Sehr geehrte/r Leser/in, Sie haben uns folgende Frage gestellt: “Artikel 21 GG weist den Parteien lediglich eine "Mitwirkung" bei der politischen Willensbildung mit. Faktisch entsteht bei mir der Eindruck, als hätten die Parteien den Staat als Pfründe unter sich aufgeteilt: So "gehören" etwa Regierungs- und Polizeipräsidien bestimmten Parteibuchinhabern, und auch andere mehr oder weniger einflussreiche, in jedem Fall aber lukrative Posten von Oberbehörden, Aufsichtsräte von Stadtwerken etc. werden nach Parteibuch besetzt. Fraktionen werden aus öffentlichen Mitteln bezahlt; auch in Rundfunkräten – theoretisch staatsfern – wird nach Proporz verteilt und mehr oder weniger unverhohlen Einfluss genommen. Ist das alles noch mit Art. 21 GG vereinbar? Falls nein, wie könnte eine Änderung bewirkt werden?” Lisa Ramcke, Frauke Reichl, Paul Schroeder Abstract: Parteien können legitimen - unter Umständen aber auch illegitimen Einfluss auf die Besetzung von Ämtern nehmen. Daraus ergibt sich die Frage, wie Parteien Einfluss in Deutschland ausüben und warum. Dafür stellen wir zunächst die Verfassungsgeschichte und Funktionen von Parteien vor. Dann wird die aktuelle Situation der deutschen Parteien, weitere Akteure und Möglichkeiten der Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess betrachtet. Abschließend wird ein Fazit gezogen und darin die Legitimität des Einflusses der Parteien diskutiert. Es ist festzustellen, dass Parteien verfassungsgeschichtlich eine besondere Stellung im politischen System der BRD innehaben. Sie sind als einzige gesellschaftliche Gruppen im Grundgesetz festgeschrieben. Dass Parteien in der deutschen Demokratie eine so große Bedeutung zugemessen wird, ist in erster Linie historisch zu erklären. Die Parteien hatten und haben, wie vom Grundgesetz gefordert, jedoch keine Monopolstellung bei der politischen Willensbildung. Neben Parteien nehmen unter anderem NGOs, Verbände, Medien aber auch Einzelpersonen darauf Einfluss. Anders als die Parteien sind diese Akteure jedoch nicht durch Wahlen direkt demokratisch legitimiert. Betrachtet man die aktuelle Situation etablierter deutscher Parteien lässt sich feststellen, dass die Mitgliederzahlen seit etwa 25 Jahren kontinuierlich abnehmen. Einige PolitikwissenschaftlerInnen sehen darin eine Normalisierung, andere bezeichnen dies als Demokratiedefizit. Weiter ist zu beobachten, dass sich Parteimitglieder zu einem großen Teil wenig aktiv an innerparteilicher Arbeit beteiligen. 1 Insgesamt muss trotz der Kritik an Parteien festgehalten werden, dass ein demokratisches System ohne sie nicht denkbar wäre. Zentral sind somit die Rahmenbedingungen des Parteiensystems, die Ämterpatronage, aber auch illegale Parteienfinanzierung und Korruption, verhindern müssen. Essay: In diesem Essay werden wir versuchen die Frage zu beantworten, wie Parteien Einfluss in Deutschland ausüben und warum. Dafür stellen wir zunächst die Verfassungsgeschichte und Funktionen von Parteien vor. Dann wird die aktuelle Situation der deutschen Parteien, die weiteren Akteure und Möglichkeiten der Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess betrachtet. Abschließend wird ein Fazit gezogen und darin die Legitimität des Einflusses der Parteien diskutiert. Parteien sind in der deutschen Verfassungsgeschichte erstmals im Grundgesetz von 1949 ausdrücklich erwähnt und als verfassungsrechtliche Institution festgeschrieben. Weder in der Verfassung von 1871 noch in der Weimarer Reichsverfassung waren Parteien vorgesehen. Bei der Verfassung von 1871 sollte dies nicht verwundern, da sie zu Zeiten des eher autoritären Regimes im Kaiserreich galt. Die Weimarer Reichsverfassung war dagegen Grundlage für eine demokratische Ordnung. Es lässt sich für die Zeit der Weimarer Republik von einer Skepsis gegenüber Parteien sprechen, was neben der Nicht-Erwähnung in der Verfassung auch in den Sonderrechten des direkt gewählten Reichspräsidenten, der z.B. Gesetze am Parlament vorbei verabschieden konnte, gesehen werden kann.1 Dennoch gab es in der Weimarer Republik eine Vielzahl an Parteien: Bei der 7. Reichtagswahl 1932 wurden 14 Parteien in das Parlament gewählt.2 Durch dieses „zerklüftete Vielparteiensystem“3 sowie der allgemeinen Skepsis gegenüber Parteien wurde es der NSDAP Anfang der 1930er Jahre leichter gemacht, andere Parteien gänzlich auszuschalten.4 Die heutige besondere Stellung der Parteien ist also vor allem historisch zu begründen.5 Legitimieren lässt sie sich durch die Funktionen und Aufgaben von Parteien hinsichtlich des politischen Willensbildungsprozess. Laut Artikel 21 Grundgesetz (GG) wirken Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit, müssen ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen gemäß aufbauen und sind verpflichtet ihr Vermögen sowie die Verwendung ihrer Mittel offen zu legen. Zudem 1 Vgl. Kleinert (2007): S. 4 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2011): S. 65 3 Rudzio (2011): S. 110 4 Vgl. Kleinert (2007): S. 4 5 Vgl. Stöss (1997): S. 21 2 2 gibt es ebenfalls durch Artikel 21 GG die Möglichkeit eines Parteienverbots, wenn eine Partei der freiheitlich demokratischen Grundordnung entgegenwirkt – hierüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht.6 Parteien werden damit nicht zu Staatsorganen, sondern sollen „eine vermittelnde Stellung zwischen Staat und Gesellschaft“7 einnehmen. Mit dem Parteiengesetz von 1967 wurden die Funktionen von Parteien genauer festgeschrieben. Mindestfunktion ist demnach die Teilnahme an Wahlen, weitere Funktionen sind die Rekrutierung von politischem Personal, Politikformulierung, Meinungsbildung und Einflussnahme.8 Was Parteien konkret tun, um am politischen Willensbildungsprozess des Volkes teilzunehmen, wurde von verschiedenen Politikwissenschaftlern untersucht. Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann führt bspw. folgende sieben Funktionen von Parteien an: Partizipation, Transmission, Selektion, Integration, Sozialisation, Selbstregulation und Legitimation.9 Warum sind Parteien für eine Demokratie also so wichtig? Zentral ist für diese Frage sicherlich, dass sie die einzigen organisierten Gruppen sind, die in parlamentarischen Demokratien und insbesondere in elitendemokratischen Systemen10 zwischen Staat und Volk stehen, sie wirken damit an der Willensbildung in Staat und Gesellschaft mit.11 Sie bündeln den heterogenen Volkswillen zu umsetzbaren Staatszielen. Dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht ist in Artikel 20 Absatz 2 GG geregelt. Das Volk benötigt zur Ausübung dieser Staatsgewalt einen Träger, um seinen Volkswillen in einem kontinuierlichen Prozess in den staatlichen Bereich einzubringen.12 Als unbestritten gilt, dass die modernen demokratischen Gesellschaften ohne ein System von konkurrierenden Parteien nicht funktionsfähig wären.13 So sind Parteien zwar gesellschaftliche Gruppen, - wie sie das in ihrer Geschichte immer waren - ihnen wurde jedoch “ein besonderer Status verliehen, damit sie diese Funktion erfüllen können.”14 Stellt man sich die Frage nach der Legitimität der politischen Einflussnahme durch Parteien, ist es notwendig zu betrachten auf welchen ‘Rückhalt’ aus der Bevölkerung sich diese stützt. Dazu fassen wir hier zunächst die Entwicklung der Parteienlandschaft in der 6 Vgl. Artikel 21 Grundgesetz Rudzio (2011): S. 105 8 Vgl. Rudzio (2011): S. 103‐104 9 Zu genaueren Beschreibung der einzelnen Funktionen s. Alemann/Erbentraut/Walther (2010): S. 210 ff. 10 Vgl. zum Begriff Elitendemokratie Schmidt, Manfred G. (2010): S. 181‐195 11 Vgl. Tsatsos. (1997): S.134 12 Vgl. Tsatsos. (1997): S.146 13 Vgl. Stöss (1997): S.15 14 Tsatsos (1997): S.146 7 3 BRD und die Entwicklung der Mitgliederzahlen zusammen. Als weiteren Indikator dieses ‘Rückhalts’ bzw. der demokratischen Legitimität wird der Aktivitätsgrad und Aktivitätsformen von Parteimitgliedern dargestellt. “Begünstigt durch das beginnende Wirtschaftswunder entwickelte sich in den 1950er Jahren ein hohes Maß an Systemzufriedenheit”15. Es etablierte sich ein Drei-Parteien-System bestehend aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Freien Demokratischen Partei (FDP). Trotz der schnellen Etablierung konnte sich dieses Parteiensystem “kaum auf ein breites Bürgerengagement stützen. Das politische Interesse hielt sich in Grenzen. 1960 zählte die regierende CDU gerade einmal 250 000 Mitglieder.”16 Die Zeit zwischen ca. 1960 bis ca. 1975 bezeichnet Kleinert (2007) als “Glanzzeit der Parteiendemokratie”17 in der BRD. Die Mitgliederzahl der SPD wuchs in diesem Zeitraum von etwa 650 000 auf etwa eine Million. Neben dem ursprünglichen Klientel der “Arbeiterpartei”18, wurden in dieser Zeit überwiegend “junge Leute aus dem intellektuellen Milieu”19 angezogen. Mit der Parteigründung der Grünen (heute Bündnis 90 / Die Grünen) im Jahr 1980, hervorgegangen aus außerparlamentarischen Protestbewegungen, erfuhr die Parteienlandschaft mehr Pluralität. Rudzio (2011) bezeichnet diese ab 1983 (Einzug der Grünen in den Bundestag) als “Zwei-Parteien-Gruppen-System”20. Die Mitgliederzahl der beiden großen deutschen Volksparteien ist seit 1976 (SPD) bzw. 1983 (CDU) rückläufig.21 Während sie sich bis ca. 1990 noch einem relativ hohem Niveau hält, ist der Rückgang in den 1990er Jahren wesentlich rascher. Dies wird “in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion häufig als Ausdruck einer tiefgreifenden Krise der bundesdeutschen Parteien interpretiert. [...] Eine solche Deutung ist aber keineswegs zwingend.”22 Klein und Spier (2011) bezeichnen diese Entwicklung sogar “als Prozess der Normalisierung”23 nach der breiten Politisierung in der Gesellschaft zuvor. Mit dem Einzug der PDS bzw. Linkspartei in den deutschen Bundestag 2005 erfuhr die Parteienlandschaft in der BRD eine weitere tiefgreifende Veränderung. Rudzio (2011) spricht ab diesem Zeitpunkt 15 Kleinert (2007): S. 5 Kleinert (2007): S.6 17 Kleinert (2007): S.6 18 Kleinert (2007): S.6. 19 Kleinert (2007): S.6 20 Rudzio (2011): S.105 21 Vgl. Niedermayer (2015a): o.S. 22 Klein / Spier (2011): S. 206 23 Klein / Spier (2011): S. 206 16 4 von einem “fluiden 5-Parteiensystem”24. Mit Gründung sowie Wahlerfolgen auf Kommunalund Landesebene der Piratenpartei in den folgenden Jahren und dem Auftreten der Alternative für Deutschland (AfD) hat die Vielfalt an Parteien weiter zugenommen. Die neuesten Zahlen aus dem Jahr 2014 verzeichnen für die SPD und CDU jeweils ca. 460 000 Mitglieder.25 Die kleineren im Bundestag vertretenen Parteien sind von dem oben beschriebenen Rückgang in nicht vergleichbaren Maße oder überhaupt nicht betroffen. Die bayrische Schwesterpartei der CDU, die CSU hat aktuell ca. 147 000 Mitglieder, die FDP ca. 55 000 26, die Linke etwa 60 000, und die Grünen ca. 60 000.27 Wie oben schon angedeutet kann allein am Mitgliederrückgang keine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der deutschen Parteien festgemacht werden. Wichtig ist hierbei die Frage, wieviele dieser Mitglieder sich aktiv innerhalb ihrer Partei engagieren. Laut der “Deutschen Parteimitgliederstudie”28 sind im Schnitt 73 % der Parteimitglieder wenig oder gar nicht aktiv 24 Rudzio (2011): S.105 Vgl. Niedermayer (2015b): o.S. 26 Vgl. Niedermayer (2015c): o.S. 27 Vgl. Niedermayer (2015d): o.S. 28 Vgl. Spier (2011): S. 99 25 5 in ihrer Partei. Lediglich 27 % bezeichnen sich als aktiv oder sehr aktiv.29 “Der größte Teil der deutschen Parteimitglieder sieht sich selber also als vergleichsweise inaktiv an.”30 In oben genannter Studie wurden weiter die Aktivitätsformen von Parteimitgliedern erfragt. Anhand der Auswertung dieser Angaben stellt Spier (2011) fest, dass “[s]elbst der Besuch von Parteiversammlungen, die wohl niederschwelligste Form der Parteiarbeit über die reine formale Mitgliedschaft hinaus, wird 2009 gerade einmal von 51 Prozent der Befragten als häufige Aktivitätsform genannt [hat].”31 Symptomatisch fällt außerdem auf, dass der Besuch von Festen und geselligen Veranstaltungen als zweithäufigste Aktivität ermittelt wird. Immerhin 29 Prozent gaben an ein Amt innerhalb der Partei übernommen zu haben. Im Vergleich der Daten aus den Erhebungszeitpunkten 1998 und 2009 lässt sich eine Zunahme der Aktivität innerhalb der Parteien feststellen. Nach Spier (2011) ist festzuhalten, “dass das Aktivitätsniveau in den deutschen Parteien generell nicht sehr hoch ist. [...] Das Phänomen der Inaktivität ihrer Mitglieder ist vor allem bei den drei Volksparteien CDU, CSU und SPD ausgeprägt.”32 Diese Inaktivität eines Großteils der Parteimitglieder ist jedoch nicht zwangsläufig negativ zu bewerten. Zum einen drücken die inaktiven Mitglieder durch ihre bestehende Parteimitgliedschaft eine generelle Zufriedenheit mit “ihrer” Partei aus und legitimieren damit deren Entscheidungen und Programm. Die aktiven Mitglieder repräsentieren die inaktiven. Hieraus ergeben sich für die Parteien unterschiedliche Probleme, aber auch Möglichkeiten. Einerseits wird ein breiter Diskurs in den Parteien dadurch erschwert, dass sich in kleinen Gemeinden wenige Parteimitglieder und noch weniger aktive Parteimitglieder finden lassen. In großen Parteiortsverbänden hingegen wird der pluralistischer Interessenaustausch dadurch erschwert, dass die Größe der Mitgliederversammlungen hier “Vorberatungen im kleinen Kreise, im Vorstand oder bei informellen Treffen aktiver Mitglieder”33 nötig macht. Dennoch können auch in den Medien immer wieder innerparteiliche Konflikte und damit eine Konkurrenz der Interessen vernommen werden. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Rudzio stellt dazu fest: “Eine innerparteiliche Demokratie der Gleichen, deren Willensbildung sich von unten nach oben vollzieht, gibt es auch im heutigen Deutschland nicht. Aber es herrscht auch nicht einfach eine innerparteiliche Oligarchie. Vielmehr besteht eine dezentralisierte, repräsentativdemokratische Struktur, in der Führung sich durch professionelle und kommunikative 29 Vgl. Spier (2011): S. 99. Werte von 2009, untersuchte Parteien waren CDU, CSU, SPD, Linke und Grüne. Spier (2011): S. 99 31 Spier (2011): S. 109 32 Spier (2011): S. 116 33 Rudzio (2011): S.150 30 6 Vorsprünge, vor allem aber durch antizipierende Reaktion verwirklicht.”34 Mit “antizipierende Reaktion” ist dabei gemeint, dass sich Parteiführungen mit den Mitgliedern der Partei austauschen und so von vornherein deren Interessen entsprechend handeln. Die Parteien bieten aber durch das in Artikel 21 GG vorgeschriebene Demokratieprinzip für Parteien grundsätzlich die Möglichkeit auch zwischen den Wahlen Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen. Wie in der Ausgangsfrage erwähnt wird den Parteien vom Grundgesetz aber lediglich eine Mitwirkung an der politischen Willensbildung zugesprochen. Darüber hinaus “sind etwa ebenso bedeutend die Einzelbürger, Verbände und öffentliche Medien.”35 Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) machen ihren Einfluss geltend. Hierbei ist zu beachten, dass diese vor allem soziale-, humanitäre-, ökologische- und entwicklungspolitische Fragen bearbeiten und so nicht nie alle Bereiche, in denen politische Willensbildung stattfindet, besetzen. In den von NGOs erschlossenen Feldern werden sie vor allem bei internationalen Organisationen beratend tätig.36 Weltweit steigt die Anzahl von NGOs stetig an. Der Einfluss von solchen Akteuren auf politische Entscheidungen kann jedoch kritisiert werden, da hier keine demokratische Legitimierung durch Wahlen stattfindet. Sie sind “damit nicht ermächtigt, im Namen des Volkes zu agieren.”37 Das Grundgesetz sichert das Recht, sich zusammenzuschließen und so Interessen bspw. in Form von Verbänden zu gebündelt zum Ausdruck zu bringen. Diese können dann mittels der Medien oder auch über Parteien Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen. So wirken Verbände und Vereine über informelles Lobbying auf teils einzelne Abgeordnete ein aber auch über formelle Anhörungen bspw. im Bundestag oder die Mitwirkung in koorperativen Arrangements nehmen Verbände Einfluss. Hierbei werden Verbände von staatlicher Seite dazu eingeladen an Entscheidungsfindungsprozessen teilzuhaben.38 Auch bei den Verbänden werden, wie bei NGOs, nicht alle Interessen vor allem nicht in gleichem Maße vertreten und sie sind nicht durch Wahl legitimiert.39 Parteien, NGOs und Verbände nehmen wie gesagt u.a. über die Medien Einfluss auf die politische Willensbildung. Damit nehmen die Medien auch selbst an dieser Teil, da sie nicht nur Meinungen organisierter Interessen wiedergeben. Hier können auch auch 34 Rudzio (2011): S.156 Tsatsos (1997): S.153 36 Vgl. Nohlen (2010): S.658f. 37 Bundeszentrale für politische Bildung (2010): o.S. 38 Vgl. Schubert/ Klein (2011): o.S. 39 Vgl. Pötzsch (2009): o.S. 35 7 Einzelpersonen zu Wort kommen. Außerdem wird Einfluss darauf genommen, welche Schwerpunkte in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Dabei findet nicht jedes Interesse und Thema Gehör. Zudem ist der Einfluss der Medien auf die politische Willensbildung indirekter als bei den bisher vorgestellten Akteuren, da konkrete Handlungsmöglichkeiten ausbleiben.40 Für ungebundene Einzelpersonen besteht außerdem die Möglichkeit sich zu Bürgerinitiativen spontan zusammenzuschließen und durch Plebiszite Individualinteressen auszudrücken und Einzelentscheidungen zu beeinflussen. Auch bei den Bürgerinitiativen zeigen sich oft ähnliche Schwierigkeiten wie bei Parteien und Verbänden. Die innere Demokratie ist oft schwach ausgeprägt, sodass auch hier wenige Personen das Handeln der Initiative bestimmen.41 Volksentscheide können nicht auf Bundesebene durchgeführt werden. Grund dafür ist die negative Erfahrung mit diesem Verfahren auf Bundesebene in der Weimarer Republik.42 Auf Landes- und kommunaler Ebene hingegen sind Plebiszite möglich und sie werden auch zunehmend häufig genutzt. In der Vergangenheit wurden hierbei aber teils nur geringe Beteiligungen erreicht.43 Zudem sind durch Art. 17 GG Petitionen möglich: ”Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.” Außerdem besteht immer die Möglichkeit des direkten oder schriftlichen Kontakts mit Abgeordneten für jede Einzelperson. Bei allen Einflüssen bleibt Artikel 38 GG bestehen, die Abgeordneten sind damit “an Aufträge und Weisungen [durch ihre Partei; Anm. der Autoren] nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.”44 Abschließend lässt sich die deutsche parlamentarische Demokratie dennoch als Parteiendemokratie umschreiben. Diese Ausprägungsform der Demokratie ist in der Politikwissenschaft durchaus umstritten. Watzal (2007) führt bspw. sogar ‘Politikverdrossenheit’ auf eine “Entfremdung zwischen Regierten und Regierenden”45 durch die zentrale Rolle der Parteien im politischen Entscheidungsprozess zurück. WählerInnen nehmen demnach lediglich eine “Residualfunktion in Form der Stimmabgabe bei Wahlen” wahr.46 Diese kritische politikwissenschaftliche Perspektive auf Rolle und Funktion der 40 Vlg. Grunden (2009): S.97ff. Vgl. Rudzio (2011): S.98f. 42 Vgl. Rudzio (2011): S.49. Ausnahme ist die Neugliederung des Bundesgebiets (Art.29 GG) und die Ersetzung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung. 43 Vgl. Rudzio (2011): S.323f. 44 Art. 38 GG Abs. 1 45 Watzal (2007): S. 2 46 Watzal (2007): S. 2 41 8 Parteien im Politikbetrieb kommt mit der Bezeichnung des politischen Systems nicht nur als Parteiendemokratie, sondern als Parteienstaat zum Ausdruck. In einer Parteiendemokratie wirken die Parteien am demokratischen Willensbildungsprozess mit, monopolisieren diesen aber nicht, während sie im Parteienstaat die eigentlichen Träger der politischen Willensbildung sind.47 Wir haben oben festgestellt, dass nicht-institutionalisierte Partizipationsformen an Bedeutung gewinnen.48 Dies zeigen nicht zuletzt die geringer werdenen Mitgliedszahlen der Parteien in Deutschland. Auch innerparteiliche Demokratiedefizite zeigen Probleme der konventionellen Partizipation durch Parteien auf. Zudem stellen Markus Klein und Ulrich von Alemann fest: “Fälle von Ämterpatronage, illegaler Parteienfinanzierung und Korruption sind und bleiben Regelverletzungen, die nicht notwendig zum Wesen der Parteiendemokratie gehören, sondern durch die geeignete Setzung von Rahmenbedingungen und Kontrollmechanismen verhindert werden müssen. Diese Grenzüberschreitungen von Parteien und Parteipolitikern 49 entschuldigen.” sind bedauerlich und [...] nicht etwa schulterzuckend zu Dennoch führen sie weiter aus: “Sie aber zum Anlass zu nehmen, die Parteiendemokratie insgesamt infrage zu stellen, hieße das Kind mit dem Bade auszuschütten.”50 Dimitris Th. Tstatsos merkt zudem an: “Wer aber die Institution “Partei” in Frage stellt, obwohl es um Personen geht, fördert die Krise, er bekämpft sie nicht.”51 Das Vorhandensein und die Bedeutung weiterer Akteure und Möglichkeiten zur Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess sprechen aber deutlich dafür, dass das Monopolverbot und damit die ledigliche Mitwirkung der Parteien, wie vom Grundgesetz gefordert, erfüllt wird. 47 Vgl. Stöss (1997): S. 16 Vgl. auch Schmidt/Wilhelm (2011) 49 Klein/Alemann (2011): S.14 50 Klein/Alemann (2011): S.14 51 Tsatsos (1997): S.156 48 9 Literatur- und Quellenverzeichnis: Alemann, Ulrich von/Erbentraut, Philipp/Walther, Jens (2010): Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. 4. Auflage. Wiesbaden. Bundeszentrale für politische Bildung (2010): Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). (Abrufbar unter:http://bit.ly/1VFIbSn, Zuetzt abgerufen: 28.01.2016) Bundeszentrale für politische Bildung (2011): Weimarer Republik. In: Informationen zur politischen Bildung 261, überarbeitete Neuauflage 2011. Bonn. Grunden, Timo (2009): Politikberatung im Innenhof der Macht. Zu Einfluss und Funktion der Berater deutscher Ministerpräsidenten. Studien der NRW School of Governance. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden. S.97-103. Klein, Markus/ von Alemann, Ulrich (2011): Warum braucht die Demokratie Parteien? In: Spier, Tim/ Klein, Markus/ von Alemann, Ulrich (2011): Parteimitglieder in Deutschland. Wiesbaden. Kleinert, Hubert (2007): Abstieg der Parteiendemokratie. In: Parteiendemokratie. Aus Politik und Zeitgeschichte. 35-36/2007. S. 3-11. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1QKkWqq, Zuletzt abgerufen: 26.01.2016) Niedermayer, Oliver (2015a): Mitgliederentwicklung der Parteien bis 1989. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Dossier Parteien in Deutschland. Stand: 1.09.2015. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1WV27kU, Zuletzt abgerufen: 31.01.2016.) Niedermayer, Oliver (2015b): Mitgliederentwicklung der CDU und SPD ab 1990. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Dossier Politische Parteien. Stand:1.09.2015. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1P5Ow56, Zuletzt abgerufen: 31.01.2016) Niedermayer, Oliver (2015c): Mitgliederentwicklung der kleineren nicht im Bundestag vertretenen Parteien ab 1990. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Dossier Politische Parteien. Stand:1.09.2015. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1P5OASq, Zuletzt abgerufen: 31.01.2016.) Niedermayer, Oliver (2015d): Mitgliederentwicklung der kleineren im Bundestag vertretenen Parteien ab 1990. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Dossier Politische Parteien. Stand:1.09.2015. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1KjmYwo, Zuletzt abgerufen: 31.01.2016.) 10 Nohlen, Dieter (2010): NGO. In: Nohlen, Dieter/ Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.) (2010): Lexikon der Politikwissenschaft. Band 2 N-Z. Vierte, aktualisierte und erweiterte Auflage. Verlag C.H.Beck oHG. München. Rudzio, Wolfgang (2011): Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktualisierte Auflage. Wiesbaden. Schmidt, Manfred G. (2010): Demokratietheorien. Eine Einführung. 5. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden. Schmidt, Steffen/ Wilhelm, Anne (2011): Nicht-institutionalisierte politische Beteiligung und Protestverhalten. Bundeszentrale für politische Bildung. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1Snr61g, letzter Zugriff: 01.02.2016) Schubert, Klaus/ Klein, Martina (2011): Korporatismus. In: Schubert, Klaus/ Klein, Martina (2011): Das Politiklexikon. 5., aktualisierte Auflage. Bonn. (Abrufbar unter:http://bit.ly/1nT05WF, Zuletzt abgerufen: 28.01.2016.) Spier, Tim (2011): Wie aktiv sind Mitglieder der Parteien? In: Spier, Tim/ Klein, Markus/ von Alemann, Ulrich (2011): Parteimitglieder in Deutschland. Wiesbaden. Stöss, Richard (1997): Parteienstaat oder Parteiendemokratie? In: Gabriel, Oscar W./Niedermayer, Oskar/Stöss, Richard (Hrsg.) (1997): Parteiendemokratie in Deutschland. Wiesbaden. S. 13-36. Watzal, Ludwig (2007): Editorial. In: Parteiendemokratie. Aus Politik und Zeitgeschichte. 3536/2007. S. 2. (Abrufbar unter: http://bit.ly/1QKkWqq, Zuletzt abgerufen: 26.01.2016) 11