Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Was irritiert den Darm? Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien 27. Oktober 2016 Annemarie Brunec-Šćerbe-Saiko Diaetologin ©ABŠS 2016 Störungen im GIT ©ABŠS 2016 Die Sprache unseres Darms • Organische Ursachen Völlegefühl − Akut oder chronisch − Angeboren oder erworben − Mikrobiom Blähungen Schmerzen • Ernährungsbedingt − Adipositas / Anorexie • Psychische Ursachen Durchfall − Stress, Ärger, Seelische Belastung • Äußere Einflüsse Verstopfung − Lifestyle, Umweltbelastung, Hygiene − Infektion (Bakterien, Viren, Mykosen) www.onmeda.de ©ABŠS 2016 „Was kann das sein?“ ©ABŠS 2016 Reizdarmsyndrom - Symptomatik • Reizdarm (Colon Irritabile, Irritable Bowel Syndrom) » Blähungen und abdominelle Distension • Chronisch entzündliche Darmerkrankung » Schmerzen und Unwohlsein im Bauchraum » Veränderung der Stuhlgewohnheiten ansteigend im Laufe des Tages + nach Nahrungsaufnahme (M. Crohn, Colitis ulcerosa) Verstopfung, Durchfall, wechselnd • Nahrungsmittelunverträglichkeit » Gefühl der unvollständigen Darmentleerung » Viszerale Hypersensitivität » Psychische Fixierung » Nicht-Darmbezogene Symptome (Fructose, Lactose, Sorbit, Histamin, Gluten) • Nahrungsmittelallergie (Zöliakie, Eosinophile Colitis/Ösophagitis, KMA) • Andere Malabsorptions-Maldigestionserkrankungen Übelkeit, Sodbrennen, Reflux, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Fibromyalgie, Schlafstörungen, Dysurie… (Kurzdarm, Stoma, Exokrine Pankreasinsuffizienz, Leber, Galle) ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 1 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 „Der Irritierte Darm“ Ausschlußkriterien Starke Assoziation mit psychiatrischen Erkrankungen! • • • • • • • Psychische Faktoren bei Bauchschmerzen Gedankenkreisen, Grübeln und Sorgen wegen der Symptome kann in einem Teufelskreis die Symptome unterhalten und verstärken Innere Anspannung und Stress Nervale Steuerung des Darmes Muskelverkrampfung im Darm SchmerzWahrnehmung H2 Atemtest (Laktose, Fruktose, Glukose, Sorbit) IgG4-Nahrungsmittelunverträglichkeitstests Dünndarmbiopsie und Serumtransglutaminase Calprotectin im Stuhl, Koloskopie, Rad. Diagnostik Elastase im Stuhl und Pankreas-CT Leberwerte, Blutbild, Entzündungsparameter Ultraschall: Leber, Gallenwege, Pankreas Organische Faktoren Thieme, Taschenatlas d. Physiologie, S. Silbernagl ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Morbus Crohn Colitis Ulcerosa Charakteristik: Charakteristik: • Diskontinuierlicher Befall • Sämtliche Wandschichten • Gesamter GIT • Kontinuierlicher Befall • Oberflächliche Schichten • Rektum und Colon Klinik: Klinik: • Schmerzen • Diarrhoe • Fieber • Schmerzen • Diarrhoe +/- Blut Komplikation: • Toxisches Megacolon • Perforation • Carzinom (CAC) Komplikation: • Fisteln/Abszess • Stenose/Perforation Therapie gastroenterologischer Krankheiten, Caspary, Mössner, Stein ©ABŠS 2016 Lactoseintoleranz Therapie gastroenterologischer Krankheiten, Caspary, Mössner, Stein Fructose Malabsorption • Vorkommen der Lactose (= Glucose + Galactose) • Vorkommen der Fructose Milch und Milchprodukte jeder Tierart, Muttermilch (Buttermilch, Joghurt, Ricotta, Topfen, Hüttenkäse, Weichkäse, Molke) • Resorption Apfel, Birne, Feige, Mango, Dosen- und Trockenobst, Wassermelone, Artischocke, Spargel, Honig, HFCS (High-Fructose-Corn-Syrup) • Resorption Enzymatische Spaltung im Dünndarm durch Lactase Mangel oder Fehlen der Laktase bei Laktosemalabsorption/-intoleranz FODMAP-Verträglichkeit kann sich im Laufe des Lebens je nach Lebensstil und Alter verschlechtern (dynamischen Laktosetoleranz) Lactase-Präparate, Ernährungstherapie GLUT-5-Transporter im Dünndarm begrenzte Aufnahmefähigkeit bei IBS oder Fructose-Unverträglichkeit > 50 g Fruktose 80 % der gesunden Menschen reagieren mit Malabsorption gleichzeitige Einnahme von Glucose (Traubenzucker) im richtigen Verhältnis kann die Resorption verbessern (GLUT-2-Tansporter) ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 2 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Warum bewirken Zuckeraustauschstoffe Durchfall? „Was kann das noch sein?“ „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“ • Divertikulose, Divertikulitis, Colon Carcinom Große Moleküle Mangelnde Resorption im Darm Bakterielle Gärung Osmotische Wirksamkeit • Bakterielle Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO) • Akute oder chronische postoperative Bauchbeschwerden • Zuckeralkohole (Polyole) • Homonelle Störungen Sorbitol (Sorbit), Mannitol, Isomalt, Maltit, Erythrit, Xylit, Lactit (Kennzeichnungspflicht EU-Richtlinie 94/35/EG) (Schwangerschaft, Wechsel, Schilddrüsenerkrankungen) • Vorkommen • Nebenwirkungen von Medikamenten Apfel, Aprikose, Kirsche, Trockenfrüchte, Pilze, Spinat, zuckerfreie Süßigkeiten, Kaugummis und Getränke, Bier (Antibiotika, NSAR, Metformin, Spasmolytika, Mg, Fe, Lax, Opiate…) ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Unser Verdauungssystem Bristol-Stuhlformen-Skala Flüssigkeitsströme im GIT Oberer Dünndarm 10 Liter/d Terminales Ileum Fäces Bakterielle Besiedelung des GIT Schlütersche, Mikroökologie des Darmes, G. Beckmann ©ABŠS 2016 Resorption Barriere Mikrobiom 200 ml/d ©ABŠS 2016 mechanisch chemisch aktiv passiv 2 Liter/d Quelle: Lewis SJ, Heaton KW; Stool form scale as a useful guide to intestinal transit time. 1997 Magen – Darm – Leber – Bauchspeicheldrüse Verdauung Schlütersche, Mikroökologie des Darmes, G. Beckmann ©ABŠS 2016 Bakterielle Besiedelung des GIT ©ABŠS 2016 Schlütersche, Mikroökologie des Darmes, G. Beckmann Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 3 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Aufgaben des Mikrobioms Ernährung beeinflusst die Darmflora • Balance zwischen Inflammation und Toleranz: − Proinflammatorisch: Proteobacterien − Antiinflammatorisch: z.B. Bacteroidetes ©ABŠS 2016 GI-Transit und Mikrobiota P.K. Kump, De Filippo C. et al, Proc Natl Acad Sci USA 2010 ©ABŠS 2016 Hirn-Bauch-Achse Psychosoziale Faktoren Autologes Nervensystem Enterisches Nervensystem MOTILITÄTSSTÖRUNG VISZERALE HYPERSENSITIVITÄT HYPERPERMEABILITÄT INFLAMMATION Kashyap PC et al. Gastroenterology 2013 ©ABŠS 2016 Wann braucht der Darm Unterstützung? Thieme, Taschenatlas d. Physiologie, S. Silbernagl ©ABŠS 2016 Barriere-Funktion des Darmes • Überwucherung der pathogenen Keime im Darm • Schwaches Immunsystem – Gestörte Bildung von AK (reduzierte Makrophagenaktivität) – Niedriges IL-10 (= entzündungshemmendes Zytokin) • • • • Entzündungen im GIT Mangelernährung der Dickdarmschleimhaut (Butyrat) Gestörter Nährstofftransport und Enzymdefizit Gestörte intestinale Barriere (Zonoline) ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Schlütersche, Mikroökologie des Darmes, G. Beckmann Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 4 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Diätetische Möglichkeiten bei Diarrhoe und Obstipation Schwachstelle des Mikrobioms Occludin Claudin Jam Matrix ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Transitzeit fester Nahrungsbestandteile Mund Einflüsse auf die Transitzeit Zusammensetzung der Nahrung (EW, F, KH, Bst) Mahlzeitenfrequenz 2 - 5 Sek. Speiseröhre 10 Sek. Gastrokolischer Reflex Magen 3 Std. Dünndarm Konsistenz, Temperatur Medikamente, Stress Erkrankungen des Verdauungsapparates 3 - 5 Std. Colon 25 - 30 Std. Rectum 30 - 120 Std. Zeit vom Verzehr bis zum Verlassen Thieme, Taschenatlas d. Physiologie, S. Silbernagl ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Obstipation – wie oft ist normal? 1x/Tag 3x/Tag Ernährungsintervention 1x/Woche • Sofortmaßnahmen – Nüchternreize – Thermisch (heiß, kalt) – Physikalisch (Bauchmassage, Gastrokolischer Reflex) – Chemisch (sauer) = KEINE chronische Unterversorgung mit Laxantien! • Vor deren Einsatz sollte zunächst mit allgemeinen Maßnahmen wie – – – – – Ernährungsumstellung Bauchmassagen Stressabbau, Lifestyle Modifikation Toilettenkonditionierung Probiotika • • • • versucht werden, den trägen Darm wieder in Schwung zu bringen! Turnstunde für den Darm (Beckenbodentrainig) CAVE - Ballaststoffe, Flüssigkeit Osmotische Wirkung von Mg, Lactose Probiotika ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 5 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Diarrhoe Low-FODMAP-Diät (LFD) • Osmotisch (z. B. KH-Malabsoption, Lavage, Laxantien) • Sekretorisch (z.B. Virusgastroenteritis, Cholera, Kollagencolitis) Ernährungstherapie: Schleimsuppe & Co www.diaetologen.at Hygroskopische Wirkung erzielen (Zwieback, Soletti, Reiswaffeln, trockenes Weissbrot, lösl. Ballaststoffe, Kieselsäure-Gel, hochdosierte Probiotika) CAVE Exsiccose! Ausreichende Flüssigkeitssubstitution und Elektrolyt-Ausgleich (Na, K) Reizarme Kost, LVK, Schwarztee, keine Rohkost, Wasserpüree, zerdrückte Banane, geschabter Apfel, getrocknete Heidelbeeren ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Was bewirken FODMAPs? Therapeutische Möglichkeiten osmotische Wirksamkeit erhöhte Gasproduktion (Nachweis durch H2-Atemtest) Distension, Flatulenz, Motilitätsstörungen, Schmerzen, erhöhte Krampfneigung Gesteigerte intestinale Permeabilität aufgrund Dehnung der Darmwand erhöhte Entzündungswahrscheinlichkeit Positive Wirkung beim Typ IBS-C durch Reduktion der FODMAPs bei etwa 60 bis 70 Prozent der Patienten Einfluss auf die Darmflora • • • • • • • Medikamente (Spasmolytika, Prokinetika, Laxantien, Carminativa) Psychotherapeutische Behandlung (AD, CBT, Hypnose) Fäkale Stuhltransplantation (= „Superprobiotikum“) Lebensstilmodifikation (Yoga, Jacobson, Sport..) Ernährungstherapie individuell Phytotherapie Probiotika ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Probiotika und IBS Präbiotika und IBS Mikrobiom des Reizdarmpatienten Präbiotika 250 Stämme fehlen! (wie bei CED) Dysbiose (instabile Darmflora) reduzierte Darmflora (v.a. Lacto- und Bifidobakterien) • sind kurzkettige Oligosaccharide, die in Pflanzen und der Muttermilch vorkommen, nicht durch Dünndarmenzyme hydrolysiert werden und im Dickdarm als Substrat zur bakteriellen Fermentation dienen Verbesserung der Symptomatik Präbiotisch wirksame Substanzen durch hochdosierte Gabe von Multispezies-Probiotika • GOS, FOS, Inulin, Soy-Oligosaccharide, Beta-Glukan, Guar, XyloOligisaccharide, Laktulose • Lösliche Ballaststoffe wie Methylcellulose, Psyllium/Ispaghula der Pflanzengattung der Wegeriche (lat. Plantago) können gegen Reizdarm des Obstipations-, Diarrhoe- und Schmerztyps eingesetzt werden. (Indischer Flohsamen) Verringerung der bakteriellen Endotoxinproduktion Reduktion der abnormen Gasbildung (Methan ) Proliferation der Epithelzellen und der Darm-Mucosa Verbesserung von Stuhlkonsistenz und Defäkation Wiederherstellung der Biodiversität des Mikrobioms ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 6 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Fermentation und Verwertung von Ballaststoffen Präbiotika und IBS Effekt auf das Mikrobiom BALLASTSTOFFE • Antiinflammatorischer Effekt durch Produktion von SCFA • Steigerung der intestinalen Biomasse und der fäkalen Energie (Erhöhung des Stuhlvolumens) • Selektives Wachstum von Bifidobakterien und Lactobacillen • Reduktion des Wachstums von Clostridium difficile • Verminderung des Eindringens von path. Keimen in die Mucosa • Steigerung der CA-Resorption Mikrobielle Enzyme Glucose Pyruvat Nebenwirkungen • Produktion von CO2 und H2 Blähungen, Völlegefühl Gase SCFA H2 CO2 CH4 Acetat Propionat Butyrat ©ABŠS 2016 Kurzkettige Fettsäuren (SCFA) ©ABŠS 2016 Ernährungstipps • Stoffwechselprodukt des anaeroben Abbaus von Polysacchariden (N-Butyrat, Proprionat, Acetat) • Energielieferant für den Enterozyten (Muskel, Gehirn) • Einfluss auf Proliferation und Differenzierung der Mukosazellen (Chemoprophylaxe) • Stimulation von mukosalem Blutfluss, Schleimproduktion und Hormonausschüttung (Appetit, Fettstoffwechsel z.B. GLP-1) • Reduktion des PH-Wertes • Antientzündliche Aktivität • Stimulation der NaCl- und Wasserresorption • Kleine Mahlzeiten öfter über den Tag verteilt • Achtsames Essen langsames Essen, bewusstes Kauen, keine Ablenkung • Flüssigkeitszufuhr ausreichend trinken, zeitlich versetzt zu den Mahlzeiten • Alkohol, Tee und Kaffee alkoholische Getränke, Kaffee und schwarzen/grünen Tee möglichst reduzieren, Kohlensäure meiden • Mildes Essen Meidung von stark gewürzten, sehr salzigen, süßen, scharfen oder fetten Lebensmitteln Bischoff S. Präbiotika, Probiotika, Symbiotika, Thieme Verlag 2009 ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Probiotika-Weitere Anwendungsgebiete Probiotika-Weitere Anwendungsgebiete • Antibiotika induzierte Diarrhoe • Neurodermitis – 10-25% der Kinder in westlichen Ländern leiden unter Atopischer Dermatitis Der Platzhirsch: Lactobacillus Rhamnosus (Moro G et al. Ach Dis Child 2006) • Reise-Diarrhoe • Allergien, Asthma, Heuschnupfen • Candida albicans – Gynäkologie, Onkologie, Pädiatrie • Fäkale Stuhltransplantation (FST) ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 7 Störungen im Magen-Darm-Trakt des Erwachsenen Wien, 27.Oktober 2016 Buchtipps ©ABŠS 2016 ©ABŠS 2016 Haus der Barmherzigkeit, Seeböckgasse, Wien ©ABŠS 2016 8