E DIT OR IAL - Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie

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EDITORIAL
Es ist inzwischen Allgemeingut,
dass Rauchen der größte Risiko­
faktor für Lungenkrebs in unse­
rer Zeit ist. Und damit ist Rauchen
auch das größte vermeidbare
Gesundheitsrisiko.
16. Jahrgang · Nr. 2/2014
Die direkten Kosten des Tabakkonsums in Deutschland wer­
den auf 8,66 Mrd. Euro im Jahr geschätzt. Das sind Kosten
für die Behandlung von Folgeerkrankungen des Rauchens
als Sachkosten und Dienstleistungen sowie die dazu gehö­
renden Rehabilitationsmaßnahmen. Dazu kommen noch
indirekte Kosten mit 24,89 Mrd. Euro: Arbeitsunfähigkeiten,
Frühberentungen, Produktionsausfälle durch Ausfallzeiten
wegen Rehabilitation aber auch durch Arbeitszeitverluste
durch Zigarettenpausen. Bei dieser Schätzung entstehen
dem Gesundheitswesen und der Volkswirtschaft Kosten von
mehr als 33 Mrd. Euro [1].
Inhalt
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom
4
Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom
8
Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms –
Möglichkeiten und Grenzen
13
Überlegungen – pro und contra – beim Einsatz
von Tyrosinkinaseinhibitoren
20
22. NZW Hamburg Eröffnung
23
Interaktives berufspolitisches Forum
36
Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen
in Addis Ababa, Äthiopien
38
Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt
44
Die Kraft der Bilder – wie altes Wissen
moderne Medizin verändert
46
Früher Fern-Uni – heute E-learning?
50
Kommentar des Herausgebers
Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Da gibt es eine
Erfolgsmeldung: Der Anteil rauchender Jugendlicher sank
auf 12 % im Jahr 2012, im Jahr 2001 waren es noch 28 %
der 12- bis 17-jährigen, die regelmäßig zum Glimmstengel
griffen. Den Erfolg führen die Autoren des Deutschen
Krebsforschungszentrums auf höhere Steuern, die schlech­
tere Erreichbarkeit der Zigaretten durch Altersbegrenzung
beim Kauf und auf verminderte Gelegenheiten zum Rauchen
durch höheren Nichtraucherschutz zurück [3].
Als „Onkologische Pharmazie“ widmen wir uns in diesem Heft
der Haupt-Auswirkung des Rauchens, dem Lungenkarzinom,
und seinen drei Behandlungssäulen Operation, Bestrahlung
und Chemotherapie.
Sicher werden aber auch die Berichte vom 22. NZW in Hamburg
und vom DKK 2014 in Berlin sowie zum Therapeutischen Drug
Monitoring in der Klinischen Onkologie Ihr Interesse finden.
Ständige Rubriken
Testiertes interaktives Selbststudium
Dem stehen in Deutschland die Einnahmen des Bundes
von etwas mehr als 14 Mrd. Euro jährlich an Tabaksteuer
als Verbrauchssteuer gegenüber [2]. Für gesundheitliche
Aufklärung zur Tabakprävention für Kinder und Jugendliche
stellt die Bundesregierung jedes Jahr nur rund eine Million
(nicht Mrd.!) Euro zur Verfügung [3], u.a. auch über den bun­
desweiten Wettbewerb „Be Smart – Don’t Start“ für rauchfreie
Schulklassen [4].
7
18
Buchbesprechung37
Impressum40
Who is who 42
Die besten Websites
51
Ihre Karla Domagk
[1]http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Die_Kosten_des_Rauchens.pdf
[2]http://www.zigarettenverband.de/de/21/Themen/Zahlen_%26_Fakten/Tabaksteuer
[3]http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Tabakpraevention_in_Deutschland_was_
wirkt_wirklich.pdf
[4]http://www.besmart.info/besmart/der-wettbewerb.html
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 3
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom
Von Oliver Micke, Ulrich Schäfer und Ralph Mücke
D
as Lungenkarzinom gehört zu den häufigsten Indikationen für eine Strahlen­
therapie, denn beim Lungenkarzinom befindet sich die Mehrzahl der Patienten
bereits in einem derart fortgeschrittenen Tumorstadium, dass eine kurative Operation
nicht mehr möglich ist. Oder es bestehen nicht selten andere medizinische Probleme,
die eine Operation nicht erlauben (Abb. 1). Viele dieser Patienten werden dann der
Strahlenbehandlung zugeführt.
Abb. 1:
Computertomographie eines
typischen Patienten mit
Lungenkrebs.
Zur Darstellung kommt ein
ausgedehntes
Lungenkarzinom im Bereich
des rechten Lungenhilus.
Viele der Patienten haben
aufgrund ihrer jahrelangen
Raucheranamnese zahlreiche Begleiterkrankungen,
die u.U. auch eine kurative
Operation verunmöglichen.
Die Strahlentherapie steht allerdings beim
Lungenkarzinom in der Regel nicht allein
im Therapiekonzept, sondern ist meist in ein
multimodales Konzept eingebunden, d.h. systemische Therapie und/oder Chemotherapie
gehen voraus bzw. folgen oder können auch
im Falle einer Chemotherapie als RadioChemotherapie durchgeführt werden.
Strahlentherapie mehr im Vordergrund der
Therapie.
Daneben spielen natürlich auch weitere patientenbedingte Faktoren, wie
das Alter, der Allgemeinzustand oder
Nebenerkrankungen, für die Entscheidung,
welches Strahlentherapieverfahren in welcher
Dosis durchgeführt wird, eine wichtige Rolle.
Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom
Beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom
wird die Strahlentherapie präoperativ (neoadjuvant), postoperativ oder primär durchgeführt. Sie kann kurativ oder auch palliativ durchgeführt werden. Da das NSCLC
zu den weniger strahlensensiblen Tumoren
zählt, müssen teilweise relativ hohe Dosen
erreicht werden.
Postoperative Strahlentherapie
Die postoperative Strahlentherapie beim
nichtkleinzelligen Lungenkarzinom konnte
bei den frühen Stadien I und II keine Vorteile
zeigen. Die postoperativ bestrahlten Patienten
in diesen Stadien hatten sogar eine schlechtere Überlebensrate. Allerdings zeigt sich
bei den Patienten, bei denen mediastinale
Lymphknoten befallen sind (pN2), also
im Stadium IIIA oder IIIB, ein Profit der
Patienten bezüglich der Lokalrezidivrate,
die allerdings bisher in den Studien noch
nicht als Verlängerung der Überlebenszeiten
belegt werden konnte. Die moderneren
Die Entscheidung, wie und welche
Strahlentherapie durchgeführt wird, hängt in
erster Linie davon ab, um welche Histologie
es sich handelt (kleinzelliges oder nichtkleinzelliges Lungenkarzinom). Beim kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC – small cell
lung cancer), das fast immer als primär systemische Erkrankung angesehen werden kann,
spielt die Strahlentherapie eine weniger wichtige Rolle.
Da demgegenüber beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC – non
small cell lung cancer) auch eine deutliche lokale Problematik vorliegt, stehen hier
lokale Maßnahmen wie Operation und auch
Abb. 2:
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom früher: Konvergenzbestrahlung aus mehreren
Richtungen Ende der 50er Jahre. Mit den relativ begrenzten Möglichkeiten der
Orthovolttherapie ließen sich bereits vergleichsweise gute Dosisverteilungen erzielen,
die schon höher dosierte Bestrahlungen ermöglichten.
4 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Abb. 3:
Patient zur Strahlenbehandlung eines Lungenkarzinoms
an einem Linearbeschleuniger neuerer Bauart.
Durch die höhere Energie der Megavolttherapie lassen
sich deutlich bessere Dosisverteilungen erzielen.
Therapieverfahren werden hier möglicherweise noch weitere Verbesserungen erzielen. Daher wird im Allgemeinen empfohlen,
bei mediastinalem Lymphknotenbefall eine
Strahlentherapie vor oder nach einer adjuvanten Chemotherapie durchzuführen. Die
Dosis dieser postoperativen Strahlentherapie
beträgt in der Regel 60 Gy.
Primäre Strahlentherapie
Bei lokal fortgeschrittenen Lungen­
karzinomen wird in der Regel eine kombinierte Radio-Chemotherapie durchgeführt, da sich diese in Studien der alleinigen
Radiotherapie als überlegen erwiesen hat. Die
Chemotherapie ist in der Regel platin-basiert;
zudem werden auch Taxol und Vinorelbin
angewandt.
Die dabei eingesetzten Strahlendosen liegen in der Regel oberhalb von 60 Gy, meist
bei 66 Gy.
Die erzielbaren Ergebnisse sind jedoch eher
bescheiden: Die medianen Überlebenszeiten
bewegen sich je nach Untersuchung zwischen 16 und 18 Monaten, die 3 JahresÜberlebensraten zwischen 35% und 40%.
Einen Sonderfall bilden die Patienten in
frühen Stadien, bei denen aus medizinischen Gründen, v.a. wegen schlechter
Lungenfunktion, keine Operation möglich
ist. Hier ist die Strahlentherapie das Mittel
der Wahl. Allerdings ist diese in konventioneller Technik bei notwendigen Dosen
von mehr als 65 Gy und bei eingeschränkter Lungenfunktion nicht unproblematisch.
Dementsprechend liegen die erreichbaren 5
Jahres-Überlebensraten auch nur bei 10%
bis 30%.
Neuerdings lassen sich sehr gute Ergebnisse
bei T1/T2-N0-Tumoren mittels hypofraktionierter stereotaktischer Radiotherapie erzielen, wobei die biologisch äquivalenten Dosen
bei mindestens 100 Gy liegen sollten.
Neoadjuvante Strahlentherapie
In bestimmten Fällen kann auch vor einer
Operation im Rahmen eines multimodalen Konzeptes eine kombinierte RadioChemotherapie erfolgen. Dabei ist dann die
Strahlendosis niedriger dosiert (ca. 45 Gy),
um die anschließende Operation nicht mit
unnötiger Toxizität zu gefährden.
Unklar ist bisher allerdings immer noch,
inwieweit die Patienten wirklich von diesem
Abb. 4:
Dosisverteilung bei Strahlentherapie eines
Lungenkarzinoms mit CT-gestützter
3D-konformaler Strahlentherapie. Durch
die höhere Konformation (Anpassung) der
Dosis an das Zielvolumen und die bessere
Dosisverteilung lässt sich die Dosis im
Tumorbereich erhöhen, bei gleichzeitig
besserer Schonung der Normalgewebe.
Vorgehen profitieren. Daher sollte dieser Ansatz präferentiell in Studien verfolgt
werden.
Kleinzelliges Lungenkarzinom
Wie bereits erwähnt, hat das kleinzellige
Lungenkarzinom eher den Charakter einer
Systemerkrankung, mit den entsprechenden Implikationen für die Therapie. D.h. die
systemische Chemotherapie steht hier auch
aufgrund der hohen Chemosensitivität im
Vordergrund.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 5
Normalgewebsschonung. Möglicherweise lassen sich dadurch auch die Therapieergebnisse
beim Lungenkarzinom weiter verbessern.
Die Strahlentherapie hat einen besonderen Stellenwert als prophylaktische
Schädelbestrahlung, denn beim SCLC
besteht eine hohe Tendenz zur Ausbildung
von Hirnmetastasen. Zudem wirkt die
Chemotherapie oft nicht so gut im ZNS.
Zusammenfassung
Die Strahlentherapie ist ein wichtiger
inte­graler Bestandteil der Therapie beim
Lungenkarzinom. Dabei ist sie meist in ein
multimodales Konzept eingebunden. Mit der
richtigen Technik ist sie eine wirksame und
nebenwirkungsarme Therapiemaßnahme.
Hier kann die prophylaktische
Bestrahlung die Rate der neuaufgetretenen Hirnmetastasen deutlich senken und
damit sogar die Überlebenszeit verlängern.
Die applizierten Gesamtdosen liegen in der
Regel zwischen 24 und 36 Gy als prophylaktische Therapie. Daher sollten alle Patienten
mit SCLC unabhängig vom Stadium, bei
denen es unter Chemotherapie zu einem
Ansprechen gekommen ist, einer prophylaktischen Schädelbestrahlung unterzogen
werden.
LITERATUR
Comb SE, Debus J.
Thoraxorgane. In: Wannenmacher M, Wenz F., Debus
J. Strahlentherapie. 2. Auflage.
Springer, Heidelberg. 2013; 557-592.
Fay M, Poole CM, Pratt G.
Recent advances in radiotherapy for thoracic tumours.
J Thorac Dis. 2013;5 (Suppl 5):S551-S555
Zudem profitieren auch Patienten im
Stadium „limited disease“, die eine Remission
erreicht haben, von einer Bestrahlung des
Mediastinums bezüglich des Überlebens.
Hier werden in der Regel Dosen um 50 Gy
verwendet.
Feliciano J, Feigenberg S, Mehta M.
Chemoradiation for definitive, preoperative, or postoperative therapy of locally advanced non-small cell
lung cancer. Cancer J. 2013; 19:222-230
Laine AM, Westover KD, Choy H.
Radiation therapy as a backbone of treatment of locally advanced non-small cell lung cancer.
Semin Oncol. 2014; 41:57-68
Durchführung der Strahlentherapie
Die Strahlenbehandlung beim
Lungenkarzinom ist nicht ganz einfach, da
einerseits recht hohe Dosen erreicht werden
müssen und andererseits strahlenempfindliche Organe wie Herz, Rückenmark und die
gesunden Teile der Lunge als „Risikoorgane“
in unmittelbarer Nähe des Bestrahlungsfeldes
liegen. Daher kommt es auch auf eine exakte
Bestrahlungsplanung und -durchführung an.
Vor der Strahlentherapie wird eine
Computertomographie (CT) des Thorax
in der Position angefertigt, in der später bestrahlt wird. In den so erzeugten Schichtbildern zeichnet der Arzt das
gewünschte Zielvolumen ein. Dann wird
die Bestrahlungstechnik festgelegt, mit der
die günstigste Verteilung der Strahlendosis
erzielt wird.
Dabei wird darauf geachtet, dass die
Tumorregion eine möglichst hohe und
gleichmäßig verteilte Dosis erhält, während
die Risikoorgane, z.B. gesunde Lunge und das
Herz, bestmöglich geschont werden.
Abb. 5:
Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT)
eines Bronchialkarzinoms.
Die Konformation lässt sich noch weiter
verbessern, dadurch ist es möglich eine
noch bessere Schonung der Risikoorgane
(v.a. der Lunge) zu erreichen und ggf. auch
die Dosis im Zielvolumen zu erhöhen.
Dies kann helfen, die Therapieergebnisse
zu verbessern.
Padda SK, Burt BM, Trakul N, Wakelee HA.
Early-stage non-small cell lung cancer: surgery, stereotactic radiosurgery, and individualized adjuvant
therapy. Semin Oncol. 2014;41:40-56.
Es wird schon lange versucht, die
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom
erfolgreich durchzuführen (Abb. 2). Aber erst
durch den Einsatz von Linearbeschleunigern
mit höheren Energien (Abb. 3) und durch
CT-gestützte 3D-konformale Bestrahlung
(Abb. 4) wurde es möglich, die entsprechenden Dosen mit einer guten Schonung der
Normalgewebe zu applizieren.
Videtic GM.
The role of radiation therapy in small cell lung cancer.
Fortgeschrittene Techniken, wie die
intensitätsmodulierte Strahlentherapie
(IMRT) (Abb. 5), ermöglichen in der
Regel eine weitere Verbesserung der
6 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Pöllinger B, Astner, ST, Lindner H.
Strahlentherapie. In: Huber RM (Ed). Tumoren der
Lunge und des Mediastinums. Manual Tumorzentrum
München. Zuckschwerdt Verlag, München Wien New
York. 2009; 104-110.
Salama JK, Vokes EE.
New radiotherapy and chemoradiotherapy approaches for non-small-cell lung cancer.
J Clin Oncol. 2013; 31:1029-1038.
Curr Oncol Rep. 2013; 15:405-410.
AUTOREN:
Oliver Micke¹, Ulrich Schäfer², Ralph Mücke²
¹Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie,
Franziskus Hospital Bielefeld
²Klinik für Strahlentherapie, Klinikum Lippe Lemgo
KORRESPONDENZADRESSE:
Prof. Dr. Oliver Micke
Tel.: ++49 521 5891801, Fax: ++49 521 5891804,
e-mail: [email protected]
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom
Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 2/2014
1. Wovon hängt beim Lungenkarzinom die Entscheidung für
ein bestimmtes Verfahren der Strahlentherapie ab?
a. von der Histologie
b. von patientenbezogenen Faktoren wie Alter und Allgemein­
zustand
c. vom vorhandenen Linearbeschleuniger
d. von Nebenerkrankungen des Patienten
4. Welche umliegenden „Risikoorgane“ müssen bei der Bestrahlungsplanung des Lungenkarzinoms besonders berücksichtigt werden?
a.Rückenmark
b.Herz
c.Gonaden
d.Lunge
2. Wie wird die Strahlentherapie beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom durchgeführt?
a.postoperativ
b.kurativ
c.palliativ
d.neoadjuvant
5. Wie kann die Strahlentherapie beim Lungenkarzinom mit
Applikation entsprechender Dosen und Schonung der Normalgewebe erfolgreich durchgeführt werden?
a. durch einen minimalinvasiven Eingriff mit da Vinci
b. durch den Einsatz von Linearbeschleunigern mit höheren
Energien
c. durch den Einsatz digitaler Röntgenbilder
d. durch CT-gestützte 3D-konformale Bestrahlung
3. Wie hoch ist die Dosis der postoperativen Strahlentherapie
beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom in der Regel?
a. 100 Gy
b. 72 Gy
c. 60 Gy
d. 45 Gy
Richtige Antworten zum Beitrag:
„Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei
der weiblichen Brust“
in Heft 4/2013
Frage 1: a, b, d
Frage 2: a, b, c, d
Frage 3: a, b, c, d
Frage 4: a, c, d
Frage 5: b, c
Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2014
Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in
der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder­
lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der
Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende FaxNummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig
sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg!
Per Fax: +49-40-79 14 03 02
Name:
Vorname:
Einrichtung:
Straße:
PLZ/Ort:
Strahlentherapie beim Lungenkarzinom
(Onkologische Pharmazie Nr. 2/2014)
Meine Antwort (X) lautet bei:
Frage 1:
a
b
c
d
Frage 2:
a
b
c
d
Frage 3:
a
b
c
d
Frage 4:
a
b
c
d
Frage 5:
a
b
c
d
Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die
Fragen persönlich beantwortet habe.
Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes
interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung
meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der
erreichten Punktzahl.
Datum:
Unterschrift:
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 7
Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom
Orale Therapieoptionen beim
Lungenkarzinom
Von Jochem Potenberg und Gisela Sproßmann-Günther, Berlin
Einführung
Das Lungenkarzinom ist die am häufigsten zum Tod führende Krebserkrankung des
Mannes. 2008 erkrankten 33.960 Männer und 15.570 Frauen neu an einem solchen Tumor.
Die Inzidenz beträgt 61 bei den Männern und 24 bei den Frauen pro 100.000 Einwohner
und Jahr. Nach Diagnosestellung eines Lungenkarzinoms beträgt das 5-Jahres-Überleben
13% bei den Männern und 18% bei den Frauen [RKI 2012].
Für das Lungenkarzinom ist die interdisziplinäre S3-Leitlinie aus dem LeitlinienProgramm Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft gültig [Goeckenjan et al. 2010].
Diagnostik
Zur Diagnostik gehört die Feststellung
der Morphologie des Tumors sowie seiner
Ausbreitung nach TNM. Die Unterscheidung
zwischen kleinzelligen Lungenkarzinomen
(SCLC, small cell lung cancer) und nicht
kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC,
non small cell lung cancer) ist historisch
gewachsen und biologisch wichtig.
Ein kleinzelliges Karzinom ist in der Regel
fortgeschritten, nicht operabel und bedarf der
sofortigen systemischen Therapie. Das nicht
kleinzellige Karzinom ist manchmal lokal
begrenzt und kann durch eine Operation
kurativ therapiert werden. SCLC stellen 20%
und NSCLC 80% der Lungenkarzinome.
Kleinzellige und nicht kleinzellige
Lungenkarzinome weisen morphologisch
charakteristische Merkmale auf, die zytologisch und/oder histologisch erkannt werden können. Die häufigsten nicht kleinzelligen Karzinome sind Adeno- und
Plattenepithelkarzinome der Lunge (Tab.
1). Das kleinzellige Karzinom (Abb. 1a)
zeigt eine maximal verschobene KernPlasma-Relation, das Zytoplasma ist kaum
entwickelt und das Chromatin des Kerns ist
fein granulär. Das Adenokarzinom (Abb.
1b) zeigt ein gut entwickeltes Zytoplasma
und das Chromatin ist fein bis granulär.
Häufig findet sich eine Vakuolisierung als
Ausdruck der drüsigen Differenzierung. Das
Plattenepithelkarzinom (Abb. 1c) zeigt ein
entwickeltes Zytoplasma, das Chromatin
ist grob bis granulär und große Nukleolen
werden sichtbar. Häufig sind basophile
Strukturen als Ausdruck der Verhornung zu
erkennen.
Bei einem unklaren Befund können auch
immunhistologische Untersuchungen zur
weiteren Typisierung herangezogen werden.
Der Nachweis von Zytokeratin 5/6 spricht für
das Vorliegen eines Plattenepithelkarzinoms,
bei Nachweis von Zytokeratin 7 ist ein
Adenokarzinom anzunehmen.
Zur Feststellung der Ausbreitung des Tumors
werden Computertomographien von Thorax
und Abdomen eingesetzt, um das klinische
TNM-Stadium zu erfassen. Das CT der
Tab. 1: Histologische Typen des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms [nach Cowling 2011]
Anteil (%)
Bezeichnung
Englische Bezeichnung
54
Adenokarzinome
adenocarcinoma
2
Bronchoalveoläres Karzinom
bronchoalveolar carcinoma
25
Plattenepithelkarzinome
squamous cell carcinoma
5
Großzellige Tumore
large cell carcinoma
14
andere (z.B. Karzinoide)
other/mixed
8 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
1a
1b
1c
Abb. 1: Typische zytologische Befunde
beim Lungenkarzinom (1a: Kleinzelliges
Karzinom; 1b: Adenokarzinom;
1c: Plattenepithelkarzinom)
Lunge (Abb. 2a) zeigt das Herz, die großen
Gefäße und die Lungen. Hier lässt sich die
Größe des Lungentumors ausmessen und es
können die regionären Lymphknoten beurteilt werden. Das CT des Abdomens (Abb.
2b) erfasst u.a. Leber, Magen, Milz und die
großen Gefäße. In der Leber stellen sich zwei
große Metastasen dar.
Durch die Übersichtsaufnahme des Thorax
sind Herzgröße und Belüftung der Lunge
gut erkennbar; mit der Szintigraphie
des Skeletts lassen sich alle Knochen in
einem Untersuchungsgang darstellen.
Die Übersichtsaufnahme einer 72jährigen Patientin (Abb. 3a) zeigt ein schmales
Herz, ein Lungenemphysem und den für
die intravenöse Chemotherapie benötigten
Port mit liegender Port-Nadel. Der in der
Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom
Monate und mit ausgedehnter Erkrankung
(extensive disease) 9 Monate. Diese Daten
sind mit denen der o.g. Kombinationstherapie
vergleichbar [Smit 1989].
2a
Somit hat sich in letzter Zeit beim
SCLC keine Veränderung der bisherigen
Behandlungswege entwickelt. Neuere Studien
ergaben keine Fortschritte gegenüber der tradierten Behandlung.
Therapie der nicht kleinzelligen
Lungenkarzinome (NSCLC)
2b
Abb. 2: Typische Befunde eines
Lungenkarzinoms im Thorax und von
Lebermetastasen im Abdomen
CT-Untersuchung sichtbare Tumor ist hier
nicht sicher zu erkennen. Die Szintigraphie
des Knochens (Abb. 3b) erlaubt als nuklearmedizinisches Verfahren die Darstellung
des gesamten Skeletts und detektiert die
Umbauvorgänge. Dabei sind Osteolysen ohne
Knochenumbau bisweilen nicht zu erkennen
und können zu „falsch negativen“ Befunden
führen.
Das EML4/ALK-Fusionsgen wird in 5%
der NSCLC nachgewiesen. Es liegt eine
Inversion auf 2p vor. Die Verbindung der
anaplastischen Lymphom-Kinase (ALK)
mit dem echinodermischen Microtubuliassoziiertem Protein-like 4 (EML4) führt
zu dieser „Driver-Mutation“.
Histologisch finden sich überwiegend
Adenokarzinome. Patienten sind im Median
etwas jünger und haben seltener geraucht.
Männer und Frauen sind gleichermaßen
betroffen.
Das nicht kleinzellige Lungenkarzinom
enthält keine kleinzelligen Anteile. Die
WHO unterscheidet folgende Entitäten:
Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom,
großzelliges Karzinom und adenosquamöses Karzinom. Verschiedene histologische Befunde treten mit unterschiedlichen
Häufigkeiten auf [Kim 2008]. Immun­
histologisch sind Lungenkarzinome häufig TTF1 (Thyroid Transcription Factor 1)
positiv. Neben der konventionellen Histologie
werden zunehmend molekulargenetische
Merkmale wie Mutationen von EGFR,
k-RAS und EML4/ALK geprüft, die dann
eine individualisierte Therapie erlauben.
Liegt ein Stadium I (ohne
Lymphknotenmetastasen) oder ein Stadium
II (z.B. peribronchiale Lymphknoten) vor,
wird die Möglichkeit der Operation geprüft.
Die Behandlung des Stadiums IIIA ist häufig
multimodal. Bei den Stadien IIIA bis IV ist
die systemische Therapie sinnvoll.
Bei Nachweis einer EGFR-Mutation oder
eines EML4/ALK-Fusionsgens stehen zur
Therapie Tyrosinkinase-Inhibitoren zur
Verfügung.
Eine Chemotherapie des NSCLC verbessert
das Gesamtüberleben und die Lebensqualität
der Patienten. Schiller et al. untersuchten 2002 unterschiedliche Platin-haltige
3a
3b
Im Stadium IIIB oder IV kann durch eine
lokale Therapie das Überleben nicht verbessert werden. Hier sind systemische Therapien
oder rein palliative Behandlungen indiziert.
Chemotherapie
Therapie der kleinzelligen
Lungenkarzinome (SCLC)
Die Mehrheit der Patienten mit einem
SCLC profitiert von einer Chemotherapie.
Liegt keine Fernmetastasierung vor und
spricht der Tumor gut auf die Therapie
an, ist eine Bestrahlung des Schädels und
des Thorax erforderlich. Der gegenwärtige Therapiestandard der Chemotherapie
besteht aus der Kombination von Platin und
Etoposid.
Etoposid ist jedoch auch in oraler
Darreichungsform verfügbar. Bei Patienten
über 70 Jahre erreichte die Monotherapie
eine Ansprechrate von 71%. Das mediane Überleben betrug für Patienten mit
beschränkter Erkrankung (limited disease) 16
Abb. 3: Übersichtsaufnahme des Thorax und Skelettszintigraphie (Patientin 72 Jahre)
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 9
Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom
Therapien bei 1.155 Patienten. Unabhängig
von der Art der Therapie war ein ähnliches Gesamtüberleben festzustellen. Die
Ansprechraten lagen bei 20%, das 1-JahresÜberleben bei 33%, das 2-Jahres-Überleben
bei 11%. Das mediane Gesamtüberleben
betrug 8 Monate. Patienten mit einem
guten Allgemeinzustand (ECOG 0/1) lebten (erwartungsgemäß) länger als Patienten
mit einem schlechten Allgemeinzustand
(ECOG 2).
Histologie als prädiktiver Marker
Scagliotti et al. zeigten eine bessere
Wirksamkeit der Kombination Cisplatin/
Pemetrexed gegenüber Cisplatin/Gemcitabin
beim Adenokarzinom und beim großzelligen Karzinom (Tab. 2). Pemetrexed inhi-
Der EGFR (epidermal growth factor receptor) gehört zur HER-Familie und wird von
der Mehrheit der Lungenkarzinome exprimiert. Liganden für diesen Rezeptor sind
EGF und TGF-alpha (transforming growth
factor). Die Bindung zwischen Ligand und
Rezeptor aktiviert die Signaltransduktion
über Ras, Raf und weitere Kinasen (z.B.
ERK1/ERK2). Dadurch werden Wachstum,
Differenzierung, Invasion und Überleben
maligner Zellen gefördert.
Cetuximab ist ein gegen den EFGR
gerichteter Antikörper. Cetuximab ist bei
Kolorektal­k arzinomen und bei HNOKarzinomen klinisch wirksam und wurde in
einer Phase-III-Studie beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom untersucht [Pirker
2009; Flex-Studie]. In der FLEX-Studie
wurde zunächst die EGFR-Präsenz in
Tab. 2: Phase III Studie zur Wirksamkeit von Pemetrexed bei NSCLC [nach Scagliotti 2008]
Kombination
First Line
Anzahl
Patienten
Gesamtüberleben in Monaten
Plattenepithel­
karzinom
kein Plattenepithelkarzinom
Cisplatin / Pemetrexed
862
9,4
11,0
Cisplatin / Gemcitabin
863
10,8
10,1
biert die Thymidilat-Synthase. Dieses Enzym
wird beim Plattenepithelkarzinom hoch
exprimiert, während diese Aktivität beim
Adenokarzinom niedrig ist.
Als orale Therapie steht Vinorelbin zur
Verfügung. Die Monotherapie führt zu einem
Ansprechen von 17% und einer Stabilisierung
1.688 Patienten festgestellt. 85% exprimierten den Rezeptor und wurden randomisiert.
Die Zugabe von Cetuximab verbesserte als
First-line-Therapie das Gesamtüberleben
von 10,1 Monaten auf 11,3 Monate gegenüber einer alleinigen Cisplatin-/VinorelbinTherapie über 6 Zyklen. Patienten mit einem
Tab: 3: Ergebnisse der FLEX-Studie [nach Pirker 2009]
Cisplatin / Vinorelbin / Cetuximab
(n=557)
Cisplatin / Vinorelbin
(n=558)
Ansprechen
36 %
29 % (p = 0.012)
PFS
4,8 Monate
4,8 Monate (n.s.)
Überleben
11,3 Monate
10,1 Monate (HR 0.87; p = 0.044)
der Erkrankung von 50%. Schwere Grad3-und-4-Toxizitäten traten nicht auf [Cobo
Dols 2007].
EGFR-Antikörper (Cetuximab)
Hautausschlag (rash) vor dem 2. Zyklus hatten ein medianes Überleben von 15 Monaten
verglichen mit 8,8 Monaten ohne jeden
Aus­schlag. Asiaten erreichen ein medianes
Überleben von 19,5 Monaten, Kaukasier 9,6
Monate (Tab. 3).
10 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Eine Zulassung für Cetuximab erfolgte bisher
beim Lungenkarzinom nicht.
Kleine Moleküle
Der EGF-Rezeptor besitzt eine extra- und
eine intrazelluläre Komponente. Erstere kann
durch parenteral gegebene Antikörper, letztere durch oral verabreichte Inhibitoren der
Tyrosinkinasen (TK-Inhibitoren) moduliert
werden. TK-Inhibitoren werden auch als
kleine Moleküle (small molecules) bezeichnet. Bei Einsatz dieser Therapien ist erkennbar, dass einige Tumoren auf die Behandlung
unterschiedlich ansprechen.
Aus Publikationen war bekannt, dass wenige
Patienten mit einem Lungenkarzinom ein
deutliches Ansprechen auf Gefitinib zeigten. Die Mehrzahl der behandelten Patienten
hingegen profitierte von der Therapie nicht.
Es wurde geschlussfolgert, dass die mit
einer Remission reagierenden Tumore eine
Zielläsion (target) besitzen müssten, die
das Ansprechen erklärt. Schließlich konnten bestimmte Mutationen im EGFR
beschrieben werden, die dem Target der
TK-Inhibitoren entsprechen.
Gefitinib wurde in zwei Phase-IIIStudien (INTACT-1, INTACT-2) untersucht. Das gleiche galt für Erlotinib
(TRIBUTE, TALENT). In allen vier
Studien wurden Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom eingeschlossen, die die TK-Inhibitoren zusätzlich zur
Chemotherapie erhielten. Diese vier Studien
konnten in dieser klinischen Situation keinen
Vorteil für die TK-Inhibitoren zeigen.
In der INTACT-2 -Studie wurden Patienten
mit einem fortgeschrittenen Lungenkarzinom
mit 6 Zyklen Carboplatin und Paclitaxel
behandelt. Zusätzlich wurden 0 mg, 250 mg
oder 500 mg Gefitinib bis zur Progression
verabreicht (Tab. 4). Das Gesamtüberleben
war unverändert [Herbst 2004].
Bei der EGF-Überexpression, die bei Frauen,
Nichtrauchern und Asiaten häufiger präsent ist, erwies sich Gefitinib im Head-tohead-Vergleich als wirksamer als die chemotherapeutische Doublette Carboplatin/
Paclitaxel beim progressionsfreien Überleben.
Das Gesamtüberleben erschien nicht verändert. In dieser IPASS-Studie waren 79%
Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom
Tab. 4: Ergebnisse der INTACT-2-Studie [nach Herbst 2004]
Gefitinib-Dosierung
Overall Survival
PFS
Ansprechrate
0 mg
9,9 Monate
4,6 Monate
30,0 %
250 mg
9,8 Monate
5,3 Monate
30,4 %
500 mg
8,7 Monate
5,0 Monate
28,7 %
der Patienten weiblich, 94% nicht rauchend
und 50% asiatisch. Gefitinib war besonders
effektiv bei einer Mutation im EGFR [Mok
2008].
wirksam (OS 24,0 vs. 19,6 Monate) wie die
Kombination mit Carboplatin/Paclitaxel
[ Janne 2010].
Erlotinib verbesserte in der SATURN-Studie
das krankheitsfreie Überleben des NSCLC
nach 24 Wochen von 17 auf 31% signifikant.
Die Induktion bestand aus 4 Zyklen einer
Platin-haltigen Chemotherapie. Der Effekt
durch Erlotinib war unabhängig von der
Histologie [Cappuzo 2009]. Die dokumen-
Mutation des EGFR als prädiktiver
Marker
Bei Nachweis einer Exon-19-Deletion
des EGFR führen Gefitinib und Erlotinib
als First-line-Therapie zu einem längeren
Gesamtüberleben als bei der Punktmutation
ErbB1, den humanen growth factor receptor
2 Her2/ErbB2 sowie ErbB4. Weiterhin zeigt
Afatinib Aktivität bei EGFR Mutationen.
Afatinib in einer Dosierung von 40 mg verbesserte in der LUX-Lung-3-Studie das PFS
im Vergleich zu Cisplatin plus Pemetrexed
beim EGFR-mutierten Adenokarzinom der
Lunge [Sequist 2013].
ALK/EML4-Fusionsgen
In 5% der Lungentumore lässt sich das
Fusionsgen ALK/EML4 nachweisen.
Crizotinib, ein Inhibitor von ALK und
c-MET, führt zu einem Ansprechen von
57% und einer signifikanten Verbesserung
des PFS auf 9,2 Monate [Bang 2010].
65% der Patienten sind nach einem Jahr
noch am Leben. Im weiteren Verlauf, nach
ca. einem Jahr Therapie, entwickeln sich
Tab. 5: Vergleich zwischen Erlotinib versus Carboplatin/Vinorelbin [nach Reck 2010]
Erlotinib
P
Erlotonib &
Nicht-Raucher
Carboplatin/
Vinorelbin &
Nicht-Raucher
P
Gesamtkollektiv
Carboplatin/
Vinorelbin
Gesamtkollektiv
Medianes PFS
2,4 Monate
4,6 Monate
0.0005
3,7 Monate
4,4 Monate
0.382
Medianes OS
7,9 Monate
8,4 Monate
0.211
16,5 Monate
17,7 Monate
0.931
1-J OS
31%
37%
n.s.
62%
64%
n.s.
tierte Toxizität des Erlotinib bestand aus 60%
Hautausschlag und 20% Durchfall.
Als First-line-Therapie erwies sich Erlotinib
im head-to-head Vergleich bei nicht selektierten Tumoren gegenüber Carboplatin/
Vinorelbin als unterlegen [Reck 2010]. Das
Kollektiv der Nichtraucher hatte ein deutlich besseres Überleben als das Kollektiv
der Raucher (Tab. 5). Hier erwies sich die
Monotherapie mit Erlotinib als ähnlich
L858R (38 vs. 17 Monate, p=0.04). Die
Ansprechraten waren etwas höher (nicht signifikant; 73% vs. 50%) und die Zeit bis zur
Progression verlängert (24 vs. 10 Monate).
Erlotinib schien beim Ansprechen (78
vs. 33%) ein wenig wirksamer zu sein als
Gefitinib [ Jackman 2006].
Afatinib ist ein oral wirksamer Inhibitor der
ErbB-Familie. Er inhibiert irreversibel den
epidermalen growth factor receptor EGFR/
Tab. 6: Vergleich zwischen Afatinib und Cisplatin/Pemetrexed bei EGF positiven fortgeschrittenem Lungenkarzinom [nach Sequist 2013]
n = 345
(1.269 gescreent)
PFS gesamt
PFS
(del19/L858R)
RR
(objektiv)
AE
Cisplatin/Pemetrexed
75/500 6 Zyklen
6,9 Monate
13,6 Monate
23 %
Übelkeit
Fatigue
Anorexie
Afatinib 40 mg bis
Progress
11,1 Monate
HR 0.58
6,9 Monate
HR 0.47
56 %
Diarrhoe
Rash / Akne
Stomatitis
Resistenzen und die Patienten erleiden häufig
Hirnmetastasen. Die erworbene CrizotinibResistenz beruht entweder auf einer neu
erworbenen Mutation in der ALK-KinaseDomäne oder auf einer Amplifikation des
Gens.
Crizotinib (2 x 250 mg) ist zugelassen als second line-Therapie nach
Platin-Doublette (z.B. CisPem) +/Bevacizumab) nach dokumentiertem
Progress. Unerwünschte Wirkungen sind
Sehstörungen, Transaminasen-Erhöhung,
Blutbildveränderungen, QTc-Verlängerung
und Pneumonitis.
Weitere Therapieoptionen sind die
Modulation der Signalwege des EGFR
oder c-KIT. Die Aktivierung dieser neuen
Signalwege kann zum „driver“ werden.
Weitere spezifische ALK/EML4-Inhibitoren
sind in Entwicklung.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 11
Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom
Zusammenfassung
Für die Diagnostik und Therapie des
Lungenkarzinoms steht die aktuelle
S3-Leitlinie zur Verfügung. Die konkreten Therapieentscheidungen fallen im
Rahmen von Tumor­konfe­ren­zen, an denen
Onkologen und Pharmazeuten beteiligt
sind. Im Stadium III und IV sind systemische Therapien die wichtigste Therapieoption.
Orale Chemotherapien wie Etoposid oder
Vinorelbin stehen zur Verfügung.
Zur Modulation des epidermalen growth
factor receptors stehen Gefinitib, Erlotinib
und Afatinib als ausschließlich oral verfügbare Substanzen zur Verfügung. Der orale
TK-Inhibitor Crizotinib hat das ALK/
EML4 als Target. Für die Durchführung der
oralen Therapie sind Kenntnisse der unerwünschten Wirkungen und deren Therapie
für Arzt und Apotheker unabdingbar.
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Pirker R, Pereira JR, Szczesna A et al.: Cetuximab plus
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Small-Cell Lung Cancer. N Eng J Med 2002. 346. 92-98.
AUTOREN:
Oberarzt Dr. med. Jochem Potenberg
Ärztlicher Leiter und Koordinator des Ambulanten
Onkologischen Zentrums
[email protected]
Dr. rer. med. Gisela Sproßmann-Günther
Leiterin der Zentralapotheke
[email protected]
Evangelisches Waldkrankenhaus Berlin Spandau
LITERATUR
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Cappuzo F, Ciuleanu T, Stelmakh L et al.: SATURN: A
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Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden:
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are associated with prolonged survival in non-small
cell lung cancer patients treated with gefitinib or
erlotinib. Clin Cancer Res. 2006 Jul 1; 12(13):3908-14.
am 24. Januar 2014
Dürschke, Katja/Dresden
Guderian, Danilo/Dresden
Karl, Monika/Eschweiler
Knetsch, Heike/Wetzlar
Mayer, Katharina/Augsburg
Silex, Dorina/Eschweiler
am 25. Januar 2014
Hoffmann, Marie/Zittau
Huber, Daniela/Berlin
Jost, Patrick/Dresden
Konietzny, Sylvia/Mannheim
Ochtendung, Birgit/Andernach
Paul, Nina/Berlin
Richter, Karina/Leipzig
Rieger, Uta/Esslingen
Schmidt-Jung, Bärbel/Eschweiler
Winter, Petra/Bruchsal
Janne PA, Wang XF, Socinski MA et al.: Randomized
phase II trial of erlotinib (E) alone or in combination
with carboplatin/paclitaxel (CP) in never or light former smokers with advanced lung adenocarcinoma:
CALGB 30406. J Clin Oncol 28:15s, 2010 # 7503
12 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
am 2. März 2014
Glaß, Brigitte/Köln
Kuhn, Julia/Offenburg
Lanfersiek, Anne/Neuruppin
Levi, Sarah/Paderborn
Münch, Susanne/Berlin
Netscho, Anja/Schweinfurt
Reifert, Heike/Jena
Rettkowski, Rainer/Blankenburg
Rohlfing, Mara/Soltau
Woyte, Christin/Stendal
am 30. März 2014
Anders, Helene/Frankfurt
Frlan, Monika/Gröbenzell
Kowalski, Sarah/Gröbenzell
Luppa, Sabrina/Dormagen
Münch, Bettina/Berlin
Niedermaier, Arabella/Frankfurt
Rüdig, Melanie/Köln
Störmer, Claudia/Neuss
Wilbertz, Andrea/Trier
Winterl, Christina/Regensburg
Wolfschlag, Antonia/Fulda
Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen
Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms –
Möglichkeiten und Grenzen
Von Jörg Kluge, Erfurt
D
as Lungenkarzinom steht, mit ca. 34 000 Männern und 16 000 Frauen pro Jahr, an
3. Stelle bei den Krebsneuerkrankungen in Deutschland bei beiden Geschlechtern.
Während bei den Männern die Inzidenz in den letzten 10 Jahren weitgehend stabil geblie­
ben ist, zeigt sich bei den Frauen eine ansteigende Neuerkrankungsrate (1).
Bei den Krebssterbefällen führt das
Lungenkarzinom bei den Männern mit ca. 30
000 Patienten pro Jahr, bei den Frauen liegt
es an 3. Stelle mit ca. 13 000 Patientinnen
pro Jahr in Deutschland. Die 5-JahresÜberlebensrate für alle diagnostizierten
Lungenkarzinome hat sich in den letzten
Jahren kaum verändert und liegt, über alle
Tumorstadien, bei unter 20 % (1).
Risikofaktoren
Tabakrauch ist der Risikofaktor Nummer 1
des Lungenkarzinoms, 9 von 10 Fällen bei
den Männern und 6 von 10 Fällen bei den
Frauen werden darauf zurückgeführt (2).
Gerade bei den Frauen wird die zunehmende
Inzidenz zum einen mit der Anpassung der
Rauchgewohnheiten an die Männer, zum
anderen aber auch auf den hohen Anteil
von Passivraucherinnen bei rauchenden
Lebenspartnern zurückgeführt (3).
Als weitere Risikofaktoren werden kanzerogene Stoffe (bis 10%) wie Asbest,
Quarzstäube, polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe, Nickelstäube, Radon
oder andere ionisierende Strahlung angegeben (4).
G e n e t i s c h e Fa k t o r e n , w i e a u c h
Virusinfektionen (Humanes Papillomavirus,
Eppstein-Barr-Virus) sind weitere mögliche
Risikofaktoren (4).
Die schlechte Prognose des Lungenkarzinoms
ist zu einem großen Teil der späten
Diagnostik geschuldet.
Es sind keine echten Frühsymptome bekannt.
Die auftretende Symptomatik hängt häufig
von der Tumorlokalisation ab.
Bluthusten (Hämoptysen/Hämoptoe),
Reizhusten, der länger als 3 Wochen anhält,
Luftnot und thorakale Schmerzen sind klinische Zeichen, die eine weiterführende
Diagnostik nach sich ziehen müssen.
Allgemeine Symptome wie Gewichtsverlust,
Nachtschweiß und Leistungsknick bieten
zusätzliche Hinweise.
In den USA konnte mit dem National
Lung Screening Trail mit insgesamt 53 000
Probanden an 33 Zentren gezeigt werden, wie
in einer Hochrisikogruppe (starke Raucher,
55 – 74 Jahre alt) durch ein CT-Screening
die Sterblichkeit an der Tumorerkrankung
um 20 % gesenkt werden konnte (5).
Behandlungsoptionen beim
Lungenkarzinom
Beim Lungenkarzinom wird nach dem
histologischen Bild zwischen dem
Abb. 1: TNM – Klassifikation Lungenkarzinom
Sobin LH, Gospodarowicz MK, Wittekind Ch; TNM Classification of Malignant Tumours,
7th Edition 2009
T1
≤ 3 cm
T1a ≤ 2 cm
T1b ≥ 2 cm aber ≤ 3 cm
T2
> 3 cm aber ≤ 7 cm oder Invasion der visceralen Pleura
Hauptbronchus ≥ 2 cm von der Karina, partielle Atelektase
T2a > 3 cm aber ≤ 5 cm
T2b > 5 cm aber ≤ 7 cm
T3
> 7 cm oder Infiltration Brustwand, Zwerchfell, Nervus phrenicus
mediastinale Pleura, Perikard, Hauptbronchus < 2 cm von Karina
totale Atelektase, getrennter Tumorherd im selben Lappen
T4
jede Tumorgröße mit Infiltration Mediastinum, Herz, große Gefäße
Trachea, Nervus laryngeus recurrens, Ösophagus, Wirbelkörper,
Karina, getrennter Tumorherd in anderem ipsilateralem Lappen
N1
ipsilaterale peribronchiale/hiläre Lymphknoten
N2
ipsilaterale mediastinale/subkarinale Lymphknoten
N3
kontralaterale mediastinale, hiläre, ipsi- oder kontralaterale
Skalenus- oder supraklavikuläre Lymphknoten
M1a Tumorherd in kontralateraler Lunge, pleurale Tumorherde, Pleura- oder
Perikarderguss
M1bFernmetastasen
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 13
Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen
nichtkleinzelligen Lungenkarzinom
(NSCLC – non small cell lung cancer) ca.
80 - 85 % aller Tumoren und dem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC – small cell
lung cancer) ca. 15 - 20 % aller Tumoren
unterschieden. Im Folgenden wird auf die
Behandlung des NSCLC eingegangen.
Die operative Behandlung stellt nach wie vor
die einzige Therapie mit potentiell kurativem
Ansatz dar. Nur ca. 20 - 30 % der diagnostizierten Patienten werden operiert.
Zum einen werden auf Grund der fehlenden Frühsymptome die meisten Patienten
erst in einem metastasierten Tumorstadium
diagnostiziert und scheiden deshalb für eine
Operation aus. Zum anderen ist ein Teil der
von lokaler Seite operablen Patienten auf
Grund einer kardialen Komorbidität oder
anderer raucherassoziierter Erkrankungen,
wie z.B. einer höhergradigen COPD, funktionell nicht operabel.
Als palliative Therapieverfahren kommen bei metastasierten Tumorstadien die
Chemotherapie sowie die Kombination
aus Bestrahlung und Chemotherapie zur
Anwendung.
Bei lokalisierten Tumorstadien und nicht
gegebener funktioneller Operabilität des
Patienten steht die Bestrahlung, eventuell
stereotaktisch zur weitestgehenden Schonung
des gesunden Lungengewebes, als palliative
Therapieoption zur Verfügung.
Bei Patienten mit genetischen Veränderungen
des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors
(EGFR) oder Nachweis des EML4/
ALK-Fusionsonkogens werden heute
Tyrosinkinaseinhibitoren auch in der
Erstlinientherapie eingesetzt.
Abb. 2: Stadieneinteilung Lungenkarzinom
Goldstraw P, Shepherd FA, Pass HI, The
International Staging System for Lung
Cancer; ASCO 2009 Educational Book
IA
Jedes T1
N0
M0
IB
T2a
N0
M0
IIA
Jedes T1
N1
M0
T2a
N1
M0
T2b
N0
M0
T2b
N1
M0
T3
N0
M0
JedesT1
N2
M0
Jedes T2
N2
M0
T3
N1, N2
M0
T4
N0, N1
M0
Jedes T1–3
N3
M0
T4
N2, N3
M0
Jedes T
Jedes N
Jedes M1
IIB
IIIA
IIIB
IV
Präoperative Diagnostik
Zur präoperativen Diagnostik gehört zum
einen die Festlegung der prätherapeutischen
Tumorstadiierung durch Bestimmung von
Tumorgröße und -lage (T), Vorhandensein
oder Ausschluss sowie Lokalisation einer
lymphogenen Metastasierung in die
Lymphknoten (N) sowie einer hämatogenen Metastasierung in andere Organe (M)
(Abb. 1 und 2).
Zum anderen muss über eine funktionelle
Diagnostik die kardiorespiratorische Reserve
des Patienten bestimmt werden. Im Ergebnis
steht die Aussage, ob der Patient für einen
definierten operativen Eingriff operabel ist
oder nicht.
Am Anfang der prätherapeutischen
Tumorstadiierung mittels bildgebender
Abb. 3: Röntgen – Thorax p.a. mit einem
Lungenkarzinom im rechten
Lungenoberlappen
Abb. 4: CT – Thorax des Patienten
aus Abb. 3
14 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Verfahren steht das Röntgen des Thorax,
idealerweise in 2 Ebenen (Abb. 3).
Bei auffälligem Befund schließt sich eine
CT des Thorax – mit Kontrastmittel
und Beurteilung von Nebennieren und
Leber an. Mit der CT ist eine genaue
Größenbestimmung des verdächtigen
Befundes möglich und die Lagebeziehung
zu den bronchialen Strukturen, Gefäßen,
mediastinalen Strukturen sowie Brustwand
und Zwerchfell wird erkennbar (Abb.
4). Außerdem kann bereits der Verdacht
auf Metastasen in der Lunge, Leber oder
Nebenniere geäußert werden.
Bei Nachweis oder dringendem Verdacht
auf ein Karzinom der Lunge und möglichem
kurativen Therapieansatz schließt sich entsprechend der S3-Leitlinie zur Diagnostik
und Therapie des Lungenkarzinoms
immer eine PET-CT mit Fluor-18Fluorodesoxyglukose (FDG) zum Nachweis
bzw. Ausschluss einer lymphogenen und/oder
hämatogenen Metastasierung und zur metabolischen Beurteilung des Primärtumors an
(Abb. 5) (4).
Sollte im PET–CT der Verdacht auf eine
lymphogene mediastinale Metastasierung
geäußert werden, so muss die zytologische
oder histologische Abklärung dieser Befunde
erfolgen. In vielen Fällen gelingt das durch
eine sonografiegestützte Punktion mittels Endobronchialem Ultraschall (EBUS)
eventuell in Kombination mit der transösophagealen Endosonografie (EUS). Sollte
dieses Verfahren nicht verfügbar sein oder
im Ergebnis der EBUS-Untersuchung eine
negative Aussage resultieren, muss sich
eine Mediastinoskopie zur histologischen
Abklärung anschließen (4).
Die flexible Bronchoskopie in
Lokalanästhesie gehört zur Basisdiagnostik
beim Verdacht auf ein Lungenkarzinom.
Mit ihr gelingt in vielen Fällen die histologische Sicherung des Tumors, entweder durch
direkte Biopsie bei endobronchial sichtbaren
Tumoren oder durch transbronchiale Biopsie
unter Röntgendurchleuchtung.
Bei endobronchial sichtbaren Tumoren
ist vor einer Operation die Beurteilung
der möglichen Resektionsebene durch die
Bronchoskopie zu eruieren, potentielle
Absetzungsstellen zu biopsieren. Auch vorliegende Anomalien in der Verzweigung
des Bronchialbaums sind vor einer geplanten Operation durch eine Bronchoskopie zu
detektieren.
Um das Zugangstrauma für die Patienten
zu minimieren, hat sich in vielen Zentren
bei geeigneten Tumoren die Lobektomie in
minimal-invasiver videoassistiert thorakoskopischer Operationstechnik (video-assisted
thoracic surgery = VATS) etabliert.
McKenna konnte unizentrisch an über
1.100 VATS-Lobektomien aufzeigen, dass
das Verfahren technisch sicher mit geringer Morbidität und vergleichbarem onkologischen Outcome durchführbar ist (7).
Da es bisher keine publizierten prospektiv randomisierten Studien zum Vergleich
offene versus VATS-Lobektomien gibt und
es sich im Kollektiv der thorakoskopisch
operierten Patienten um ein selektioniertes
Kollektiv handelt, wird in der derzeitig gültigen Fassung der S3-Leitlinie noch keine
Empfehlung zur VATS-Lobektomie ausgesprochen (4).
Sogenannte limitierte Resektionen,
d.h. Keil­resektionen des Tumors mit
einem Sicherheitsabstand, ohne Berück­
sichtigung der anatomischen Strukturen
(atypische Resektion) und anatomische Segmentresektionen finden heute
Anwendung bei kleinen Tumoren und
Abb. 5: F 18 – FDG – PET – CT des Patienten aus Abb. 3 mit einem PET
positiven Lungenkarzinom ohne lymphogene oder hämatogene
Metastasierung
Gelingt die histologische Sicherung über
eine Bronchoskopie nicht, schließt sich die
CT-gestützte Punktion des Tumors zur
Sicherung der Malignität an.
Das MRT des Thorax bleibt speziellen
Fragestellungen wie der Infiltration von
Brustwand, Mediastinum und Wirbelkörpern
vorbehalten und kann speziell bei der
OP-Vorbereitung eines Sulcus-superiorTumors von großer Wertigkeit sein (6).
Im Rahmen der funktionellen Diagnostik stehen an erster Stelle die Bodyplethysmografie
und die arterielle Blutgasanalyse.
Bei einer FeV1 > 80% und einer TLCO >
60 % ist der Patient bis zur Entfernung eines
Lungenflügels (Pneumonektomie) operabel
(4). Die weitere Abstufung hängt vom geplanten Resektionsausmaß ab und muss neben
pulmonalen Begleiterkrankungen, wie die
häufig zusätzlich bestehende COPD auch die
kardialen Komorbiditäten berücksichtigen.
Zur weiteren Risikostratifizierung werden
die Lungenperfusionsszintigrafie und die
Spiroergometrie eingesetzt.
Bestandteile der Lungenfunktionstestung
FEV1: Einsekundenkapazität (engl. Forced Expiratory Pressure in 1 Second), die
größtmögliche Menge an Luft, die innerhalb von 1 Sekunde forciert ausgeatmet werden
kann.
TLCO: Transfer-Faktor für CO, die Diffusionskapazität der Lunge.
Chirurgische Therapie des
Lungenkarzinoms
In frühen Tumorstadien (Stadium I/II),
das heißt bei Tumoren ohne hämatogene
Fernmetastasierung und fehlender lymphogener Metastasierung oder Metastasierung in
die ipsilateralen peribronchialen oder hilären
Lymphknoten (N1), möglicher technischer
Operabilität und ausreichender funktioneller Reserve ist die Operation das Verfahren
der Wahl.
Als operativer Standard gilt die Entfernung
des tumorbefallenen Lungenlappens
(Lobektomie) mit systematischer ipsilateraler Lymphknotendissektion mediastinal,
hilär und interlobär.
Die durchschnittliche Letalität liegt dabei
bei 3,5 % (4).
Patienten, denen auf Grund funktioneller
Limitierung eine Lobektomie nicht zumutbar erscheint.
In einer kontrolliert randomisierten Studie
zum Vergleich Lobektomie versus limitierte
Resektion im Stadium I wurde eine dreifach höhere Rezidivrate bei den limitierten
Resektionen nach 5 Jahren beschrieben (8).
In anderen Arbeiten konnte bis zu einer
Tumorgröße von 2 cm kein Unterschied im
5-Jahres-Überleben nachgewiesen werden,
bei größeren Tumoren bis 3 cm scheint die
Segmentresektion der Lobektomie bei sicherer R0-Resektion noch gleichwertig. Die atypische Resektion zeigt hier jedoch deutlich
schlechtere Ergebnisse als die anatomische
Resektion (9).
In seltenen Fällen ist eine Entfernung
des kompletten Lungenflügels (Pneumo­
nektomie) bei einem zentral in der
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 15
Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen
Lungenwurzel sitzenden Tumor notwendig
(Abb. 6 und 7). Durch entsprechende operative Techniken, mit Reanastomosierung
resezierter Bronchus- und/oder Gefäßanteile,
sogenannter broncho- und/oder angioplastischer Resektionen, oder auch Sleeve- oder
Manschettenresektionen, kann bei einigen
Patienten eine Pneumonektomie vermieden
werden.
Dadurch werden vergleichbare 5-JahresÜberlebenszeiten (Manschettenresektion versus Pneumonektomie, 49% versus 51%) bei
geringerer perioperativer Letalität (4% vs. 6%)
und besserer Lebensqualität erreicht (10). Die
Rezidivrate gegenüber der Pneumonektomie
ist jedoch etwas höher (11).
Eine Infiltration der Brustwand oder
des Zwerchfells stellt in der Regel keine
Kontraindikation zur Operation dar.
Entscheidend für die Prognose in diesen
Fällen ist neben dem Lymphknotenbefall
(5-Jahre-ÜL pN0 44% versus pN1 26%) und
der R0-Resektion des Befundes (5-Jahre-ÜL
R0 27% versus R1 7%) die En-bloc-Resektion
des Befundes ohne Eröffnung des Tumors
(11, 12).
Während die Sinnhaftigkeit einer Operation
bei einem N1-Lymphknotenbefall unstrittig
ist, ist die Situation im Stadium IIIa – N2
differenziert zu betrachten.
Während die Stadien IIIa(1) und IIIa(2) nach
der Robinson-Klassifikation (Abb. 8) postbzw. intraoperative Situationen beschreiben und eine adjuvante Therapie, im Sinne
einer Chemotherapie mit eventuell nachfolgender mediastinaler Radiotherapie, angeschlossen wird und in der Situation IIIa(4)
eine operative Therapie onkologisch nicht
sinnvoll erscheint, ist das Vorgehen bei
IIIa(3) der präoperativen Sicherung einer
oder mehrerer mediastinaler befallener
Lymphknotenstationen uneinheitlich (4).
Die therapeutischen Möglichkeiten bilden hier die adjuvante versus neoadjuvante Systemtherapie unter Einschluss
der Operation bzw. Radiotherapie versus
Operation zur lokalen Kontrolle (4).
Im Stadium IV der Erkrankung, bei nachgewiesener Fernmetastasierung, besteht
bei den meisten Patienten nur noch die
Möglichkeiten der Behandlung in einem
palliativen Therapiekonzept.
Ausnahmen mit der Möglichkeit eines kurativen Therapieansatzes bestehen bei nachgewiesener singulärer Metastasierung in Hirn
oder Nebenniere.
Abb. 6: CT – Thorax mit einem zentralen
Lungenkarzinom links
Sollte der Primärtumor lokal operabel sein, keine mediastinale
Lymphknotenmetastasierung vorliegen und
die Metastasen kurativ behandelbar sein, so
erfolgt im ersten Schritt die Resektion der
zerebralen Metastase oder die radiochirurgische Behandlung, mit oder ohne anschließender Ganzhirnbestrahlung, bei einer solitären
Nebennierenmetastase die Adrenalektomie
(4).
Anschließend wird der primäre Lungentumor
nach onkologischen Gesichtspunkten reseziert mit einer systematischen mediastinalen
Lymphadenektomie. Daran schließt sich eine
postoperative Chemotherapie an (4).
Abb. 7: Röntgen – Thorax p.a. des
Patienten aus Abb. 6 bei Zustand nach
Pneumonektomie links
Die Operation kann auch bei T4-Tumoren im
Stadium T4N0/1 (Stadium IIIb) bei selektionierten Patienten onkologisch sinnvoll sein.
Hier kann die Operation bei Befall
der Hauptkarina, minimaler TracheaBeteiligung, minimalem Befall des rechten Vorhofs, Infiltration der V. cava oder
der Pulmonalarterie, ipsilateraler Metastase
in einem anderen Lappen bei technischer
Operabilität und Ausschluss von mediastinalen Lymphknotenmetastasen durchgeführt
werden (4).
Abb. 8:
Die Behandlung dieser Patienten sollte an
spezialisierten Zentren nach interdisziplinärer Diskussion (Thoraxchirurg, Pneumologe,
Onkologe, Radioonkologe, diagnostischer
Radiologe) im Tumorboard und möglichst
in Studien erfolgen (4).
16 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Bei solitären, synchronen zerebralen Metastasen können so 5-JahresÜberlebensraten zwischen 11%
u n d 5 2 % e r re i c h t we rd e n ( 1 3 - ,
15).
Bei
solitären
synchronen
Nebennierenmetastasen liegen die 5-JahresÜberlebensraten zwischen 11% und 20% (16,
17).
Isolierte pulmonale Lungenmetastasen in
der kontralateralen Lunge bedeuten ebenfalls
ein Stadium IV. Auch hier empfiehlt sich,
auch zum sicheren histologischen Nachweis,
die Resektion zunächst der Metastase oder
bei Vorliegen eines anderen histologischen
Befundes des Zweittumors.
Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen
Tö n n i s e t a l . k o n n t e n i n i h re m
Patientenkollektiv bei isolierter pulmonaler kontralateraler Metastase eine 5-JahresÜberlebensrate von bis zu 77 % nachweisen, bei Zweittumoren bis zu 56 %. Auch
hier zeigten die Patienten mit mediastinalem Lymphknotenbefall (N2) ein deutlich
schlechteres Überleben (18).
Fazit
Das Lungenkarzinom ist ein häufiger
Tumor und steht bei beiden Geschlechtern
an 3. Stelle bei den Krebsneuerkrankungen
in Deutschland. Die Prognose ist mit einer
5-Jahres-Überlebensrate von < 20% über alle
diagnostizierten Tumorstadien schlecht.
Da die chirurgische Resektion des Tumors die
einzig potentiell kurative Therapieoption darstellt, gilt es durch eine abgestufte Diagnostik
die Patienten zu selektionieren, die von einer
Operation profitieren können. Neben der
Tumor- und Umgebungsdiagnostik kommt
dabei auch der funktionellen Diagnostik des
Patienten eine entscheidende Bedeutung zu.
In den frühen Tumorstadien I und II ist beim
funktionell operablen Patienten die chirurgische Resektion das Verfahren der Wahl.
Aber auch im Stadium III und IV gibt es
Patientengruppen, denen im Rahmen eines
multimodalen Therapiekonzeptes unter
Einschluss der Operation ein kurativer
Therapieansatz angeboten werden kann.
Die technische Operabilität kann nur durch
einen erfahrenen Thoraxchirurgen beurteilt
werden.
J e d e r Pa t i e n t m i t d e r D i a g n o s e
Lungenkrebs muss heute, wie auch alle
anderen Tumorentitäten, in einem spezialisierten Zentrum in der interdisziplinären
Diskussion aller an der Behandlung beteiligter Fachdisziplinen besprochen und das individuelle Therapiekonzept festgelegt werden.
LITERATUR:
1Krebs in Deutschland 2007/2008, Zentrum für
Krebsregisterdaten, Robert Koch-Institut Berlin,
8. Ausgabe 2012
2Mc Neill A. Tobacco use and effects on health. In
Prepared by the Aspect Consortium, European
Commission Luxemburg: Office for Official Publication of the European Comminities, 2004: 25-68
3Brennan P, Buffler PA, Reynolds P et al. Second hand
smoke exposure in adulthood and risiko of Lung
cancer among never smokers: a pooled analysis
of two large studies. Int J Cancer 2004; 109: 125
– 131
4Goeckenjan G et al. Prävention, Diagnostik, Therapie
und Nachsorge des Lungenkarzinoms. Interdisziplinäre S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin und
der Deutschen Krebsgesellschaft. Pneumologie
2010;64, Supplement 2: e1 – e164
5The National Lung screening trial Team. Reduced
Lung – Cancer Mortality with Low-Dose Computed Tomographic Screening. N Engl J Med 2011;
365: 395 - 409
16 Luketich JD, Burt ME. Does resection of adrenal metastases from non-small cell lung cancer
improve survival? Ann Thorac Surg 1996; 62:
1614 – 18
17. Porte HL, Siat J, Lepimpec-Barthes F et al. Resection of adrenal metastases from non-small
cell lung cancer: a multicenter study. Ann Thorac
Surg 2001;71: 981 – 95
18. Tönnies M, Kollmeier J, Bauer T, Griff S, Kaiser D.
Kurativer chirurgischer Therapieansatz bei solitär
pulmonal metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom. Pneumologie 2012; 66: 197 - 202
AUTOR:
Chefarzt Dr. med. Jörg Kluge
Klinik für Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie
Helios Klinikum Erfurt
Email: [email protected]
6 MacDonald SL, Hansell DM. Staging of non-small
cell lung cancer: imaging of in intrathoracic disease. Eur J Radiol 2003; 45; 18-30
7 McKenna RJ, Houck W, Fuller CB. Vide - Assisted
Thoracic Surgery Lobectomy: Experience with
1100 cases. Ann Thorac Surg 2006; 81: 621 – 26
8. Ginsberg RJ, Rubinstein LV. Randomized trial of
lobeczomy versus limited resection for T1N0 nonsmall cell lung cancer. Lung Cancer Study group.
Ann Thorac Surg 1995; 60:615 – 22
9. Okada M, Nishio W, Sakamoto T et al. Effect of
tumor size on prognosis in patients with non –
small cell lung cancer. The role of segmentectomy
as a type of lesser resection. J Thorac Cardiovasc
Surg 2005;129: 87-93
10. Ferguson MK, Lehmann AG. Sleeve lobectomy or
pneumonectomy: optimal management strategy
using decision analysis techniques Ann Thorac
Surg 2003; 76: 1782 – 88
11. Detterbeck FC. General aspects of surgical treatment In: Detterbeck FC, Rivera MP, Socinski MA,
Roseman JG,Hrsg. Diagnosis and treatment of
lung cancer: an evidence-based guid for the
practicing clinician. Philadelphia:Saunders,2001:
133 – 47
12. Scott WJ , Howington J, Movsas B. Treatment of
stage II non-small cell lung cancer. Chest 2003;
123:188S – 201S
13Bonnette P,Puyo P, Gabriel C et al. Surgical management of non- small cell lung cancer with snchronous brain metastases. Chest 2001; 119:1469 – 75
14Furak J, Trojan I, Szoke T et al. Lung cancer and
its operable brain metastasis: survival rate and
staging problems. Ann Thorac Surg 2005;79:
241 – 47
15Khan AJ, Metha PS, Zusag TW et al. Long term disease-free survival resulting from combined modality management of patients presenting with
oligometastatic non - small cell lung carcinoma
(NSCLC). Radiother Oncol 2006; 81: 163 – 67
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 17
Kommentar des Herausgebers
Kommentar des Herausgebers
Erlebnisse können zu Erfahrungen werden
Klaus Meier
D
ie Deutsche Gesellschaft für On­
kologische Pharmazie existiert
als organisierter Zusammenhalt von
Menschen, die sich und ihre Kenntnis­
se zum Wohle von Krebskranken ein­
bringen wollen, seit über 20 Jahren,
auch wenn die offizielle Gründung erst
ein paar Jahre später stattfand.
Seit dieser Zeit werden nicht nur jähr­
lich Fachkongresse gestaltet, sondern
auch innerhalb des Jahres Workshops
und Treffen zum wissenschaftlichen
Austausch organisiert1. Zu Beginn war
die Onkologische Pharmazie eine Or­
chideenwissenschaft in den Augen der
etablierten Pharmazie. Die Mehrzahl
der Pharmazeuten verschwendete da­
rauf keinen Gedanken, obwohl schon
zu dieser Zeit Krebs die zweithäufigste
Todesursache war. Darauf aber Einfluss
zu nehmen, schien nahezu unmöglich.
Die wissenschaftliche Vertiefung in die
Ursachen der Krankheit und die Fort­
entwicklung der Medikamente gegen
das Krebswachstum wie auch die Früh­
erkennung als therapeutische Option
machten Jahr für Jahr immense Fort­
schritte.
Zu herstellenden Apotheken, die sich
anfänglich als Goldgruben darstellten,
gesellten sich nicht nur Herstellungs­
betriebe, sondern mittlerweile wird
durch die steigende Anzahl von ora­
len Medikamenten gegen den Krebs
jede Apotheke in Deutschland zu ei­
nem potentiellen Zentrum für spezielle
Patientenberatung.
Nicht nur Kenntnisse über Tumorthe­
rapeutika, sondern das Verstehen der
Wirkung von Medikamenten und der
Interaktionen mit weiteren verordneten
Arzneimitteln, insbesondere auch in
Hinblick auf die sich verändernden Kör­
perfunktionen, haben den Anspruch
der Krebspatienten erhöht, in Apothe­
ken kompetente Partner beim Einsatz
von Arzneimitteln beim Menschen vor­
zufinden.
Dies hat sich nicht nur im gesetzlichen
Anspruch der neuen Apothekenbe­
triebsordnung widergespiegelt, son­
dern auch in der vom Berufsverband
angestoßenen Diskussion über das
Berufsbild des Apothekers.
Auch wir haben uns gefragt, was macht
ein Apotheker, der mit dem Umgang
von Krebsmedikamenten zu tun hat,
wirklich, wie ist sein tägliches Handeln
durch die damit verbundenen Abläu­
fe bestimmt? Zu diesem Zweck haben
wir online unsere deutschsprachigen
Apothekerinnen und Apotheker der
europäischen Mitgliedschaft in der
ESOP (European Society of Oncology
Pharmacy) befragt. Spannendes tritt
zu Tage, auch wenn wir die Ergebnisse
erst auf der Europäischen Konferenz
für Onkologische Pharmazie (ECOP 2)
www.dgop.org; www.nzw.de; www.fortbildungsakademie.de
1
Wir berichten darüber für Sie in unserer nächsten Ausgabe.
2
18 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
in Krakau am 26.-28. Juni dieses Jah­
res präsentieren werden2, so darf doch
jetzt schon festgehalten werden, dass
eine Vertiefung der Befragung unbe­
dingt notwendig sein wird!
Die Ergebnisse über die Art und Wei­
se der Kommunikation zwischen Arzt
und Apothekern haben das Zeug in
sich, eine Erfolgsstory für den onko­
logischen Patienten zu werden, vor al­
lem was seine Unterstützung während
und nach der Therapie wie auch in der
Nachsorge angeht. Insbesondere die
Kenntnisse und Fertigkeiten bei der
pharmazeutischen Begleitung bei der
Einnahme oraler Krebsmedikamente
sind unabdingbare Voraussetzungen,
um den Therapieerfolg zu ermöglichen.
Die jahrelangen Schritte hin zu einer
besseren pharmazeutischen Betreu­
ung von Krebskranken werden dann
mit Erfolg verbunden sein, wenn wir
unsere Erlebnisse zu Erfahrungen
wandeln und diese nutzbringend in
der Wirklichkeit einbringen.
Die fünfte Auflage der QuapoS (Quali­
tätsstandards für den pharmazeutischonkologischen Service) wird uns dabei
eindrücklich unterstützen.
12.-13. Sept. 2014
München
TDM in der Klinischen Onkologie
TDM in der Klinischen Onkologie
Überlegungen – pro und contra – beim Einsatz
von Tyrosinkinaseinhibitoren
Dr. H.-P. Lipp, Universitätsapotheke Tübingen
S
chon seit vielen Jahren nimmt das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) von
be­stimmten Arzneistoffen einen festen Platz in der täglichen klinischen Praxis ein.
Allen voran sind es ausgewählte Antibiotika mit geringer therapeutischer Breite, wie
z. B. Aminoglykoside, Vancomycin oder Flucytosin, Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin,
Tacrolimus), Digitalisglykoside, Antiepileptika, wie z. B. Phenytoin oder Carbamaze­pin,
aber auch sonstige Arzneistoffe wie z. B. Theophyllin [1].
In diesem Zusammenhang ist es zweifelsohne überraschend, wenn bei den Zytosta­
tika bisher nur das Antifolat Methotrexat
(MTX) routinemäßig Gegenstand von
TDM-Untersuchungen ist, da doch
fast alle Vertreter dieser Stoffklasse eine
Tab. 1: Beschriebene Korrelationen zwischen Imatinib-Pharmakokinetik und klini­schem
Ansprechen (mod. nach [3])
Studiengruppe
Patienten
(n)
Imatinib
Dosis/Tag
Imatinib
(cmin (ng/ml)
Korrelation zum
klinischen Ansprechen
Martin et al. (2010)
84
400
900
(400-1.600)
ja (MMR)
Picard et al. (2007)
50
18
400
600
1.058 ± 557
1.444 ± 710
ja (CCyR, MMR)
Larson et al. (2008)
351
400
979 ± 530
ja (CCyR)
Singh et al. (2009)
40
400
700 vs.2.340
ja
Takahashi et al.
(2010)
254
400
1.011
±565
ja (MMR)
Abkürzungen:
MMR (größeres molekulares Ansprechen), CCyR (komplettes zytogenetisches Ansprechen)
Tab. 2: Korrelation pharmakokinetischer Parameter mit Substanz-assoziierten Nebenwir­
kungen beim Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren in der Onkologie (mod. nach [7])
INN
Tumorentität
Parameter
Toxizität
Imatinib
GIST
AUC
Neutropenie
Dasatinib
CML
cmin
Pleuraergüsse
Nilotinib
CML
AUC
cmin
Hyperbilirubinämie
QT-Intervall
Erlotinib
NSCLC
AUC
Hautausschläge
Gefitinib
NSCLC
cmin
Hautausschläge
Sunitinib
solide Tumoren
cmin
Hypertonie
Sorafenib
RCC
cmin
Hypertonie
Abkürzungen:
CML (chronisch myeloische Leukämie), GIST (gastrointestinaler Stroma­tumor), RCC
(Nierenzellkarzinom), NSCLC (Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom), AUC (Fläche- unter der
Konzentrations-Zeitkurve), cmin (Talspiegel), PFS (progressionsfreies Überleben), OS (Gesamtüberleben)
20 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
vergleichswei­se sehr geringe therapeutische
Breite aufweisen [2]. Die Gründe hierzu sind
sehr vielfältig und reichen von Problemen in
der Standardisierung analytischer Methoden
über die genaue Definition des therapeutischen Fensters bis hin zum Fehlen pros­
pektiver Studien, die bisher den Vorteil eines
TDM zweifelsfrei herausarbeiten konn­ten.
Als vor wenigen Jahren deshalb der Vorschlag
in den Raum gestellt wurde, ein TDM
wäre beim Einsatz oraler zielgerichteter
Tumortherapeutika von Vorteil – allen voran
bei den Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) –
war zuerst wenig Zustimmung unter ver­
schiedenen Experten zu erkennen, inzwischen häufen sicher aber Hinweise, dass
solche Vorschläge durchaus ihre Berechtigung
haben.
Erfahrungen mit Imatinib
Ohne Zweifel hat die Einführung von
Imatinib (Glivec®) die Behandlung der
chronisch myeloischen Leukämie (CML)
revolutioniert, da im Gegensatz zu vorangegangenen Therapieoptionen zum ersten
Mal ein sehr hoher Grad an objektiv und
zytogenetisch nachweisbaren Remissionen
erreicht werden konnte (Tab. 1). Darüber hinaus konnte Patienten mit gastrointestinalen
Stromatumoren eine neue überlebensverlängernde Therapie angeboten werden [3,4].
B e m e r k e n s w e r t w a re n i n d i e s e m
Zusammenhang die klinisch-pharmakokinetischen Studienergebnisse von
Teng. et al, als sie in ihren retrospektiven Erhebungen eine Kor­relation zwischen erreichten Plasmaspiegeln und der
Wahrscheinlichkeit des Tumor­ansprechens
bei CML herausarbeiten konnten. Lagen
die Imatinib-Talspiegel (cmin)-Werte deutlich
unter 1 μg/ml, so war die Wahrscheinlichkeit
eines Therapieversagens auf der Basis ihrer
Analysen signifikant höher, als wenn
die Werte über 1 μg/ml lagen (Tab. 1).
TDM in der Klinischen Onkologie
Wenn man in diesem Zusammenhang
einen ähnlichen Schwellenwert aus
In-vitro-Untersuchungsergebnissen als
Argumentationshilfe heranzieht, so sind
die vorgestellten Ergebnisse von Teng et
al. durchaus schlüssig, denn nur durch eine
kontinuierliche Inhibition der bcr-ablassoziierten Tyrosinkinase lässt sich die
CML auch effektiv kontrollieren. Ähnliche
Beobachtungen gelten im Übrigen auch für
die GIST-Kontrolle unter Imatinib, da eine
Unterschreitung von cmin-Werten von 1,1 µg/
ml mit einem höheren Progressionsrisiko in
Verbindung gebracht wurde [4].
Übersetzung auf andere bcr-ablassoziierte TKI möglich?
Mit Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib und
Ponatinib sind inzwischen bereits vier
weitere Vertreter mit beachtlicher bcrabl-assoziierter TKI-Aktivität verfügbar. Allerdings unterscheiden sie sich von
Imatinib nicht nur durch das pharmakodynamische Spektrum weiterer Tyrosinkinasen,
die gleichzeitig erfasst und beeinflusst werden können, sondern auch durch ihr klinisch-pharmakokinetisches Profil und das
je­weilige Nebenwirkungsspektrum. Diese
Unterschiede dürften dazu beitragen,
dass die gewonnenen Erkenntnisse zur
Bedeutung von Talspiegeln beim Einsatz von
Imatinib nicht 1:1 auf andere Vertreter der
Wirkstoffklasse übertragen werden kön­nen.
So wurde beispielsweise beim Dasatinib vielmehr eine Korrelation zwischen Talspiegeln
und dem Auftreten von Pleuraergüssen
beobachtet (Tab. 2) [5], während beim
Nilotinib ein Zusammenhang zwischen supratherapeutischen AUC-Werten und dem
Auftreten einer kritischen Verlängerung der
QT-Zeit diskutiert wurde [6].
Über allen diesen Ergebnissen steht aber
die Beobachtung, dass trotz verabreichter Standarddosen die interindividuellen
Schwankungen der Plasmaspiegelverläufe
in der täglichen Praxis doch beträchtlicher
sind und waren, als man es ursprünglich
an­genommen hatte (Tab. 3) [7].
Die Hintergründe sind bis heute nicht
genau bekannt, da es nicht ausschließlich Ko­medikationen mit z. B. sehr potenten Cytochrom-P450-Induktoren oder
-Inhibitoren waren, die das Auftreten von
sub- und supratherapeutischen Spiegeln
hätten leicht erklären können. Deshalb
müssen viele andere variable Parameter, wie
z. B. gene­tische Polymorphismen, transmembranäre Efflux- und Influx-Pumpen,
mögliche Non-Adhärenzen, variable
Einnahmezeitpunkte (z. B. vor oder nach
dem Essen), aber auch nicht genau definierte Komedikationen – möglicherweise aus
der komplementä­ren alternativen Medizin
(CAM) – als mögliche Ursachen bis auf weiteres diskutiert werden [8].
Die dargestellten Ergebnisse machen aber
auch deutlich, dass intermittierend abge­
nommene Blutproben hilfreich sein könnten,
den Status quo eines Patienten unter TKITherapie zu erfassen und mögliche Faktoren,
die die Entstehung von sub- oder supratherapeutischen Spiegeln begünstigen, rechtzeitig
zu identifizieren [7].
Ausblick auf weitere TKI
Inzwischen liegen eine Vielzahl von
Untersuchungen vor, die die mögliche
Rolle eines TDM beim Einsatz verschiedener TKI intensiver diskutieren (Tab. 4).
Im Vordergrund dieser Untersuchungen stehen zum einen die beobachteten, teilweise
beträchtlichen intra- und interindividuellen
Schwankungen der klinischen Pharmako­
kinetik verschiedener TKI, zum anderen
waren es beobachtete Korrelationen zwi­
schen definierten pharmakokinetischen
Parametern und Nebenwirkungen oder der
substanzspezifischen Wahrscheinlichkeit
eines Tumoransprechens. Allerdings ist es
die Basis retrospektiver Erhebungen, die
immer wieder Kritiker auf den Plan ruft
und die vorgestellten Ergebnisse für interessant aber nicht ausreichend hält, um daraus
Tab. 3: Interindividuelle Schwankungsbreiten der AUC- bzw. cmin-Werte, die beim Einsatz
oraler Tyrosinkinase-Inhibitoren beobachtet wurden (mod. nach [7])
Dosis
AUC
cmin
Imatinib
400 mg
25 %
16-fach
Nilotinib
400 mg bd
51,9 %
51,3 %
Gefitinib
250 mg
15-fach
23-fach
Erlotinib
150 mg
64 %
51 %
Sunitinib
50 mg
41 %
54 %
Sorafenib
400 mg bd
39-82 %
11-fach
Temsirolimus
25 mg
26 %
Tab. 4: Korrelation pharmakokinetischer Parameter mit Behandlungserfolgen beim Einsatz
von Tyrosinkinaseinhibitoren in der Onkologie (mod. nach [7])
INN
Tumorentität
Parameter
Wirksamkeitsendpunkt
Imatinib
CML
cmin
Ansprechen
GIST
cmin
PFS, Ansprechen
Sunitinib
GIST, RCC
AUC
PFS, OS
Sorafenib
RCC
cmin
PFS
Erlotinib
NSCLC
cmin
Ansprechen
Gefitinib
NSCLC
cmin
PFS
Abkürzungen:
CML (chronisch myeloische Leukämie), GIST (gastrointestinaler Stromatumor), RCC (Nierenzellkarzi­
nom), NSCLC (Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom), AUC (Fläche- unter der Konzentrations-Zeit­
kurve), cmin (Talspiegel), PFS (progressionsfreies Überleben), OS (Gesamtüberleben)
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 21
TDM in der Klinischen Onkologie
weitreichende Empfehlungen für ein routinemäßig durchzuführenden TDM ableiten
zu können.
Tab. 5: Imatinib und sein aktiver Hauptmetabolit Desmethyl-Imatinib sind Gegenstand aktueller Untersuchungen zum TDM in der klinischen Onkologie, dabei spielen u. a. auch
Fragestellungen zur Proteinbindung eine wichtige Rolle (mod. nach [9])
Parameter
Mittelwert
CV (%)
niedrigster
Wert
höchster
Wert
Imatinib (ng/ml)
1.150
89 %
180
6.100
Imatinib (ng/ml)
309
81 %
3
130
ungebundene Fraktion (%)
3
57 %
1
10
N-Desmethyl-Imatinib (ng/ml)
765
121 %
91
5.365
N-Desmethyl-Imatinib (ng/ml)
21
28 %
15
38
ungebundene Fraktion (%)
5
71 %
<1
16
AGP (g/L)
1.08
43 %
0.55
2.97
Albumin (g/L)
42.7
10 %
34
51.4
Diskussion
Insbesondere die mehrfach bestätigten Korrelationen zwischen ImatinibTalspiegeln und der Wahrscheinlichkeit eines
Ansprechens bei CML- und GIST-Patienten
hat die mögliche Bedeutung eines TDM
beim Einsatz von TKI erheblich belebt [4].
Angesichts der inzwischen über 25 verschiedenen, derzeit verfügbaren, oral
einsetz­b aren, zielgerichtet wirksamen
Tumortherapeutika wäre die zukünftige
Implementie­rung eines TDM in der klinischen Praxis eine echte Herausforderung.
Allerdings darf bei allem Enthusiasmus in
diesem Zusammenhang zum einen nicht
vergessen wer­den, dass ein TDM zuerst die
Definition eines therapeutischen Fensters
voraussetzt [10], damit aus Messwerten auch
eine ernsthafte Konsequenz gezogen werden kann. Zum anderen müssen entsprechend ausgerüstete analytische Einheiten
vor­gehalten werden, deren Messergebnisse
durch Ringversuche validiert sind. Immer
wieder stellt sich heraus, dass 20-30 %
(oder mehr) der Zentren, die ein TDM
anbie­ten, im Rahmen eines zentral durchgeführten Ringversuchs nicht den vorgegebenen Mess-Streubereich von z. B. 80-120 %
einhalten können. Gleichzeitig muss im
Vorfeld geklärt sein, was genau zu messen ist
(z. B. Ausgangssubstanz? Aktive Metaboliten?
Gesamter Anteil im Plasma oder nur die
nicht-gebundene Fraktion? Talspiegel (cminWerte), Spitzenspiegel (cmax-Werte) oder
AUC-Werte?) (Tab. 5) [9]. Was bleibt, ist
die Erkenntnis, dass ein TDM bei TKI als
eine interessante Herausforderung für die
Zukunft zu sehen ist, die allerdings noch eine
erhebliche Wegstrecke zurücklegen muss, bis
sie tatsächlich als etablierte Methode in der
klinischen Onkologie entsprechend breite
Anerkennung finden kann.
LITERATURSTELLEN
nicht-protein-gebunden
nicht-protein-gebunden
Abkürzungen:
CV (Konfidenzintervall), AGP (Alpha-1-acides Glykoprotein)
[1] Kang JS, Lee MH.
Overview of therapeutic drug monitoring
Korean J Intern Med 2009,24:1-10
[ 2] Le Guellec C, Blasco H, Benz I, et al.
Therapeutic drug monitoring of methotrexate
after its administration in high-dose protocols
Therapie 2010;56:163-9
[ 3] Takahashi N, Miura M.
Therapeutic Drug Monitoring of Imatinib for Chronic Myeloid Leukemia Patients in the Chronic
Phase
Pharmacology 2011;87:241-8
[4] Teng JF, Mabasa VH, Ensom MH:
The role of therapeutic drug monitoring of imatinib in
patients with chronic myeloid leukemia and metastatic or unresectable gastrointestinal stromal
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Ther Drug Monit. 2012;34:85-97
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Dasatinib pharmacokinetics and exposure response
(E-R): relationship to safety and efficacy in patients (pts) with chronic myeloid leukemia (CML).
J Clin Oncol 2008;26: 175s (suppl; abstr. 3590)
[6] Larson RA, Yin OQ, Hochhaus A, et al.
Population pharmacokinetic and exposure-response
analysis of nilotinib in patients with newly diagnosed Ph+ chronic myeloid leukemia in chronic
phase.
J Clin Pharmacol 2012;68:723-733
[7] Gao B, Yeap S, Clements A, et al.
Evidence for Therapeutic Drug Monitoring of Targeted
Anticancer Therapies
J Clin Oncol 2012;30:4017-4025
22 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
[8] Lipp H-P.
K linisch relevante Wechselwirkungen mit peroral applizierbaren, zielge­richtet wirksamen
Tumortherapeutika
Onkologe 2013;19:870-7
[9] Gandia P, Arellano C, Lafont T, et al.
Should therapeutic drug monitoring of the unbound fraction of imatinib and its main active
metabolite N-desmethyl-imatinib be developed?
Cancer Chemother Pharmacol 2013;71:531-6
[ 10]Brüggemann RJ, Touw DJ, Aarnoutse RE, et al.
International interlaboratory proficiency testing
program for measurement of azole antifungal
plasma concentrations
Antimicrob Agents Chemother 2009;53:303-5
22. NZW in Hamburg-Harburg
22. NZW Hamburg
Der lange Weg von der Vision
zur Realität
Kongressbericht von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten
B
ei der Begrüßung zum 22. NZW in
Hamburg zog DGOP-Präsident Klaus
Meier eine positive Zwischenbilanz über
das, was seit Gründung der DGOP erreicht
wurde. Die Idee einer fundierten onkologischen Weiterbildung für Apotheker hat sich
europaweit verbreitet. Ein sichtbares Zeichen
dafür: zum ESOP-Meeting am Rande des
NZW waren 25 Delegierte aus 25 Ländern
gekommen. Europaweit wurden Standards
für aseptisches Arbeiten installiert, eine
Studie über Kontaminationen wird zurzeit
in 20 Ländern durchgeführt. Besonders auch
in Deutschland trägt die Überzeugungsarbeit
der DGOP Früchte: 85 Apotheken befinden
sich aktuell im Zertifizierungsprozess nach
QuapoS (Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service).
Wie kann es also sein, dass die Pharmazie
beispielsweise im Deutschen Krebsplan
keine Erwähnung findet? Offenbar gibt es
hier eine Diskrepanz zwischen Selbst- und
Fremdwahrnehmung der Onkologischen
Pharmazeuten. Ziel muss es sein, die
Relevanz der Onkologischen Pharmazie in
der Politik, bei den Ärzten und nicht zuletzt
bei den Patienten deutlich zu machen. Die
DGOP wird daher u.a. im Präsidium einen
Ansprechpartner für Patientenfragen etablieren. Auch die Oralia-Initiative der DGOP
nimmt Fahrt auf: 20 000 Apotheken bundesweit werden angesprochen mit dem Ziel,
dass in der breiten Fläche Apotheker qualifizierte Berater für Patienten unter oraler
Chemotherapie werden.
Eine wichtige Rolle werden neben dezentralen Fortbildungen weiterhin die großen Kongresse der DGOP spielen: NZW
Hamburg, NZW Dresden – und in diesem
Jahr erstmals der NZW München, der nach
14 Jahren von Ravensburg in die bayrische
Metropole umzieht.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 23
22. NZW in Hamburg-Harburg
Prädiktive Molekularpathologie als
Voraussetzung personalisierter Onkologie
Prof. Dr. Manfred Dietel, Berlin
Die ersten prädiktiven Biomarker, die in
der Onkologie bestimmt wurden, waren
Östrogen- und Progesteronrezeptoren in
KRAS-MAPK signalling pathway
Ligands
Panitumumab and cetuximab inhibit ligand binding, dimeri-
Y Y
Vor einer stratifizierten (personalisierten)
Tumortherapie, von der nur bestimmte
Subgruppen von Patienten profitieren,
müssen so genannte prädiktive Biomarker
bestimmt werden, um die Wahrscheinlichkeit
eines Therapieansprechens einschätzen zu
können. Diese Biomarker werden in pathologischen Instituten in der Regel in Proben
des Tumorgewebes analysiert. Nicht immer
allerdings sind die molekulargenetischen
Eigenschaften des Primärtumors und seiner
Metastasen identisch. Auch innerhalb eines
Tumors können sich Tumorzellen diesbezüglich unterscheiden. Da die Untersuchungen in
der Regel an mehreren tausend Tumorzellen
erfolgen, spielt die Unterschiedlichkeit der
Zellpopulationen in der Diagnostik keine
entscheidende Rolle.
sation, activation of the receptor and the signalling pathway
EGFR
KRAS
mutant KRAS
(Wild-type)
RAF
Mutant KRAS
constitutively
active –
40% of patients*
MEK
ERK
ELK
Activation of
• Proliferation
• Angiogenesis
• Malignant phenotype
10.04.2014
Nucleus
Schubbert S et al. Nat Rev Cancer 2007;7:295-308;
Institut
für Pathologie
Charité
Berlin
*Friday BB, Adjei AA.
Biochim.
Biophys.–Acta.
2005;
1756:127-144.
1
Abbildung 1
Tabelle 1: Targeted Therapies, Tumorentitäten und prädiktive Biomarker
•Trastuzumab → metastatic breast cancer, overexpression/amplification of HER-2
•Cetuximab → metastatic colorectal cancer, overexpressing EGFR/wild-type KRAS
•Panitumumab → colorectal cancer with wild-type KRAS (mutation excluded)
•Gefitinib → non-small cell lung cancer with mutated EGFR
•Erlotinib → non-small cell lung cancer with mutated EGFR
•Crizotinib → non-small cell lung cancer with mutated EML4-ALK
•Nimotuzumab → metastatic colorectal cancer (still experimental)
•Lapatinib → metastatic breast cancer overexpression HER-2/neu (?)
•Vemurafenib (PX4032) → malignant melanoma with mutated B-RAF
•Imatinib → CML, bcr/abl–positive (activated PK),
•Imatinib → GIST with activated c-kit receptor tyrosine kinase/CD117, exon 9 mut
•Rituximab (+ CHOP), Y90-Ibritumomab, I131-Tositumomab → NHLymphoma with CD20
•Gemtuzumab-Ozogamicin → AML with CD33 ( > 60 yrs.), mal. melanoma
•Tamoxifen+/- chemo → ER+/HER2 - breast cancer, mutation pattern, sogenannte
Multigene Assays
24 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Mammakarzinomzellen. Inzwischen ist bei
rund 35% aller Tumoren die Bestimmung
prädiktiver Biomarker sinnvoll (Tabelle 1).
Manuelle Mikrodissektion
Bevor am Tumorgewebe molekulargenetische Analysen durchgeführt werden,
ist es unabdingbar, dass ein erfahrener
Pathologe geeignetes Tumorgewebe unter
dem Mikroskop identifiziert und gewinnt.
Dieser Teil der Diagnostik erfolgt also nicht
automatisiert, sondern „von Hand“ (manuelle Mikrodissektion). Wird ungeeignetes
Gewebe verwendet, besteht die Gefahr,
falsch negative Befunde zu erhalten. Die
anschließende DNA/RNA-Extraktion und
Sequenzierung erfolgt automatisch. Zur
Qualitätssicherung nehmen pathologische
Institute regelmäßig an Ringversuchen teil.
Werden die Qualitätsanforderungen erfüllt,
erfolgt die Zertifizierung des Institutes
(zertifizierte Institute findet man auf der
Homepage der Deutschen Gesellschaft für
Pathologie, www.dgp-berlin.de).
22. NZW in Hamburg-Harburg
RAS-Mutation beim Kolonkarzinom
therapiebestimmend
1.0
0.9
Proportion Event Free (%)
Eine Blockierung des EGF-Rezeptors durch
beispielsweise Cetuximab oder Panitumumab
- zwei therapeutische Antikörper - ist nur
sinnvoll, wenn die Tumorzellen einen RASWildtyp aufweisen. Das bedeutet: RAS
wird nicht aktiviert, wenn in der Signalkette
der Wachstumsstimulus „von außerhalb
der Zelle“ ausbleibt. Bei mutiertem RAS
„feuert“ RAS unabhängig von extrazellulären Signalen. Eine Blockierung des EGFRezeptors bewirkt in diesem Fall nichts (Abb.
1). Dies hat entscheidende Auswirkungen
auf das ereignisfreie Überleben bei einer
Therapie beispielsweise mit Panitumumab
in Abhängigkeit vom RAS-Typ (Abb. 2;
Pmab=Panitumumab, WT= Wildtyp, Mut=
mutiert).
Met. Colon-Ca: Wild-type/mut KRAS/BSC
Pmab + BSC WT
BSC alleine
Pmab + BSC Mut
0.8
0.7
0.6
0.5
Events N (%)
Median
(weeks)
115/124 (93)
114/119 (96)
12,3
7,3
76/84 (90)
7,4
HR = 0,45 (95% CI: 0,34–0,59)
Stratified log-rank, P < 0,0001
0.4
0.3
0.2
0.1
0.0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52
Weeks
Patients at Risk
Pmab + BSC 124 119 112 106 80 69 63 58 50 45 44 44 33 25 21 20 17 13 13 13 10 7 7 6 5 5
BSC alleine 119 109 91 81 38 20 15 15 14 11 10 9 9 6 6 6 6 5 4 3 3 2 2 2 2 1
Amado R, et al. ESMO 2007;a0007; JCO, 26 (2008 1626-1634
10.04.2014
2
Institut für Pathologie – Charité Berlin
Abbildung 2
NSCLC: immer mehr Subgruppen
identifizierbar
In die Therapie des nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms ist mit der Entwicklung
zielgerichteter Therapien und entsprechender
prädiktiver Biomarker Bewegung gekommen. Eine ganze Reihe von Subgruppen
wurde bereits identifiziert (Abb. 3). Für die
Zulassung neuer Substanzen wird seit einiger Zeit die Entwicklung des entsprechenden prädiktiven Biomarkers gefordert. So ist
z.B. vor dem Einsatz des kürzlich zugelassenen TKI Crizotinib der Nachweis einer
EML4-ALK Fusion obligat („ALK-positives
NSCLC“, betrifft ca. 5-7% der Patienten).
Subgruppenspezifische Therapie bei
Melanomen
Ungefähr die Hälfte der Patienten mit Malignem
Melanom weist eine BRAF V-600 Mutation auf.
Nur bei diesem Genotyp wirkt Vemurafenib,
ein selektiver Inhibitor des Onkogens B-Raf,
einer Serin/Threonin-Kinase. Wenngleich
NSCLC: Past and Current Landscape
1999
Histology-driven
selection1
2012
Targeting oncogenic
drivers
NO MUTATION
DETECTED
Adenocarcinoma
Squamous-cell carcinoma
Large cell carcinoma
AKT1
NRAS
MEK1
MET AMP
HER2
PIK3CA
BRAF 2%
DOUBLE
MUTANTS 3%
EML4-ALK
7%
KRAS
22%
EGFR
17%
Actionable driver mutations identified in 54% of lung adenocarcinoma tumours
LCMC, Lung Cancer Mutation Consortium
10.04.2014
Kris MG, et al. Presented at ASCO 2011; Abstract CRA7506
Institut für Pathologie – Charité Berlin
3
Abbildung 3
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 25
22. NZW in Hamburg-Harburg
Vemurafenib keine kurative Therapie darstellt,
können doch eindrucksvolle Remissionen
bei BRAF V-600 mutierten Tumoren erzielt
werden (Abb. 4). Bei auftretender Resistenz
gegenüber Vemurafenib kann seit kurzem mit
MEK-Inhibitoren der nächste Schritt in der
Signalkaskade inhibiert werden (Abb. 5).
Die Zukunft: Multigen-Assays
Zunehmende klinische Bedeutung erlangen Multigen-Assays (wie Oncotype DX®,
Mammaprint®, Endopredict Clin®) zum
Beispiel bei der Entscheidung für oder
gegen eine adjuvante Chemotherapie beim
Mammakarzinom. Klinische Parameter erlauben normalerweise eine Einordnung von
Patientinnen hinsichtlich ihrer Prognose in
die Kategorien „gut“, „schlecht“ und „intermediär“. Mithilfe von Multigen-Assays ist
eine weitere Differenzierung der intermediären Gruppe möglich, die Patientinnen
können dann jeweils der Gruppe mit guter
oder schlechter Prognose zugeordnet werden. Dies erleichtert die Einschätzung, welche
Patientinnen tatsächlich von einer adjuvanten
Chemotherapie profitieren können und bei
welchen von einer Übertherapie, d.h. unnötige Chemotherapie, auszugehen wäre. Eine
Patientin, die aufgrund des in Deutschland
und Österreich entwickelten Multigen-Assays
Endopredict Clin® in die Kategorie „low risk“
fällt, hat eine 96-prozentige Sicherheit, in den
nächsten 10 Jahren keine Metastasen zu entwickeln. Der Endopredict Clin® wird mittlerweile von zahlreichen Krankenkassen bezahlt.
FAZIT: Eine personalisierte Therapie
von Tumorerkrankungen ist nur möglich anhand der Bestimmung prädiktiver
Biomarker, mit denen Subgruppen von
Tumorpatienten identifiziert werden,
die von einer spezifischen zielgerichteten Therapie profitieren können. Zertifizierte pathologische Institute, die
solche Biomarker schnell und zuverlässig bestimmen können, werden in der
onkologischen Therapie zunehmend an
Bedeutung gewinnen.
Vemurafenib inhibits V600 mutated BRAF kinase
Response to
BRAF-inhibitors is
given only if a
BRAF mutation is
present
This has to be
tested prior to the
therapy.
10.04.2014
Institut für Pathologie – Charité Berlin
4
Abbildung 4
Vemurafenib inhibits V600 mutated BRAF kinase
RTK
RAS
50-60%* of melanomas
V600mut
RAF
BRAF
ATP
MEK-IB
ATP
MEK
• Constitutive
activation is
independent of
extracellular factors
VEMURAFENIB
(PLX4032, RG7204, RO5185426)
• Not responsive to
normal regulatory
signals
ERK
Cellular
Proliferation
Cellular
Survival
*Total V600 mutation rate for BRIM-3 (cobas® 4800 BRAF V600 Mutation
Test); 9.9% of the cobas-positive cases subjected to retrospective Sanger sequencing had V600K mutations
Abbildung 5
26 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
22. NZW in Hamburg-Harburg
Drug Shortages
How business interest and regulations
compromise patient care
Arnold G. Vulto, PharmD, FCP, Ph.D., Rotterdam, Niederlande
Bereits seit dem Jahr 2002 dokumentiert die
Apotheke der Erasmus-Universitätsklinik in
Rotterdam Lieferengpässe für Arzneimittel.
Seit geraumer Zeit betreffen solche Engpässe
regelmäßig ca. 10 % der rund 3500 verschiedenen in der Apotheke bevorrateten
Arzneimittel. Zurzeit ist ein zeitlicher
Aufwand in der Größenordnung einer halben Apothekerstelle notwendig, um die
Auswirkungen der Lieferschwierigkeiten zu
managen.
Unter den 15 Präparaten, die in den Jahren
2011-2013 am häufigsten nicht lieferbar waren, befinden sich 5 Onkologika:
Mito­xantron (Sandoz), Bleomycin (Teva),
Megestrol (Teva), Liposomales Doxorubicin
( Janssen-Cilag) und Cytarabin (Hospira).
Bis auf das Bleomycin waren alle diese
Präparate über längere Zeiträume nicht lieferbar. Insgesamt betrafen die Engpässe nicht
nur Generikahersteller, sondern im gleichen
Ausmaß innovative Firmen.
Erklärung des Referenten zu möglichen
Interessenskonflikten – einmal anders
• I have a serious conflict of interest
with drug suppliers that do not fulfill
their obligations: deliver the drugs
for which they have the privilege of a
marketing authorization.
• I perceive a serious conflict of
interest between shareholders value
of these companies and patients’
interests, that are my responsibility.
• I do not have any personal business
interest in any pharmaceutical
company.
Die Auswirkungen der Lieferengpässe in der
Apotheke sind vielfältig:
• Alternative Anbieter müssen gesucht werden – Beschaffung ist dann meist nur zu
einem höheren Preis möglich.
• Es müssen häufig ad hoc-Entscheidungen
getroffen werden; kurzfristiges Ausweichen
auf Alternativprodukte beinhaltet die
Gefahr von Medikationsfehlern.
• Zukäufe aus dem Ausland sind im Schnitt
fünfmal so teuer.
• Die Engpässe müssen klinikintern ausreichend kommuniziert werden (Zeitaufwand,
Kommunikationsfehler).
• Apothekern wird die Schuld für NichtLieferung zugeschrieben – Ansehensverlust
für die Apotheke.
Die Dutch National Working Party on Drug
Shortages (www.medicijngebruik.nl) hat im
Dezember 2012 ihren Abschlussbericht
vorgelegt. Darin werden zur Vermeidung
von Lieferengpässen folgende Maßnahmen
vorgeschlagen:
• Benennung und Quantifizierung der bestehenden Engpässe
• Bessere Kooperation aller beteiligten staatlichen und nicht staatlichen Institutionen
• Austausch über Erfahrungen im Umgang
mit den Engpässen
• Erfassung der Produktionskapazitäten in
den Niederlanden und Europa
•A n p a s s u n g v o n G e s e t z e n u n d
Verordnungen
• Einschätzung der voraussichtlichen
Auswirkungen von Gesetzesänderungen
auf den Markt
• Sanktionen gegenüber Herstellerfirmen,
wenn diese ihre gesetzlich verankerte
Lieferpflicht nicht erfüllen
• Genehmigung für GMP-zertifizierte
Apotheken, fehlende Medikamente selbst
herzustellen
• Beschleunigte Zulassung und Erleichterung
von Importen knapper Wirkstoffe
Als wirksame Maßnahmen, um der
Knappheit bestimmter Arzneimittel entgegenzutreten, werden vor allem spürbare
Strafzahlungen für Firmen angesehen, die
ihrer Lieferpflicht nicht nachkommen.
Andererseits müssen die am Markt erzielbaren Preise in einer Größenordnung liegen,
dass Herstellung und Vermarktung sich für
die Firmen wieder lohnen. In den meisten
Ländern hat die Preisregulation die Preise
für Generika mittlerweile so stark gesenkt,
dass etliche Hersteller aus der Produktion
ausgestiegen sind. In der Apotheke des
Rotterdamer Erasmus-Klinikums werden mittlerweile die Anbieter weniger aufgrund des Preises, sondern eher hinsichtlich
ihrer Zuverlässigkeit und Lieferfähigkeit
ausgewählt.
FAZIT: Das Problem der Lieferengpässe
bei generischen Onkologika wird sich
langfristig nur lösen lassen, wenn her­
stellende Firmen wieder ausreichende
Gewinnmargen erzielen können. Darü­
ber hinaus sind wirksame Sanktionen
notwendig, wenn Firmen ihrer Liefer­
pflicht nicht nachkommen.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 27
22. NZW in Hamburg-Harburg
Medikationsmanagement als Chance für
onkologische Pharmazeuten
Olaf Rose, Münster
Apotheker sind in erster Linie
Heilberufler und sollten ihr Wissen in ein
Medikationsmanagement (MTM, MM)
einfließen lassen, das von einer starken
Patientenorientierung und einer engen
Kommunikation mit den behandelnden
Ärzten geprägt ist. Dies verbessert die
Therapieergebnisse und spart sogar Kosten
(weniger Medikamentenkosten, weniger
Klinikaufenthalte). Eine Kostenreduktion
um rund 25 % ist möglich, wenn aufgrund des Medikationsmanagements
Wirkstoffe eingespart werden und weniger
Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte
Wirkungen auftreten (Waltering/Kruse
(2011): Pharmazeutische Betreuung in Altenund Pflegeheimen, LZG.NRW, WWU). In
einer wegweisenden Studie steigerte gezieltes
Medikationsmanagement den Anteil therapeutischer Ziele, die tatsächlich erreicht wurden, von 74 auf 89 % (Isetts BJ et al.: Quality
assessment of a collaborative approach for
decreasing drug-related morbidity and achieving therapeutic goals. Arch Intern Med.
2003 Aug 11-25;163(15):1813-20).
Das Medikationsmanagement wurde mit der
Änderung der Apothekenbetriebsordnung
(ApBetrO) im Juni 2012 in den Katalog der
pharmazeutischen Tätigkeiten aufgenommen. Die Definition bleibt auf die Analyse
Arzneimittelbezogener Probleme (ABP)
fokussiert (ApBetrO §1 (6)).
Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft
(DPhG) empfiehlt in Übereinstimmung mit
dem Pharmaceutical Care Network Europe
(PCNE) die Unterscheidung von drei verschiedenen Stufen (Statement der DPhG
und der DPhG-FG Klinische Pharmazie
vom 06.05.2013):
1. ein einfaches Medikationsmanagement
anhand der in der Apotheke vorliegenden
Daten (z.B. Rezepte, Selbstmedikation,
Kundendatei). Hiermit können vor allem
Beispiel Medikationsplan
Haben alle Patienten von Ihnen einen Medikationsplan?
Erstellen Sie zusammen mit der Praxis einen Plan und
gehen Sie mit jedem Patienten diesen Plan durch!
Olaf Rose, Pharm.D., Münster
2
Abbildung 1
Doppelverordnungen, Interaktionen und
nicht plausible Dosierungen erkannt werden.
2. ein erweitertes Medikationsmanagement
wie unter 1. beschrieben unter zusätzlicher
Einbeziehung weiterer Informationen vom
oder über den Patienten. Hiermit können
auch unerwünschte Arzneimittelereignisse,
Adhärenzprobleme und Anwendungsfehler
erkannt werden.
3. ein klinisches Medikationsmanagement
wie unter 2. beschrieben unter zusätzlicher
Einbeziehung von ärztlichen Daten (z.B.
Diagnosen, Labordaten). Hiermit kann
die Medikation auch auf Indikationen
und Kontraindikationen überprüft und
die Dosierung der Arzneimittel an die
Nieren- und Leberfunktion angepasst werden. Das Medikationsmanagement
muss sich an der individuellen Kompetenz
28 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
des Apothekers orientieren. Wer wenig
Erfahrung mit Medikationsmanagement
hat, konzentriert sich am besten auf
‚Arzneimittelbezogene Probleme (ABP)‘,
also auf die Arzneimittelsicherheit, nicht auf
die Arzneimitteltherapiesicherheit. Wichtig
ist ein Medikationsmanagement vor allem,
wenn Patienten mehr als 5 Medikamente
einnehmen.
Das Medikationsmanagement (MM Stufe 1)
umfasst:
•Doppelverordnungen?
• Interaktionen (auch mit OTC)
• Gibt es Medikamente ohne Indikation?
• Dosierungen plausibel?
• Einnahmeintervalle, Einnahmezeitpunkte,
Reichweite
• Nebenwirkungen, Non – Compliance
• Korrekte Anwendung
•PRISCUS-Liste
22. NZW in Hamburg-Harburg
H i l f re i c h i s t d a s E r s t e l l e n e i n e s
Medikationsplanes für jeden Patienten
(Abb. 1). Auch das Erfassen der Adhärenz
ist essenziell, hier haben sich standardisierte Fragen bewährt: „Man vergisst ja aus
vielerlei Gründen auch schon mal, seine
Medikamente einzunehmen. Ist Ihnen das
auch schon mal passiert?“ „Wie häufig kommt
das vor?“ „Haben Sie dann das Dosierschema
verändert?“ „Setzen Sie Tabletten/Sprays ab,
wenn Sie sich besser fühlen?“
Onkologisch qualifizierte Apotheker können in Absprache mit dem Arzt auch das
Follow-up übernehmen oder beispielsweise
Lebensqualitäts-Parameter erheben.
An den Universitäten Wuppertal, Münster
und Bonn läuft zurzeit eine Studie, die belastbare Daten zum Medikationsmanagement
hinsichtlich klinischer und ökonomischer
Parameter liefern soll (WestGem-Studie,
Abb. 2). Endpunkte der Studie sind:
Primärer Endpunkt:
•Verbesserungen im MAI-Score (ein
Instrument zur Ü berprüfung der
Therapiequalität)
Sekundäre Endpunkte:
•Verringerung von kardiovaskulären
Vorfällen
• Anzahl gelöster arzneimittelbezogener
Probleme
• Verringerung von stationären Aufnahmen
• LDL-C, Blutdruck, HbA1c
• Anzahl der Medikamente
• Kosten der Pharmakotherapie
• Kosten (direkte und indirekte Kosten)
Folgende Fragestellungen sollen geklärt
werden:
Das WestGem-Studien-Design
Die WestGem-Studie schließt 240 Patienten aus
der Hausarztpraxis ein.
Patienten:
•
•
•
•
sind älter (>65 Jahre)
sind multimorbide
kardiovask. Erkrankung
≥ 5 syst. Medikamente
3
Abbildung 2
•Spart ein MTM Geld auf Seiten des
Kostenträgers?
• Verbessert ein MTM die Gesundheit des
Patienten?
• Wie funktioniert die interprofessionelle
Zusammenarbeit?
FAZIT:Arzneimittelsicherheit, bei ent­
sprechender Weiterbildung auch Arz­
neimitteltherapiesicherheit, sind Kern­
kompetenzen des Pharmazeuten als
Heilberufler. Entsprechende Fachkom­
petenz muss jedoch erarbeitet werden.
Diese ist Voraussetzung dafür, als Mit­
glied des therapeutischen Teams ernst­
genommen zu werden und Beratungs­
leistungen in Zukunft auch honoriert
zu bekommen.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 29
22. NZW in Hamburg-Harburg
Kachexie bei Tumorpatienten:
Ursachen, Stoffwechsel und Ausblick auf neue
therapeutische Ansätze
Prof. Dr. med. H. Joachim Seitz, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Gewichtsverlust
vor der
der Tumordiagnose
Gewichtsverlust
vor
Tumordiagnose
Tumorkachexie ist eine bei Tumorpatienten
häufig auftretende Stoffwechselstörung, die
zu starker Abmagerung führt. Nicht selten
ist eine deutliche Gewichtsabnahme, begleitet von Muskelschwund (Sarkopenie), der
erste Hinweis auf eine Tumorerkrankung,
noch bevor die Diagnose gestellt wird.
Insbesondere bei gastrointestinalen Tumoren
und beim Pankreaskarzinom weist ein
hoher Anteil der Patienten primär einen
Verlust an Körpergewicht auf (Abb. 1).
Eine Kachexie wirkt sich ungünstig auf
den Krankheitsverlauf, insbesondere auf die
Lebensqualität und die Prognose aus (Abb. 2).
Die molekularen und biochemischen
Ursachen einer Tumorkachexie sind komplex und noch nicht vollständig geklärt
(Abb. 3). Eine wichtige Rolle spielen
Stoffwechselprodukte und Botenstoffe des
Tumors. Diese führen zu einer verstärkten
Proteolyse mit Abbau von Muskelmasse.
Die beim Eiweißabbau freigesetzten
Aminosäuren strömen zur Leber und
werden über den Stoffwechselweg der
Glukoneogenese zu Glukose umgewandelt.
Im Fettgewebe wird die Lipolyse stimuliert. Manchmal wird eine Insulinresistenz
beobachtet. Eine besondere Rolle in der
Pathophysiologie der Kachexie wird heute
den Entzündungsfaktoren wie z B dem
Interleukin-6 (IL-6) zugeschrieben. Es
induziert lysosomale und nicht-lysosomale proteolytische Stoffwechselvorgänge
und führt u. a. zu Bildung von AkutphaseProteinen in der Leber. Die Kachexie könnte
daher auch teilweise als eine generalisierte
„Entzündungsreaktion“ aufgefasst werden.
Hinzu können kommen: ein Appetitverlust
durch Aversion gegen Essen und Gerüche,
verständlicher weise eine depressive
Verstimmung und die häufig therapiebedingte Übelkeit mit Schluckstörungen und
Mukositis. Alles zusammen beeinträchtigt
die Nahrungsaufnahme erheblich.
Zitat: Arends J, Aktuel Ernährungsmed 2012; 37: 91–106
Abbildung 1
Interessanterweise ist es für Patienten nicht
unbedingt von Vorteil, wenn sie zu Beginn
der Tumorerkrankung deutlich übergewichtig sind, sie also nach allgemeinem
Verständnis „etwas zuzusetzen haben“.
Denn entscheidend für die Lebensqualität
ist nicht die Fett- sondern die Muskelmasse
(zum Spazierengehen und Einkaufen, zur
Selbständigkeit im Haushalt) und sie korreliert nicht zwingend mit dem Körperwicht.
Was hilft gegen Kachexie?
Es gibt zahlreiche Ansätze, um einer
Kachexie entgegenzuwirken:
• Individuelle Ernährungsberatung
•Wunschkost
• Energieanreicherung, Shakes
30 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
• Fettbetonte Kost
•Trinksupplemente
• Therapie der gastrointestinalen Symptome
•Schmerztherapie
• Psychoonkologische Betreuung
• Einsatz von Appetitmodulatoren
• Enterale und parenterale Ernährung
Leitlinien zur Behandlung der Tumorkachexie finden sich im Internet:
Deutsche Gesellschaft für
Ernährungsmedizin
www.dgem.de
Europäische Gesellschaft für Klinische
Ernährung und Stoffwechsel www.
espen.org
Amerikanische Gesellschaft für
parenterale und enterale Ernährung
www.nutritioncare.org
22. NZW in Hamburg-Harburg
Prognose bei Gewichtsverlust
Die (kurzfristige) Steigerung des Appetits
durch Megestrolacetat und Corticosteroide
ist belegt, bei zahlreichen anderen
Appetitmodulatoren ist die Evidenz noch
nicht ausreichend gesichert (Abb. 4).
Prognose bei Gewichtsverlust
Aufgrund der kürzlich postulierten wichtigen Rolle des IL-6 bei der Pathogenese der
Tumorkachexie könnte sich in Zukunft möglicherweise ein therapeutischer Ansatz durch
den Einsatz von IL-6-Antikörpern (wie das
bereits zugelassene Tocilizumab) ergeben.
Sie werden zurzeit bei rheumatologischen
Erkrankungen und M. Crohn erprobt.
Abbildung 2
Zitat: Arends J, Aktuel Ernährungsmed 2012; 37: 91–106
Physiopathology
ofCancer
Cancer
Cachexia
Physiopathology of
Cachexia
FAZIT: Die Tumorkachexie ist ein mul­
tifaktorielles Geschehen, das Lebens­
qualität und Prognose von Tumorpati­
enten negativ beeinflusst. Als Therapie
kommen neben einem Leben in einem
geborgenen Umfeld verschiedene er­
nährungsmedizinischen Maßnahmen
und appetitsteigernde Medikamente in
Frage. Die Zukunft wird zeigen, ob mög­
licherweise auch eine Modulation der
entzündlichen Signalkaskade, wie z. B.
durch IL-6 Antikörper, ein Hinausschie­
ben der katabolen Stoffwechselsituation
bei Tumorpatienten möglich macht.
Abbildung
3 Tuca A, et al. Clinical evaluation and optimal management of cancer cachexia
Citation:
Crit Rev Oncol Hematol. 2013 Dec;88(3):625-36
DrugsDrugs
withwith
proven
activity
in Cancer
provenand
and potential
potential activity
in Cancer
AnorexiaCachexia
Cachexia Syndrome
Anorexia
Syndrome
Drugs with confirmed efficacy
•
Megestrol acetate (MA)
Efficacy confirmed recommendation
•
Corticosteroids
Efficacy confirmed, recommended in
selected cases for short periods
Effective drugs that require confirmation in more controlled clinical trials
•
•
•
•
Cannabinoids (dronabinol),
ω-3 fatty acids,
acid Bortezomib,
non-steroidal anti-inflammatory drugs.
Efficacy confirmed
Drugs with good pospects for efficacy (to be confirmed)
•
•
•
•
•
•
•
Ghrelin,
Melanocortin antagoniststs,
β2-agonists (formoterol),
Anti-IL-6 monoclonal antibodies,
Selective androgen receptor modulators (SARMs),
Thalidomide,
Oxandrolone.
Citation: Tuca A, et al. Clinical evaluation and optimal management of cancer cachexia.
Abbildung 4
Crit Rev Oncol Hematol. 2013 Dec;88(3):625-36
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 31
22. NZW in Hamburg-Harburg
Drug Shortages in Europe –
Lieferengpässe für Onkologika in Europa
Prof. Dr. Günther J. Wiedemann, Ravensburg
In den USA sind Lieferengpässe für verschiedene Arzneimittel bereits seit ca. 5 Jahren ein
öffentlich diskutiertes Thema, das auch politisches Handeln nach sich zog (seit Januar
2012 existiert z.B. ein Frühwarnsystem, Early
Notification Program, das Herstellerfirmen
verpflichtet, absehbare Lieferschwierigkeiten
6 Monate im Voraus zu melden). In Europa,
auch in Deutschland, wurde das Pro­blem
vonseiten der Politik bis in die jüngste
Vergangenheit geleugnet. Seit kurzem erst
gibt es in etlichen europäischen Ländern die
Möglichkeit, dass Hersteller auf freiwilliger
Basis Lieferprobleme auf eigens eingerichteten Websites anzeigen (in Deutschland unter
www.bfarm.de/lieferengpaesse).
Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig (Abb. 1); von entscheidender Bedeutung
ist die Konzentration der Produktion auf
weltweit nur wenige Hersteller. Dies führt
nicht nur zu Kapazitätsengpässen bei steigender Nachfrage (älter werdende Bevölkerung,
steigender Bedarf der Schwellenländer),
sondern auch zum Komplettausfall der
Produktion bei Herstellungsproblemen und
Qualitätsmängeln. Im Bereich der onkologischen Generika ist aufgrund der starken
Preisregulation von staatlicher Seite, wie sie
in den meisten Ländern der Europäischen
Gemeinschaft mittlerweile erfolgt, die
Produktion für europäische Hersteller ökonomisch uninteressant geworden. Es gibt daher
in Europa kaum noch Hersteller auf dem
Generikamarkt, die der Monopolisierung
(Hersteller in China, Indien) entgegentreten könnten.
So sieht es in den USA aus …
Beim ASCO Meeting 2013 wurden zwei
Studien vorgestellt, die das Ausmaß und die
Auswirkungen von Versorgungsengpässen
in der Onkologie erhoben hatten (Fox ER
& Tyler LS: Clin. Pharmacol. Ther. 2013;
93:145 und Kweder SL & Dill SD: Clin.
Pharmacol. Ther., March 2013). Demnach
COMMON CAUSES
QUALITY ISSUES, MANUFACTURING ISSUES, CAPACITY
ISSUES, ECONOMIC FORCES, INCREASED DEMAND
http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/DrugShortages/ucm277626.htm
Abbildung 1
2013 SURVEY OF
US-ONCOLOGISTS &
HEMATOLOGISTS
Adaption
Switch Regimens (78%)
Substitute Drug (77%)
Delay Treatment (43%)
Choose among Patients (37%)
Omit Doses (29%)
Reduce Doses (20%)
Refer Patients Out (17%)
sahen sich rund 80 % der Onkologen mit
nicht lieferbaren Onkologika konfrontiert.
Am häufigsten betroffen waren Folinsäure,
5-FU, Liposomales Doxorubicin, Bleomycin,
Cytarabin und Methotrexat.
Als Konsequenzen wurden u.a. genannt
(Abb. 2): Einsatz von teureren innovativen Medikamenten statt der generischen Standardtherapie; Verschieben von
Therapien; Auswahl bestimmter Patienten
32 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Abbildung 2
nach Dringlichkeit; Modifikationen des
Behandlungsregimes.
Dass die Modifikation eines Standardschemas
negative Auswirkungen für Patienten haben
kann, zeigte eine 2012 veröffentlichte
Studie (Abb. 3). Hier wurde bei Kindern
mit M. Hodgkin im Standardschema
Mechlorethamin (das nicht lieferbar war)
durch Cyclophosphamid ersetzt. Dies wirkte
22. NZW in Hamburg-Harburg
sich fatal auf das ereignisfreie Überleben aus
(Abb. 4); ob das Gesamtüberleben ebenfalls
betroffen ist, werden die nächsten Jahre
zeigen.
… und so in Europa
2013 führte die ESOP (European Society
of Oncology Pharmacy) eine Umfrage bei
Krankenhausapothekern in 20 europäischen Ländern durch. Von 85 Apothekern,
die geantwortet hatten, hatten 96 % immer
(36 %), häufig (39 %) oder ab und zu (21
%) wegen Lieferengpässen Schwierigkeiten
bei der Patientenversorgung. Am häufigsten betroffen waren Doxorubicin, 5-FU,
Carboplatin, Cis­platin, Methotrexat und
Etoposid. Als Konsequenz mussten u.a.
Behandlungsregime geändert, Dosen reduziert oder bestimmte Medikamente ganz
weggelassen werden oder die Behandlung
musste verschoben werden (Abb. 5).
Mechlorethamine is used in the 12-week
Stanford chemotherapy regimen for
treating pediatric Hodgkin lymphoma
(including vinblastin, doxorubicin, vincristine,
Bleomycin, etoposide, prednisone).
When mechlorethamine went into shortage
in 2009, cyclophosphamide was substituted:
Abbildung 3
Das Ausmaß der Lieferengpässe auch in
Europa macht deutlich, dass es höchste Zeit
ist, auf europäischer Ebene tätig zu werden.
Dazu werden einheitliche Kriterien benötigt,
ab welcher Dauer der Nicht-Lieferbarkeit
von einem Lieferengpass gesprochen werden muss; ein verlässliches und transparentes Meldesystem ist ebenso nötig wie
die Förderung der Produktion essenzieller Onkologika in Europa durch eine
Preispolitik, die der herstellenden Industrie
akzeptable Gewinnmargen ermöglicht.
FAZIT: In fast allen europäischen Kran­
kenhausapotheken sind Lieferengpäs­
se für onkologische Generika Alltag.
Im Interesse der Patientensicherheit
müssen politische Rahmenbedingun­
gen geschaffen werden, die eine Stei­
gerung der Produktion in Europa nach
sich ziehen.
Abbildung 4
2013 SURVEY OF
EUROPEAN HOSPITAL
PHARMACISTS (n=85)
20 COUNTRIES
Adaption?
•
•
•
•
•
Switch regimens (90%)
Substitute drug (96%)
Omit doses (40%)
Reduce doses (44%)
Delay treatment (79%)
Abbildung 5
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 33
22. NZW in Hamburg-Harburg
Versorgungsstrukturen in der Onkologie:
Aufbau eines Tumorzentrums
Prof. Dr. Martin Trepel, Hamburg
Das Ziel einer guten onkologischen
Versorgung ist es, allen Patienten Zugang zur
bestmöglichen Therapie zu bieten. Für den
Therapieerfolg sind die ersten diagnostischen
und therapeutischen Weichenstellungen
entscheidend, die interdisziplinär erfolgen
müssen. Der Nationale Krebsplan sieht
u.a. eine Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der
Qualitätssicherung vor. Dies geschieht im
Rahmen zertifizierter Zentren – wobei die
Zertifizierung alleine kein Garant für eine
optimale Behandlung des Patienten ist. Die
verschiedenen Zentren bilden ein 3-StufenModell der Onkologischen Versorgung (Abb.
1; CCC= Comprehensive Cancer Center).
Organzentren müssen nicht an einer einzigen Klinik angesiedelt sein, sondern können
auch aus interinstitutionellen Netzwerken
bestehen.
In Deutschland gibt es über 600 zertifizierte
Organzentren, Dutzende Tumorzentren und
etwa 35 CCC (davon 12 Spitzenzentren).
Wichtige Aufgaben der CCCs sind neben
der Patientenversorgung Spitzenausbildung
und Spitzenforschung, um den Standard der
onkologischen Versorgung kontinuierlich zu
verbessern. Die Forschungsaktivitäten werden abteilungsübergreifend koordiniert. Dazu
gehören:
• Entwicklung von Forschungsprogrammen
•Optimierung der Infrastruktur für
Krebsforschung
• “Core Facilities” für Krebsforschung
•Etablieren von Biomaterial-Banken
(Biobanken)
• Schaffen von Plattformen für interdisziplinären Erfahrungsaustausch
• E t a b l i e r u n g i n t e r d i s z i p l i n ä r e r
Forschungsprojekte
• Etablierung eines Ausbildungsprogramms
für junge Krebsforscher
Etwa 80 000 Erstbehandlungen (20 %)
finden primär in den Spitzen-CCCs statt,
Ebenen der Onkologischen
Versorgung in zertifizierten Zentren
Comprehensive Cancer Center
Onkologisches Zentrum (Cancer Center)
Brustzentrum Darmzentrum Prostatazentrum
etc.
+ übergeordnete Strukturen
CCC
+ Forschung
+ Ausbildung
Onkologische
Zentren
Onkologisches Zentrum (Cancer Center)
Brustzentrum Darmzentrum Prostatazentrum
Organzentren
Brustzentrum
etc.
+ übergeordnete Strukturen
Darmzentrum
Prostatazentrum
etc.
Abbildung 1
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
UCCH Core Administration
Therapierichtlinien
Tumor
Boards
Klinische
Studien
Core
Facilities
Forschungsprogramme
Outreach
Lehre
Allgemeinchirurgie
Onkologie/
Hämatologie
Radioonkologie
Tumorbiologie
Päd. Onkologie
Unfallchirurgie
Neurologie
Gynäkologie
Biochemie
Med.
Psychologie
Humangenetik
Päd. Chirurgie
Augenheilkunde
Kl. Apotheke
Stammzelltransplantation
Klin. Chemie
Endoskopie
Dermatologie
Pathologie
Hepatobiliäre
Chirurgie
Epidemiologie
Gastroenterologie
Neuroradiologie
Radiologie
HNO
Neuropathologie
Urologie
Neurochirurgie
Nuklearmedizin
MKG-Chirurgie
Abbildung 2
zudem sucht ein beträchtlicher Teil der
Krebspatienten irgendwann im Laufe seiner onkologischen Krankengeschichte
e i n S p i t z e n z e n t r u m a u f. Fü r d i e
34 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Patientenversorgung entscheidend sind
strukturierte Zugangswege, damit es kein
Zufall ist, wo onkologische Patienten letztendlich landen. Patienten müssen sich
22. NZW in Hamburg-Harburg
beispielsweise bei Chemotherapien darauf
verlassen können, dass überall die gleichen
Qualitätsstandards gelten; dazu tragen zentrale Chemotherapie-Einheiten bei. Interin­
stitutionelle Qualitätsvergleiche sind über die
Krebsregister möglich.
Das UCCH hat mehrere For­schungs­schwer­punkte:
1.Prostatakarzinom
2.Metastasierung
3.Zelloberfläche als therapeutische
Zielstruktur
4. Leukämien und Lymphome
5.Hirntumore
6. Kopf- und Halstumore
7.Psycho-Onkologie
8. Tumor-Epidemiologie und Prävention
Verschiedene kleinere Krankenhäuser und
onkologische Praxen sind Vertragspartner
des UCCH. Ziel der Vertragsvereinbarung
ist es, Patienten dort nach den gleichen
Behandlungsstandards wie am UCCH zu
behandeln.
Nicht zuletzt bietet das UCCH auch
Angebote für die Öffentlichkeit:
P
a
t
i
e
n
t
UCCH Klinische
Abteilung
(z.B. ViszeralChirurgie)
Überweisung zur
Behandlung
Abbildung 2 zeigt exemplarisch die
Organisation eines CCC am Beispiel
des UCCH (University Cancer Center
Hamburg). Den Erstkontakt zur Zentralen
Anlaufstelle des UCCH können Patienten
selber herstellen. Zuweisende Ärzte schicken
Patienten entweder zur Zentralen Anlaufstelle
oder direkt in die Fachabteilungen.
Unabhängig vom Erstkontakt werden
alle Patienten bei der interdisziplinären
Tumorkonferenz (Tumorboard) besprochen (Abb. 3). Die Zeitpunkte für die
Tumorboard-Vorstellung sind in den UCCHBehandlungspfaden festgelegt. Es gibt 30 solcher Behandlungspfade für die unterschiedlichen Krebs-Entitäten (ein Beispiel zeigt
Abb. 4). Diese werden von 26 interdisziplinären Arbeitsgruppen ausgearbeitet.
Patientenwege am UCCH
Internet-basierte
KonsultationsPlattform
UCCH
Zentrale
Anlaufstelle
externe
zuweisende Ärzte
oder
Krankenhäuser
Klinikum
Abteilung
(z.B.
Urologie etc)
Klinisches
Krebsregister
Interdisziplinäre
Tumorkonferenz
(Tumorboard)
Empfehlung
analog den
UCCH TherapieRichtlinien
Abbildung 3
UCCH Guideline –
Soft Tissue Sarcoma
2.03.01 Anlage 13
Pathway page 2: Surgical resection, primary tumor < 5 cm
TB
In G3 tumors and extremity
and subfascial location:
Follow up
All other soft tissue
sarcomas <5 cm
Follow up
optional adjuvant CT
• RO
(and safety margin sufficient)
Surgical resection
• Compartment resection
(extended, if needed)
• if compartment resection is not
(functionally) feasible: wide
resection
• Safety margin if anatomically
feasible:
- G1 tumors: 1 cm
- G2 and G3 tumors: 2 cm
• Except for epitheloid- and
synovial sarcoma, routine
excision of non-suspicious
lymphnodes is not recommended
TB
TB
• R1/R2
In G3 tumors and
extremity and subfascial
location:
additive CT
additive RT
Follow up
(or safety margin despite reresection not sufficient)
All other soft tissue
sarcomas <5 cm:
additive RT w/o prior CT
Follow up
Abbildung 4
•Präventionsprogramme (z.B. NichtRauchen ist cool)
•Sportprogramme/Fundraising
• Informationstage zu einzelnen Krebsarten
FAZIT: Die Organisation der onkologi­
page 2
schen Versorgung in Organ- und Tumor­
zentren sowie in Comprehensive Cancer
Centers (CCC) soll allen onkologischen
Patienten den Zugang zu bestmöglicher
Versorgung bieten. Neben der Patien­
tenversorgung leisten die CCCs durch
Spitzenforschung und -ausbildung ei­
nen Beitrag auch zur Verbesserung der
zukünftigen Versorgung.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 35
22. NZW in Hamburg-Harburg
„Nur wer in Deutschland produziert, sollte
in Deutschland verkaufen dürfen.“
Rabattverträge – ein neuer Sinn im
Apothekerberuf?
Zunächst sind Hennrich und Heilig
sich einig über den großen Nutzen von
Rabattverträgen. Diese hätten zu einer deutlichen Kostenreduzierung geführt.
I N T E R A K T I V E S B E RU F S P O L I T I S C H E S F O RU M
K
ernthemen der diesjährigen Diskussionsrunde während des NZW waren
Versorgungsengpässe und Ausschreibungen in der Onkologie. Unter der Moderation
von DGOP-Präsident Klaus Meier diskutierten Michael Hennrich, MdB, CDU, Dr.
Claudia Heilig, DAK und Bork Bretthauer, Pro Generika.
Ein Grund für die seit einiger Zeit zu beobachtenden Versorgungsengpässe ist sicher die
Preisspirale nach untern, die u.a. durch die
Rabattverträge in die Wege geleitet wurde.
Hennrich räumte durchaus ein, dass das
Thema die Politik seit geraumer Zeit beschäftigen würde. Es sei eben seit 1-2 Jahren
immer wieder mal da, aber ein Problem sei
es nicht. Außerdem vertrat er die Meinung,
dass die Politik nicht reagieren müsse und
auch noch nicht einmal wüsste, wie man
reagieren könne. Gründe gebe es sicher viele,
zunächst die Demographie und den immer
größer werdenden Anspruch der Menschen,
dann die Lieferung von Hilfsstoffen, oft über
sehr weite Strecken und letztlich die immer
höheren Qualitätsansprüche. Das Thema sei
auch durchaus Gegenstand bei den soeben
zurückliegenden Koalitionsverhandlungen
der großen Koalition gewesen, mit dem
Ergebnis, dass der Dialog mit der Industrie
gesucht werden sollte, um hier Besserung zu
schaffen. Claudia Heilig winkte auch bei der
Problematisierung von Lieferengpässen eher
ab, man habe ja das Drei-Partner-Modell, mit
dessen Hilfe eben immer einer liefern könne,
wenn ein anderen gerade einen Engpass habe.
Versorgungsengpässe ernst nehmen
Bork Bretthauer, Pro Generika, war der einzige
aus der Runde, der das Problem ernst nahm
und die Ursachen genau analysierte. Zunächst
fördere die Marktverengung solche Engpässe.
Eine weitere Ursache für die Lieferengpässe
sind die Lieferwege von Hilfsstoffen über
die ganz Welt und teilweise die Produktion
in Billiglohnländern. Da könne man sich als
Hersteller selbst nicht immer auf regelmäßige Lieferungen verlassen. Und die Nachfrage
auch aus Schwellenländern besonders nach
Generika werde auch immer größer. Der
Kostendruck sei bei Zytostatika besonders
hoch. Insofern werde es für den Hersteller
immer schwieriger, da er das, was er herstellt,
nicht vernünftig planen kann.
Meier zitiert im Folgenden eine Aussage von
Herstellern und stellt das zur Diskussion:
„Ich stelle nicht mehr her, weil es sich nicht
mehr lohnt.“
Hennrich bestätigt das durchaus und
befürchtet einen Rückzug der Hersteller aus
Deutschland. Heilig beschwichtigt wieder
und weist erneut auf ihr Drei-Partner-Modell
hin. Diesbezüglich widerspricht Brettauer ihr
aber deutlich: Jeder müsste ja ein Drittel der
Gesamtliefermenge zur Verfügung stellen,
aber da die Wahrscheinlichkeit für Partner
2 und 3 gering sei, dass sie überhaupt liefern müssten, würden sie im Fall des Falles
auch Engpässe haben. In der Regel werde
sechs Monate im Voraus produziert und dafür
müsse man vernünftig planen können.
Da viele Probleme durch die weiten Lieferwege und Zulieferanten von
Arzneimitteln und Hilfsstoffen zustande
kommen, resümiert Meier:
36 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Als Hennrich dann darstellte, es sei doch
schön, dass der Apotheker jetzt durch die
Beratung bei den Rabattverträgen seine
Kompetenz so richtig einbringen könne,
brach der Unmut im Auditorium so richtig aus:
„Wenn Sie sagen, dass der Apotheker
im Gesundheitssystem jetzt durch seine
Beratungskompetenz im Hinblick auf die
Rabattverträge wertvoller geworden ist, dann
sind Sie so weit weg von der Basis, wie ich es
einem Vertreter Ihrer Partei nicht zugetraut
hätte“, wurde ihm aus dem Auditorium vorgeworfen. Eine Diskussion, deren Fortsetzung
sich Hennrich im Nachgang auch in den
Medien des Deutschen Apotheker Verlages
stellte.
Bretthauer ergänzt, dass die Ausschreibungen
und der Rückgang der Einkünfte auch
zur Marktverengung beitragen würden. Angesprochen auf die Qualität bei
Ausschreibungen, antwortet Heilig:
„Leider war es nicht möglich, Qualitäts­
merkmale in die Ausschreibungen mit
aufzunehmen. Die sind durch die Verga­
bestelle herausgefallen.“
Hennrich ergänzte, die Politik habe leider keinen Einfluss darauf, ob die Qualität
in Ausschreibungen aufgenommen werde
oder nicht. Mancher Zuhörer fühlte sich an
Pontius Pilatus erinnert: „Sie wuschen ihre
Hände in Unschuld.“
Zu Ausschreibungen der Versorgung mit
par­enteralen Rezepturen („ZytostatikaAuschreibungen“) positionierte sich
Hennrich dagegen deutlich differenzierter
und ablehnend.
Zusammengefasst von Dr. Annette Junker,
Wermelskirchen
Buchbesprechung
Buchbesprechung
Rezension von Susanne Rau, Hannover
Arzneimittel – Entwicklung und Zulassung
Für Studium und Praxis
Von Dr. Niels Eckstein
Deutscher Apotheker Verlag,
Erste Auflage 2013,
204 Seiten mit 35 Abbildungen
und 19 Tabellen,
ISBN 978-3-7692-5985-8, € 48,90
Dieses kompakte Lehrbuch über Arzneimit­
tel-Entwicklung und Zulassung von Dr. Niels
Eckstein und einem Team von Mitautoren
bietet einen sehr guten Überblick über das
komplexe Thema der Arzneimittelzulassun­
gen und des Life-Cycle-Managements eines
Arzneimittels.
Alle angesprochenen Themen werden in
13 Kapiteln mit ihren wesentlichen Gesichts­
punkten behandelt.
Nach einem Einstieg in das Arzneimittelrecht
werden die beteiligten Zulassungsbehörden
und weitere wichtige Institutionen auf natio­
naler, europäischer und internationaler Seite
vorgestellt. Die EMA als europäische Zulas­
sungsbehörde (seit 1995 u.a. für alle Onko­
logika!) wird dabei sehr detailliert mit allen
Committees und Working Groups dargestellt.
Der Schwerpunkt des Buches behandelt das
Zulassungsdossier CTD (Common Technical
Document) mit seinen fünf Modulen. Dieses
stellt seit 2003 das national und europä­
isch verpflichtende und international aner­
kannte Antragsformat zur Erlangung einer
Arzneimittelzulassung dar. Alle wesentli­
chen Aspekte der einzelnen Module werden
kurz vorgestellt. Für den Praktiker ist dabei
insbesondere das Kapitel über das Modul 5
des CTD, in dem die Ergebnisse klinischer
Studien dargestellt werden, interessant.
Hier werden alle wesentlichen Aspekte in
der Durchführung und Bewertung von kli­
nischen Studien beschrieben (GCP, Studi­
entypen, Studiendesign, Biostatistik u.a.).
Hilfreich ist auch eine Checkliste mit Fragen
zur eigenen kritischen Bewertung einer kli­
nischen Studie.
Weiterhin werden die Merkmale aller Typen
von Arzneimittel- und Medizinprodukten
erläutert und ein Vergleich beider Gruppen
erstellt. Im Anschluss an die Erstzulassung
gehen die Anforderungen der Behörden im
Rahmen der Pharmakovigilanz weiter, um
neue Erkenntnisse zum Nutzen-Risiko-Pro­
fil eines Arzneimittels zeitnah bewerten zu
können und den Anwender vor Schäden zu
bewahren. Die Autoren gehen auch auf die
frühe Nutzenbewertung nach AMNOG als
weiterer Hürde des Marktzugangs ein und
erläutern abschließend noch einige Aspek­
te der Gesundheitswirtschaft im Pharma­
sektor (Arzneimittelinformation, Leitlinien,
stationäre Abrechnung, Customer Relation
Management u.a.).
Alle Themen werden kurz und prägnant an­
gesprochen mit Hinweis auf die zugrunde­
liegenden rechtlichen Voraussetzungen.
Häufig werden zusätzlich Internetadressen
angegeben, über die weiterführende Infor­
mationen erhalten werden können. Insge­
samt ein sehr informatives und lesenswer­
tes Fachbuch!
DKG zertifizierte Lungenkrebszentren
Die Verbesserung der Betreuung onkolo­
gischer Patienten und die Ermöglichung
einer an hohen Qualitätsmaßstäben ori­
entierten Behandlung sind die erklär­
ten Ziele des Zertifizierungssystems der
Deutschen Krebsgesellschaft. Unter Fe­
derführung der Deutschen Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin
(DGP) und der Deutschen Gesellschaft für
Thoraxchirurgie (DGT) haben 22 Fachge­
sellschaften an der Erarbeitung des Erhe­
bungsbogens mitgearbeitet.
sen, dass sie die fachlichen Anforderungen
erfüllen und zudem über ein etabliertes
Qualitätsmanagementsystem verfügen.
Seit November 2008 wurden auf dieser
Grundlage 42 Lungenkrebszentren in
Deutschland sowie eins in der Schweiz
zertifiziert und stellen sich den jährlichen
Begutachtungen vor Ort, um nachzuwei­
Die nach Postleitzahlen sortierten Lun­
gen­k rebs­zentren finden sich auf der
Homepage unterhttp://www.krebsge­
sellschaft.de/wub_zertifizierung_krebs­
zentren_lungenkrebs_liste,123705.html.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 37
Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien
I N T E RV I E W
Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen
in Addis Ababa, Äthiopien
A
us Addis Ababa, der Hautstadt Äthiopiens, kam Teshale Mekonnen, Direktor des
Pharmazeutischen Dienstes des 800 Bettenhaus TASH*, dem Lehrkrankenhaus der
Universität, zum NZW 2014 nach Hamburg (Abb. 1, 2). Im Interview erzählt er von den
derzeitigen pharmazeutischen Dienstleistungen und wie sich die Pharmazie in seiner
Heimat entwickeln sollte:
Die Pharmazie in Äthiopien, sei „substandard“, diese klare Aussage von Teshale
Mekonnen zeigt zugleich sein Ziel auf. Er
will einen pharmazeutischen Service aufbauen, der die Patienten erreicht und von dem
die Patienten wissen müssen, dass es ihn gibt.
Mekonnen ist froh, dass er die Unterstützung
der Landespolitik hat, die der Pharmazie
Abb. 1: Das Tikur Anbesa Specialized
Hospital (TASH) in Addis Ababa (Äthiopien)
deutlich mehr Aufmerksamkeit widmet
und damit in jüngster Zeit für pharmazeutische Aufgaben ein wenig mehr Geld
zur Verfügung stellt. Legte die Regierung
früher ihr Augenmerk vor allem auf
Infektionskrankheiten, gebe es jetzt mehr
Verständnis dafür, dass die Onkologie ein
wichtiges Arbeitsgebiet sei, betonte er im
Gespräch mit Redakteurin Gabi Gentschew
von der Onkologischen Pharmazie. Der
ursprünglich als Dozent an der dortigen
Universität tätige Apotheker aus Addis Ababa
ist erst seit sieben Monaten im Amt und muss
sich jetzt den praktischen Herausforderungen
der Krankenhauspharmazie stellen.
40 % der Patienten in dem TASHKrankenhaus, das die Einheimischen
auch Black Lion Hospital nennen, sind
Krebspatienten, onkologische und hämatologische Patienten werden aufgenommen,
aber auch eine Kinder-Hämatologie gibt es.
Es ist landesweit das einzige Krankenhaus,
das eine Krebsbehandlung anbietet. Das
„Oncology pharmacy team“ ist jetzt zuständig für die Zubereitung der Medikamente
und auch für die Abgabe von Oralia an
ambulante Patienten. Begleitmedikamente
wie Antiemetika werden auf der Station von
den Schwestern zubereitet.
Allerdings sind die praktischen Probleme
immens. Die persönliche Schutzausrüstung
wie auch die Medikamente, alles muss aus
dem Ausland, zumeist den USA, importiert
werden. In einem abgeteilten Raum ( Abb. 3
und 4) werden die Infusionen mit Zytostatika
aufgezogen. Eine Sicherheitswerkbank gibt
es bis jetzt nicht. Über Spenden wird jetzt
eine Box aus Norwegen die Reise nach Addis
Ababa antreten.
Die „new versions“ der Krebstherapeutika
sind nicht erhältlich, wegen der Kosten.
Ver fügbar sind Cyc lophosphamid,
Doxorubin, Methotrexat und andere der
„old drugs“, erzählt der Apotheker. Auch
Oxaliplatin oder Carboplatin sind zu haben,
Abb. 2:
Direktor Teshale
Mekonnen im Gespräch
mit Redakteurin Dr.
Gabriele Gentschew
*Tikur Anbesa Specialized Hospital
38 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien
Abb. 5: Das Organigramm des Pharmazeutischen Dienstes im TASH in Addis Ababa
allerdings unbezahlbar für die Allgemeinheit.
Lieferengpässe sind üblich. Aber manchmal
stört dies nicht, denn die Medikamente könnten von den meisten Menschen gar nicht
bezahlt werden. Grundsätzlich gibt es die
Möglichkeit, dass die Behandlungskosten
aus dem Budget des Krankenhauses heraus bezahlt werden. Notwendig hierfür ist
eine Bestätigung der lokalen Behörden,
dass die Patienten selbst kein Geld für die
Behandlung aufbringen können.
Krebs als Krankheit, die behandelt werden kann, diese Erkenntnis ist noch nicht
sehr verbreitet in dem Land Äthiopien. Die
meisten Kranken sterben zu Hause und kommen nicht ins Krankenhaus der Hauptstadt.
„Mein Ziel ist es, Aufmerksamkeit für die
Behandlung aller Menschen zu erzeugen!“
betont Teshale Mekonnen. Ein Unterfangen,
das in dem Entwicklungsland Äthiopien eine
große Aufgabe ist.
In den entfernter liegenenden Regionen
kommt neben der schlechten Bildung der
Bevölkerung noch ein Sprachenproblem
hinzu. Denn in dem Vielvölkerstaat leben
gut 80 verschiedene ethnische Gruppen mit
jeweils eigener Sprache. Die Amtssprache
ist das amharische, das nur von ca. 26 % der
Äthiopier gesprochen wird. 30 % sprechen
Oromo und kleinere Anteile verteilen sich
auf Somali und Tugray. Der Anteil der
Analphabeten ist hoch, und 23 % bis 39 % der
Menschen, je nach Statistik, leben in absoluter Armut mit 1 $ (PPP purchasing power
parity) täglichem Einkommen pro Kopf.
Abb. 3 und 4: Der Herstellungsbereich für Zytostatika-Lösungen in der TASH-Apotheke
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 39
Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien
Abb. 6 und 7: im Drug Information Center des Pharmazeutischen Dienstes im TASH (Addis Ababa)
Patienten, die trotzdem das Hospital erreichten, bekamen den Tipp von jemanden der
jemanden kannte, der in der Stadt lebt. Es
ist das Glück des persönlichen Ratschlags,
kein Behandlungspfad, der ins Krankenhaus
führte.
Wichtig ist Mekonnen die Ausbildung
der Pharmazeuten, die nach insgesamt
fünf Jahren den Bachelor of Pharmacy
in den Händen halten. Nach dem das
deutliche Ergebnis „sub-standard“ von
der universitären Bewertung vorlag, kam
es zu einer Zusammenarbeit zwischen
Universität und dem Apothekenbereich des
Herausgeber:
Klaus Meier, Soltau
Verlag:
onkopress,
Theo-Mülders-Straße 92,
47918 Tönisvorst,
www.onkopress.de
ISSN-Nr.: 1437-8825
Chefredakteurin:
Dr. Karla Domagk, Cottbus
Fotos:
Seite 43 oben:
© iStockphoto.com/Knape,
Seite 37 oben:
© iStockphoto.com/Sasa
Lehrkrankenhauses und der pharmazeutische Service wurde das Arbeitsgebiet von
Mekonnen.
Die vorhandenen zwei Arbeitsgruppen,
Arzneimittel-Beschaffung/
Arzneimittelausgabe und Versorgung
der ambulanten Patienten wurden um
vier weitere Arbeitsgruppen ergänzt
(Abb. 5-7): Arzneimittelherstellung,
Arzneimittelinformation, pharmazeutischonkologischer Service sowie Aus-und
Weiterbildung. Besonders froh ist Mekonnen,
dass zu den vorhandenen 28 Mitarbeitern
Redaktion:
Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen;
Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja Holsing,
Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg;
Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar;
Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg, Berlin;
Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas Schubert,
Mönchen­gladbach; Wioletta Sekular, Tönisvorst;
Dr. Gisela Sproßmann-Günther, Berlin;
Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann,
Ravensburg; Andrea van Treeck, Mistelbach;
Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur.
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt.
Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter
Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie,
Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik
Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Uni­versi­
täts­klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität
40 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
mittlerweile 31 weitere pharmazeutisch ausgebildete Kollegen hinzukamen.
Krebs als Krankheit ist in den Augen von
Mekonnen ein unterschätzter Parameter für
Entwicklungsländer. Er betont: „Das Wissen
von Krebs als Krankheit und die mögliche Behandlung von Krebs, muss auch in
Äthiopien erhöht werden.“
Diese Aufmerksamkeit gilt einer Krankheit,
die alle Menschen treffen kann.
Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg; Carola Freidank,
Hannover.
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Schutzrechte fehlt.
Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar.
Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien
97%
weniger
Energieverbrauch
durch GreenTec.
Claire reduziert die Betriebskosten gegenüber
herkömmlichen Sicherheitswerkbänken bis zu
97% u.a. durch:
• energieeffizientem Eco-Mode
• modernste EC-Ventilatoren
Steuerungs- und
• intelligente
Regelungstechnik
• optimierte HEPA-Patronenfilter
mit
• Auto-On-Off-Funktion
Anwesenheitssensor-System
Claire
Die neue Generation
von Sicherheitswerkbänken –
intelligent und effizient.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang |BERNER
Nr. 2/2014
| 41
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Who is who
Who is who
Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin
Heute: Arbeitsgruppe der Oralia-Initiative der DGOP
Die orale medikamentöse Tumortherapie
trägt wesentlich zu einer ständigen Verbes­
serung der onkologischen Versorgung von
Tumorpatienten bei. Da bei der oral verab­
reichten Krebsmedikation die typischen von
Patienten als besonders unangenehm emp­
fundenen Nebenwirkungen der Chemothe­
rapie wie Haarausfall und Übelkeit seltener
vorkommen, werden deren Nebenwirkungen
oft unterschätzt. D.h. die Tumortherapie mit
„Zytoralia“ erfordert eine besonders gute
multiprofessionelle Betreuung der Patien­
ten.
Nach Ihrem Abschluss zum Master of Clinical
Pharmacy an der Strathclyde University in
Glasgow 2006 mit einer Arbeit zum Thema
OSCE (Objectiv Structured Clinicl Examina­
tion) als zusätzliche Wissensvermittlung in­
nerhalb des Pharmaziestudiums hat sie ihre
erworbenen Kompetenzen genutzt, um die
Klinische Pharmazie weiter zu entwickeln.
Um eine umfassende Versorgung des Tumor­
patienten auch in der Therapie mit oralen
kulturellen Eindrücken sowie sportlichen
Aktivitäten wie Segeln und Fahrradfahren.
Dr. Tilmann Schöning
Dr. Tilman Schöning, Fachapotheker für
Klinische Pharmazie, ist seit 2010 stellver­
tretender Chefapotheker der Apotheke des
Universitäts-Klinikums Heidelberg und leitet
die Zytostatika-Abteilung der Klinik. Er ist
als Vorsitzender des Ausschusses Onkolo­
gie des Bundesverbandes Deutscher Kran­
Damit wir Apotheker uns auf diesem Gebiet
gezielt und qualifiziert fortbilden können,
wurde von der DGOP bereits 2009 die Initi­
ative „Orale Krebsmedikament-Therapie –
sicher und effektiv durch gemeinsame Be­
ratung“ ins Leben gerufen. Für die Leitung
dieser Initiative arbeiten gegenwärtig in ei­
ner Arbeitsgruppe unsere Kollegen:
Dr. Annette Freidank, Fulda,
Dr. Tilmann Schöning, Heidelberg
Kerstin Bornemann, Göttingen
Dr. Dorothee Dartsch, Hamburg
Dr. Annette Freidank
Frau Dr. Annette Freidank ist Fachapotheke­
rin für Klinische Pharmazie und seit 1991
stellvertretende Direktorin der Apotheke der
Klinikum Fulda gAG. Sie ist seit Beginn ihrer
Tätigkeit in der Krankenhausapotheke für
den Bereich Zytostatika zuständig und för­
dert neben der Zubereitung der Zytostatika
den Ausbau der klinisch-pharmazeutischen
Dienstleistungen, insbesondere im Bereich
Supportivtherapien in einem multiprofessi­
onellen Team.
Tumortherapeutika sicherzustellen, enga­
giert sie sich in der Oralia-Initiative. Durch
gezielte Fortbildungs- und Informationsan­
gebote sowie intensive Zusammenarbeit
der beteiligten Berufsgruppen soll eine op­
timale Therapie und Begleitung des Pati­
enten sichergestellt werden. Hierzu nutzt
sie ihre aktive Teilnahme und Vernetzung
in verschiedenen internationalen Gesell­
schaften (ISOPP – International Society of
Oncology Pharmacy Practitioners; MASCC
– Multinational Association of Supportive
Care in Cancer; ESCP – European Society
of Clinical Pharmacy) und die Einblicke in
andere Länder und Kulturen.
Annette Freidank regeneriert sich vor allem
durch Reisen und den damit verbundenen
42 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
kenhausapotheker (ADKA) und in weiteren
onkologischen Gremien aktiv.
Tilman Schöning möchte die pharmazeu­
tischer Kompetenz forcieren, damit auch
in Deutschland pharmazeutisches Perso­
nal flächendeckend als unverzichtbarer,
selbstverständlicher und kompetenter Teil
des onkologisch-therapeutischen Teams
wahrgenommen wird.
In diesem Kontext kann auch sein Enga­
gement in der Oralia-Kampagne gesehen
werden. Hier bringt er sich insbesondere
bei der Ertüchtigung und Aktualisierung der
Oralia-Datenbank ein. Diese ermöglicht teil­
nehmenden Apotheken, ihre eigene Pati­
entenberatung zu dokumentieren und den
Who is who
Patienten Informationsmaterial zur Einnah­
me und den Supportivmaßnahmen bei der
oralen Zytostatikatherapie zur Verfügung
zu stellen.
Der private Tilmann Schöning nimmt jeden
zugespielten Ball gerne an, besonders gerne
den Fußball, er liebt die Musik, spielt selber
Saxophon und tankt seine Kraft im austra­
lischen Outback.
Kerstin Bornemann
Kerstin Bornemann ist Apothekerin für on­
kologische Pharmazie und für Palliativphar­
mazie.
In der Marienapotheke in Göttingen macht
die pharmazeutische Betreuung von Krebs­
patienten einen Großteil ihres Arbeitsalltags
aus. Auf diesem Gebiet gilt sie als Vorreite­
rin, was sich auch in zahlreichen Veröffent­
lichungen und Auszeichnungen widerspie­
gelt. Sie ist seit vielen Jahren Referentin für
die DGOP, für Apothekerkammern und auf
vielen Kongressen Mitgestalterin. Sie ist
langjähriges Mitglied des Präsidiums der
DGOP, Gründungsmitglied der Arbeitsge­
meinschaft Pharmazie in der Deutschen
Krebsgesellschaft (OPH), Mitglied der Ar­
beitsgruppe der Apotheker in der Deutschen
Gesellschaft für Palliativmedizin und als
Apothekerin berufen in die Sektion Pallia­
tivmedizin in der DKG.
Um ihre Beratungskompetenz noch zu ver­
bessern und auch mehr über den Menschen
mit seiner Krebserkrankung zu erfahren, hat
sie als bisher erste und einzige Apothekerin
im letzten Jahr die Ausbildung zur Psychoon­
kologin nach der Weiterbildungsordnung der
Deutschen Krebsgesellschaft erfolgreich
abgeschlossen.
Sie lebt die wohnortnahe Versorgung der
Krebs- und Palliativpatienten und ist durch
Apothekervisiten sowie Teilnahme an Tu­
morkonferenzen fester Bestandteil im Be­
handlungsteam rund um den Krebspatien­
ten. In der Tumortherapie mit oralen Medi­
kamenten sieht sie den Apotheker als einen
sehr wichtigen Partner. Er kann dem Pati­
enten wertvolle Unterstützung im Hinblick
auf seine Adherenceoptimierung und sein
Nebenwirkungsmanagement geben.
Um dem eigentlichen Lebensmittelpunkt,
nämlich der Familie mit den beiden Töch­
tern gerecht zu werden, müssen auch hin
und wieder die Nachtstunden insbesondere
zur Vorbereitung von Vorträgen herhalten.
Zum Ausgleich nutzt sie freie Minuten zum
Sport, insbesondere Laufen, Schwimmen,
Triathlon, Inlinern, Skifahren…
Leider viel zu selten greift sie auch mal zur
Querflöte oder zum Saxophon.
Dr. Dorothee Dartsch
Dorothee Dartsch ist approbierte und pro­
movierte Apothekerin. Von 2002 bis 2012
war sie Hochschullehrerin für Klinische Phar­
mazie an der Universität Hamburg. Hier hat
sie das damals neu in die Approbationsord­
nung aufgenommene Fach aufgebaut, die
nötigen Strukturen für Lehre und Forschung
geschaffen und die zentralen Lehrveranstal­
tungen erfolgreich aufgebaut. In dieser Zeit
betreute Dorothee Dartsch dreizehn Pro­
motionen in Klinischer Pharmazie und ver­
öffentlichte eine Reihe wissenschaftlicher
Publikationen sowie Beiträge für nationale
und internationale Kongresse. Ihre eigene
sowie die Dissertation zweier ihrer Dokto­
randinnen wurden mit Forschungspreisen
ausgezeichnet. Für eine interdisziplinäre
wissenschaftliche Veröffentlichung mit In­
tensivmedizinern des UKE erhielt sie den
Forschungspreis Intensivmedizin der Deut­
schen Gesellschaft für Internistische Inten­
sivmedizin und Notfallmedizin e.V.
Seit März 2012 ist sie Gesellschafterin und
Geschäftsführerin der Campus Pharmazie
GmbH, die Online-Seminare in Klinischer
Pharmazie für Apothekerinnen und Apothe­
ker anbietet und damit auch denjenigen Kol­
leginnen und Kollegen einen Zugang zu die­
sem Fach ermöglicht, bei denen es noch kein
Bestandteil des Studiums war.
Das Thema pharmazeutische – und vor al­
lem klinisch-pharmazeutische – Kompetenz
steht insofern im Mittelpunkt ihrer Arbeit:
„Wenn man mich fragen würde, wofür ich
morgens aufstehe, dann würde ich sagen‚
damit am Abend die eine Kollegin und der
andere Kollege feststellen, dass sie ihre
pharmazeutische Kompetenz ein Stück er­
weitern konnten.“
Zur Oralia-Arbeitsgruppe stieß sie im April
2013, um die zentrale Projektkoordination
der DGOP-Initiative „Orale Krebsmedika­
ment-Therapie – sicher und effektiv durch
gemeinsame Beratung“ zu übernehmen. Zu
diesem Aufgabengebiet gehören z.B. die Be­
treuung und Vernetzung der Referentinnen
und Referenten der Oralia-Schulungen, der
Ausbau der für das Angebot der Schulungen
erforderlichen Infrastruktur, v.a. mit den
Apothekerkammern, die Organisation der
Aktualisierungen der Datenbank-Monogra­
fien und die Planung der Fortbildungsantei­
le zur Oralia-Initiative bei den pharmazeu­
tisch-onkologischen Fachkongressen.
Als Ausgleich zum beruflichen Engagement
schätzt Dorothee Dartsch die klassische
Musik, aktiv und passiv, das Segeln auf der
Elbe mit der Familie und die Entspannung
über einem guten Buch.
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 43
Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt
KO N G R E S S B E R I C H T
31. Deutscher Krebskongress 2014
Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt
Von Petra Jungmayr, Esslingen
D
er diesjährige Deutsche Krebskongress stand unter dem Motto „i-Kon – intelli­
gente Konzepte in der Onkologie“. Diese Konzepte umfassen Individualisierung,
Interdisziplinarität und Innovation und zogen sich wie ein roter Faden durch den vier­
tägigen Kongress, der vom 19.-22. Februar 2014 in Berlin stattfand. Der Krebskongress,
die größte deutschsprachige Veranstaltung zu Krebserkrankungen, ihrer Prävention,
Therapie und Nachsorge, wurde erstmals gemeinsam von der Deutschen Krebsgesellschaft
und der Deutschen Krebshilfe ausgerichtet. In über 320 Sitzungen, die von rund 10.000
Teilnehmern besucht wurden, spiegelte sich die interdisziplinäre Kooperation verschie­
dener Fachrichtungen wider. Flankiert wurde der Kongress von einem Krebsaktionstag
für Patienten und Angehörige.
Die intelligenten Konzepte in der
Onkologie wurden bereits in der
Einführungspressekonferenz von
Kongresspräsident Prof. Dr. Michael
Hallek, Köln, hervorgehoben und von PD
Dr. Barbara Eichhorst, Köln, anhand neuer,
bislang unveröffentlichter Daten zum krankheitsfreien Überleben bei der CLL untermauert. Wenn Patienten mit einer chronisch
lymphatischen Leukämie und Mutation im
IGHV-Gen eine Kombinationstherapie
aus Chemotherapie (F ludarabin,
Cylophosphamid) und Rituximab erhalten, haben sie ein deutlich längeres krankheitsfreies Überleben sowie ein längeres
Gesamtüberleben als CLL-Patienten ohne
mutiertes IGHV-Gen. Für eine bestimmte
Patientengruppe kann also mit einer
bestimmten Therapie ein wesentlich verbessertes Behandlungsergebnis erzielt werden
– auch dies ein Erfolg eines „intelligenten“,
stratifizierten Therapiekonzepts.
44 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Die intelligenten Konzepte sind eng mit
der personalisierten (oder stratifizierten)
interdisziplinären Onkologie verknüpft, was
zahlreiche Veranstaltungen des Kongresses
wie etwa die Vorträge zum Melanom, zum
Bronchialkarzinom oder zu Hirntumoren
zeigten. Ein Highlight der personalisierten
Medizin war die Präsentation der FIRE3-Studie (Studie der Arbeitsgemeinschaft
Internistische Onkologie; vergleicht in der
Erstlinie FOLFIRI in Kombination mit
Cetuximab oder Bevacizumab bei Patienten
mit KRAS-Wildtyp), die die Überlegenheit
von Cetuximab gegenüber Bevacizumab beim
metastasierten kolorektalen Karzinom und
KRAS-Wildtyp aufzeigt.
Neben Beispielen, in denen die personalisierte Onkologie bereit in der Praxis eingesetzt wird, gibt es Ansätze, die in Deutschland
noch „in der Warteschleife“ stehen, wie etwa
die Bestimmung von Gensignaturen beim
frühen Mammakarzinom.
Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt
Vorträge zur onkologischen Pharmazie
Die P lenarsitzungen mit KeynoteLectures befassten sich unter anderem
mit Leukämien und Lymphomen, gynäkologischen Tumoren, Tumoren der
Atemwege, Hals-Kopf-Tumoren, dem
Mammakarzinom, Hauttumoren, gastrointestinalen Tumorerkrankungen sowie
urologischen Tumoren. Mehrere Vorträge
des diesjährigen Krebskongresses waren
der Psychoonkologie sowie der Supportivund Palliativmedizin gewidmet. Ein weiterer Schwerpunkt befasste sich mit dem
Einfluss von Sport auf das Tumorgeschehen
im Hinblick auf Prävention und Therapie.
Aspekte der onkologischen und klinischen
Pharmazie wurden in mehreren Sitzungen
aufgezeigt und vertieft. So unter anderem mit
Themen zum Medikationsmanagement sowie
zur Stellung des Apothekers im Tumorboard.
ZUM WEITERLESEN
Der Deutsche Krebskongress DKK
Der Deutsche Krebskongress (DKK) ist der größte und älteste Fachkongress zur
Krebsdiagnostik und Krebstherapie in Deutschland. Der erste DKK fand 1951 statt.
Danach folgten im Zwei-Jahres-Rhythmus die Kongresse bis 1971. Nach einer kurzen
Unterbrechung findet seit 1974 der DKK wieder alle zwei Jahre statt. Alleinausrichter
war bis einschließlich 2012 die Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
Ab dem 31. Deutschen Krebskongress 2014 sind die Deutsche Krebsgesellschaft und
die Deutsche Krebshilfe gleichberechtigte Ausrichter des Kongresses.
www.dkk2014.de
Der blaue Ratgeber
„Lungenkrebs“
www.selbsthilfe-lungenkrebs.de
Her vorgegangen aus einem Berliner
Selbsthilfeverein vertritt die
Selbsthilfe Lungenkrebs in­
zwischen deutschlandweit
Betroffene und Angehörige
u.a. auch auf Kongressen,
Veranstaltungen etc. und ist
Mitglied der Global Lung Cancer Coalition
(http://www.lungcancercoalition.org).
Ihrer Vision „Wir wollen: Aufklären, ver­
mitteln, informieren, stärken“ entspre­
chend sind die Aufgaben und Aktivitäten
formuliert:
die Gründung neuer Gruppen bundes­
weit initiieren und unterstützen,
Informationsmaterial versenden,
persönlich beratend am Telefon zur Ver­
fügung stehen,
ein Internetforum für Betroffene und
Angehörige zur Verfügung stellen.
Im Rahmen der pharmazeutischen Be­
treuung von Lungenkrebspatienten ist die
Liste der bundesweit 53 Selbsthilfegrup­
pen sehr hilfreich: inkl. Ansprechpartner,
Adressen und Terminen auf
der Homepage unter http://
www.selbsthilfe-lungen­
krebs.de/html/selbsthilfe­
gruppen1.html.
Wie alle anderen blauen Ratgeber der
Deutschen Krebshilfe informiert auch
dieser Band verständlich
10
über Ursachen (Zigaretten­
lungen
konsum als wichtigste für
krebs
Lungenkrebs!) sowie Früh­
erkennung, Diagnose, The­
rapie, klinische Studien,
Rehabilitation, Nachsorge
und unterstützende Angebo­
te für Patienten und Hilfen
für Angehörige.
Die blauen ratgeber
Antworten. Hilfen. PersPektiven.
In diesem Zusammenhang sei auch
auf die Broschüre „Richtig Aufatmen –
Geschafft – Endlich Nichtraucher“ der
Deutschen Krebshilfe hingewiesen, die
ein Ausstiegsprogramm für Raucher,
die das Rauchen aufgeben möchten,
enthält.
Die kostenlose Bestellung ist möglich
unter: http://www.krebshilfe.de/filead­
min/Inhalte/Downloads/PDFs/Blaue_
Ratgeber/010_lunge.pdf
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 45
Lungenkrebs 1
Abbildung 1: Sigrid Rosen-Marks, Le Bois de Paiolive, Ardèche; Aquarell/Tusche, 30 x 40 cm
KO L U M N E
Die Kraft der Bilder – wie altes Wissen moderne
Medizin verändert
Von Sigrid Rosen-Marks
„S
ie bluten stark nach. Bereiten Sie
sich bitte innerlich darauf vor, wieder in den OP zu kommen“. Ich war auf der
Aufwachstation und hatte die große, vielstündige Ovarialkarzinom-OP gerade hinter
mir. Nein, ich wollte nicht wieder in den gekachelten Raum. Fieberhaft durchforstete
ich meine Gedanken. Was könnte ich tun?
Gab es einen Schüssel, den auch ich in dieser besonderen Situation in der Hand hatte?
Mir kamen die Bilder der vielen Hundespa­
ziergänge durch das Wiesbadener Nerotal
in den Sinn. Meine Freundin, ihre beiden
Hunde, mein Hund, der geliebte, von uns
„Schottischer Hochlandweg“ getaufte Pfad,
der Wald; alles war plötzlich da. Und dort
im Krankenhaus, vor meinem inneren Auge,
zogen wir los. Isi, die Hunde Linus, Jimmy,
mein Tommi und ich. Wir kletterten in den
Einstieg unseres „Hochlandweges“, die Son­
ne schien, die Hunde streiften meine Bei­
ne, die Gerüche, das Summen der Insekten,
die Vögel, das Sonnenlicht des hessischen
Weinbauklimas, alles war da. Ganz realis­
tisch. Ich wusste es in diesem Moment ganz
genau: Ich MUSS diesen Weg jetzt gehen.
Der Pfleger beugte sich wieder über mich.
„Wir hatten nicht damit gerechnet - aber die
Blutungen haben aufgehört“.
46 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
Jeder Mensch hat eine eigene Kraft inne,
die ihm in extremen Situationen zur Sei­
te steht. Der Autor und Regisseur wissen­
schaftlicher Fernsehdokumentationen, Jo­
achim Faulstich, beschäftigt sich seit mehr
als 20 Jahren mit den Themen Bewusstseins­
forschung und Komplementärmedizin. In
seinem Buch „Das Geheimnis der Heilung,
Wie altes Wissen die Medizin verändert“,
beschreibt er u.a. eingehend das Thema
„Visualisierungen“, d.h. die Kraft der inne­
ren Bilder. Er zeigt anhand von PatientenSchicksalen eindrucksvoll diese Kraft und
ihre Möglichkeiten auf.
Die Kraft der Bilder – wie altes Wissen moderne Medizin verändert
Noch interessanter sind jedoch aus meiner
Sicht die begleitenden wissenschaftlichen
Hintergrundinformationen, die die Ausfüh­
rungen Faulstichs untermauern. Da wäre das
Zitat der Neurowissenschaftlerin Candace
Pert: „Die neuere Forschung lässt darauf
schließen, dass dem Bewusstsein eine fast
unendliche Zahl von Übertragungswegen
zur Verfügung steht, um das Unterbewusste
und den Körper zu erreichen - und zu verän­
dern“ (J. Faulstich, S. 109/110). Laut Faul­
stich unterscheiden sich Visualisierungen
von flüchtigen Alltagsbildern, die uns jeden
Tag begleiten. Sie können sich einprägen
und Bestand haben. Dazu gehören Übung
und der Wille zum ständigen Neuanfang,
bis die Bilder uns verlässlich begleiten. Und
diese Bilder sind für das Gehirn real. Es un­
terscheidet nicht mehr zwischen tatsächli­
chen und visualisierten Bildern. Und sogar
der Körper kann diese Unterscheidung nicht
mehr erkennen. Eine von Medizinern betreu­
te Sportlergruppe in den USA trainierte aktiv
und mental bestimmte Muskelgruppen. Die
aktiv trainierende Gruppe erreichte 33 Pro­
zent Muskelzuwachs in 5 Tagen; die mental
trainierende Gruppe immerhin 22 Prozent
Zuwachs (Joachim Faulstich, S. 108).
Stigmatisierung von Patienten führen, die
diese Arbeit nicht für sich entdecken oder
annehmen möchten. Diese kritische Sicht
auf die Dinge kommt meiner Meinung nach
bei Joachim Faulstich viel zu kurz. Die Dar­
stellung der Patientenerfolge wird zu sehr
wie ein unrealistisches Heilversprechen
dargestellt.
Joachim Faulstichs Recherche ist aber auch
kein fiktiver Blick in die Zukunft, sondern
gelebte Realität. Die Habichtswald-Klinik in
Kassel bestätigte mir auf meine Nachfrage
hin, dass seit Jahren aus Überzeugung mit
den Visualisierungen des amerikanischen
Onkologen Simonton in ihrem Haus gearbei­
tet wird. Und in Bochum zeigt das Ergebnis
einer Arbeitsgruppe der Ruhr-Universität
unter der Leitung von Prof. Dr. Niesel und
Dipl. Psych. Erhard Beitel – „DAS BOCHU­
MER GESUNDHEITSTRAINING“, dass kom­
plementäre Medizin ihren Platz in unserem
Gesundheitssystem gefunden hat (www.
schen die Techniken und wenden sie nach
Operationen an. Ihre Hände bewegen sich
dabei ca. 10 cm über dem zu heilenden Be­
reich. Die Berichte der Patienten sind berüh­
rend. Einige empfanden diese Behandlung als
„ein Geschenk“ und andere fanden nach der
Entfremdung durch Operation und Diagnose
wieder zu sich selbst (Joachim Faulstich, S.
295-298). Aus meiner Sicht ist es ganz sicher
Zuwendung und wohltuende Aufmerksamkeit.
Bei der Anwendung und auch dem Empfangen
dieser Methoden stecken wir doch alle in den
Kinderschuhen. Seit dem Beginn der Technisie­
rung im 19. Jahrhundert sind die alten Heilme­
thoden im medizinischen Bereich zum großen
Teil verloren gegangen. Wir fangen gerade erst
an, sie wieder zu entdecken. Wie weit uns diese
Möglichkeiten führen werden? Ich bin gespannt!
Wer sich für die Fallbeispiele interessiert,
der kann sich auf You-Tube (Geheimnis der
Heilung Teil 1 – YouTube) eine Kurzfassung
anschauen. Der Film zum Buch kann beim
Ich habe mittlerweile viel Erfahrung im Um­
gang mit den inneren Bildern. Während der
Chemotherapie habe ich Anleitungen zur
Visualisierung befolgt und auch in der psy­
choonkologischen Therapie hat mich die
Arbeit mit den inneren Bildern begleitet.
Und einiger dieser Bilder sind auch heute
noch präsent. Das Bild zu meinem Herzcha­
kra ist ein Reh. Es lief mir spontan bei einer
Meditation über den von mir beschrittenen
Waldweg.
Heute telefonierte ich mit einer Ovarialkar­
zinom Patientin, die sich leider wieder in
den Operationssaal und die Chemotherapie
begeben muss. Sie hat die Arbeit mit den
Bildern in ihrer stark belastenden Situation
wunderbar zusammenfasst: „Man kommt
so schön runter“.
Ob die Arbeit mit diesen Bilden, wie in den
Patientenbeispielen von Joachim Faulstich,
eine echte Möglichkeit zur Heilung sein kön­
nen? Ich denke, dass zur Zeit niemand diese
Frage wirklich endgültig beantworten könn­
te. Es ist ein Angebot. Tut dem, den es an­
spricht, sicher gut. Aber es darf niemals zur
Abbildung 2: Sigrid Rosen-Marks, Eifelwald; Tuschezeichnung, 21 x 29,7 cm
bochumergesundheitstraining.de). Das Trai­
ning baut im Wesentlichen auf die Erkennt­
nisse Simontons auf.
Ein besonders überzeugendes Beispiel kom­
plementärer Medizin sind die bei Joachim
Faulstich beschriebenen Anwendungen der
„Heilenden Berührung“. Diese Methode wird
im Sankt Gertrauden-Krankenhaus in Berlin
angewandt. Die Krankenschwestern beherr­
HR-Fernsehen, Archivservice, Postfach,
60222 Frankfurt/M bestellt werden.
Joachim Faulstich, Das Geheimnis der Heilung, Wie
altes Wissen die Medizin verändert, Knaur-Verlag,
München 2010
Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 47
Pressemitteilung
PRE S S EM I T T E I LU N G
Selbst bei weit fortgeschrittenem Lungenkrebs
verlängert die Strahlentherapie das Überleben
M
ehr als 50.000 Menschen in
Deutschland erkranken pro Jahr
an Lungenkrebs. Eine Strahlentherapie kann fortgeschrittenen Lungenkrebs zwar häufig nicht mehr heilen,
den Tumor aber oft zumindest vorübergehend zurückdrängen. Dies gelang,
ohne die Lebensqualität der Patienten
wesentlich zu beeinträchtigen, belegt
eine aktuelle Studie aus Norwegen.
Lungenkrebs wird oft erst entdeckt,
wenn eine Heilung nicht mehr möglich
ist. Von einer Operation sehen Ärzte
dann häufig ab, weil die Operation sehr
riskant ist. „Bei diesen Patienten kön­
nen wir versuchen, den Tumor durch
eine Strahlentherapie zu verkleinern
und durch Chemotherapie die Bildung
von Metastasen zu verzögern“, sagt
DEGRO-Präsident Prof. Dr. Michael
Baumann, Direktor der Klinik und Po­
liklinik für Strahlentherapie und Radi­
oonkologie des Universitätsklinikums
Dresden. Den Wert der Chemotherapie
belegen bereits jüngere Studien.
Der Nutzen einer zusätzlichen Bestrah­
lung wurde jetzt erstmals in einer grö­
ßeren Studie untersucht. In Norwegen
prüften Ärzte das Verfahren an 191
Patienten mit einem nicht operablen
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzi­
nom, der häufigsten Lungenkrebsva­
riante. Alle Patienten erhielten eine
Chemotherapie. Bei der Hälfte wur­
de zusätzlich eine Strahlentherapie
durchgeführt. „Die Entscheidung dafür
fiel per Los, was jedoch Patienten oft
nicht akzeptieren“, berichtet Prof. Bau­
mann: „Es konnten deshalb nicht die
ursprünglich geplanten 305 Patienten
in die Studie aufgenommen werden.“
Dennoch war das Ergebnis eindeutig:
Die Chemoradiatio, wie die Kombina­
tion aus Chemo- und Strahlenthera­
pie auch genannt wird, verlängerte die
mittlere Überlebenszeit der Patienten
von 9,7 auf 12,6 Monate. Dabei ver­
schlechterte sich die Lebensqualität
nicht, abgesehen von einer kurzen Pha­
se während der Bestrahlung selbst.
Die norwegische Studie ist die erste,
die neben der Überlebenszeit auch
die Lebensqualität der Patienten un­
tersucht hat. „Dies ist besonders wich­
tig vor dem Hintergrund der Lebenssi­
tuation der Patienten“, sagt Prof. Dr.
Frederik Wenz, Direktor der Klinik für
Strahlentherapie und Radioonkologie
am Universitätsklinikum Mannheim.
Der DEGRO-Pressesprecher rät dazu,
die Auswirkungen der Strahlenthera­
pie mit den Patienten zu besprechen.
Die häufigste Komplikation war eine
vorübergehende Entzündung der Spei­
seröhre, die Ösophagitis. Sie trat bei
mehr als 85 Prozent der Patienten auf.
Eine Ösophagitis kann für die Patien­
ten kurzfristig sehr schmerzhaft sein
und die Nahrungsaufnahme behindern.
In der Studie kam es deswegen nicht
selten zu Krankenhausaufenthalten.
„Wir meinen, dass diese Belastung nur
vertretbar ist, wenn sie die Perspektive
48 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014
auf eine Lebensverlängerung bietet“,
sagt Prof. Wenz. Das galt in der Studie
nur für Patienten, deren Alltagsaktivi­
tät durch die Krankheit noch nicht ein­
geschränkt war. Patienten, die durch
Alter oder Erkrankung bereits stark
behindert waren, hatten keinen Über­
lebensgewinn. „Wir würden diesen
Patienten derzeit von einer Bestrah­
lung abraten“, erläutert Prof. Wenz. Bei
anderen könne die Strahlentherapie
helfen, die Überlebenszeit ohne große
Einschränkungen der Lebensqualität
zu verlängern. Prof. Wenz weist darauf
hin, dass sich noch wirksamere Wege
finden müssen, um die Speiseröhre vor
der Strahlung noch besser als bisher zu
schonen. „Vor allem aber muss jeder
Patient zusammen mit dem Arzt indivi­
duell entscheiden, welche Therapie für
ihn geeignet ist“, betont der Experte.
LITERATUR:
Strøm HH1, Bremnes RM, Sundstrøm SH, Helbekkmo N, Fløtten O, Aasebø U. Concurrent palliative chemoradiation leads
to survival and quality of life benefits in
poor prognosis stage III non-small-cell lung
cancer: a randomised trial by the Norwegian Lung Cancer Study Group. Br J Cancer
2013; 109(6): 1467-75
[Nach einer Pressemitteilung der DEGRO
vom 23.04.2014]
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Früher Fern-Uni – heute E-learning?
KO L U M N E
Früher Fern-Uni –
heute E-learning?
Von Niels Eckstein, Bonn
nische Pharmazie der Universität Hamburg
und langjährig erfahrene Wissenschaftlerin
und Hochschullehrerin bringt zusammen mit
Jasmin Hamadeh als mediendidaktische Be­
raterin und Trainerin für Universitäten und
Unternehmen das besondere Fingerspitzen­
gefühl für den Umgang mit dem geschriebe­
nen Wort als Lehrmaterial mit.
Die Online-Kurse auf dem virtuellen Campus
dauern vier Wochen zu festgelegten Zeiten,
eine Woche davor zur Einführung und eine
Woche danach zum Abschluss sollten auch
eingerechnet werden. In diesen Wochen ist
die Zeiteinteilung frei, nötig ist nur ein Inter­
netfähiger Computer.
N
ach vielen langen Autofahrten und noch
mehr (teuer bezahlten) Nächten im Hotel mag sich manch einer fragen, warum
nicht mal eines der vielen E-learning Angebote nutzen und schauen, wie man damit so
klar kommt, wenn der persönliche Kontakt
(zumindest der face-to-face-Kontakt) des
Lehrenden zum Lernenden fehlt.
Viele dieser Angebote sind in den letzten
Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen.
Selbst etablierte Präsenzuniversitäten und
-fachhochschulen erweitern ihr Angebot um
das ein oder andere E-learning-Modul. Denn
das E-learning bietet zwei nahezu unschlag­
bare Vorteile: es ist familienfreundlich und
ermöglicht eine weitgehend freie Zeiteintei­
lung neben dem Beruf.
Ein besonderes interessantes, familien­
freundliches E-learning Angebot zur Fort­
bildung bietet die Campus Pharmazie GmbH
an. Dorothee Dartsch als Professorin für Kli­
Den Kursteilnehmern wird einiges abver­
langt: Einzelaufgabe, Teamaufgabe, eine
Multiple Choice-Abschlussprüfung und di­
verse Plenaraufgaben, die i.d.R. aus sinn­
vollen, fachlichen Beiträgen zu einem be­
stimmten (vorgegebenen) Thema bestehen.
Den zeitlichen Bedarf beziffern die Verant­
wortlichen auf ca. 8 Stunden pro Woche. Man
sollte allerdings etwas mehr Zeit einplanen,
als vorgegeben, denn wenn einen der Spaß
an der Sache erst einmal gepackt hat, ist
man doch viel öfter „auf dem Campus-Ge­
lände“ im Netz und das Durcharbeiten des
Lernmaterials bleibt zeitintensiv. Sinnvoll
ist es sicherlich, in den letzten beiden Wo­
chen des Kurses ein oder zwei Tage frei zu
nehmen, um entspannt und stressfrei dem
Kursverlauf folgen zu können.
Ausgesprochen benutzerfreundlich ist die
Dienstleistung, dass jeder Beitrag abends
an jeden Kursteilnehmer per mail versendet
wird. Ist man also mal zwei Tage auf Dienst­
reise zwischendrin, kann man einfach nach
der Rückkehr die beiden „Tageszusam­
menfassungen“ lesen und ist rasch wieder
sprechfähig. Die Stimmung unter den 10-20
Teilnehmern ist angenehm und die Arbeitsat­
mosphäre konstruktiv.
Bei einem (stolzen) Preis von 980,- Euro stellt
sich natürlich die Frage nach dem Preis-Leis­
tungs-Verhältnis. Auf den ersten Blick wirkt
der Preis in der Tat hoch für einen Zertifi­
katskurs. Allerdings kann eine Konkurren­
zanalyse diesen ersten Eindruck nicht be­
stätigen. Vergleichbare E-learning Angebote
aus den Bereichen Regulatory Affairs, Klini­
sche Prüfung oder Arzneimittelentwicklung
(Apollon Hochschule der Gesundheitswirt­
schaft, Deutsche Universität für Weiterbil­
dung - DUW) dauern 3-5 Monate, kosten 200
– 300 Euro pro Monat und kommen somit
in der Summe auf Beträge zwischen 1500,und 2000,- Euro (oder auch mehr je nach
Laufzeit des Kurses). An der DUW sind Preise
von knapp 1000,- Euro pro Monat bei einer
Kurslaufzeit von 2-4 Monaten keine Selten­
heit. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass
der Branchenprimus der Präsenzkurse, das
Forum Institut für Management aus Heidel­
berg, nicht günstiger ist und das BPI-nahe
Colloquium Pharmaceuticum desgleichen.
Aktuell werden auf dem Campus Pharma­
zie u.a. Pharmakokinetik, unerwünschte
Arzneimittelwirkungen und Pharmakovigi­
lanz, Interpretation von Laborparametern,
medizinische Literaturrecherche oder auch
Online-Case-Trainings angeboten (http://
www.campus-pharmazie.de).
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