Helaba Volkswirtschaft/Research KONJUNKTUR KOMPAKT 6. September 2016 REDAKTION Dr. Stefan Mitropoulos Tel.: 0 69/91 32-46 19 [email protected] Die Welt im Blick ............................................................................................................................ 1 HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Slowakei: Export trägt Wachstum ................................................................................................ 4 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Prognoseübersicht......................................................................................................................... 7 Deutschland: Wachstumstreiber Staat ......................................................................................... 2 USA: Belebung in der zweiten Jahreshälfte................................................................................. 3 Niederlande: Kräftige Inlandsnachfrage....................................................................................... 5 Schweden: Konjunktur kühler, aber keine Herbststimmung...................................................... 6 Die Welt im Blick Dr. Stefan Mütze Tel.: 0 69/91 32-38 50 Europäischer Bau im Aufwind Klimaindizes, Saldo Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Zuletzt haben sich die europäischen Klimaindizes leicht eingetrübt. Politische Unsicherheiten wie der Brexit dürften zur Verschlechterung der Erwartungen in der Industrie beigetragen haben. Auch die Einzelhändler waren nicht mehr so optimistisch gestimmt, da die Ölpreise seit Jahresanfang deutlich zugelegt haben und Tarifsteigerungen beispielsweise in Deutschland nicht mehr so üppig ausgefallen sind. Trotzdem ist das Verbrauchervertrauen weiterhin auf einem hohen Niveau. 2016 dürfte in der Eurozone erneut ein Wirtschaftswachstum von 1,6 % erreicht werden. Der Konsum wird wie im Vorjahr etwa durchschnittlich zulegen. Der europäische Bau ist wieder zu einem Wachstumstreiber geworden. Die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau sind mit steigenden Einkommen und Beschäftigung sowie rekordniedrigen Hypothekenzinsen günstig. Nicht nur der deutsche Wohnungsbau expandiert. Auch in Ländern wie den Niederlanden oder Spanien, die ihre Immobilienkrise überwunden haben, legt die Produktion zu. Vom Außenhandel dagegen dürfte dieses Jahr ein leicht negativer Wachstumsbeitrag ausgehen. Schwachen Exporten in die USA und in wichtige Schwellenländerregionen wie den OPEC-Staaten und Lateinamerika stehen verhältnismäßig starke Importe gegenüber. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 KONJUNKT UR KOMPAKT Deutschland: Wachstumstreiber Staat Das zweite Quartal ist mit einem Wirtschaftswachstum von 0,4 % gegenüber der Vorperiode in Deutschland leicht besser ausgefallen als von uns erwartet. Zudem hat das Statistische Bundesamt den Verlauf für das Jahr 2015 geändert. Beides zusammen führt zu einem höheren Wachstum für 2016. Wir haben deswegen unsere Prognose für das laufende Jahr von kalenderbereinigt 1,6 % auf 1,8 % erhöht. Auch 2017 sollte die deutsche Volkswirtschaft ihre Stärken ausspielen können. Die Treiber von 2016 – Konsum und Wohnungsbau – werden auch im nächsten Jahr wirken und zu einem Wachstum von 1,6 % führen. Dr. Stefan Mütze Tel.: 0 69/91 32-38 50 Prognoseübersicht Deutschland Gesundheit, Pflege und Flüchtlinge treiben Ausgaben % gg. Vj., real 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. 1,6 1,5 1,8 1,6 Budgetsaldo % des BIP 0,3 0,6 0,5 0,3 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 7,3 8,5 8,6 8,5 % 6,7 6,4 6,2 6,1 % gg. Vj. 0,9 0,3 0,6 1,5 BIP*, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research *kalenderbereinigt p = Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Gleichwohl bleiben die Risiken hoch. So dürften sich der Brexit und das deutlich schwächere Pfund negativ auf die Außenhandelsbeziehungen zu Großbritannien auswirken. Die schrittweise Erholung in der Eurozone und ein wieder lebhafteres Wirtschaftswachstum in den USA sollten allerdings auch Chancen für den deutschen Export bieten. Trotzdem sind 2017 vom Außenhandel kaum positive Impulse zu erwarten, da die Importe wie die Exporte um schätzungsweise rund 3 % zulegen dürften. Steigende Steuern erleichtern mehr öffentlichen Konsum Die Binnennachfrage hingegen wird sich weiterhin erfreulich entwickeln. Die Rahmenbedingungen für den Privatkonsum (steigende Einkommen und Beschäftigung) bleiben günstig, so dass dieser mit 1,6 % ähnlich stark zulegen sollte wie in diesem Jahr. Zu einem Wachstumstreiber sind ab 2015 die Konsumausgaben des Staates geworden. Diese Komponente erreicht fast ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und errechnet sich als „Summe der Aufwendungen für soziale Sachleistungen (insbesondere Ausgaben für Arztleistungen, Krankenhausleistungen, Medikamente, Zahnersatz, Kuren, Unterbringung in Pflegeheimen) und der Aufwendungen für die Produktion staatlicher Leistungen im Rahmen der Nichtmarktproduktion des Staates (insbesondere Arbeit1 nehmerentgelt und Vorleistungen)“ . Hiervon abgezogen werden die Verkäufe dieser Leistungen sowie die Produktion für die Eigenverwendung. 2016 dürften die öffentlichen Konsumausgaben mit 3,5 % deutlich zulegen, nachdem bereits im Vorjahr ein Plus von real 2,7 % erreicht worden war. 2015 wurden u.a. die Honorare für niedergelassene Ärzte erhöht, was die Konsumausgaben der gesetzlichen Krankenkassen steigerte. Zudem kam es im vergangenen Jahr zu einer Leistungsausweitung in der Pflegeversicherung. Das Pflegestärkungsgesetz II dürfte ab 2017 weitere Konsumsteigerungen zur Folge haben. Auch führen zusätzliche Kapazitäten im Bildungswesen und der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung zu höheren Staatsausgaben. Die extrem starke Flüchtlingszuwanderung 2015 hat ebenfalls aufgrund der notwendigen Bereitstellung von Dienstleistungen im Gesundheits- und Bildungsbereich hierzu beigetragen. Der aktuell deutliche Rückgang der Flüchtlingszahlen sollte allerdings die Dynamik des Staatsverbrauchs bremsen. Trotzdem dürfte allein diese Komponente 2016 rund 0,7 und 2017 etwa 0,3 Prozentpunkte zum deutschen Wirtschaftswachstum beitragen. 1 Statistisches Bundesamt: WISTA, 5/2015, S. 85. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 KONJUNKT UR KOMPAKT USA: Belebung in der zweiten Jahreshälfte Im Jahr zum zweiten Quartal 2016 legte die US-Wirtschaft nur unterdurchschnittlich um 1,1 % zu. Für das dritte Quartal zeichnet sich eine merklich höhere Dynamik ab. Zwar dürfte der private Konsum nach seinem Spurt im Frühjahr eine Atempause einlegen. Allerdings sollte der Output nach dem ungewöhnlichen Lagerabbau im Frühjahr nun wieder mit der Nachfrage Schritt halten. Im Juli lag die Dreimonatsdynamik der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe so hoch wie seit Ende 2014 nicht mehr – dem Zeitpunkt also, zu dem der Öl- und Rohstoffpreisverfall einen Abschwung in den US-Bergbau- und Energiebranchen auslöste. Dieser war, zusammen mit dem starken Dollar, wohl die Hauptursache für die seitdem schwache Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe. Die nun wieder steigende Produktion dürfte zu einem kräftigen Wachstumsbeitrag seitens der Lagerhaltung der Unternehmen führen. Allerdings enttäuschte zuletzt der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe, der im August unter die 50-Punkte-Marke abgetaucht ist. Dennoch schätzt das „GDPNow“-Modell der Atlanta Fed die annualisierte Vorquartalsrate des realen Bruttoinlandsproduktes für das dritte Quartal aktuell auf 3,5 %. Patrick Franke Tel.: 069/91 32-47 38 Prognoseübersicht USA ISM-Index zuletzt wieder schwächer % gg. Vj. 2014 2015 2016p 2017p Index* 6 4 BIP, real % gg. Vj. 2,4 2,6 1,6 2,5 Budgetsaldo* % des BIP -3,6 -3,3 -3,4 -2,8 0 Leistungsbilanzsaldo % des BIP -2,3 -2,6 -2,7 -2,9 -2 % 6,2 5,3 4,8 4,3 -4 % gg. Vj. 1,6 0,1 1,2 2,2 -6 2002 65 ISM-Einkaufsmanagerindex (rechte Skala) 60 55 2 50 45 Arbeitslosenquote Inflationsrate * Bundesebene einschl. Sozialversicherungen (NIPA-Basis) Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research p = Prognose 40 reales BIP (linke Skala) 35 30 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 *Quartalswerte, letzter Wert: Durchschnitt Juli/August Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Angesichts des bis ins Frühjahr hinein sehr verhaltenen Wachstumstempos ist der robuste Zustand des Arbeitsmarktes umso erstaunlicher. Der Stellenaufbau lag von Jahresbeginn bis zum August immerhin bei durchschnittlich gut 180.000 pro Monat. Mit unter 5 % signalisiert die Arbeitslosenquote praktisch Vollbeschäftigung. Die Löhne ziehen an. Die Teuerung bewegt sich im Rahmen unserer Prognosen. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel liegt seit geraumer Zeit im Bereich von 2 % bis 2,3 %. Daran dürfte sich zunächst nicht viel ändern. Selbst wenn die Ölpreise zunächst auf dem aktuellen Niveau von 45 bis 50 Dollar je Barrel verharren, wird aber ein Basiseffekt bei der Energiekomponente dazu beitragen, dass die Gesamtteuerung gemessen am Verbraucherpreisindex in den kommenden Monaten von rund 1 % auf 2 % anzieht. Noch ein Zinsschritt Ende 2016 Wir gehen unverändert davon aus, dass die Notenbank in diesem Jahr den Leitzins einmal anheben wird – wahrscheinlich im Dezember. Im kommenden Jahr dürfte sich dieser sehr schleppende Prozess dann fortsetzen. Nach den Erfahrungen der Jahre 2015 und 2016 wird sich die Fed in unserem Basis-Szenario wohl nur zu zwei Zinserhöhungen à 25 Basispunkte durchringen können. Irritationen von den Finanzmärkten und der Weltwirtschaft wird es auch 2017 geben. Angesichts der bereits erreichten Vollbeschäftigung und der bald wieder bei 2 % liegenden Teuerung steigt damit das Risiko, dass die Fed bei der Normalisierung des Zinsniveaus „hinter die Kurve“ fällt. Notenbankvertreter betonen zwar stets den angeblich großen Spielraum, den sie im Falle des Falles für eine zügigere Anhebung der Leitzinsen hätten. Vor dem Hintergrund der extrem niedrigen Kapitalmarktzinsen und praktisch nicht-existenten Erwartungen hinsichtlich höherer Leitzinsen am Finanzmarkt ist jedoch unklar, wie ein solcher Kurswechsel ohne Crash am Rentenmarkt und erhebliche Rezessionsrisiken über die Bühne gehen sollte. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 3 KONJUNKT UR KOMPAKT Slowakei: Export trägt Wachstum Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli rückt die Slowakei, die zuletzt vor allem durch die Ablehnung von Griechenlandhilfen und einer verbindlichen EU-Flüchtlingsquote auffiel, in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit. Konjunkturell zeigt sich das 5,4 Millionen Einwohner zählende Land, das im Zuge der Osterweiterung 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde und 2009 den Euro einführte, von bester Seite. In den vergangenen zehn Jahren konnten von allen EU-Ländern nur Polen und Irland ein dynamischeres Wirtschaftswachstum aufweisen. 2015 legte das slowakische BIP real um 3,6 % zu. Im ersten Halbjahr 2016 expandierte es im Durchschnitt ebenfalls um 3,6 % und gewann damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch etwas an Tempo. Dabei ist die Slowakei mit einem Haushaltsdefizit von unter 3 % und einer Staatsverschuldung von gut 50 % des BIP eines der wenigen europäischen Länder, die die Maastricht-Grenzen einhalten. Jakob Beuschlein Tel.: 0 69/91 32-20 24 Prognoseübersicht Slowakei Exportgetriebenes Wachstum Komponenten des BIP, real, Index: Q1 2008 = 100 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. 2,5 3,6 3,1 2,8 Budgetsaldo % des BIP -2,7 -3,0 -2,3 -2,1 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 0,1 -1,3 -1,0 -0,8 % 12,8 11,5 9,6 8,6 % gg. Vj. -0,1 -0,3 -0,7 0,6 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research EU-Gelder lassen Investitionen stark steigen p = Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Getragen wurde das Wachstum der letzten Jahre vor allem durch die starken Exporte. Das Jahr 2015 stellte hier allerdings mit einer um fast 5 % wachsenden Inlandsnachfrage eine Ausnahme dar. Da 2015 letztmals EU-Gelder aus der Förderperiode 2007-2013 abgeschöpft werden konnten, stiegen die Anlageinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr kräftig um 14 %. Dies ließ die Importe mit 8,2 % stärker steigen als die Exporte mit 7 %, wobei Deutschland mit einem Anteil von jeweils gut 20 % bei den Aus- und Einfuhren der mit Abstand wichtigste Handelspartner blieb. Die slowakische Wirtschaft ist, ähnlich der deutschen, geprägt vom Verarbeitenden Gewerbe, das mit rund einem Fünftel an der Bruttowertschöpfung beteiligt ist. Hierbei nimmt neben der Metallerzeugung und -verarbeitung vor allem die Automobilbranche eine herausragende Rolle ein. Mit über einer Million produzierten Autos 2015, stellt die Slowakei pro Kopf so viele Fahrzeuge her wie kein anderes Land der Welt. Ab 2018 soll sich diese Zahl durch eine Großinvestition von Jaguar Land Rover sogar um weitere bis zu 300.000 pro Jahr erhöhen. Trotz der rosigen Aussichten für die Jahre 2016 und 2017 mit Wachstumsraten von voraussichtlich um 3 % gibt es einige Baustellen für die im März gewählte Mitte-Rechts-Koalition unter Ministerpräsident Fico. Die Arbeitslosenquote lag 2015 im Jahresdurchschnitt zwar mit 11,5 % unter dem Niveau der letzten Jahre und wird 2016 die 10 %-Marke unterschreiten. Dennoch hat die Slowakei eine der höchsten Langzeitarbeitslosenquoten der EU. Dies liegt nicht zuletzt an der mangelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration von Minderheiten, wie den Roma. Probleme verursacht auch die weiterhin verbreitete Korruption (Platz 50 im Corruption Perceptions Index), deren Bekämpfung die neue Regierung nun allerdings verstärkt angehen will. Zudem ist das Land geprägt von einer hohen Ungleichheit zwischen dem strukturschwachen Osten und dem westlichen Ballungsraum um die Hauptstadt Bratislava, wo mehr als ein Viertel des slowakischen BIP erwirtschaftet wird. Zurzeit liegt die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung der Slowakei etwa bei der Hälfte des europäischen Durchschnitts. Mit den aktuellen Wachstumsraten deutlich oberhalb des EUMittels befindet sich das Land aber auf einem guten Weg sich diesem langfristig anzunähern. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 4 KONJUNKT UR KOMPAKT Niederlande: Kräftige Inlandsnachfrage Die niederländische Volkswirtschaft befindet sich auf einem soliden Wachstumspfad. Die deutliche Expansion in der ersten Hälfte des laufenden Jahres rührte insbesondere von der inländischen Nachfrage her. Sowohl der private Konsum als auch die Investitionen der Unternehmen legten kräftig zu. Dies lässt die realen Güterimporte mittlerweile stärker wachsen als die entsprechenden Exporte, nachdem jahrelang das Gegenteil der Fall war. Im Gesamtjahr 2016 dürfte das BIP um 1,7 % zulegen und im kommenden Jahr in vergleichbarem Ausmaß. Dämpfend wirkt dabei die Beschränkung der heimischen Gasproduktion. Zudem beeinflusst das Brexit-Votum über den Welthandel das BIP-Wachstum, und zwar signifikanter als in anderen Euroländern. Ulrike Bischoff Tel.: 0 69/91 32-52 56 Denn die erwartete gesamtwirtschaftliche Verlangsamung in Großbritannien als drittgrößtem Handelspartner der Niederlande dürfte sich hier auch indirekt niederschlagen. Schließlich sind die Niederlande eine sehr offene Volkswirtschaft mit international bedeutenden Häfen, über die auch viele Reexporte abgewickelt werden. Hierbei handelt es sich um eingeführte Produkte, die nach geringfügiger Bearbeitung wieder ausgeführt werden. Im Übrigen fällt das Brexit-Votum in den Niederlanden auf fruchtbaren, weil Euro-skeptischen Boden. Allerdings wird es hier wohl auf absehbare Zeit nicht zu einer entsprechenden Volksabstimmung kommen, da das Gros der politischen Parteien dies nicht unterstützt. Wie Umfragen belegen, befürwortet die Mehrheit der Bevölkerung die niederländische EU-Mitgliedschaft. Prognoseübersicht Niederlande Konsum als wichtigste BIP-Komponente % gg. Vj. 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. 1,4 2,0 1,7 1,6 Budgetsaldo % des BIP -2,3 -1,8 -1,5 -1,2 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 10,2 9,2 9,0 9,0 % 7,4 6,9 6,2 5,9 % gg. Vj. 0,3 0,2 0,2 1,0 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research Schwache Inflation p = Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Der private Konsum als weitaus wichtigste BIP-Komponente dürfte sich weiter positiv entwickeln. Dies wird sowohl vom Arbeits- als auch vom Wohnungsmarkt befördert. Seit Anfang 2014 ist die Arbeitslosenquote auf mittlerweile rund 6 % gesunken, einhergehend haben die Beschäftigung und die verfügbaren Einkommen der Haushalte deutlich zugelegt. Allerdings dürfte sich die Dynamik der Reallöhne mit der wieder aufkeimenden Inflation etwas abschwächen. Gegenwärtig ist die gesamtwirtschaftliche Preisentwicklung ungewöhnlich schwach (zuletzt -0,6 % gg. Vj.). Bedingt insbesondere durch niedrige Energiepreise bewegt sich die Inflation seit über einem Jahr nahe historischer Tiefstände. Dementsprechend ist für den Jahresdurchschnitt 2016 gerade einmal eine leicht positive Teuerungsrate zu erwarten. Im Rahmen der soliden Konjunkturerholung dürfte sie mit anziehendem Ölpreis 2017 auf rund 1 % steigen. Der niederländische Markt für Wohnimmobilien folgt weiter seinem Aufwärtstrend, mittlerweile treten zunehmend Engpässe auf. Die Anzahl von Eigenheimverkäufen ist zurück auf Vorkrisenniveau, der entsprechende Preisindex befindet sich im Höhenflug. Dies hat positive Rückwirkungen auf die Inlandsnachfrage, da z.B. vermehrter Bedarf an langlebigen Haushaltsgegenständen wie Möbeln zur Ausstattung neuer Eigenheime besteht. Auf Basis des moderaten Wirtschaftswachstums setzt die niederländische Regierung ihren Konsolidierungskurs fort. Das Budgetdefizit wurde von 3,9 % in 2012 auf bereits 1,8 % in 2015 verringert und dürfte sich 2016/2017 weiter auf die Marke von 1 % zubewegen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 5 KONJUNKT UR KOMPAKT Schweden: Konjunktur kühler, aber keine Herbststimmung Die jüngsten Daten zum Wirtschaftswachstum in Schweden zeigen eine Abschwächung der Konjunkturdynamik im ersten Halbjahr. Allerdings blieb das reale Plus im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr mit 3,1 % hoch. Wachstumstreiber waren der private Verbrauch, die Lagerbildung und – bedingt durch den Zustrom an Einwanderern – der Staatsverbrauch. Der Außenhandel hingegen hatte leichte Bremseffekte. Im Jahresdurchschnitt dürfte das Wachstum rund 3 % erreichen. Die Abkühlung der Wirtschaft nach den Überhitzungstendenzen 2015 mit einem jahresdurchschnittlichen Wachstum von 4,2 % ist keine beunruhigende Nachricht. Das Brexit-Votum dürfte das Verbrauchervertrauen belasten. Großbritannien ist für Schweden schon aufgrund des Exportanteils von 7 % ein wichtiger Partner in der EU. Jedoch ist mit der verbesserten Arbeitsmarktlage eine gute Basis für den privaten Verbrauch und weiteres Wachstum gegeben. Auch die Ausgaben zur Bewältigung der einwanderungspolitischen Aufgaben dürften die Konjunktur weiter unterstützen. Marion Dezenter Tel.: 0 69/91 32-28 41 Die Inflation hat sich – auch aufgrund höherer Strompreise seit Jahresanfang – von dem extrem niedrigen Niveau 2015 (0 % im Jahresdurchschnitt) verabschiedet und erreichte zuletzt 1,1 %. Dies entspricht allerdings noch immer nur rund der Hälfte des Inflationsziels. Der Vergleich mit dem entsprechenden Preisindex, der Zinseffekte ausklammert (CPIF), zeigt, dass die stark gesunkenen Hypothekenzinsen inflationssenkend wirken. Im Verlauf von 2016 haben sich die Raten jedoch angenähert. Zwei Einflussfaktoren sprechen für eine moderat anziehende Inflation: Die Krone hat im bisherigen Verlauf von 2016 tendenziell abgewertet und der Ölpreis hat sein Tief vom Jahresanfang überwunden. Beide Entwicklungen tragen zu einer Verteuerung der Importe bei. Insgesamt ist für 2016 mit einer Inflation von knapp 1 % zu rechnen. Allerdings fallen die Lohnabschlüsse wegen der niedrigen Teuerung schwächer aus und wirken dadurch inflationshemmend. Prognoseübersicht Schweden Zinsrückgang drückt auf die Inflation Verbraucherpreisindex und CPIF, % gg. Vj. 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. 2,3 4,2 3,1 2,5 Budgetsaldo % des BIP -1,6 0,0 -0,4 -0,7 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 4,2 4,9 5,8 5,7 % 7,9 7,4 6,9 6,7 % gg. Vj. -0,2 0,0 0,9 1,4 BIP, real Arbeitslosenquote (EU) Inflationsrate Quellen: Macrobond, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research Geldpolitik bleibt expansiv p = Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Geldpolitik unterstützt das Wirtschaftswachstum: Die Riksbank konzentriert sich v.a. darauf, die Krone nicht zu stark werden zu lassen und die Inflation wieder dem Ziel von 2 % anzunähern. Da die Krone aber von vielen Anlegern als „sicherer Hafen“ geschätzt wird, hat die Notenbank trotz der robusten Konjunkturdaten sowie der hohen und weiter steigenden Verschuldung der privaten Haushalte die Zügel immer wieder gelockert. Der Leitzins liegt aktuell bei -0,5 %, zusätzlich hat die Riksbank im April nochmals ihr Anleiheankaufprogramm ausgeweitet. Bis Ende des Jahres wird sie so Staatsanleihen im Wert von insgesamt rund 25 Mrd. Euro erworben haben. Um den aufgeheizten Häusermarkt nicht weiter zu befeuern, sind Anfang Juni Amortisierungsregeln für neue Hypotheken in Kraft getreten. Ab März 2017 werden zudem die Eigenkapitalanforderungen für Banken erhöht. Von einer Zinswende geht die Notenbank nun für die zweite Jahreshälfte 2017 aus, positive Zinsen erwartet sie frühestens 2018. Die Unsicherheiten für die Wirtschaft im Zu2 sammenhang mit der Brexit-Entscheidung Ende Juni dürften in den geldpolitischen Erwägungen der nächsten Zeit spürbar werden. Auch mit der verschobenen Zinswende hätte sie europaweit wahrscheinlich eine Vorreiterrolle. 2 Siehe dazu auch Helaba Länderfokus „Brexit: Kein glorreiches Vorbild für Nordländer“ vom 7.7.2016 H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 6 KONJUNKT UR KOMPAKT Prognoseübersicht Euroland Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise reale Veränderung gg. Vorjahr, % Veränderung gg. Vorjahr, % 2014 2015 2016p 2017p 2014 2015 2016p 2017p 0,9 1,6 1,6 1,5 0,4 0,0 0,4 1,4 Deutschland 1,6 1,5 1,8 1,6 0,9 0,3 0,6 1,5 Frankreich 0,7 1,2 1,4 1,4 0,6 0,1 0,4 1,4 Italien -0,3 0,6 0,9 1,2 0,2 0,1 0,2 1,3 Spanien 1,4 3,2 3,0 2,1 -0,2 -0,6 -0,1 1,3 Niederlande 1,4 2,0 1,7 1,6 0,3 0,2 0,2 1,0 Österreich 0,4 0,9 1,3 1,4 1,7 0,9 1,1 1,6 Griechenland 0,7 -0,3 -0,7 1,4 -1,4 -1,1 -0,1 1,0 Portugal 0,9 1,5 1,0 1,5 -0,2 0,5 0,4 1,0 Irland 8,4 26,3 4,7 3,0 0,3 0,0 0,2 1,4 Großbritannien 3,1 2,2 1,3 0,7 1,5 0,1 0,9 2,7 Schw eiz 1,9 0,8 1,0 1,3 -0,1 -1,1 -0,4 0,5 Schw eden 2,3 4,2 3,1 2,5 -0,2 0,0 0,9 1,4 Norw egen 2,2 1,6 1,3 1,4 2,0 2,1 3,4 2,2 Polen 3,3 3,6 3,0 2,7 0,0 -0,9 -0,6 2,0 Ungarn 3,7 2,9 2,0 2,7 -0,2 -0,1 0,3 2,2 Tschechien 2,0 4,2 2,4 2,5 0,4 0,3 0,8 1,9 Russland 0,6 -3,7 -1,2 1,2 7,8 15,5 7,5 5,5 USA 2,4 2,6 1,6 2,5 1,6 0,1 1,2 2,2 Japan -0,1 0,6 0,4 0,7 2,7 0,8 0,0 0,5 Asien ohne Japan 5,7 5,4 5,1 5,0 3,6 2,5 2,8 3,1 China 7,3 6,9 6,5 6,0 2,1 1,5 2,0 2,3 Indien 7,2 7,5 7,0 6,8 6,7 4,9 5,1 5,5 1,3 0,1 -0,1 1,8 10,7 13,0 17,0 14,0 0,1 -3,8 -3,0 1,0 6,3 9,0 8,5 5,5 3,2 2,9 2,7 3,1 3,4 3,0 3,5 3,7 Lateinamerika Brasilien Welt p = Prognose; BIP-Wachstum soweit verfügbar kalenderbereinigt Quellen: EIU, Macrobond, Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 7