Posten 1 Einsteins Postulate

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Posten 1
Einsteins Postulate
Sozialform:
Einzel- oder Partnerarbeit
Bearbeitungszeit:
30 Minuten
Voraussetzung:
keine
1.1.
Einleitung
Die Relativitätstheorie beschäftigt sich mit relativ zueinander bewegten Bezugssystemen. Sie
besteht aus zwei Teilen: der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie. In dieser
Werkstatt beschäftigen Sie sich nur mit Schwerpunkten aus dem ersten Teil. Die spezielle
Relativitätstheorie (SRT) lässt die Gravitation ausser acht und beschäftigt sich nur mit
geradlinigen und gleichförmigen Bewegungen. Beschleunigungen, welche in der Gegenwart
von Gravitationskräften immer auftreten, sind Thema der allgemeinen Relativitätstheorie.
In diesem Posten werden Sie lernen, dass die gesamte SRT einzig auf zwei Postulaten
abgestützt werden kann. Sie werden diese mit ihren Begründungen kennen lernen und sich
mit deren Sinnhaftigkeit auseinandersetzen.
1.2. Arbeitsauftrag
1) Lesen Sie den Text im Abschnitt 1.3 „Kann man feststellen, ob man sich
bewegt?“ durch und beantworten Sie die Aufgabe 1.
2) Lesen Sie den Text im Abschnitt 1.4 „Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit“
durch und beantworten Sie die Aufgaben 2 und 3 in Ihrem Arbeitsblatt.
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ETH Zürich: Werkstatt E=mc2
1.3.
Posten 1: Einsteins Postulate
Kann man feststellen, ob man sich bewegt?
Kann man in einem Flugzeug mit geschlossenen Vorhängen durch irgendein Experiment
feststellen, ob man fliegt oder (mit laufenden Motoren) auf der Landepiste still steht? Oder
kann man in einem Eisenbahnzug herausfinden, ob man vorwärts oder rückwärts fährt?
Bereits Galileo Galilei erkannte 1632: „Schliesse dich in eine Kabine unter Deck auf einem
grossen Schiff ein… Hänge eine Flasche auf, aus der es in eine Schüssel darunter tropft.
Beobachte alles sorgfältig… bei stillstehendem Schiff und nachher mit dem Schiff in
gleichförmiger und geradliniger Bewegung. Du wirst nicht den kleinsten Unterschied in all
den Effekten finden, noch könntest Du aus allen Beobachtungen schliessen, ob das Schiff sich
bewegt oder still steht. Die Tropfen werden gleich fallen, sie werden nicht gegen das Heck hin
fallen, obwohl das Schiff während des Falles viele Ellen weit fährt.“
Die physikalischen Effekte und die Bewegungsgesetze sind die gleichen in einem ruhenden
und in einem gleichförmig, geradlinig bewegenden Bezugssystem. Ein Bezugssystem ist das
System, in welchem ein Vorgang oder Experiment beschrieben wird. Im Allgemeinen wählt
man es so, dass sich der Vorgang oder das Experiment möglichst einfach darstellt. Ein
Bezugssystem, in welchem der Trägheitssatz gilt, heisst Inertialsystem.
Zur Erinnerung:
Der Trägheitssatz: Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der
gleichförmig geradlinigen Bewegung, solange keine äusseren Einflüsse auf ihn
wirken. Die Geschwindigkeit eines solchen sich „frei“ bewegenden Körpers ist
nach Betrag und Richtung konstant.
Sämtliche Experimente, welche in Ihren bisherigen Schuljahren im Klassenzimmer vollführt
worden sind, würden an Bord eines ruhig, geradlinig und gleichförmig fahrenden Schiffes zu
dem gleichen Ergebnis gelangen.
Aus diesen Überlegungen heraus formulierte Albert Einstein 1905 sein erstes Postulat:
Das Relativitätsprinzip: Die Naturgesetze nehmen in allen Inertialsystemen
die gleiche Form an.
Im Allgemeinen stellt die Erde kein Inertialsystem dar, da sie sich um die eigene Achse, um
die Sonne und ums Zentrum der Milchstrasse dreht. Damit bewegt sie sich nicht geradlinig.
Im Speziellen kann man sie aber als Näherung betrachten, was bei den meisten Experimenten
zulässig ist.
Aufgabe 1: Geben Sie ein Beispiel für ein Inertialsystem an und geben Sie ein
Beispiel für ein System an, welches kein Inertialsystem ist.
1.4.
Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
Bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts wusste man, dass Licht Wellennatur zeigt. Alle
anderen bekannten Wellen waren stets an ein Medium gebunden. Schall breitet sich in z.B.
Luft aus, Wasserwellen im Wasser. Daher nahm man an, dass auch das Licht an irgendeine
Form von Medium gebunden war, das offensichtlich unsichtbar war. Dieses Medium wurde
Lichtäther genannt, und man nahm an, dass das gesamte Universum damit gefüllt wäre. Es
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wurde angenommen, dass sich der Äther selbst in absoluter Ruhe befindet und sich jeder
Körper, also auch die Erde, mit einer bestimmten Geschwindigkeit relativ dazu bewegt.
Die beiden Physiker Albert Abraham Michelson und Edward Williams Morley wollten 1887
die Geschwindigkeit der Erde in diesem Äther mit Hilfe von Lichtstrahlen bestimmen. Dafür
bauten sie ein äußerst genaues Messinstrument, ein so genanntes Interferometer. Die Idee
dahinter: Die Geschwindigkeit des Lichtes wird in zwei verschiedenen Richtungen gemessen,
einmal in Bewegungsrichtung der Erde und einmal senkrecht dazu. Das Licht, das sich in die
entgegen gesetzte Richtung bewegt wie die Erde sollte schneller sein als das Licht senkrecht
dazu. Doch so sorgfältig die beiden Forscher ihre Messungen auch ausführten, sie konnten
keinen Unterschied in der Geschwindigkeit feststellen. Die Lichtgeschwindigkeit blieb
konstant.
Albert A. Michelson (1852-1931)
Edward Williams Morley (1838- 1923)
Dieses Ergebnis nahm Albert Einstein zwei Jahrzehnte später in seinem zweiten Postulat zur
Speziellen Relativitätstheorie auf:
Das Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit:
Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum hat in jedem Inertialsystem den gleichen Wert.
Bemerkung: Die Geschwindigkeit des Lichtes im Vakuum beträgt knapp 300’000 Kilometer
pro Sekunde. Sie wird meist mit dem Buchstaben c abgekürzt.
Das Erstaunliche ist jedoch nicht die Größe, sondern dass der Wert immer gleich bleibt, egal
wie schnell sich die Lichtquelle oder der Beobachter bewegt.
Einstein behauptete, dass der Äther nicht existiert. In unzähligen Experimenten des
vergangenen Jahrhunderts hat sich diese Annahme bestätigt. In Bezug auf die Zielsetzungen
und Erwartungen ist das Michelson-Morley-Experiment eines der bedeutendsten
„missglückten“ Experimente in der Geschichte der Wissenschaft, eines also, das nicht die
erwarteten Ergebnisse brachte.
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Aufgabe 2: Man wirft aus dem Stand einen Apfel mit 10 m/s nach vorne. Der Apfel
fliegt dann mit 10 m/s. Jetzt setzt man sich ins Auto und fährt mit einer
Geschwindigkeit von 20 m/s. Wieder wirft man einen Apfel nach vorne. Der Apfel
flitzt dann mit (10 + 20) m/s =30 m/s über die Straße.
Soweit so gut. Leuchtet man aus dem Stand mit einer Taschenlampe nach vorne,
bewegt sich das Licht mit 300´000´000 Metern pro Sekunde. Nun führt man dieses
Experiment wie oben im Auto aus, fährt also mit einer Geschwindigkeit von 20 m/s
und leuchtet mit der Taschenlampe nach vorne.
Frage: Wie schnell ist das Licht jetzt für einen Beobachter, an dem das Auto
vorbeifährt? Wie schnell ist das Licht für einen Autoinsassen?
Aufgabe 3: Drei Raumschiffe bewegen sich mit konstanter Geschwindigkeit und
gleichen Abständen hintereinander durch den tiefen Weltraum. Die Astronauten wollen
wissen, wie schnell sie fliegen. Zu diesem Zweck sendet das mittlere Schiff ein
Radiosignal oder einen Lichtblitz aus. Wenn sich die Schiffe in Ruhelage befinden,
wird das Signal das vordere und das hintere Raumschiff gleichzeitig erreichen.
Wenn sich die Formation jedoch bewegt, lässt sich dann ihre Geschwindigkeit daraus
erschliessen, um wie viel später das Signal beim ersten Schiff (das sich von ihm
wegbewegt) ankommt als beim zweiten (das sich auf das Signal zu bewegt)?
Aufgabe 4 (sofern Sie noch Zeit haben): Versuchen Sie, die beiden Postulate mit
eigenen Worten zu formulieren, ohne dieses Dokument offen vor sich liegen zu haben.
So weit so gut. Diese Prinzipien scheinen recht einfach und verständlich, oder? Welche
schwerwiegenden Konsequenzen sich daraus folgern lassen, welche nicht so leicht verdaulich
sind, zeigen Ihnen die nächsten Posten.
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