franck rodrigo berio de falla ravel

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FRANCK
»Le Chasseur maudit«
(Der wilde Jäger)
RODRIGO
Concierto de Aranjuez
BERIO
Quattro versioni originali
della »Ritirata Notturna di
Madrid« di L. Boccherini
DE FALLA
»El amor brujo«
(Der Liebeszauber)
RAVEL
»La Valse«
GAFFIGAN, Dirigent
KARADAGLIĆ, Gitarre
Samstag
23_01_2016 19 Uhr
Sonntag
24_01_2016 11 Uhr
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CÉSAR FRANCK
»Le Chasseur maudit« (Der verfluchte Jäger)
Symphonische Dichtung nach einer Ballade von Gottfried August Bürger
JOAQUÍN RODRIGO
»Concierto de Aranjuez«
1. Allegro con spirito | 2. Adagio | 3. Allegro gentile
LUCIANO BERIO
»Quattro versioni della ›Ritirata notturna di Madrid‹
di Luigi Boccherini«
MANUEL DE FALLA
»El amor brujo« (Der Liebeszauber)
Suite de Ballet (Ballett-Suite)
1. »Introduccíón y escena« (Einleitung und Szene) | 2. »En la cueva« (Bei den Zigeunern) –
»La noche« (Die Nachtwache) | 3. »El aparecido« (Das Gespenst) | 4. »Danza del terror«
(Tanz des Schreckens) | 5. »El circulo mágico: Romance del pescador« (Der Zauberkreis:
Erzählung des Fischers) | 6. »A media noche: Los sortilegios« (Mitternacht: Beschwörungstanz) | 7. »Danza ritual del fuego para ahuyentar los malos espíritus« (Ritueller Feuertanz
zur Vertreibung der bösen Geister) | 8. »Escena« (Szene) | 9. »Pantomima« (Pantomime)
10. »Danza del juego de amor« (Tanz des Liebesspiels) | 11. »Final: Las campanas del
amanecer« (Finale: Die Glocken der Morgendämmerung)
(2., revidierte Fassung von 1925)
MAURICE RAVEL
»La Valse«
Poème chorégraphique pour orchestre
JAMES GAFFIGAN
Dirigent
MILOŠ KARADAGLIĆ
Gitarre
118. Spielzeit seit der Gründung 1893
VALERY GERGIEV, Chefdirigent
PAUL MÜLLER, Intendant
2
César Franck in seinen letzten Lebensjahren (um 1885)
César Franck: »Le Chasseur maudit«
3
»Mein Orchester
klingt großartig«
PETER JOST
ENTSTEHUNG
CÉSAR FRANCK
(1822–1890)
»Le Chasseur maudit«
(Der verfluchte Jäger)
Symphonische Dichtung nach einer Ballade
von Gottfried August Bürger
Skizzierung und Niederschrift des Particells
vermutlich im Sommer/Frühherbst 1882,
Niederschrift der Orchesterpartitur bis spätestens Anfang Dezember, der vierhändigen
Klavierfassung bis Ende Dezember 1882.
Partitur und eigenhändig erstellte vierhändige Klavierfassung erschienen 1884 beim
Pariser Verlag Léon Grus.
WIDMUNG
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 10. Dezember 1822 in Lüttich;
gestorben am 8. November 1890 in Paris.
LITERARISCHE VORLAGE
Ballade »Der wilde Jäger« (1775/78, Erstdruck 1785) von Gottfried August Bürger
(1747–1794), gegliedert in 36 Strophen zu je
sechs Verszeilen.
In der heute verschollenen autographen
Partitur wurde das Werk dem französischen
Dirigenten Charles Lamoureux (1834–1899)
gewidmet, der ursprünglich die Uraufführung leiten sollte; in der Druckpartitur entfiel die Widmung.
URAUFFÜHRUNG
Am 31. März 1883 in Paris in der Salle Érard
im Rahmen der Konzerte der »Société Nationale de Musique« (Orchester der »Société
Nationale de Musique« unter Leitung von
Édouard Colonne).
César Franck: »Le Chasseur maudit«
4
INHALTSANGABE
Ein Graf entschließt sich, am Sonntagmorgen mit seinem Tross zur Jagd auszureiten.
Begleitet wird er von zwei Reitern, die den
inneren Widerstreit seiner Person verkörpern: rücksichtslose Leidenschaft und
mahnendes Gewissen. Der böse Reiter zu
seiner Linken verführt ihn zu immer hemmungsloserem Vorgehen. Weder die Kirchenglocken noch die Bitten von Bauern
und Hirten um Schonung ihres Besitzes finden Gehör. Bei der Verfolgung eines weißen
Hirschs hinterlässt der Graf eine Blutspur
der Verwüstung. Als der Hirsch Zuflucht in
der Gotteshütte eines Klausners sucht, fleht
ihn dieser an, das Tier an diesem heiligen
Ort zu verschonen. Der Graf aber lässt sich
nicht aufhalten und frevelt gegen Gott und
Himmel. Im gleichen Augenblick verschwinden Hirsch, Klausner, Hütte und Jagdtross
und lassen den Jäger in dunkler Todesstille
zurück. Eine Donnerstimme verkündet ihm
das Urteil für seine Gotteslästerung: Bis
zum Jüngsten Gericht ist er dazu verdammt,
von Höllenhunden gehetzt zu jagen.
DIE »SYMPHONISCHE DICHTUNG«
IN FRANKREICH
Die »neudeutsche« Gattung der Symphonischen Dichtung etablierte sich in Frankreich ausgerechnet in den Konzerten der
1871 gegründeten »Société nationale de
musique«, in einer Konzertgesellschaft,
die sich die Rückbesinnung auf die französische Kunst auf die Fahnen schrieb. Nun
hatte zwar Franz Liszt, der Führer der musikalischen Fortschrittspartei in Deutschland (der sogenannten »neudeutschen
Schule«), die neue Form der Symphonischen Dichtung nicht in Paris, sondern in
Weimar entwickelt, jedoch im Rückbezug
auf französische Modelle, insbesondere
auf Hector Berlioz’ Programmsymphonien.
Die Blüte der französischen Symphonischen Dichtung ab den 1870er Jahren und
der Erfolg in den Konzerten der »Société
nationale de musique« stehen denn auch
im direkten Zusammenhang mit der Berlioz-­
Renaissance in dieser Zeit, womit sich der
Kreis schließt. Die Komponisten der sogenannten »Jeune école française« (»Jungfranzösischen Schule«) entwickelten über
das Vorbild Liszts die von Berlioz angestoßene Programmatik in der Symphonik
­weiter. Insofern reagierten Publikum und
Kritik in Frankreich wesentlich aufgeschlossener als dies in Deutschland der
Fall war auf die neue Gattung, die so neu
gar nicht war. Und nicht von ungefähr standen die bedeutendsten Komponisten von
französischen Symphonischen Dichtungen
in dieser Zeit, Camille Saint-Saëns und
César Franck, im engen freundschaftlichen
Kontakt zu Liszt.
CÉSAR FRANCK UND DIE
­PROGRAMMMUSIK
Neben einem frühen, unveröffentlicht gebliebenen Versuch, »Ce qu’on entend sur la
montagne« (Was man auf dem Berge hört,
1846, nach einem Gedicht Victor Hugos) und
einem symphonischen Zwischenspiel aus
dem Oratorium »Rédemption« (Erlösung,
1872/73) schrieb Franck vier Symphonische
Dichtungen: »Les Éolides« (Die Äoliden, abgeleitet vom griechischen Windgott Äolus,
1876, nach einem Gedicht von Leconte de
Lisle), »Le Chasseur maudit« (1882), »Les
Djinns« (Die Dschin, dämonenhafte arabische Totengeister, 1884, nach einem Gedicht Victor Hugos) sowie »Psyché« (Psyche, 1886–88, nach der Sage von Apuleius).
Das mutet erstaunlich an für einen Komponisten, dessen Anerkennung und Nachruhm
wesentlich auf Werken in Sonatenform be-
César Franck: »Le Chasseur maudit«
5
ruhen, von der berühmten Violinsonate bis
hin zur legendären d-Moll-Symphonie. Aber
Franck war kein rigoroser Verfechter sogenannter absoluter Musik, zeigte sich vielmehr offen gegenüber programmatischen
Vorlagen. In einem Brief meinte er gar, letztlich sei es nicht entscheidend, ob ein Werk
versuche, eine konkrete Idee oder Handlung
umzusetzen oder nur eine bestimmte Sphäre, Hauptsache, es sei »musikalisch und
emotional«.
PLÄDOYER FÜR DIE DEUTSCHE
LITERATUR
Da alle autographen musikalischen Quellen
verschollen sind, lässt sich die Entstehungszeit nur anhand von Briefen annähernd angeben. Ende September 1882 erwähnte Franck die Komposition eines großen symphonischen Stücks mit dem Titel
»La Chasse sauvage« (als wörtliche Übersetzung von Bürgers Ballade), wobei vermutlich die Fertigstellung des Particells
gemeint ist. Um den 20. Dezember meldete
er seinem Verleger Léon Grus, die »Chasse
fantastique« sei beendet, und lud ihn zur
Vorführung in der Bearbeitung für Klavier
vierhändig am Weihnachtstag ein. Wenig
später muss dann die Umbenennung zum
endgültigen Titel erfolgt sein. Die Wahl einer
Gedichtvorlage des Goethe-Zeitgenossen
Gottfried August Bürger überrascht im ersten Augenblick, stand doch der seinerzeit
mit seinen Balladen berühmt gewordene
Dichter inzwischen selbst in Deutschland
längst im Schatten der Klassiker Goethe
und Schiller. Die Anregung für den Stoff
dürfte von Francks Schülern Vincent d’Indy
und Henri Duparc gekommen sein, die beide
Bewunderer der deutschen Literatur waren.
Konkreter Bezugspunkt war vermutlich der
große Erfolg, den Duparc 1875 mit seiner
Symphonischen Dichtung »Lénore« nach
der gleichnamigen Ballade von Bürger errungen hatte.
FORMALE GLIEDERUNG
Franck gliedert seine Symphonische Dichtung in fünf Abschnitte, wobei er das gängige Sonatensatzmodell als Basis benutzt,
dieses aber zugleich gemäß den wesentlichen Handlungsmomenten der literarischen
Vorlage abwandelt. Der erste Teil »Andantino quasi allegretto« in G-Dur beginnt zwar
mit den für die Sphäre von Jagd und Wald
typischen Hornrufen, bettet sie jedoch in
eine idyllische Sphäre ein, in der feierliche
Kirchenglocken und gesangliche Cello-­
Kantilene die sonntägliche Messe mit dem
Gemeindegesang verkörpern. Der zweite
Abschnitt, nun nach g-Moll gewendet,
­beginnt mit einer rhythmisch geschärften
­Variante der Hornrufe, aus der sich mit merklicher Tempobeschleunigung das eigentliche
Hauptthema des Stücks entwickelt, das für
den ungestümen, rücksichtslosen Grafen
einsteht. Oboen und Flöten tragen das kontrastierende Seitenthema vor, das durch
harmonisch changierende Wendungen
­k lagend-flehenden Charakter erhält und
sich zwanglos auf die Bitten der Bauern und
Hirten um Gnade übertragen lässt. Die
­Wiederholung der Exposition auf anderer
Tonstufe führt zu einer starken klanglichen
Intensivierung, der eine kurze Durchführung
der Motive und eine Rückkehr des Hauptthemas folgen. Der plötzliche Abbruch aus
dem Fortefortissimo markiert die Stelle, in
der alles um den Grafen verschwindet und
plötzliche Stille eintritt. Nur vereinzelte
Fragmente der »Jäger-Motivik« erscheinen,
über denen Klarinette und Tuba, später verstärkt von Posaunen, in deutlich langsamerem Tempo (»Molto lento«) ein neues Thema
intonieren. Die dunkle Klangfarbe und die
bedrohlich wirkende Gestik lassen keinen
César Franck: »Le Chasseur maudit«
6
Zweifel daran, dass hier mit Donnerstimme
die Verfluchung des Grafen zum Ausdruck
kommt. In einer Art Überleitung ahmen
Streicherfiguren die drohenden Höllenflammen nach, chromatische Bläserfiguren
symbolisieren die Angst des nunmehr Verfluchten. Rasch schließt sich eine Reprise
des Hauptteiles an, die als großangelegte
Steigerung von Tempo, Lautstärke und Sonorität die Verfolgung des gehetzten Jägers
darstellt.
BEGEISTERTE AUFNAHME
Die Uraufführung am 31. März 1883 sowie
eine weitere Aufführung unter eigener Leitung am 13. Januar 1884 gehörten zu den
wenigen großen Erfolgen, die Franck zu
Lebzeiten erleben durfte. Die Presse hob
insbesondere die effektvolle Orchestrierung der Partitur hervor. Im Mai 1883 schrieb
Franck einem seiner Schüler begeistert:
»Sie wissen vielleicht schon, dass mein
›Chasseur maudit‹ auf brillante Weise in die
Öffentlichkeit getreten ist. Das Publikum
schien von diesem Werk sehr gerührt zu
sein. Die Aufführung war sehr gut und hat
nicht allzu viele Mühen gekostet. Mein Orchester klingt großartig, ich habe keine
Note daran geändert.«
César Franck: »Le Chasseur maudit«
7
»Der wilde
Jäger«
GOTTFRIED AUGUST BÜRGER
Der Wild- und Rheingraf stieß ins Horn:
»Hallo, Hallo zu Fuß und Roß !«
Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn;
Laut rasselnd stürzt’ ihm nach der Troß;
Laut klifft’ und klafft’ es, frei vom Koppel,
Durch Korn und Dorn, durch Heid’ und Stoppel.
»Willkommen hier, zu rechter Frist,
Willkommen zu der edlen Jagd !
Auf Erden und im Himmel ist
Kein Spiel, das lieblicher behagt.« –
Er riefs, schlug laut sich an die Hüfte,
Und schwang den Hut hoch in die Lüfte.
Vom Strahl der Sonntagsfrühe war
Des hohen Domes Kuppel blank.
Zum Hochamt rufte dumpf und klar
Der Glocken ernster Feierklang.
Fern tönten lieblich die Gesänge
Der andachtsvollen Christenmenge.
»Schlecht stimmet deines Hornes Klang«,
Sprach der zur Rechten, sanftes Muts,
»Zu Feierglock und Chorgesang.
Kehr um ! Erjagst dir heut nichts Guts.
Laß dich den guten Engel warnen,
Und nicht vom Bösen dich umgarnen !« –
Rischrasch quer übern Kreuzweg ging’s,
Mit Horrido und Hussasa.
Sieh da ! Sieh da, kam rechts und links
Ein Reiter hier, ein Reiter da !
Des Rechten Roß war Silbersblinken,
Ein Feuerfarbner trug den Linken.
»Jagt zu, jagt zu, mein edler Herr !«
Fiel rasch der linke Ritter drein.
»Was Glockenklang ? Was Chorgeplärr ?
Die Jagdlust mag Euch baß erfreun !
Laßt mich, was fürstlich ist, Euch lehren
Und Euch von jenem nicht betören !« –
Wer waren Reiter links und rechts ?
Ich ahnd’ es wohl, doch weiß ich’s nicht.
Lichthehr erschien der Reiter rechts,
Mit mildem Frühlingsangesicht.
Graß, dunkelgelb der linke Ritter
Schoß Blitz vom Aug, wie Ungewitter.
»Ha ! Wohlgesprochen, linker Mann !
Du bist ein Held nach meinem Sinn.
Wer nicht des Waidwerks pflegen kann,
Der scher ans Paternoster hin !
Mag’s, frommer Narr, dich baß verdrießen,
So will ich meine Lust doch büßen !« –
César Franck: »Le Chasseur maudit«
8
Und hurre hurre vorwärts ging’s,
Feld ein und aus, Berg ab und an.
Stets ritten Reiter rechts und links
Zu beiden Seiten neben an.
Auf sprang ein weißer Hirsch von ferne,
Mit sechzehnzackigem Gehörne.
Vom nahen Lärm emporgescheucht,
Feld ein und aus, Berg ab und an
Gesprengt, verfolgt, doch unerreicht,
Ereilt das Wild des Angers Plan;
Und mischt sich, da verschont zu werden,
Schlau mitten zwischen zahme Herden.
Und lauter stieß der Graf ins Horn;
Und rascher flog’s zu Fuß und Roß;
Und sieh ! bald hinten und bald vorn
Stürzt’ einer tot dahin vom Troß.
»Laß stürzen ! Laß zur Hölle stürzen !
Das darf nicht Fürstenlust verwürzen.«
Doch hin und her, durch Flur und Wald,
Und her und hin, durch Wald und Flur,
Verfolgen und erwittern bald
Die raschen Hunde seine Spur.
Der Hirt, voll Angst für seine Herde,
Wirft vor dem Grafen sich zur Erde.
Das Wild duckt sich ins Ährenfeld
Und hofft da sichern Aufenthalt.
Sieh da ! Ein armer Landmann stellt
Sich dar in kläglicher Gestalt.
»Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen !
Verschont den sauern Schweiß des Armen !»
»Erbarmen, Herr, Erbarmen ! Laßt
Mein armes stilles Vieh in Ruh !
Bedenket, lieber Herr, hier grast
So mancher armen Witwe Kuh.
Ihr eins und alles spart der Armen !
Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen !«
Der rechte Ritter sprengt heran,
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Der Graf verschmäht des Rechten Warnen
Und läßt vom Linken sich umgarnen.
Der rechte Ritter sprengt heran,
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Der Graf verschmäht des Rechten Warnen
Und läßt vom Linken sich umgarnen.
»Hinweg, du Hund !« schnaubt fürchterlich
Der Graf den armen Pflüger an.
»Sonst hetz ich selbst, beim Teufel ! dich.
Hallo, Gesellen, drauf und dran !
Zum Zeichen, daß ich wahr geschworen,
Knallt ihm die Peitschen um die Ohren !«
»Verwegner Hund, der du mir wehrst !
Ha, daß du deiner besten Kuh
Selbst um und angewachsen wärst,
Und jede Vettel noch dazu !
So sollt es baß mein Herz ergötzen,
Euch stracks ins Himmelreich zu hetzen.
Gesagt, getan ! Der Wildgraf schwang
Sich übern Hagen rasch voran,
Und hinterher, bei Knall und Klang,
Der Troß mit Hund und Roß und Mann;
Und Hund und Mann und Roß zerstampfte
Die Halmen, daß der Acker dampfte.
Hallo, Gesellen, drauf und dran !
Jo ! Doho ! Hussasa !« Und jeder Hund fiel wütend an,
Was er zunächst vor sich ersah.
Bluttriefend sank der Hirt zur Erde,
Bluttriefend Stück für Stück die Herde.
César Franck: »Le Chasseur maudit«
9
Johann Baptist Sonderland: Illustration zu »Der wilde Jäger« (1844)
César Franck: »Le Chasseur maudit«
10
Dem Mordgewühl entrafft sich kaum
Das Wild mit immer schwächerm Lauf.
Mit Blut besprengt, bedeckt mit Schaum
Nimmt jetzt des Waldes Nacht es auf.
Tief birgt sich’s in des Waldes Mitte,
In eines Kläusners Gotteshütte.
Erschrocken blickt der Graf umher;
Er stößt ins Horn, es tönet nicht;
Er ruft und hört sich selbst nicht mehr;
Der Schwung der Peitsche sauset nicht;
Er spornt sein Roß in beide Seiten
Und kann nicht vor nicht rückwärts reiten.
Risch ohne Rast mit Peitschenknall,
Mit Horrido und Hussasa,
Und Kliff und Klaff und Hörnerschall,
Verfolgt’s der wilde Schwarm auch da.
Entgegen tritt mit sanfter Bitte
Der fromme Kläusner vor die Hütte.
Drauf wird es düster um ihn her,
Und immer düstrer, wie ein Grab.
Dumpf rauscht es, wie ein fernes Meer.
Hoch über seinem Haupt herab
Ruft furchtbar, mit Gewittergrimme,
Dies Urtel eine Donnerstimme:
»Laß ab, laß ab von dieser Spur !
Entweihe Gottes Freistatt nicht !
Zum Himmel ächzt die Kreatur
Und heischt von Gott dein Strafgericht.
Zum letzten Male laß dich warnen,
Sonst wird Verderben dich umgarnen !«
»Du Wütrich, teuflischer Natur,
Frech gegen Gott und Mensch und Tier !
Das Ach und Weh der Kreatur,
Und deine Missetat an ihr
Hat laut dich vor Gericht gefodert,
Wo hoch der Rache Fackel lodert.
Der Rechte sprengt besorgt heran
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Und wehe ! trotz des Rechten Warnen,
Läßt er vom Linken sich umgarnen !
Fleuch, Unhold, fleuch, und werde jetzt,
Von nun an bis in Ewigkeit,
Von Höll und Teufel selbst gehetzt !
Zum Schreck der Fürsten jeder Zeit,
Die, um verruchter Lust zu fronen,
Nicht Schöpfer noch Geschöpf verschonen !«
»Verderben hin, Verderben her !
Das«, ruft er, »macht mir wenig Graus.
Und wenn’s im dritten Himmel wär,
So acht ich’s keine Fledermaus.
Mag’s Gott und dich, du Narr, verdrießen;
So will ich meine Lust doch büßen !«
Ein schwefelgelber Wetterschein
Umzieht hierauf des Waldes Laub.
Angst rieselt ihm durch Mark und Bein;
Ihm wird so schwül, so dumpf und taub !
Entgegen weht’ ihm kaltes Grausen,
Dem Nacken folgt Gewittersausen.
Er schwingt die Peitsche, stößt ins Horn:
»Hallo, Gesellen, drauf und dran !«
Hui, schwinden Mann und Hütte vorn,
Und hinten schwinden Roß und Mann;
Und Knall und Schall und Jagdgebrülle
Verschlingt auf einmal Totenstille.
Das Grausen weht, das Wetter saust,
Und aus der Erd empor huhu !
Fährt eine schwarze Riesenfaust;
Sie spannt sich auf, sie krallt sich zu;
Hui ! will sie ihn beim Wirbel packen;
Hui ! steht sein Angesicht im Nacken.
César Franck: »Le Chasseur maudit«
11
Es flimmt und flammt rund um ihn her,
Mit grüner, blauer, roter Glut;
Es wallt um ihn ein Feuermeer;
Darinnen wimmelt Höllenbrut.
Jach fahren tausend Höllenhunde,
Laut angehetzt, empor vom Schlunde.
Er rafft sich auf durch Wald und Feld,
Und flieht lautheulend Weh und Ach;
Doch durch die ganze weite Welt
Rauscht bellend ihm die Hölle nach,
Bei Tag tief durch der Erde Klüfte,
Um Mitternacht hoch durch die Lüfte.
Im Nacken bleibt sein Antlitz stehn,
So rasch die Flucht ihn vorwärts reißt.
Er muß die Ungeheuer sehn,
Laut angehetzt vom bösen Geist,
Muß sehn das Knirschen und das Jappen
Der Rachen, welche nach ihm schnappen.
Das ist des wilden Heeres Jagd,
Die bis zum Jüngsten Tage währt,
Und oft dem Wüstling noch bei Nacht
Zu Schreck und Graus vorüberfährt.
Das könnte, müßt er sonst nicht schweigen,
Wohl manches Jägers Mund bezeugen.
César Franck: »Le Chasseur maudit«
12
Schlaflose Nächte in
spanischen Zügen
NICOLE RESTLE
JOAQUÍN RODRIGO
(1901–1999)
»Concierto de Aranjuez«
1. Allegro con spirito
2. Adagio
3. Allegro gentile
bei einem Abendessen im Hause des Marqués de Bolarque den Gitarristen Regino
Sáinz de la Maza. Dieser bat den Komponisten um ein Konzert für sein Instrument.
Rodrigo ging auf das Angebot ein. Das Werk,
das der blinde Komponist in Brailleschrift
notierte und dann von einem Kopisten in
Notenschrift übertragen ließ, entstand wenige Monate nach dieser Begegnung während des Winters und Frühjahrs 1938/39 in
der Rue Saint-Jacques in Paris.
WIDMUNG
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 22. November 1901 in Sagunto
(Spanien); gestorben am 6. Juli 1999 in Ma­
drid.
ENTSTEHUNG
Im September 1938 traf Joaquín Rodrigo auf
der Rückreise von einem Sommerkurs an
der Universität Santander in San Sebastián
»A Regino Sáinz de la Maza«; Widmungsträger und Uraufführungssolist Regino Sáinz
de la Maza (1896–1981) war seinerzeit einer
der führenden Gitarristen und Musikpädagogen Spaniens.
URAUFFÜHRUNG
Am 9. November 1940 in Barcelona / Katalonien im Palau de la Música Catalana (Orquesta Filarmónica de Barcelona unter Leitung von César Mendoza Lasalle; Solist:
Regino Sáinz de la Maza).
Joaquín Rodrigo: »Concierto de Aranjuez«
13
»DAS IST DER TRAUM
MEINES LEBENS !«
Am Wein allein hat es sicher nicht gelegen.
Obwohl dieser keine unbedeutende Rolle
gespielt haben muss. Denn zwei Gläser des
besten Rioja seien – so Joaquín Rodrigo
später – an diesem ebenso zauberhaften
wie denkwürdigen Abend nötig gewesen,
ehe er seine Zusage geben konnte. Was war
geschehen ? Der spanische Komponist, der
im August 1938 Sommerkurse an der Universität Santander zum Thema »Instrumentale Musik an den Königshöfen Spaniens«
gegeben hatte, befand sich mit seiner Frau,
der Pianistin Victoria Kamhi, auf der Rückreise nach Paris, als sie in San Sebastián
Station machten und von dem Marqués de
Bolarque zu einem Dinner eingeladen wurden. Ein weiterer Gast des Abends war der
berühmte Gitarrist Regino Sáinz de la Maza,
der die Gelegenheit nutzte, Rodrigo auf
ebenso charmante, wie bestimmte Weise
um ein Konzert für sein Instrument zu bitten: »Das ist der Traum meines Lebens !«,
meinte er pathetisch. Nach den beiden bereits erwähnten Gläsern Wein meinte der
Komponist: »Gut, der Handel gilt !«
AUFSTREBENDER KOMPONIST
Joaquín Rodrigo Vide war zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt und besaß bereits ein
gewisses künstlerisches Renommee. Seine
Musikerlaufbahn »verdankt« er einem sehr
tragischen Ereignis: Als Dreijähriger erblindete er als Folge einer Diphterie-­Erkrankung.
Dies sei – so der Komponist – die Voraussetzung gewesen, dass er sich der Musik, die
er im Alter von acht Jahren für sich entdeckte, zuwandte. Er studierte zunächst in Valencia Harmonielehre und Komposition, ehe
er seine Ausbildung in Paris fortsetzte. Die
französische Metropole bildete damals ei-
nes der wichtigsten Zentren der europäischen Musik, nahezu alle großen Komponisten Spaniens holten sich dort den letzten
künstlerischen Schliff. Rodrigo, der Schüler
von Paul Dukas wurde, lernte in Paris viele
führende Persönlichkeiten des Musiklebens
kennen, u. a. auch Maurice Ravel und Manuel de Falla, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband. 1933 heiratete er die Pianistin Victoria Kamhi, die ihm mehr als 60
Jahre lang nicht nur eine geliebte Gattin,
sondern auch wichtige Mitarbeiterin war.
Während des spanischen Bürgerkriegs lebte das Paar in Deutschland und Paris. Dort
in der Rue Saint-Jacques mitten im Quartier
Latin kamen Rodrigo die Ideen zu seinem
Gitarren-Konzert. Das vollständige Thema
des Adagio berichtete der Komponist, hätte
er auf einmal plötzlich in seinem Inneren
gehört und gleich darauf sei ihm auch der
Hauptgedanke des dritten Satzes eingefallen. Nur der Anfangssatz bedurfte einiges
Nachdenken und Tüftelei.
DIFFIZILE KLANGBALANCE
Die Gitarre kann ebenso wie das Klavier als
Akkord- und Melodieinstrument eingesetzt werden. Doch anders als das Tasten­
instrument verfügt die Gitarre nicht über
dessen tonliche Stärke. Das stellte den
Komponisten vor enorme Herausforderungen. Es galt, den Gesamtklang so ausgewogen zu gestalten, dass die Gitarre nicht
vom Orchester überdeckt wird. Sobald das
Saiteninstrument seine Stimme erhebt, redu­
ziert Rodrigo das Instrumentarium und
schreibt einen sehr durchsichtigen, transparenten Orchestersatz. Der Beginn des
Stückes gehört ganz der Gitarre: Über einen Orgelpunkt der Kontrabässe spielt der
Solist mit perlendem Rasgueado-Anschlag
Akkordrepetitionen in einem feurigen, pulsierenden 6/8tel-­Rhythmus. Rhythmus und
Joaquín Rodrigo: »Concierto de Aranjuez«
14
Victoria Kamhi und Joaquín Rodrigo an ihrem Hochzeitstag 1933
Joaquín Rodrigo: »Concierto de Aranjuez«
15
Rasgueado wecken sofort Assoziationen an
den Flamenco – in wenigen Takten zieht
Rodrigo seine Hörer in ein Klangambiente,
das typisch für Spanien ist. Trotz mancher
dissonanter Figuren und Floskeln, die sich
gerade im ersten Satz gelegentlich dazu
gesellen, prägt dieses spanische Lokal­
kolorit das gesamte Stück. Die Eröffnung
der Gitarre wird von den Streichern wiederholt und es erklingt in den ersten Violinen
das folkloristisch anmutende Hauptthema
mit der kecken, emporstrebenden Drei­
klangsbrechung, das einem gravitätischen
Schreittanz abgelauscht zu sein scheint.
Demgegenüber steht ein ebenfalls tänzerisches Seitenthema, welches sich durch im
staccato gespielte Terzsprünge auszeichnet.
ZÄRTLICHE ROMANTIK,
HÖFISCHE GRANDEZZA
Ist der gesamte erste Satz vor allem durch
den mitreißenden Rhythmus eines Fandango
geprägt, schlägt Rodrigo im zweiten Satz
einen ganz anderen Ton an: träumerisch,
zärtlich, sehnsuchtsvoll. Die Gitarre und die
tiefen Streicher legen einen Klangteppich
für das Englischhorn, das eine klagende,
melismatische Melodie anstimmt. Sie wird
von der Gitarre aufgegriffen, die damit zunächst in einen musikalischen Dialog mit
dem Englischhorn, später auch mit anderen
Soloinstrumenten tritt. Victoria Kamhi deutet in ihrer Autobiographie an, Rodrigo habe
in diesem Satz sowohl seine Erinnerungen
an den wundervollen Garten des Palacio
Real de Aranjuez, der 50 km südlich von
Madrid gelegenen Sommerresidenz der
spanischen Könige, in dem der jungverheiratete Komponist mit seiner Ehefrau spazieren gegangen ist, beschworen, wie auch
den Schmerz über die Totgeburt des ersten
Kindes zum Ausdruck gebracht. Der dritte
Satz in Rondoform wiederum besticht durch
eine tänzerische und majestätische Eleganz. »Ich wollte ein ganz bestimmtes Zeitalter beschreiben: die Wende vom 18. zum
19. Jahrhundert, die Höfe von Karl IV. und
Ferdinand VII.«, meinte Rodrigo.
AUF DEM WEG ZUM WELTRUHM
Zur Uraufführung des Konzerts – so eine
Anekdote – reisten der Komponist und der
Gitarrist Regino Sáinz de la Maza mit dem
Nachtzug nach Barcelona. Beide Männer
teilten sich ein Schlafabteil. Mitten in der
Nacht wurde Rodrigo von seinem Begleiter
geweckt: Ihn ließe der Gedanke nicht schlafen, dass die Gitarre in dem Konzert nicht zu
hören sei. Nun war es auch für Rodrigo mit
der Nachtruhe vorbei. Doch die Sorge stellte sich als überflüssig heraus. Nicht nur,
dass das Concierto de Aranjuez am folgenden Tag enthusiastisch bejubelt wurde, es
machte auch seinen Schöpfer weltberühmt.
Joaquín Rodrigo, der eigentlich Pianist war,
galt fortan als der Spezialist für spanische
Gitarrenkonzerte. In den folgenden Jahren
schrieb er noch weitere Konzerte in diesem
Stil, die allerdings nie den überstrahlenden
Ruhm des ersten erreichten. Vor allem die
Melodie des Adagio gilt heute als Synonym
für spanische Musik und wurde nicht nur
von vielen klassischen, sondern auch von
Pop- und Jazzmusikern adaptiert und bearbeitet.
Joaquín Rodrigo: »Concierto de Aranjuez«
16
»Außerhalb Spaniens
vollkommen
lächerlich«
NICOLE RESTLE
LUCIANO BERIO
(1925–2003)
»Quattro versioni della ›Ritirata notturna di
Madrid‹ di Luigi Boccherini«
LEBENSDATEN DER KOMPONISTEN
Luciano Berio: Geboren am 24. Oktober
1925 in Oneglia (Italien); gestorben am 27.
Mai 2003 in Rom. Luigi Boccherini: Geboren
am 19. Februar 1743 in Lucca; gestorben am
28. Mai 1805 in Madrid.
ENTSTEHUNG
1975 erhielt Luciano Berio von der Mailänder
Scala den Auftrag, ein kurzes Eröffnungsstück für ein Konzert zu schreiben. Der
Komponist entschied sich, den letzten Satz
(»Ritirata«) aus Luigi Boccherinis Streichquintett op. 30 Nr. 6, das 1780 entstanden
war und dem der Komponist den Untertitel
»Musica Notturna delle Strade di Madrid«
gegeben hatte, für Orchester zu bearbeiten.
Boccherini hat die »Ritirata« später auch für
andere Besetzungen eingerichtet, so dass
Berio bei seiner Transkription auf insgesamt
vier verschiedene Versionen Boccherinis
zurückgreifen konnte.
URAUFFÜHRUNG
Am 17. Juni 1975 in Mailand im Teatro alla
Scala (Orchestra Filarmonica della Scala unter Leitung von Piero Bellugi).
Luciano Berio / Luigi Boccherini: »La Ritirata notturna di Madrid«
17
Luciano Berio
Luciano Berio / Luigi Boccherini: »La Ritirata notturna di Madrid«
18
Luciano Berio zählte in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts neben Bruno Maderna
und Luigi Nono zu den führenden Kompo­
nisten der italienischen Avantgarde. Nicht
allein, dass er in seinen musikalischen Werken eine neue und ganz eigene Sichtweise
auf kompositorische Schaffensprozesse
entwickelte, er engagierte sich auch auf
vielen verschiedenen kulturellen Ebenen,
so gründete er 1955 gemeinsam mit Maderna
das Studio di Fonologia, das zu einem der
wichtigsten Zentren für elektronische Musik
avancierte, gab von 1956 bis 1960 die Zeitschrift »Incontri musicali« heraus und leitete
von 1974 bis 1980 die Abteilung Elektro­
akustik am Pariser IRCAM, zudem war er
künstlerischer Leiter des Israel Chamber
Orchestra sowie des Maggio Musicale
­Fiorentino. Des Weiteren unterrichtete er als
Gastprofessor u. a. in Tanglewood und hielt
Poetik-Vorlesungen an der Harvard Univer­
sity.
AVANTGARDIST MIT SINN
FÜR TRADITION
Dabei wurzelte bei aller Experimentierlust
– und das ist kein unwesentlicher Faktor –
Berios musikalisches Denken tief in der europäischen, speziell der italienischen Musikgeschichte, die er als Spross einer Musikerfamilie von Kindheit an vermittelt bekommen hatte. Ein wichtiger Aspekt seiner
künstlerischen Arbeit war aus diesem Grund
die Bearbeitung eigener und fremder Werke. Sie erlaubte und ermöglichte eine Umdeutung und Neuinterpretation vertrauter
Stücke. Auch hier galt es, neue Möglichkeiten der Hörerfahrung zu kreieren. Berio verglich in einem der berühmten Interviews,
die er mit Rossana Dalmonte führte, die
Technik der Transkription mit der jahrtausendealten Stadt Jerusalem: »Das ist eine
Stadt, deren wunderbaren weißen Steine
durch die Jahrhunderte hindurch für ganz
verschiedene Dinge genutzt wurden, sie
wurden zu neuen Bauwerken zusammengefügt, mit neuen Funktionen, unter verschiedenen Religionen und Verwaltungen...«
Berühmteste Beispiele für Berios Bearbeitungen sind seine »Folk Songs«, eine
Sammlung von Volksliedern unterschied­
licher Herkunft, die der Komponist neu
rhythmisiert und harmonisiert hat, und
»Ren­dering«, in dem Berio eine Neudeutung
der Musik Schuberts vornimmt. Kongenial
umkleidet Berio vertraute Melodien und
Stücke mit neuen, schillernden Klängen,
verwischt die Grenzen zwischen Alt und
Neu.
GENIALER KOMPONIST,
EXZELLENTER VIRTUOSE
Verglichen mit diesen beiden Werken erscheinen die »Quattro versioni della ›Ritirata notturna di Madrid‹ di Luigi Boccherini«,
die 1975 als Auftragswerk für die Mailänder
Scala entstanden, auf den ersten Blick als
einfache Orchestrierung eines Kammermusikwerks, als eine simple handwerkliche
Übung. Doch der Witz des Stückes liegt im
Detail. Boccherini, wie Berio aus einer italienischen Musikerfamilie stammend, stand
30 Jahre lang im Dienste des spanischen
Königshauses – nicht nur als Komponist,
sondern auch als Cellist. Seinen kompositorischen Ruhm begründete er mit seiner
Kammermusik, die in ganz Europa geschätzt war. Welch herausragenden Ruf
Boccherini genoss, belegt die Tatsache,
dass ihn 1786 der preußische Kronprinz
Friedrich Wilhelm zum »Compositore dell
Nostra Camera« mit einem Jahresgehalt von
1000 Talern ernannte, obwohl der Komponist wahrscheinlich nie selbst nach Preußen
kam, sondern lediglich regelmäßig Instrumentalwerke schickte.
Luciano Berio / Luigi Boccherini: »La Ritirata notturna di Madrid«
19
Etienne Mazas: Luigi Boccherini (Bleistiftzeichnung nach einer Porträt-Büste)
Luciano Berio / Luigi Boccherini: »La Ritirata notturna di Madrid«
20
HINEIN INS SPANISCHE
NACHTLEBEN
in Art einer Collage übereinander und ins­
trumentierte sie für großes Orchester.
Um 1780 schrieb Boccherini unter der Opuszahl 30 eine Serie von sechs Streichquintetten, deren letztes Werk den programmatischen Titel »Musica notturna delle strade di
Madrid« trägt. »Das Quintett beschreibt die
Klänge, die man nachts auf den Straßen von
Madrid hört, vom Glockenschlag des Ave
Maria bis hin zum Aufziehen der Nachtwache. All das ist nicht nach den Regeln des
Kontrapunkts komponiert, sondern als Versuch, möglichst naturgetreu das Gehörte
wiederzugeben«, schreibt der Komponist.
Boccherini gelang es hier, Impressionen des
spanischen Nachtlebens einzufangen; der
Wiedererkennungswert bei den Spaniern
war groß und das Werk äußerst beliebt. Boccherini allerdings hielt es eher für einen
musikalischen Witz: »Dieses Stück ist völlig
nutzlos und außerhalb Spaniens sogar lächerlich, weil man nicht erwarten kann,
dass die Zuhörer seine Bedeutung erkennen, noch dass die Aufführenden wissen,
wie es zu spielen ist«, heißt es in einem Brief
an den französischen Pianisten und Musikalienhändler Ignaz Pleyel. Gleichwohl hatte er von dem letzten Satz »Ritirata«, dem
Aufzug der Nachtwache, mehrere Versionen
angefertigt: So gibt es im originalen Streichquintett zwei Varianten des Schluss-Satzes,
eine erste Fassung, in der das marschartige
Ritirata-Thema in Form eines ganz einfachen Sonatensatzes verarbeitet ist, und
eine zweite, bei der das Ritirata-Thema als
Grundlage einer Variationsreihe dient. Die
Variationen übernahm Boccherini in sein
Klavierquintett G418 sowie in das Gitarrenquintett G453, wobei er hier den ursprünglichen Streichersatz noch um typische
Begleit- und Spielfiguren des Klaviers bzw.
der Gitarre erweiterte. Diese vier Versionen
verwendete Berio nun gleichzeitig, legte sie
THEATRALISCHES SPEKTAKEL
In der ersten Version des Streichquintetts
müssen die Streicher abwechselnd den
Rhythmus einer Militärtrommel nachahmen,
der sich als Ostinato fast durch den gesamten Satz zieht: »Imitando il tamburo« lautet
die Spielanweisung. Dieses Trommel-­
Ostinatio spielt in der Fassung mit den
­Variationen nur in einzelnen Abschnitten
eine Rolle. In der Orchesterfassung hingegen lässt Berio diesen Rhythmus von zwei
­Militärtrommeln von Anfang bis zum Ende
des Stückes spielen. Sie beginnen leise,
unterstützt von den Violinen, allmählich
kommen mehr Instrumente hinzu, das
­Thema erklingt, die Variationen beginnen,
es baut sich allmählich ein voller Orchesterklang auf. »Die Spieler müssen sich vorstellen, daß man die Wache zuerst aus einiger
Entfernung hört, so daß die Musik zunächst
so zart erklingt, daß sie kaum hörbar ist«,
schreibt Boccherini in seiner Spielanweisung. Und genau das hat Berio, der auch
über einen ausgeprägten Sinn für theatra­
lische Effekte verfügte, in seiner Instrumentierung deutlich machen wollen. Der
Zuhörer bekommt den Eindruck, als ob er an
der Straße steht, von weitem kündigt sich
die Ankunft der Nachtwache an, sie zieht
mit all ihrer klanglichen Pracht vorüber, einschließlich vereinzelter »Misstöne«, die
durch die Überlagerung der vier Varianten
zustande kommen, aber auch als einfache
»Verspieler« gehört werden können, um
dann wieder in der Ferne einer spanischen
Nacht zu verschwinden...
Luciano Berio / Luigi Boccherini: »La Ritirata notturna di Madrid«
21
»Beim Volkslied ist
der Geist wichtiger
als der Buchstabe«
NICOLE RESTLE
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
MANUEL DE FALLA
(1876–1946)
»El amor brujo« (Der Liebeszauber)
Suite de Ballet (Ballett-Suite)
1.»Introduccíón y escena«
(Einleitung und Szene)
2.»En la cueva« – »La noche«
(In der Höhle – Die Nachtwache)
3.»El aparecido« (Das Gespenst)
4.»Danza del terror«
(Tanz des Schreckens)
5.»El circulo mágico: Romance del
pescador« (Der Zauberkreis: Erzählung
des Fischers)
6.»A media noche: Los sortilegios«
(Mitternacht: Beschwörungstanz)
7.»Danza ritual del fuego para ahuyentar
los malos espíritus« (Ritueller Feuertanz
zur Vertreibung der bösen Geister)
8.»Escena« (Szene)
9.»Pantomima« (Pantomime)
10.»Danza del juego de amor«
(Tanz des Liebesspiels)
11.»Final: Las campanas del amanecer«
(Finale: Die Glocken der Morgen­
dämmerung)
(2., revidierte Fassung von 1925)
Geboren am 23. November 1876 in Cádiz
(Spanien); gestorben am 14. November 1946
in Alta Gracia (Argentinien).
ENTSTEHUNG
1914/1915 als Ballett unter dem Titel »El
amor brujo«, Scène Gitane de l’Andalousie
(Zigeunerszene aus Andalusien) nach einem
Libretto von Gregorio Martínez Sierra (1881–
1947). Im folgenden Jahr arbeitete der Komponist das Stück zu einer Konzertsuite um.
Nach weiteren Bearbeitungen entstand
zwischen 1919 und 1925 die endgültige,
heute gebräuchliche Ballettfassung, aus
der zwei Suiten, eine mit und eine ohne Gesangssolistin, zusammengestellt wurden.
In der heute aufgeführten Suite (ohne Solistin) ist die erste und zweite Gesangsnummer gestrichen; die dritte und vierte hingegen wird aufgeführt, wobei der Gesangspart auf Instrumente des Orchesters übertragen ist (in den beiden Schlussnummern
10 und 11).
Manuel de Falla: »El amor brujo«
22
URAUFFÜHRUNG
Erstfassung: Am 15. April 1915 in Madrid im
Teatro Lara (unter Leitung von José Moreno
Ballesteros). Zweitfassung: Am 28. März
1916 in Barcelona (konzertant); erste Bühnenaufführung am 22. Mai 1925 in Paris
(unter Leitung von Manuel de Falla).
AUF DER SUCHE NACH
DEN URSPRÜNGEN
Manuel de Falla ist der spanische Nationalkomponist schlechthin. Kein anderer seiner
komponierenden Landsleute konnte und
kann ihm diesen Rang streitig machen. Sein
Verdienst lag darin, Spanien, das lange Jahre unter der Vorherrschaft der italienischen
Oper stand, eine nationale musikalische
Identität zu geben. Entscheidenden Einfluss auf den jungen de Falla übte der Komponist, Pädagoge und Musikwissenschaftler Felipe Pedrell aus, der von 1902 bis 1904
sein Lehrer war und mit ihm intensiv die
Volksmusik und die Ursprünge der spanischen Musik studierte. Er sensibilisierte
seinen Schüler für den Wert und die Schönheiten der populären Musik. Dass de Fallas
künstlerisches Schaffen jedoch nicht in einem folkloristischen Stil verhaftet blieb,
verdankt der Komponist einem mehrjährigen Aufenthalt in Paris. »Gäbe es Paris
nicht«, schrieb er, »so wäre ich in Madrid
begraben geblieben, hätte dort in Vergessenheit ein dunkles Dasein geführt und mir
mit Stundengeben einen armseligen Lebensunterhalt verdient.«
EIN SPANIER IN PARIS
Die französische Metropole war vor dem
Ersten Weltkrieg das Zentrum avantgardistischen Komponierens, ein brodelnder
Schmelztiegel der unterschiedlichsten
Strömungen und Ideen. De Falla verkehrte
dort freundschaftlich mit Claude Debussy
und Maurice Ravel, gleichzeitig war er aber
auch in einen Kreis spanischer Musiker integriert, zu denen der Komponist Isaac
Albéniz und der Pianist Ricardo Viñes gehörten. Dieser französisch-spanische Kulturaustausch war für beide Seiten befruchtend. Dank der Lehrjahre in Paris gelang es
Manuel de Falla: »El amor brujo«
23
Pablo Picasso: Manuel de Falla (um 1930)
Manuel de Falla: »El amor brujo«
24
de Falla, in seinen Werken eine Synthese
aus Volks- und Kunstmusik zu schaffen. Er
lauschte zwar dem Volk seine Klänge ab,
kopierte sie aber nicht, sondern transformierte sie in eine eigene tonale Sprache.
»Meiner bescheidenen Meinung nach ist
beim Volkslied der Geist wichtiger als der
Buchstabe«, lautete seine Devise.
ROMANTISCHE ZIGEUNERLIEBE
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwang
de Falla, nach Spanien zurückzukehren.
Hatte er durch die Uraufführung seiner Oper
»La vida breve« 1913 in Nizza bereits in
Frankreich einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, so machte ihn die Madrider
Aufführung dieses Bühnenwerks im November 1914 schlagartig auch in seiner Heimat
berühmt. In den folgenden Jahren arbeitete
er für Gregorio und María Martínez Sierra
und deren Teatro del Arte, das sehr experimentelle Darstellungsformen ausprobierte.
Im April 1915 kam dort de Fallas Tanzstück
»El amor brujo« (Der Liebeszauber) heraus,
das in die romantische und leidenschaftliche Welt spanischer Zigeuner führt: Die
schöne Zigeunerin Candela wird von dem
jungen Zigeuner Carmelo umworben, doch
das Paar kann seine Liebe nicht genießen,
weil das Mädchen vom Geist ihres verstorbenen Liebhabers verfolgt wird. Dieser stört
jedes Rendezvous. Mit Hilfe einer List gelingt es am Schluss doch noch, das eifersüchtige Gespenst zu vertreiben.
EIFERSÜCHTIGER LIEBHABER
Die Handlung erlaubt es dem Komponisten,
revueartig kontrastierende Stimmungsbilder aneinanderzureihen. Das Vorspiel mit
den arpeggierenden Streichern, den Hörner­
fanfaren und dem punktierten Sekundmotiv
in Trompete, Flöte und Oboe wirkt wie ein
Weckruf – stolz, herausfordernd, kämpferisch. Die zweite Nummer »En la cueva« –
»La noche« (In der Höhle – Die Nachtwache),
in der über tremolierenden Streichern ein
düsteres Trompetenmotiv und eine klagende, melismatische Oboenmelodie, Symbol
für die Liebessehnsucht der jungen Zigeunerin, erklingen, kreiert eine dunkle, bedrohliche und gleichzeitig träumerische
Atmosphäre. Ein martialischer Trompetenruf »El aparecido« (Das Gespenst) kündigt
den Geist des verstorbenen, eifersüchtigen
Liebhabers an, der im folgenden »Danza del
terror« (Tanz des Schreckens) das Zigeu­
nermädchen Candela durch zudringliche,
impertinente Tonrepetitionen der Trompete
in Angst und Schrecken versetzt.
RITUELLE BESCHWÖRUNG
Einen klanglichen Ruhepunkt setzt »El circulo mágico« (Der Zauberkreis), der – wie
auch die mitternächtlichen Glockenschläge
»A media noche« (Mitternacht) – den
»Danza ritual del fuego« (Ritueller Feuertanz) vorbereiten, in dem der böse Geist
durch magische Beschwörungen verscheucht werden soll: An- und abschwellende Triller von Bratsche und Klarinette,
die hartnäckig Sekundintervalle umkreisen,
erzeugen eine magische Stimmung und bilden ein formgliederndes Element, das immer wieder aufgegriffen wird. Hinzu kommen Quint-Oktavsprünge im Klavier und
den Bässen, die eine gleichförmige, un­
erbittlich vorantreibende rhythmische Motorik in Gang setzen. Darüber stimmt die
Oboe eine exotisch anmutende, melismatische Melodie an, die Assoziationen an orientalische Schlangenbeschwörer erweckt
und später von einem zweiten Thema in den
Flöten abgelöst wird. De Falla entwickelt in
diesem Satz, der sich vom piano ins fortissimo steigert, mit wenigen Mitteln eine un-
Manuel de Falla: »El amor brujo«
25
geheure archaische Wucht. Der aggressiven
Stimmung des Tanzes folgt eine intime
»Escena« (Szene) mit den exotisch anmutenden Oboen- und Flötensoli, die die Verwirrung Candelas beschreiben. In »Pantomima« (Pantomime), die mit der kämpferischen Musik des Vorspiels eröffnet wird,
finden die Liebenden endlich zusammen:
Der junge Zigeuner wirbt mit einer zärtlichen Cellokantilene um Candela, noch einmal erhebt der Geist des toten Liebhabers
von ferne seine Stimme, hörbar gemacht
durch das weit entfernt erklingende Sekundmotiv der Trompete, ehe sich die Liebenden in dem erst zärtlichen, dann leidenschaftlichen »Danza del juego de amor«
(Tanz des Liebesspiels) vereinen. Der Bann
ist gebrochen. Das Happy End läuten die
Morgenglocken »Final: Las campanas del
amanecer« (Finale. Die Glocken der Morgendämmerung) ein.
HOMMAGE AN DEN FLAMENCO
De Falla hat sich im Zusammenhang mit der
Entstehung von »El amor brujo« intensiv mit
den verschiedenen Formen des Flamenco
und mit Transkriptionen orientalischer Musik, die bei Magie- und Zauberritualen Verwendung fanden, auseinandergesetzt. Die
Erkenntnisse dieser Studien beeinflussten
das Werk, vor allem den »Danza ritual del
fuego« maßgeblich, der eines der populärsten Stücke de Fallas wurde. Auch der Musizierstil der »bandas del pueblos«, der Dorfkapellen, stand Pate. Hinsichtlich der In­
strumentation, in die die Erfahrungen aus
Paris einflossen, zeigt sich der Komponist
allerdings sehr modern. Als Beispiel sei die
Verwendung des Klaviers als perkussiver
Motor des Satzes genannt. Seinem kompositorischen Credo treu bleibend, beschwört
de Falla in diesem Werk den Geist spanischer Folklore, ohne ihn buchstabengetreu
zu imitieren.
Manuel de Falla: »El amor brujo«
26
Phantastischer
Wirbel des Lebens
STEPHAN KOHLER
ENTSTEHUNG
MAURICE RAVEL
(1875–1937)
»La Valse«
Poème chorégraphique pour orchestre
Erste Pläne zum Ballett »La Valse«, das bis
1914 den Arbeitstitel »Wien« trug, reichen
ins Jahr 1906 zurück; als Ravel zwischen
Dezember 1919 und April 1920 im Dorf
Lapras (Département Ardèche / Südostfrankreich) das Werk zunächst in Versionen
für Klavier solo und Klavier-Duo vollendete,
wurde es in »La Valse« (Der Walzer) umbenannt. Der konkrete Schaffensimpuls ging
auf Sergej Diaghilew zurück, der Ravels
Werk ursprünglich durch die weltberühmten
»Ballets russes« zur Uraufführung bringen
wollte – was sich jedoch zerschlug, da der
russische Impresario »La Valse« als zu
»unballettmäßig« ablehnte.
WIDMUNG
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 7. März 1875 in Ciboure südlich von Saint-Jean-de-Luz im französischen Baskenland (Département Pyrénées-­
Atlantiques / Südwestfrankreich); gestorben
am 28. Dezember 1937 in Paris.
Gewidmet Misia Sert, geb. Godebska (1872–
1950); die aus einer polnisch-belgischen
Künstlerfamilie stammende Mäzenin hatte
1920 in dritter Ehe den spanischen Maler
und Bühnenbildner Josep Maria Sert geheiratet und unterhielt in Paris einen berühmten Salon, in dem sie als Muse zahlreicher
Schriftsteller, Maler und Musiker wirkte.
Maurice Ravel: »La Valse«
27
Achille Ouvré: Maurice Ravel (um 1914)
Maurice Ravel: »La Valse«
28
URAUFFÜHRUNG
JENSEITS ALLER SCHABLONEN
Am 12. Dezember 1920 in Paris (Orchester
der »Concerts Lamoureux« unter Leitung von
Camille Chevillard); vorausgegangen war am
23. Oktober 1920 im Kleinen Konzert­hausSaal in Wien eine Voraufführung in der Version für zwei Klaviere (im Rahmen eines
Konzerts des von Arnold Schönberg gegründeten »Vereins für musikalische Privataufführungen«; Solisten: Maurice Ravel und
Alfredo Casella). Erstaufführung der von
Ravel selbst konzipierten Ballett-Version:
Am 23. Mai 1929 in Paris in der Opéra National (Ballett-Compagnie Ida Rubinstein;
Dirigent: Maurice Ravel; Choreographie:
Bronislawa Nijinska; Bühnenbild und Kos­
tüme: Alexandre Benois).
Wer war Maurice Ravel ? So einfach die Beantwortung dieser Frage zu sein scheint, so
diffizil wird sie bei näherem Umgang mit
Biographie und Musik des in aller Welt und
bisweilen bis zum Überdruss als Schöpfer
des »Boléro« bekannten Komponisten. Unbeirrbares Unabhängigkeitsstreben, verbunden mit einem stark ausgeprägten Hang
zur Selbstkritik, formte Ravel zum Gegentyp eines selbstgefälligen Komponiervirtuosen, als den ihn die Öffentlichkeit
aufgrund der äußerlichen Brillanz und mitreißenden Virtuosität eines Werks wie »La
Valse« nur zu gern einstufte: Die stupende
Beherrschung der Ausdrucksmittel, der Einfallsreichtum von Ravels Instrumentationskunst, die scheinbare Mühelosigkeit seines
Produzierens und nicht zuletzt der viele
Zeitgenossen peinigende Erfolgskurs seiner Werke bildeten Irritationsmomente, denen nicht nur die deutsche, sondern zeitweise auch die französische Musikkritik mit
Unverstand und Ignoranz begegnete.
Auch der Feinschliff und die Konturenfülle
von Ravels Orchestersatz wurden als bloße
Äußerlichkeit abgetan, obwohl er sich gerade in der architekturalen Kühle seiner Formbildungen, in der reißbrettartigen Schärfe
seiner Verlaufsstrategien am deutlichsten
vom »impressionistischen« Tonfall Debussys unterscheidet, mit dem ihn höchstens
ein schmales Repertoire an Klangidiomen
verbindet: Über einzelne atmosphärische
Analogien, hervorgerufen durch die zeitgebundene Verwurzelung beider Komponisten
im Pariser Fin-de-Siècle, geht die oft gedankenlos kolportierte »Abhängigkeit«
Maurice Ravels von Claude Debussy nicht
hinaus.
Maurice Ravel: »La Valse«
29
VORSTOSS INS SURREALE
VOM MENUETT ZUM WALZER
Man hat in der Vergangenheit den Komponisten von »La Mer« jedoch immer wieder
mit dem von »La Valse« in einem Atemzug
genannt, als handle es sich bei Debussy und
Ravel um ein ähnliches Dioskurenpaar wie
bei Bach und Händel, Schumann und Mendelssohn oder Pfitzner und Strauss. Mitnichten ist dies der Fall: Zahlreiche Stil­
eigentümlichkeiten von Ravels »La Valse«
verweisen weniger auf Mitläuferschaft in
der wohlfeilen Woge des »debussysme« als
auf Vorläuferschaft zum Neoklassizismus
der sogenannten »Groupe des Six«, der
nächsten Komponistengeneration, die sich
um Jean Cocteau als Chefideologen geschart hatte.
Mit dem graziösen »Menuet sur le nom
d’Haydn« von 1909 und den zwei Jahre später entstandenen »Valses nobles et sentimentales«, einer anspielungsreichen Verneigung vor dem Genie Franz Schuberts,
enthüllte Ravel seine Vorliebe für historisierende Tanzparaphrasen, die freilich nie
ohne ironische Brechungen auskommen
und stets seine persönliche Handschrift
verraten. Virtuose Spielereien mit Vorbildern, Form- und Klangmodellen tänzerischer Musik rücken den Komponisten des
Haydn-Pasticcios in die Nähe und Nachbarschaft von so unterschiedlichen Zeitgenossen wie Strawinsky und Richard Strauss,
mit denen Ravel sein Interesse für die Koloristik früherer Stilepochen teilte. Die Buchstabenfolge H-A-Y-D-N, in die komponierbare Tonfolge H-A-D-D-G umgedeutet, wird
Gegenstand zahlreicher Metamorphosen,
die das thematische Urbild kaum noch erkennen lassen.
Klangliche Transparenz sowie eine bis dahin
nicht gekannte Vorrangstellung rhythmischer Parameter galten schon früh als Kennzeichen von Ravels Partituren, deren Mittlerrolle zwischen Impressionismus und
Neoklassizismus, zwischen Fin-de-siècle
und Moderne, auch heute noch keineswegs
voll erkannt ist. Unter der Vorgabe, »komplex, aber nicht kompliziert« zu schreiben,
wird in vielen seiner Werke eine »Musik der
Fülle und Aufrichtigkeit des Ausdrucks« angestrebt, die nie aufhören wollte, Musik,
»nichts als Musik«, zu sein. Formulierungen
wie diese rühren an Ravels Vorliebe für die
perfekte artistische Illusion, die als reines
Phantasieprodukt das übliche Vexierspiel
zwischen Sein und Schein in nichts auflöst.
»Kunst sollte die Nachahmung dessen sein,
was real nicht existiert«, hatte schon Paul
Valéry gefordert und damit eine oft verdrängte Dimension von Ravels Musik umschrieben: ihren Hang zu Mystik und
Transzendenz, mit dem sie die Klangsinnlichkeit zu einer Art Metaphysik der Diesseitigkeit überhöht.
Anders die »Valses« im Stile Franz Schuberts, die nicht auf thematische Urbilder hin
angelegt, sondern als freie Nachahmungen
eines bestimmten (Walzer-)Formtyps gedacht sind. Schubert wird hier nicht etwa
notengetreu zitiert, sondern auf eine sehr
eindringliche Weise imaginiert: die Reinkarnation eines historischen Vorbilds mit Mitteln der Moderne. Den »Valses nobles et
sentimentales« kommt deshalb der Rang
einer wichtigen Vorarbeit zum späteren
Hauptwerk »La Valse« zu, in dem die tradierte Gattungsnorm des Walzers buchstäblich zerlegt, ja zertrümmert wird, und
aus den Trümmern ein neuer, abgründig-­
ironischer Walzer-Mythos entsteht.
Maurice Ravel: »La Valse«
30
Die Tänzerin Ida Rubinstein und ihre Compagnie brachten »La Valse« schließlich doch noch als
Ballett auf die Bühne (um 1929)
Maurice Ravel: »La Valse«
31
FATALISMUS STATT APOTHEOSE
»La Valse«, komponiert um die Jahreswende 1919/20, schrieb Ravel in drei verschiedenen Versionen nieder: für Klavier solo und
für zwei Klaviere, sowie anschließend, mit
Widmung an die Pariser Kunstmäzenin Misia
Sert, als »Poème chorégraphique pour orchestre«. Sergej Diaghilew, dem »La Valse«
als Ballettvorlage zugedacht war, lehnte es
nach einer privaten Voraufführung mit dem
Komponisten am Klavier zu Ravels Enttäuschung brüsk ab, das Werk von den »Ballets
russes« kreieren zu lassen: »La Valse« sei
kein Ballett, sondern allerhöchstens das
»Portrait« eines Balletts... Weltruhm hingegen erlangte die Konzertfassung, die im
Dezember 1920 in Paris vom Lamoureux-­
Orchester erstmals gespielt wurde, und der
im Oktober desselben Jahres die denkwürdige Wiener Uraufführung in der Fassung für
zwei Klaviere vorausgegangen war. Ravel
selbst und sein Komponisten-Kollege Alfredo Casella hatten das Werk in der Donau­
metropole aus der Taufe gehoben – immerhin hätte es ja ursprünglich den Titel »Wien«
tragen sollen und war unterschwellig als
ironische Hommage an die Wiener
Strauß-Dynastie gedacht.
schen Epoche wie der K. & K.-Monarchie,
sondern bezöge seine Tragik aus der Tragödie der Menschheit und des Menschen
schlechthin; insofern sei der im Verlauf von
»La Valse« immer deutlicher und immer unaufhaltsamer hervortretende Fatalitätssog
durchaus mit dem der griechischen Tragödie
vergleichbar.
Erste Pläne zu einer Apotheose des Wiener
Walzers in Form einer symphonischen Dichtung reichen bis ins Jahr 1906 zurück,
scheinen aber durch die Ereignisse des Ersten Weltkriegs und den Tod von Ravels Mutter (1917) schwerwiegend beeinflusst und
in der Folge davon verworfen worden zu
sein. Die Apotheose wich der Vorstellung
von einem »phantastischen, fatalen Wirbel«,
dessen tragische Dimension der Komponist
1924 in einem in Madrid gegebenen Interview gezielt hervorhob und unterstrich. »La
Valse« beschreibe keineswegs, so Ravel,
den Untergang einer bestimmten histori-
Maurice Ravel: »La Valse«
32
James
Gaffigan
DIRIGENT
arbeitet mit führenden Orchestern und
Opernhäusern in ganz Europa, den USA und
in Asien zusammen. In den letzten Spielzeiten führten ihn Verpflichtungen u. a. zum
London Philharmonic Orchestra, zu den
Wiener Philharmonikern, zur Sächsischen
Staatskapelle Dresden, zum Orchestre de
Paris und zum Los Angeles Philharmonic.
Der amerikanische Dirigent James Gaffigan
war Assistenzdirigent von Franz Welser-­
Möst beim Cleveland Orchestra und Associate Conductor beim San Francisco Sym­
phony Orchestra. Seine internationale Karriere begann 2004 mit dem Gewinn des Internationalen Dirigentenwettbewerbs Sir
Georg Solti in Frankfurt. Seit 2010 ist er
Chefdirigent des Luzerner Sinfonieorchesters, Erster Gastdirigent der Niederländischen
Radio Philharmonie und seit 2013 Erster
Gastdirigent beim Gürzenich-Orchester Köln,
eine Position, die extra für ihn geschaffen
wurde. Neben diesen offiziellen Ämtern ist
James Gaffigan als Gastdirigent gefragt und
Als Operndirigent debütierte James Gaffigan
2011/12 mit »La Bohème« an der Wiener
Staatsoper und wurde daraufhin sofort wieder eingeladen, in der Saison 2012/13 »Don
Giovanni« zu dirigieren. 2012 leitete er beim
Glyndebourne Festival eine Produktion von
»La Cenerentola« und kehrte im Sommer
2013 für Aufführungen von »Falstaff« zurück.
Zu den Highlights der Saison 2015/16 zählen seine Debüts bei den New Yorker Philharmonikern und an der Bayerischen
Staatsoper in München mit »Don Giovanni«.
Weitere Verpflichtungen führen ihn erneut
zum Los Angeles Philharmonic, zum Orches­
tre de Paris sowie zum Orchestre National
de France. Außerdem dirigiert er »Le nozze
di Figaro« an der Wiener Staatsoper.
Die Künstler
33
Miloš Karadaglić
GITARRE
London oder dem KKL Luzern und trat daneben auch in weniger traditionellen Spielstätten wie im New Yorker »Le Poisson Rouge«, im Londoner »Camden Roundhouse«
(iTunes Festival) auf sowie bei den Yellow
Lounge Club Nights der Deutschen Grammophon.
Der 1983 in Montenegro geborene Miloš Karadaglić erspielte sich in den letzten Jahren
den Ruf eines außergewöhnlich talentierten
Gitarrenvirtuosen. Nachdem er als Achtjähriger mit dem Gitarrenspiel begonnen hatte,
erhielt er im Alter von 16 Jahren ein Stipendium, um an der Royal Academy of Music in
London zu studieren.
Seine Debüt-CD brachte ihm 2011 weltweite
Aufmerksamkeit. Daraufhin spielte Miloš Karadaglić in der Saison 2012/13 Konzerte in Europa, Nordamerika, Asien und
Australien und debütierte dabei in so namhaften Sälen wie der Royal Albert Hall in
Die Saison 2014/15 begann Miloš Karadaglić
mit einer festlichen Gala in der Londoner
Royal Albert Hall. Es folgten Solo- und Orchesterauftritte in Lissabon, Madrid, London, Paris, Rom, Mailand, Miami, Atlanta,
Tokio, Peking, Shanghai, Hongkong und
Seoul. Für sein drittes Album, das im Februar 2014 bei Mercury Classics / Deutsche
Grammophon veröffentlicht wurde, ist das
»Concierto de Aranjuez« von Joaquín Rodrigo Ausgangspunkt für eine Hommage an die
Musik Spaniens. Aufgenommen mit dem
London Philharmonic Orchestra und Yannick Nézet-Séguin debütierte Miloš Kara­
daglić mit Rodrigos Gitarrenkonzert außerdem mit bedeutenden Orchestern wie dem
Chicago Symphony Orchestra, dem Los
Angeles Philharmonic Orchestra und dem
English Chamber Orchestra.
Die Künstler
34
Die Philharmoniker
als Botschafter
tschechischer und
polnischer Musik
GABRIELE E. MEYER
Am 14. Oktober 1893 begann die philharmonische Orchestergeschichte in München mit
der Wiedergabe von Smetanas Ouvertüre zu
»Die verkaufte Braut«. Dieses Stück sowie
die Tondichtungen »Die Moldau« und
»Vyšehrad« aus »Má Vlast« gehörten über
viele Jahre ebenso zum Standardrepertoire
wie Antonín Dvořáks Cellokonzert op. 104.
Gerne wurden auch die beiden Klavierkonzerte von Frédéric Chopin aufs Programm
gesetzt, ergänzt durch das Konzert-Allegro
A-Dur in einer Bearbeitung von Jean Louis
Nicodé für Klavier und Orchester. Andere
polnische und tschechische Komponisten
wurden meist nur einmal vorgestellt. Zu
­ihnen zählten Mieczysław Karłowicz, Emil
Młynarski, Ignacy Paderewski, Karol Szymanowski und Henri Wieniawski sowie Josef
Suk und Jaromír Weinberger. Eine Ausnahme
bildete Leoš Janáček, von dem innerhalb
kurzer Zeit gleich drei Werke zu hören waren.
Sehr viel später setzte man aus politisch-­
ideologischen Gründen fast ausschließlich
auf kroatische Komponisten wie Krešimir
Baranović, Jakov Gotovac, Boris Papandopulo und Josip Slavenski.
Wie unterschiedlich heute zum klassischen
Kanon zählende Werke erstmals aufgenommen wurden, zeigen zwei Beispiele. Kaum zu
glauben: Am 16. April 1904 wurde Ignacy
Paderewskis in München noch unbekanntes
Klavierkonzert op. 17 mit wesentlich größerem Beifall bedacht als Schumanns »selten
gehörtes« Konzert op. 54; andererseits aber
stieß Dvořáks Symphonie »Aus der Neuen
Welt« bei ihrer ersten Aufführung am 5. Januar 1898 zunächst auf indignierte Ablehnung. So ließ die »Münchner Post« verlauten,
dass man anstelle der »neuen amerikanischen, bei den Yankees patentirten Unterhaltungs- und Plantagen-Symphonie des
vielstrebenden Herrn Dvorak« lieber einen
zeitgenössischen deutschen Tondichter wie
Richard Strauss gehört hätte. Die »Münchner
Neuesten Nachrichten« bekrittelten die
»dummpfiffige Lustigkeit« des zweiten, national gefärbten Themas (Kopfsatz), die motivische Kleinteiligkeit »und alle möglichen,
mit äußerster Finesse in Szene gesetzten
Instrumentaleffekte des langsamen Satzes,
der durch seine Länge allerdings doch sehr
ermüdend wirkt«. Das verhältnismäßig origi-
Slawische Musik in München
35
Konzertankündigung für den 6. März 1930 mit Janáčeks »Glagolitischer Messe«
Slawische Musik in München
36
nelle Scherzo lehnte sich ihrer Meinung nach
zu sehr an den gleichartigen Satz aus der
»Harold«-Symphonie von Berlioz an. Und
auch dem effektvoll aufgebauten Finale
sprach der Kritiker keine besondere Originalität zu. Als Bereicherung der symphonischen Literatur, so sein Fazit, könne man das
Werk jedenfalls nicht bezeichnen.
Janáčeks 1926 entstandene »Sinfonietta«
erklang in München zum ersten Male am
1. März 1929. Nur ein knappes Jahr später
folgte unter der Leitung von Adolf Mennerich
die Orchester-Rhapsodie »Taras Bulba«,
schließlich, am 6. März 1930, im Rahmen der
»Woche Neuer Musik«, die »Glagolitische
Messe«. Vier Tage vor der Aufführung ver­
öffentlichten die »Münchner Neuesten
Nachrichten« eine ausführliche Einführung,
erstaunlich in ihrer detaillierten Beschreibung der einzelnen Teile, gepaart mit viel
Einfühlungsvermögen in die stilistischen
Besonderheiten des Werks. Gleichwohl rea­
gierten Konzertbesucher und Pressevertreter
ob der Auslegung des Messetextes teilweise
irritiert, ungeachtet der Tatsache, dass sie
das satztechnisch geniale Können, die phänomenal temperamentvolle Schaffenskraft,
die den 72-jährigen Komponisten diese großartige Schöpfung vollbringen ließ, durchaus
anerkannten. Der stürmische Beifall in der
ausverkauften Tonhalle galt zuvörderst der
ausgezeichneten Leistung aller Ausführenden, dem Chor, »der die enormen Schwierigkeiten schon hinsichtlich Treff­sicherheit und
Intonation hervorragend bewältigte«, den
Philharmonikern, »die alles gaben, was der
Dirigent an Klang und Ausdruck von ihnen
forderte« und dem ausgezeichneten Organisten. Einhelliges Lob gab es auch für die
Solisten, vor allem für Julius Patzak.
Auch für das Konzert am 5. Januar 1938, das
im Rahmen des deutsch-polnischen Kulturaustausches stattfand, gab es einen Vorbericht, der Bezug nimmt auf ein vorausgegangenes, äußerst erfolgreiches Konzert in
Polen. Der Dirigent Adolf Mennerich war
Anfang Dezember 1937 in Begleitung des
philharmonischen Solocellisten Hermann
von Beckerath nach Posen gereist und hatte mit dem dortigen Symphonieorchester
musiziert. »Die Hauptstadt der Bewegung«,
so hieß es, »hält es nun für eine Ehrenpflicht, auch den polnischen Gästen einen
würdigen Empfang zu ihrem Konzert zu bereiten und dabei ihrem Dank für die außerordentliche herzliche Aufnahme der deutschen Künstler in Polen Ausdruck zu geben«.
Neben Wagners »Holländer«-Ouvertüre und
Dvořáks »Neunter« stellte Zygmunt Latoszewski zwei in München noch unbekannte
Komponisten vor: Von Mieczysław Karłowicz erklang die romantische Legende
»Stanislaw und Anna Oswiecimowie«, von
Karol Szymanowski dessen Violinkonzert
Nr. 1 op. 35, gespielt von Zdzislaw Jahnke.
Dirigent und Solist wurden nicht nur »hinsichtlich der glänzenden Wiedergabe der
von ihnen gebrachten Stücke« bejubelt,
sondern auch dafür, dass sie zwei neue
Werke ihrer Landsleute mitgebracht hatten.
– Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 beendete die »friedliche Verständigung zwischen den beiden Nationen«
abrupt. In der Folge wurde der Anteil an
ausländischer Musik je nach Kriegsverlauf
auf ein Mindestmaß reduziert. Von den slawischen Komponisten blieben am Ende nur
noch die kroatischen übrig.
Slawische Musik in München
37
Sonntag
31_01_2016 11 Uhr
4. KAMMERKONZERT
Sonntag
14_02_2016 11 Uhr m
Dienstag
16_02_2016 20 Uhr f
Mittwoch
17_02_2016 20 Uhr a
»Meisterwerke III«
ANTON WEBERN
»Langsamer Satz« für Streichquartett
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
Streichquartett Nr. 9 Es-Dur op. 117
FRANZ SCHUBERT
Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810
»Der Tod und das Mädchen«
WOJCIECH KILAR
»Orawa« für Streichorchester
WITOLD LUTOSŁAWSKI
Konzert für Orchester
BEDŘICH SMETANA
»Vyšehrad«, »Vltava« (Die Moldau) und
»Šárka« aus dem Zyklus »Má Vlast«
(Mein Vaterland)
HELENA MADOKA BERG
Violine
SIMON FORDHAM
Violine
YUSHAN LI
Viola
SVEN FAULIAN
Violoncello
KRZYSZTOF URBAŃSKI
Dirigent
Donnerstag
04_02_2016 20 Uhr b
Freitag
05_02_2016 20 Uhr c
Samstag
06_02_2016 19 Uhr d
ANTONÍN DVOŘÁK
»Vodník« (Der Wassermann) op. 107
BOHUSLAV MARTINŮ
Doppelkonzert für zwei Streichorchester,
Klavier und Pauken
LEOŠ JANÁČEK
»Sinfonietta«
JURAJ VALČUHA
Dirigent
Vorschau
38
Die Münchner
Philharmoniker
1. VIOLINEN
Sreten Krstič, Konzertmeister
Lorenz Nasturica-Herschcowici,
Konzertmeister
Julian Shevlin, Konzertmeister
Odette Couch, stv. Konzertmeisterin
Lucja Madziar, stv. Konzertmeisterin
Claudia Sutil
Philip Middleman
Nenad Daleore
Peter Becher
Regina Matthes
Wolfram Lohschütz
Martin Manz
Céline Vaudé
Yusi Chen
Helena Madoka Berg
Iason Keramidis
Florentine Lenz
2. VIOLINEN
Simon Fordham, Stimmführer
Alexander Möck, Stimmführer
IIona Cudek, stv. Stimmführerin
Matthias Löhlein, Vorspieler
Katharina Reichstaller
Nils Schad
Clara Bergius-Bühl
Esther Merz
Katharina Triendl
Ana Vladanovic-Lebedinski
Bernhard Metz
Namiko Fuse
Qi Zhou
Clément Courtin
Traudel Reich
BRATSCHEN
Jano Lisboa, Solo
Burkhard Sigl, stv. Solo
Julia Rebekka Adler, stv. Solo
Max Spenger
Herbert Stoiber
Wolfgang Stingl
Gunter Pretzel
Wolfgang Berg
Beate Springorum
Konstantin Sellheim
Julio López
Valentin Eichler
Yushan Li
VIOLONCELLI
Michael Hell, Konzertmeister
Floris Mijnders, Solo
Stephan Haack, stv. Solo
Thomas Ruge, stv. Solo
Herbert Heim
Veit Wenk-Wolff
Sissy Schmidhuber
Elke Funk-Hoever
Manuel von der Nahmer
Isolde Hayer
Sven Faulian
David Hausdorf
Joachim Wohlgemuth
Das Orchester
39
KONTRABÄSSE
Sławomir Grenda, Solo
Fora Baltacigil, Solo
Alexander Preuß, stv. Solo
Holger Herrmann
Stepan Kratochvil
Shengni Guo
Emilio Yepes Martinez
Ulrich Zeller
Thomas Hille
FLÖTEN
Michael Martin Kofler, Solo
Herman van Kogelenberg, Solo
Burkhard Jäckle, stv. Solo
Martin Belič
Gabriele Krötz, Piccoloflöte
OBOEN
Ulrich Becker, Solo
Marie-Luise Modersohn, Solo
Lisa Outred
Bernhard Berwanger
Kai Rapsch, Englischhorn
KLARINETTEN
Hubert Pilstl
Mia Aselmeyer
TROMPETEN
Guido Segers, Solo
Bernhard Peschl, stv. Solo
Franz Unterrainer
Markus Rainer
Florian Klingler
POSAUNEN
Dany Bonvin, Solo
David Rejano Cantero, Solo
Matthias Fischer, stv. Solo
Quirin Willert
Benjamin Appel, Bassposaune
PAUKEN
Stefan Gagelmann, Solo
Guido Rückel, Solo
Walter Schwarz, stv. Solo
SCHLAGZEUG
Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Jörg Hannabach
Alexandra Gruber, Solo
László Kuti, Solo
Annette Maucher, stv. Solo
Matthias Ambrosius
Albert Osterhammer, Bassklarinette
HARFE
FAGOTTE
EHRENDIRIGENT
Lyndon Watts, Solo
Jürgen Popp
Jörg Urbach, Kontrafagott
Zubin Mehta
HÖRNER
Jörg Brückner, Solo
~eira, Solo
Matias Pin
Ulrich Haider, stv. Solo
Maria Teiwes, stv. Solo
Robert Ross
Alois Schlemer
Teresa Zimmermann
CHEFDIRIGENT
Valery Gergiev
INTENDANT
Paul Müller
ORCHESTERVORSTAND
Stephan Haack
Matthias Ambrosius
Konstantin Sellheim
Das Orchester
40
IMPRESSUM
BILDNACHWEISE
TITELGESTALTUNG
Herausgeber:
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4
81667 München
Lektorat:
Christine Möller
Corporate Design:
HEYE GmbH, München
Graphik:
dm druckmedien gmbh
München
Druck:
Gebr. Geiselberger GmbH
Martin-Moser-Straße 23
84503 Altötting
Abbildungen zu César
Franck und Bürgers Ballade: Romain Goldron, Die
nationalen Schulen (Illu­
s­
trierte Geschichte der
Musik, Bd. 10), Lausanne
­
1966; Johann Baptist Sonderland, Bilder und Randzeichnungen zu Deutschen
Dichtungen,
Düsseldorf
1844 (Online-Ausgabe der
Universitäts- und Landesbibliothek
Düsseldorf
2010).
Abbildung
zu
­Joaquín Rodrigo: http://
fundacionjoaquinrodrigo.
blogspot.de. Abbildungen
zu Luciano Berio und Luigi
Boccherini: Andrea Zaccaria, Berio – il passato nel
presente, Mailand 2004;
https://commons.wikimedia.org. Abbildung zu Manuel de Falla: Kurt Pahlen,
de Falla und die Musik
Spaniens, Mainz 1994. Abbildungen zu Maurice Ravel: Theo Hirsbrunner,
Maurice Ravel – Sein Leben, sein Werk, Laaber
1989; Roger Nichols, Maurice Ravel im Spiegel seiner Zeit – Portraitiert von
Zeitgenossen, Zürich / St.
Gallen 1990. Münchner
Stadtbibliothek / Musikbibliothek. Künstlerphotographien: Mat Hennek
(Gaffigan), Andy Earl /
Mercury Classics (Kara­
daglić)
»Mit Stift und Pinsel wild
gezogene, sich überschneidende Kreise und Spiralen,
Röschen aus Tüll und geheimnisvolle, schwarze Ge­
bilde nehmen das Format
ein. Dieses Bild ist eine
abstrakte Umsetzung der
Szenerie, die Ravel seiner
Partitur voranstellt: ›Flüchtig lassen sich durch
schwebende Nebelschleier hindurch walzertanzende Paare erkennen. Nach
und nach lösen sich die
Schleier auf: man erblickt
einen riesigen Saal mit
zahllosen im Kreise wirbelnden Menschen. (...)
Plötzlich erstrahlen die
Kronleuchter in hellem
Glanz. (...)‹ Am Ende verliert sich das Stück in einem Ausbruch von Gewalt
und Chaos.« (Maria Fischer, 2015)
TEXTNACHWEISE
Peter Jost, Nicole Restle
und Gabriele E. Meyer
schrieben ihre Texte als
Originalbeträge für die Programmhefte der Münchner
Philharmoniker. Stephan
Kohler stellte seinen Text
den Münchner Philharmonikern zum Abdruck in diesem Programmheft zur Verfügung; er verfasste auch
die lexikalischen Werk­
angaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken. Künstlerbiographien: nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei
den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist
seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Impressum
DIE KÜNSTLERIN
Maria Fischer ist Illustratorin, Designerin und ArtDirectorin. In ihren Arbeiten vereint sie konzeptionelle und intuitive Heran­
gehens­weisen. Sie lebt
und arbeitet in München.
www.maria-fischer.com
Konzertkarte
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E
FL IN
SP EX FA
AR IB CH
EN EL
’15
’16
DAS ORCHESTER DER STADT
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