Jugend und Bildung in Achim

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Jugend und Bildung in Achim
Wege in die Zukunft
Konzeptionsentwicklung
Fortschreibung der Konzeption der Jugendarbeit aus dem Jahre 1999
Februar 2010
Einleitung
Seit vielen Jahren wird in Achim städtische Kinder- und Jugendarbeit organisiert. Getragen wird
dieses Angebot von einer Vielzahl ehrenamtlicher Kräfte in Vereinen und Verbänden sowie von
hauptamtlich beschäftigten Mitarbeiter/innen. Die verschiedenen Organisationen bilden eine
facettenreiche Jugendarbeit ab, sie reicht beispielsweise von theaterpädagogischen, musikalischen
über sportliche Aktivitäten bis hin zu Pfadfindergruppen. Alle Angebote sind bisher unter der „offenen
Jugendarbeit“ zusammengefasst worden. Die Eckpunkte dieser Arbeit wurden 1999 in einer
Konzeption „Städtische Jugendarbeit in Achim“ festgeschrieben. Seitdem hat sich viel geändert:
Insbesondere die allgegenwärtige Präsenz von Medien und Medientechnik sowie der Markt der
Möglichkeiten fordern stabile Persönlichkeiten, die dazu fähig sind, Entscheidungen zu treffen und
Verantwortung zu übernehmen.
Mit der Überarbeitung der Konzeption der Kinder- und Jugendarbeit möchten wir die
Herausforderung annehmen und den veränderten Lebenswelten begegnen. Diese Konzeption ist als
ein Meilenstein in der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Jugendarbeit in Achim zu sehen.
Jugendangebote müssen die ständig verändernden Lebensbedingungen und Bedürfnisse der
Zielgruppe einbeziehen und entsprechend modifiziert werden.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen und der Einbindung in den Landkreis Verden
wurde ein Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung der Konzeption mit vielen Akteuren der
örtlichen Jugendarbeit, unter der wissenschaftlichen Begleitung von Herrn Christoph Kusche,
Leuphana – Universität Lüneburg, initiiert. Praktiker und Koordinatoren der Jugendarbeit haben ihre
Perspektiven an mehreren Workshops zum Ausdruck gebracht und haben so dazu beigetragen, ein
praxisorientiertes Konzept für die Kinder- und Jugendarbeit in Achim zu entwickeln.
Nach § 7 SGB VIII ist Jugendlicher, wer 14 aber noch nicht 18 Jahre alt ist, und junger Volljähriger,
wer 18 aber noch nicht 27 Jahre alt ist. Auf Grund der Praxiserfahrungen und sich darstellenden
Bedarfen werden in diesem Konzept junge Menschen im Alter zwischen 10 und 26 Jahren als
Zielgruppe für Aktivitäten im Rahmen der Jugend- und Jugendsozialarbeit betrachtet.
1. Jugend in permanenter Entwicklung
Die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen haben sich
in den letzten 10 Jahren verändert. Traditionelle Lebensweisen, Freizeitaktivitäten und das
Aufwachsen im familiären Umfeld haben sich gewandelt. Die gegenwärtigen gesellschaftlichen
Veränderungen haben Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und Bewältigungsherausforderungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Es wird in diesem Zusammenhang von weit reichenden Entgrenzungen bezogen auf Jugend und
Arbeit gesprochen. Entgrenzung wird dabei verstanden „als Prozess in dem unter bestimmten
historischen Bedingungen entstandene gesellschaftliche Strukturen der regulierenden Begrenzung
von sozialen Vorgängen ganz oder partiell erodieren“ (Gottschall/Voß 2003, Seite 18i).
So wie einerseits das Normalarbeitsverhältnis sich zunehmend auflöst, eben erodiert, verändert sich
1
der Charakter der Jugendphase dahingehend, dass sich der Übergang zwischen Kindheits- und
Erwachsenenstatus verlängert. Bildungswege und Übergänge in Arbeit sind von Offenheit, auch von
Ungewissheit gekennzeichnet. Der Strukturwandel der Arbeitswelt bedingt rasche Veränderung von
Qualifikationen, Kompetenzen und Anforderungen an ständiges Lernen.
Die traditionellen Grenzen verlieren ihre Geltung angesichts von selbstgestalteten Freizeitaktivitäten
der Kinder und Jugendlichen, die sich vor allem durch die neuen Medien – vom Handy über das
Fernsehen bis zum lnternet – erheblich verändert haben (BMFSFJ 2005, S. 67ii). Der Zugang zu
lnformationen, Spielen und Filmen fast jeder Art steht bereits den Jüngeren vermehrt offen. Virtuelle
Chaträume, Pseudoidentitäten und Online-Spiele gewinnen an Bedeutung.
Zweitens werden unter heutigen Bedingungen die Kinder innerhalb der Familien bereits früher in
Entscheidungen einbezogen, weil man eher von ,,Verhandlungshaushalten“ sprechen kann und die
Arbeitswelt angesichts von Schüler-Jobs und frühzeitiger Vermittlung in Praktika kein
ausschließlicher Erwachsenenbereich ist (BMFSFJ 2005, S. 68iii).
Eine dritte Entgrenzung betrifft die Bildung, wenn die Freizeit durch Nachhilfeunterricht verschult und
die außerschulischen Bildungsaktivitäten über Zertifikate in die wachsende Kompetenzerwartung
einbezogen werden (BMFSFJ 2005, S. 68iv).
Diese sozialstrukturellen Veränderungen führen zu neuen Anforderungen im Sinne alltäglicher
Lebensbewältigung, da die traditionellen Gewissheiten, Modelle des Übergangs, Bildungswege und
Lernformen an Verlässlichkeit verlieren. Die individuelle Entwicklung ist bestimmt von biografischer
Offenheit. Biografisches Lernen und persönliche Kompetenzentwicklung rücken in den Fokus der
jugendlichen Subjektbildung. Jugendliche müssen heute selbst Entscheidungen treffen und können
sich weniger an traditionellen Verhaltensmustern orientieren. So bestimmen heute stärker
institutionelle Sozialisationsagenturen wie Kita und Schule einerseits, und das Lernen und Leben in
Gleichaltrigengruppen andererseits die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen, als in
der Vergangenheit, in der die elterliche Erziehung im Mittelpunkt stand. Deswegen wird heute von
einem Aufwachsen in gesellschaftlicher Verantwortung gesprochen. In Folge dessen müssen
Lernorte und Entwicklungsmöglichkeiten für junge Menschen bereitgestellt werden. Hier kommt der
Jugendarbeit als eigenständigem Sozialisationsfeld neben Familie, Schule und Beruf eine
besondere Bedeutung zu. Die gegenwärtige Entgrenzung von Jugend erfordert in verstärktem Maße
Orte für junge Menschen, in denen Offenheit und Halt sowie Experimentiermöglichkeiten gegeben
werden. Die Jugendarbeit, als Jugendbildung und Jugendverbandsarbeit bietet biografische
Lernarrangements und betont die subjektbetonte Bildungslogik. Sie schafft ein spezifisches
Lernklima in dem Jugendverbände und Jugendarbeit außerschulische, politische, soziale und
kulturelle Bildungsorte schaffen, die zu biografischen Grunderfahrungen von Jugendlichen werden
können. (vgl. Lindner 2008v)
Die spezifische Form selbstbestimmten und subjektiven Lernens in selbst gewählten Lernorten bei
Jugendlichen wird durch Untersuchungen bestätigt, Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und
ähnliche Bewegungen einer „Demokratie von unten“ genießen bei Jugendlichen steigendes
Ansehen. Das dokumentiert auch die jüngste Shell-Jugendstudievi. 33 Prozent der Jugendlichen
gaben darin an, „oft“, und weitere 42 Prozent, „gelegentlich“ für soziale oder gesellschaftliche
Zwecke in ihrer Freizeit aktiv zu sein. Gleichermaßen engagieren sich Jugendliche vor allem auch in
gleichaltrigen Gruppen (Peergroups), um Identität zu entwickeln. Hier spielen subkulturelle
Ausdrucksformen eine große Rolle, wie sich anschaulich an den wechselnden Stilisierungen und
Trends zeigt: Um nur eine kurze Auswahl zu nennen reicht das Spektrum von Emos, Mangas,
HipHop, Gothic, neuerstarkten Hippis und Warez bis hin zu Globalisierungskritikern. Diese
jugendlichen Subkulturen zeigen den Reichtum der subjektiv empfundenen Ausdruckstile, mit denen
Jugendliche sich ausprobieren können. Jugendarbeit bietet mit den richtigen Voraussetzungen
Raum für all diese Unterschiedlichkeit von jugendlichen Expressionsformen.
Die hier vorgestellte Konzeption will die aktuellen Entwicklungen Jugendlichen Aufwachsens
aufgreifen, den Anspruch auf jugendliche Selbstbestimmung und jugendliches Selbstlernen ernst
nehmen, sowie dem Engagement junger Leute eine Plattform bieten.
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2. Rahmenbedingungen
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) beschreibt klar Aufgaben und allgemeine
Zielvorstellungen der Jugendhilfe und Jugendarbeit. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe und
Jugendarbeit haben für die Planung und die Bereitstellung der Grundbedingungen Sorge zu tragen
und sind gehalten, Maßnahmen und Angebote für Kinder und Jugendliche bereit zu stellen.
In der Niedersächsischen Gemeindeordnung ist explizit im § 22e die Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen festgelegt.
Die gesetzlichen Grundaussagen des SGB VIII geben Zielvorgaben, an denen sich konzeptionelle
Planung orientieren:






Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu
einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit (§ 1 SGB VIII)
Schaffung und Erhaltung positiver Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre
Familien und Erhaltung und Pflege von Kontakten in Familie und sozialem Umfeld (§ 80 Abs.
2 Nr.1, § 1 SGB VIII)
Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen, Abbau von
Benachteiligungen, Förderung der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen (§ 9 Nr. 3
SGB VIII)
Organisation von Angeboten, die junge Menschen befähigen, sich vor gefährdenden
Einflüssen zu schützen und sie zu Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und
Verantwortlichkeit führen (§ 14 SGB VIII)
Gewährleistung eines möglichst wirksamen, vielfältigen und aufeinander abgestimmten
Angebots von Jugendhilfeleistungen öffentlicher und freier Träger (§ 80 Abs. 2 Nr. 2, §§ 3, 5,
78 SGB VIII)
Förderung junger Menschen und ihrer Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen
und Schutz vor Gefahren für ihr Wohl (§ 80 Abs. 2 Nr. 3, § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB VIII
Dies ist ein Auftrag an die Kommune zur aktiven und innovativen Wahrung des Wohls und der
Interessen von Kindern und Jugendlichen mit den Mitteln der Planung nach dem SGB VIII:
1. die Feststellung des Bestandes an Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe (§ 80 Abs. 1 ,
Nr. 1 SGB VIII)
2. die Ermittlung des Bedarfes unter Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse der
Betroffenen (§ 80 Abs. 1, Nr. 2 SGB VIII)
3. die Maßnahmenplanung (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII)
Planung als ein Instrument zur systematischen und zukunftsgerichteten Gestaltung und Entwicklung
von Handlungsfeldern der Jugendhilfe hat sich an den Zielen des § 1 SGB VIII zu orientieren und
zugleich ein qualitativ und quantitativ bedarfsgerechtes Jugendhilfeangebot rechtzeitig und
ausreichend bereitzustellen (§ 79 SGB VIII). Dabei haben sich in der professionellen Debatte die
Zielvorstellungen des 8. Jugendberichtes der Bundesregierung als fachliche Standards
herausgebildet. Als Merkmale sind zu nennen:
Sozialraumorientierung: Berücksichtigung lokaler Besonderheiten von Familien,
Nachbarschaften und Stadtteilen bei der Entwicklung von Zielen, Angeboten und Verfahren.
Lebensweltorientierung: Anknüpfend an den Lebens- und Problemlagen Angebote aus
einer Gesamtsicht zu entwickeln.
Zielgruppenorientierung: Die Wahrnehmung der verschiedenen Bedürfnislage von
Jugendlichen, z.B. Mädchen und Jungen, Älteren und Jüngeren usw.
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Offene Prozessplanung: Jugendhilfe soll angesichts rascher Veränderungen auf Bedarfe
reagieren, sie kann aber nicht aus sich heraus bestimmen, was zukünftig für Einzelne oder
Gruppen objektiv richtig sein wird.
Deswegen ist
der fachpolitische Diskurs zur Klärung der Interessen und Bedürfnisses von Beteiligten
und Betroffenen, eben das Aushandeln unterschiedlicher Interessenlagen auch eine
notwendige Komponente.
3. Ziele und Kompetenzen
Ziel der Jugendarbeit ist die Unterstützung der Selbstorganisation und Selbstbildung von jungen
Menschen.
Für die Jugendarbeit bedeutet das, dass Jugendliche selbst tätig werden und ihre Aktivitäten und
Projekte selbst planen und umsetzen sollen. Dabei lernen sie zunehmend für sich und andere
Verantwortung zu übernehmen und können ihre Bildung selbst in die Hand nehmen. Dafür bedarf es
der Freiräume für Bildung, welche jungen Menschen in einer Angebots- und Gelegenheitsstruktur
bereitgestellt werden, um ihre Eigenmotivation zu unterstützen. Hierdurch können sie zur
Selbstbestimmung und zur individuellen Teilnahme an der Gesellschaft befähigt werden, welche ein
wichtiger Bestandteil in ihrer Subjektwerdung sind.
In diesem Prozess der Selbstbildung können unterhaltsam und spielerisch Kompetenzen angeeignet
werden, die für die Alltagsbewältigung eine hohe Bedeutung haben, wie eine empirische
Untersuchungvii gerade nachgewiesen hat:

kommunikative Kompetenzen
■ Sprechen, vor Leuten sprechen, Argumentieren, Ausdiskutieren

soziale Kompetenzen
■ Sozialverhalten, Hilfsbereitschaft, der Blick und Verantwortung für Andere
■ soziale Gerechtigkeit, soziales Gewissen
■ Gruppenprozesse händeln, Erfahrungen über Gruppendynamik
■ Teamfähigkeit ebenso wie Führungsqualitäten
■ Selbstreflexionsfähigkeit
■ Konstruktiver Umgang mit Vielfalt
■ Konflikte lösen

methodische Kompetenzen
■ Organisieren und Strukturieren
■ methodisches Know How
■ Präsentationsfähigkeiten
■ Projektentwicklung
■ Moderationstechniken
■ Kooperationsmethoden
■ wirtschaftliches Knowhow
■ antizipatorisches Denken
■ systemisches Denken

verbandsspezifische Kompetenzen
■ Je nach der Ausrichtung des Verbandes und vielfach mit einer praktischen
Ausrichtung.
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Auf einer anderen Ebene wird in fast allen Fällen die Wichtigkeit selbstständigen Arbeitens sowie die
Entwicklung von Selbstbewusstsein („Selbstvertrauen“, „Selbstwertgefühl“ oder
„Persönlichkeitsförderung“) genannt, vielfach explizit, aber auch in impliziter Form in Formulierungen
wie „dass ich etwas kann“ (Kehrer in Lindner 2009viii, S. 115).
Die Stadt Achim verfolgt diese Ziele ausdrücklich unter der Prämisse einer inklusiven Gesellschaft,
von deren Gestaltung niemand ausgeschlossen wird. Gesellschaftliche Diversität ist eine
Erfahrungswirklichkeit und steht als Strukturelement einer modernen Gesellschaft im Vordergrund
der Betrachtung und des Handelns. Ethnischen Unterschiede, interkulturelle Besonderheiten und
geistige, seelische oder körperliche Handicaps sind durch diesen gesellschaftlichen Auftrag zu
überwinden und Ausgrenzung ist zu verhindern.
4. Vielfalt der Jugend
Um den unterschiedlichen jugendlichen Zielgruppen geeignete Möglichkeiten der Selbstentwicklung
zu geben, werden Teilfelder konzeptionell entwickelt.
Das SGB VIII beschreibt die Zielsetzungen und Aufgabenstellung der Jugendarbeit in den §§ 11, 12
und 13: Die Unterscheidung in
1. Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen
2. dezentrale Jugendarbeit
3. Jugendsozialarbeit
bietet eine geeignete Gliederung für die Teilfelder der Konzeption.
Die Grafik visualisiert diese Teilfelder und die damit verbundenen Gremien und Netzwerke, auf die
im Folgenden näher eingegangen wird.
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4.1 Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen
Wie eingangs beschrieben, beteiligten sich viele Akteure aus Vereinen und Verbänden an dem
Entwicklungsprozess dieser Konzeption. Abgebildet wurde das derzeitige Angebot, wie z.B. das der
Sportvereine, des Jugendrotkreuzes oder der Feuerwehren. Neben dem facettenreichen Angebot
wurde auch genannt, welche Schwachpunkte in der Jugendverbandsarbeit in Achim bestehen und
an welchen Stellen Verbesserungen nötig sind. Herausgearbeitet wurden u. a. erschwerende
Bedingungen wie mangelnde Vernetzung, Unsicherheiten in Bezug auf Fördermöglichkeiten,
Raumprobleme und Überforderung des ehrenamtlichen Engagements.
Vereine und Verbände, die die Vielfalt der Angebote für Kinder und Jugendliche in Achim
gewährleisten, werden weiterhin finanziell unterstützt (siehe Richtlinie). Zusätzlich zu dieser
Förderung sollen neben den traditionellen Vereinen auch die in wechselnden Jugendinitiativen
engagierten Jugendlichen wahrgenommen und konzeptionell einbezogen werden.
Zur Revitalisierung der Selbstorganisationsformen junger Menschen in lokalen Initiativen,
Stadtteilgruppen, temporären jugendlichen Organisationen, sich stabilisierenden Cliquen, regionalen
jugendlichen Arbeitsgruppen und traditionellen Jugendverbänden wird ein, auf Selbstbildung,
Partizipation und Beteiligung zielendes Konzept vorgeschlagen.
Projektarbeit
Junge Menschen wünschen sich Erfahrungsräume, in denen sie sich ausprobieren können, ihre
Ideen Anderen mitteilen, sich zum gemeinsamen Gespräch und Handeln treffen können. Sie
wünschen sich die Übernahme von Eigenverantwortung und öffentlicher Wahrnehmung.
Zu diesem Zweck werden offene Projekte von jungen Menschen vorgeschlagen. Die genannten
Gruppen werden bei der Durchführung von Projekten unterstützt. Wenn sie Interesse haben, sich mit
einer gleichaltrigen Gruppe zu einem bestimmten Thema, einem Motto, einer Aktion zusammen zu
finden, können sie unterstützt und finanziell gefördert werden.
Sie können einen Antrag auf Förderung bei der Jugendjury stellen. Jedes bewilligte Projekt wird mit
einem Förderbetrag (siehe Richtlinien) pauschal unterstützt. Die Ergebnisse dieser Projekte werden
direkt im Anschluss öffentlich präsentiert. Ein solches Projekt sollte öffentlich zugänglich sein, um
Interessierte für dieses Projekt zu gewinnen und das Ergebnis sollte öffentlich darstellbar sein. Diese
Projekte können dezentral oder zentral stattfinden. Sie könnten sich beispielhaft mit den folgenden
Themen beschäftigen:
Produktion von Videoclips zu jugendlichen Themen, ökologische Politik, Ernährung und Kochen,
Poetry-Slam-Wettbewerbe, Musikprojekte und Medienprojekte zur Darstellung jugendlicher
Lebensformen, Rollenspiel- und Fantasie-Projekte, erlebnispädagogische Aktionen, sowie Projekte
für ein lokales Internetradio, für direkte Demokratie, Zivilcourage und Engagement für andere junge
Menschen.
Die genannten Projektformen sind nur Beispiele für die vielfältigen Ausdrucksformen jugendlichen
Lebens in Achim. Auf diesem Wege werden junge Menschen zu Beteiligung und aktivem Handeln
eingeladen, sie beschäftigen sich mit einem Thema, das sie selbst ausgewählt haben und das sie
interessiert. Sie laden andere zur Mitarbeit ein, gestalten ein Produkt und gewinnen
Selbstbewusstsein und Zutrauen in öffentlicher Präsentation. Mit einem solchen Programm werden
die ursprünglichen Aufgaben der Jugendarbeit nach Selbstorganisation und Selbstbildung
verwirklicht. Auf diesem Wege haben auch traditionelle Jugendverbände die Möglichkeit neue Ideen
auszuprobieren, andere für ihre Fragestellungen zu gewinnen und sich öffentlich bekannt zu
machen. Jugendinitiativen haben so die Chance in den Kreis der Organisierten aufgenommen zu
werden und sich auch dort mit innovativen Ideen zu etablieren.
Jugendliche Räume
Ehrenamtliche Jugendgruppenleiter/innen werden regelmäßig durch die Jugendverbände und auch
durch die kommunale Jugendpflege für ihre Aufgaben qualifiziert. Diese Jugendleiter/innen können
im lokalen Raum Verantwortung für die Selbstorganisation junger Menschen übernehmen. In vielen
Quartieren ist der Wunsch nach Nutzung von Räumen durch junge Menschen offenkundig. Hier
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können Jugendleiter/innen sowohl aus Verbänden als auch als Nichtorganisierte Aufgaben
übernehmen, die ihrem Willen nach Beteiligung entsprechen. Mit einer Jugendleiter/innen-Card
(Juleica) ausgestattete Jugendliche haben die Möglichkeit, die Betreuung von Bolzfeldern,
Jugendräumen, Spielaktionen uvm. in Abstimmung mit den Betreibern zu übernehmen und
Jugendliche einzuladen, dort gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln. Dies entspricht dem Willen
vieler Jugendlicher sich regelmäßig selbst organisiert zu treffen und gibt den Jugendgruppen weiter
die Möglichkeit ihre Leitungsqualifikationen zu entwickeln. Auch hier ist gewollt, dass sich durch
solche offenen Angebote die Jugendverbände öffentlich zeigen und neue Mitglieder zu ihren
Aktivitäten finden können. Die Jugendleiter/innen-Card enthält Privilegien, die der freiwilligen Arbeit
der Jugendgruppenleiter/innen die Anerkennung geben, die sie mit dieser Arbeit verdienen. Diese
Aktivitäten des „Offenhaltens“ von Räumen werden durch eine hauptamtliche Kraft begleitet und
koordiniert.
Organisationsstruktur
Um diesen neuen Aufgaben gerecht zu werden, bedarf es einer veränderten Organisation und
Arbeitsweise. Als Arbeitsplattform für die oben genannten Gruppen wird eine Jugendkonferenz als
Vollversammlung (Altersbegrenzung bis 26 Jahre) der aktiven Verbände und Initiativen regelmäßig
einberufen, die durch Räte in den verschiedenen Feldern der Jugendarbeit Aktivitäten gestaltet,
durchführt und neue anregt:
1. Eine lokale Jugendjury, die die oben genannten Projekte in eigener Verantwortung bewertet,
entscheidet und soweit notwendig begleitet.
2. Ein Komitee der Jugendgruppenleiter/innen, das sich um Initiativen zur Öffnung von Räumen
zur Nutzung durch junge Menschen kümmert.
3. Ein Komitee, das die Richtlinien der Jugendförderung für die Verbände neu gestaltet und mit
wechselnden Initiativen den aktuellen Bedürfnissen anpasst.
4. Verantwortliche Jugendliche, die die Partizipation in den lokalen politischen Gremien
wahrnehmen.
5. Ein Forum, das allen weiteren Akteuren der Jugendarbeit eine Möglichkeit zum
Erfahrungsaustausch, Fortbildungen und Netzwerkarbeit bietet (Ü26 Forum).
Die Koordination für diese Aufgaben der Begleitung und Entwicklung liegt bei der/dem
Verantwortlichen für das Produkt Kinder und Jugend der Stadt Achim
4.2 Dezentrale Jugendarbeit
In einem Workshop der hauptamtlichen Mitarbeiter/innen aus den unterschiedlichsten
sozialpädagogischen Berufsfeldern wurden die sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen und
deren Auswirkungen diskutiert. Es wurde deutlich, dass Jugendarbeit ein wichtiges Element ist, um
gesellschaftlichen Entwicklungen mit partizipativen Angeboten zu begegnen. Ein besonderes
Augenmerk galt dem Bildungsauftrag der Jugendarbeit. Andiskutiert wurden theoretische
Grundlagen der Kinder- und Jugend(sozial)arbeit.
Durch dezentrale Jugendarbeit werden in kommunalpolitischer Verantwortung Angebote für alle
jungen Menschen entsprechend der obigen Ziele nach Selbstbildung gemacht und eine
entsprechende Infrastruktur bereitgestellt. Dabei unterscheidet sie sich von anderen Angeboten der
Jugendhilfe nach Prävention oder erzieherischem Jugendschutz.
Offene Jugendarbeit als offener Raum in einem Jugendzentrum erreicht nur eine begrenzte Zahl von
Jugendlichen, die solch einen Raum durch beengte häusliche Lebensverhältnisse brauchen.
Unterstützung und Hilfe für diese marginalisierten Jugendlichen sollten systematisch als Angebote
der Jugendsozialarbeit gemacht werden.
Vor diesem Hintergrund wird ein grundsätzlicher Umschwung - eben ein Paradigmenwechsel
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vorgeschlagen.
Hierzu wird das folgende Szenario entwickelt, dass sich in Teilziele gliedern lässt, die sukzessiv in
einen überschaubaren Zeitraum realisiert werden könnten.
Soll in Sachen Jugendarbeit und Jugendbildung nicht der Stadtteil und Quartieregoismus das
Konzept bestimmen, ist es notwendig, den Blick auf die gesamte Stadt mit ihren Wohngebieten zu
lenken. Offene Jugendarbeit folgt den wechselnden Gesellungsformen, veränderten Lebensstilen,
versucht Identifikationen und alternative Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten,
Expressionsformen, an Spielorten und auf bespielbaren öffentlichen Plätzen zu organisieren,
Hilfestellungen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen zu geben und in problematischen
Lebensphasen und -umbrüchen Beratung und Unterstützung zu vermitteln. Es gilt ein Konzept zu
entwickeln, das notwendige pädagogische, organisatorische, personelle und finanzielle Ressourcen
für diese Zielsetzungen bereitstellt.
Für die gesamte Stadt Achim wird ein Team von pädagogischen Fachkräften für mobile und
dezentrale Jugendarbeit eingesetzt. Dieses qualifizierte Team wirkt nach pädagogischem Konzept,
unter Partizipation von Jugendlichen und im Hinblick auf aktuelle Anforderungen. Dieses Team kann
erkannte Defizite in den Stadtteilen auffangen, die bisherigen Angebotsstrukturen, wo notwendig
stabilisieren, oder auch ausbauen und ergänzen und aktuelle Initiativen aufgreifen.
Strukturierte Vernetzungen zwischen den Räten der Jugendinitiativen / -vereine und hauptamtlichen
Organisatoren dezentraler Jugendarbeit tragen mit zur Weiterentwicklung der Angebote bei.
Diese flexiblen Angebote können in verschiedenen Räumen (auch Schulräumen, Vereinsheimen,
Bibliothek etc.) stattfinden und sind auf Überschaubarkeit (zeitliche Begrenztheit des Programms)
angelegt.
Ein zentrales Haus dient als Ausgangspunkt für dezentrale Aktivitäten und kann stadtweite Angebote
zusammenführen. Ein Jugendhaus bietet Raum für Verbände, Initiativen und Angebote
unterschiedlichster Art, z.B. Mediothek, Veranstaltungszentrum, Sozio-Kultur-Service.
Mit dem Konzept einer stadtteilbezogenen, mobilen, offenen Jugendarbeit wird die vorherrschende
„Komm-Struktur“ der Jugendarbeit durchbrochen. Den veränderten Lebensbedingungen und
-wünschen der Jugendlichen kann somit ein den neuen Herausforderungen entsprechendes
Gesamtangebot bereitgestellt werden. Dabei existiert eine Gleichzeitigkeit von mobilen Formen einer
eher aufsuchenden Jugendarbeit und Angeboten, die besser zentral durchgeführt werden.
4.3 Jugendsozialarbeit
Jugendsozialarbeit ist eine Integrationshilfe nach § 13 SGB VIII zur Förderung schulischer und
beruflicher Ausbildung, zur Eingliederung in die Arbeitswelt und zur sozialen Integration.
Jugendsozialarbeit stellt eine Brücke für den Übergang von der Schule in den Beruf, in Werkstätten,
Beratungsstellen, Jugendwohnheimen und in Integrationsprojekten für Jugendliche mit
Migrationshintergrund dar.
Jugendsozialarbeit als Schulaufgabenhilfe, pädagogischer Mittagstisch, Trainingskurse und andere
Angebote der schulischen und beruflichen Integration finden in Kooperation mit den Bildungs-, und
beruflichen Trägern statt. Sie richten sich in Art und Umfang an spezifische Ardressatengruppen, die
besondere Integrationsangebote brauchen. Diese besonderen Zielgruppenangebote sind in enger
Kooperation mit Angeboten der ambulanten Erziehungshilfen zu entwickeln (siehe hierzu das
Konzept über die Gemeinwesenarbeit im Landkreis Verdenix).
Aufgrund der historischen Entwicklung ist die Situation im Magdeburger Viertel besonders zu
betrachten. Das Programmgebiet der Sozialen Stadterneuerung wird neben den städtebaulichen
Maßnahmen durch die stadtteilbezogene Quartiersarbeit, die u.a. sowohl Maßnahmen der
Jugendarbeit als auch der Jugendsozialarbeit umfasst, unterstützt. Die Stadt Achim hat das Ziel, die
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Akzeptanz des Stadtteils und die Kompetenzen der dort lebenden Achimer/innen so zu fördern und
zu stärken, dass ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet wird. Die
damit verbundene Vernetzungsarbeit, Maßnahmenentwicklung, Initiierung von
Beteiligungsprozessen, Förderung von Selbstorganisation, Stärkung und Förderung der
Bewohnerinnen und Bewohner zur Erlangung von persönlicher Autonomie wird durch ein Fachteam
im städtischen Bürgerzentrum vor Ort organisiert.
Die Akteure der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und der Quartiersarbeit im Magdeburger Viertel
koordinieren ihre Arbeitsfelder und haben einen regelmäßigen fachlichen Austausch.
5. Zusammenfassung
In Zukunft wird Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in der Stadt Achim unter Berücksichtigung der
gesetzlichen Grundlagen den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechend angeboten.
Wesentliche Rahmenbedingungen sind dabei Sozialraumorientierung, Lebensweltorientierung,
Zielgruppenorientierung, offene Prozessplanung und der fachpolitische Diskurs.
Das Ziel ist die Entwicklung der Selbstorganisation und Selbstbildung von jungen Menschen und
wird über drei Säulen erreicht.
1. Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen
2. dezentrale Jugendarbeit
3. Jugendsozialarbeit
Eine wesentliche Säule der Jugendarbeit ist weiterhin die Vereinsarbeit. Stabilisiert wird sie durch
eine Basisfinanzierung, die durch eine zu überarbeitende Richtlinie gewährleistet wird. Zusätzlich
steht allen Jugendinitiativen die Möglichkeit offen, Förderung bei der Umsetzung von Interessen und
Ideen zu erhalten.
Die Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, die vorwiegend von hauptamtlichen Kräften vorgehalten
wird, wird von der zentralen Ausrichtung zu einem mobilen, sozialraumorientierten Angebot mit
dezentralem Charakter weiterentwickelt. Wesentliche Bestandteile sind neben einem zentralen
Jugendhaus der Aufbau dezentraler, mobiler Angebote, die in verschiedenen Räumen / Stadtteilen in
überschaubaren Zeiträumen realisiert werden.
Um den Prozess weiterentwickeln und steuern zu können, werden vom Sozialausschuss die
jeweiligen Inhalte der auszuübenden Leistungen definiert und beauftragt. Ausgeschrieben werden
die Leistungen für Träger der freien Jugendhilfe als Fachleistungsstunde mit einem definierten
Auftrag.
Schluss und Dank
Viele Akteure haben sich an der Erstellung dieser Konzeption beteiligt. Wertvolle Erfahrungen
wurden in den Workshops eingebracht, in vielen Gesprächen wurden Anregungen und Wünsche
geäußert. Allen, die zur Erstellung dieser Konzeption beigetragen haben, sei für ihr Engagement
gedankt.
Alle Beteiligten sind eingeladen, an der Umsetzung in die Praxis mitzuwirken und den lebendigen
Prozess der Jugendarbeit zu gestalten.
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i Gottschall; Voß(2003): Entgrenzung von Arbeit und Leben, Hamburg
ii Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht Bericht
über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland
iii Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht Bericht
über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland
iv Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht Bericht
über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland
v Lindner, Werner (2009): Kinder- und Jugendarbeit wirkt. Aktuelle und ausgewählte Evaluationsergebnisse der
Kinder- und Jugendarbeit. 2. Aufl. Wiesbaden
vi Deutsche Shell Holding (2006)(Hrsg.): 15. Shellstudie, Hamburg
vii Lindner, Werner (2009): Kinder- und Jugendarbeit wirkt. Aktuelle und ausgewählte Evaluationsergebnisse der
Kinder- und Jugendarbeit. 2. Aufl. Wiesbaden
viii Lindner, Werner (2009): Kinder- und Jugendarbeit wirkt. Aktuelle und ausgewählte Evaluationsergebnisse der
Kinder- und Jugendarbeit. 2. Aufl. Wiesbaden
ix Konzept über die Gemeinwesenarbeit im Landkreis Verden, Beschluss des Kreistages vom 22.06.2009
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