Helaba Volkswirtschaft/Research KONJUNKTUR KOMPAKT 6. Juli 2016 REDAKTION Dr. Stefan Mitropoulos Tel.: 0 69/91 32-46 19 [email protected] Die Welt im Blick ............................................................................................................................ 1 HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Großbritannien: Brexit-Abschwung.............................................................................................. 4 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Prognoseübersicht......................................................................................................................... 7 Deutschland: Brexit-Folgen nicht überschätzen ......................................................................... 2 USA: Im Westen nicht viel Neues ................................................................................................. 3 Japan: Ohne Schwung ................................................................................................................... 5 Kroatien: Trainerwechsel für bessere Chancenverwertung ....................................................... 6 Die Welt im Blick Patrick Franke Tel.: 0 69/91 32-47 38 Brexit: Selbst massiver Konjunktureinbruch in Großbritannien mit überschaubaren Folgen Wieviel muss sich das Wachstum ändern, damit das Weltwachstum unmittelbar um 0,1 Prozentpunkte höher/niedriger ist (Prozentpunkte) 4,0 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 0,0 0,0 Großbritannien Russland Japan Lateinamerika Eurozone USA Asien ohne Japan davon China Quellen: IWF, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Großbritannien hat (je nach Berechnungsmethode) ein Gewicht an der Weltwirtschaft von 2 % bis 4 %. Unser „globales“ Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist auf Basis von Kaufkraftparitäten aggregiert und die britische Wirtschaft hat daran einen Anteil von 2,8 %. Damit sich das Weltwachstum in der ersten Nachkommastelle direkt ändert, müsste das britische Wachstum um 3,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Dies ist weit jenseits von dem, was wir in unserem Basis-Szenario erwarten (S. 4). Zum direkten Effekt kommen Zweitrundeneffekte hinzu. Allerdings sollten die globalen Schwergewichte USA und China von der Schwäche in Großbritannien und den Finanzmarktverwerfungen nur sehr peripher tangiert werden. Unter den großen Wirtschaftsräumen wird wohl die Eurozone am meisten in Mitleidenschaft gezogen. Die hier unterstellten Auswirkungen summieren sich für 2017 jedoch zusammen mit dem geänderten Ausblick für die britische Wirtschaft nicht auf einen Effekt, der über die übliche Prognoseunschärfe hinausgeht. Wir bleiben daher bei unserer Prognose für das globale Wachstum 2017 von 3,2 %. Die Finanzmarktreaktionen lagen bislang im Rahmen unserer Annahmen. Ein Anpassungsbedarf des „post-Brexit-Szenarios“ zeichnet sich derzeit nicht ab. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 KONJUNKT UR KOMPAKT Deutschland: Brexit-Folgen nicht überschätzen Nach der überraschenden Entscheidung der Briten für einen Brexit haben wir unsere Prognosen für das Wachstum der deutschen Wirtschaft für 2016 leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 1,6 % und für 2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 1,3 % heruntergenommen. Da das Vereinigte Königreich deutlich langsamer wachsen wird, dürften die Importe aus Deutschland hierunter leiden. Hinzu kommt die Abschwächung des Pfunds gegenüber dem Euro, die sich zurzeit auf rund 10 % beläuft. Zumindest kurzfristig wird sich für die Zeit der Verhandlungen am freien Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU nichts ändern. Die Ergebnisse der Verhandlungen bleiben abzuwarten und müssen zu gegebener Zeit bewertet werden. Dr. Stefan Mütze Tel.: 0 69/91 32-38 50 Prognoseübersicht Deutschland Exporte in die Eurozone wieder stärker Deutsche Ausfuhren, Januar 2011 = 100 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. 1,6 1,4 1,6 1,3 Budgetsaldo % des BIP 0,3 0,6 0,2 0,0 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 7,3 8,5 8,4 8,3 % 6,7 6,4 6,2 6,1 % gg. Vj. 0,9 0,3 0,6 1,5 BIP*, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Aufschwung trotz Brexit nicht gefährdet p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Das Brexit-Referendum hat sich bislang noch nicht in den Stimmungsindikatoren für die deutsche Wirtschaft niederschlagen können. Das ifo-Geschäftsklima für Juni ist auf 108,7 gestiegen. Allerdings wurde es zuvor erhoben. Das gleiche gilt für den ermutigenden Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe. Auch wenn die Juli-Werte – wie zu erwarten – deutlich niedriger ausfallen, dürfte es nicht zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsbewegung kommen. Die deutsche Wirtschaft ist hierfür zu breit aufgestellt. Das Wachstum geht zurzeit von der Binnennachfrage aus. Treiber sind nicht nur die privaten Konsumausgaben, die von der steigenden Beschäftigung, der niedrigen Inflation und den üppigen Tarifsteigerungen profitieren. Auch führen zunehmende Steuereinnahmen zu höheren öffentlichen Ausgaben. Die Sonderkonjunktur im Wohnungsbau setzt sich fort, auch wenn die Fertigstellungszahlen im vergangenen Jahr enttäuschend ausgefallen sind. Steigende Genehmigungen lassen eine positive Entwicklung des Neubaus erwarten. Im öffentlichen Bau dürfte es durch verschiedene staatliche Programme zu Impulsen kommen. Darüber hinaus ist die deutsche Exportwirtschaft regional breit diversifiziert. Großbritannien ist zwar ein sehr wichtiger Markt, der immerhin 7,5 % der deutschen Ausfuhren aufnimmt. Eine potenziell negative Entwicklung hier kann allerdings teilweise andernorts kompensiert werden. Erfreulicherweise hat sich die China-Schwäche des vergangenen Jahres in Luft aufgelöst. Die deutschen Exporte nehmen seit Ende 2015 wieder zu. Zudem hält die positive Entwicklung in den wichtigen zentraleuropäischen Ländern an. Auch in der Eurozone scheint sich der zögerliche Aufwärtstrend fortzusetzen. Zudem sollten die deutschen Außenhändler von einem schwächeren Euro profitieren. Mit dem britischen EU-Austritt wachsen die Zweifel auch an der der Währungsunion. Zudem wird die EZB weiterhin einen sehr expansiven Kurs verfolgen. Temporär dürfte die Gemeinschaftswährung damit gegenüber dem US-$ die Parität erreichen, was die Wettbewerbsfähigkeit auch der deutschen Unternehmen tendenziell stärkt. Aufgrund der in den vergangenen Quartalen sich nur mäßig entwickelnden Exporte bei gleichzeitig lebhafteren Importen hat der Außenhandel im ersten Quartal 2016 zum dritten Mal in Folge einen negativen Wachstumsbeitrag geliefert. Auch im Gesamtjahr muss aufgrund der unsicheren Lage auf vielen Auslandsmärkten mit einem kleinen negativen Effekt des Außenhandels gerechnet werden. Der Aufschwung setzt sich trotz allem fort. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 KONJUNKT UR KOMPAKT USA: Im Westen nicht viel Neues Wir kennen das aus den USA ja schon: Der Konsum trägt die Konjunktur. Im Schnitt von April und Mai lagen die realen Konsumausgaben der Haushalte annualisiert 4 % über dem Durchschnitt des ersten Quartals. Selbst wenn man einen schwachen Juni-Wert unterstellt, zeichnet sich für das zweite Quartal ein reales Plus beim privaten Konsum von mehr als 3,5 % ab (Jahresrate). Weniger gut sieht es hingegen auf der Investitionsseite aus. Zwar legte der ISM-Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe im Juni auf 53,2 zu, den höchsten Wert seit Februar 2015. Die Sonderkonjunktur im Bergbau- und Energiesektor bremste die Investitionen aber bis zuletzt spürbar. Die sektoralen Tiefbauinvestitionen lagen im ersten Quartal real zwei Drittel unter dem Vorjahreswert, die Käufe von spezialisierten Maschinen haben sich in diesem Zeitraum fast halbiert. Auch laufen die Exporte von Kapitalgütern seit Mitte 2014 nicht mehr rund. Der starke Dollar und schwächelnde Nachfrage aus Rohstoffexportländern und anderen kriselnden Schwellenländern sind wohl hierfür verantwortlich. Das US-Wachstum insgesamt dürfte im zweiten Quartal auf rund 3 % anziehen. Hierbei ist die Unsicherheit aber relativ hoch, denn mit der ersten Schätzung der Frühjahrszahlen revidieren die Statistiker Ende Juli immer auch die Historie – diesmal die vergangenen drei Jahre. Mit Interesse wird weiterhin die Entwicklung am Arbeitsmarkt verfolgt, wo inzwischen quasi Vollbeschäftigung herrscht. Ziehen hier die Löhne jetzt deutlich an oder bestätigt sich eine jüngste Tendenz zu schwächerem Stellenaufbau? Patrick Franke Tel.: 069/91 32-47 38 Prognoseübersicht USA Brexit-Votum bringt lockerere monetäre Bedingungen Nominaler Monetary Conditions Index (MCI), Dez-95 = 100 2014 BIP, real Budgetsaldo* Leistungsbilanzsaldo Arbeitslosenquote Inflationsrate % gg. Vj. % des BIP % des BIP % 2015 2,4 -3,8 -2,3 6,2 % gg. Vj. 1,6 * Bundesebene einschl. Sozialversicherungen (NIPA-Basis) Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 2,4 -3,4 -2,6 5,3 0,1 2016p 2,0 2,5 -3,4 -3,1 4,5 1,2 2017p -3,4 -3,4 4,0 2,2 p = Prognose 120 120 110 110 100 100 90 80 90 restriktiver 70 80 Werte am 23. Juni und aktuell 60 70 60 50 50 40 40 30 30 20 Dez 07 Dez 10 Dez 13 20 Dez 16 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Statt des erwarteten merklichen konjunkturellen Gegenwindes kommt derzeit von der Geldpolitik und den Finanzmärkten eher ein laues Lüftchen. Eigentlich wollte die Fed ja den Expansionsgrad der Geldpolitik graduell zurückfahren, also die monetären Bedingungen straffen. In Wirklichkeit hat sie inzwischen mit ihrer zögerlichen Haltung längst eine Kehrtwende herbeigeführt. Selbst die „Brexit“-Nervosität an den Finanzmärkten war per Saldo mit einer Lockerung verbunden: Die Zinsen gaben so stark nach, dass die leichte Korrektur am Aktienmarkt und der etwas stärkere Dollar überkompensiert wurden. Trotz Brexit dürfte die US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr um etwa 2,5 % expandieren, oberhalb ihres Trends von rund 2 %. Brexit bremst die Fed Die Fed vermittelt derzeit unverändert das Bild einer Notenbank, die sich nicht wirklich traut, den Leitzins anzuheben. Auf der Sitzung im Juni blieb sie erneut klare Signale schuldig, ob und unter welchen Voraussetzungen man die Zinserhöhungen wieder aufnehmen wird. Wir rechnen nach dem Unsicherheitsschub durch die Brexit-Entscheidung nun nur noch mit maximal einem Zinsschritt im laufenden Jahr, voraussichtlich erst im Dezember. Bis dahin dürfte sich die Teuerungsrate, getrieben vom wieder gestiegenen Ölpreis, in Richtung 2 % bewegen. Auch sollten die Gegenwinde vom Außenhandel und von der Energiebranche tendenziell abflauen. Die Wahlen im November werden hingegen wohl eine untergeordnete Rolle spielen – es sei denn, sie führen zu neuerlichen Verwerfungen an den Finanzmärkten. In diesem Fall hat die Fed bewiesen, dass sie der Maxime folgt: „Im Zweifel expansiv(er) bleiben.“ H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 3 KONJUNKT UR KOMPAKT Großbritannien: Brexit-Abschwung Christian Apelt, CFA Tel.: 0 69/91 32-47 26 Die britischen Wähler haben votiert und sich entgegen der Erwartungen für einen EU-Austritt entschieden. Dieses politische Beben lässt Großbritannien nicht zur Ruhe kommen. Nach dem abzusehenden Rücktritt von Premierminister Cameron ist nun der Kampf um seine Nachfolge entbrannt. Zwar verzichtete der ehemalige Londoner Bürgermeister Johnson überraschenderweise auf die Kandidatur, nachdem sich Justizminister Gove, die andere führende Figur aus dem BrexitLager, beworben hatte. Innenministerin Theresa May, eine vorsichtige EU-Befürworterin, scheint derzeit die Favoritin auf den Partei- und damit Regierungsvorsitz zu sein. Gegnerin bei der Wahl Anfang September könnte die Abgeordnete und Brexit-Befürworterin Andrea Leadsom werden. Unruhe herrscht aber auch bei der oppositionellen Labour-Partei. Derweil erwägen die schottischen Nationalisten ein neues Unabhängigkeitsreferendum. Den Antrag auf den EU-Austritt soll erst ein neuer Premier stellen. Über einen Exit vom Brexit wird zwar spekuliert, da das Referendum rechtlich nicht bindend ist. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Regierung bzw. das Parlament den Volkswillen ignoriert, zumal die politischen Folgen in Form von Parteispaltungen, Verlust von Regierungsmehrheiten etc. noch heftiger ausfallen könnten. Unsicherheit belastet Wachstum Mit dem Entscheid gegen die EU hat in Großbritannien eine Phase enormer wirtschaftlicher Unsicherheit begonnen. Ein Aufschub des Austrittsantrags würde die Periode noch künstlich verlängern. Zunächst dürften die Stimmungsindikatoren einbrechen. Der deutliche Rückgang beim Einkaufsmanagerindex für den Bausektor ist ein erstes Anzeichen, dabei waren die meisten Antworten bereits vor dem Referendum eingegangen. Insbesondere die Unternehmensinvestitionen werden vermutlich scharf zurückgehen. Der private Konsum sollte nur leicht nachgeben, solange es keine erhebliche Verschlechterung am Arbeitsmarkt gibt. Der Außenhandel mit der EU läuft unverändert weiter, positive Impulse aus der Pfund-Abwertung werden sich jedoch vorerst noch nicht bemerkbar machen. Nach einem recht soliden zweiten Quartal wird das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Vierteljahr vermutlich schrumpfen. Eine eindeutige Rezession dagegen ist nicht zwangsläufig. Prognoseübersicht Großbritannien Konjunkturschwäche in Sicht GBP, invertiert 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. 2,9 2,3 1,3 0,7 Budgetsaldo % des BIP -5,6 -4,4 -4,0 -4,0 Leistungsbilanzsaldo % des BIP -4,7 -5,4 -5,0 -3,5 % 6,2 5,4 5,1 5,4 % gg. Vj. 1,5 0,1 0,9 2,7 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Wachstum niedriger, Inflation höher % gg. Vorjahr Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Wenn sich die politische Situation stabilisiert und die Aussichten auf eine Einigung mit der EU zunehmen, dürfte die britische Wirtschaft wieder wachsen. Nach 1,3 % in diesem Jahr könnte das BIP 2017 mit 0,7 % zumindest insgesamt expandieren, wenngleich diese Prognosen einer ungewöhnlich hohen Unsicherheit unterliegen. Trotz des schwachen Wachstums wird die Inflation ansteigen. Neben den unabhängig vom Brexit zu erwartenden Basiseffekten bei den Energiepreisen erklärt sich dieser Anstieg durch die deutliche Abwertung des Pfund Sterling, die sich erfahrungsgemäß recht eindeutig in der britischen Teuerung niederschlägt. Die Bank of England wird dennoch eine expansivere Geldpolitik verfolgen und vermutlich im dritten Quartal ihren Leitzins senken. Entsprechend steht das Pfund weiter unter Abwertungsdruck. Britische Staatsanleihen dagegen profitieren davon, die Risikoprämien für Gilts erhöhten sich – gemessen an Kreditausfallprämien (CDS) – nur marginal. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 4 KONJUNKT UR KOMPAKT Japan: Ohne Schwung Die japanische Volkswirtschaft ist Anfang dieses Jahres deutlich gewachsen und bleibt doch ohne Schwung: Seit mehreren Quartalen schwankt die reale Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um die Nulllinie. Nach einem schwachen Jahresabschluss 2015 (-0,4 % gegenüber Vorquartal) kam es im Anfangsquartal 2016 auch aufgrund des zusätzlichen Arbeitstages bedingt durch das Schaltjahr zu einem BIP-Anstieg von 0,5 %. Hierauf dürfte dann im Frühjahr wieder eine Gegenbewegung erfolgt sein. Für den Durchschnitt des laufenden Jahres ist eine gesamtwirtschaftliche Expansion von nur 0,4 % zu erwarten – kaum weniger als das Potenzialwachstum der Industrienation. Demographische Faktoren begrenzen die Wachstumsmöglichkeiten der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft. Denn sowohl die Bevölkerung insgesamt als auch gerade die Anzahl der Personen im arbeitsfähigen Alter schrumpft kontinuierlich. Die Binnenwirtschaft hat keine ausreichende Dynamik, um die nachlassende Exportnachfrage aus China und den Schwellenländern zu kompensieren. Obendrein belastet der Brexit durch die Unruhe an den Finanzmärkten auch Japan. Nach der Entscheidung in London ist der japanische Aktienmarkt eingebrochen und der Yen verzeichnete einen für die heimischen Exportkonzerne schmerzhaften Aufwertungsschub. Ulrike Bischoff Tel.: 0 69/91 32-52 56 Prognoseübersicht Japan Wachstum pendelt um die Nulllinie real, % gg. Vj. 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. -0,1 0,6 0,4 0,7 Budgetsaldo % des BIP -6,2 -5,4 -5,2 -6,5 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 0,8 3,3 3,5 3,5 % 3,6 3,4 3,2 3,0 % gg. Vj. 2,7 0,8 0,0 0,5 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: EIU, Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Konsumenten zurückhaltend p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Mit einem Anteil von rund 60 % ist der private Konsum in Japan die wichtigste BIP-Komponente. Als Wachstumstreiber fungiert er allerdings schon lange nicht mehr richtig. Seit der Mehrwertsteueranhebung im Frühjahr 2014 befindet sich der Konsum im Abwärtstrend. Daher wurde jüngst die zweite Stufe dieser Steuererhöhung auf Herbst 2019 verschoben, auch mit Blick auf die bevorstehende Oberhauswahl am 10. Juli. Dennoch dürfte die Stimmung unter den Konsumenten erst einmal verhalten bleiben. Trotz eines engen Arbeitsmarktes ist die Lohnentwicklung mau: Nach jahrelangem kontinuierlichen Sinken hat die Arbeitslosenquote nun fast die Marke von 3 % erreicht. Entsprechend liegt das Verhältnis der offenen Stellen zu Bewerbern so hoch wie zuletzt Anfang der 1990er Jahre. Gleichwohl stagnierten unlängst die Nominallöhne im Vergleich zum Vorjahr und verzeichneten in realer Betrachtungsweise nur einen leichten Anstieg. Dies rührt zum einen her vom deutlich gestiegenen Anteil nicht-festangestellter Arbeitskräfte. Zum anderen liegt die Verknappung am japanischen Arbeitsmarkt auch am Bevölkerungsrückgang. So kommt die Verschiebung der Mehrwertsteuererhöhung dem ohnehin schwachen Privatkonsum zugute, was auch den Abwärtsdruck auf die gesamtwirtschaftliche Preisentwicklung mildert (Inflationsprognose 2016 bei 0 %). Gleichzeitig wird damit aber die dringend notwendige Sanierung der Staatsfinanzen erneut hinten angestellt. Unter den Industrienationen steht Japan mit seiner prekären fiskalischen Lage weitaus am schlechtesten da, denn das Staatsdefizit beläuft sich mittlerweile auf 5 % des BIP und die Staatsschuld brutto auf 250 %. Obendrein wird mal wieder ein fiskalisches Unterstützungspaket für die heimische Wirtschaft in Aussicht gestellt, was einen Nachtragshaushalt erforderlich macht. Auch dieses Konjunkturpaket dürfte Japan nicht zu mehr Schwung verhelfen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 5 KONJUNKT UR KOMPAKT Kroatien: Trainerwechsel für bessere Chancenverwertung 2016 dürfte sich in Kroatien der positive Trend beim BIP-Wachstum bestätigen und das BIP gegenüber dem Vorjahr ähnlich wie 2015 um 1,7 % zulegen. Von 2009 bis 2014 hatte die anhaltende Rezession Fortschritte beim Aufholen zum durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP der EU zunichte gemacht. Im ersten Quartal 2016 erwiesen sich der private Verbrauch und Unternehmensinvestitionen als Wachstumstreiber. Allerdings hat das Verbrauchervertrauen seit Januar deutlich nachgegeben. Die Inflation dürfte erst im nächsten Jahr wieder oberhalb von null liegen. 2016 drücken gesunkene Energiepreise und daraus folgend niedrige Transportkosten die Teuerung ins Minus. Marion Dezenter Tel.: 0 69/91 32-28 41 Prognoseübersicht Kroatien Endlich raus aus der Rezession Reales Bruttoinlandsprodukt in % gegenüber Vorjahr 2014 2015 2016p 2017p % gg. Vj. -0,4 1,6 1,7 1,7 Budgetsaldo % des BIP -5,7 -3,2 -2,7 -2,5 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 0,8 5,1 4,0 3,5 % 19,7 17,7 15,5 14,7 % gg. Vj. -0,2 -0,5 -1,3 0,6 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Eurostat, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die teilweise skeptische Haltung der Investoren zeigt sich in der Entwicklung der Währung: Den Euro-Kuna-Kurs stabil zu halten hat für die kroatische Zentralbank wegen der großen Verbreitung des Euro Vorrang. Dafür hat sie in diesem Jahr bereits viermal am Devisenmarkt interveniert. Ohne die lockere Geldpolitik der EZB wäre der Druck hier sicherlich noch stärker gewesen. So „leiht“ sich Kroatien über die Währung Stabilität. Enge Begleitung von Reformen durch die EU Ein Hemmschuh für die Wirtschaftsentwicklung bleibt die Konzentration auf den Tourismus als Haupteinnahmequelle von Devisen. Aber auch bei der Korruptionsbekämpfung muss Kroatien am Ball bleiben (zuletzt Platz 61 im Corruption Perceptions Index). Handlungsbedarf besteht außerdem in den Sozialsystemen, im öffentlichen Sektor (Verschuldung, Privatisierung) sowie bei der Unternehmens- und Auslandsverschuldung. Diese und weitere Aspekte werden von der EU regelmäßig überprüft. Auch in der jüngsten Stellungnahme des Rates zum Reformprogramm Kroatiens vom Mai 2016 werden makroökonomische Ungleichgewichte benannt. Die Begleitung durch die EU dürfte die Handlungsmotivation in einigen kritischen Bereichen wie im Gesundheits- und Rentensystem sowie in der öffentlichen Verwaltung erhöhen. Fortschritte, auch mit Unterstützung des BIP-Wachstums, kann Kroatien beim Abbau seines Haushaltsdefizits verzeichnen, das 2016 unter die 3 %-Grenze sinken sollte, und beim Schuldenstand, der mit knapp 87 % des BIP zuletzt noch hoch war. Die Kommission fordert hier ausdrücklich weitere Konsolidierungsanstrengungen und eine konsistentere Haushaltsplanung. Zusätzlichen Schwung sollten die Fördergelder der EU bringen. Von 2014 bis 2020 kann Kroatien im Rahmen der EU-Regional- und Kohäsionspolitik 8,5 Mrd. Euro abrufen, hinzu kommen Agrarbeihilfen. Allerdings bedeutet die Kofinanzierung der geförderten Projekte zusätzliche staatliche Ausgaben. Zudem besteht Verbesserungsbedarf beim Abruf der Mittel. Die erforderlichen Strukturen weiterzuentwickeln wird bei der aktuellen politischen Situation nicht einfacher: Mitte Juni wurde die erst im Januar gebildete Regierungskoalition aus den beiden Parteien HDZ und Most durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Nun finden im Herbst Neuwahlen statt, so dass wertvolle Zeit verstreichen wird, bis die Regierung mit neuen „Trainern“ wieder arbeitsfähig ist. Dies gefährdet die zügige Umsetzung des kürzlich beschlossenen Reformpakets. Gerade nach dem Brexit-Votum wäre es aber für Länder wie Kroatien, die ohnehin anfällig gegenüber Störungen an den Finanzmärkten sind, wichtig, Handlungsfähigkeit und Reformwillen zu demonstrieren. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 6 KONJUNKT UR KOMPAKT Prognoseübersicht Euroland Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise reale Veränderung gg. Vorjahr, % Veränderung gg. Vorjahr, % 2014 2015 2016p 2017p 2014 2015 2016p 2017p 0,9 1,6 1,6 1,4 0,4 0,0 0,4 1,4 Deutschland 1,6 1,4 1,6 1,3 0,9 0,3 0,6 1,5 Frankreich 0,7 1,2 1,4 1,3 0,6 0,1 0,4 1,4 Italien -0,3 0,6 1,1 1,4 0,2 0,1 0,2 1,3 Spanien 1,4 3,2 2,7 1,9 -0,2 -0,6 -0,1 1,3 Niederlande 1,4 2,0 1,4 1,7 0,3 0,2 0,7 1,2 Österreich 0,4 0,9 1,3 1,4 1,7 0,9 1,1 1,6 Griechenland 0,7 -0,3 -0,7 1,4 -1,4 -1,1 -0,1 1,0 Portugal 0,9 1,5 1,3 1,5 -0,2 0,5 0,4 1,0 Irland 5,2 7,8 4,7 3,0 0,3 0,0 0,0 1,4 Großbritannien 2,9 2,3 1,3 0,7 1,5 0,1 0,9 2,7 Schw eiz 1,9 0,8 1,0 1,3 -0,1 -1,1 -0,7 0,4 Schw eden 2,3 4,2 3,4 2,5 -0,2 0,0 0,6 1,6 Norw egen 2,2 1,6 1,3 1,4 2,0 2,1 2,8 2,1 Polen 3,3 3,6 3,0 2,7 0,0 -0,9 -0,6 2,0 Ungarn 3,7 2,9 2,0 2,7 -0,2 -0,1 0,3 2,2 Tschechien 2,0 4,2 2,4 2,5 0,4 0,3 0,6 1,9 Russland 0,6 -3,7 -1,5 1,5 7,8 15,5 8,5 6,0 USA 2,4 2,4 2,0 2,5 1,6 0,1 1,2 2,2 Japan -0,1 0,6 0,4 0,7 2,7 0,8 0,0 0,5 Asien ohne Japan 5,7 5,4 5,1 5,0 3,6 2,5 3,0 3,5 China 7,3 6,9 6,5 6,0 2,1 1,5 1,9 2,3 Indien 7,2 7,0 6,8 6,5 6,7 4,9 5,1 5,5 1,3 0,0 0,2 2,0 10,7 13,0 15,0 11,0 0,1 -3,8 -3,0 1,0 6,3 9,0 8,5 5,5 3,2 2,9 2,8 3,2 3,1 2,8 3,1 3,3 Lateinamerika Brasilien Welt p = Prognose; BIP-Wachstum soweit verfügbar kalenderbereinigt Quellen: EIU, Macrobond, Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 7