apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära > Impfstoffe – Prävention und neue Herausforderungen > Impfung als Therapie in der Onkologie > Die Zukunft hat begonnen Titelfoto: Thinkstock Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG, Düsseldorf, wird beaufsichtigt durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn und Marie-Curie-Straße 24 – 28, 60439 Frankfurt am Main sowie die Europäische Zentralbank (EZB), Sonnemannstraße 20, 60314 Frankfurt am Main. Die in diesem apoFokus enthaltenen Informationen stellen keine Anlageberatung dar. Sie zielen nicht auf das individuelle Anlageprofil des Empfängers ab, sondern enthalten allgemeine Informationen, die eine selbstständige Anlageentscheidung erleichtern sollen. Mit dem apoFokus ist keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf verbunden. Der apoFokus beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten. 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Nachdruck nur mit Genehmigung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. 2 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Inhalt Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen 4 Impfstoffe (=Vakzine) 6 Impfstoffe in der Tropenmedizin 12 Impfstoffe in der Onkologie 14 Herausforderungen in der Immunonkologie 25 Die Zukunft hat begonnen 29 3 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen Die Sensibilisierung des Immunsystems und das Ausnutzen des „ImmunGedächtnisses“ zur Vorbeugung gegen Infektionen durch Bakterien, Viren, Pilze und andere negative Umwelteinflüsse stehen bei der Impfung im Vordergrund. Impfstoffe (= Vakzine) galten früher als hochpreisige Nischenprodukte in der pharmazeutischen Industrie. Nur wenige Pharmakonzerne beschäftigten sich mit der Prävention durch Impfung. Die Forschung und Entwicklung von Therapeutika bei seltenen Erkrankungen (z. B. Orphan Drugs) oder den so genannten Volkskrankheiten (beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterin etc.) war vielversprechender und vor allem lukrativer. VON DER PROPHYLAXE GEGEN INFEKTIONSKRANKHEITEN … Vorbeugung Der Einsatz von Impfstoffen galt in der Vergangenheit stets als Prophylaxe. Am bekanntesten ist die Grippeschutzimpfung, gefolgt vom Impfkalender für Säuglinge, Kinder und Jugendliche. Mit zunehmendem Alter werden Impfungen, gerade bei Erwachsenen, immer öfter vernachlässigt. Obwohl in den letzten Jahren nur wenige neue Impfstoffe entwickelt und vermarktet wurden, erlebt der Sektor gerade eine Renaissance. Tropenmedizin Ausschlaggebend ist u. a. die zunehmende Ausbreitung von Tropenkrankheiten außerhalb der Endemiegebiete. Das Infektionsrisiko in der westlichen Welt nimmt zu und aufgrund dessen erhöht sich u. a. auch der politische Druck auf die Impfstoffhersteller. Die Entwicklungsländer profitieren gleichermaßen durch die Erforschung neuer Impfstoffe, um auch Infektionskrankheiten wie Ebola oder Malaria in den Griff zu bekommen. Prävention gegen Krebs Im Jahr 1969 wurde der erste Hepatitis B Impfstoff aus hitze-inaktivierten Hepatitis B Viren entwickelt und zugelassen. Da es sich um krebsinduzierende Viren handelt, gilt dieser Impfstoff als erste zugelassene Form eines prophylaktischen Krebsimpfstoffs. 1986 wurde das rekombinante Protein HBsAG zur Impfung gegen Hepatitis B zugelassen. Dieses aus Hefen hergestellte Vakzin wies weniger Kontaminationen auf und enthielt keine Virusbestandteile mehr. Er gilt als der erste zugelassene rekombinante Impfstoff. Humane Papilloma Impfstoffe 4 Man schätzt aktuell, dass die Hochrisiko HPV (Humane Papilloma Viren) Typen 16 und 18 weltweit für 70 % der Gebärmutterhalskrebsentstehung ver- Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen antwortlich sind. Durch die Entwicklung von Impfstoffen (Gardasil, Cervarix) zur Prävention konnte der Ausbruch dieses Krebses eingedämmt werden. … HIN ZUR THERAPIE GEGEN KREBS Immunonkologie Durch die Entdeckung der Signalwege zwischen Krebszellen und T-Zellen wurde der therapeutische Ansatz der Immunonkologie entdeckt. Im Umfeld der Forschung an monoklonalen Antikörpern für die Unterbrechung dieser Signalwege entdeckte man auch den Mechanismus der Impfstoffe wieder neu. Mit der Aktivierung des Immunsystems durch eine Impfung besteht die Möglichkeit, die Tumorzellen für die körpereigene Abwehr „sichtbar“ zu machen und der Gesundheitspolizei des eigenen Organismus die entarteten Zellen als körperfremde Zellen zu demarkieren und die Vernichtung zu ermöglichen. Therapeutische Impfstoffe Dieser therapeutische Einsatz von Impfstoffen, die früher nur zur Vorbeugung dienten, ist neu. In den letzten Jahren wurden vielversprechende Verfahren entwickelt, und ein Teil hielt Einzug in die klinische Prüfung. Im Jahr 2010 wurde erstmals das therapeutische Impfen gegen Krebs in den USA zugelassen, das Sipuleucel-T gegen eine bestimmte Form des metastasierenden Prostatakarzinoms. Auch wenn es sich um ein passives Verfahren handelt, so konnte doch gezeigt werden, dass mit einer Impfung eine Krebstherapie durchgeführt werden kann. Damit wurde ein neuer Therapieansatz, die Aktivierung des Immunsystems zur Bekämpfung von Krebs, etabliert. Neue Optionen und Zulassungen Derzeit werden viele neue Verfahren in der Forschung & Entwicklung, aber auch in klinischen Prüfungen getestet. Beispielsweise handelt es sich um den adoptiven Zelltransfer, verschiedene Varianten der CAR-T (Chimäre Antigen Rezeptor T-Zellen) Therapien, über BITE (Bi-spezifische T-Zell Aktivatoren) Antikörper bis zur Genom-Analyse für die Entwicklung von Neoantigenen. Ein weiterer Ansatz ist die Entwicklung von onkolytischen Viren. In der Immunonkologie hat sich das therapeutische Impfen gegen Krebs noch nicht etabliert. Es scheint jedoch auf dem aktuellen Stand der Forschung ein weiterer vielversprechender Ansatz für die Aktivierung des Immunsystems gegen die entarteten körpereigenen Zellen zu sein. Der vorliegende Fokus soll einen Überblick über den Einsatz von Impfstoffen zur Prophylaxe gegen Infektionen und virusinduzierten Krebs geben sowie den potenziellen Einsatz von Vakzinen zur Therapie gegen Krebs beleuchten. 5 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe (=Vakzine) Impfstoffe (=Vakzine) Vakzine leitet sich aus dem lateinischen vaccinus = „von der Kuh“ her. Bei der menschlichen Pockenerkrankung wurde erstmals versucht, aktiv zu immunisieren. Aufgrund von Beobachtungen gelang es einem englischen Arzt, durch Kuhpocken eine Infektion auszulösen, von der der Patient sich vollständig erholte. Danach wurde dieser genesene Patient mit den humanen Pocken infiziert und es traten keine Symptome einer Infektion auf. In Deutschland gelten die Pocken als ausgerottet, und es wird heute nicht mehr gegen diese Infektion geimpft. Die ursprüngliche Anwendung von Impfstoffen galt der Verhinderung des Ausbruchs einer Krankheit bzw. der Abmilderung, wenn eine Infektion auftritt. Es wird zwischen aktiver und passiver Immunisierung unterschieden. Aktive Immunisierung Bei einer aktiven Immunisierung werden wesentliche Teile – bei einem Virus beispielsweise eine konstante Region der Virushülle – des infektionsauslösenden Keims in den Organismus gegeben und das Immunsystem „aktiviert“. Diese Vorbereitung des Körpers dient der schnellen Immunabwehr, wenn der tatsächliche Erreger eine Infektion auslöst. Die Immunzellen und die gegen den Erreger wirkenden Antikörper zerstören den „Fremdkörper“. Passive Immunisierung Eine passive Immunisierung wird bei einem bereits erkrankten Menschen durchgeführt. Hier werden den Patienten Immunglobuline (Antiseren) von geimpften Menschen (oder auch von Pferden) appliziert. Diese Antiseren enthalten die spezifischen Antikörper gegen die Krankheitserreger. Der Impfstoffmarkt Der Impfstoff-Markt ist mit seinen vorbeugenden Impfstoffen fast jedem geläufig. Schutzimpfungen gegen Grippe oder Keuchhusten, Masern, Diphterie und andere so genannte „Kinderkrankheiten“ sind das bekannteste Spektrum. Die neueren Impfmöglichkeiten gegen Hepatitis A, Hepatitis B oder gegen tropische Erkrankungen wie beispielsweise Gelbfieber sind indessen nur einer geringeren Anzahl von Personen bekannt meist nur denjenigen, die sich aufgrund von Arbeitsschutz durch Exposition oder Fernreisen damit auseinandersetzen müssen. Infektionskrankheiten – ein Problem der Entwicklungsländer? 6 Gegen eine Vielzahl von Infektionskrankheiten existieren derzeit noch keine vorbeugenden Impfstoffe. Der Grund hierfür liegt in der Verbreitung der Krankheiten. Häufig handelt es sich um tropische Erkrankungen, die zum ei- Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe (=Vakzine) nen in den westlichen Industrienationen nicht oder selten vorkommen und zum anderen in kaufkraftschwachen Regionen – meist in den Entwicklungsländern – auftreten und für die Pharmaindustrie kein lohnendes Investment darstellen. Jedoch hat hier in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Aufgrund der zunehmenden Reisetätigkeit, ob nun vom Geschäftsreisenden oder vom Touristen, kamen viele Infektionen auch in die westliche Welt. Infektionskrankheiten kennen keine Ländergrenzen, und die Überträger sind lediglich vom Klima und der Ernährungssituation in den Regionen abhängig. Des Weiteren breiten sich die Überträger, meist verschiedene tropische Mückenarten, aufgrund des Klimawandels weiter aus. Die Klimaerwärmung, auch in unseren Regionen, fördert die Beheimatung der fremden Mückenarten (bspw. die asiatische Tigermücke) und ermöglicht ihnen, sich weiter zu vermehren und auszubreiten. Zum Schutz der ansässigen Bevölkerung, wird nun auch an den tropischen Infektionskrankheiten geforscht, um Epidemien in unseren Breitengraden zu verhindern bzw. keinen Nährboden zu bieten. Weltweite Umsätze Umsatzentwicklung Im Jahr 2005 wurden weltweit ca. 10 Mrd. USD mit Impfstoffen umgesetzt, ein vergleichsweise kleiner Markt im Kontext der gesamten Medikamentenumsätze. Im Jahr 2013 wurden weltweit Arzneimittel für knapp eine Billion USDollar umgesetzt. Für das abgelaufene Jahr 2015 erwartet man alleine für den Impfstoffmarkt Erlöse in der Größenordnung von 41 Mrd. USD. Weltweiter Umsatz auf dem Impfstoffmarkt (in Mrd. USD) 41 23 10 2005 2009 2015e Quelle: Statista Allerdings beruhen die Schätzungen für die Zukunft auf den derzeit zugelassenen Impfstoffen, die am Markt erhältlich sind. Das Potenzial dieses Marktsegmentes dürfte sich in den kommenden Jahren vervielfachen. Gründe hierfür sind Neuzulassungen in den vergangenen Monaten und auch die steigende Anzahl der Impfstoffe, die derzeit in der Forschung und Entwicklung getestet werden. 7 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe (=Vakzine) Marktpotenzial steigt durch Neuzulassungen Beispielsweise erhielt im ersten Quartal 2016 die französische Firma Sanofi ein positives Votum der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) für ihren Impfstoff gegen Dengue-Fieber. Das weltweite Marktpotenzial beziffert das Unternehmen selbst in der Spitze auf bis zu 900 Mio. Euro pro Jahr, sofern alle Länder, in denen eine Zulassung beantragt wurde, diese auch erteilen. Des Weiteren erhielt die britische GlaxoSmithKline die Zulassung für den ersten Impfstoff gegen die Malaria tropica. Zwar ist das ein großer Erfolg für die F&E-Abteilung des Unternehmens, ein kommerzieller Erfolg wird ihnen jedoch aufgrund der nicht immer ausreichenden Wirksamkeit und der begrenzten Vermarktung in den Endemiegebieten wohl verwehrt bleiben. Ähnlich dürfte es auch für den neuentwickelten und sehr wirksamen Impfstoff gegen Ebola von der amerikanischen Merck & Co. sein. Hier sollten ebenfalls nur in den bekannten Ausbreitungsregionen die Impfungen zugelassen werden. Erst bei akuter Gefahr auch in anderen Ländern dürfte der Impfstoff einer breiteren Masse zur Verfügung stehen. Top-Ten der Pharmakonzerne Aufgrund der Konsolidierung des Sektors in der Vergangenheit haben sich nur wenige pharmazeutische Hersteller etabliert. Der Aufwand an Forschung und Entwicklung bzw. Herstellung von Impfstoffen ist kapitalintensiv. Aufgrund dessen ist der Markt unter wenigen Akteuren aufgeteilt. Fünf teilen sich den Markt 8 Die fünf großen „Spieler“ teilen sich zwischen 80 % und 90 % der globalen Impfstoffumsätze untereinander. In der nachfolgenden Grafik wird die Aufteilung der Top-Ten im Markt anhand ihrer Umsätze im Jahr 2013 und den erwarteten Umsätzen für das Jahr 2020 dargestellt: Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe (=Vakzine) Die zehn größten Impfstoffhersteller (nach Umsätzen) 5.867 Merck & Co.* 7.497 4.494 GlaxoSmithKline 7.440 5.258 Sanofi* 7.343 5.845 Pfizer 7.253 Novartis 949 Emergent BioSolutions 246 506 Takeda 315 377 Astellas Pharma 355 369 295 318 AstraZeneca Mitsubishi Tanabe 1.537 272 276 2013 2020e * inkl. 50 % Sanofi Pasteur MSD, Quelle: Statista Impfstoffmarkt im Umbruch Jedoch dürften die Schätzungen für die Erlöse der Impfstoffhersteller, wie bereits erwähnt, eher nach oben revidiert werden. In Anbetracht der aktuell stattfindenden Evolution auf dem Impfstoffmarkt in Bezug auf den therapeutischen Einsatz von Impfstoffen in der Onkologie dürfte sich auch die Verteilung der Umsätze in der Zukunft verschieben. Hohe Eintrittsbarrieren Aktuell wird sich auf dem klassischen Impfstoffmarkt jedoch nicht viel verändern. Grund hierfür ist die mangelnde Konkurrenz in diesem Segment, da die genannten Eintrittsbarrieren nicht nur für etablierte Pharmaunternehmen für eine Portfolio-Diversifikation, sondern gerade für Neulinge sehr hoch sind. Wettbewerb Lange Entwicklungszeiten Für die Entwicklung eines neuen Impfstoffes werden im Durchschnitt 15 Jahre veranschlagt. Kleine oder mittlere Unternehmen, die auf dieses Marktsegment streben, brauchen aufgrund dessen einen langen Atem. Das Durchhaltevermögen ist stark abhängig von den finanziellen Ressourcen eines pharmazeutischen Neueinsteigers. 9 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe (=Vakzine) Neben der kapitalintensiven Forschung und Entwicklung spielen nach der Zulassung auch die Produktion und die Vermarktung eine große Rolle. Beispielsweise hat die Herstellung eines Grippeimpfstoffes eine ca. einjährige Vorlaufzeit. Nach der Auswahl der passenden Viruspartikel bzw. des Virus, welcher eine größere Anzahl von Erkrankungen in der Bevölkerung auslösen kann, beginnt der Produktionsprozess. Aufgrund der langen Zeitspanne (ein Jahr) können keine neuen Impfstoffdosen nachgeliefert werden, auch wenn die Nachfrage noch vorhanden sein sollte. Ausreichende Kapazitäten Jeder Impfstoffproduzent muss auch Impfstoffe für die Entwicklungsländer vorhalten. Dies erfordert Produktions- und Lagerkapazitäten, um für die Anwendung in den Entwicklungsländern genügend Impfdosen zu besitzen. Da die Nachfrage der einzelnen Märkte sehr unterschiedlich ausfällt, ist für ein neues Unternehmen auf dem Impfstoffmarkt diese Situation nur schwer zu kalkulieren. Hinzu kommen zusätzliche Anfragen aus den Schwellenländern, die bisher nur im geringen Umfang Impfungen durchgeführt haben. Weiterhin sind sich ausbreitende Epidemien ebenfalls schwer einzuschätzen. Erstattet werden von den sozialen Organisationen jedoch nur die Produktionskosten plus einem Aufschlag von 5 %. Es ist also per se kein lukratives Geschäft. Die Forschungs- und Entwicklungskosten werden gedeckt und der Aufschlag in weitere Projekte investiert. Expertenwissen Die F&E-Kosten und die Produktion/Lagerung gekoppelt mit einer saisonal schwankenden Nachfrage erschweren vielen potenziellen Neueinsteigern den Markteintritt in dieses spezielle Segment der Infektionskrankheiten. Des Weiteren ist auch das Know how von der Entstehung und Behandlung von Viruskrankheiten und deren Überträger nicht sehr weit verbreitet und muss erst etabliert werden. Aufgrund der vorgenannten Parameter handelt es sich um einen relativ abgeschotteten Markt für die klassischen Impfstoffe. Da Neuentwicklungen für bereits etablierte Impfstoffe wenig Sinn machen, werden sich Newcomer – wenn überhaupt – auf andere Virusinfektionen spezialisieren wollen. Inwieweit sie damit Erfolg haben, muss abgewartet werden, auch wenn eine Vielzahl von Infektionen noch nicht vorbeugend behandelt werden können. Ständige Impfkommission (STIKO) der Bundesrepublik Deutschland STIKO 10 Das Infektionsschutzgesetz beinhaltet Entschädigungsregelungen bei einem „Impfschaden“. Aufgrund dessen sprechen die obersten Länderschutzbehörden „öffentliche Empfehlungen“ für bestimmte Schutzimpfungen aus. Hier Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe (=Vakzine) steht vor allem das Interesse der Allgemeinheit im Vordergrund, sich gegen bestimmte übertragbare Krankheiten impfen zu lassen. Dadurch wird nicht nur das Individuum selbst, sondern auch die Bevölkerung gegen potenzielle Epidemien geschützt. Im Jahr 1972 erfolgte die Bildung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Ihre Empfehlungen sind die Grundlage der öffentlichen Empfehlungen der Bundesländer. Nicht alle Impfungen, die heute möglich sind, werden von der STIKO empfohlen. Hierfür spielen die Inzidenzrate einer Erkrankung und die Notwendigkeit, wie viele Einzelpersonen geimpft werden müssen, um einen Erkrankungsfall zu verhindern, eine Rolle. Impfkalender der STIKO (Stand 2015) Quelle: STIKO 11 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Tropenmedizin Impfstoffe in der Tropenmedizin Neue Impfstoff-Kandidaten bzw. Zulassungen Neue Herausforderungen Derzeit sind viele Impfstoffkandidaten in der Pipeline der Unternehmen. Neben Tuberkulose oder Chlostridium diff. sind auch Kandidaten gegen Noroviren oder Chikungunya bzw. Borreliose oder HIV/AIDS in klinischen Prüfungen, um nur beispielhaft einige zu nennen. Chikungunya Das Paul Ehrlich Institut (PEI) ist u. a. in der Impfstoffentwicklung aktiv. Die Forscher versuchen gerade einen Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus zu entwickeln. Erste positive Tests bzgl. eines Kandidaten gegen eine konstante Virusregion der Oberflächenhülle wurden bereits durchgeführt. Laut Institutspublikation reicht die Immunantwort jedoch noch nicht aus, um einen ausreichenden und andauernden Schutz gegen das Virus zu gewährleisten. PEI forscht an Oberflächenprotein E2 Quelle: Paul-Ehrlich-Institut Die Wichtigkeit der Forschung gegen das Chikungunya-Virus wie auch das Dengue-Virus liegt in den potenziellen Spätkomplikationen einiger infizierter Patienten. Verläuft eine Ersterkrankung in den meisten Fällen wie eine saisonale Grippe, kann es in seltenen Fällen zu hämorrhagischem Fieber kommen, welches tödlich verlaufen kann. Dengue Dengue-Impfstoff 12 Die kürzliche Erstzulassung eines tetravalenten Dengue-Impfstoffes ist ein großer Erfolg für die Firma Sanofi. Erstmals existiert ein Impfstoff gegen diese Infektionskrankheit. Die geschätzte Anzahl der Neuinfektionen von fast 390 Mio. im Jahr (Nature 2013) ist sehr hoch. Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Tropenmedizin Aufgrund der Komplexität des Virus ist die Schutzwirkung mit durchschnittlich 60 % der geimpften Personen nur bedingt ausreichend. Dies liegt an den vier verschiedenen Sero-Typen des Virus. Meist verläuft eine Erstinfektion harmlos, ähnlich einer Grippe. Bei einer Neuinfektion durch einen unterschiedlichen Sero-Typen reagiert das Immunsystem wieder, und es kann zu der Komplikation von infektionsverstärkenden Antikörpern durch den ursprünglichen Sero-Typen kommen. Die Auswirkungen auf den menschlichen Körper sind meist massiv, bis hin zu einem tödlichen Verlauf. Aufgrund dieser Tatsache empfiehlt das Bernhard Nocht Institut (Tropeninstitut in Hamburg), nach einer Erstinfektion mit dem Dengue-Virus die Endemie-Gebiete zu meiden. Ebola Die Ebola-Infektion in Afrika ist ein Beispiel dafür, wie eine Eindämmung einer Epidemie suboptimal verlaufen kann. Aufgrund einer Vielzahl von Pannen gab es über 28.600 erfasste Infizierte und über 11.300 registrierte Tote (Stand Dezember 2015). Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Nachdem 42 Tage nach der letzten Entdeckung einer Neuinfektion keine weitere mehr diagnostiziert wurde, erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Epidemie für beendet. Kurzfristig wurde die Forschung und Entwicklung für einen Impfstoff gegen Ebola intensiviert, und die amerikanische Merck & Co. konnte eine Vakzine, die einen 100 %igen Schutz aller geimpften Personen aufwies, gegen Ende der Epidemie präsentieren. Die Ursache für diese schnelle Entwicklung beruhten auf den Daten der kanadischen Gesundheitsbehörde bzw. der Firma Newlink Genetics (Lizenzerwerb von der kanadischen Gesundheitsbehörde für eine kommerzielle Nutzung von rVSV-EBOV), die bereits seit über 10 Jahren an einem Impfstoffkandidaten gegen Ebola forschte. Malaria tropica Nach fast 30jähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist es der Firma GlaxoSmithKline (GSK) gelungen, einen Impfstoff („Mosquirix“) gegen die Malaria tropica zu entwickeln. Diese Leistung ist bemerkenswert, da es erstmalig gelungen ist, einen Impfstoff gegen einen Parasiten (Plasmodium falciparum) zu entwickeln. Malaria ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Sie ist in mehr als 100 Ländern endemisch, d. h. sie tritt in diesen Regionen gehäuft auf. In diesen Endemie-Gebieten leben ca. 40 % der Weltbevölkerung. Nach Schätzungen 13 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie der WHO (Weltgesundheitsorganisation) erkranken über 200 Mio. Menschen jährlich an Malaria. Am meisten betroffen ist die Sub-Sahara-Region (SSA). In 2013 starben 584.000 Menschen an Malaria, davon ca. 90 % in der SSA. 83 % dieser Todesfälle waren Kinder unter fünf Jahren. Ende 2014 hat GSK die Zulassungsunterlagen (regulatory application) für den Malaria-Impfstoff eingereicht. Hierbei handelt es sich um den Antrag, einen Impfstoff in der EU zu produzieren, der allerdings ausschließlich im Ausland angewendet wird. Im Juli 2015 erhielten die Engländer ein positives Votum von der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) für Kinder im Alter von sechs Wochen bis 17 Monate. Im Weiteren wird jetzt die WHO eine Entscheidung formulieren bzw. eine Empfehlung aussprechen, damit in den betroffenen Endemie-Gebieten die nationalen Entscheidungsträger eine Zulassung erteilen. Die Kosten werden laut GSK im überschaubaren Rahmen bleiben. Trotz der mittlerweile 300 Mio. USD, die für die F&E ausgegeben wurden, sollen nur die Produktionskosten mit einem Aufschlag von 5 % veranschlagt werden. Dieser Aufschlag soll der weiteren Forschung dienen. Neben der Erfolgsgeschichte bei Ebola, für den es in kürzester Zeit einen Impfstoff gab, ist auch die Zulassung des Malaria-Impfstoffes ein Meilenstein in der Geschichte der Impfstoffentwicklung. Jedoch gibt es noch viele andere Herausforderungen für die Entwickler, geeignete Impfstoffe zu erforschen. Beispielhaft sind hier SARS (schweres akutes respiratorisches Syndrom), MERS (Middle East Respiratory Syndrom) oder auch ganz aktuell das ZikaVirus in Mittel- und Südamerika zu nennen. Impfstoffe in der Onkologie Präventive und Therapeutische Impfstoffe Ziele 14 Die Ziele für die Entwicklung von Impfstoffen im Bereich Onkologie liegen in der Verhinderung der Krebsentstehung, in der Verlangsamung des Wachstums von Krebszellen und in der Rückbildung oder Eliminierung eines Tumors. Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Prophylaxe gegen virusinduzierten Krebs Hepatitis-B-Impfung Hepatitis-B-Impfstoff In den letzten Jahren haben sich die Präventiv-Impfstoffe gegen Krebs weiter etabliert. Ein Beispiel ist Hepatitis-B. Zwar ist der Impfstoff schon länger am Markt etabliert, jedoch erst seit ein einigen Jahren wird dieser von der ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfohlen (und von einigen Krankenkassen erstattet). Bezeichnend sind Daten des Robert Koch Institutes aus 2014. Das Institut hat die Rate der Neuinfektionen durch Hepatitis-B (meldepflichtig) veröffentlicht. Lagen im Jahr 2001 die Neuerkrankungen noch bei 2.334, so reduzierte sich die Anzahl dieser im Jahr 2013 auf nur noch 691. Der Hauptgrund, so das Institut, liegt vor allem im verbesserten Impfschutz bzw. in der Durchimpfung der Risikogruppen, die einer potenziellen Infektion ausgesetzt sein könnten. 2.334 Hauptgrund für den starken Rückgang: Verbesserter Impfschutz (die Hepatitis-B-Impfung wirt seit 1995 von der STIKO empfohlen) 812 2001 2011 676 691 2012 2013 Quelle: Robert-Koch-Institut, Epidemologisches Bulletin Nr. 30 vom 28.07.2014 Dadurch ist eindeutig die sinnvolle Anwendung von Impfstoffen nachgewiesen, nicht nur in der Vorbeugung, sondern auch in der Verhinderung von Folgekosten, die vielfältig sind. Hier sind nicht nur die Kosten für Therapien gemeint, auch der Arbeitsausfall muss hinzugerechnet werden. Des Weiteren existieren für manche Infektionskrankheiten keine ursächlichen therapeutischen Maßnahmen. Es werden lediglich die anfallenden Symptome behandelt. Und auch hier sind neben den Therapiekosten die potenzielle Verschlechterung der Erkrankung zu berücksichtigen. Etwa 10 % der Patienten erleiden eine chronische Hepatitis B Infektion, die in einer Leberzirrhose mündet oder zu Leberkrebs führt. Diese Erkrankungen treiben die Behandlungskosten in die Höhe. 15 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Inzidenzrate Man schätzt die Inzidenzrate in Deutschland auf etwa 50.000 Fälle. Die Häufigkeit chronisch Infizierter ist in Nordamerika, Australien, Zentralafrika und Südostasien am höchsten. Prävalenz von Hepatitis-B (2005) Prävalenz von Hepatitis-B hoch mittel niedrig Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hepatitis_B Papilloma-Impfung Papilloma-Virus Durch die Forschung an humanen Papilloma-Viren konnte der Nobelpreisträger Harald zur Hausen nachweisen, dass diese Viren Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Seine Forschungen wurden für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen diesen Krebs herangezogen. Impfstoff Mittlerweile existieren drei Impfstoffe auf dem Markt, und der letzte zugelassene Gardasil 9 soll laut Herstellerangabe 97 % aller krebsinduzierenden HPVTypen abdecken. Die STIKO empfiehlt die Impfung zur Vorbeugung gegen Gebärmutterhalskrebs bei Mädchen im Alter zwischen neun und vierzehn Jahren. Onko-Viren Die Gruppe der Onko-Viren, ob es sich um HPV, HCV, HBV, EBV oder andere handelt, ist weltweit schätzungsweise für 10 % bis 15 % der Krebserkrankungen verantwortlich. Da die Entwicklung von Impfstoffen gegen Viren mittlerweile sehr breit ist, dürfte auch in Zukunft hier mit Neuzulassungen zu rechnen sein, um die Entstehung von Krebs durch Viren zu verhindern. 16 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Therapeutisches Impfen gegen Krebserkrankungen Die Idee mit Impfstoffen eine Therapie gegen Krebs durchzuführen ist zwar nicht neu, aber erst in den letzten Jahren kam es zu einem Durchbruch. Der Ansatz für einen therapeutischen Impfstoff entspricht dem eines Impfstoffes gegen Viren: Es muss ein krebsspezifisches Antigen gefunden werden, damit das körpereigene Immunsystem aktiviert wird und auf das körperfremde Antigen reagieren kann! Vorgehensweise Verschiedene Verfahren Es existieren viele verschiedene Verfahren, teilweise noch experimentell, um mit einem krebsspezifischen Antigen gegen den körpereigenen Krebs vorgehen zu können. Nachfolgend sind einige Beispiele aufgeführt: > Die Verwendung von Antigenen der Krebszelle oder modifizierte Versionen > Spezifische Antigene aus verdünnten oder abgetöteten Krebszellen > DNA/RNA, welche eine Kodierung für ein Krebsantigen besitzen > Adoptiver T-Zell-Transfer > Modifizierte Immunzellen (CAR-T), die ein Krebsantigen präsentieren > Neo-Antigene > Onkolytische Viren > BITE – Bispezifischer T-Zell Engager Die oben genannten Verfahren sind nur ein Auszug aus den derzeit sehr vielfältigen Ideen und Ansätzen im Bereich Impfen gegen Krebs. Im Weiteren soll auf einen Teil der Ansätze näher eingegangen werden. Adoptiver T-Zell-Transfer Bei der Adoptive-T-Zell-Transfer-Methode handelt es sich um ein passives Verfahren, da das Immunsystem des Patienten nicht direkt aktiviert wird. 17 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie 4. Überwachung 1. Leukozytapherese Modifizierte T-Zellen 3. Behandlung T-Zellen 2. T-Zell-Modifizierung Verfahren Am Beispiel des metastasierenden Prostatakarzinoms soll das Verfahren kurz erläutert werden. Mit Hilfe der Leukozytapherese (ähnlich der „Blutwäsche“) werden T-Zellen aus dem Körper entnommen und im Labor isoliert. Gezielt werden dort die tumorspezifischen T-Zellen mittels einer Zentrifuge angereichert. Danach werden die Zellen mit dem Fusionsprotein PA 2024 (prostataspezifische saure Phosphatase = PAP) verbunden. Das PAP fungiert als Tumorantigen, da es von ca. 95 % der malignen Prostatazellen exprimiert wird. Nach der Rückführung dieser molekularbiologisch behandelten T-Zellen sollen diese die Tumorzellen, die das Tumorantigen besitzen, bekämpfen und zerstören. Zulassung Dieses Verfahren ist bereits seit 2010 in den USA zugelassen und wird dort angewendet. Eine Zulassung in der EU erfolgte 2013, wurde jedoch 2015 aus unbekannten Gründen vom Hersteller selbst widerrufen. Perspektiven Der Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung dieses therapeutischen Verfahrens ist allerdings hoch. Neben der Zeit von der Entnahme des Blutes bzw. der T-Zellen und der Rückführung der modifizierten T-Zellen vergehen ca. drei bis vier Wochen, eine lange Zeit für einen austherapierten Patienten mit einem metastasierenden Prostatakarzinom. Inwieweit sich dieses Verfahren gegenüber anderen Therapien zukünftig behaupten kann, ist derzeit noch ungewiss. 18 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie CAR-T-Verfahren CAR-T CAR-T steht für Chimeric Antigen Receptor-modified T-cells und bezeichnet eine Form der T-Zelltherapie. Akute Lymphatische Leukämie Der Pharmakonzern Novartis hat die Zelltherapie bei Patienten, die an einer aggressiven und therapieresistenten Form der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) leiden, eingesetzt. Die Ergebnisse werden als bahnbrechend bezeichnet, da diese T-Zelltherapie eine Remissionsrate von 90 % erzielen konnte. Verfahren Kern dieses Verfahrens ist die molekulargenetische Manipulation der autologen T-Zellen des Patienten durch einen Lenti-Virus. In die T-Zelle wird ein gegen CD19 gerichteter chimärer Antigenrezeptor „eingebaut“. Das Zelloberflächenprotein CD19 ist ein Marker für B-Zellen und tritt gerade bei B-ZellLeukämien und B-Zell–Lymphomen verstärkt auf. Die so modifizierten CAR-TZellen bekämpfen die B-Zellen, vor allem die Leukämiezellen, jedoch auch die gesunden. Behandlungsergebnisse Von den 30 behandelten Kindern und Erwachsenen wurde bei 27 Patienten eine vollständige Remission des Krebses beobachtet und damit eine Erfolgsquote von 90 % verifiziert. In der Nachbeobachtungsphase (6 Monate) waren noch 67 % der Patienten ohne neuerliche Erkrankung und die Gesamtüberlebensrate betrug 78 %. Im Zusammenhang mit der Studie wurden keine Todesfälle registriert. Nebenwirkungen Die Schattenseite dieser Therapieoption liegt im Schwund aller BLymphozyten, dass heißt, der Patient ist dauerhaft immunsupprimiert. Des Weiteren können die genmodifizierten T-Zellen einen so genannten ZytokinSturm (Zytokin-Release-Syndrom) verursachen. Hierbei werden große Mengen an entzündungsfördernden Zytokinen ausgeschüttet, die meist nur durch intensivtherapeutische Behandlung in den Griff zu bekommen sind. Die modifizierten T-Zellen vermehren sich im Patienten und sind zum Teil noch Jahre später nachweisebar. Ob sich diese Zellen über die Jahre weiter transformieren oder ihrerseits Erkrankungen auslösen können, ist derzeit noch nicht vorhersagbar. 19 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Neo-Antigene Das Prinzip der Neo-Antigene setzt voraus, dass ein Krebstumor ein körpereigenes, aber fehlerhaftes Protein auf der Zelloberfläche präsentiert. Eine solche Mis-Sense-Mutation (Punktmutation) wird genutzt, um eine Impfung gegen die Krebszellen durchzuführen. Dafür wird der kurze Protein-Abschnitt (Peptid), der genau diese mutierte Stelle besitzt, dem Patienten verabreicht. Das Immunsystem wird durch die Präsentation des fehlerhaften Proteins durch die modifizierten dendritischen Zellen aktiviert. Die Immunzellen erkennen das falsche Peptid als körperfremd und vernichten die Zellen. Therapieverfahren Genom-Analyse krebsspezifische Antigenbestimmung Selektion einer Mis-Sense Mutation (Punktmutation) 3 Melanom-Patienten (Ipilimumab austherapiert): Verkleinerung der Metastasen Tumorwachstum gestoppt Vollremission des Tumors Therapie schlägt nicht an Synthese von Antigenen („Neoantigene“) Aufnahme der Neoantigene durch dendritische Zellen Erste Erfolge wurden bei drei Hautkrebs-Patienten, die bereits mit Ipilimumab (Yervoy) austherapiert waren, erzielt. Ein Patient zeigte eine Verkleinerung der Metastasen, bei einem zweiten Patienten konnte das Tumorwachstum gestoppt werden. Bei einem dritten Patienten wurde eine Vollremission des Tumors beobachtet. Ein weiteres Beispiel für einen erfolgreichen Ansatz eines Tumor-Neoantigens konnten Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) aufzeigen. Niedriggradige Gliome, meist aus Gliazellen entstandene Hirntumore des zentralen Nervensystems, besitzen in über 70 % der Fälle einen identischen Übersetzungsfehler im Erbgut. In einem Enzym (IDH1) ist ein einziger Eiweißbaustein (Position 132) ausgetauscht. Die Forscher konnten nachweisen, dass sie mit diesem Neo-Antigen eine spezifische Immunantwort gegen Hirntumore auslösen können. In naher Zukunft wollen sie eine klinische Studie aufgrund dieser Erkenntnisse durchführen. 20 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie mRNA basierte Impfung Die Therapiemöglichkeiten zur Aktivierung des Immunsystems gegen den körpereigenen Krebs schreiten weiter fort. Die Forschung und Entwicklung für eine Behandlung durch die messenger-RNA (mRNA) stellt eine weitere Option in der Immunonkologie dar. mRNA Aktivierungsschema Der Ausgangspunkt ist ähnlich dem des adoptiven Zelltransfers. Außerhalb des Körpers werden die krebsspezifischen Antigene vermehrt, um später das Immunsystem gegen die Krebszellen zu aktivieren. Die Grundlage für diese aktive Immuntherapie sind die dendritischen Zellen und die Antigenpräsentierenden Zellen (APC), die die im Labor konstruierten Antigene auf Basis von mRNA aufnehmen und der Immunabwehr stimulieren sollen. Die Auswahl dieser beiden Zelltypen bewirkt eine Aktivierung der beiden Immunabwehrmechanismen des Körpers, d. h. sowohl die humorale (Antikörper spezifische) als auch die zelluläre (von Antigen-spezifischen T-Zellen (APC)) Immunantwort reagieren auf die applizierten Antigene. Die Firma CureVac hat ein spezielles Verfahren zur Stabilisierung der mRNA entwickelt, um den frühzeitigem Abbau im Organismus zu verhindern. Des Weiteren bewirkt das RNActive Verfahren, dass die modifizierte mRNA auch hitzestabiler ist. Dies erleichtert den Transport (keine Kühlkette notwendig) und die Lagerung des Impfmaterials, so dass auch in den wärmeren Regionen dieser Welt die Impfung der Bevölkerung unproblematischer wird. Nachfolgende Grafik zeigt die Abfolge der Immunaktivierung. Die erzeugte mRNA wird nach der Manipulation durch das RNActive Verfahren in die antigenpräsentierenden Zellen eingeschleust. So werden einerseits die (CD4positiven) T-Helferzellen und die (CD8-positiven) zytotoxischen T-Zellen durch das Antigen stimuliert und aktiviert. Nach der Aktivierung der B- und T-Zellen werden die Krebszellen entdeckt und zerstört. 21 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Immunaktivierungsschema durch mRNA (CureVac) Quelle: CureVac Das Verfahren wurde in einer klinischen Prüfung der Phase I/IIa erfolgreich getestet, eine weiterführende klinische Studie hat bereits begonnen. Investoren wie die Dievini oder die Bill & Melinda Gates Stiftung haben hohe Summen in das Start up- Unternehmen investiert. Kombinationstherapie im Mausmodell Vorklinische Experimente im Mausmodell haben offenbar synergistische Effekte bei der Therapie mit der mRNA Impfung und der CTLA4 Blockade oder einer radiologischen Therapie gezeigt. Aufgrund dieser Ergebnisse könnten sich zukünftig weitere vielversprechende Therapieoptionen ergeben. Onkolytische Viren – nur ein wissenschaftlicher Ansatz? ... Neben den so genannten Onkoviren, wie beispielsweise dem humanen Papilloma-Virus oder dem Hepatitis B-Virus, welche Krebs auslösen können, existieren auch onkolytische Viren, die Krebszellen infizieren und zerstören. Die Überlegung dieses bisher nur wissenschaftlichen Ansatzes ist, dass diese Viren die Tumorzellen infizieren, sich dort vermehren und dadurch die Krebszellen vernichten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese infektiösen Viren ihrerseits keine Erkrankungen beim Menschen auslösen können. Mausmodell 22 Der Ansatz (Paul Ehrlich Institut 2013) beruht auf einem genetisch modifizierten Masernimpfvirus, der im Mausmodell bereits interessante Ergebnisse erzielte. In aller Regel bestehen Tumore nicht aus einer homogenen Zellpopulation, d. h. jede Zelle reagiert unterschiedlich sensibel auf die jeweiligen Wirkstoffe. Eine Theorie besagt, dass auch Tumore Krebsstammzellen besitzen. Diese Stammzellen reagieren auf eine Chemo- oder Strahlentherapie relativ unsensibel, und man geht davon aus, dass diese für die Entstehung von Metastasen verantwortlich sind. Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Einsatz des Masernimpfvirus Das Zelloberflächenprotein CD133 wird als ein spezifischer Marker dieser Krebsstammzellen postuliert. Dieses Protein wird als Zielmolekül für ein abgeschwächtes Masernimpfvirus verwendet. Das Virus wurde genetisch so verändert, dass CD133 als Rezeptor fungiert und nur Zellen mit diesem Oberflächenprotein infiziert werden. Bei der Untersuchung der antitumoralen Aktivität wurden Mausmodelle verwendet, die humane Tumore wie Gliome, Darmkrebs und Leberkrebs besaßen. In allen Mausmodellen zeigte der modifizierte Virus eine ausgeprägte Wirksamkeit, entweder wurde das Krebszellwachstum reduziert oder sogar komplett unterdrückt. Des Weiteren existiert ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt: Die infizierte Krebszelle produziert neue Viren, die nach der Zerstörung der Zelle sich im Organismus ausbreiten und andere Tumorzellen mit dem Oberflächenprotein CD133 aufspüren und infizieren. Im menschlichen Organismus existieren ebenfalls Zellen mit dem CD133 Protein, die blutzellbildenden hämatopoetischen Stammzellen. Diese wurden jedoch nachweislich nicht mit dem modifizierten Masernimpfvirus befallen. Der Grund besteht darin, dass die Zellen gegenüber dem Virus eine angeborene Immunität besitzen. Da diese in vielen Zelltypen von Tumoren nicht vorhanden ist, könnte dieser wissenschaftliche Ansatz auch eine potenzielle Therapie gegen Krebs sein und Einzug in die Klinik halten. … nein, die erste Zulassung ist erfolgt Talimogen laherparepvec – oder kurz T-VEC ist ein Therapeutikum von Amgen, welches mit dem Namen Imlygic die Zulassung in den USA (Oktober 2015) und in der EU (Januar 2016) erhalten hat. Hierbei handelt es sich um ein genetisch verändertes Herpes-simplex-Virus (Typ HSV-1). Das Mittel ist für die Behandlung des nicht operablen Melanoms zugelassen und wird direkt in die Hautläsionen gespritzt. Der Herpes simplex Virus Typ HSV-1 hat verschiedene Abwehrmechanismen, um sich einer Vernichtung durch das menschliche Immunsystem zu entziehen. Der Genabschnitt ICP34.5 verhindert die Synthese der Proteinkinase R (PKR) in der normalen menschlichen Zelle, so dass sich das Virus weitgehend nicht replizieren kann. Eine Replikation in Tumorzellen findet jedoch weiterhin statt. ICP47 verhindert die Ausbildung der Antigenpräsentation auf der Zelloberfläche. Aufgrund dessen können die zytotoxischen T-Zellen die virusinfizierten Körperzellen nicht erkennen und vernichten. 23 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Impfstoffe in der Onkologie Diese beiden Gene wurden im Virus ausgeschaltet und zusätzlich das Gen des Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktors (GM-CSDF) eingefügt. Nun können einerseits die T-Killerzellen die infizierte Körperzelle als körperfremd erkennen und andererseits das Virus sich ungehindert in der Krebszelle vermehren. Das Virus initiiert somit die Lyse und durch die Ausschüttung von Tumorantigenen der geplatzten Krebszelle und in Kombination mit der Bildung von GM-CSF wird die systemische Immunantwort aktiviert. Die Kombination beider Mechanismen bewirkt einen verstärkenden Effekt durch die Ausschüttung weiterer Viren aus der geplatzten Krebszelle. In den durchgeführten Studien zeigte sich, das Imlygic in den Krankheitsstadien IIIB, IIIC und IVM1a des Melanoms am besten wirkt. Die Zulassung in Europa ist auf diese Stadien beschränkt, während in den USA das Therapeutikum in allen Hautkrebs-Stadien eingesetzt werden darf. Derzeit werden ca. zwei Dutzend Viren getestet, die zur Bekämpfung von Krebszellen infrage kommen könnten. Auch könnten die onkolytischen Viren mit anderen Mechanismen versehen werden, die einen additiven tumorzerstörenden Effekt auf die entarteten Zellen besitzen. Ebenfalls könnten Kombinationspräparate mit verschiedenen Wirkmechanismen an den Krebszellen eine bessere Responder- bzw. Heilungsrate bewirken. 24 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Herausforderungen in der Immunonkologie Herausforderungen in der Immunonkologie Licht und Schatten Neben den positiven Aspekten, Impfstoffe für die Aktivierung des Immunsystems einzusetzen, damit die körpereigene Abwehr den Krebs aufhalten bzw. vernichten kann, existieren aber auch Risiken bzw. Herausforderungen, die noch bewertet bzw. gelöst werden müssen. Ausreichende Immunantwort Voraussetzung einer ausreichenden Immunantwort, sprich eine starke Aktivierung des Immunsystems, ist die Auswahl eines krebsspezifischen Antigens, welches das Immunsystem ausreichend stimulieren kann. Hierfür müssen Screening- und Testmethoden für eine Selektion des Krebsantigens und der ausreichenden Immunreaktion durchgeführt werden. Sipuleucel-T Da es sich bei dem aktuellen Forschungs- und Wissenstand um eine personalisierte Anwendung gegen den Krebs handelt, ist die Kostenfrage ein Aspekt für eine Anwendung. Bei dem zugelassenen Impfstoff Sipuleucel–T gilt die Zulassung nur für Patienten, für die es keine andere Alternative mehr gibt bzw. die aktuellen Therapieoptionen keine Wirksamkeit mehr zeigen. Kosten Da die Synthese und Aufbereitung bzw. die Produktion der spezifischen TZellen für den Patienten eine ca. drei- bis vierwöchige Zeitspanne in Anspruch nimmt, kann es sein, dass der betroffene Patient diesen Zeitraum nicht überlebt. Des Weiteren ist diese Individualtherapie kostenintensiv, da die selektierten T-Zellen nicht anderweitig verwendet werden können. Ausreichende Lebenszeit von Die antigenpräsentierenden Zellen (APC) müssen auch eine ausreichende Lebenszeit vorweisen. Sollten diese APCs durch Absterben oder Vernichtung durch andere Zellen verschwinden, könnte keine ausreichende Immunantwort bei einer Reinfektion oder einer neuerlichen Krebsentstehung mehr ausgelöst werden. APCs Allianzen im Umfeld der Immunonkologie Im Großen und Ganzen haben die global agierenden Pharmakonzerne den neuen Trend der therapeutischen Impfstoffe „verschlafen“. Außer Novartis, die das Therapiefeld CAR-T weiterverfolgt haben, hatten sich die anderen meist auf die monoklonalen Antikörper zur Aktivierung des Immunsystems konzentriert. Aufholjagd Um jedoch auch auf diesem potenziell lukrativen Markt präsent zu sein, schmiedeten die Großen mit den Kleinen der Branche Allianzen oder Koopera25 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Herausforderungen in der Immunonkologie tionen. Auch wenn die Kosten für die Beteiligungen recht hoch erscheinen, ist es doch eine win-win-Situation. Wichtige Allianzen führender Anbieter der Krebsimmuntherapie Unternehmen Partner/Kaufobjekt Pfizer Merck KGAA Sanofi Regeneron 2,15 Merck & Co. Ablynx 1,70 Roche Foundation Medicines 1,03 Roche Immatics 1,00 Roche New Link Genetics 1,00 Celegene Juno 1,00 Astra-Zeneca Inovio 0,73 Boehringer Curevac 0,58 Amgen KitePharma 0,53 Eli Lilly BioNTech 0,36 Astra-Zeneca Immunocore 0,32 Novartis Aduro Biotech 0,25 Pfizer Celetics 0,25 Astra-Zeneca Definiens MD Anderson Immatics Transaktionsvolumen (Mrd. USD) 2,85 0,15 0,06 Quelle: Unternehmen Die Vorteile für die Biotechnologieunternehmen bestehen in der Weiterführung ihrer klinischen Prüfungen bis zur Zulassung. Die Kosten sind im späten Stadium des Wirksamkeitsnachweises am Höchsten und nicht für jeden zu meistern. Im Gegenzug partizipieren die großen Konzerne von den möglichen Umsätzen und Gewinnen bei erfolgreicher Zulassung des Impfstoffes. Ob die Partizipation über Lizenzgebühren, Meilensteinzahlungen oder Umsatzbzw. Gewinnbeteiligungen durchgeführt werden, spielt eher eine untergeordnete Rolle. Wichtig erscheint zuerst einmal der Proof of Concept des speziellen Verfahrens. Die nachfolgende Übersicht soll nur einige Methoden der zellulären Immuntherapie aufzeigen, ohne Gewähr für Vollständigkeit bzw. ohne andere Verfahren zu diskreditieren. 26 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Herausforderungen in der Immunonkologie Methoden Akteure CARTs (Chimäre Antigen Rezeptor T-Zelle) TCRs (T-Zell-Rezeptoren) UCARTs (Universelle CART-Zellen) CARTs (mit nichtviralen Vektoren) CARTs (mit "Sicherheitsschaltern") ACTRs (Antikörper-gekoppelte T-Zell-Rezeptoren) Novartis, Juno Therapeutics, Kite Pharma, Bluebird Bio/Celgene BiTEs (Bi-spezifische T-Zell Aktivatoren) Adaptimmune und GlaxoSmithKline Cellectis, Pfizer, Accelera, CELLforCURE, (alles Kooperationen) Ziopharm und Interxon Bellicum Pharma, Ziopharm und Interxon Unum Therapeutics (unterstützt von Fidelity-, Atlas-, Sanofi-VC) Amgen, Medimmune, MorphoSys, Emergent BioSolutions, Bayer, F-star Alpha, Bristol-Myers Squibb Amgen wurde separat gekennzeichnet, da der BITE–Antikörper bereits die Zulassung und den Orphan Drug Status erreichen konnte. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es sich bei diesem therapeutischen Verfahren nicht um ein experimentelles Stadium handelt, sondern um eine zukunftsträchtige Therapieform gegen Krebs. Aktivierung von T-Zellen – ein neuer Therapieansatz BITE – Bispezifischer T-Zell-Engager Antikörper Die BITE-Antikörper sind so konstruiert, dass sich die körpereigenen zytotoxischen T-Zellen direkt gegen die Krebszellen richten können, um diese zu zerstören. Normalerweise können Antikörper keine T-Zellen aktivieren, weil den T-Zellen für eine Bindung von Antikörpern die Rezeptoren fehlen. Blinatumomab (Blincyto) Der BITE–Antikörper besitzt zwei antigenerkennende (scFV) Fragmente. Das eine Fragment bindet spezifisch an den CD3-Rezeptor der körpereigenen zytotoxischen T-Zelle, das andere an das Krebsantigen CD19, welches auf der BZelle sitzt. Die Zulassung erhielt Amgen für den Einsatz bei einer bestimmten Form der Akuten Lymphatischen Leukämie (Behandlung von Erwachsenen mit Philadelphia-Chromosom negativer, rezidivierter oder refraktärer B-Vorläufer akuter lymphatischer Leukämie). 27 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Herausforderungen in der Immunonkologie T-Zelle Tumorzelle BITE T-Zelle CD3 Tumorzelle CD19 (Tumorantigen) Quelle: Amgen Akute Lymphatische Leukämie (ALL) Die ALL wird zu 75 % durch B-Vorläuferzellen verursacht und zählt zu den schweren, weil sehr aggressiven hämatologischen Neoplasien (Neubildung). Aufgrund der Aggressivität der Erkrankung liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate aktuell bei 35 % bis 40 %. Des Weiteren nehmen bei der Behandlung mit einer Chemotherapie die Resistenzen immer weiter zu. Die B-Zelle ALL besitzt zu 95 % bis 100 % das Oberflächenprotein CD19, welches eine Bindungsstelle von Blinatumomab für CD19 repräsentiert. Aufgrund der Beschaffenheit des Antikörpers mit dem CD3-Antigen der zytotoxischen TZelle werden nun beide Zellen durch den Antikörper miteinander verbunden. Dadurch wir die T-Zelle aktiviert und bewirkt die Apoptose (=programmierter Zelltod) der erkrankten B-Zelle, indem sie zytotoxische Substanzen produziert und ausschüttet, beispielsweise das porenbildende Protein Perforin. Durch diesen Mechanismus wird die maligne B-Zelle zerstört. 28 Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Die Zukunft hat begonnen Die Zukunft hat begonnen Herausforderungen in der Zukunft MERS / Ebola Die neuen Herausforderungen in der Impfstoffindustrie zeigen die Zukunftsträchtigkeit dieses Subsegmentes. Die tropischen Erkrankungen kennen keine geografischen Grenzen, und die zunehmende Mobilität der Menschen zeigt, dass jedes Land auf dieser Erde von Viren und anderen Erregern heimgesucht werden kann. Die Ausbreitung von MERS (Middle East Resiratory Syndrom) von Saudi Arabien nach Südkorea ist ein Beispiel dafür. Dass die Ebola-Epidemie nur lokal begrenzt aufgetreten ist, erscheint eher als ein glücklicher Zufall für die restlichen Länder der Welt und ist weniger ein Verdienst der beteiligten Organisationen. Im Umkehrschluss hätte man die Epidemie schneller eingrenzen können und letztlich auch müssen. Andererseits ist die schnelle Entwicklung eines wirkungsvollen Impfstoffes mit einem 100 %igen Impfschutz ein sehr großer Erfolg und zeigt, dass Forschung und Entwicklung im Impfstoffmarkt nicht nur ein Schutz der regionalen Bevölkerung, sondern auch ein potenzieller Schutz für andere Länder darstellt. Impfstoffindustrie ist gefragt Die Entwicklung weiterer Impfstoffe gegen Viren und Bakterien zeigt, dass es keine kostengünstigere Lösung als die Verhinderung von Erkrankungen gibt. Impfungen sind ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsvorsorge. Immun-Onkologie Der Trend der Immun-Onkologie, d. h. die Aktivierung des Immunsystems, um selbständig gegen den körpereigenen Krebs vorzugehen, ist nicht nur ein spannendes Thema, sondern eine Revolution in der Therapie des Krebses. Monoklonale Antikörper Neben der Unterbrechung der Signalwege zwischen den T-Zellen und den Krebszellen, damit die T-Zellen die entarteten Zellen als körperfremd erkennen und zerstören können, ist die Aktivierung des Immunsystems durch eine Impfung mit oder ein Erkennen von krebsspezifischen Antigenen ein weiterer Ansatz. Therapeutisches Impfen Viele verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Vorgehensweisen umschreiben derzeit diese neue Therapieform. Einige weit fortgeschrittene Verfahren wurden explizit dargestellt, ein vollständiger Überblick der potenziellen experimentellen oder sich in der klinischen Phase befindlichen Impfstoffe kann hier nicht gegeben werden. Kooperationen Die aufgeführten Kooperationen der großen, weltweit agierenden Pharmakonzerne mit den kleinen, innovativen Firmen, die diesen Trend weiterverfolgt haben, zeigen jedoch, dass dieser neue Therapieansatz ein zukünftiger Um29 apoFokus Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära Die Zukunft hat begonnen satz- bzw. Gewinntreiber sein kann. Die fortschreitende Entwicklung in der Krebstherapie scheint die Hoffnung zu schüren, dass die Diagnose eines Krebses in der Praxis kein Todesurteil mehr darstellt, sondern sich eher die Frage nach der optimalen Therapie stellt. Vielleicht kann die Immunonkologie, durch die Aktivierung des Immunsystems den eigenen Krebs zu bekämpfen, den Weg in Richtung chronischer Erkrankung ebnen: Nicht „Wie lange“ habe ich noch zu leben, sondern „Welche Therapie“ lässt mir die Option, mit guter Lebensqualität eine fast normale Lebenserwartung zu erreichen.“ Der Forschungswettbewerb der Konzerne ist hoch, und es ist eine Frage der Zeit, wann für welche Indikation ein passendes Medikament die Zulassung erhält. Auch die Frage nach dem wirkungsvollsten Medikament wird sich zukünftig stellen, da viele monoklonale Antikörper- oder Verfahrensansätze im Impfstoffsegment für eine Krebserkrankung existieren werden. Die Zukunft der Krebstherapie ist im Wandel und die therapeutischen Ansätze sind vielfältiger geworden. Dies lässt die Betroffenen hoffen, dass sie eine bessere und lebensverlängernde Therapie erhalten können. Für den Investor stellt sich die Frage, welcher Verfahrensansatz, ob monoklonaler Antikörper oder therapeutischer Impfstoff, der vielversprechendste ist. Dies ist im aktuellen Stadium der Forschung & Entwicklung nur schwer zu bestimmen. Es gilt, aussichtsreiche Kandidaten herauszufiltern und ein breit diversifiziertes Portfolio in dieser neuen Therapieform anzulegen. Ein spezialisierter Branchenfonds, der nicht nur die großen Pharmakonzerne, sondern auch die aussichtsreichsten Kandidaten der Biotechnologie auswählt, erscheint am vielversprechendsten. Studie abgeschlossen: 19. Juli 2016 30 Verfasser: Dr. Uwe Färber Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära apoFokus – zuletzt erschienen Dezember 2015 Ausblick 2016 – Es bleibt alles anders > Weltwirtschaft in unruhigem Fahrwasser > Moderates Wachstum in den Industrieländern > Diversifikation als Trumpf in turbulenten Zeiten Mai 2015 Biosimilars 2.0 - Monoklonale Antikörper > Was sind Biosimilars? > Chancen und Risiken der Biosimilar-Hersteller > Interessante Marktentwicklung Dezember 2014 Ausblick 2015 – Ohne Risiko keine Rendite > Notenbanken auf entgegengesetzten Wegen > US-Konjunktur ist der europäischen weit voraus > Kein Ende der Niedrigzinsphase in Sicht November 2014 3D-Drucker – Modelle für jeden Lebensbereich > Die Entwicklung des 3D-Drucks > Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitsbereich > Zukunftsvisionen September 2014 Immun-Onkologie: Evolution oder Revolution? > Krebserkrankungen – eine Übersicht > Immun-Onkologie: Chronifizierung der Krebserkrankung > Vielversprechende Zukunftsperspektiven Februar 2014 In-Vitro-Diagnostik – Die Zukunft hat begonnen > Ein unerlässlicher Bestandteil der Gesundheitspflege > Die Evolution des Gentests > Wachstumstreiber und Risiken für die Diagnostik Unsere bisher erschienenen Ausgaben können Sie im Internet unter http://www.apobank.de/apofokus abrufen. 31 Deutsche Apotheker- und Ärztebank apoResearch Richard-Oskar-Mattern-Straße 6 40547 Düsseldorf Telefon: Internet: +49 211 5998 0 https://www.apobank.de V.i.S.d.P.: Dr. Hanno Kühn Layout und Produktion: AM Publikationsmanagement Druck: SD Service-Druck GmbH & Co. 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