergabe nicht pathologisch bedingter Zustände - wie z. B. ausschließlich genetisch
verursachtem Haarausfall - ist hingegen zulässig.
Insbesondere die Werbung für eine Behandlung durch eine vergleichende Darstellung des
Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach der Anwendung, kann zu irrigen Vorstellungen der angesprochenen Personen führen. Auch wenn der Gesetzgeber das ausdrückliche Werbeverbot mit Vorher- Nachherbildern aufgehoben hat, sollten Sie diese vermeiden, sofern sie sich auf krankheitsbedingte Veränderungen beziehen. Keinesfalls dürfen die verwendeten Abbildungen optisch manipuliert werden.
Tipp
Bis die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „in missbräuchlicher, abstoßender
oder irreführender Weise“ geklärt ist, rate ich Ihnen zur Zurückhaltung.
6. Werbung mit Fachbegriffen
Äußerst Praxisrelevant war § 11 Nr. 6 HWG. Dieser hat die Werbung mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen verboten, sofern diese nicht in den allgemeinen deutschen
Sprachgebrauch eingegangen waren. Es durften deshalb nur solche Begriffe verwendet
werden, deren Sinngehalt ein medizinisch durchschnittlich informierter Laie spontan erfassen konnte. Folgende Begriffe wurden beispielsweise gerichtlich untersagt: Osteopathie,
Chirotherapie, Dunkelfelddiagnose, T.C.M., vegetativ, B.F.D., bioelektrische Funktionsanalyse, Kirlianphotographie, Dunkelfeld-Mikroskopie, Miasmatik, craniosacrale, Tuina,Qi
Gong, H.O.T., Bioresonanztherapie, NLP.
Der Gesetzgeber hat § 11 Nr. 6 HWG ersatzlos aufgehoben. Dies bedeutet, dass die Verwendung fremd- oder fachsprachlicher Bezeichnungen künftig erlaubt ist. Die Grenze des
rechtlich Erlaubten bildet indes auch hier das Irreführungsverbot des § 3 HWG. Um zu vermeiden, dass Ihnen vorgeworfen wird, eine Bezeichnung wäre irreführend, ist anzuraten,
auch weiterhin nicht allgemeinverständliche Begriffe laiengerecht zu erläutern. Verwenden
Sie eine allgemeinverständliche Erläuterung für den gewählten fach-/fremdsprachlichen
Begriff. Erklären Sie den fremd-/fachsprachlichen Begriff in direktem Zusammenhang in
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allgemeinverständlicher Weise.
7. Werbung für Arzneimittel
§ 11 Nr. 7 HWG verbietet Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die
Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert
werden könnte. Diese Regelung ersetzt den bisherigen § 11 Nr. 7 HWG. Danach waren
Werbeaussagen unzulässig, die geeignet waren, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen.
Die konkrete Bedeutung der Neuregelung ist noch nicht geklärt. So ist es Ziel eines jeden
Arzneimittels, die Gesundheit kranker Personen zu verbessern. Ein umfassendes Werbeverbot wäre nicht angebracht. Die eigentliche Bedeutung der Norm dürfte im Schutz gesunder Personen vor der Einnahme überflüssiger Medikamente liegen. Gesunde Personen sollen aufgrund einer Werbebotschaft nicht befürchten müssen, dass durch die Nichteinnahme eines Mittels ihre normale Gesundheit gefährdet würde. Gleiches gilt für die Verbesserung der – schon vorhandenen – Gesundheit durch ein Arzneimittel. Mit anderen
Worten: Gesunde Patienten können nicht „kränker“ oder „gesünder“ beworben werden.
Ob diese Vorgabe allein für Arzneimittel gilt oder auch für Verfahren, Behandlungen, Gegenstände und andere Mittel ist noch unklar. Vorsorglich sollte hiervon ausgegangen werden.
8. Werbung durch Vorträge
Ebenfalls wichtig ist die Kenntnis von § 11 Nr. 8 HWG. Dieser verbietet Werbung durch
Vorträge, mit denen ein Feilbieten oder eine Entgegennahme von Anschriften verbunden
ist,
Sowohl das Bereitstellen (Feilbieten) von vortragsbezogenen Waren zum unmittelbaren
Verkauf, als auch die Annahme von Anschriften in der Absicht, die Produkte später zu verkaufen, ist untersagt. Verkaufen Sie deshalb weder vor, noch während oder nach dem Vortrag solche Waren, über die sie berichten. Vergessen Sie diese Bestimmung nicht bei Vorträgen in elektronischen Medien, z.B. Webseminaren oder per Skype.
Exkurs: Heilkunde im Umherziehen
Beachten Sie bitte: Heilkunde im Umherziehen ist untersagt, § 5a HPG. Behandeln Sie
deshalb ausschließlich in Ihrer Praxis oder bei fest vereinbarten Hausbesuchen. Unterlassen Sie jede Behandlung im Rahmen einer Vortragstätigkeit. Bewerten Sie dort weder Beschwerden noch äußern Sie sich konkret zu individuellen Anfragen. Erteilen Sie keine konkreten Empfehlungen! Führen Sie Musterbehandlungen stets an gesunden Personen
durch; weisen Sie darauf hin, dass es sich lediglich um eine Präsentation handelt.
9. Artikel-Werbung
Veröffentlichungen, deren Werbezweck missverständlich oder nicht deutlich erkennbar ist,
sind verboten (§ 11 Nr. 9 HWG). Trennen Sie stets die Vermittlung objektiver Informationen
von der Präsentation subjektiver Werbung. Wichtig ist dies insbesondere bei Berichten in
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lokalen Medien über Ihre berufliche Tätigkeit. Diese sind zum Teil unkritisch und neigen zu
einer lobenden Bewertung; die Grenze zur - redaktionellen - Werbung ist so schnell erreicht. Ist der Bereich der objektiven Berichterstattung überschritten, sollte der Beitrag als
Werbung („Anzeige“) gekennzeichnet werden. Merkmale einer objektiven Berichterstattung
sind hingegen das Weglassen von Kontaktdaten des Heilpraktikers, sowie die Erwähnung
von Behandlungsalternativen und eine Abwägung der Vor- und Nachteile der vorgestellten
Therapieform. Als Heilpraktiker können Sie ggfs. neben dem Presseunternehmen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Tipp
Legen Sie wert auf eine journalistisch möglichst objektive und neutrale Berichterstattung. Ansonsten kennzeichnen Sie den Beitrag als Werbung und beachten die
hier skizzierten Vorgaben.
10. Anleitung zur Selbstbehandlung
Das HWG bezweckt unter anderem, Selbstbehandlungen erkrankter Personen entgegenzuwirken. Aus diesem Grund untersagte § 11 Nr. 10 HWG bislang Veröffentlichungen, die
dazu anleiten, bestimmte Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden beim Menschen selbst zu erkennen und mit den in der Werbung bezeichneten Arzneimitteln, Gegenständen, Verfahren, Behandlungen oder anderen Mitteln zu behandeln, sowie mit entsprechenden Anleitungen in audiovisuellen Medien. Der Gesetzgeber hat diese
Norm aufgehoben. Es verbleibt deshalb zukünftig allein bei den oben beschriebenen Einschränkungen von § 11 Nr. 3 HWG. Zukünftig darf mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf, nicht geworben werden, wenn (..) eine ausführliche
Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann. Aufgrund
der Unwägbarkeiten der Auslegung dieser Norm ist hier vorerst noch Vorsicht geboten.
11. Werbung mit Anerkennungsschreiben
Auch § 11 Nr. 11 HWG wurde ergänzt. Dieser verbietet es, mit schriftlichen oder mündlichen Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben zu werben; zukünftig gilt dies nur dann, „wenn dieses in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt. Unter dieser Voraussetzung sind auch Hinweise auf solche Äußerungen unzulässig.
Auch diese Regelung bedarf einer näheren Bestimmung durch die Rechtsprechung. Erst
die zukünftige Entwicklung wird zeigen, ob beispielsweise Gästebücher auf einer Heilpraktiker-Internetpräsenz erlaubt sind. Grundsätzlich umfasst die Regelung auch ein elektronisches Schreiben, unabhängig davon, ob es ein Patient, Kollege, Journalist oder unbeteiligter Dritter verfasst hat. Auch hier sollten Sie in näherer Zukunft noch Vorsicht walten lassen; denn die Bezugnahme auf positive Äußerungen Dritter kann rasch zu einer rechtswidrigen Täuschung der Patienten führen.
Die positive Beschreibung eines Verfahrens durch einen Dritten auf der Internetpräsenz einer Privatperson ist jedenfalls dann zulässig, sofern diese Information keine Absicht zur
Förderung des Absatzes eigener oder fremder Mittel zum Nachteil eines anderen beinhal20
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tet (OLG Koblenz; Az.4 U 1902/01) . Eine Anpreisung durch einen Dritten stellt nicht stets
eine Werbung im Sinne des HWG dar. Vielmehr kann es sich um einen reinen Erfahrungsbericht handeln. Diese Argumentation kann auch auf Bewertungen von Ärzten oder Heilpraktikern auf entsprechenden Internetbewertungsportalen erstreckt werden.
12. Keine Werbung gegenüber Kindern
Kinder und Jugendliche sind in der Regel durch Werbung leichter beeinflussbar; sie nehmen Werbung unkritischer auf als Erwachsene. Aus diesem Grund steht auch der Jugendschutz im Fokus des HWG. § 11 Nr. 12 HWG untersagt solche Werbemaßnahmen, die
sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richten. Der folgende Rat
richtet sich deshalb insbesondere an Heilpraktiker, die sich auf Kindernaturheilkunde spezialisiert haben.
Tipp
Richten Sie Ihre Werbung nicht an unter 14-Jährige, sondern stets an deren Eltern.
Schließlich sind es auch diese, die über den Gang zu Ihnen entscheiden. Werben
Sie nicht mit Anzeigen in Jugendmagazinen; legen Sie in einer Schule keine Flyer
aus!
13. Werbung mit Preisausschreiben, Verlosungen u.ä.
Für Heilpraktiker galt bislang der Grundsatz: Glücksspiele in der Werbung sind verboten! §
11 Nr.13 HWG verbot die Werbung mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist. Es durften deshalb weder medizinische
Leistungen noch Behandlungsgutscheine verlost werden. Dies gilt zukünftig nur noch unter der Maßgabe, dass die Werbung einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leistet. Auch hier bestehen jedoch noch zahlreiche Unklarheiten bei der Auslegung der Norm. Die Verlosung eines Arzneimittels ist stets unzulässig; dies würde einer unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten. Für Preisausschreiben oder Verlosungen kommen deshalb nur
Nicht-Arzneimittel in Betracht. Dies jedoch nur in engen Grenzen, weil § 7 HWG kostenlose Werbegaben nur unter strengen Voraussetzungen gestattet (s. u.). Hierunter fallen
auch Gewinne einer Verlosung oder eines Preisausschreibens.
14. Keine Werbung für die Abgabe von Arzneimitteln
Nach § 11 Nr. 14 HWG ist es verboten, durch die Abgabe von Arzneimitteln, deren Muster
oder Proben oder durch Gutscheine dafür, zu werben.
15. Abgabeverbot Proben und Muster
Der abschließende § 11 Nr. 15 HWG untersagt die nicht verlangte Abgabe von Mustern
oder Proben von anderen Mitteln oder Gegenständen oder durch Gutscheine dafür. Vorsicht ist deshalb bei der Abgabe von kosmetischen Salben oder Gegenständen wie Magnetarmbändern geboten. Geben Sie diese nur auf - allgemeine - Nachfragen Ihrer Patienten hin ab und beachten Sie die Voraussetzungen von § 7 HWG.
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IV. § 7 HWG Verbot kostenloser Werbeabgaben
Beachten Sie § 7 HWG. Diese Norm schränkt die Werbung mit „Zugaben“ ein. Sie ist nur
dann erlaubt, wenn es sich bei den Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert
handelt, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden
oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind oder es sich um geringwertige Kleinigkeiten handelt. Gemeint sind kleine Gimmicks wie Streichholzschachteln,
Kugelschreiber, Luftballons, Bonbons etc. Der tatsächliche Wert der Zugabe darf 0,50
Euro nicht überschreiten.
Weiterhin sind Zuwendungen oder Werbegaben möglich, die in einem bestimmten Geldbetrag oder in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen bestehen. Sie dürfen demnach
Preisnachlässe / Rabatte gewähren und im Einzelfall einen kostenlosen Ratschlag erteilen. Geben Sie den Rabatt jedoch stets in Prozenten oder konkreten Geldbeträgen an.
Eine Werbung mit einer kostenlosen (Kurz-)Untersuchung ist indes grundsätzlich unzulässig; dies geht über die Erteilung eines Rates hinaus. Das OLG Celle wies jüngst darauf
hin, dass medizinische Leistungen in der Regel nur gegen Geld zu erhalten seien. Ein Gesundheitscheck setze jedoch stets eine individuelle Befunderhebung voraus und sei nicht
auf die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen beschränkt.
V. § 12 HWG Absolute Werbeverbote
§ 12 HWG stellt in Verbindung mit der entsprechenden Anlage zum Heilmittelwerbegesetz
eine Reihe strenger Werbe-Tabus auf. Demnach darf sich Ihre Werbung außerhalb der
Fachkreise nicht auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung folgender Krankheiten
beziehen:
1. Nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen,
2. bösartige Neubildungen (Krebs),
3. Suchtkrankheiten, ausgenommen Nikotinabhängigkeit,
4. krankhafte Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts.
VI. Werbung für Fernbehandlungen
§ 9 HWG verbietet Werbung für Fernbehandlungen, nicht die Fernbehandlung als solche.
(siehe hierzu unten „Exkurs“) Werben Sie deshalb nicht für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden, welche nicht auf Ihrer eigenen Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht. Vermeiden Sie jede Werbung für ausschließlich schriftliche, telefonische oder elektronische Beratungen. Als Heilpraktiker dürfen Sie nicht damit werben, dass Sie allein auf die Mitteilung krankhafter Beschwerden eines Anfragenden per Email oder Telefon hin, eine Diagnose erstellen oder
medizinische Ratschläge erteilen.
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Tipp
Aus haftungsrechtlichen Gründen empfiehlt es sich - unabhängig von der Werbung
- Diagnose und Therapie stets an eine persönliche Wahrnehmung des Patienten zu
knüpfen.
Exkurs Fernbehandlung
Das „Verbot“ der Fernbehandlung - Dürfen Heilpraktiker moderne Kommunikationsmittel wie beispielsweise Skype - für die Behandlung eines Patienten einsetzen?
Eine gefestigte Rechtsprechung oder herrschende juristische Meinung hat sich zu dieser
Frage bislang nicht gebildet. Aus diesem Grunde sind pauschale Antworten nicht möglich.
Bei der Thematik des Verbots der Fernbehandlung sind grundsätzlich folgende Bereiche
zu trennen:
Sind Sie Mitglied in einem Berufsverband? Falls ja, beachten Sie dessen Berufsordnung.
In dieser kann ein ausdrücklicher Ausschluss der Fernbehandlung vorgesehen sein. Für
Ärzte gilt § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung. Dieser lautet: Ärztinnen und Ärzte dürfen
individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über
Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist
zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt. Da die Vorgaben der ärztlichen Berufsordnung für Heilpraktiker jedoch nicht
anwendbar sind, folgt für diese hieraus kein unmittelbares Verbot der Fernbehandlung. Ein
konstitutives Verbot im Sinne einer gesetzlichen Berufspflicht für Heilpraktiker existiert für
die Durchführung der Fernbehandlung als solche nicht.
Zivilrechtlich ist jedoch danach zu fragen, ob es mit der medizinischen Sorgfaltspflicht eines Heilpraktikers vereinbar ist, eine Fernbehandlung durchzuführen. Ist dies nicht der
Fall, drohen im Schadensfall erhebliche Haftungsrisiken. Ob eine ausschließliche Fernbehandlung mit der medizinischen Sorgfaltspflicht des Heilpraktikers vereinbar ist, ist bislang
nicht geklärt. Es handelt sich um eine Frage des jeweiligen Einzelfalles; jede Fernbehandlung ist individuell zu beurteilen.
Problematisch dürfte stets eine ausschließliche Fernbehandlung sein - eine Behandlung
ohne den Patienten zuvor (oder im Verlaufe der Therapie) persönlich in Augenschein genommen zu haben. Dies gilt insbesondere bei schwerwiegenderen Erkrankungen. Eine
erste Diagnose dürfte in der Regel eine persönliche Untersuchung erfordern.
Jede Form der Fernbehandlung ist deshalb sorgfältig abzuwägen. Stets sollte in regelmäßigen Abständen eine persönliche Untersuchung des Patienten erfolgen. Programme wie
Skype bietet sich allenfalls als unterstützende Therapiemaßnahme an; sie ersetzt aber keinesfalls die persönliche Behandlung. In Erwägung gezogen werden kann die Nutzung von
Skype auch dann, wenn eine Kooperation mit einem Heilpraktiker-Kollegen „vor Ort“ erfolgen soll.
Aufgrund der aufgezeigten Risiken, sollte die Nutzung von Skype und Co. bis auf weiteres
auf rein unterstützende Therapiemaßnahmen beschränkt werden. Die medizinische Ver23
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antwortlichkeit hierfür verbleibt stets beim jeweiligen Therapeuten. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Heilpraktiker den therapeutischen Einsatz von modernen Kommunikationsmittel
generell für sinnvoll erachtet. Die Werbung mit einer Fernbehandlung bleibt verboten.
VII. § 3 HWG - Verbot der Täuschung-Keine Werbung bei nicht bewiesener Wirkung
1) Das HWG bezweckt den Schutz der Verbraucher / Patienten vor Täuschungen. Diesem
Ziel dient insbesondere § 3 HWG. Diese Norm untersagt es, Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beizulegen, die sie nicht haben. Es darf zudem nicht fälschlicherweise der Eindruck erweckt
werden, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann, oder bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten würden. Unwahre
oder zur Täuschung geeignete Angaben sind ebenfalls rechtswidrig.
Wichtig ist: Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kommt der Frage, wer die therapeutische Wirksamkeit eines Verfahrens zu beweisen hat, eine maßgebliche Bedeutung zu. Ist
es Sache des Klägers (Abmahners), die Unwirksamkeit der streitigen Behandlung zu beweisen, oder muss der Heilpraktiker beweisen, dass seiner Therapie tatsächlich die beigelegten Wirkungen zukommen? Nach den allgemeinen prozessualen Regeln müsste jeweils der Anspruchssteller diejenigen Tatsachen beweisen, die für ihn günstig sind; also
auch die Unwirksamkeit der angegriffenen Therapie. Jedoch gilt im Heilmittelwerberecht
mit dem sogenannten „Strengeprinzip“ eine wichtige Modifikation dieses Grundsatzes.
Generell ist es zwar bei einer irreführenden Werbung Sache des Klägers, die Unrichtigkeit
der Werbebehauptung glaubhaft zu machen. Macht der Werbende (Heilpraktiker) aber im
Bereich der gesundheitsbezogenen oder auch nur kosmetischen Werbung Wirkungsaussagen und sind die zugrundeliegenden Wirkungen nach dem Vortrag des Klägers wissenschaftlich umstritten, so gilt anderes. Den Werbenden trifft dann die Verantwortung für die
objektive Richtigkeit seiner Angabe. Er muss sie dann im Streitfall beweisen. (OLG Hamm,
Urteil vom 18.11.2010 Az.: I-4 U 148/10)
Faktisch führt dies dazu, dass die Beweislast oftmals auf den Werbenden verlagert wird.
Denn es ist dem Abmahner/Kläger im Regelfall möglich, naturheilkundliche (alternative)
Verfahren als (schul-)wissenschaftlich umstritten darzustellen.
Im Hinblick auf das Verbot der Irreführung sollten Sie deshalb schulmedizinische nicht anerkannte Therapieverfahren nicht mir einer konkreten therapeutischen Wirksamkeit bewerben. Die von Ihnen einer Behandlung beigelegte therapeutische Wirksamkeit muss andernfalls wissenschaftlich hinreichend nachgewiesen sein.
Im Gesundheitswesen gelten strenge Maßstäbe bezüglich der Richtigkeit jeder Werbeaussage. Sofern Sie eine fachlich nicht gesicherte Behauptung eines Dritten (beispielsweise
eines Herstellers von Medizinprodukten) in Ihre Werbung übernehmen, sind auch Sie als
Werbender hierfür verantwortlich. Im Streitfall müssen Sie in der Lage sein, Ihre Werbeaussagen zu beweisen. Hierzu bedarf es in der Regel eines wissenschaftlichen Gutachtens.
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Tipp:
Stellen Sie Ihre Behandlungsverfahren nicht als Ursache für konkrete Therapieerfolge dar. Verzichten Sie auf die Schilderung wissenschaftlich nicht belegbarer Wirkungsbeziehungen. Stattdessen: Beschreiben Sie die faktische Anwendung Ihrer
Methode oder das allgemeine Ziel Ihrer Therapieverfahren. Geben Sie entweder die
von Ihnen bevorzugten Behandlungsformen an (z. B. Chiropraktik, Akupunktur, Homöopathie) oder schildern Sie, auf welche Krankheiten Sie Ihre Tätigkeit ausgerichtet haben (z. B. Kopfschmerzen, Burn-Out-Syndrom).
Je allgemeiner Sie Ihre Behandlungsmethoden angeben, desto eher sind Sie in der
Lage, bei Streitfällen die Wirkung zu beweisen. Bewerben Sie zum Beispiel ein einzelnes psychotherapeutisches Verfahren im Zusammenhang einer Linderung einer
konkreten psychischen Erkrankung, so müssen Sie ggfs. mit einem wissenschaftlichen Gutachten beweisen, dass dieses Verfahren hierzu in der Lage ist. Geben Sie
hingegen an, eine seelische Erkrankung mit den „Mitteln der Psychotherapie“ zu lindern, müssen Sie lediglich diesen allgemeinen Kausalzusammenhang nachweisen.
Wichtig ist zudem, dass die vorstehend skizzierten Maßstäbe auch innerhalb der Fachkreise gelten und nicht auf Mitteilungen an das Laienpublikum (Patienten) beschränkt sind. Es
macht somit keinerlei Unterschied, ob Sie eine therapeutische (Werbe-)Aussage gegenüber einem Kollegen oder gegenüber der Öffentlichkeit treffen.
Weiterhin gilt: Medizinische Erfolgsversprechen sind unzulässig. Dies betrifft sämtliche Arten von Garantieversprechen. Werben Sie nicht mit einer „Geld-zurück“-Garantie oder
ähnlichen Zusagen.
Hier eine Reihe von Beispielen für unzulässige Erfolgsversprechen oder Übertreibungen:
„Tritt innerhalb von 2 Wochen keine Besserung ein, erstatte ich Ihnen das Honorar.“
„Schon nach kurzer Zeit werden Sie mit Sicherheit 5-10 Kilo abnehmen.“
„Mein neuartiges Heilverfahren ist bei allen Erkrankungen des Magens erfolgreich.“
„Ich biete gezielte Hilfe bei allen chronischen
Krankheiten“
„ ... von jedem anwendbar“
Naturheilkundliche Behandlungen erwecken beim Patienten oft den Eindruck, sie seien frei
von schädlichen Nebenwirkungen. Tatsächlich können jedoch auch diese Therapieformen
Risiken oder Nebenwirkungen beinhalten. Berücksichtigen Sie dies in Ihrer Werbung. Verwenden Sie Begriffe wie „natürlich“, „sanft“, „gut verträglich“, „unschädlich“, „frei von Nebenwirkungen“ mit Bedacht. Prüfen Sie mögliche Nebenwirkungen im Zweifelsfall anhand
von Fachbüchern nach.
2.) Die vorstehende Problematik betrifft nicht ausschließlich heilkundliche (krankheitsbezogene) Werbemaßnahmen; die entsprechenden Vorgaben richten sich vielmehr auch an
Werbeaussagen zu gesundheitsfördernden Wirkungen gegenüber gesunden Personen.
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Hierzu hat sich jüngst das OLG Koblenz in seinem Urteil vom 10.01.2013 (Az. 9 U 922/
12) geäußert. Es hat klargestellt, dass bereits dann eine Täuschung der Verbraucher (nicht
Patienten) vorläge, sofern mit rein gesundheitsfördernden Wirkungen (hier positive Effekte
von Fitness-Sandalen) geworben wird, sofern diese nicht wissenschaftlich belegt werden
können.
Sofern in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen würde, seien besonders
strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussage zu stellen. Wegen der nach allgemeiner Auffassung der menschlichen Gesundheit zukommenden besonderen Bedeutung können Erzeugnisse, die zu ihrer Erhaltung oder Förderung
beitragen, erfahrungsgemäß mit gesteigerter Wertschätzung rechnen, so dass sich eine
an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahme als besonders wirksam erweise. Dabei
ist Gesundheit als ein über das Fehlen von Krankheiten und Gebrechen hinausgehender
Zustand vollständigen körperlich, geistigen Wohlergehens zu verstehen. Sofern eine Werbung einen gesundheitsbezogenen Zusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt
und der Gesundheit des Anwenders herstellt, müssen die behaupteten gesundheitsfördernden Wirkungen hinreichend wissenschaftlich belegt sein.
Die Bewerbung einer Aussage verbietet sich, wenn der Werbende die wissenschaftliche
Absicherung der gesundheitsfördernden Wirkung nicht dartun kann oder die Aussage wissenschaftlich umstritten ist und damit jeder Grundlage entbehrt.
Das Oberlandesgericht hat ferner festgestellt, dass die Formulierung "kann helfen ..." für
den angesprochenen Verkehr den Eindruck erweckt, es könne eine Vorbeugung gegen
Cellulite erwartet werden. Hierzu hat es wie folgt ausgeführt:
„Es kommen zwei Bedeutungsvarianten des Wortes "kann" in Betracht. Das Wort deutet im Sinne einer Annahme oder Vermutung eine bloße Möglichkeit an, deren Vorliegen ungewiss ist und lässt sich dann mit "vielleicht" oder "möglicherweise" umschreiben
- "morgen kann es regnen"- oder es beschreibt ein Vermögen oder eine Fähigkeit, die
das jeweilige Subjekt betrifft und lässt sich dementsprechend mit den Ausdrücken "Vermögen", "in der Lage" oder "fähig sein" wiedergeben -"er kann lesen" - (Duden, Grammatik der Deutschen Gegenwartssprache, Rdnr. 131 ff). Aus dem Zusammenhang dürfte die erste Variante ausscheiden, denn es erscheint wenig einleuchtend, einen Funktionsablauf zu schildern, gleichzeitig aber verdeutlichen zu wollen, dass diese Schilderung ungewiss sein soll. Vielmehr drängt sich das Verständnis auf, dass der Erfolg "Cellulite vorzubeugen mit Hilfe der Schuhe" als funktionierend beschrieben werden soll.
Selbst wenn das "kann" von einem Teil des angesprochenen Verkehrs einschränkend in
dem Sinn verstanden werden sollte, dass die beschriebene Wirkung nur "vielleicht" eintritt, wird ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs das "kann" im Sinne eines Erfolgs, der mit Hilfe der Schuhe eintreten kann, verstehen. Dies genügt aber
um eine Werbung als irreführend anzusehen.“
3.) Aufklärende Hinweise
Um dem Vorwurf einer Patiententäuschung entgegenzuwirken, kann ein aufklärender Hin26
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weis auf der Internetpräsenz Verwendung finden. Dieser könnte beispielsweise wie folgt
lauten:
Meine Therapieverfahren und deren Wirkungen sind schulmedizinisch/wissenschaftlich
weder bewiesen noch anerkannt. Sie beruhen ausschließlich auf dem Erfahrungswissen
der Naturheilkunde. Der Verlauf und Erfolg der Behandlung hängt stets von individuellen
Faktoren des Patienten ab. Bei keiner der aufgeführten Therapien verspreche oder garantiere ich eine Heilung oder Linderung einer Erkrankung.
Die rechtlichen Auswirkungen eines solchen Hinweises sind jedoch bislang nicht abschließend rechtlich geklärt. Der Hinweis erhöht die Rechtssicherheit für den Verwender, befreit
ihn jedoch nicht davon, die aufgezeigten Vorgaben des HWG zu beachten. Zudem müsste
der Hinweis deutlich – drucktechnisch hervorgehoben - angezeigt werden.
Zudem muss auch das naturheilkundliche Erfahrungswissen, welches einer Wirksamkeitswerbung zugrunde liegt, belastbar sein. Um die Wirksamkeit mit praktischen Erfahrungen
zu belegen, müssen diese praktischen Erfahrungen hinreichend gesichert sein; die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Werbende. Wird für den Nachweis der Wirkung
oder Wirksamkeit auf praktische Erfahrungen verwiesen, so müssen diese hinreichend gesichert sein; nicht jede praktische Erfahrung reicht als Nachweis aus. (OLG Frankfurt am
Main, Urt. v. 27.03.2008 – 6 U 52/07)
Abnehmwerbung
(OLG Dresden, 02.02.1999, 14 U 1700/98)
Das Heilmittelwerbegesetz findet in der Regel auch auf Produkte Anwendung, die eine Gewichtsabnahme erreichen sollen. Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG erstreckt sich der Anwendungsbereich neben Arzneimitteln auch auf Werbung für andere Mittel, Verfahren und
Behandlungen, soweit sich die Werbeaussage auf die Beseitigung oder Linderung von
Krankheiten, Leiden oder krankhaften Beschwerden bei Menschen bezieht.
Werbebotschaften für eine Schlankheitsmethode sind meist ohne Einschränkungen formuliert. Sie beziehen sich oft auch auf Fälle krankhafter Dickleibigkeit. Adipositas ist eine
Krankheit im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes. Vom Krankheitsbegriff ausgenommen
sind lediglich geringe Abweichung vom Normalgewicht, die nach Auffassung der von der
Werbung angesprochenen Verkehrskreise keiner Behandlung bedürfen. Nur unerhebliches
und vorübergehendes Übergewicht ist keine Krankheit im Sinne des Heilmittelwerberechts.
Als Faustformel zur Abgrenzung hat das OLG Dresden angenommen, dass bei einer
Überschreitung des Normalgewichts von 20 % bzw. eines BMI von über 30 eine Adipositas
vorliegt.
Ist in einer Zeitungsanzeige von "Hilfe bei großen Gewichtsproblemen" die Rede umfasst
diese Werbeaussage deshalb auch eine behandlungsbedürftige Krankheit. Nicht aus27
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schlaggebend ist hierbei, ob die großen Gewichtsprobleme, denen abgeholfen werden
soll, ernährungsbedingt sind.
Wichtig ist: Wird die Werbung nicht ausdrücklich auf unerhebliches Übergewicht eingeschränkt, finden sie Vorgaben des HWG Anwendung. Für eingeschränkte Werbeaussagen
gelten hingegen allein die Vorgaben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
Das OLG Dresden hat folgende Werbeslogans als irreführend untersagt:
- "Das revolutionäre DauerSchlank-Programm"
Dieser Werbehinweis sei geeignet, den Eindruck zu erwecken, der Werbende biete eine
Schlankheitsmethode an, die bei einmaliger Anwendung bzw. Durchführung des "Programms" dauerhaft zum Erfolg führe. Zwar sei den Adressaten bewusst, dass grundsätzlich jede Diät nur solange Wirkungen zeigt, wie nicht zu den alten Essgewohnheiten zurückgekehrt wird. Der Hinweis "DauerSchlank Programm" werde daher nicht ohne weiteres als ein ernst gemeinter, von jeglicher Werbeanpreisung freier informativer Hinweis verstanden. Durch den vorangestellten Zusatz "Das revolutionäre ..." bestünde allerdings die
Gefahr, dass die Leser annehmen, es handle sich um eine neu entwickelte Schlankheitsmethode, die sämtliche bisherigen Erkenntnisse und überkommenen Vorstellungen in Frage stelle und tatsächlich dauerhaft zum Erfolg führe. Damit werde der Behandlung eine
therapeutische Wirksamkeit beigelegt, die sie tatsächlich nicht habe, weil die Methode wie viele Diäten - auf einer reduzierten Kost beruht und von Willensanstrengungen und
Überwindungen abhänge.
-"...alle reduzieren spielend leicht und ohne Heißhunger ihren überflüssigen Speck" .
Hierdurch werde der Eindruck vermittelt, ein Erfolg könne mit Sicherheit erwartet werden
(§ 3 Nr. 2 a) HWG). Dies sei wissenschaftlich indes nicht gesichert. Das Gericht hat auf ein
Gutachten verwiesen. Danach wird ein Großteil (50 %) von Diäten wegen eines zu Beginn
der Diät stärker auftretenden quälenden Hunger- bzw. Appetitgefühls abgebrochen. Der
menschliche Körper stellt sich auf eiweißreichhaltige Kost erst nach etwa drei Tagen um
und reagiert dann nicht mehr so leicht mit Hunger- oder Appetitgefühlen. Es trifft daher
nicht zu, dass die Gewichtsreduktion "spielend leicht" mit Hilfe der Methode eintrete. Vor
allem sei irreführend, dass "alle", mithin sämtliche Anwender der Methode, problemlos abnehmen könnten, ein Erfolg also garantiert sei.
- "Dies alles geschieht mit medizinischer Betreuung" / "Unser medizinisches Fachpersonal
informiert Sie gerne!"
Dieser Hinweis sei irreführend; er erwecke die Vorstellung einer in jeder Hinsicht zuverlässigen und ungefährlichen Behandlung, was aber angesichts der mit einer nicht nur unerheblichen Gewichtsabnahme stets verbundenen Gesundheitsrisiken nicht zutreffen würde.
Vermeiden Sie deshalb Werbeaussagen für Schlankheitsmethoden wie "dauerhaft", "spielend leicht" und unter "medizinischer Betreuung". Diese Aussagen können auch als Heilversprechen gewertet werden. Dies gilt selbst dann, wenn krankhaft fettsüchtige Personen
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in einem obligatorischen Informationsgespräch zu Beginn der Behandlung darüber aufgeklärt werden, dass die Methode für sie ungeeignet ist.
Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 30.01.2014 entschieden, dass der Slogan
„Stoppt Durchfall“ irreführend ist, wenn der tatsächliche Erfolg erst nach zwei Tagen eintritt. Das Gericht hat den Begriff „Stoppt“ so ausgelegt, dass eine Heilung innerhalb von Stunden hätte erzielt werden müssen.
Auch der Slogan „Abnehmen ohne Diät“ kann rechtswidrig sein, sofern hiermit für
ein Schlankheitsprogramm geworben werde soll, welches eine Ernährungsumstellung beinhaltet. Dies gilt zumindest dann, wenn die Umstellung dazu führt, dass einzelne „Dickmacher“ weggelassen werden müssen.
Unzulässig ist ferner eine Werbung für Extrakt aus grünem Tee mit der Aussage „entgiftet“,
sofern die Wirksamkeit nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert ist.
KISS-Syndrom" und "KIDD-Syndrom"
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 5. November 2013 (Az. I-20 U 107/
13) in einem Fall werbende Aussagen zu den Themen "KISS-Syndrom" und "KIDD-Syndrom" für unzulässig erachtet. Dem Antragsgegner wurde unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für eine "manuelle
Therapie" mit entsprechenden (im Urteil wiedergegebenen) Aussagen zu diesen Syndromen zu werben. Das Urteil schränkt die Möglichkeiten der Werbung für das "KISS-Syndrom" und "KIDD-Syndrom" erheblich ein.
Das Gericht nimmt eine Irreführung bereits dann an, wenn einem Verfahren eine therapeutische Wirksamkeit als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit fachlich aber
umstritten ist. Die vom Antragsgegner unter den Bezeichnungen "KISS-Syndrom" und
"KIDD-Syndrom" benannten Auffälligkeiten deuteten auf einen therapiebedürftigen pathologischen Zustand hin, welcher jedoch schulmedizinisch umstritten sei. Zudem würde der
Antragsgegner seine manualmedizinischen Verfahren als wirksam darstellen, könne dies
jedoch wissenschaftlich nicht beweisen. Wichtig: Bereits die Beschreibung des Zustandes
als „krankhaft“ wertet das Gericht als unzulässig. Die Folgen dieser Auffassung könnten
ggfs. weitreichend sein.
Das Gericht folgte auch nicht dem Einwand, dass selbst Krankenkassen die Behandlungskosten übernehmen. Denn: „Wann und weshalb Krankenkassen bestimmte Kosten übernehmen, ist nicht allein eine Frage des wissenschaftlichen Beweises einer Wirksamkeit
der entsprechenden Behandlung, sondern hängt von diversen, zum Teil auch betriebswirtschaftlichen Erwägungen der Kassen ab. Die Erstattung bestimmter Kosten dient allein ihrem Bestreben, bestimmte Bevölkerungsteile an sich zu binden.“
Zudem hat das Gericht beanstandet, dass der Antragsgegner auf die in Fachkreisen herrschenden Unstimmigkeiten die Wirksamkeit einer "KISS-/KIDD-Therapie" betreffend in der
Veröffentlichung nicht ernsthaft hingewiesen hat. Ein solcher Hinweis müsste den angesprochenen Verkehrskreisen, also Durchschnittsverbrauchern, verdeutlichen, dass die ob29
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jektive Richtigkeit der zuvor ausführlich getätigten Aussagen über Ursache, Wirkung und
Behandlungsbedürftigkeit in Frage gestellt werden.
VIII. Berufs-/ Praxisbezeichnungen
Wählen Sie Ihre Berufs- und Praxisbezeichnung mit Sorgfalt. Vermeiden Sie auch hier den
Eindruck einer Irreführung. Falls Sie einen fachfremden - nicht medizinischen - Doktortitel
führen, weisen Sie zur Klarstellung auf die Fachrichtung hin.
Die Bezeichnung als Heilpraktiker ist von Gesetzes wegen vorgegeben. Stellen Sie deshalb stets klar, dass Sie Heilpraktiker sind. Verwenden Sie Begriffe wie „Praxis“ nicht ohne
entsprechenden Hinweis auf Ihrer Eigenschaft als Heilpraktiker. Das OLG Hamm hat
jüngst entschieden, dass die Bezeichnung „Praxis für Fußpflege“ irreführend ist, sofern der
Werbende keine Erlaubnis nach dem Podologengesetz besitzt. Es sei unerheblich ob der
Betreffende die Behandlungen genauso gut oder besser erfüllen könne.
Weitere Zusätze zu Ihrer Berufsbezeichnung sind grundsätzlich möglich. Beachten Sie
aber: Eine Reihe von Berufsbezeichnungen wie „Krankenschwester“, „Masseur“, „Physiotherapeut“, „Psychotherapeut“ sind gesetzlich geschützt. Sie dürfen nur von den hierzu
aufgrund einer staatlich anerkannten Ausbildung / Prüfung berechtigten Personen geführt
werden. Problematisch ist auch die Bezeichnung „Therapeut“. Vermeiden Sie stets den
Eindruck einer staatlichen Anerkennung, wie sie beispielsweise durch die Bezeichnung
Akupunkteur, Homöopath, Chiropraktiker oder Osteopath hervorgerufen werden kann.
Auch die Werbung mit "Praxis für Psychotherapie und Traumatherapie" ist ohne eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung mit Hochschulabschluss unzulässig. (Landgericht Oldenburg, Urteil vom 25.09.2008 - 15 O 1295/08)
Eine Therapeutin hatte in ihren Briefbögen und auf ihrer Internetseite mit der fett gedruckten Überschrift "Praxis für Psychotherapie und Traumatherapie" geworben. Es folgte ihr
Name und eine Auflistung ihrer Tätigkeitsschwerpunkte mit dem Hinweis "Heilpraktikerin
für Psychotherapie" in kleinerer Schriftgröße. Das Gericht erachtete trotz dieses Zusatzes
die Werbung mit einer solchen Überschrift als rechtswidrig. Es sei nicht hinreichend deutlich, dass die Therapeutin keine approbierte Psychotherapeutin im Sinne des Psychotherapeutengesetzes sei. Bereits durch die hervorgehobene Überschrift werde bei dem angesprochenen Personenkreis der Eindruck erweckt, es handele sich um eine Psychotherapeutin mit Hochschulstudium. Ein klarstellender Hinweis im "Kleingedruckten" auf die Heilpraktikertätigkeit reiche nicht aus, um dieser Gefahr zu begegnen; hiermit könne nämlich
auch eine Zusatzqualifikation gemeint sein. Wichtig für Sie ist deshalb: Stellen Sie in Ihrer
Werbung stets Ihre Berufsbezeichnung als Heilpraktiker in den Fokus.
Zusatzbezeichnungen müssen zudem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Sind
Sie als Einzelheilpraktiker tätig, wäre eine Bezeichnung als „Zentrum für Naturheilkunde“
oder „Institut für Akupunktur“ irreführend, weil ein falscher Eindruck über Bedeutung und
Größe ihrer Praxis entstünde.
UWG und HWG verbieten Heilpraktikern, irreführende Aussagen über die berufliche Tätigkeit kundzutun. Die zu Werbezwecken benutzten Zusatzangaben dürfen die Patienten
nicht täuschen; sie müssen eine sachliche Grundlage haben.
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