Jugend und Bildung in Achim Wege in die Zukunft Konzeptionsentwicklung Fortschreibung der Konzeption der Jugendarbeit aus dem Jahre 1999 Februar 2010 Einleitung Seit vielen Jahren wird in Achim städtische Kinder- und Jugendarbeit organisiert. Getragen wird dieses Angebot von einer Vielzahl ehrenamtlicher Kräfte in Vereinen und Verbänden sowie von hauptamtlich beschäftigten Mitarbeiter/innen. Die verschiedenen Organisationen bilden eine facettenreiche Jugendarbeit ab, sie reicht beispielsweise von theaterpädagogischen, musikalischen über sportliche Aktivitäten bis hin zu Pfadfindergruppen. Alle Angebote sind bisher unter der „offenen Jugendarbeit“ zusammengefasst worden. Die Eckpunkte dieser Arbeit wurden 1999 in einer Konzeption „Städtische Jugendarbeit in Achim“ festgeschrieben. Seitdem hat sich viel geändert: Insbesondere die allgegenwärtige Präsenz von Medien und Medientechnik sowie der Markt der Möglichkeiten fordern stabile Persönlichkeiten, die dazu fähig sind, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Mit der Überarbeitung der Konzeption der Kinder- und Jugendarbeit möchten wir die Herausforderung annehmen und den veränderten Lebenswelten begegnen. Diese Konzeption ist als ein Meilenstein in der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Jugendarbeit in Achim zu sehen. Jugendangebote müssen die ständig verändernden Lebensbedingungen und Bedürfnisse der Zielgruppe einbeziehen und entsprechend modifiziert werden. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen und der Einbindung in den Landkreis Verden wurde ein Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung der Konzeption mit vielen Akteuren der örtlichen Jugendarbeit, unter der wissenschaftlichen Begleitung von Herrn Christoph Kusche, Leuphana – Universität Lüneburg, initiiert. Praktiker und Koordinatoren der Jugendarbeit haben ihre Perspektiven an mehreren Workshops zum Ausdruck gebracht und haben so dazu beigetragen, ein praxisorientiertes Konzept für die Kinder- und Jugendarbeit in Achim zu entwickeln. Nach § 7 SGB VIII ist Jugendlicher, wer 14 aber noch nicht 18 Jahre alt ist, und junger Volljähriger, wer 18 aber noch nicht 27 Jahre alt ist. Auf Grund der Praxiserfahrungen und sich darstellenden Bedarfen werden in diesem Konzept junge Menschen im Alter zwischen 10 und 26 Jahren als Zielgruppe für Aktivitäten im Rahmen der Jugend- und Jugendsozialarbeit betrachtet. 1. Jugend in permanenter Entwicklung Die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten 10 Jahren verändert. Traditionelle Lebensweisen, Freizeitaktivitäten und das Aufwachsen im familiären Umfeld haben sich gewandelt. Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen haben Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und Bewältigungsherausforderungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es wird in diesem Zusammenhang von weit reichenden Entgrenzungen bezogen auf Jugend und Arbeit gesprochen. Entgrenzung wird dabei verstanden „als Prozess in dem unter bestimmten historischen Bedingungen entstandene gesellschaftliche Strukturen der regulierenden Begrenzung von sozialen Vorgängen ganz oder partiell erodieren“ (Gottschall/Voß 2003, Seite 18i). So wie einerseits das Normalarbeitsverhältnis sich zunehmend auflöst, eben erodiert, verändert sich 1 der Charakter der Jugendphase dahingehend, dass sich der Übergang zwischen Kindheits- und Erwachsenenstatus verlängert. Bildungswege und Übergänge in Arbeit sind von Offenheit, auch von Ungewissheit gekennzeichnet. Der Strukturwandel der Arbeitswelt bedingt rasche Veränderung von Qualifikationen, Kompetenzen und Anforderungen an ständiges Lernen. Die traditionellen Grenzen verlieren ihre Geltung angesichts von selbstgestalteten Freizeitaktivitäten der Kinder und Jugendlichen, die sich vor allem durch die neuen Medien – vom Handy über das Fernsehen bis zum lnternet – erheblich verändert haben (BMFSFJ 2005, S. 67ii). Der Zugang zu lnformationen, Spielen und Filmen fast jeder Art steht bereits den Jüngeren vermehrt offen. Virtuelle Chaträume, Pseudoidentitäten und Online-Spiele gewinnen an Bedeutung. Zweitens werden unter heutigen Bedingungen die Kinder innerhalb der Familien bereits früher in Entscheidungen einbezogen, weil man eher von ,,Verhandlungshaushalten“ sprechen kann und die Arbeitswelt angesichts von Schüler-Jobs und frühzeitiger Vermittlung in Praktika kein ausschließlicher Erwachsenenbereich ist (BMFSFJ 2005, S. 68iii). Eine dritte Entgrenzung betrifft die Bildung, wenn die Freizeit durch Nachhilfeunterricht verschult und die außerschulischen Bildungsaktivitäten über Zertifikate in die wachsende Kompetenzerwartung einbezogen werden (BMFSFJ 2005, S. 68iv). Diese sozialstrukturellen Veränderungen führen zu neuen Anforderungen im Sinne alltäglicher Lebensbewältigung, da die traditionellen Gewissheiten, Modelle des Übergangs, Bildungswege und Lernformen an Verlässlichkeit verlieren. Die individuelle Entwicklung ist bestimmt von biografischer Offenheit. Biografisches Lernen und persönliche Kompetenzentwicklung rücken in den Fokus der jugendlichen Subjektbildung. Jugendliche müssen heute selbst Entscheidungen treffen und können sich weniger an traditionellen Verhaltensmustern orientieren. So bestimmen heute stärker institutionelle Sozialisationsagenturen wie Kita und Schule einerseits, und das Lernen und Leben in Gleichaltrigengruppen andererseits die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen, als in der Vergangenheit, in der die elterliche Erziehung im Mittelpunkt stand. Deswegen wird heute von einem Aufwachsen in gesellschaftlicher Verantwortung gesprochen. In Folge dessen müssen Lernorte und Entwicklungsmöglichkeiten für junge Menschen bereitgestellt werden. Hier kommt der Jugendarbeit als eigenständigem Sozialisationsfeld neben Familie, Schule und Beruf eine besondere Bedeutung zu. Die gegenwärtige Entgrenzung von Jugend erfordert in verstärktem Maße Orte für junge Menschen, in denen Offenheit und Halt sowie Experimentiermöglichkeiten gegeben werden. Die Jugendarbeit, als Jugendbildung und Jugendverbandsarbeit bietet biografische Lernarrangements und betont die subjektbetonte Bildungslogik. Sie schafft ein spezifisches Lernklima in dem Jugendverbände und Jugendarbeit außerschulische, politische, soziale und kulturelle Bildungsorte schaffen, die zu biografischen Grunderfahrungen von Jugendlichen werden können. (vgl. Lindner 2008v) Die spezifische Form selbstbestimmten und subjektiven Lernens in selbst gewählten Lernorten bei Jugendlichen wird durch Untersuchungen bestätigt, Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und ähnliche Bewegungen einer „Demokratie von unten“ genießen bei Jugendlichen steigendes Ansehen. Das dokumentiert auch die jüngste Shell-Jugendstudievi. 33 Prozent der Jugendlichen gaben darin an, „oft“, und weitere 42 Prozent, „gelegentlich“ für soziale oder gesellschaftliche Zwecke in ihrer Freizeit aktiv zu sein. Gleichermaßen engagieren sich Jugendliche vor allem auch in gleichaltrigen Gruppen (Peergroups), um Identität zu entwickeln. Hier spielen subkulturelle Ausdrucksformen eine große Rolle, wie sich anschaulich an den wechselnden Stilisierungen und Trends zeigt: Um nur eine kurze Auswahl zu nennen reicht das Spektrum von Emos, Mangas, HipHop, Gothic, neuerstarkten Hippis und Warez bis hin zu Globalisierungskritikern. Diese jugendlichen Subkulturen zeigen den Reichtum der subjektiv empfundenen Ausdruckstile, mit denen Jugendliche sich ausprobieren können. Jugendarbeit bietet mit den richtigen Voraussetzungen Raum für all diese Unterschiedlichkeit von jugendlichen Expressionsformen. Die hier vorgestellte Konzeption will die aktuellen Entwicklungen Jugendlichen Aufwachsens aufgreifen, den Anspruch auf jugendliche Selbstbestimmung und jugendliches Selbstlernen ernst nehmen, sowie dem Engagement junger Leute eine Plattform bieten. 2 2. Rahmenbedingungen Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) beschreibt klar Aufgaben und allgemeine Zielvorstellungen der Jugendhilfe und Jugendarbeit. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe und Jugendarbeit haben für die Planung und die Bereitstellung der Grundbedingungen Sorge zu tragen und sind gehalten, Maßnahmen und Angebote für Kinder und Jugendliche bereit zu stellen. In der Niedersächsischen Gemeindeordnung ist explizit im § 22e die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen festgelegt. Die gesetzlichen Grundaussagen des SGB VIII geben Zielvorgaben, an denen sich konzeptionelle Planung orientieren: Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit (§ 1 SGB VIII) Schaffung und Erhaltung positiver Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien und Erhaltung und Pflege von Kontakten in Familie und sozialem Umfeld (§ 80 Abs. 2 Nr.1, § 1 SGB VIII) Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen, Abbau von Benachteiligungen, Förderung der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen (§ 9 Nr. 3 SGB VIII) Organisation von Angeboten, die junge Menschen befähigen, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen und sie zu Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Verantwortlichkeit führen (§ 14 SGB VIII) Gewährleistung eines möglichst wirksamen, vielfältigen und aufeinander abgestimmten Angebots von Jugendhilfeleistungen öffentlicher und freier Träger (§ 80 Abs. 2 Nr. 2, §§ 3, 5, 78 SGB VIII) Förderung junger Menschen und ihrer Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen und Schutz vor Gefahren für ihr Wohl (§ 80 Abs. 2 Nr. 3, § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB VIII Dies ist ein Auftrag an die Kommune zur aktiven und innovativen Wahrung des Wohls und der Interessen von Kindern und Jugendlichen mit den Mitteln der Planung nach dem SGB VIII: 1. die Feststellung des Bestandes an Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe (§ 80 Abs. 1 , Nr. 1 SGB VIII) 2. die Ermittlung des Bedarfes unter Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen (§ 80 Abs. 1, Nr. 2 SGB VIII) 3. die Maßnahmenplanung (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII) Planung als ein Instrument zur systematischen und zukunftsgerichteten Gestaltung und Entwicklung von Handlungsfeldern der Jugendhilfe hat sich an den Zielen des § 1 SGB VIII zu orientieren und zugleich ein qualitativ und quantitativ bedarfsgerechtes Jugendhilfeangebot rechtzeitig und ausreichend bereitzustellen (§ 79 SGB VIII). Dabei haben sich in der professionellen Debatte die Zielvorstellungen des 8. Jugendberichtes der Bundesregierung als fachliche Standards herausgebildet. Als Merkmale sind zu nennen: Sozialraumorientierung: Berücksichtigung lokaler Besonderheiten von Familien, Nachbarschaften und Stadtteilen bei der Entwicklung von Zielen, Angeboten und Verfahren. Lebensweltorientierung: Anknüpfend an den Lebens- und Problemlagen Angebote aus einer Gesamtsicht zu entwickeln. Zielgruppenorientierung: Die Wahrnehmung der verschiedenen Bedürfnislage von Jugendlichen, z.B. Mädchen und Jungen, Älteren und Jüngeren usw. 3 Offene Prozessplanung: Jugendhilfe soll angesichts rascher Veränderungen auf Bedarfe reagieren, sie kann aber nicht aus sich heraus bestimmen, was zukünftig für Einzelne oder Gruppen objektiv richtig sein wird. Deswegen ist der fachpolitische Diskurs zur Klärung der Interessen und Bedürfnisses von Beteiligten und Betroffenen, eben das Aushandeln unterschiedlicher Interessenlagen auch eine notwendige Komponente. 3. Ziele und Kompetenzen Ziel der Jugendarbeit ist die Unterstützung der Selbstorganisation und Selbstbildung von jungen Menschen. Für die Jugendarbeit bedeutet das, dass Jugendliche selbst tätig werden und ihre Aktivitäten und Projekte selbst planen und umsetzen sollen. Dabei lernen sie zunehmend für sich und andere Verantwortung zu übernehmen und können ihre Bildung selbst in die Hand nehmen. Dafür bedarf es der Freiräume für Bildung, welche jungen Menschen in einer Angebots- und Gelegenheitsstruktur bereitgestellt werden, um ihre Eigenmotivation zu unterstützen. Hierdurch können sie zur Selbstbestimmung und zur individuellen Teilnahme an der Gesellschaft befähigt werden, welche ein wichtiger Bestandteil in ihrer Subjektwerdung sind. In diesem Prozess der Selbstbildung können unterhaltsam und spielerisch Kompetenzen angeeignet werden, die für die Alltagsbewältigung eine hohe Bedeutung haben, wie eine empirische Untersuchungvii gerade nachgewiesen hat: kommunikative Kompetenzen ■ Sprechen, vor Leuten sprechen, Argumentieren, Ausdiskutieren soziale Kompetenzen ■ Sozialverhalten, Hilfsbereitschaft, der Blick und Verantwortung für Andere ■ soziale Gerechtigkeit, soziales Gewissen ■ Gruppenprozesse händeln, Erfahrungen über Gruppendynamik ■ Teamfähigkeit ebenso wie Führungsqualitäten ■ Selbstreflexionsfähigkeit ■ Konstruktiver Umgang mit Vielfalt ■ Konflikte lösen methodische Kompetenzen ■ Organisieren und Strukturieren ■ methodisches Know How ■ Präsentationsfähigkeiten ■ Projektentwicklung ■ Moderationstechniken ■ Kooperationsmethoden ■ wirtschaftliches Knowhow ■ antizipatorisches Denken ■ systemisches Denken verbandsspezifische Kompetenzen ■ Je nach der Ausrichtung des Verbandes und vielfach mit einer praktischen Ausrichtung. 4 Auf einer anderen Ebene wird in fast allen Fällen die Wichtigkeit selbstständigen Arbeitens sowie die Entwicklung von Selbstbewusstsein („Selbstvertrauen“, „Selbstwertgefühl“ oder „Persönlichkeitsförderung“) genannt, vielfach explizit, aber auch in impliziter Form in Formulierungen wie „dass ich etwas kann“ (Kehrer in Lindner 2009viii, S. 115). Die Stadt Achim verfolgt diese Ziele ausdrücklich unter der Prämisse einer inklusiven Gesellschaft, von deren Gestaltung niemand ausgeschlossen wird. Gesellschaftliche Diversität ist eine Erfahrungswirklichkeit und steht als Strukturelement einer modernen Gesellschaft im Vordergrund der Betrachtung und des Handelns. Ethnischen Unterschiede, interkulturelle Besonderheiten und geistige, seelische oder körperliche Handicaps sind durch diesen gesellschaftlichen Auftrag zu überwinden und Ausgrenzung ist zu verhindern. 4. Vielfalt der Jugend Um den unterschiedlichen jugendlichen Zielgruppen geeignete Möglichkeiten der Selbstentwicklung zu geben, werden Teilfelder konzeptionell entwickelt. Das SGB VIII beschreibt die Zielsetzungen und Aufgabenstellung der Jugendarbeit in den §§ 11, 12 und 13: Die Unterscheidung in 1. Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen 2. dezentrale Jugendarbeit 3. Jugendsozialarbeit bietet eine geeignete Gliederung für die Teilfelder der Konzeption. Die Grafik visualisiert diese Teilfelder und die damit verbundenen Gremien und Netzwerke, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. 5 4.1 Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen Wie eingangs beschrieben, beteiligten sich viele Akteure aus Vereinen und Verbänden an dem Entwicklungsprozess dieser Konzeption. Abgebildet wurde das derzeitige Angebot, wie z.B. das der Sportvereine, des Jugendrotkreuzes oder der Feuerwehren. Neben dem facettenreichen Angebot wurde auch genannt, welche Schwachpunkte in der Jugendverbandsarbeit in Achim bestehen und an welchen Stellen Verbesserungen nötig sind. Herausgearbeitet wurden u. a. erschwerende Bedingungen wie mangelnde Vernetzung, Unsicherheiten in Bezug auf Fördermöglichkeiten, Raumprobleme und Überforderung des ehrenamtlichen Engagements. Vereine und Verbände, die die Vielfalt der Angebote für Kinder und Jugendliche in Achim gewährleisten, werden weiterhin finanziell unterstützt (siehe Richtlinie). Zusätzlich zu dieser Förderung sollen neben den traditionellen Vereinen auch die in wechselnden Jugendinitiativen engagierten Jugendlichen wahrgenommen und konzeptionell einbezogen werden. Zur Revitalisierung der Selbstorganisationsformen junger Menschen in lokalen Initiativen, Stadtteilgruppen, temporären jugendlichen Organisationen, sich stabilisierenden Cliquen, regionalen jugendlichen Arbeitsgruppen und traditionellen Jugendverbänden wird ein, auf Selbstbildung, Partizipation und Beteiligung zielendes Konzept vorgeschlagen. Projektarbeit Junge Menschen wünschen sich Erfahrungsräume, in denen sie sich ausprobieren können, ihre Ideen Anderen mitteilen, sich zum gemeinsamen Gespräch und Handeln treffen können. Sie wünschen sich die Übernahme von Eigenverantwortung und öffentlicher Wahrnehmung. Zu diesem Zweck werden offene Projekte von jungen Menschen vorgeschlagen. Die genannten Gruppen werden bei der Durchführung von Projekten unterstützt. Wenn sie Interesse haben, sich mit einer gleichaltrigen Gruppe zu einem bestimmten Thema, einem Motto, einer Aktion zusammen zu finden, können sie unterstützt und finanziell gefördert werden. Sie können einen Antrag auf Förderung bei der Jugendjury stellen. Jedes bewilligte Projekt wird mit einem Förderbetrag (siehe Richtlinien) pauschal unterstützt. Die Ergebnisse dieser Projekte werden direkt im Anschluss öffentlich präsentiert. Ein solches Projekt sollte öffentlich zugänglich sein, um Interessierte für dieses Projekt zu gewinnen und das Ergebnis sollte öffentlich darstellbar sein. Diese Projekte können dezentral oder zentral stattfinden. Sie könnten sich beispielhaft mit den folgenden Themen beschäftigen: Produktion von Videoclips zu jugendlichen Themen, ökologische Politik, Ernährung und Kochen, Poetry-Slam-Wettbewerbe, Musikprojekte und Medienprojekte zur Darstellung jugendlicher Lebensformen, Rollenspiel- und Fantasie-Projekte, erlebnispädagogische Aktionen, sowie Projekte für ein lokales Internetradio, für direkte Demokratie, Zivilcourage und Engagement für andere junge Menschen. Die genannten Projektformen sind nur Beispiele für die vielfältigen Ausdrucksformen jugendlichen Lebens in Achim. Auf diesem Wege werden junge Menschen zu Beteiligung und aktivem Handeln eingeladen, sie beschäftigen sich mit einem Thema, das sie selbst ausgewählt haben und das sie interessiert. Sie laden andere zur Mitarbeit ein, gestalten ein Produkt und gewinnen Selbstbewusstsein und Zutrauen in öffentlicher Präsentation. Mit einem solchen Programm werden die ursprünglichen Aufgaben der Jugendarbeit nach Selbstorganisation und Selbstbildung verwirklicht. Auf diesem Wege haben auch traditionelle Jugendverbände die Möglichkeit neue Ideen auszuprobieren, andere für ihre Fragestellungen zu gewinnen und sich öffentlich bekannt zu machen. Jugendinitiativen haben so die Chance in den Kreis der Organisierten aufgenommen zu werden und sich auch dort mit innovativen Ideen zu etablieren. Jugendliche Räume Ehrenamtliche Jugendgruppenleiter/innen werden regelmäßig durch die Jugendverbände und auch durch die kommunale Jugendpflege für ihre Aufgaben qualifiziert. Diese Jugendleiter/innen können im lokalen Raum Verantwortung für die Selbstorganisation junger Menschen übernehmen. In vielen Quartieren ist der Wunsch nach Nutzung von Räumen durch junge Menschen offenkundig. Hier 6 können Jugendleiter/innen sowohl aus Verbänden als auch als Nichtorganisierte Aufgaben übernehmen, die ihrem Willen nach Beteiligung entsprechen. Mit einer Jugendleiter/innen-Card (Juleica) ausgestattete Jugendliche haben die Möglichkeit, die Betreuung von Bolzfeldern, Jugendräumen, Spielaktionen uvm. in Abstimmung mit den Betreibern zu übernehmen und Jugendliche einzuladen, dort gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln. Dies entspricht dem Willen vieler Jugendlicher sich regelmäßig selbst organisiert zu treffen und gibt den Jugendgruppen weiter die Möglichkeit ihre Leitungsqualifikationen zu entwickeln. Auch hier ist gewollt, dass sich durch solche offenen Angebote die Jugendverbände öffentlich zeigen und neue Mitglieder zu ihren Aktivitäten finden können. Die Jugendleiter/innen-Card enthält Privilegien, die der freiwilligen Arbeit der Jugendgruppenleiter/innen die Anerkennung geben, die sie mit dieser Arbeit verdienen. Diese Aktivitäten des „Offenhaltens“ von Räumen werden durch eine hauptamtliche Kraft begleitet und koordiniert. Organisationsstruktur Um diesen neuen Aufgaben gerecht zu werden, bedarf es einer veränderten Organisation und Arbeitsweise. Als Arbeitsplattform für die oben genannten Gruppen wird eine Jugendkonferenz als Vollversammlung (Altersbegrenzung bis 26 Jahre) der aktiven Verbände und Initiativen regelmäßig einberufen, die durch Räte in den verschiedenen Feldern der Jugendarbeit Aktivitäten gestaltet, durchführt und neue anregt: 1. Eine lokale Jugendjury, die die oben genannten Projekte in eigener Verantwortung bewertet, entscheidet und soweit notwendig begleitet. 2. Ein Komitee der Jugendgruppenleiter/innen, das sich um Initiativen zur Öffnung von Räumen zur Nutzung durch junge Menschen kümmert. 3. Ein Komitee, das die Richtlinien der Jugendförderung für die Verbände neu gestaltet und mit wechselnden Initiativen den aktuellen Bedürfnissen anpasst. 4. Verantwortliche Jugendliche, die die Partizipation in den lokalen politischen Gremien wahrnehmen. 5. Ein Forum, das allen weiteren Akteuren der Jugendarbeit eine Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch, Fortbildungen und Netzwerkarbeit bietet (Ü26 Forum). Die Koordination für diese Aufgaben der Begleitung und Entwicklung liegt bei der/dem Verantwortlichen für das Produkt Kinder und Jugend der Stadt Achim 4.2 Dezentrale Jugendarbeit In einem Workshop der hauptamtlichen Mitarbeiter/innen aus den unterschiedlichsten sozialpädagogischen Berufsfeldern wurden die sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen und deren Auswirkungen diskutiert. Es wurde deutlich, dass Jugendarbeit ein wichtiges Element ist, um gesellschaftlichen Entwicklungen mit partizipativen Angeboten zu begegnen. Ein besonderes Augenmerk galt dem Bildungsauftrag der Jugendarbeit. Andiskutiert wurden theoretische Grundlagen der Kinder- und Jugend(sozial)arbeit. Durch dezentrale Jugendarbeit werden in kommunalpolitischer Verantwortung Angebote für alle jungen Menschen entsprechend der obigen Ziele nach Selbstbildung gemacht und eine entsprechende Infrastruktur bereitgestellt. Dabei unterscheidet sie sich von anderen Angeboten der Jugendhilfe nach Prävention oder erzieherischem Jugendschutz. Offene Jugendarbeit als offener Raum in einem Jugendzentrum erreicht nur eine begrenzte Zahl von Jugendlichen, die solch einen Raum durch beengte häusliche Lebensverhältnisse brauchen. Unterstützung und Hilfe für diese marginalisierten Jugendlichen sollten systematisch als Angebote der Jugendsozialarbeit gemacht werden. Vor diesem Hintergrund wird ein grundsätzlicher Umschwung - eben ein Paradigmenwechsel 7 vorgeschlagen. Hierzu wird das folgende Szenario entwickelt, dass sich in Teilziele gliedern lässt, die sukzessiv in einen überschaubaren Zeitraum realisiert werden könnten. Soll in Sachen Jugendarbeit und Jugendbildung nicht der Stadtteil und Quartieregoismus das Konzept bestimmen, ist es notwendig, den Blick auf die gesamte Stadt mit ihren Wohngebieten zu lenken. Offene Jugendarbeit folgt den wechselnden Gesellungsformen, veränderten Lebensstilen, versucht Identifikationen und alternative Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten, Expressionsformen, an Spielorten und auf bespielbaren öffentlichen Plätzen zu organisieren, Hilfestellungen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen zu geben und in problematischen Lebensphasen und -umbrüchen Beratung und Unterstützung zu vermitteln. Es gilt ein Konzept zu entwickeln, das notwendige pädagogische, organisatorische, personelle und finanzielle Ressourcen für diese Zielsetzungen bereitstellt. Für die gesamte Stadt Achim wird ein Team von pädagogischen Fachkräften für mobile und dezentrale Jugendarbeit eingesetzt. Dieses qualifizierte Team wirkt nach pädagogischem Konzept, unter Partizipation von Jugendlichen und im Hinblick auf aktuelle Anforderungen. Dieses Team kann erkannte Defizite in den Stadtteilen auffangen, die bisherigen Angebotsstrukturen, wo notwendig stabilisieren, oder auch ausbauen und ergänzen und aktuelle Initiativen aufgreifen. Strukturierte Vernetzungen zwischen den Räten der Jugendinitiativen / -vereine und hauptamtlichen Organisatoren dezentraler Jugendarbeit tragen mit zur Weiterentwicklung der Angebote bei. Diese flexiblen Angebote können in verschiedenen Räumen (auch Schulräumen, Vereinsheimen, Bibliothek etc.) stattfinden und sind auf Überschaubarkeit (zeitliche Begrenztheit des Programms) angelegt. Ein zentrales Haus dient als Ausgangspunkt für dezentrale Aktivitäten und kann stadtweite Angebote zusammenführen. Ein Jugendhaus bietet Raum für Verbände, Initiativen und Angebote unterschiedlichster Art, z.B. Mediothek, Veranstaltungszentrum, Sozio-Kultur-Service. Mit dem Konzept einer stadtteilbezogenen, mobilen, offenen Jugendarbeit wird die vorherrschende „Komm-Struktur“ der Jugendarbeit durchbrochen. Den veränderten Lebensbedingungen und -wünschen der Jugendlichen kann somit ein den neuen Herausforderungen entsprechendes Gesamtangebot bereitgestellt werden. Dabei existiert eine Gleichzeitigkeit von mobilen Formen einer eher aufsuchenden Jugendarbeit und Angeboten, die besser zentral durchgeführt werden. 4.3 Jugendsozialarbeit Jugendsozialarbeit ist eine Integrationshilfe nach § 13 SGB VIII zur Förderung schulischer und beruflicher Ausbildung, zur Eingliederung in die Arbeitswelt und zur sozialen Integration. Jugendsozialarbeit stellt eine Brücke für den Übergang von der Schule in den Beruf, in Werkstätten, Beratungsstellen, Jugendwohnheimen und in Integrationsprojekten für Jugendliche mit Migrationshintergrund dar. Jugendsozialarbeit als Schulaufgabenhilfe, pädagogischer Mittagstisch, Trainingskurse und andere Angebote der schulischen und beruflichen Integration finden in Kooperation mit den Bildungs-, und beruflichen Trägern statt. Sie richten sich in Art und Umfang an spezifische Ardressatengruppen, die besondere Integrationsangebote brauchen. Diese besonderen Zielgruppenangebote sind in enger Kooperation mit Angeboten der ambulanten Erziehungshilfen zu entwickeln (siehe hierzu das Konzept über die Gemeinwesenarbeit im Landkreis Verdenix). Aufgrund der historischen Entwicklung ist die Situation im Magdeburger Viertel besonders zu betrachten. Das Programmgebiet der Sozialen Stadterneuerung wird neben den städtebaulichen Maßnahmen durch die stadtteilbezogene Quartiersarbeit, die u.a. sowohl Maßnahmen der Jugendarbeit als auch der Jugendsozialarbeit umfasst, unterstützt. Die Stadt Achim hat das Ziel, die 8 Akzeptanz des Stadtteils und die Kompetenzen der dort lebenden Achimer/innen so zu fördern und zu stärken, dass ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet wird. Die damit verbundene Vernetzungsarbeit, Maßnahmenentwicklung, Initiierung von Beteiligungsprozessen, Förderung von Selbstorganisation, Stärkung und Förderung der Bewohnerinnen und Bewohner zur Erlangung von persönlicher Autonomie wird durch ein Fachteam im städtischen Bürgerzentrum vor Ort organisiert. Die Akteure der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und der Quartiersarbeit im Magdeburger Viertel koordinieren ihre Arbeitsfelder und haben einen regelmäßigen fachlichen Austausch. 5. Zusammenfassung In Zukunft wird Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in der Stadt Achim unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechend angeboten. Wesentliche Rahmenbedingungen sind dabei Sozialraumorientierung, Lebensweltorientierung, Zielgruppenorientierung, offene Prozessplanung und der fachpolitische Diskurs. Das Ziel ist die Entwicklung der Selbstorganisation und Selbstbildung von jungen Menschen und wird über drei Säulen erreicht. 1. Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen 2. dezentrale Jugendarbeit 3. Jugendsozialarbeit Eine wesentliche Säule der Jugendarbeit ist weiterhin die Vereinsarbeit. Stabilisiert wird sie durch eine Basisfinanzierung, die durch eine zu überarbeitende Richtlinie gewährleistet wird. Zusätzlich steht allen Jugendinitiativen die Möglichkeit offen, Förderung bei der Umsetzung von Interessen und Ideen zu erhalten. Die Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, die vorwiegend von hauptamtlichen Kräften vorgehalten wird, wird von der zentralen Ausrichtung zu einem mobilen, sozialraumorientierten Angebot mit dezentralem Charakter weiterentwickelt. Wesentliche Bestandteile sind neben einem zentralen Jugendhaus der Aufbau dezentraler, mobiler Angebote, die in verschiedenen Räumen / Stadtteilen in überschaubaren Zeiträumen realisiert werden. Um den Prozess weiterentwickeln und steuern zu können, werden vom Sozialausschuss die jeweiligen Inhalte der auszuübenden Leistungen definiert und beauftragt. Ausgeschrieben werden die Leistungen für Träger der freien Jugendhilfe als Fachleistungsstunde mit einem definierten Auftrag. Schluss und Dank Viele Akteure haben sich an der Erstellung dieser Konzeption beteiligt. Wertvolle Erfahrungen wurden in den Workshops eingebracht, in vielen Gesprächen wurden Anregungen und Wünsche geäußert. Allen, die zur Erstellung dieser Konzeption beigetragen haben, sei für ihr Engagement gedankt. Alle Beteiligten sind eingeladen, an der Umsetzung in die Praxis mitzuwirken und den lebendigen Prozess der Jugendarbeit zu gestalten. 9 i Gottschall; Voß(2003): Entgrenzung von Arbeit und Leben, Hamburg ii Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland iii Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland iv Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland v Lindner, Werner (2009): Kinder- und Jugendarbeit wirkt. Aktuelle und ausgewählte Evaluationsergebnisse der Kinder- und Jugendarbeit. 2. Aufl. Wiesbaden vi Deutsche Shell Holding (2006)(Hrsg.): 15. Shellstudie, Hamburg vii Lindner, Werner (2009): Kinder- und Jugendarbeit wirkt. Aktuelle und ausgewählte Evaluationsergebnisse der Kinder- und Jugendarbeit. 2. Aufl. Wiesbaden viii Lindner, Werner (2009): Kinder- und Jugendarbeit wirkt. Aktuelle und ausgewählte Evaluationsergebnisse der Kinder- und Jugendarbeit. 2. Aufl. Wiesbaden ix Konzept über die Gemeinwesenarbeit im Landkreis Verden, Beschluss des Kreistages vom 22.06.2009 10