Der Darm als Zentrum der Gesundheit und Krankheit Fortbildungsveranstaltung der DGMIM e.V. in Kooperation mit Darm plus Wien, 20.September 2013 Zum Thema „Der Darm als Zentrum der Gesundheit und Krankheit“ veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom gemeinsam mit der österreichischen Initiative „Darm plus“ am 20.9.2013 eine interdisziplinäre Fortbildungsveranstaltung an der Universität für Bodenkultur Wien. Die Organisatoren, Prof. Dr. Wolfgang Kneifel (Institut für Lebensmittelwissenschaften, BOKU) und Prof. Dr. Walter Reinisch (Univ.Klinik für Innere Medizin III, Wien) konnten nicht nur rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschieden Fachbereichen begrüßen, sondern auch eine Reihe renommierter Vortragender aus Österreich und Deutschland. Darmmikrobiota und Darmgesundheit Im Einführungsreferat wies Prof. Dr. Stephan Bischoff (Institut für Ernährungsmedizin & Prävention der Universität Hohenheim) auf die Bedeutung der Darmmikrobiota (dieser Begriff umschreibt die Vielzahl und die Diversität der im Darm vorkommenden Mikroorganismen) sowie auf die wichtige Barrierefunktion der Darmschleimhaut hin. Er definierte auch den Begriff „Darmgesundheit“ und erklärte diesen anhand von Beispielen. Die in den letzten Jahren entwickelten Untersuchungsmethoden erlauben es, jedem Individuum ein ganz bestimmtes genetisches Mikrobiommuster zuzuordnen. Darauf basierend sollte es auch möglich sein, noch gezielter als bisher therapeutische Ansätze zu finden oder bestimmte Diäten anzuwenden. Letztlich ist bei einer solchen differenzierten Betrachtung auch ein Zusammenhang zwischen Adipositas und individueller Mikrobiota zu erkennen, denn der Darm spielt somit auch in der Stoffwechselregulation eine wichtige Rolle. Möglicher Einfluss der Darmbakterien auf unser Körpergewicht Diesem spezifischen Thema widmete sich der Vortrag von Prof. Dr. Thomas Stulnig von der Medizinischen Universität Wien (Klin. Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel). Das menschliche Immunsystem reagiert auf durch Bakterien hervorgerufene, entzündliche Vorgänge auch in der Form, dass es zu nachhaltigen Veränderungen im Stoffwechsel sowie im Energiehaushalt kommen kann. Somit sind auch Adipositas und Darmmikrobiota in einem gewissen Zusammenhang zu sehen. Während bei nicht fettleibigen Individuen das Risiko gegenüber metabolischen Erkrankungen bei relativ hoher mikrobieller Vielfalt der Darmmikrobiota gering ist, ist dies bei fettleibigen exakt umgekehrt. „Signale aus dem Bauch“ mitverantwortlich für Reizdarm und Arthritis Mit speziellen, hochauflösenden Kameras können heute auch die Nervenreize im Darm sichtbar gemacht werden. Untermauert durch Film-Anschauungsmaterial wurde das faszinierende Gebiet der Neuroimmunologie von Prof. Dr. Michael Schemann (Techn. Universität München) vorgestellt. Über den Begriff „Darm-Hirn-Achse“ wurde in letzter Zeit sehr viel berichtet. Im Vortrag ging der international anerkannte Neurobiologe insbesondere auf die Charakterisierung der „Signale aus dem Bauch“ ein und konnte zeigen, dass z.B. bei Reizdarmpatienten bestimmte Bakterien im Darm Stresssignale auslösen können, die über das zentrale Nervensystem weiter potentiert werden. Die feine Verästelung der Nervenfasern im Darm vermag dort empfindlich auf mikrobiell bedingte Veränderungen zu reagieren. Interessant ist die Tatsache, dass auch rheumatische Erkrankungen ihre Ursache im Darm haben können. Ausgehend von im Darm durch lokale Entzündungsvorgänge ausgelösten Immunreaktionen können sich die entzündlichen Reaktionen auch in den Gelenken manifestieren. So kann letztlich auch die Arthritis als typische Volkskrankheit unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Vor allem der Verlust der Toleranz gegenüber der eigenen Flora löst eine geschwächte Barrierefunktion der Darmschleimhaut aus, woraus sich weitere Reaktionen des gesamten Organismus ableiten lassen. Prof. Dr. Hans Kiener von der Klin. Abteilung für Rheumatologie der Medizinischen Universität Wien referierte zu diesem ebenfalls spannenden Thema. Darmbakterien als möglicher Auslöser von Krebserkrankungen Auch die Entstehung von Krebs kann mit viralen und bakteriell bedingten Entzündungen des Gastrointestinaltrakts in Zusammenhang gebracht werden. Es ist auch bekannt, dass bestimmte Parasiten dazu in der Lage sind. Prof. Dr. Gabriele Kornek vom Krebsforschungszentrum der Medizinischen Universität Wien gab einen Überblick über dieses Thema. Weltweit erkrankt heute jeder Dritte im Laufe seines Lebens an Krebs. Die Onkologin erklärte die Wechselwirkungen zwischen bestimmten pathogenen Keimen und dem Auftreten von Tumoren. Allen voran kann beispielsweise Magenkrebs auf eine Infektion mit Helicobacter pylori zurückgeführt werden. Die Frage, inwieweit das Darmmikrobiom auch mit Darm- oder Brustkrebs zusammenhängen könnte, ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Stuhltransplantation als Therapie entzündlicher Darmerkrankungen Bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie z.B. Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn wendet die moderne Gastroenterologie heute auch die Transplantation filtrierter Extrakte aus Stuhl von ausgewählten, gesunden Personen mit großem Erfolg an. Zum Thema „Stuhltransplantation – die Urform der Probiotika?“ berichtete Prof. Dr. Christoph Högenauer von der Medizinischen Universität Graz in eindrucksvoller Weise über diesen therapeutischen Ansatz. Definitiv können mit dieser Behandlung sogar nach schweren, entzündlich bedingten Schleimhautschädigungen nachhaltige positive Effekte erzielt werden. Pro- und Präbiotika als Modulator unserer Darmmikrobiota Abgerundet wurde das Vortragsprogramm durch das Referat von Prof. Dr. Jürgen Schrezenmeir (Ernährungsmediziner an der Johannes Gutenberg Universität Mainz), der die Bedeutung der Ernährung als Modulator für das Mikrobiom erläuterte. Pro- und Präbiotika können in unserer Ernährung positive gesundheitliche Effekte auslösen, indem sie über die Nahrung aufgenommen die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen. Diese medizinisch erwiesenen Fakten sind insofern interessant, als in einer Zeit, in der aufgrund der gesetzlichen Situation die Werbung mit probiotischen Lebensmitteln nicht mehr möglich ist, nun Ernährungswissenschaften und Medizin deren Evidenz doch bestätigen. Der Abdruck bzw. die Verwendung ist honorarfrei. Wir freuen uns über die Zusendung eines Belegexemplars Weitere Informationen Prof. Wolfgang Kneifel Universität für Bodenkultur Wien Institut für Lebensmittelwissenschaften Muthgasse 18, A-1190 Wien Tel.: 0043 1 36006 6290 Email: [email protected] DGMIM e.V. Dipl. Ernährungswissenschaftlerin Caroline Betz Wollgrasweg 49b, 70599 Stuttgart Tel.: 0049 711 45101 7706, Fax: 0049 711 45101 7701 Email: [email protected]