Sehr geehrte/r Leser/in, Sie haben uns folgende Frage gestellt

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Sehr geehrte/r Leser/in,
Sie haben uns folgende Frage gestellt:
“Artikel 21 GG weist den Parteien lediglich eine "Mitwirkung" bei der politischen
Willensbildung mit. Faktisch entsteht bei mir der Eindruck, als hätten die Parteien den Staat
als Pfründe unter sich aufgeteilt: So "gehören" etwa Regierungs- und Polizeipräsidien
bestimmten Parteibuchinhabern, und auch andere mehr oder weniger einflussreiche, in
jedem Fall aber lukrative Posten von Oberbehörden, Aufsichtsräte von Stadtwerken etc.
werden nach Parteibuch besetzt. Fraktionen werden aus öffentlichen Mitteln bezahlt; auch in
Rundfunkräten – theoretisch staatsfern – wird nach Proporz verteilt und mehr oder weniger
unverhohlen Einfluss genommen. Ist das alles noch mit Art. 21 GG vereinbar? Falls nein, wie
könnte eine Änderung bewirkt werden?”
Lisa Ramcke, Frauke Reichl, Paul Schroeder
Abstract:
Parteien können legitimen - unter Umständen aber auch illegitimen Einfluss auf die
Besetzung von Ämtern nehmen. Daraus ergibt sich die Frage, wie Parteien Einfluss in
Deutschland ausüben und warum. Dafür stellen wir zunächst die Verfassungsgeschichte und
Funktionen von Parteien vor. Dann wird die aktuelle Situation der deutschen Parteien,
weitere Akteure und Möglichkeiten der Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess
betrachtet. Abschließend wird ein Fazit gezogen und darin die Legitimität des Einflusses der
Parteien diskutiert. Es ist festzustellen, dass Parteien verfassungsgeschichtlich eine besondere
Stellung im politischen System der BRD innehaben. Sie sind als einzige gesellschaftliche
Gruppen im Grundgesetz festgeschrieben. Dass Parteien in der deutschen Demokratie eine so
große Bedeutung zugemessen wird, ist in erster Linie historisch zu erklären. Die Parteien
hatten und haben, wie vom Grundgesetz gefordert, jedoch keine Monopolstellung bei der
politischen Willensbildung. Neben Parteien nehmen unter anderem NGOs, Verbände, Medien
aber auch Einzelpersonen darauf Einfluss. Anders als die Parteien sind diese Akteure jedoch
nicht durch Wahlen direkt demokratisch legitimiert. Betrachtet man die aktuelle Situation
etablierter deutscher Parteien lässt sich feststellen, dass die Mitgliederzahlen seit etwa 25
Jahren kontinuierlich abnehmen. Einige PolitikwissenschaftlerInnen sehen darin eine
Normalisierung, andere bezeichnen dies als Demokratiedefizit. Weiter ist zu beobachten, dass
sich Parteimitglieder zu einem großen Teil wenig aktiv an innerparteilicher Arbeit beteiligen.
1
Insgesamt muss trotz der Kritik an Parteien festgehalten werden, dass ein demokratisches
System ohne sie nicht denkbar wäre. Zentral sind somit die Rahmenbedingungen des
Parteiensystems, die Ämterpatronage, aber auch
illegale Parteienfinanzierung und
Korruption, verhindern müssen.
Essay:
In diesem Essay werden wir versuchen die Frage zu beantworten, wie Parteien Einfluss in
Deutschland ausüben und warum. Dafür stellen wir zunächst die Verfassungsgeschichte und
Funktionen von Parteien vor. Dann wird die aktuelle Situation der deutschen Parteien, die
weiteren Akteure und Möglichkeiten der Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess
betrachtet. Abschließend wird ein Fazit gezogen und darin die Legitimität des Einflusses der
Parteien diskutiert.
Parteien sind in der deutschen Verfassungsgeschichte erstmals im Grundgesetz von
1949 ausdrücklich erwähnt und als verfassungsrechtliche Institution festgeschrieben. Weder
in der Verfassung von 1871 noch in der Weimarer Reichsverfassung waren Parteien
vorgesehen. Bei der Verfassung von 1871 sollte dies nicht verwundern, da sie zu Zeiten des
eher autoritären Regimes im Kaiserreich galt. Die Weimarer Reichsverfassung war dagegen
Grundlage für eine demokratische Ordnung. Es lässt sich für die Zeit der Weimarer Republik
von einer Skepsis gegenüber Parteien sprechen, was neben der Nicht-Erwähnung in der
Verfassung auch in den Sonderrechten des direkt gewählten Reichspräsidenten, der z.B.
Gesetze am Parlament vorbei verabschieden konnte, gesehen werden kann.1 Dennoch gab es
in der Weimarer Republik eine Vielzahl an Parteien: Bei der 7. Reichtagswahl 1932 wurden
14 Parteien in das Parlament gewählt.2 Durch dieses „zerklüftete Vielparteiensystem“3 sowie
der allgemeinen Skepsis gegenüber Parteien wurde es der NSDAP Anfang der 1930er Jahre
leichter gemacht, andere Parteien gänzlich auszuschalten.4 Die heutige besondere Stellung
der Parteien ist also vor allem historisch zu begründen.5 Legitimieren lässt sie sich durch die
Funktionen und Aufgaben von Parteien hinsichtlich des politischen Willensbildungsprozess.
Laut Artikel 21 Grundgesetz (GG) wirken Parteien an der politischen Willensbildung des
Volkes mit, müssen ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen gemäß aufbauen und
sind verpflichtet ihr Vermögen sowie die Verwendung ihrer Mittel offen zu legen. Zudem
1
Vgl. Kleinert (2007): S. 4
Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2011): S. 65
3
Rudzio (2011): S. 110
4
Vgl. Kleinert (2007): S. 4
5
Vgl. Stöss (1997): S. 21
2
2
gibt es ebenfalls durch Artikel 21 GG die Möglichkeit eines Parteienverbots, wenn eine Partei
der freiheitlich demokratischen Grundordnung entgegenwirkt – hierüber entscheidet das
Bundesverfassungsgericht.6 Parteien werden damit nicht zu Staatsorganen, sondern sollen
„eine vermittelnde Stellung zwischen Staat und Gesellschaft“7 einnehmen. Mit dem
Parteiengesetz von 1967 wurden die Funktionen von Parteien genauer festgeschrieben.
Mindestfunktion ist demnach die Teilnahme an Wahlen, weitere Funktionen sind die
Rekrutierung von politischem Personal, Politikformulierung, Meinungsbildung und
Einflussnahme.8 Was Parteien konkret tun, um am politischen Willensbildungsprozess des
Volkes teilzunehmen, wurde von verschiedenen Politikwissenschaftlern untersucht. Der
Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann führt bspw. folgende sieben Funktionen von
Parteien
an:
Partizipation,
Transmission,
Selektion,
Integration,
Sozialisation,
Selbstregulation und Legitimation.9
Warum sind Parteien für eine Demokratie also so wichtig? Zentral ist für diese Frage
sicherlich, dass sie die einzigen organisierten Gruppen sind, die in parlamentarischen
Demokratien und insbesondere in elitendemokratischen Systemen10 zwischen Staat und Volk
stehen, sie wirken damit an der Willensbildung in Staat und Gesellschaft mit.11 Sie bündeln
den heterogenen Volkswillen zu umsetzbaren Staatszielen. Dass alle Staatsgewalt vom Volke
ausgeht ist in Artikel 20 Absatz 2 GG geregelt. Das Volk benötigt zur Ausübung dieser
Staatsgewalt einen Träger, um seinen Volkswillen in einem kontinuierlichen Prozess in den
staatlichen Bereich einzubringen.12 Als unbestritten gilt, dass die modernen demokratischen
Gesellschaften ohne ein System von konkurrierenden Parteien nicht funktionsfähig wären.13
So sind Parteien zwar gesellschaftliche Gruppen, - wie sie das in ihrer Geschichte immer
waren - ihnen wurde jedoch “ein besonderer Status verliehen, damit sie diese Funktion
erfüllen können.”14
Stellt man sich die Frage nach der Legitimität der politischen Einflussnahme durch
Parteien, ist es notwendig zu betrachten auf welchen ‘Rückhalt’ aus der Bevölkerung sich
diese stützt. Dazu fassen wir hier zunächst die Entwicklung der Parteienlandschaft in der
6
Vgl. Artikel 21 Grundgesetz
Rudzio (2011): S. 105
8
Vgl. Rudzio (2011): S. 103‐104
9
Zu genaueren Beschreibung der einzelnen Funktionen s. Alemann/Erbentraut/Walther (2010): S. 210 ff.
10
Vgl. zum Begriff Elitendemokratie Schmidt, Manfred G. (2010): S. 181‐195
11
Vgl. Tsatsos. (1997): S.134
12
Vgl. Tsatsos. (1997): S.146
13
Vgl. Stöss (1997): S.15
14
Tsatsos (1997): S.146
7
3
BRD und die Entwicklung der Mitgliederzahlen zusammen. Als weiteren Indikator dieses
‘Rückhalts’
bzw.
der
demokratischen
Legitimität
wird
der
Aktivitätsgrad
und
Aktivitätsformen von Parteimitgliedern dargestellt. “Begünstigt durch das beginnende
Wirtschaftswunder entwickelte sich in den 1950er Jahren ein hohes Maß an
Systemzufriedenheit”15. Es etablierte sich ein Drei-Parteien-System bestehend aus der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Christlich Demokratischen Union
(CDU) und der Freien Demokratischen Partei (FDP). Trotz der schnellen Etablierung konnte
sich dieses Parteiensystem “kaum auf ein breites Bürgerengagement stützen. Das politische
Interesse hielt sich in Grenzen. 1960 zählte die regierende CDU gerade einmal 250 000
Mitglieder.”16 Die Zeit zwischen ca. 1960 bis ca. 1975 bezeichnet Kleinert (2007) als
“Glanzzeit der Parteiendemokratie”17 in der BRD. Die Mitgliederzahl der SPD wuchs in
diesem Zeitraum von etwa 650 000 auf etwa eine Million. Neben dem ursprünglichen
Klientel der “Arbeiterpartei”18, wurden in dieser Zeit überwiegend “junge Leute aus dem
intellektuellen Milieu”19 angezogen. Mit der Parteigründung der Grünen (heute Bündnis 90 /
Die Grünen) im Jahr 1980, hervorgegangen aus außerparlamentarischen Protestbewegungen,
erfuhr die Parteienlandschaft mehr Pluralität. Rudzio (2011) bezeichnet diese ab 1983
(Einzug der Grünen in den Bundestag) als “Zwei-Parteien-Gruppen-System”20. Die
Mitgliederzahl der beiden großen deutschen Volksparteien ist seit 1976 (SPD) bzw. 1983
(CDU) rückläufig.21 Während sie sich bis ca. 1990 noch einem relativ hohem Niveau hält, ist
der Rückgang in den 1990er Jahren wesentlich rascher. Dies wird “in der öffentlichen und
wissenschaftlichen Diskussion häufig als Ausdruck einer tiefgreifenden Krise der
bundesdeutschen Parteien interpretiert. [...] Eine solche Deutung ist aber keineswegs
zwingend.”22 Klein und Spier (2011) bezeichnen diese Entwicklung sogar “als Prozess der
Normalisierung”23 nach der breiten Politisierung in der Gesellschaft zuvor. Mit dem Einzug
der PDS bzw. Linkspartei in den deutschen Bundestag 2005 erfuhr die Parteienlandschaft in
der BRD eine weitere tiefgreifende Veränderung. Rudzio (2011) spricht ab diesem Zeitpunkt
15
Kleinert (2007): S. 5
Kleinert (2007): S.6
17
Kleinert (2007): S.6
18
Kleinert (2007): S.6.
19
Kleinert (2007): S.6
20
Rudzio (2011): S.105
21
Vgl. Niedermayer (2015a): o.S.
22
Klein / Spier (2011): S. 206
23
Klein / Spier (2011): S. 206
16
4
von einem “fluiden 5-Parteiensystem”24. Mit Gründung sowie Wahlerfolgen auf Kommunalund Landesebene der Piratenpartei in den folgenden Jahren und dem Auftreten der
Alternative für Deutschland (AfD) hat die Vielfalt an Parteien weiter zugenommen. Die
neuesten Zahlen aus dem Jahr 2014 verzeichnen für die SPD und CDU jeweils ca. 460 000
Mitglieder.25 Die kleineren im Bundestag vertretenen Parteien sind von dem oben
beschriebenen Rückgang in nicht vergleichbaren Maße oder überhaupt nicht betroffen. Die
bayrische Schwesterpartei der CDU, die CSU hat aktuell ca. 147 000 Mitglieder, die FDP ca.
55 000 26, die Linke etwa 60 000, und die Grünen ca. 60 000.27
Wie oben schon angedeutet kann allein am Mitgliederrückgang keine Gefährdung der
Funktionsfähigkeit der deutschen Parteien festgemacht werden. Wichtig ist hierbei die Frage,
wieviele dieser Mitglieder sich aktiv innerhalb ihrer Partei engagieren. Laut der “Deutschen
Parteimitgliederstudie”28 sind im Schnitt 73 % der Parteimitglieder wenig oder gar nicht aktiv
24
Rudzio (2011): S.105
Vgl. Niedermayer (2015b): o.S. 26
Vgl. Niedermayer (2015c): o.S. 27
Vgl. Niedermayer (2015d): o.S.
28
Vgl. Spier (2011): S. 99
25
5
in ihrer Partei. Lediglich 27 % bezeichnen sich als aktiv oder sehr aktiv.29 “Der größte Teil
der deutschen Parteimitglieder sieht sich selber also als vergleichsweise inaktiv an.”30 In oben
genannter Studie wurden weiter die Aktivitätsformen von Parteimitgliedern erfragt. Anhand
der Auswertung dieser Angaben stellt Spier (2011) fest, dass “[s]elbst der Besuch von
Parteiversammlungen, die wohl niederschwelligste Form der Parteiarbeit über die reine
formale Mitgliedschaft hinaus, wird 2009 gerade einmal von 51 Prozent der Befragten als
häufige Aktivitätsform genannt [hat].”31 Symptomatisch fällt außerdem auf, dass der Besuch
von Festen und geselligen Veranstaltungen als zweithäufigste Aktivität ermittelt wird.
Immerhin 29 Prozent gaben an ein Amt innerhalb der Partei übernommen zu haben. Im
Vergleich der Daten aus den Erhebungszeitpunkten 1998 und 2009 lässt sich eine Zunahme
der Aktivität innerhalb der Parteien feststellen. Nach Spier (2011) ist festzuhalten, “dass das
Aktivitätsniveau in den deutschen Parteien generell nicht sehr hoch ist. [...] Das Phänomen
der Inaktivität ihrer Mitglieder ist vor allem bei den drei Volksparteien CDU, CSU und SPD
ausgeprägt.”32 Diese Inaktivität eines Großteils der Parteimitglieder ist jedoch nicht
zwangsläufig negativ zu bewerten. Zum einen drücken die inaktiven Mitglieder durch ihre
bestehende Parteimitgliedschaft eine generelle Zufriedenheit mit “ihrer” Partei aus und
legitimieren damit deren Entscheidungen und Programm. Die aktiven Mitglieder
repräsentieren die inaktiven. Hieraus ergeben sich für die Parteien unterschiedliche Probleme,
aber auch Möglichkeiten. Einerseits wird ein breiter Diskurs in den Parteien dadurch
erschwert, dass sich in kleinen Gemeinden wenige Parteimitglieder und noch weniger aktive
Parteimitglieder finden lassen. In großen Parteiortsverbänden hingegen wird der
pluralistischer
Interessenaustausch
dadurch
erschwert,
dass
die
Größe
der
Mitgliederversammlungen hier “Vorberatungen im kleinen Kreise, im Vorstand oder bei
informellen Treffen aktiver Mitglieder”33 nötig macht. Dennoch können auch in den Medien
immer wieder innerparteiliche Konflikte und damit eine Konkurrenz der Interessen
vernommen werden. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Rudzio stellt dazu fest: “Eine
innerparteiliche Demokratie der Gleichen, deren Willensbildung sich von unten nach oben
vollzieht, gibt es auch im heutigen Deutschland nicht. Aber es herrscht auch nicht einfach
eine innerparteiliche Oligarchie. Vielmehr besteht eine dezentralisierte, repräsentativdemokratische Struktur, in der Führung sich durch professionelle und kommunikative
29
Vgl. Spier (2011): S. 99. Werte von 2009, untersuchte Parteien waren CDU, CSU, SPD, Linke und Grüne. Spier (2011): S. 99
31
Spier (2011): S. 109
32
Spier (2011): S. 116
33
Rudzio (2011): S.150
30
6
Vorsprünge,
vor
allem
aber
durch
antizipierende
Reaktion
verwirklicht.”34
Mit
“antizipierende Reaktion” ist dabei gemeint, dass sich Parteiführungen mit den Mitgliedern
der Partei austauschen und so von vornherein deren Interessen entsprechend handeln. Die
Parteien bieten aber durch das in Artikel 21 GG vorgeschriebene Demokratieprinzip für
Parteien grundsätzlich die Möglichkeit auch zwischen den Wahlen Einfluss auf das politische
Geschehen zu nehmen.
Wie in der Ausgangsfrage erwähnt wird den Parteien vom Grundgesetz aber lediglich
eine Mitwirkung an der politischen Willensbildung zugesprochen. Darüber hinaus “sind etwa
ebenso bedeutend die Einzelbürger, Verbände und öffentliche Medien.”35 Auch
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) machen ihren Einfluss geltend. Hierbei ist zu
beachten,
dass
diese
vor
allem
soziale-,
humanitäre-,
ökologische-
und
entwicklungspolitische Fragen bearbeiten und so nicht nie alle Bereiche, in denen politische
Willensbildung stattfindet, besetzen. In den von NGOs erschlossenen Feldern werden sie vor
allem bei internationalen Organisationen beratend tätig.36 Weltweit steigt die Anzahl von
NGOs stetig an. Der Einfluss von solchen Akteuren auf politische Entscheidungen kann
jedoch kritisiert werden, da hier keine demokratische Legitimierung durch Wahlen stattfindet.
Sie sind “damit nicht ermächtigt, im Namen des Volkes zu agieren.”37
Das Grundgesetz sichert das Recht, sich zusammenzuschließen und so Interessen
bspw. in Form von Verbänden zu gebündelt zum Ausdruck zu bringen. Diese können dann
mittels der Medien oder auch über Parteien Einfluss auf die politische Willensbildung
nehmen. So wirken Verbände und Vereine über informelles Lobbying auf teils einzelne
Abgeordnete ein aber auch über formelle Anhörungen bspw. im Bundestag oder die
Mitwirkung in koorperativen Arrangements nehmen Verbände Einfluss. Hierbei werden
Verbände von staatlicher Seite dazu eingeladen an Entscheidungsfindungsprozessen
teilzuhaben.38 Auch bei den Verbänden werden, wie bei NGOs, nicht alle Interessen vor
allem nicht in gleichem Maße vertreten und sie sind nicht durch Wahl legitimiert.39
Parteien, NGOs und Verbände nehmen wie gesagt u.a. über die Medien Einfluss auf
die politische Willensbildung. Damit nehmen die Medien auch selbst an dieser Teil, da sie
nicht nur Meinungen organisierter Interessen wiedergeben. Hier können auch auch
34
Rudzio (2011): S.156
Tsatsos (1997): S.153
36
Vgl. Nohlen (2010): S.658f.
37
Bundeszentrale für politische Bildung (2010): o.S.
38
Vgl. Schubert/ Klein (2011): o.S.
39
Vgl. Pötzsch (2009): o.S.
35
7
Einzelpersonen zu Wort kommen. Außerdem wird Einfluss darauf genommen, welche
Schwerpunkte in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Dabei findet nicht jedes Interesse und
Thema Gehör. Zudem ist der Einfluss der Medien auf die politische Willensbildung
indirekter als bei den bisher vorgestellten Akteuren, da konkrete Handlungsmöglichkeiten
ausbleiben.40
Für ungebundene Einzelpersonen besteht außerdem die Möglichkeit sich zu
Bürgerinitiativen spontan zusammenzuschließen und durch Plebiszite Individualinteressen
auszudrücken und Einzelentscheidungen zu beeinflussen. Auch bei den Bürgerinitiativen
zeigen sich oft ähnliche Schwierigkeiten wie bei Parteien und Verbänden. Die innere
Demokratie ist oft schwach ausgeprägt, sodass auch hier wenige Personen das Handeln der
Initiative bestimmen.41 Volksentscheide können nicht auf Bundesebene durchgeführt werden.
Grund dafür ist die negative Erfahrung mit diesem Verfahren auf Bundesebene in der
Weimarer Republik.42 Auf Landes- und kommunaler
Ebene hingegen sind Plebiszite
möglich und sie werden auch zunehmend häufig genutzt. In der Vergangenheit wurden
hierbei aber teils nur geringe Beteiligungen erreicht.43 Zudem sind durch Art. 17 GG
Petitionen möglich: ”Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit
anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden.” Außerdem besteht immer die Möglichkeit des direkten oder
schriftlichen Kontakts mit Abgeordneten für jede Einzelperson. Bei allen Einflüssen bleibt
Artikel 38 GG bestehen, die Abgeordneten sind damit “an Aufträge und Weisungen [durch
ihre Partei; Anm. der Autoren] nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.”44
Abschließend lässt sich die deutsche parlamentarische Demokratie dennoch als
Parteiendemokratie umschreiben. Diese Ausprägungsform der Demokratie ist in der
Politikwissenschaft
durchaus
umstritten.
Watzal
(2007)
führt
bspw.
sogar
‘Politikverdrossenheit’ auf eine “Entfremdung zwischen Regierten und Regierenden”45 durch
die zentrale Rolle der Parteien im politischen Entscheidungsprozess zurück. WählerInnen
nehmen demnach lediglich eine “Residualfunktion in Form der Stimmabgabe bei Wahlen”
wahr.46 Diese kritische politikwissenschaftliche Perspektive auf Rolle und Funktion der
40
Vlg. Grunden (2009): S.97ff.
Vgl. Rudzio (2011): S.98f. 42
Vgl. Rudzio (2011): S.49. Ausnahme ist die Neugliederung des Bundesgebiets (Art.29 GG) und die Ersetzung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung.
43
Vgl. Rudzio (2011): S.323f.
44
Art. 38 GG Abs. 1
45
Watzal (2007): S. 2
46
Watzal (2007): S. 2
41
8
Parteien im Politikbetrieb kommt mit der Bezeichnung des politischen Systems nicht nur als
Parteiendemokratie, sondern als Parteienstaat zum Ausdruck. In einer Parteiendemokratie
wirken die Parteien am demokratischen Willensbildungsprozess mit, monopolisieren diesen
aber nicht, während sie im Parteienstaat die eigentlichen Träger der politischen
Willensbildung sind.47
Wir haben oben festgestellt, dass nicht-institutionalisierte Partizipationsformen an
Bedeutung gewinnen.48 Dies zeigen nicht zuletzt die geringer werdenen Mitgliedszahlen der
Parteien in Deutschland. Auch innerparteiliche Demokratiedefizite zeigen Probleme der
konventionellen Partizipation durch Parteien auf. Zudem stellen Markus Klein und Ulrich
von Alemann fest: “Fälle von Ämterpatronage, illegaler Parteienfinanzierung und Korruption
sind und bleiben Regelverletzungen, die nicht notwendig zum Wesen der Parteiendemokratie
gehören,
sondern
durch
die
geeignete
Setzung
von
Rahmenbedingungen
und
Kontrollmechanismen verhindert werden müssen. Diese Grenzüberschreitungen von Parteien
und
Parteipolitikern
49
entschuldigen.”
sind
bedauerlich
und
[...]
nicht
etwa
schulterzuckend
zu
Dennoch führen sie weiter aus: “Sie aber zum Anlass zu nehmen, die
Parteiendemokratie insgesamt infrage zu stellen, hieße das Kind mit dem Bade
auszuschütten.”50 Dimitris Th. Tstatsos merkt zudem an: “Wer aber die Institution “Partei” in
Frage stellt, obwohl es um Personen geht, fördert die Krise, er bekämpft sie nicht.”51 Das
Vorhandensein und die Bedeutung weiterer Akteure und Möglichkeiten zur Mitwirkung am
politischen Willensbildungsprozess sprechen aber deutlich dafür, dass das Monopolverbot
und damit die ledigliche Mitwirkung der Parteien, wie vom Grundgesetz gefordert, erfüllt
wird.
47
Vgl. Stöss (1997): S. 16
Vgl. auch Schmidt/Wilhelm (2011)
49
Klein/Alemann (2011): S.14
50
Klein/Alemann (2011): S.14
51
Tsatsos (1997): S.156
48
9
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(Abrufbar unter:http://bit.ly/1VFIbSn, Zuetzt abgerufen: 28.01.2016)
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10
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11
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