Hypophysierung von Aquarienkarpfen und künstliche

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Theoretical and Applied Genetics 38,
47—51
(1968)
Hypophysierung von Aquarienkarpfen und künstliche
Laicherbrütung als Methode zur Züchtung neuer Karpfenrassen*
CH. MESKE, E . WOYNÄROVICHS H . KAUSCHS BARBARA LÜHR und W . SZABLEWSKI
Max-Planck-Institut für Kulturpflanzenzüchtung, Hamburg-Volksdorf
Hypophyseal Injections for Aquarium Carp and Artificial Spawning as a Method for Breeding new
Races of Carp
Summary. A m e t h o d of raising and multiplying carp is reported w h i c h makes a faster establishment of new
breeds possible.
Carp (Cyprinus carpio) raised in aquaria and fed on dry food reached m a t u r i t y already after t w o years. Pituitary injections m a k e it possible to o b t a i n roe and m i l t from such fish.
Fertilization, hatching, and raising of t h e y o u n g are also performed under laboratory conditions.
There is no endogenous sexual r h y t h m in carp, for spawning can be accomplished a t a n y t i m e of t h e year, and
several t i m e s annually using t h e same parents. The m e t h o d of artificially obtaining and hatching spawn is described. It is suitable for breeding and physiological experiments.
A comparative analysis of t h e physiological dynamics in eggs, y o u n g fish, and adults is considerably simplified
for the physiologist interested in m e t a b o l i s m , and t h e breeder can reach his goals more rapidly because of the shortened generation time.
Ein grundlegender Unterschied aller züchterischen
Arbeiten mit Fischen gegenüber der übrigen Tierzucht liegt in der Tatsache, daß bei den Fischen eine
äußere Besamung stattfindet. In der herkömmlichen
Fischzucht — speziell der Karpfenzucht — liegt
hierin der Nachteil, daß es fast stets mehrere Männchen sind, die den Laich eines Weibchens befruchten.
Die gezielte Paarung bestimmter Elterntiere bereitet
beim Karpfen erhebliche Schwierigkeiten. Es soll
daher hier über eine Methode berichtet werden, die
die züchterische Bearbeitung des Karpfens erleichtert, und zwar durch die Möglichkeit der gezielten
Züchtung durch Kreuzung von Einzelindividuen als
auch durch Verkürzung der Generationenfolge.
Der Karpfen [Cyprinus carpió) erreicht in Mitteleuropa seine Geschlechtsreife im weiblichen Geschlecht frühestens im vierten Jahr, doch wird er
kaum vor dem fünften Lebensjahr zur Vermehrung
und Zucht benutzt. Die Männchen (Milchner) sind
ein Jahr früher geschlechtsreif. Die Eireifung beginnt
in der Regel nach Ablauf des dritten Sommers, also
bei K3, und ist im Frühjahr, meist Ende Mai, des
darauffolgenden Jahres abgeschlossen. Vorbedingung
dafür ist eine gute Startkondition der Fische, das
ausreichende Angebot essentieller Aminosäuren in der
Nahrung und möghcherweise auch eine bestimmte
Lichtmenge. Man unterscheidet 5 Reifestadien der
Eientwicklung. Bis einschließlich dem 4. Stadium,
dem Abschluß der Dottereinlagerung, erfolgt der
Reifungsprozeß bei normalen Umweltbedingungen
automatisch (SuwoROW 1948). Nach Eintritt des
4. Reifestadiums suchen die Tiere geeignete Laichplätze auf, wo die Männchen die Weibchen zu treiben
beginnen. Der damit verbundene Komplex äußerer
Reize (bewachsener flacher Laichplatz — dadurch
* Herrn Prof. Dr. R. v. S E N G B U S C H zum 7 0 . Geburtst^-g gewidmet.
^ Zoologisches Institut der Universität, Debrecen
(Ungarn).
^ Limnologisches Institut der Universität Freiburg,
Falkau, Schwarzwald.
möglicherweise taktile Reizungen, Temperaturanstieg, Gegenwart der Milchner usw.) stimuliert die
Hypophyse, deren Hormon etwa 2 bis 3 Stunden
nach Beginn des Treibens über die Blutbahn die
weitere Eireifung in Gang setzt und schließlich nach
Erreichen des 5. Reifestadiums, der Befruchtungs-*
reife, das Ablaichen ermöglicht ( W O Y N Ä R O V I C H 1953).
Die Physiologie des gesamten Reifungsvorganges ist
jedoch noch nicht genügend aufgeklärt.
Die übliche Vermehrung und Zucht der Karpfen
in der Teichwirtschaft birgt eine Anzahl von Nachteilen. Einmal ist es die eingangs erwähnte praktische Undurchführbarkeit einer gezielten Züchtung
durch Paarung von ausgewählten Einzelindividuen,
da zu einem erfolgreichen Laichspiel stets 2 bis 3
Milchner für einen Rogner als notwendig angesehen
werden ( W U N D E R I966). Zum anderen ist es die
Abhängigkeit von den schwankenden Umweltbedingungen, besonders von der Wassertemperatur, die
den Nutzfischzüchter im Gegensatz zu Säugetier- und
Geflügelzüchtern in der Durchführung planmäßiger
Züchtungsarbeiten behindert. In Norddeutschland
z. B. schritten infolge der kühlen Witterung in den
letzten Jahren die Karpfen oft überhaupt nicht zur
Paarung. In anderen Jahren laichen die Fische oft
so spät, daß die Brut mit Untergewicht in die Überwinterung geht, wodurch die Winterausfälle erhöht
werden. Schließlich sind es Schädigungen der Brut,
die in den Teichen durch Bakterien, Parasiten oder
Abwässer auftreten und den Erfolg der Arbeit beeinträchtigen.
Die künstliche Laichgewinnung unter Laboratoriumsbedingungen in Verbindung mit einer kontrollierten Aufzucht sowohl der Elterntiere als auch
der Brut mußte daher das Ziel sein, das die Individualauslese schnellwüchsiger Exemplare und die
Aufzucht grätenloser Mutanten erlaubt sowie Inzucht
und Heterosiszüchtung ermöglicht.
Aufbauend auf die oben beschriebenen endokrinen
Vorgänge während des Laichspiels wurden schon
früher Untersuchungen über die Bedeutung der
48
CH. MESKE, E . WOYNÄROVICH, H . KAUSCH,
B A R B A R A L Ü H R und W . S Z A B L E W S K I :
Hypophyse für die Eireifung durchgeführt u n d Arbeiten zur gezielten Beeinflussung dieser Vorgänge
versucht. Hypophysenexstirpation h e m m t sowohl
den E i n t r i t t der Geschlechtsreife als auch die Gonadenreifung in d e n jährlichen Fortpflanzungszyklen.
Man kennt zwei Hormone a u s der Meso-AdenoHypophyse der Fische, die in Testversuchen ähnliche
Wirkungen zeigen wie d a s Luteinisierungshormon
u n d das FoUikelhormon aus dem Hypophysenvorderlappen der Säuger. Offenbar sind aber die gonadotropen Hormone der Fische m i t denen der Säuger
strukturell nicht völlig identisch. Dennoch lassen sich
bei der praktischen Anwendung dieser, noch recht
geringen Kenntnisse gute Erfolge erzielen. Bereits
IHERING
(4935) gelang es, durch Injektion einer
Hypophysenaufschwemmung verschiedene Arten aus
der Familie der Characiniden z u m Ablaichen zu
bringen. H a t t e n die Tiere v o r der Injektion ein
bestimmtes Reifestadium erreicht, so laichten sie
danach innerhalb 24 Stunden im Aquarium a b .
G E R B I L S K I (1941, 1951) ü b e r n a h m diese Methode und
w a n d t e sie erstmals in der praktischen Fischerei bei
Acipenseriden a n . Sie erwies sich auch für den
Karpfen als b r a u c h b a r u n d wurde v o n W O Y N Ä R O V I C H (1961, 1964) verbessert
u n d b e k a n n t gemacht.
Versuche m i t anderen Fischarten u n d
mit käuflichen H o r m o n p r ä p a r a t e n , besonders Choriongonadotropinen, h a t t e n unterschiedlichen, z u m
Teil guten Erfolg ( A N W A N D I963, A T Z and P I C K F O R D
(lit.) 1964, M I T T E R S T I L L E R u n d H A M O R 196I, M O R O so W A 1936, S T E F F E N S 1956, 1957a u n d b).
U m die Züchtung leistungsstarker Karpfenrassen
durchzuführen u n d besonders u m die Züchtung eines
zwischenmuskelgrätenfreien Karpfens zu ermöglichen
Theoret, AppL
Genetics
leichten Druck hin gaben sie Sperma-Tropfen ab. Es
erwies sich als zweckmäßig, laichreife Tiere nach Geschlecht getrennt zu halten.
Trotz der ungewöhnHchen Jahreszeit — die normale Fortpflanzungszeit der Karpfen ist der F r ü h h n g
— u n d t r o t z des geringen Alters der Fische untern a h m e n wir bei mehreren dieser Karpfen Hypophysierungs versuche.
Die verwendeten Karpfenhypophysen v o n dreiu n d mehrjährigen Tieren, waren nach Acetonbehandlung trocken aufbewahrt worden. Die benötigten H y p o p h y s e n wurden im Mörser zu Pulver zermahlen u n d m i t 0,3 m l physiologischer Kochsalzlösung u n d 0,2 m l Glyzerin je Hypophyse aufgeschwemmt. Die weiblichen Tiere erhielten 1 Hypophyse je k g Körpergewicht, die Männchen eine
Hypophyse i. m . J e k g Rogner wurden also 0,5 ml
u n d je Milchner ebenfalls 0,5 m l Hypophysenaufschwemmung injiziert.
Vor der Behandlung wurden die Karpfen mit
MS 222 (Sandoz) narkotisiert, u n d zwar in einem
0,006%igen MS 222-Bad für ca. 2 Minuten. Anschließend erfolgte die Injektion tief intramuskulär
mit einer nicht zu kleinen Nadel. Beim Injizieren
achteten wir darauf, d a ß die Aufschwemmung gut
vermischt blieb, d a sich d a s Hypophysenpulver
leicht absetzt. Die Injektionsnadel wurde unterhalb
des ersten Strahles der Rückenflosse kräftig eingestoßen. U m beim Zurückziehen d e r Nadel ein
ZurückfHeßen der Hypophysenaufschwemmung zu
verhindern, blieb der Zeigefinger auf d e r Einstichstelle liegen u n d massierte leicht, bis sich die Flüssigkeit verteilt h a t t e .
Gegen ein vorzeitiges Verstreuen des Laiches vern ä h t e n wir nach der Injektion die Geschlechtsöffnung
1967), entwickelten wir ein Verfahren zur kontrollierin F o r m eines Kreuzes m i t einem Zwirnsfaden m i t
baren Aufzucht v o n Karpfen u n t e r LaboratoriumsHilfe einer chirurgischen Nadel. D a beim Vernähen
bedingungen (v. S E N G B U S C H , M E S K E u n d S Z A B L E W S K I
gleichzeitig d e r After verschlossen wird, m u ß darauf
1965). Bei W a r m Wasserhaltung unter ständiger
geachtet werden, d a ß die Karpfen ca. 24 Stunden
Durchströmung der Versuchsbecken ließen sich auf
vorher nicht gefüttert werden. D e r D a r m soll leer
engstem R a u m ganzjährige Gewichtszunahmen ersein.
reichen (v. S E N G B U S C H , M E S K E , S Z A B L E W S K I u n d
Wir kennzeichneten die behandelten Milchner u n d
L Ü H R 1967).
Rogner mit verschiedenfarbigen, numerierten K u n s t Nach einem Lebensjahr konnte d a s Gewicht von
stoffmarken, die hinter dem ersten Strahl der Rückendreijährigen Freilandkarpfen erzielt werden (v. S E N G flosse eingezogen wurden.
B U S C H , L Ü H R , M E S K E u n d S Z A B L E W S K I 1966).
Nach d e m Vernähen der Geschlechtsöffnung ist
Bei fast ausschließlicher Tro.ckenfutterernährung
eine T r e n n u n g der Karpfen nach Geschlecht nicht
wurde die Geschlechtsreife der im Aquarium aufmehr notwendig. E s k a n n im Gegenteil angenommen
gezogenen Karpfen erreicht.
werden, d a ß durch d a s Treiben der Männchen die
F ü r die Durchführung v o n HypophysierungsverLaichwilligkeit der Rogner gefördert wird.
suchen verwendeten wir in erster Linie eine Gruppe
Das Reifestadium d e r Karpfen ist erreicht, wenn
von Karpfen, die wir i m November I964 als E i n sömmerige m i t einem durchschnittlichen Stückge- die Milchner die Rogner zu treiben beginnen. Die
wicht von nur 10 g in die Aquarienhaltung genommen Tiere schwimmen Kopf a n Kopf im Behälter u n d
h a t t e n . Diese Tiere h a t t e n nach einem J a h r Aqua- schnellen bei ihrem Liebesspiel oft aus dem Wasser.
rienhaltung bei einer ganzjährig konstanten Wasser- E s ist deshalb ratsam, die Hälter abzudecken. Gut
t e m p e r ä t u r von 23 °C 800 g Stückgewicht erreicht geeignet dafür sind mit Kunststoffgeflecht bespannte
u n d wogen bei der ersten Hypophysierung im August Holzrahmen.
1966 im Durchschnitt 2000 g. Sie waren zu diesem
Die Tiere fängt m a n am besten mit der H a n d aus dem
Zeitpunkt zwei J a h r e alt. Die Tiere zeigten bereits Behälter, d a sie d a s Fangen m i t d e m Kescher stark
alle Anzeichen der Geschlechtsreife: Die Weibchen beunruhigt u n d dadurch Geschlechtsprodukte u n (Rogner) wiesen einen angeschwollenen Bauch auf, nötig verstreut werden können. Bei weibHchen Tieren
der Geschlechtsporus war rötlich u n d hervorstehend. umfaßt m a n Kopf u n d Geschlechtsöffnung gleichDie Milchner zeigten zum großen Teil den typischen zeitig. Dieser Griff beruhigt die Tiere so, d a ß m a n
Laichausschlag, warzighöckerige Erhebungen der sie mühelos aus d e m Wasser heben k a n n . D a s A b H a u t , besonders a n Kopf u n d Nacken. Bereits auf
streifen erfolgte bei den von uns behandelten Karpfen
(v.
S E N G B U S C H 1963,
1967,
v.
S E N G B U S C H und
MESKE
Vol. 38. No. 1I2
Hypophysierung von Aquarienkarpfen und künstliche Laicherbrütung
im allgemeinen ca. 16 Std. nach der Hypophysierung.
Die Tiere gaben dann reifen Rogen und Milch ab.
Nach sorgfältigem Abtrocknen des Karpfens wurde
der Faden, mit dem die Geschlechtsöffnung vernäht
worden war, durchschnitten. Der Rogen floß nun
bei leichtem Massieren des Bauches in eine bereitgehaltene Kunststoffschüssel. Anschließend wurde
sofort ein Milchner herausgefangen u n d die Milch
mittels eines Spermasaugers abgesaugt. Hierfür eignet sich ein kalibriertes Zentrifugenröhrchen mit
doppelt durchbohrtem Stopfen. Durch die Stopfenlöcher ragen zwei ungleich lange Glasröhrchen in das
Zentrifugenrohr, auf dem Gummischläuche sitzen,
mit deren Hilfe die Milch in das Röhrchen gesaugt
wird (Abb. \ ) . F ü r die Eiausbeute eines Weibchens
genügen einige cm^ Milch. Die Milch wurde schnell
in die Kunststoffschüssel mit dem Rogen gegeben
und danach die Geschlechtsprodukte in gleichmäßiger
Bewegung sehr sanft mit einem Kunststofflöffel gemischt.
A b b . 1.
Milchentnahme
mittels des
Spermasaugers
Man m u ß darauf achten, d a ß keine Eier zerdrückt
werden. Nach gründlicher Durchmischung der Geschlechtsprodukte gaben wir eine bereits vorher
angesetzte ,,Befruchtungslösung" zu, die ein Aufquellen der befruchteten Eier bewirkt u n d ihr Verkleben verhindert. Diese Lösung besteht aus 40 g
NaCl u n d 30 g Carbamid auf 101 Wasser.
Die Temperatur der Lösung lag bei etwa 20 °C.
Auf 1 Teil Laich gaben wir 0,5 Teile Befruchtungslösung u n d r ü h r t e n weiter vorsichtig mit dem Kunststofflöffel. Zu viel Befruchtungslösung sollte m a n auf
keinen Fall zusetzen, d a die Eier sonst verkleben.
Nach ca. 3 — 5 Minuten ist der Befruchtungsvorgang
abgeschlossen. Zu diesem Stadium beendeten wir die
laufende Durchmischung. Wir behielten den Laich
jedoch weiter unter Beobachtung und gaben, sobald
die Lösung aufgesaugt war, wieder löffelweise Befruchtungslösung zu. Die weitere Durchmischung
erfolgte, indem wir den Inhalt der Schüssel sanft
schüttelten. Nach je etwa 10 Minuten wurde dieser
Vorgang wiederholt. Nach ca. 1^/2 Stunden, nachdem der Laich ein grünliches, glasiges Aussehen angenommen h a t t e , spülten wir die Eier mit frisch angesetzter Tannin-Lösung (15 g Tannin auf 10 1 Wasser)
in einem Kunststoffeimer. Hierzu schütteten wir
etwa 2 1 Tanninlösung von ca. 20 °C in den Eimer
und gössen die gequollenen Laichkörner dazu. Nach
ca. 10 Sekunden währendem Rühren mit der H a n d
schütteten wir die Tanninlösung vorsichtig ab u n d
spülten die Eier mit klarem, ca. 20 °C warmem
49
Wasser nach. Die Spülung wiederholten wir noch
3 — 4 m a l , benutzten aber eine etwas schwächere
Lösung. Die Tannin-Spülungen beseitigten die Klehrigkeit der Eier völlig. Anschließend füllten wir die
A b b . 2.
Zuger-Glas m i t dreigeteilter
Wasserzuführung zur E r z e u g u n g einer gleichmäßigen T u r b u l e n z .
O b e n Überlaufrinne m i t A b l e i t u n g zu der Brutauffangwanne (unten)
Eier in Zuger-Gläser, die mit Gaze abgebunden
waren, um ein Ausschwemmen der Eier zu verhindern. In den ersten 24 Stunden sorgten wir für eine
sanfte Bewegung des Wassers in den Gläsern, u m die
empfindlichen Eier nicht zu beschädigen. Danach
wurde die Wasserzufuhr etwas verstärkt. U m die
A b b . 3.
Karpfenbrut
kurz v o r dem
Schlüpfen
Bewegung in den Zuger-Gläsern möglichst gleichmäßig zu gestalten, führten wir das Wasser von u n t e n
durch drei Schläuche zu (Abb. 2). Die Durchflußmenge war mit H ä h n e n regulierbar. Nach W O Y N Ä -
50
C H . M E S K E , E . W O Y N Ä R O V I C H , H . K A U S C H , B A R B A R A L Ü H R und W . S Z A B L E W S K I :
k a n n m a n in ein 71-Glas 2 , 5 — 3 , 5 Liter
( 3 0 0 0 0 0 — 4 5 0 0 0 0 Stück) aufgequollene Eier füllen.
. E t w a 2,5 Stunden nach der Befruchtung begann
die Zellteilung. Nach 3 Stunden w a r d a s 8-ZellenStadium, nach 4 — 5 Stunden d a s 32-Zellenstadium
erreicht. Die B r u t schlüpfte bei 2 2 °C Wassertemp e r a t u r schon nach 36—48 Stunden u n d wurde
anschließend im Aquarium aufgezogen (Abb. 3 ) . Bei
späteren Ablaichungen schlüpfte die B r u t bei ebenfalls 2 2 °C erst nach 7 2 Stunden. Die in der Literatur
angegebenen Entwicklungszeiten für Karpfeneier (z.
B. ScHÄPERCLAUS 1 9 6 I ) lasscu sich offenbar nicht
ohne weiteres auf die besonderen Verhältnisse bei
Aquarien versuchen übertragen. Weitere Versuche
hierzu sind im Gange. Besonders günstige Resultate
ergab bisher das E r b r ü t e n der Eier bei 3 0 °C.
Die Ergebnisse dieser Hypophysierungsversuche
zeigten, d a ß es einen endogenen Sexualrhythmus
bei Karpfen nicht gibt. Der Laicherfolg im August
sollte jedoch nicht der einzige Beweis hierfür
sein, wie weiter u n t e n angeführt wird. Die Versuchsergebnisse zeigten ferner, d a ß u n t e r den geschilderten Bedingungen der Warmwasserhaltung die Geschlechtsreife bereits nach zwei J a h r e n erreicht
wird.
Vom August 1 9 6 6 bis zum August I 9 6 7 führten wir
eine Reihe v o n weiteren Experimenten z u r künstlichen Laichgewinnung durch, die die oben geschilderte Versuchsanordnung zum Teil variierten.
Nach der beschriebenen Methode konnten wir a m
27. 1. 6 7 erfolgreiche Hypophysierungen der gleichen
Tiere vornehmen, die bereits im August I 9 6 6 gelaicht
h a t t e n . Sie gaben vollwertigen Laich a b , die B e fruchtung wurde in der angegebenen Weise vollzogen
u n d die B r u t ebenfalls im Aquarium herangezogen.
Nach fünf Monaten h a t t e n die bei 23 °C gehaltenen
Aquarienkarpfen also wieder reifen Laich angesetzt
gehabt, u n d zwar auch diesmal unabhängig von dem
übHchen Laichzyklus der Teichkarpfen.
Mit anderen gleichaltrigen Karpfen führten wir
erfolgreiche Hypophysierungen im Februar, im März,
im April, im Juli u n d i m August I 9 6 7 durch. Die
völlige Unabhängigkeit des letzten Reifestadiums von
der Jahreszeit bei H a l t u n g in k o n s t a n t e n Umweltbedingungen ist damit erwiesen.
Wie erwähnt, erprobten wir eine Reihe v o n Variationen der oben geschilderten Methode der künstlichen Laichgewinnung:
ROViCH (1964)
1. An Stelle einer einmaligen Hypophyseninjektion
gaben wir d e n weiblichen Tieren eine Vorhypophysierung.
Zeit- u n d Injektionsmengenplan;
8,00 Uhr
eine Hypophyse i. m, (nur
Rogner).
16,00 Uhr
Rogner 1 Hypophyse i. m .
pro kg Körpergewicht,
Milchner 1 H y p o p h y s e i. m .
Getrennte H a l t u n g der Tiere, Am nächsten Tag;.
6,00 Uhr
Zusammensetzen v o n je
einem Milchner zu einem
Rogner.
zwischen 7 , 0 0 u n d 9 , 0 0 Uhr Laicherfolg.
Das Verfahren der Vorhypophysierung h a t sich in
den letzten Versuchen sehr bewährt. .
Theoret. AppL
Genetics
2. Die Laichgewinnung durch Abstreifen gaben wir
versuchsweise auf u n d ließen die Tiere, ohne die Geschlechtsöffnung zu vernähen, ihre Geschlechtsprod u k t e in die H ä l t e r w a n n e abgeben, ohne d a ß eine
chemische Behandlung des Laiches erfolgte. Der
Erfolg dieses Verfahrens war oft erstaunlich gut. Der
Vorteil liegt darin, d a ß die B r u t direkt in d e n Wannen, in denen sie schlüpft, angezogen werden kann,
wogegen beim Umsetzen aus d e n Zugergläsern Beschädigungen auftreten können. D e r Nachteil bei
dieser Methode besteht in der Gefahr des Verklumpens u n d Verpilzens der Eier. Bei sehr schweren
Weibchen, die große Mengen Rogen abgeben, ist
daher von dieser Methode noch abzuraten.' Z u r Zeit
laufende Versuche zeigen jedoch bereits, d a ß eine
Verbesserung dieses vereinfachten Verfahrens zur
Laichgewinnung ermöglicht werden k a n n .
3. W i r haben in einigen Versuchen die Elterntiere
vor der Hypophysierung von 23 °C auf 17 °C Wassert e m p e r a t u r heruntergekühlt.
Nach zwei Tagen
wurde die T e m p e r a t u r wieder auf 2 3 °C gebracht
u n d gleichzeitig hypophysiert.
Die Anwendung dieses Temperaturschocks hatte
keine nachteilige Wirkung, scheint jedoch nicht notwendig zu sein,
4. Anstelle der Hypophyseninjektion versuchten
wir die Laichgewinnung durch intramuskuläre I n jektion v o n Chorion-Gonadotropin (Prolan) zu erreichen. Zwei Versuche dieser A r t brachten jedoch
kein Resultat.
Noch ungeklärt ist die Frage, ob ältere Rogner, die
noch nie z u r Fortpflanzung geschritten waren, den
Laich resorbieren oder v e r h ä r t e n oder verlieren.
Dieses in der Teichwirtschaft oft diskutierte Problem
bedarf noch der genauen Untersuchung. Zwei von
uns hypophysierte vierjährige Rogner, die einen sehr
großen Leibesumfang aufwiesen u n d nachgewiesenerm a ß e n noch nie gelaicht h a t t e n , konnten durch
Hypophysierung nicht z u r - E i a b g a b e gebracht werden.
Die durch künstliche Laichgewinnung u n d -erb r ü t u n g gewonnenen Jungfische zogen wir ebenfalls
im Aquarium heran. Bei geeigneter E r n ä h r u n g
(Infusorien, Kleinkrebslarven, Staubtrockenfutter)
erreichten Vorwüchser nach acht Lebenswochen 50 g.
Bereits in d e n ersten Lebenstagen zeigt sich eine
Größendifferenzierung der B r u t . Hierdurch wird dem
Züchter die Möglichkeit gegeben, eine Frühselektion
auf Frohwuchs vorzunehmen u n d die Entwicklung
der Jungfische durch laufende Wägungen u n d Messungen zu verfolgen. Wachstumsvergleiche zwischen
verschiedenen Kreuzungen geben Aufschluß über
die genetischen Eigenschaften der Elterntiere. Durch
die sehr große Eizahl der Karpfen — bis zu 1 Million
pro Weibchen— u n d durch die Tatsache der "äußeren
Besamung eröffnet sich d e m Züchter bei diesem
Objekt u n d bei Anwendung des beschriebenen Verfahrens auch die Möglichkeit der Leistungsprüfung
durch die gleichzeitige, aber getrennte Besamung
des Rogens eines Weibchens m i t der Milch mehrerer
Männchen in vitro.
Es ist also mögUch, nicht n u r die Aufzucht der
Karpfen v o m E i bis z u m geschlechtsreifen Fisch
u n t e r kontrollierbaren Bedingungen im Aquarium
durchzuführen, sondern auch die nächste Generation
wieder u n t e r Laboratoriumsbedingungen heranzu-
Vol 38, No. 1/2
Hypophysierung v o n Aquarienkarpfen und künstliche Laicherbrütung
ziehen. D a dies u n a b h ä n g i g v o n d e r J a h r e s z e i t gelingt, k ö n n e n jederzeit Karpfen aller Altersstufen zur
Verfügung stehen.
D e m St off Wechselphysiologen
^ i r d die vergleichende Analyse energetisch-physiologischer F r a g e n a n Eiern, Jungfischen u n d A d u l t e n
dadurch wesentHch erleichtert. Vor allem h a t d e r
Züchter die Möglichkeit, d a n k der V e r k ü r z u n g d e r
Generationenfolge gewünschte Zuchtziele schneller
zu erreichen.
Zusammenfassung
E s wird ü b e r eine kombinierte Aufzucht- u n d Vermehrungsmethode v o n Karpfen berichtet, die z u r
schnelleren ReaHsierung neuer Z ü c h t u n g e n b e i t r ä g t .
I m A q u a r i u m aufgezogene Karpfen
(Cyprinus
carpio), die m i t Trockenfutter e r n ä h r t worden waren,
erreichten bereits n a c h zwei J a h r e n die Geschlechtsreife. Von diesen Tieren ließen sich n a c h H y p o physeninjektionen reifer Rogen u n d Milch gewinnen.
Die Befruchtung u n d E r b r ü t u n g der Eier sowie die
Anzucht der Jungfische erfolgte ebenfalls u n t e r
Laboratoriumsbedingungen. E s b e s t e h t kein endogener S e x u a l r h y t h m u s bei Karpfen, d e n n die Laichgewinnung k a n n zu jeder J a h r e s z e i t u n d bei denselben E l t e r n m e h r m a l s i m J a h r vollzogen werden.
Die Methode der k ü n s t h c h e n Laichgewinnung u n d
- e r b r ü t u n g wird beschrieben. D a s Verfahren eignet
sich für züchterische u n d physiologische Arbeiten.
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und
BARBARA
LÜHR:
Ge-
wichtszunahmen v o n Karpfen in Kleinstbehältern, zugleich ein Beitrag zur Aufklärung des Raumfaktors. Z.
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v/12/6 0,410
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