Prostatakrebs

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Prostatakrebs
Der Prostatakrebs (medizinisch: Prostatakarzinom; PCa), eine bösartige Tumorerkrankung, geht vom Drüsengewebe der
Vorsteherdrüse (Prostata) aus. In Deutschland sterben knapp 3 von 100 Männern an Prostatakrebs.[1][2] Auch wenn der Wert
relativ gering ist, gehört der Prostatakrebs zu den häufigsten Krebserkrankungen des Mannes: Er ist innerhalb der Gruppe der an
Krebs gestorbenen Männer für etwa 10 Prozent der Todesfälle verantwortlich und stellt damit die dritthäufigste tödliche
Krebserkrankung nach Lungen- und Darmkrebs dar.[2]
Das Frühstadium der Erkrankung ist symptomlos. Im fortgeschrittenen Stadium können Beschwerden wie
Blasenentleerungsstörungen, Knochenschmerzen und später Gewichtsverlust und Blutarmut auftreten. Bei Stellung der
Diagnose nach der klinischen Manifestation durch solche Symptome hat häufig schon eine Metastasierung, vorrangig in die
lokalen Lymphknoten oder das Skelett, stattgefunden.
Eine Behandlung mit Aussicht auf Heilung ist nur möglich, wenn das entartete Gewebe die Organgrenzen noch nicht
überschritten hat und keine Metastasen vorliegen. Da es in der Regel erst bei fortgeschrittener Erkrankung zu Beschwerden
kommt, wird in Deutschland eine regelmäßige Früherkennungsuntersuchung für Männer über 45 Jahren angeboten, um die
Wahrscheinlichkeit der Diagnosestellung des Krebses noch im heilbaren Frühstadium zu erhöhen. Das Prostatakarzinom ist
jedoch eine Krankheit älterer Männer, und die Mehrzahl der Erkrankten würde an anderen Ursachen versterben, bevor es
überhaupt Symptome verursacht. Daher ist die Entscheidung zur Behandlung schwierig und vom Einzelfall abhängig.
Therapeutische Optionen sind die Operation mit kompletter Entfernung der Prostata (Prostatektomie), die Strahlentherapie, die
Hormontherapie und in manchen Fällen die Chemotherapie.
Prostatakrebs ist auch bei Tieren beschrieben, unter den Haustieren ist er beim Haushund am häufigsten.
Die Prostata
Männliche Geschlechtsorgane des Menschen
Hauptartikel: Prostata
Die Prostata oder Vorsteherdrüse ist eine akzessorische Geschlechtsdrüse aller männlichen Säugetiere einschließlich des
Menschen. Sie liegt beim Menschen unterhalb der Harnblase und umkleidet die Harnröhre bis zum Beckenboden. Sie ähnelt
beim Mann in Größe und Form einer Kastanie. An die Rückseite der Prostata grenzt der Mastdarm (Rektum). Deswegen
kann sie vom Enddarm aus mit den Fingern ertastet und beurteilt werden. Aufgabe der Prostata ist die Abgabe eines
Sekrets, das zusammen mit dem der Samenblase, der Bulbourethraldrüse und den aus dem Hoden stammenden
Samenzellen das Sperma bildet. Wachstum und Funktion der Vorsteherdrüse werden vorwiegend von dem
Geschlechtshormon Testosteron gesteuert.
Epidemiologie
Das Prostatakarzinom ist in Deutschland die häufigste diagnostizierte Krebserkrankung des Mannes und steht nach dem
Bronchialkarzinom und dem kolorektalen Karzinom an dritter Stelle bei den krebsbedingten Todesursachen der Männer.
Rund 22 % aller bei Männern jährlich neu auftretenden Krebserkrankungen betreffen die Prostata. Das entspricht einer
altersstandardisierten Inzidenzrate von nahezu 100 auf 100.000 männliche Personen bzw. deutlich mehr als 40.000 neu
diagnostizierten Prostatakarzinomen pro Jahr im Bundesgebiet.[3] Die beobachtbare, vermeintlich starke Zunahme in den
letzten Jahrzehnten ist eher auf verbesserte diagnostische Methoden und eine allgemein höhere Lebenserwartung
zurückzuführen als auf eine tatsächliche Zunahme der Fallzahlen.
Jahr
1980
1985
1990
1995
2000
Jährliche Neuerkrankungen
16.800 21.600 27.500 35.400 44.800
in Deutschland (geschätzt)[3]
Die jährliche Mortalität (Gesamtzahl der Todesfälle) liegt um 11.000.[4] Bei Männern unter 40 ist das Prostatakarzinom
praktisch unbekannt. Die jährliche Prävalenz steigt mit zunehmenden Lebensalter deutlich an, zwischen dem 40. und dem
80. Lebensjahr um mehr als den Faktor 1.000. Durch Obduktionen weiß man, dass bis zu 80 Prozent der über 70-Jährigen
ein latentes Prostatakarzinom haben, ohne daran verstorben zu sein.[5][6] Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 71
Jahre.
Es gibt starke geographische und ethnische Unterschiede in der Häufigkeit: Schwarze US-Amerikaner haben die höchste
Inzidenzrate, am niedrigsten ist sie bei Asiaten.[7][8]
Die Daten für die weltweiten Erkrankungsraten sind nicht sehr zuverlässig, da sie zum Teil auf Schätzungen beruhen und die
diagnostischen Möglichkeiten in den einzelnen Regionen sehr differieren. Die auf Daten der Internationalen Agentur für
Krebsforschung (IARC) beruhende Erhebung GLOBOCAN gibt für das Jahr 2002 insgesamt knapp 680.000
Neuerkrankungen und etwa 220.000 Todesfälle an. Hiernach ist die jährliche Inzidenzrate in Zentralasien mit weniger als
3/100.000 Einwohner am niedrigsten, die höchste ist auf dem nordamerikanischen Kontinent mit über 160/100.000
Einwohner zu verzeichnen.[9]
Risikofaktoren und protektive Faktoren
Die Ursache der Erkrankung ist bisher weitgehend unbekannt. Die genetische Disposition spielt bei der Entstehung der
Erkrankung eine Rolle (familiäre Häufung). Daher gelten Männer, deren Vater oder/und Bruder Prostatakrebs hatte, als
Risikopatienten mit etwa doppeltem Erkrankungsrisiko.[10] Diese Männer sollten die üblicherweise erst ab dem fünfzigsten
Lebensjahr erforderliche Krebsfrüherkennung durch Kontrolle des prostataspezifischen Antigens bereits ab dem 45.
Lebensjahr wahrnehmen. Die großen Unterschiede in der Krankheitshäufigkeit bei verschiedenen Ethnien wird auch auf
deren Lebensgewohnheiten zurückgeführt, zumal die Nachkommen von Emigranten nicht das Erkrankungsrisiko ihrer
Vorfahren tragen, sondern das des neuen Heimatlandes annehmen. Eine gewisse Rolle wird hierbei der Ernährung
zugeschrieben. Es konnten keine Hinweise darauf gefunden werden, dass die Sterilisation (Vasektomie) das
Erkrankungsrisiko erhöht.[11]
Ein sicherer Einflussfaktor ist der Testosteronspiegel, da die Tumorzellen auf die Stimulation durch Androgene angewiesen
sind: Eunuchen entwickeln kein Prostatakarzinom. Im Gegensatz dazu stellen die im fortgeschrittenen Lebensalter häufige
gutartige Vergrößerung der Prostata (benigne Prostatahyperplasie) und die Prostataentzündung, ob chronisch oder akut,
keine unabhängigen Risikofaktoren dar. Noch widersprüchlich ist die Datenlage derzeit zur eventuellen Krebsförderung
durch erhöhte Spiegel des Gewebshormons IGF-1 (insulinähnlicher Wachstumsfaktor).[8]
Nach einer 2003 veröffentlichten Studie[12] soll häufiges Ejakulieren in jüngeren Jahren das Erkrankungsrisiko senken.
Australische Wissenschaftler verglichen Daten zu Sexualpraktiken von 1079 Prostatakrebs-Patienten mit denen von 1259
gesunden Männern im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Ihr Ergebnis: Zwanzigjährige, die öfter als fünfmal pro Woche
ejakulieren, senken ihr Risiko für den Prostatakrebs um ein Drittel. Methodisch ist hierbei das Ursache-Wirkungs-Verhältnis
nicht geklärt. Es könnte durchaus sein, dass Männer mit einem gesunden, leistungsfähigen Genitaltrakt öfter ejakulieren und
die Gesundheit der Genitalien die eigentliche Ursache ist, weshalb sie später auch nicht so häufig erkranken.
Im Gegensatz dazu hatten frühere Studien häufige Sexualkontakte mit einem deutlich erhöhten Risiko für Prostatakrebs in
Zusammenhang gebracht. Dies könnte jedoch, nach Ansicht der australischen Forscher, durch die höhere Infektionsgefahr
bedingt sein. Betrachte man die Zahl der Ejakulationen insgesamt, so hätten diese einen schützenden Effekt, weil durch die
häufige Bildung von Samenflüssigkeit krebserregende Substanzen aus der Prostata herausgeschwemmt werden. Auch
würden die Prostatazellen auf diese Art zum Ausreifen angeregt, was sie für Karzinogene weniger anfällig machen könnte.
Ein weiterer möglicher Risikofaktor könnte Sonnenmangel sein. Forscher in Nordamerika und in Europa bemerkten ein
auffälliges Nord-Süd-Gefälle, das sie sich nur durch die unterschiedliche Besonnung der Menschen erklären konnten.
Diesen Zusammenhang fanden die Wissenschaftler für Brustkrebs, Prostatakrebs, Dickdarmkrebs, Ovarialkrebs und
offenbar auch für das Melanom und den Blasenkrebs.[13] Eine Schlüsselrolle spielt hierbei offenbar das Vitamin D. 90
Prozent des vom Körper benötigten Vitamin D werden durch UV-B-Bestrahlung in der Haut gebildet. Erwachsene mit 25-OHD3-Spiegeln über 20 µg/ml (im Blutserum) haben zum Beispiel ein dreifach reduziertes Risiko, an Dickdarmkrebs zu
erkranken. Welche Blutspiegel von 25-OH-D3 optimal sind, ist allerdings noch unklar.[13] 25-OH-D3 ist ein Leber-Metabolit
vom Vitamin D3. Diese Theorie ist mit Vorbehalt zu sehen, denn auf der anderen Seite ist wissenschaftlich bewiesen, dass
zu viel „Besonnung“ ein Risikofaktor für das Spinaliom sein kann.
Molekularbiologische Aspekte des Prostatakarzinoms
Wie alle Neoplasien liegt auch dem Prostatakarzinom letztlich die irreversible Veränderung des Erbgutes einer einzigen
Zelle zugrunde. Alle Krebszellen sind Abkömmlinge (Klone) dieser Zelle. Verkomplizierend kommt hinzu, dass sich deren
Erbgut auch weiter verändert, da die physiologischen Vorgänge, die DNA-Schäden reparieren oder mutierte normale
Körperzellen absterben lassen würden (Apoptose), in Krebszellen nicht zum Tragen kommen. Mit der Zeit entwickelt sich
daher ein Mosaik aus Zellen mit unterschiedlich stark verändertem Genom. Klinisch entspricht dem ein inhomogenes
Erscheinungsbild des Tumors und ein zunehmendes „Bösartigerwerden“ über die Jahre.
Anders als viele andere epitheliale Malignome hat das Prostatakarzinom keine typische Adenom-Karzinom-Sequenz und
auch kein spezifisches Mutationsmuster. Stattdessen kommen sehr heterogene genomische Veränderungen in Form von
Punktmutationen an verschiedenen Stellen, Verlusten von Allelen oder ganzen Chromosomen und bisweilen zusätzlich
Polyploidie vor. Häufig sind jedoch in einem späteren (metastasierten) Stadium zumindest auch klassische
Tumorsuppressorgene wie TP53 von Deletionen oder Mutationen betroffen. Eine wichtige Rolle scheinen Veränderungen
des den Androgen-Rezeptor codierenden Gens zu spielen. Derzeit sind mindestens 17 genetisch verschiedene Zelllinien
des Prostatakarzinoms bekannt.[14]
Pathologie und Histopathologie
Makroskopische Pathologie
Schnitt durch eine Prostata mit Adenokarzinom (links) HE-Färbung
Makroskopisch erscheint das Karzinom meist tiefgelb und homogen. Mehrheitlich geht es von den Epithelien der peripheren
Drüsenanteile aus, zu etwa 85 % in den hinteren (rektalen) Anteilen der Vorsteherdrüse, und breitet sich in den äußeren
Zonen des Organs aus. Zur Verlegung der Harnröhre mit Beschwerden des Harnlassens kommt es daher erst spät, meist
nachdem die Organkapsel schon durchbrochen wurde.
Ausgedehnte Karzinome der Stadien T3/4 können die Samenblasen, die Harnblase, den Beckenboden oder das Rektum
infiltrieren. Die Metastasierung ist zunächst lymphogen (über die Lymphbahnen). Typisch sind Knochenmetastasen in
Becken, Kreuzbein und Lendenwirbelsäule, Oberschenkelknochen, Brustwirbelsäule und Rippen. Diese sind fast immer
osteoblastisch (knochenbildend). Fernmetastasen in Lunge und Leber durch hämatogene Aussaat (über den Blutkreislauf)
sind seltener. [15]
Mikroskopische Pathologie
97 % aller Prostatatumoren sind Adenokarzinome, das heißt, sie entstehen aus entarteten Drüsenzellen. Ein
Übergangsstadium zum manifesten Krebs wird als prostatische intraephitheliale Neoplasie (PIN) bezeichnet und entspricht
einem Carcinoma in situ. Beim eigentlichen Karzinom kommen verschiedene histologische Wachstumsmuster vor, auch
gleichzeitig nebeneinander: glandulär bzw. azinär (drüsenartig), kribriform (siebartig) und solide. Das Ausmaß der
Entdifferenzierung ist Grundlage des Gradings. 40-50 % der Tumoren liegen bei Diagnosestellung multifokal vor. [16]
Normales Prostatagewebe Prostatische intraephitheliale Neoplasie (PIN) Karzinom vom azinären Typ Entdifferenziertes Karzinom
Die Nicht-Adenokarzinome (weniger als 3 %) sind meist urothelialer Herkunft, leiten sich also aus dem Übergangsgewebe
der Harnröhre oder -blase ab (siehe Blasenkrebs). Äußerst selten sind Sarkome (Leiomyosarkom, Fibrosarkom,
Rhabdomyosarkom) des Stromas beim Erwachsenen. Bei Kindern sind Rhabdomyosarkome die häufigste Form des
Prostatakrebses, werden aber nicht wie bei erwachsenen Patienten als Prostatakarzinom aufgefasst, sondern als
Weichteilsarkom.[17][18]
Symptomatik
In frühen Stadien ist Prostatakrebs nahezu immer symptomlos. Hauptbeschwerden ergeben sich beim fortgeschrittenen
Karzinom aus der Blockade des Harnabflusses und bestehen somit in Störungen der Miktion. Möglich sind ein verzögerter
Beginn, eine verlängerte Miktion mit schwachem Strahl, Nachtropfen oder die Unterbrechung des Harnstrahls während das
Wasserlassens. Oft bleibt Restharn in der Blase zurück. Irritative Beschwerden sind vermehrter oder überwiegend nächtlich
auftretender Harndrang (Nykturie), häufiges Lassen geringer Urinmengen (Pollakisurie) oder Schmerzen beim Wasserlassen
(Dysurie). Durch Druckschädigung von Nerven des Kreuzbeinbereichs kann es zu Erektionsstörungen kommen. Sichtbares
Blut im Urin (Hämaturie) oder Ejakulat (Hämatospermie) ist hingegen selten.
Beschwerden können im fortgeschrittenen Stadium mit Metastasierung auch primär durch die Metastasen entstehen,
während das Prostatakarzinom klinisch stumm bleibt (Okkultes Karzinom). Am häufigsten sind hier Schmerzen der
Wirbelsäule und des Beckens. Bei starker metastatischer Durchsetzung kann es zu spontanen Knochenbrüchen ohne
Trauma, sogenannten pathologischen Frakturen, kommen. Da häufig die Wirbelsäule die erste Aussaatstrecke bildet, sind
komplexe neurologische Ausfälle durch Rückenmarksverletzung wie Querschnittsyndrome oder das Cauda-equina-Syndrom
nicht selten. Lymphknotenmetastasen können zu Lymphödemen der Beine oder des Skrotums führen.
Sehr fortgeschritten metastasierte Tumoren führen auch zu Allgemeinsymptomen wie Anämie und ungewolltem
Gewichtsverlust.
Diagnostik
Mit der digital-rektalen Untersuchung kann ein erfahrener Untersucher bereits die Verdachtsdiagnose stellen, da der
Tastbefund typisch ist. Allerdings werden so die selteneren Tumoren der vorderen Organregionen unter Umständen
übersehen und allgemein erst recht fortgeschrittene Stadien erkannt.[19] Genauere Lokalisation und Größenbestimmung
erlaubt die Ultraschalluntersuchung (transrektale Sonografie). Tumore ab 10 mm Durchmesser können damit zuverlässig
gefunden werden, kleinere jedoch nur zu etwa 20 %.[16] Die Magnetresonanztomographie hat sich dem transrektalen
Ultraschall als etwa gleichwertig erwiesen, ist jedoch wesentlich aufwändiger und kostenintensiver in der Durchführung. Der
Primärtumor stellt sich in T2-Wichtung als umschriebene Hypointensität mit relativ hyperintenser Umgebungszone dar.[16] Des
Weiteren etabliert sich immer mehr die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit 11C-Cholin (radioaktiv markierter
Tracer). Vor allem mittels 11C-Cholin PET/CT kann zuverlässig Prostatakrebs-Gewebe von benigner Hyperplasie,
chronischer Prostatitis und gesundem Prostata-Gewebe differenziert werden.[20][21] Zu den Laborparametern gehören die
saure Phosphatase (SP) und das prostataspezifische Antigen (PSA). Vor allem das PSA hat momentan einen hohen
Stellenwert in der Diagnostik. Es ist spezifisch für die Prostata, allerdings nicht für ein Tumorleiden, sondern kann auch bei
Entzündungen, benigner Prostatahyperplasie, einem Harnverhalt oder ohne ersichtlichen Grund erhöht sein. Ein Wert über
4 ng/ml gilt als abklärungsbedürftig. Das PSA ist jedoch der entscheidende Parameter in der Tumornachsorge nach
operativer Therapie und nach einer Strahlentherapie. Dieselbe Bedeutung kommt ihm in der Verlaufskontrolle eines
antiandrogen (Hormontherapie) behandelten Prostatakarzinoms zu. Desweiteren steht eine Protein-Muster-Diagnostik zur
Verfügung, als Material wird Urin verwendet.
Beweisend für ein Prostatakarzinom ist ausschließlich der Nachweis von Krebszellen in einer bioptisch entnommenen
Gewebeprobe. Die Biopsie wird transrektal unter Ultraschallkontrolle durchgeführt. Es werden mit einer Hohlnadel
mindestens je drei Gewebeproben aus beiden Seiten des Organs entnommen. Bei einer großen Prostata sollte naturgemäß
die Zahl der Biopsien höher liegen. Ein Pathologe begutachtet das Prostatagewebe und stellt seine Diagnose.
Falls sich die Diagnose „Prostatakrebs“ bestätigt, ist eine Stadienbestimmung, das sogenannte Staging, erforderlich. Hier
wird festgestellt, ob der Tumor bereits ausgestreut hat oder ob es sich um ein auf die Prostata begrenztes Karzinom handelt.
Zu den erforderlichen Untersuchungen gehört eine Sonografie (Ultraschalluntersuchung) der Organe des Bachraumes,
insbesondere der Leber, Nieren und Lymphknoten sowie eine Röntgenuntersuchung der Lunge. Eine Skelettszintigrafie wird
zum Ausschluss von Knochenmetastasen in Abhängigkeit vom PSA-Wert durchgeführt. Zusätzlich können noch eine
Computertomographie von Bauch und Lunge sowie eine Ausscheidungsurografie der Nieren mit Kontrastmittel zur
Beurteilung des Harnleiterverlaufes und eine Blasenspiegelung erfolgen.
Zur exakten Beurteilung eines organüberschreitenden Wachstums (Stadium T3) bei stanzbioptisch gesichertem
Prostatakarzinom hat sich bisher kein bildgebendes Verfahren (CT, MRT mit Endorektalspule, transrektale
Ultraschalluntersuchung) etablieren können.
Tumorstadien
Manifestationsstadien
Man unterscheidet nach Mostofi[22] folgende Manifestationsstadien:
Manifestationsstadium
Beschreibung
Manifestes Karzinom
Der Primärtumor verursacht Symptome oder ist klinisch diagnostizierbar (palpabel).
Okkultes Karzinom
Die Metastasen werden symptomatisch oder klinisch diagnostizierbar, nicht aber der Primärtumor.
Inzidentielles Karzinom
Zufallsbefund bei der Untersuchung oder Operation unter anderer Fragestellung.
Latentes Karzinom
Zufälliger Obduktionsbefund bei einem aus anderer Ursache Verstorbenen.
Histopathologisches Grading
Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes werden die biologischen Eigenschaften des Tumors
genauer bestimmt und seine Bösartigkeit ermittelt. So beschreibt ein besonderes Einordnungsschema (G:
Histopathologisches Grading), wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen, „ausgereiften“ Zellen
unterscheiden.
Histopathologisches Grading
Stadium
Beschreibung
Gx
Es kann keine Aussage gemacht werden
G1
Hochdifferenziert, noch sehr gewebeähnlich
G2
Mäßig differenziert
G3
Schlecht differenziert
G4
Völlig undifferenziert
Gleason-Score
Mittlerweile wird auch in Europa, nicht nur in Großbritannien, Irland und Skandinavien, sondern auch in der Schweiz, in
Österreich und den meisten romanischen Ländern aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit fast ausschließlich der
„Gleason-Score“ verwendet. Da im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft zunehmend einheitliche Beurteilungskriterien
für vergleichende epidemiologische oder therapeutische Studien gefordert werden, nicht zuletzt aus Gründen der
internationalen Akzeptanz und Vergleichbarkeit von Ergebnissen für wissenschaftliche Publikationen, wird das GleasonGrading inzwischen auch in Deutschland (neben dem bisher üblichen kombinierten histologisch-zytologischen Grading)
bevorzugt verwendet. Dabei wird nach dem histologischen Bild das am häufigsten und das am zweithäufigsten
vorkommende Tumorgewebe mit Punktwerten zwischen 1 und 5 (zusammen also zwischen 2 und 10) bewertet.
Gleason Score < 7 = günstigere Prognose
Gleason Score > 7 = schlechtere Prognose
Für Patienten kann noch die Information von Bedeutung sein, dass die Gleason-Summe als Indikator für die Bösartigkeit des
Tumors zwar zwischen 2 und 10 liegen kann (s.o.). In der Praxis kommen die Gleason-Summen 2, 3 und 4 allerdings als
Ergebnis einer Stanzbiopsie nicht vor[23]. Das bedeutet, dass bei einer Diagnose mit Gleason-Summe = 5 oder 6 durchaus
auch ein Krebs mit niedrigem Risiko vorliegen kann, obwohl der gemessene Wert auf einen mittelschweren Fall hindeutet.
Vor allem in diesen (häufigen) Fällen können zusätzliche Informationen zum Grading (siehe nächster Abschnitt, DNAZytometrie) bedeutsam sein.
Ergänzendes Grading mit DNA-Zytometrie
Weil der Gleason-Score auch ein gewisses subjektives Element enthält (analysieren verschiedene Pathologen dieselbe
Probe, kommen in der Regel unterschiedliche Werte heraus), wird von manchen Urologen zunehmend empfohlen, die als
Biopsie entnommene Probe zusätzlich auf den so genannten Ploidiegrad zu untersuchen. Dieses Verfahren wird DNAZytometrie genannt.
Einzelne urologische Chefärzte an Kliniken beschreiben dieses Verfahren inzwischen als unverzichtbar[24].
Bei einem Ploidiegrad mit günstiger Prognose entscheiden sich Patienten nach Rücksprache mit ihrem Arzt zum Teil für die
Therapie-Option „Abwarten“.
Staging (TNM-System)
Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des
Prostatatumors (T), Lymphknotenbefall (N, von engl. node: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Die Ziffern hinter
den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung des Primärtumors (T1-T4), das Vorliegen von befallenen Lymphknoten
(N0-N1) sowie das Vorhandensein und die Verteilung von Fernmetastasen (M0-M1c).
TNM-Klassifikation
Stadium
Tx
Beschreibung
Es kann keine Aussage zur Ausdehnung des Primärtumors getroffen werden.
T1
Der Tumor ist klein und nicht tastbar. Er wird zufällig im Rahmen einer Prostataoperation wegen BPH oder erhöhter PSA-Werte gefunden
(Inzidentaltumor).
T2
Der Tumor liegt noch innerhalb der Prostatakapsel.
T2a Der Tumor befällt weniger als 50 % eines Seitenlappens.
T2b Der Tumor befällt mehr als 50 % eines Seitenlappens.
T2c Der Tumor befällt beide Seitenlappen.
T3
Der Tumor hat sich über die Prostatakapsel hinaus ausgebreitet.
T3a Der Tumor hat sich über die Prostatakapsel ausgebreitet ohne die Samenblasen zu befallen.
T3b Der Tumor hat sich über die Prostatakapsel ausgebreitet und befällt die Samenblasen.
T4
Der Tumor hat Nachbarstrukturen befallen (infiltriert) oder ist fixiert (d.h. nicht verschieblich).
Nx
Es kann keine Aussage zu regionären Lymphknotenmetastasen getroffen werden.
N0
Keine Metastasen in den regionären Lymphknoten.
N1
Metastasen in den regionären Lymphknoten.
Mx
Es kann keine Aussage zu Fernmetastasen getroffen werden.
M0
Keine Fernmetastasen nachweisbar.
M1
Der Tumor hat Fernmetastasen gebildet.
M1a Metastasen in anderen Lymphknoten (nicht regionäre Lymphknoten).
M1b Metastasen in den Knochen.
M1c Metastasen in anderen Organen und/oder Strukturen.
Tumorstadien, in T4 ist die Ausbreitung über die Lymphknoten angedeutet
(Quelle: Terese Winslow, National Cancer Institute)
An der Einordnung in das TNM-Schema orientiert sich die Behandlung. Auch die Prognose kann unter Hinzuziehung
weiterer Parameter abgeschätzt werden.
Ein anderes Schema der Stadieneinteilung ist das nach Whitmore-Jewett (modifiziert nach Hopkins). Hier werden die Grade
A (mikroskopisches Karzinom, praktisch immer inzidentiell - entspricht T1), B (makroskopisch, auf die Prostata begrenzt entspricht T2); C (organüberschreitend, auf das kleine Becken begrenzt - entspricht T3/4M0) und D (mit Fernmetastasen entspricht T1-4M1) unterschieden. Dieses Schema wird im angloamerikanischen Raum bevorzugt, ist aber in Deutschland
nicht üblich.
Tumorgröße
Ein recht guter Prädiktor für die Entdifferenzierung, die lokale Invasion der Nachbarorgane und die Wahrscheinlichkeit der
Fernmetastasierung ist auch die Tumorgröße. Die „Schwelle der Kurabilität“, also die Größe des Tumors, bis zu welcher
man eine Behandlung mit der Zielsetzung der Heilung (kurative Behandlung) als möglich erachtet, wird bei 4 cm³ angesetzt.
Ist diese Schwelle überschritten, ist eine Heilung in der Regel nicht mehr möglich. Jedoch können auch durchaus kleinere
Tumore bereits metastasiert sein und sich somit einer kurativen Behandlung entziehen. [16]
Therapie
Die Säulen der Therapie sind die chirurgische Intervention, Strahlentherapie und Unterdrückung der Androgenproduktion
durch operative oder chemische Kastration.
Operation
Bei lokal begrenztem Prostatakarzinom (T1/2) und guter Konstitution ist die radikale Operation der Prostata, bei der
Prostata, Samenbläschen und die regionalen Lymphknoten entfernt werden, die klassische Methode. Diese so genannte
„radikale Prostatektomie“ kann auf drei unterschiedliche Arten durchgeführt werden:
als retropubische radikale Prostatektomie (RRP)
als radikale perineale Prostatektomie (RPP) durch Schnitt am Damm (zwischen After und Hodensack)
minimal-invasiv (laparoskopisch)
RRP und RPP werden extraperitoneal, also ohne Eröffnung der Bauchhöhle ausgeführt. Die RPP ist weniger zeitaufwändig
und mit geringeren Blutungen verbunden, aber der Zugang ist relativ schmal und die Lymphknoten können nicht mitentfernt
werden.
Gelingt es hierbei, den Tumor vollständig zu entfernen, ist eine Heilung möglich, und die Prognose des weiteren Verlaufes
ist günstig. Das Langzeitüberleben liegt zwischen 80 und 90 %, die intraoperative Mortalität unter 1 %. Die Risiken der
Operation sind in erster Linie die Gefahr der Stressinkontinenz in etwa 3 bis 5 % und die einer erektilen Dysfunktion durch
Verletzung von Ästen des Nervus pudendus in etwa 80 % der Fälle. Verletzungen des Nervus obturatorius, die im Rahmen
der Lymphknotenentfernung auftreten können, oder des Rektums sind selten. In 5 bis 20 % der Fälle kommt es, bedingt
durch die Lymphknotenentfernung, zu einer Lymphozele. Als Spätfolge tritt in 3 bis 5 % der Fälle eine Verengung der
Verbindungsstelle zwischen Harnröhre und Blase (Anastomose) auf, die so genannte Anastomosenstriktur.
Etliche Zentren bieten eine „nerverhaltende“ Operationsmethode (nach Patrick Walsh) an, bei der die kavernösen Nerven,
die in unmittelbarer Lagebeziehung zur Prostata verlaufen, geschont werden. Das Risiko der postoperativen erektilen
Dysfunktion kann damit auf 10 % (bei jungen Patienten) bis 50 % (bei älteren Patienten) gesenkt werden, ist aber signifikant
von der Erfahrung des Operateurs abhängig und birgt das Risiko einer zu wenig radikalen Ausräumung des Tumors. Es
erhöht sich damit das langfristige Risiko eines Lokalrezidives.
Strahlentherapie (Radiatio)
Solche „Seeds“ mit radioaktivem Material werden bei der Brachytherapie in die Prostata eingebracht
Ein Linearbeschleuniger, wie er bei der externen (perkutanen) Strahlentherapie zum Einsatz kommt
Eine durch viele Studien belegte gleichwertige und nebenwirkungsärmere Alternative ist bei lokal begrenztem
Prostatakarzinom die Bestrahlung. Die Strahlentherapie ist für verschiedene Gruppen von Patienten anwendbar, z.B. nach
Wiederauftreten eines operierten Tumors, bei metastasierten Tumoren oder auch als Konkurrenzmethode zur Operation. Sie
erfolgt entweder von außen (perkutane Strahlentherapie) oder durch „Spickung“ (Brachytherapie) (von griechisch brachy =
nah) der Prostata mit radioaktivem Material. Die perkutane Bestrahlung wird mittels Linearbeschleuniger durchgeführt. Bei
der Brachytherapie unterscheidet man zwischen der Implantation von „Seeds“ (radioaktiven Partikeln kurzer Halbwertszeit,
auch „Low-dose radiation brachy“, LDR-Brachytherapie genannt) und dem „Afterloading“ (High-dose radiation brachy“, HDRBrachytherapie), wobei für eine (mit einem speziellen Planungsprogramm über PC) vorausberechnete Zeit eine radioaktive
Quelle in Hohlnadeln, die in dem zu bestrahlenden kranken Gewebe stecken, eingeführt und anschließend wieder entfernt
werden. Die HDR-Brachytherapie kann sowohl mit der perkutanen Bestrahlung kombiniert als auch als alleinige
Monotherapie angewandt werden. Die LDR-Brachytherapie ("Seeds") kann nicht mit anderen Formen der Bestrahlung
kombiniert werden; diese Therapie stellt eine direkte Alternative zur Operation dar. Vorteile der Bestrahlung sind der Wegfall
des OP-Risikos und die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung. Nachteile sind Nebenwirkungen wie zeitweiliger Durchfall
und Verdauungsstörungen.[25][26]
Bei einer geringen Zahl von Patienten treten nach Strahlentherapie eines Prostatakarzinoms bleibende Schädigungen von
Darm (Radioproktitis, Radiocolitis) und Harnblase (Radiocystitis) auf. Auch ein Verlust der Gliedsteife (erektile Dysfunktion)
sowie eine Störung der Schließmuskelfunktion des Afters oder der Harnblase ist bei wenigen Patienten nach Bestrahlung
eines Prostatakarzinoms beobachtet worden.[27][28] Wenn zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Absiedelung in andere
Organe stattgefunden hat, ist die Erkrankung meist nicht mehr heilbar. Durch Strahlentherapie kann hier jedoch zumindest
die Ausbreitung des Krebses verzögert werden. Hier findet vor allem die Bestrahlung von Knochenmetastasen ihre
Anwendung, die gefährdete Knochenbezirke stabilisiert und somit erheblich zur Mobilität und Schmerzfreiheit bei Patienten
mit metastasierten Tumoren beiträgt.
Hochintensiver fokussierter Ultraschall
Ein seit zehn Jahren in Deutschland angewandtes Verfahren ist der hochintensive fokussierte Ultraschall. Die Methode
beruht darauf, dass die gesamte Prostata vom Enddarm aus mit gerichteten Ultraschallwellen erhitzt und das Karzinom
damit zerstört wird. Dazu wird der Schallkopf in das Rektum eingeführt. Die Behandlung erfolgt in einer Sitzung, der
Krankenhausaufenthalt beträgt nur drei bis fünf Tage. In mehreren Studien mit Nachbeobachtungszeiten von mittlerweile bis
zu zehn Jahren wurde die Effektivität und die Sicherheit des Verfahrens nachgewiesen. Die HIFU-Therapie wird von mehr
als 30 Zentren in Deutschland angewandt, die Behandlungskosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen
des DRG-Systems übernommen. Das Verfahren ist für Behandlungen sowohl unter kurativen als auch unter palliativen
Gesichtspunkten einsetzbar. Im Gegensatz zu strahlentherapeutischen Verfahren ist es im Rezidivfall wiederholbar, es stellt
also keine „therapeutische Sackgasse“ dar. Aufgrund der geringen Belastung für den Patienten, eignet sich HIFU besonders
auch für ältere Patienten sowie für die Patienten, die neben dem Krebs noch an weiteren schweren Erkrankungen leiden.
Androgensuppression
Eine Hormontherapie in Form eines Hormonentzuges kann hier als (reversible) chemische Kastration durch Gabe von
GnRH-Analoga oder - heute seltener - durch (irreversible) chirurgische Kastration (Orchiektomie) durchgeführt werden.
Dadurch sinkt der Testosteronspiegel auf rund 5 % ab. Da das Prostatakarzinom in vielen Fällen noch stark
testosteronabhängig ist, kommt es bei beiden Verfahren meist zu einem deutlichen Rückgang bzw. Stillstand der Krankheit,
so dass der Patient oft über Jahre wieder Ruhe hat. Im Gegensatz zur chirurgischen Kastration entsteht bei der chemischen
Kastration ein sogenanntes Flare up, ein wenige Tage dauernder stark beschleunigter Krankheitsverlauf, den man aber
durch die kurzzeitige Gabe von Antiandrogenen unterbinden kann und muss. Neuere Untersuchungen deuten bei
chirurgischer oder chemischer Kastration auf einen Überlebensvorteil bei Dauergabe von Antiandrogenen hin. Als
Nebenwirkungen bei beiden Kastrationsverfahren kann es unter anderem zu depressiven Zuständen, zu Anämie,
Muskelabbau und als Langzeitwirkung zu Osteoporose kommen, wobei bei Orchiektomie sowohl die psychischen
Belastungen durch die irreversible chirurgische Kastration als auch die Osteoporose durch das nicht gleichzeitig
supprimierte Hormon LH stärker in Erscheinung treten. Außerdem kommt es zur erektilen Dysfunktion, die meist als nicht
allzu schlimm empfunden wird, da auch die Libido nachlässt. Im Laufe der Therapie kann jedoch eine Hormonresistenz des
Prostatakarzinomes eintreten. Daher hat diese Methode der Behandlung einen palliativen und keinen kurativen Ansatz.
Chemotherapie
Die Chemotherapie galt beim Prostatakrebs lange als wenig wirksam. Einige Patienten (responder) mit metastasiertem
Prostatakarzinom können jedoch von einer Chemotherapie profitieren. Die Ansprechrate liegt bei etwa 20 %. Zumeist hat die
Chemotherapie ihren Platz bei der Behandlung des Tumorrezidivs und versagender Hormontherapie. Auch sie ist bisher rein
palliativ. Angewendete Therapeutika sind Cyclophosphamid, Doxorubicin (Adriamycin), 5-Fluoruracil, Suramin und andere,
für diese konnte jedoch bisher kein Überlebensvorteil gezeigt werden. In einer 2004 in der renommierten Zeitschreift New
England Journal of Medicine publizierten Arbeit konnte erstmals ein statistisch signifikanter Überlebensvorteil von median
2.5 Monaten für diejenigen Patienten nachgewiesen werden, welche alle 3 Wochen das Medikament Docetaxel erhielten.[29]
Immuntherapie
Ein völlig neuer therapeutischer Ansatz ist die „Impfung“ mit antigenpräsentierenden Zellen, die mit einem rekombinanten
Fusionsprotein (PA2024) beladen werden und die körpereigene Immunantwort stimulieren. Versuche finden derzeit mit
einigem Erfolg bei Patienten mit androgen-unabhängigem Prostatakarzinom statt. Diese Patienten konnten bisher nur
schwer behandelt werden, da sie auf eine Hormontherapie nicht ansprechen. Die meist gut verträgliche
immuntherapeutische Behandlung führte im Rahmen der Studien zu signifikanten Remissionen und zur Verlängerung der
Überlebenszeit.[30] Diese Behandlung ist in Deutschland noch nicht zugelassen.
Abwarten
Wenn bestimmte Faktoren vorliegen, kann die oben erwähnte wichtige Therapieoption des „Nichtstuns“ in Betracht kommen
(sog. Watchful waiting). Zu diesen Faktoren gehören das Alter des Patienten, der sonstige Gesundheitszustand und der mit
Methoden der DNA-Zytometrie gemessene so genannte Ploidiegrad. Je älter und je kränker der Patient und je „normaler“
der zytometrische Befund ist, desto eher kommt abwartendes Beobachten in Frage. Die Prognose ist dann unter Umständen
dieselbe - bei besserer Lebensqualität.[31]
Palliativtherapie
Im fortgeschrittenen Stadium, das keine kurative (heilende) Behandlung mehr erlaubt, können dennoch medizinische
Maßnahmen die Beschwerden lindern und die Lebensqualität auf einem passablen Niveau halten. Bisphosphonate wie
Zoledronat haben sich als wirksam erwiesen, um osteoporotische Veränderungen im Zuge der antiandrogenen Therapie
ebenso wie durch Skelettmetastasen hervorgerufene Frakturen zu reduzieren.[32] Zur Linderung der Knochenschmerzen
werden Opioide wie Morphin oder Oxycodon eingesetzt. Durch auf erkannte Knochenmetastasen gerichtete äußere
Bestrahlung können ebenfalls für einige Zeit die Schmerzen reduziert werden. Die Injektion bestimmter Radioisotope, wie
Strontium-89, Phosphor-32 oder Samarium-153, die sich in stoffwechselaktiven Knochenmetastasen anreichern, haben
einen ähnlichen Effekt.
Prognose und Auswirkungen auf die Lebenserwartung
Die Prognose des Prostatakarzinoms ist für ein bösartiges Geschwulst bzw. eine Krebserkrankung relativ günstig.
Zumindest im lokalisierten Stadium (es wird hier auch illustrierend vom „Haustierkrebs“ gesprochen) ist die Lebenserwartung
kaum verkürzt. Man nimmt an, dass letztlich weniger als ein Fünftel der an Prostatakrebs Erkrankten auch an ihm
versterben, also die Letalität weniger als 20 % beträgt. Grund hierfür ist die späte Manifestation und die zu diesem Zeitpunkt
meist bestehende Komorbidität. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass im lokalisierten Stadium die Prognose beim
Zuwarten nicht schlechter ist als bei sofortiger Therapie.[31] Die hohe Mortalität ist somit vor allem auf die auffallend hohe
Prävalenz im höheren Lebensalter zurückzuführen.
Das diagnosespezifische Fünfjahresüberleben nach Diagnosestellung liegt bei Tumoren, die auf die Drüse begrenzt sind, bei
80 bis 99 %.[33] Bei gestreuten Tumoren ist dieser Wert jedoch mit höchstens 35 % deutlich geringer.[34] Die Aussicht auf
Heilung (also darauf, alle Krebszellen zu zerstören) ist nur bei nicht metastasierten Karzinomen gegeben und dort unter
aggressiver Therapie recht gut: auf die Prostata begrenzte Karzinome können zu fast 90 %, die Organkapsel
überschreitende zu etwa 50 % definitiv geheilt werden.[35]
Zur genaueren Abschätzung der Prognose dienen die so genannten Partin-Tabellen.[36] Hier wird eine Kombination aus PSAWert, Gleason-Score und T-Stadium zur Prognoseeinschätzung herangezogen.
Die hier gemachten Aussagen gelten für das Adenokarzinom der Prostata. Die seltenen neuroendokrinen und kleinzelligen
Prostatakarzinome haben eine deutliche schlechtere Prognose mit einer Überlebenszeit von durchschnittlich einem Jahr.
Früherkennung
Nach der interdisziplinären Leitlinie von 2002[37] wird allen Männern ab 50 (bzw. ab 45 bei positiver Familienanamnese, also
bei betroffenen Familienangehörigen) zu einer jährlichen Vorsorgeuntersuchung durch einen Facharzt für Urologie geraten,
die neben der rektalen Tastuntersuchung der Prostata auch die Bestimmung des PSA-Wertes durch einen PSA-Test
beinhalten soll. Eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung der Prostata (TRUS für transrektalen Ultraschall) durch den After
ist nicht überall verfügbar und wird in Deutschland derzeit als allgemeine Früherkennungsmaßnahme nicht empfohlen.[5] Ist
eine dieser drei Untersuchungen auffällig, werden zur definitiven Diagnose mittels Biopsie, meistens durch Stanzbiopsie,
mehrere Gewebeproben entnommen. Die Stanzbiopsie ist auch bei völlig unauffälligem Tastbefund der rektal-digitalen
Untersuchung ab einem PSA-Wert von 4 ng/mL angezeigt.
Die Leitlinie zur Früherkennung wird aktuell neu erarbeitet. Ein Problem der bisherigen Empfehlungen wird im relativ
geringen positiv prädiktiven Wert (unter 20 %) der PSA-Bestimmung mit festem Schwellenwert gesehen; von der Einführung
eines eventuellen Anstieges im Vergleichszeitraum als Verdachtskriterium verspricht man sich eine höhere Effizienz und die
Vermeidung unnötiger Biopsien. Zudem geht die Tendenz dahin, festgestellte Karzinome zunächst zu beobachten und nur
bei zweifelsfreier Progredienz zu intervenieren. Zur Evaluierung verschiedener Vorsorge-Regimes laufen derzeit zwei große
Studien.[5]
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk (Ausstrahlung am 4. Januar 2006) wies Robert Allan Weinberg, Krebsforscher
am Whitehead-Institut für biomedizinische Forschung in Cambridge bei Boston, darauf hin, dass in den Vereinigten Staaten
sechsmal häufiger Prostatakrebs diagnostiziert werde als in Dänemark. Die Sterblichkeit sei in beiden Ländern jedoch gleich
hoch.[38]
Siehe auch: Screening
Geschichte
Die Vorsteherdrüse wurde zuerst von dem venezianischen Anatom Niccolò Massa im Jahr 1536 beschrieben. Die erste
Illustration veröffentlichte Andreas Vesalius zwei Jahre später. Trotzdem war das Prostatakarzinom bis 1853 unbekannt.[39]
Aufgrund der schlechten diagnostischen Optionen und der geringeren allgemeinen Lebenserwartung galt es im 19.
Jahrhundert als seltene Krankheit. Die ersten Orchiektomien waren schon um 1890 versucht worden, allerdings mit
bescheidenem Erfolg. Die ersten operativen Eingriffe an der Drüse selbst zielten auf Verbesserung des Wasserlassens bei
Harnröhrenobstruktion. So wurde die erste radikale Prostatektomie 1904 von Hugh Young im Johns Hopkins Hospital
durchgeführt.[40] Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die palliative transurethrale Resektion (via Harnröhre) zur Behebung der
Harnröhrenobstruktion eingeführt. Die radikale retropubische Prostatektomie wurde 1983 von Patrick Walsh entwickelt.
1941 veröffentlichte Charles Brenton Huggins seine Studienergebnisse, in denen er Östrogene einsetzte, um bei Patienten
mit inoperablem Karzinom die Testosteron-Produktion zu hemmen.[41] Die Entdeckung dieser „chemischen Kastration“
brachte ihm 1966 den Nobelpreis ein.
Die Strahlentherapie wurde im frühen 20. Jahrhundert entwickelt und bestand zunächst aus der Einpflanzung von RadiumImplantaten. Die perkutane Bestrahlung wurde seit Mitte des Jahrhunderts durchgeführt. Die erste Beschreibung der
Brachytherapie stammt aus dem Jahr 1983.
Veterinärmedizin
Bei Haustieren sind Prostatatumoren wesentlich seltener zu finden als beim Menschen. Bei Katzen sind bisher nur fünf Fälle
dieser Erkrankung beschrieben worden. Relativ am häufigsten erkranken Hunde. Hier sind etwa 0,2–0,6 % aller
Neubildungen Tumoren der Prostata. Unter den Neoplasien der männlichen Harn- und Geschlechtsorgane beim Hund liegt
der Anteil bei 6 %. Bevorzugt erkranken Hunde mittelgroßer bis großer Rassen mit einem Altersdurchschnitt von acht bis
zehn Jahren. Eine Kastration hat keinen Einfluss auf einen Rückgang der Erkrankungshäufigkeit; es gibt vielmehr Hinweise,
dass die Erkrankung bei kastrierten Rüden häufiger auftritt.[42] Die Erkrankung ist differentialdiagnostisch vor allem von der
wesentlich häufiger auftretenden gutartigen Prostatavergrößerung des Hundes abzugrenzen. Ein Tumor der Prostata ist
beim Hund fast immer eine bösartige Neubildung, in den meisten Fällen handelt es sich wie beim Menschen um
Adenokarzinome. Kastrierte Rüden weisen dagegen bei etwa 50 % der Fälle undifferenzierte Karzinome auf. Als weitere
bösartige Neoplasien sind Plattenepithelkarzinome, Übergangsepithelkarzinome und Leiomyosarkome sporadisch
beschrieben worden. Lediglich Einzelfälle stellen gutartige Fibrome, Adenome oder Leiomyome dar. Entsprechend ihrem
aggressiven Charakter liegen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in 70 bis 80 Prozent der Fälle bereits Metastasen vor. Die
Verschleppung der Tumorzellen erfolgt über die Lymphbahn und betrifft in 66 % der Fälle die Lunge. Dieser Verlauf scheint
bei kastrierten Rüden häufiger zu sein als bei intakten. Außerdem sind von Metastasen die Lymphknoten im Beckenbereich
sowie Leber, Milz, Herz, Nieren, entferntere Lymphknoten, Knochen und die Nebennieren betroffen.
Symptome, Diagnostik, Therapie
Sonografische Darstellung eines Prostatakarzinoms bei einem Hund. Von Pfeilen markierte Gebiete erhöhter Echogenität
kennzeichnen das tumoröse Gewebe. Z- Prostatazysten
Das klinische Erscheinungsbild der Erkrankung ist variabel. Kotabsatzstörungen wie Tenesmus oder Obstipation treten
wesentlich häufiger als Beschwerden bei der Miktion auf. Die Neubildung kann Schmerzsymptome im Bereich der
Hinterhand hervorrufen, die bei Metastasierung in die Wirbelsäule hinein sogar als Lähmungen imponieren können. Auf
rektale Palpation treten in einigen Fällen Schmerzhaftigkeiten auf. Eine Vergrößerung des Organs ist jedoch nicht in allen
Fällen nachweisbar. Im Urin lassen sich in zwei Dritteln der Fälle Anzeichen für eine Entzündung oder eine Einblutung
nachweisen. Tumorzellen selbst werden hier allerdings nur selten gefunden. Eine Verwendung der humanmedizinischen
Marker Saure Phosphatase und Prostataspezifisches Antigen ist umstritten, zumal die humanmedizinischen Tests beim
Hund nicht angewendet werden können.
Im Röntgenbild können bei Metastasierung in den betroffenen Organen häufig Veränderungen nachgewiesen werden. Die
Prostata selbst ist häufig vergrößert und weist Verkalkungsherde auf. Im Ultraschall ist neben einer Vergrößerung des
Organs häufig eine erhöhte Echogenität und in einigen Fällen das Vorhandensein von Zysten nachweisbar. Die definitive
Diagnose erfolgt mittels einer transabdominalen oder transrektalen Prostatabiopsie und anschließender pathohistologischer
Untersuchung. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Durchführung einer Kathetersaugbiopsie, bei welcher mittels eines
Harnröhrenkatheters aus dem Bereich der Prostata Zellen angesaugt werden.
Da die meisten Hunde mit einem Tumor der Prostata erst beim Vorliegen von Metastasen vorgestellt werden, ist die
Prognose in den meisten Fällen von vornherein ungünstig. Früherkennungsmaßnahmen wie z. B. PSA-Tests werden
gegenwärtig noch nicht angeboten. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung liegt bei drei Monaten. Eine
chirurgische Entfernung der Prostata ist durch die meist große Ausdehnung des Tumors oft nicht möglich. Bei intakten
Rüden wird die Überlebenszeit auch durch eine Kastration oder die Gabe von Antiandrogenen nicht verbessert. Auch
verschiedentlich getestete Chemotherapieprotokolle oder Strahlentherapien verbesserten die Prognose nicht nachweislich.
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