4. Zünd- und Löschvorgänge in homogenen Systemen - Zeitabhängige Verbrennungsprozesse, - keine räumlichen Gradienten → keine Transportprozesse wie Diffusion, Wärmeleitung - Bilanz zwischen instationären Termen und Reaktionstermen Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung reaktionskinetischer Vorgänge Einfluss der exothermen Wärmeentwicklung auf die Reaktionskinetik, Selbstbeschleunigung des Verbrennungssystems → Theorie der thermischen Explosion → Theorie der Explosion durch Kettenverzweigung 4-1-1 4.1 Explosionen in geschlossenen Systemen 4.1.1 Grundgleichungen für die homogene Verbrennung bei konstantem Volumen Geschlossener Behälter mit homogenem, zündfähigen Gemisch. (räumlich konstanter Druck, räumlich konstante Temperatur und Zusammensetzung) Wärmezufuhr von außen bis zur Selbstzündung, danach adiabate Bedingungen. Werden Reibungsvorgänge und andere Wandeinflüsse vernachlässigt, werden auch nach der Selbstzündung keine Strömungsvorgänge in Gang gesetzt. 4.1-2 Mathematische Beschreibung 1. Hauptsatz für geschlossenes System keine Zufuhr von Reibungsarbeit (z.B. durch Rührwerk), isochorer Prozess, nach der Selbstzündung ist das System adiabat: bzw. 4.1-3 Die Konzentrationsgleichungen können mit umgeschrieben werden in Differentialgleichungen für die Massenbrüche: Dabei ist genutzt worden, dass die Dichte konstant ist. 4.1-4 Definition der spezifischen inneren Energie eines Gemisches: Folgt für ihr vollständiges Differential: Da konstantes Volumen vorausgesetzt ist, lassen sich die spezifischen Wärmekapazitäten der Komponenten und eine gemittelte Wärmekapazität einführen: Daraus folgt die Temperaturgleichung: 4.1-5 Die rechten Seiten der Temperaturgleichung beschreiben die Wärmefreisetzung durch die chemischen Reaktionen. Die freigesetzte Wärme kann als Summe über das Produkt aus spezifischer innerer Energie und der Produktionsdichte der einzelnen Komponenten oder als Produkt der freiwerdenden Reaktionsenergie mit den Reaktionsgeschwindigkeiten der einzelnen Reaktionen geschrieben werden: 4.1-6 Durch das Gleichungssystem wird die homogene Verbrennung bei konstantem Volumen vollständig beschrieben, wenn die Zusammensetzung des Gemisches und die Temperatur zu Beginn gegeben ist → Anfangsbedingungen. 4.1-7 Beispiel: Zeigen Sie, dass sich die molare Reaktionsenergie Reaktionsenthalpie nur durch von der molaren unterscheidet. Lösung: Die molare Reaktionsenergie ist durch Wegen definiert. folgt mit sofort der gesuchte Zusammenhang: Bei äquimolaren Reaktionen ist und daher . 4.1-8 4.1.2 Theorie der thermischen Explosion unter adiabaten Bedingungen Geschlossener, adiabater Behälter mit homogenem, brennbaren Gemisch. Die bei Reaktionsvorgängen freiwerdende Wärme wird die Temperatur erhöhen und eine Beschleunigung der Reaktionen bewirken. Als Resultat dieser positiven Rückkopplung wächst der chemische Umsatz nach kurzer Zeit rapide an. Unter vereinfachenden Annahmen für die Reaktionsgeschwindigkeit kann die Zeit berechnet werden, bei der die Temperatur einen bestimmten Grenzwert überschreitet → Zündverzugszeit. 4.1-9 Ausgangspunkt: Globalreaktion für Brennstoff und Sauerstoff mit der Reaktionsgeschwindigkeit: Massenbruchgleichungen: Temperaturgleichung: 4.1-10 Annahmen: Die molare Reaktionswärme (-Δum) und die spezifische Wärme cv seien konstant. Dann besteht zwischen den Massenbrüchen und der Temperatur eine einfache Kopplungsbeziehung: Anfangsbedingungen: Integral der Kopplungsbeziehung: 4.1-11 Entwicklung für kleine Abweichungen von der Anfangstemperatur und – zusammensetzung: Mit dem dimensionslosen Störparameter ε werden neue Variablen y und z definiert, die von der Größenordnung sein sollen. Die integrierte Kopplungsbeziehung liefert dann den Zusammenhang: Der Störparameter wird aus der Problemstellung bestimmt. 4.1-12 Der Exponentialterm in der Temperaturgleichung lässt sich mit der Taylorentwicklung schreiben als: Da der Störparameter klein sein soll, wird also der Fall sehr großer Akivierungsenergie betrachtet: 4.1-13 Mit lautet die Temperaturgleichung für große Aktivierungsenergie: Im Grenzfall ε → 0 entfallen die Störungen der Massenbrüche, der Stoffverbrauch ist vernachlässigbar: 4.1-14 In dieser Gleichung haben die Terme vor dem letzten Exponentialausdruck die Dimension einer reziproken Zeit. Diese lässt sich als → Zündverzugszeit ti interpretieren: Damit lautet die Gleichung für die dimensionslose Temperatur mit der Lösung: 4.1-15 In dieser Gleichung haben die Terme vor dem letzten Exponentialausdruck die Dimension einer reziproken Zeit. Diese lässt sich als → Zündverzugszeit ti interpretieren: Damit lautet die Gleichung für die dimensionslose Temperatur mit der Lösung: 4.1-15 Beispiel: Leiten Sie aus der Differentialgleichung die Lösung her. Lösung: Durch Einführung der neuen Variable wird die Differentialgleichung lienear und lässt sich mit den Randbedingungen sofort integrieren zu: 4.1-16 Eingesetzt in die Definition folgt für die Temperatur: Die Temperatur wächst mit y sehr stark an, wenn sich die Zeit der Zündverzugszeit annähert. Die gefundene Lösung ist jedoch nur solange gültig, solange die Temperatur nur wenig von der Anfangstemperatur abweicht. 4.1-17 Aktivierungsenergien von Bruttoreaktionen aus Messungen der Zündverzugszeiten, ermittelt auf Grundlage einer Eintragung der Zündverzugszeit in ArrheniusDiagrammen (log ti oder ln ti über 1/T0 ). Beschrieben wird durch diese Aktivierungsenergien die Selbstzündung bei relativ o tiefen Temperaturen um 1000 C. Die nachfolgende Verbrennung kann durch niedrigere Werte der Aktivierungsenergien beschrieben werden (Kettenverzweigung). 4.1-18 Berücksichtigung von Wärmeverlusten Um Wärmeverluste in dieser Theorie zu berücksichtigen, wird in der Temperaturgleichung Ein volumetrischer Wärmeverlust eingeführt: Darin ist tq die charakteristische Zeit des Wärmeverlustes insbesondere durch konvektiven Wärmeübergang zu den Wänden und durch Strahlung. Dabei muss eine gute Durchmischung des Reaktors gegeben sein, um räumliche Inhomogenitäten schnell auszugleichen. Offensichtlich liegt ein linearer Ansatz für den Wärmeübergang vor. 4.1-19 Trägt man den Wärmeverlust zusammen mit der rechten Seite der Temperaturgleichung ohne Wärmeverluste in ein Diagramm, können drei Fälle unterschieden werden: a) kein Schnittpunkt Die durch die Reaktion erzeugte Wärme ist stets größer als der Wärmeverlust, es kommt zur Explosion. b) ein Berührpunkt Der Wärmeverlust kann nie größer als die Wärmeentwicklung durch die chemische Reaktion werden. Nach unendlich langer Zeit stellt sich, wenn man den Stoffverbrauch vernachlässigt, eine stationäre Lösung am Berührpunkt ein. 4.1-20 c) zwei Schnittpunkte Die Temperatur wächst zunächst an, bis der erste Schnittpunkt der beiden Kurven erreicht ist. Den Stoffverbrauch unberücksichtigt gelassen, stabilisiert die Temperatur sich dort, der obere Schnittpunkt ist instabil. Wegen des Stoffverbrauch kann die abgegebene Wärme aber nicht für immer nachgeliefert werden. Der Reaktor kühlt auf lange Sicht aus. 4.1-21 Führt man die asymptotische Entwicklung für den Reaktor mit Wärmeverlust durch, ergibt sich die Differentialgleichung aus der sich formal eine Induktionszeit bei Wärmeverlusten ti,q als Lösung des Integrals ableiten lässt. 4.1-22 Beispiel: Ermitteln Sie die Induktionszeit ti,q auf der Grundlage von für einen Wert von α, der geringfügig kleiner ist, als derjenige, der den Schnittpunkt im Fall b) ergibt. Lösung: Im Fall b) gelten im Schnittpunkt der beiden Kurven für die stationäre Lösung die beiden Beziehungen und . Daraus folgt z = 1 und α = e. Für einen geringfügig kleineren Wert von z und α kann man schreiben, wobei ε wieder einen kleinen Parameter darstellt. 4.1-23 Die Auswertung des Integrals liefert mit In der Nähe von α = e steigt daher das Verhältnis der Induktionszeiten mit und ohne Wärmeverlust stark an. 4.1-24 4.1.3 Explosionsgrenzen bei der Wasserstoff-Oxidation Bei der vereinfachenden Annahme einer einzigen exothermen Reaktion ergibt sich unter adiabaten Bedingungen stets eine Explosion. Die Verhältnisse bei realen chemischen Reaktionen sind demgegenüber komplizierter. 4.1-25 Die Kurve enthält drei Äste: Sind ursprünglich nur die stabilen Komponenten H2 und O2 vorhanden, müssen zunächst bei niedrigen Temperaturen durch Und die anschließende Dissoziation o OH -Radikale gebildet werden. 4.1-26 Der trimolekulare erste Schritt ist mit einer Aktivierungsenergie von 212 kJ/mol verbunden. Er wird durch höhere Temperatur und höheren Druck beschleunigt. Bei niedrigen Temperaturen und Drücken ist die Radikal-Produktion so gering, dass sie an den Wänden des Reaktionsgefäßes noch vor dem einsetzenden Kettenverzweigungsvorgang rekombinieren. Hinreichend hohe Drücke und Temperaturen sind notwendig, um der Kettenverzweigung einen Vorteil zu verschaffen. Es kommt zur Überschreitung der unteren Explosionsgrenze. Als Parameter geht das Oberflächen-Volumen-Verhältnis des Gefäßes in die Festlegung der Grenze ein. Die negative Steigung der Explosionsgrenze zeigt, dass bei niedrigeren Temperaturen ein höherer Druck erforderlich ist. 4.1-27 Die mittlere Explosionsgrenze wird durch die Konkurrenz zwischen der Kettenverzweigungsreaktion und der Reaktion erklärt. Die zweite Reaktion wirkt zusammen mit der Folgereaktion als Kettenabbruch. Dieser Kettenabbruch läuft bei höheren Drücken relativ schneller ab, als die Kettenverzweigung, so dass bei konstanter Temperatur mit wachsendem Druck eine Explosion nicht mehr möglich ist. 4.1-28 Die Reaktionsgeschwindigkeit der Kettenverzweigungsreaktion steigt mit der Temperatur an, die Kettenabbruchreaktion ist dagegen nahezu temperaturunabhängig. Daher macht sich die Konkurrenz zwischen beiden erst bei höherem Druck bemerkbar. Die Grenzkurve besitzt daher eine positive Steigung. o Oberhalb 200-1000 Torr und bei Temperaturen bis 580 C existiert ein Gebiet, in dem keine Explosion stattfindet. Die mittlere Explosionsgrenze ist nicht vom Oberflächen-Volumen-Verhältnis des Gefäßes abhängig. 4.1-29 Erhöht man bei konstanter Temperatur weiterhin den Druck, wird die obere Explosionsgrenze überschritten. Bei höheren Drücken wird der Anteil der Radikale, die an der Wand rekombinieren, gegenüber denen, die im Gasvolumen gebildet werden, vermindert. Dann kann die Reaktion zusammen mit wieder zur Kettenverzweigung führen. Die obere Explosionsgrenze ist wieder vom Oberflächen-Volumen-Verhältnis des Gefäßes abhängig. 4.1-30 4.1.4 Zündung von Wasserstoff-Sauerstoff-Gemischen Um den Unterschied zwischen Kettenverzweigung und Kettenabbruch zu analysieren, soll der vereinfachte Mechanismus für die Zündung von Wasserstoff-Sauerstoff-Gemischen oder Wasserstoff-LuftGemischen betrachtet werden. 4.1-31 Die Reaktionen 2 und 3 o o seien sehr schnell, wodurch O und OH in stationärem Zustand sind. Daher lassen sich die ersten drei Reaktionen zur Bruttoreaktionen I zusammenfassen: o Die Bilanzgleichung für das H -Radikal lautet: 4.1-32 Während der ersten Phase der Reaktion können die Temperaturerhöhung vernachlässigt und die Konzentrationen von H2 und O2 als konstant angenommen werden. Geeignete dimensionslose Variable für das Problem sind: Der Effektivitätsfaktor z5 ist gegeben durch: 4.1-33 Für die dimensionslose Konzentration c erhält man die Bilanzgleichung mit der Anfangsbedingung: Die Lösung lautet: o Die Zunahme des H -Radikals ist exponentiell für κ < 2, linear für κ = 2 und erreicht einen stationären Grenzwert für κ > 2. 4.1-34 Anders als für die Explosionstheorie auf Basis einer Globalreaktion kann durch die hier gefundene Lösung keine Zündverzugszeit definiert werden. Die Bedingung κ = 2 als Grenzlösung zwischen exponentiellem Wachstum und stationärem Verhalten fur große Zeiten definiert eine “Cross-over-temperature Tc” zwischen der ersten und fünften Reaktion, definiert durch: Die Druckabhängigkeit der Temperatur ist als gestrichelte Linie im p,T-Diagramm eingetragen. 4.1-35 Unterhalb der cross-over-temperature Tc dominiert die Kettenabbruchreaktion 5 im Vergleich zur Kettenverzweigungsreaktion 1: Die numerisch errechnete Zündverzugszeit als Funktion der Temperatur für zwei Elementarmechanismen aus 17 Reaktionen bzw. 8 Reaktionen und dem vereinfachten Drei-Schritt-Mechanismus aus Reaktione I, 5 und 7b zeigt das Bild. Die Zündverzugszeit steigt bei dem Druck von 0,1 bar im Bereich von 1500 K bis etwa 800 K zunächst langsam an, bei der Crossover-temperature von 790 K steigt sie stark zu sehr großen Werten an, wodurch eine Selbstzündung in technischen Systemen praktisch unmöglich ist. 4.1-36 4.1.5 Explosionsgrenzen bei der Kohlenwasserstoff-Oxidation Abgesehen von Methan können Kohlenwasserstoffe schon bei Temperaturen von o 300 – 400 C mit Sauerstoff eine Kettenreaktion auslösen. Man erkennt das für höhere Kohlenwasserstoffe typische NTC-Gebiet (negative temperature coefficient), in dem die Steigung der Zündverzugszeit negativ ist. Reguläres Verhalten zeigen die Zweige der Niedertemperatur- und der Hochtemperaturzündung. 4.1-37 Niedertemperaturkinetik Ausgehend von dem zu oxidierenden Kohlenwasserstoff RH (n-Heptan RH = C7H16) wird mit O2 nach o ein erstes Radikal R gebildet. o o Wenn bereits HO2 - und OH Radikale vorhanden sind, wird RH nach abgebaut. Wegen dieser schnellen Reaktionen bleiben die Radikalkonzentration klein, solange noch Brennstoff existiert. 4.1-38 o Das R -Radikal reagiert im Niedertemperaturbereich mit O2 zum Peroxyl RO2 o o das zum Hydroperoxid R´OOH über umstrukturiert wird. Mit O2 kann dies zu reagieren, das in HOOR´´OOH umgewandelt wird und mit o zum Ketohydroperoxid o o HOOR´´O zerfällt. Das OH Radikal reagiert in einer neuen Kette sofort mit dem Brennstoff. 4.1-39 o o Das Ketohydroperoxid HOOR´´O ist relativ stabil. Mit einer zweiten OH o Abstraktion und einer Umwandlung zum Carbonyl-Radikal OOR´´O nach beginnt eine neue Kettenverzweigung, die den Brennstoff langsam abbaut. Der NTC-Bereich ist durch eine Zwei-Stufen-Zündung gekennzeichnet. Bei der ersten Stufe läuft die Reaktionskette, wie vorstehend beschrieben, sehr o schnell bis zum Ketohydroperoxid HOOR´´O ab. Danach erfolgt in der zweiten Stufe eine langsame Phase, in der der Brennstoff abgebaut wird. 4.1-40 Bei höheren Temperaturen wird dieser Weg nicht beschritten. Statt dessen o zerfällt das R -Radikal in kleinere Bruchstücke, die anschließend oxidiert werden und ebenfalls zur Kettenverzweigung führen. 4.1-41