Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära

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apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
> Impfstoffe – Prävention und neue Herausforderungen
> Impfung als Therapie in der Onkologie
> Die Zukunft hat begonnen
Titelfoto: Thinkstock
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Nachdruck nur mit Genehmigung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Inhalt
Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen
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Impfstoffe (=Vakzine)
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Impfstoffe in der Tropenmedizin
12
Impfstoffe in der Onkologie
14
Herausforderungen in der Immunonkologie
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Die Zukunft hat begonnen
29
3
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen
Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen
Die Sensibilisierung des Immunsystems und das Ausnutzen des „ImmunGedächtnisses“ zur Vorbeugung gegen Infektionen durch Bakterien, Viren,
Pilze und andere negative Umwelteinflüsse stehen bei der Impfung im Vordergrund.
Impfstoffe (= Vakzine) galten früher als hochpreisige Nischenprodukte in der
pharmazeutischen Industrie. Nur wenige Pharmakonzerne beschäftigten sich
mit der Prävention durch Impfung. Die Forschung und Entwicklung von Therapeutika bei seltenen Erkrankungen (z. B. Orphan Drugs) oder den so genannten Volkskrankheiten (beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterin etc.) war vielversprechender und vor allem lukrativer.
VON DER PROPHYLAXE GEGEN INFEKTIONSKRANKHEITEN …
Vorbeugung
Der Einsatz von Impfstoffen galt in der Vergangenheit stets als Prophylaxe.
Am bekanntesten ist die Grippeschutzimpfung, gefolgt vom Impfkalender für
Säuglinge, Kinder und Jugendliche. Mit zunehmendem Alter werden Impfungen, gerade bei Erwachsenen, immer öfter vernachlässigt.
Obwohl in den letzten Jahren nur wenige neue Impfstoffe entwickelt und vermarktet wurden, erlebt der Sektor gerade eine Renaissance.
Tropenmedizin
Ausschlaggebend ist u. a. die zunehmende Ausbreitung von Tropenkrankheiten außerhalb der Endemiegebiete. Das Infektionsrisiko in der westlichen Welt
nimmt zu und aufgrund dessen erhöht sich u. a. auch der politische Druck auf
die Impfstoffhersteller. Die Entwicklungsländer profitieren gleichermaßen
durch die Erforschung neuer Impfstoffe, um auch Infektionskrankheiten wie
Ebola oder Malaria in den Griff zu bekommen.
Prävention gegen Krebs
Im Jahr 1969 wurde der erste Hepatitis B Impfstoff aus hitze-inaktivierten Hepatitis B Viren entwickelt und zugelassen. Da es sich um krebsinduzierende
Viren handelt, gilt dieser Impfstoff als erste zugelassene Form eines prophylaktischen Krebsimpfstoffs.
1986 wurde das rekombinante Protein HBsAG zur Impfung gegen Hepatitis B
zugelassen. Dieses aus Hefen hergestellte Vakzin wies weniger Kontaminationen auf und enthielt keine Virusbestandteile mehr. Er gilt als der erste zugelassene rekombinante Impfstoff.
Humane Papilloma Impfstoffe
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Man schätzt aktuell, dass die Hochrisiko HPV (Humane Papilloma Viren) Typen 16 und 18 weltweit für 70 % der Gebärmutterhalskrebsentstehung ver-
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Impfstoffe - Prävention und neue Herausforderungen
antwortlich sind. Durch die Entwicklung von Impfstoffen (Gardasil, Cervarix)
zur Prävention konnte der Ausbruch dieses Krebses eingedämmt werden.
… HIN ZUR THERAPIE GEGEN KREBS
Immunonkologie
Durch die Entdeckung der Signalwege zwischen Krebszellen und T-Zellen wurde der therapeutische Ansatz der Immunonkologie entdeckt. Im Umfeld der
Forschung an monoklonalen Antikörpern für die Unterbrechung dieser Signalwege entdeckte man auch den Mechanismus der Impfstoffe wieder neu.
Mit der Aktivierung des Immunsystems durch eine Impfung besteht die Möglichkeit, die Tumorzellen für die körpereigene Abwehr „sichtbar“ zu machen
und der Gesundheitspolizei des eigenen Organismus die entarteten Zellen als
körperfremde Zellen zu demarkieren und die Vernichtung zu ermöglichen.
Therapeutische Impfstoffe
Dieser therapeutische Einsatz von Impfstoffen, die früher nur zur Vorbeugung
dienten, ist neu. In den letzten Jahren wurden vielversprechende Verfahren
entwickelt, und ein Teil hielt Einzug in die klinische Prüfung.
Im Jahr 2010 wurde erstmals das therapeutische Impfen gegen Krebs in den
USA zugelassen, das Sipuleucel-T gegen eine bestimmte Form des metastasierenden Prostatakarzinoms. Auch wenn es sich um ein passives Verfahren
handelt, so konnte doch gezeigt werden, dass mit einer Impfung eine Krebstherapie durchgeführt werden kann. Damit wurde ein neuer Therapieansatz,
die Aktivierung des Immunsystems zur Bekämpfung von Krebs, etabliert.
Neue Optionen und
Zulassungen
Derzeit werden viele neue Verfahren in der Forschung & Entwicklung, aber
auch in klinischen Prüfungen getestet. Beispielsweise handelt es sich um den
adoptiven Zelltransfer, verschiedene Varianten der CAR-T (Chimäre Antigen
Rezeptor T-Zellen) Therapien, über BITE (Bi-spezifische T-Zell Aktivatoren) Antikörper bis zur Genom-Analyse für die Entwicklung von Neoantigenen. Ein
weiterer Ansatz ist die Entwicklung von onkolytischen Viren.
In der Immunonkologie hat sich das therapeutische Impfen gegen Krebs noch
nicht etabliert. Es scheint jedoch auf dem aktuellen Stand der Forschung ein
weiterer vielversprechender Ansatz für die Aktivierung des Immunsystems
gegen die entarteten körpereigenen Zellen zu sein.
Der vorliegende Fokus soll einen Überblick über den Einsatz von Impfstoffen
zur Prophylaxe gegen Infektionen und virusinduzierten Krebs geben sowie den
potenziellen Einsatz von Vakzinen zur Therapie gegen Krebs beleuchten.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe (=Vakzine)
Impfstoffe (=Vakzine)
Vakzine leitet sich aus dem lateinischen vaccinus = „von der Kuh“ her. Bei der
menschlichen Pockenerkrankung wurde erstmals versucht, aktiv zu immunisieren. Aufgrund von Beobachtungen gelang es einem englischen Arzt, durch
Kuhpocken eine Infektion auszulösen, von der der Patient sich vollständig
erholte. Danach wurde dieser genesene Patient mit den humanen Pocken infiziert und es traten keine Symptome einer Infektion auf. In Deutschland gelten
die Pocken als ausgerottet, und es wird heute nicht mehr gegen diese Infektion geimpft.
Die ursprüngliche Anwendung von Impfstoffen galt der Verhinderung des Ausbruchs einer Krankheit bzw. der Abmilderung, wenn eine Infektion auftritt. Es
wird zwischen aktiver und passiver Immunisierung unterschieden.
Aktive Immunisierung
Bei einer aktiven Immunisierung werden wesentliche Teile – bei einem Virus
beispielsweise eine konstante Region der Virushülle – des infektionsauslösenden Keims in den Organismus gegeben und das Immunsystem „aktiviert“.
Diese Vorbereitung des Körpers dient der schnellen Immunabwehr, wenn der
tatsächliche Erreger eine Infektion auslöst. Die Immunzellen und die gegen
den Erreger wirkenden Antikörper zerstören den „Fremdkörper“.
Passive Immunisierung
Eine passive Immunisierung wird bei einem bereits erkrankten Menschen
durchgeführt. Hier werden den Patienten Immunglobuline (Antiseren) von geimpften Menschen (oder auch von Pferden) appliziert. Diese Antiseren enthalten die spezifischen Antikörper gegen die Krankheitserreger.
Der Impfstoffmarkt
Der Impfstoff-Markt ist mit seinen vorbeugenden Impfstoffen fast jedem geläufig. Schutzimpfungen gegen Grippe oder Keuchhusten, Masern, Diphterie
und andere so genannte „Kinderkrankheiten“ sind das bekannteste Spektrum.
Die neueren Impfmöglichkeiten gegen Hepatitis A, Hepatitis B oder gegen
tropische Erkrankungen wie beispielsweise Gelbfieber sind indessen nur einer
geringeren Anzahl von Personen bekannt meist nur denjenigen, die sich aufgrund von Arbeitsschutz durch Exposition oder Fernreisen damit auseinandersetzen müssen.
Infektionskrankheiten – ein
Problem der Entwicklungsländer?
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Gegen eine Vielzahl von Infektionskrankheiten existieren derzeit noch keine
vorbeugenden Impfstoffe. Der Grund hierfür liegt in der Verbreitung der
Krankheiten. Häufig handelt es sich um tropische Erkrankungen, die zum ei-
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Impfstoffe (=Vakzine)
nen in den westlichen Industrienationen nicht oder selten vorkommen und
zum anderen in kaufkraftschwachen Regionen – meist in den Entwicklungsländern – auftreten und für die Pharmaindustrie kein lohnendes Investment
darstellen.
Jedoch hat hier in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Aufgrund
der zunehmenden Reisetätigkeit, ob nun vom Geschäftsreisenden oder vom
Touristen, kamen viele Infektionen auch in die westliche Welt. Infektionskrankheiten kennen keine Ländergrenzen, und die Überträger sind lediglich
vom Klima und der Ernährungssituation in den Regionen abhängig.
Des Weiteren breiten sich die Überträger, meist verschiedene tropische Mückenarten, aufgrund des Klimawandels weiter aus. Die Klimaerwärmung, auch
in unseren Regionen, fördert die Beheimatung der fremden Mückenarten
(bspw. die asiatische Tigermücke) und ermöglicht ihnen, sich weiter zu vermehren und auszubreiten. Zum Schutz der ansässigen Bevölkerung, wird nun
auch an den tropischen Infektionskrankheiten geforscht, um Epidemien in
unseren Breitengraden zu verhindern bzw. keinen Nährboden zu bieten.
Weltweite Umsätze
Umsatzentwicklung
Im Jahr 2005 wurden weltweit ca. 10 Mrd. USD mit Impfstoffen umgesetzt,
ein vergleichsweise kleiner Markt im Kontext der gesamten Medikamentenumsätze. Im Jahr 2013 wurden weltweit Arzneimittel für knapp eine Billion USDollar umgesetzt. Für das abgelaufene Jahr 2015 erwartet man alleine für den
Impfstoffmarkt Erlöse in der Größenordnung von 41 Mrd. USD.
Weltweiter Umsatz auf dem Impfstoffmarkt (in Mrd. USD)
41
23
10
2005
2009
2015e
Quelle: Statista
Allerdings beruhen die Schätzungen für die Zukunft auf den derzeit zugelassenen Impfstoffen, die am Markt erhältlich sind. Das Potenzial dieses Marktsegmentes dürfte sich in den kommenden Jahren vervielfachen. Gründe hierfür sind Neuzulassungen in den vergangenen Monaten und auch die steigende
Anzahl der Impfstoffe, die derzeit in der Forschung und Entwicklung getestet
werden.
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Impfstoffe (=Vakzine)
Marktpotenzial steigt durch
Neuzulassungen
Beispielsweise erhielt im ersten Quartal 2016 die französische Firma Sanofi
ein positives Votum der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) für ihren
Impfstoff gegen Dengue-Fieber. Das weltweite Marktpotenzial beziffert das
Unternehmen selbst in der Spitze auf bis zu 900 Mio. Euro pro Jahr, sofern
alle Länder, in denen eine Zulassung beantragt wurde, diese auch erteilen.
Des Weiteren erhielt die britische GlaxoSmithKline die Zulassung für den ersten Impfstoff gegen die Malaria tropica. Zwar ist das ein großer Erfolg für die
F&E-Abteilung des Unternehmens, ein kommerzieller Erfolg wird ihnen jedoch
aufgrund der nicht immer ausreichenden Wirksamkeit und der begrenzten
Vermarktung in den Endemiegebieten wohl verwehrt bleiben.
Ähnlich dürfte es auch für den neuentwickelten und sehr wirksamen Impfstoff
gegen Ebola von der amerikanischen Merck & Co. sein. Hier sollten ebenfalls
nur in den bekannten Ausbreitungsregionen die Impfungen zugelassen werden. Erst bei akuter Gefahr auch in anderen Ländern dürfte der Impfstoff einer
breiteren Masse zur Verfügung stehen.
Top-Ten der Pharmakonzerne
Aufgrund der Konsolidierung des Sektors in der Vergangenheit haben sich nur
wenige pharmazeutische Hersteller etabliert. Der Aufwand an Forschung und
Entwicklung bzw. Herstellung von Impfstoffen ist kapitalintensiv. Aufgrund
dessen ist der Markt unter wenigen Akteuren aufgeteilt.
Fünf teilen sich den Markt
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Die fünf großen „Spieler“ teilen sich zwischen 80 % und 90 % der globalen
Impfstoffumsätze untereinander. In der nachfolgenden Grafik wird die Aufteilung der Top-Ten im Markt anhand ihrer Umsätze im Jahr 2013 und den erwarteten Umsätzen für das Jahr 2020 dargestellt:
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe (=Vakzine)
Die zehn größten Impfstoffhersteller (nach Umsätzen)
5.867
Merck & Co.*
7.497
4.494
GlaxoSmithKline
7.440
5.258
Sanofi*
7.343
5.845
Pfizer
7.253
Novartis
949
Emergent BioSolutions
246
506
Takeda
315
377
Astellas Pharma
355
369
295
318
AstraZeneca
Mitsubishi Tanabe
1.537
272
276
2013
2020e
* inkl. 50 % Sanofi Pasteur MSD, Quelle: Statista
Impfstoffmarkt im Umbruch
Jedoch dürften die Schätzungen für die Erlöse der Impfstoffhersteller, wie bereits erwähnt, eher nach oben revidiert werden. In Anbetracht der aktuell
stattfindenden Evolution auf dem Impfstoffmarkt in Bezug auf den therapeutischen Einsatz von Impfstoffen in der Onkologie dürfte sich auch die Verteilung
der Umsätze in der Zukunft verschieben.
Hohe Eintrittsbarrieren
Aktuell wird sich auf dem klassischen Impfstoffmarkt jedoch nicht viel verändern. Grund hierfür ist die mangelnde Konkurrenz in diesem Segment, da die
genannten Eintrittsbarrieren nicht nur für etablierte Pharmaunternehmen für
eine Portfolio-Diversifikation, sondern gerade für Neulinge sehr hoch sind.
Wettbewerb
Lange Entwicklungszeiten
Für die Entwicklung eines neuen Impfstoffes werden im Durchschnitt 15 Jahre
veranschlagt. Kleine oder mittlere Unternehmen, die auf dieses Marktsegment
streben, brauchen aufgrund dessen einen langen Atem. Das Durchhaltevermögen ist stark abhängig von den finanziellen Ressourcen eines pharmazeutischen Neueinsteigers.
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Impfstoffe (=Vakzine)
Neben der kapitalintensiven Forschung und Entwicklung spielen nach der Zulassung auch die Produktion und die Vermarktung eine große Rolle. Beispielsweise hat die Herstellung eines Grippeimpfstoffes eine ca. einjährige
Vorlaufzeit. Nach der Auswahl der passenden Viruspartikel bzw. des Virus,
welcher eine größere Anzahl von Erkrankungen in der Bevölkerung auslösen
kann, beginnt der Produktionsprozess. Aufgrund der langen Zeitspanne (ein
Jahr) können keine neuen Impfstoffdosen nachgeliefert werden, auch wenn
die Nachfrage noch vorhanden sein sollte.
Ausreichende Kapazitäten
Jeder Impfstoffproduzent muss auch Impfstoffe für die Entwicklungsländer
vorhalten. Dies erfordert Produktions- und Lagerkapazitäten, um für die Anwendung in den Entwicklungsländern genügend Impfdosen zu besitzen. Da die
Nachfrage der einzelnen Märkte sehr unterschiedlich ausfällt, ist für ein neues
Unternehmen auf dem Impfstoffmarkt diese Situation nur schwer zu kalkulieren. Hinzu kommen zusätzliche Anfragen aus den Schwellenländern, die bisher nur im geringen Umfang Impfungen durchgeführt haben. Weiterhin sind
sich ausbreitende Epidemien ebenfalls schwer einzuschätzen.
Erstattet werden von den sozialen Organisationen jedoch nur die Produktionskosten plus einem Aufschlag von 5 %. Es ist also per se kein lukratives
Geschäft. Die Forschungs- und Entwicklungskosten werden gedeckt und der
Aufschlag in weitere Projekte investiert.
Expertenwissen
Die F&E-Kosten und die Produktion/Lagerung gekoppelt mit einer saisonal
schwankenden Nachfrage erschweren vielen potenziellen Neueinsteigern den
Markteintritt in dieses spezielle Segment der Infektionskrankheiten. Des Weiteren ist auch das Know how von der Entstehung und Behandlung von Viruskrankheiten und deren Überträger nicht sehr weit verbreitet und muss erst
etabliert werden.
Aufgrund der vorgenannten Parameter handelt es sich um einen relativ abgeschotteten Markt für die klassischen Impfstoffe. Da Neuentwicklungen für
bereits etablierte Impfstoffe wenig Sinn machen, werden sich Newcomer –
wenn überhaupt – auf andere Virusinfektionen spezialisieren wollen. Inwieweit
sie damit Erfolg haben, muss abgewartet werden, auch wenn eine Vielzahl von
Infektionen noch nicht vorbeugend behandelt werden können.
Ständige Impfkommission (STIKO) der Bundesrepublik Deutschland
STIKO
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Das Infektionsschutzgesetz beinhaltet Entschädigungsregelungen bei einem
„Impfschaden“. Aufgrund dessen sprechen die obersten Länderschutzbehörden „öffentliche Empfehlungen“ für bestimmte Schutzimpfungen aus. Hier
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe (=Vakzine)
steht vor allem das Interesse der Allgemeinheit im Vordergrund, sich gegen
bestimmte übertragbare Krankheiten impfen zu lassen. Dadurch wird nicht
nur das Individuum selbst, sondern auch die Bevölkerung gegen potenzielle
Epidemien geschützt.
Im Jahr 1972 erfolgte die Bildung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Ihre
Empfehlungen sind die Grundlage der öffentlichen Empfehlungen der Bundesländer. Nicht alle Impfungen, die heute möglich sind, werden von der STIKO
empfohlen. Hierfür spielen die Inzidenzrate einer Erkrankung und die Notwendigkeit, wie viele Einzelpersonen geimpft werden müssen, um einen Erkrankungsfall zu verhindern, eine Rolle.
Impfkalender der STIKO (Stand 2015)
Quelle: STIKO
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Impfstoffe in der Tropenmedizin
Impfstoffe in der Tropenmedizin
Neue Impfstoff-Kandidaten bzw. Zulassungen
Neue Herausforderungen
Derzeit sind viele Impfstoffkandidaten in der Pipeline der Unternehmen. Neben Tuberkulose oder Chlostridium diff. sind auch Kandidaten gegen Noroviren oder Chikungunya bzw. Borreliose oder HIV/AIDS in klinischen Prüfungen,
um nur beispielhaft einige zu nennen.
Chikungunya
Das Paul Ehrlich Institut (PEI) ist u. a. in der Impfstoffentwicklung aktiv. Die
Forscher versuchen gerade einen Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus zu
entwickeln. Erste positive Tests bzgl. eines Kandidaten gegen eine konstante
Virusregion der Oberflächenhülle wurden bereits durchgeführt. Laut Institutspublikation reicht die Immunantwort jedoch noch nicht aus, um einen ausreichenden und andauernden Schutz gegen das Virus zu gewährleisten.
PEI forscht an Oberflächenprotein E2
Quelle: Paul-Ehrlich-Institut
Die Wichtigkeit der Forschung gegen das Chikungunya-Virus wie auch das
Dengue-Virus liegt in den potenziellen Spätkomplikationen einiger infizierter
Patienten. Verläuft eine Ersterkrankung in den meisten Fällen wie eine saisonale Grippe, kann es in seltenen Fällen zu hämorrhagischem Fieber kommen,
welches tödlich verlaufen kann.
Dengue
Dengue-Impfstoff
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Die kürzliche Erstzulassung eines tetravalenten Dengue-Impfstoffes ist ein
großer Erfolg für die Firma Sanofi. Erstmals existiert ein Impfstoff gegen diese
Infektionskrankheit. Die geschätzte Anzahl der Neuinfektionen von fast 390
Mio. im Jahr (Nature 2013) ist sehr hoch.
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Tropenmedizin
Aufgrund der Komplexität des Virus ist die Schutzwirkung mit durchschnittlich
60 % der geimpften Personen nur bedingt ausreichend. Dies liegt an den vier
verschiedenen Sero-Typen des Virus. Meist verläuft eine Erstinfektion harmlos, ähnlich einer Grippe. Bei einer Neuinfektion durch einen unterschiedlichen Sero-Typen reagiert das Immunsystem wieder, und es kann zu der Komplikation von infektionsverstärkenden Antikörpern durch den ursprünglichen
Sero-Typen kommen. Die Auswirkungen auf den menschlichen Körper sind
meist massiv, bis hin zu einem tödlichen Verlauf. Aufgrund dieser Tatsache
empfiehlt das Bernhard Nocht Institut (Tropeninstitut in Hamburg), nach einer
Erstinfektion mit dem Dengue-Virus die Endemie-Gebiete zu meiden.
Ebola
Die Ebola-Infektion in Afrika ist ein Beispiel dafür, wie eine Eindämmung einer
Epidemie suboptimal verlaufen kann. Aufgrund einer Vielzahl von Pannen gab
es über 28.600 erfasste Infizierte und über 11.300 registrierte Tote (Stand
Dezember 2015). Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Nachdem 42
Tage nach der letzten Entdeckung einer Neuinfektion keine weitere mehr diagnostiziert wurde, erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Epidemie für beendet.
Kurzfristig wurde die Forschung und Entwicklung für einen Impfstoff gegen
Ebola intensiviert, und die amerikanische Merck & Co. konnte eine Vakzine,
die einen 100 %igen Schutz aller geimpften Personen aufwies, gegen Ende der
Epidemie präsentieren. Die Ursache für diese schnelle Entwicklung beruhten
auf den Daten der kanadischen Gesundheitsbehörde bzw. der Firma Newlink
Genetics (Lizenzerwerb von der kanadischen Gesundheitsbehörde für eine
kommerzielle Nutzung von rVSV-EBOV), die bereits seit über 10 Jahren an
einem Impfstoffkandidaten gegen Ebola forschte.
Malaria tropica
Nach fast 30jähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist es der Firma
GlaxoSmithKline (GSK) gelungen, einen Impfstoff („Mosquirix“) gegen die Malaria tropica zu entwickeln. Diese Leistung ist bemerkenswert, da es erstmalig
gelungen ist, einen Impfstoff gegen einen Parasiten (Plasmodium falciparum)
zu entwickeln.
Malaria ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Sie ist in mehr als 100
Ländern endemisch, d. h. sie tritt in diesen Regionen gehäuft auf. In diesen
Endemie-Gebieten leben ca. 40 % der Weltbevölkerung. Nach Schätzungen
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apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
der WHO (Weltgesundheitsorganisation) erkranken über 200 Mio. Menschen
jährlich an Malaria. Am meisten betroffen ist die Sub-Sahara-Region (SSA). In
2013 starben 584.000 Menschen an Malaria, davon ca. 90 % in der SSA. 83 %
dieser Todesfälle waren Kinder unter fünf Jahren.
Ende 2014 hat GSK die Zulassungsunterlagen (regulatory application) für den
Malaria-Impfstoff eingereicht. Hierbei handelt es sich um den Antrag, einen
Impfstoff in der EU zu produzieren, der allerdings ausschließlich im Ausland
angewendet wird. Im Juli 2015 erhielten die Engländer ein positives Votum
von der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) für Kinder im Alter von
sechs Wochen bis 17 Monate.
Im Weiteren wird jetzt die WHO eine Entscheidung formulieren bzw. eine Empfehlung aussprechen, damit in den betroffenen Endemie-Gebieten die nationalen Entscheidungsträger eine Zulassung erteilen.
Die Kosten werden laut GSK im überschaubaren Rahmen bleiben. Trotz der
mittlerweile 300 Mio. USD, die für die F&E ausgegeben wurden, sollen nur die
Produktionskosten mit einem Aufschlag von 5 % veranschlagt werden. Dieser
Aufschlag soll der weiteren Forschung dienen.
Neben der Erfolgsgeschichte bei Ebola, für den es in kürzester Zeit einen
Impfstoff gab, ist auch die Zulassung des Malaria-Impfstoffes ein Meilenstein
in der Geschichte der Impfstoffentwicklung. Jedoch gibt es noch viele andere
Herausforderungen für die Entwickler, geeignete Impfstoffe zu erforschen.
Beispielhaft sind hier SARS (schweres akutes respiratorisches Syndrom),
MERS (Middle East Respiratory Syndrom) oder auch ganz aktuell das ZikaVirus in Mittel- und Südamerika zu nennen.
Impfstoffe in der Onkologie
Präventive und Therapeutische Impfstoffe
Ziele
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Die Ziele für die Entwicklung von Impfstoffen im Bereich Onkologie liegen in
der Verhinderung der Krebsentstehung, in der Verlangsamung des Wachstums
von Krebszellen und in der Rückbildung oder Eliminierung eines Tumors.
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
Prophylaxe gegen virusinduzierten Krebs
Hepatitis-B-Impfung
Hepatitis-B-Impfstoff
In den letzten Jahren haben sich die Präventiv-Impfstoffe gegen Krebs weiter
etabliert. Ein Beispiel ist Hepatitis-B. Zwar ist der Impfstoff schon länger am
Markt etabliert, jedoch erst seit ein einigen Jahren wird dieser von der ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfohlen (und von einigen
Krankenkassen erstattet).
Bezeichnend sind Daten des Robert Koch Institutes aus 2014. Das Institut hat
die Rate der Neuinfektionen durch Hepatitis-B (meldepflichtig) veröffentlicht.
Lagen im Jahr 2001 die Neuerkrankungen noch bei 2.334, so reduzierte sich
die Anzahl dieser im Jahr 2013 auf nur noch 691. Der Hauptgrund, so das
Institut, liegt vor allem im verbesserten Impfschutz bzw. in der Durchimpfung
der Risikogruppen, die einer potenziellen Infektion ausgesetzt sein könnten.
2.334
Hauptgrund für den starken Rückgang:
Verbesserter Impfschutz
(die Hepatitis-B-Impfung wirt seit 1995
von der STIKO empfohlen)
812
2001
2011
676
691
2012
2013
Quelle: Robert-Koch-Institut, Epidemologisches Bulletin Nr. 30 vom 28.07.2014
Dadurch ist eindeutig die sinnvolle Anwendung von Impfstoffen nachgewiesen, nicht nur in der Vorbeugung, sondern auch in der Verhinderung von Folgekosten, die vielfältig sind.
Hier sind nicht nur die Kosten für Therapien gemeint, auch der Arbeitsausfall
muss hinzugerechnet werden. Des Weiteren existieren für manche Infektionskrankheiten keine ursächlichen therapeutischen Maßnahmen. Es werden lediglich die anfallenden Symptome behandelt. Und auch hier sind neben den
Therapiekosten die potenzielle Verschlechterung der Erkrankung zu berücksichtigen. Etwa 10 % der Patienten erleiden eine chronische Hepatitis B Infektion, die in einer Leberzirrhose mündet oder zu Leberkrebs führt. Diese Erkrankungen treiben die Behandlungskosten in die Höhe.
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Impfstoffe in der Onkologie
Inzidenzrate
Man schätzt die Inzidenzrate in Deutschland auf etwa 50.000 Fälle. Die Häufigkeit chronisch Infizierter ist in Nordamerika, Australien, Zentralafrika und
Südostasien am höchsten.
Prävalenz von Hepatitis-B (2005)
Prävalenz von Hepatitis-B
hoch
mittel
niedrig
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hepatitis_B
Papilloma-Impfung
Papilloma-Virus
Durch die Forschung an humanen Papilloma-Viren konnte der Nobelpreisträger Harald zur Hausen nachweisen, dass diese Viren Gebärmutterhalskrebs
auslösen können. Seine Forschungen wurden für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen diesen Krebs herangezogen.
Impfstoff
Mittlerweile existieren drei Impfstoffe auf dem Markt, und der letzte zugelassene Gardasil 9 soll laut Herstellerangabe 97 % aller krebsinduzierenden HPVTypen abdecken. Die STIKO empfiehlt die Impfung zur Vorbeugung gegen Gebärmutterhalskrebs bei Mädchen im Alter zwischen neun und vierzehn Jahren.
Onko-Viren
Die Gruppe der Onko-Viren, ob es sich um HPV, HCV, HBV, EBV oder andere
handelt, ist weltweit schätzungsweise für 10 % bis 15 % der Krebserkrankungen verantwortlich. Da die Entwicklung von Impfstoffen gegen Viren mittlerweile sehr breit ist, dürfte auch in Zukunft hier mit Neuzulassungen zu rechnen sein, um die Entstehung von Krebs durch Viren zu verhindern.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
Therapeutisches Impfen gegen Krebserkrankungen
Die Idee mit Impfstoffen eine Therapie gegen Krebs durchzuführen ist zwar
nicht neu, aber erst in den letzten Jahren kam es zu einem Durchbruch. Der
Ansatz für einen therapeutischen Impfstoff entspricht dem eines Impfstoffes
gegen Viren:
Es muss ein krebsspezifisches Antigen gefunden werden, damit das körpereigene Immunsystem aktiviert wird und auf das körperfremde Antigen reagieren
kann!
Vorgehensweise
Verschiedene Verfahren
Es existieren viele verschiedene Verfahren, teilweise noch experimentell, um
mit einem krebsspezifischen Antigen gegen den körpereigenen Krebs vorgehen zu können. Nachfolgend sind einige Beispiele aufgeführt:
>
Die Verwendung von Antigenen der Krebszelle oder modifizierte
Versionen
>
Spezifische Antigene aus verdünnten oder abgetöteten Krebszellen
>
DNA/RNA, welche eine Kodierung für ein Krebsantigen besitzen
>
Adoptiver T-Zell-Transfer
>
Modifizierte Immunzellen (CAR-T), die ein Krebsantigen präsentieren
>
Neo-Antigene
>
Onkolytische Viren
>
BITE – Bispezifischer T-Zell Engager
Die oben genannten Verfahren sind nur ein Auszug aus den derzeit sehr vielfältigen Ideen und Ansätzen im Bereich Impfen gegen Krebs. Im Weiteren soll
auf einen Teil der Ansätze näher eingegangen werden.
Adoptiver T-Zell-Transfer
Bei der Adoptive-T-Zell-Transfer-Methode handelt es sich um ein passives Verfahren, da das Immunsystem des Patienten nicht direkt aktiviert wird.
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Impfstoffe in der Onkologie
4. Überwachung
1. Leukozytapherese
Modifizierte
T-Zellen
3. Behandlung
T-Zellen
2. T-Zell-Modifizierung
Verfahren
Am Beispiel des metastasierenden Prostatakarzinoms soll das Verfahren kurz
erläutert werden. Mit Hilfe der Leukozytapherese (ähnlich der „Blutwäsche“)
werden T-Zellen aus dem Körper entnommen und im Labor isoliert. Gezielt
werden dort die tumorspezifischen T-Zellen mittels einer Zentrifuge angereichert. Danach werden die Zellen mit dem Fusionsprotein PA 2024 (prostataspezifische saure Phosphatase = PAP) verbunden. Das PAP fungiert als Tumorantigen, da es von ca. 95 % der malignen Prostatazellen exprimiert wird.
Nach der Rückführung dieser molekularbiologisch behandelten T-Zellen sollen
diese die Tumorzellen, die das Tumorantigen besitzen, bekämpfen und zerstören.
Zulassung
Dieses Verfahren ist bereits seit 2010 in den USA zugelassen und wird dort
angewendet. Eine Zulassung in der EU erfolgte 2013, wurde jedoch 2015 aus
unbekannten Gründen vom Hersteller selbst widerrufen.
Perspektiven
Der Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung dieses therapeutischen
Verfahrens ist allerdings hoch. Neben der Zeit von der Entnahme des Blutes
bzw. der T-Zellen und der Rückführung der modifizierten T-Zellen vergehen ca.
drei bis vier Wochen, eine lange Zeit für einen austherapierten Patienten mit
einem metastasierenden Prostatakarzinom.
Inwieweit sich dieses Verfahren gegenüber anderen Therapien zukünftig behaupten kann, ist derzeit noch ungewiss.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
CAR-T-Verfahren
CAR-T
CAR-T steht für Chimeric Antigen Receptor-modified T-cells und bezeichnet
eine Form der T-Zelltherapie.
Akute Lymphatische Leukämie
Der Pharmakonzern Novartis hat die Zelltherapie bei Patienten, die an einer
aggressiven und therapieresistenten Form der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) leiden, eingesetzt. Die Ergebnisse werden als bahnbrechend bezeichnet, da diese T-Zelltherapie eine Remissionsrate von 90 % erzielen konnte.
Verfahren
Kern dieses Verfahrens ist die molekulargenetische Manipulation der autologen T-Zellen des Patienten durch einen Lenti-Virus. In die T-Zelle wird ein gegen CD19 gerichteter chimärer Antigenrezeptor „eingebaut“. Das Zelloberflächenprotein CD19 ist ein Marker für B-Zellen und tritt gerade bei B-ZellLeukämien und B-Zell–Lymphomen verstärkt auf. Die so modifizierten CAR-TZellen bekämpfen die B-Zellen, vor allem die Leukämiezellen, jedoch auch die
gesunden.
Behandlungsergebnisse
Von den 30 behandelten Kindern und Erwachsenen wurde bei 27 Patienten
eine vollständige Remission des Krebses beobachtet und damit eine Erfolgsquote von 90 % verifiziert. In der Nachbeobachtungsphase (6 Monate) waren
noch 67 % der Patienten ohne neuerliche Erkrankung und die Gesamtüberlebensrate betrug 78 %. Im Zusammenhang mit der Studie wurden keine Todesfälle registriert.
Nebenwirkungen
Die Schattenseite dieser Therapieoption liegt im Schwund aller BLymphozyten, dass heißt, der Patient ist dauerhaft immunsupprimiert. Des
Weiteren können die genmodifizierten T-Zellen einen so genannten ZytokinSturm (Zytokin-Release-Syndrom) verursachen. Hierbei werden große Mengen
an entzündungsfördernden Zytokinen ausgeschüttet, die meist nur durch intensivtherapeutische Behandlung in den Griff zu bekommen sind.
Die modifizierten T-Zellen vermehren sich im Patienten und sind zum Teil noch
Jahre später nachweisebar. Ob sich diese Zellen über die Jahre weiter transformieren oder ihrerseits Erkrankungen auslösen können, ist derzeit noch
nicht vorhersagbar.
19
apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
Neo-Antigene
Das Prinzip der Neo-Antigene setzt voraus, dass ein Krebstumor ein körpereigenes, aber fehlerhaftes Protein auf der Zelloberfläche präsentiert. Eine solche Mis-Sense-Mutation (Punktmutation) wird genutzt, um eine Impfung gegen die Krebszellen durchzuführen. Dafür wird der kurze Protein-Abschnitt
(Peptid), der genau diese mutierte Stelle besitzt, dem Patienten verabreicht.
Das Immunsystem wird durch die Präsentation des fehlerhaften Proteins
durch die modifizierten dendritischen Zellen aktiviert. Die Immunzellen erkennen das falsche Peptid als körperfremd und vernichten die Zellen.
Therapieverfahren
Genom-Analyse
krebsspezifische Antigenbestimmung
Selektion
einer Mis-Sense Mutation (Punktmutation)
3 Melanom-Patienten
(Ipilimumab austherapiert):
 Verkleinerung der Metastasen
 Tumorwachstum gestoppt
 Vollremission des Tumors
Therapie
schlägt
nicht an
Synthese
von Antigenen
(„Neoantigene“)
Aufnahme der
Neoantigene durch
dendritische Zellen
Erste Erfolge wurden bei drei Hautkrebs-Patienten, die bereits mit Ipilimumab
(Yervoy) austherapiert waren, erzielt. Ein Patient zeigte eine Verkleinerung der
Metastasen, bei einem zweiten Patienten konnte das Tumorwachstum gestoppt werden. Bei einem dritten Patienten wurde eine Vollremission des Tumors beobachtet.
Ein weiteres Beispiel für einen erfolgreichen Ansatz eines Tumor-Neoantigens
konnten Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) aufzeigen.
Niedriggradige Gliome, meist aus Gliazellen entstandene Hirntumore des zentralen Nervensystems, besitzen in über 70 % der Fälle einen identischen Übersetzungsfehler im Erbgut. In einem Enzym (IDH1) ist ein einziger Eiweißbaustein (Position 132) ausgetauscht. Die Forscher konnten nachweisen, dass sie
mit diesem Neo-Antigen eine spezifische Immunantwort gegen Hirntumore
auslösen können. In naher Zukunft wollen sie eine klinische Studie aufgrund
dieser Erkenntnisse durchführen.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
mRNA basierte Impfung
Die Therapiemöglichkeiten zur Aktivierung des Immunsystems gegen den körpereigenen Krebs schreiten weiter fort. Die Forschung und Entwicklung für
eine Behandlung durch die messenger-RNA (mRNA) stellt eine weitere Option
in der Immunonkologie dar.
mRNA Aktivierungsschema
Der Ausgangspunkt ist ähnlich dem des adoptiven Zelltransfers. Außerhalb
des Körpers werden die krebsspezifischen Antigene vermehrt, um später das
Immunsystem gegen die Krebszellen zu aktivieren. Die Grundlage für diese
aktive Immuntherapie sind die dendritischen Zellen und die Antigenpräsentierenden Zellen (APC), die die im Labor konstruierten Antigene auf
Basis von mRNA aufnehmen und der Immunabwehr stimulieren sollen. Die
Auswahl dieser beiden Zelltypen bewirkt eine Aktivierung der beiden Immunabwehrmechanismen des Körpers, d. h. sowohl die humorale (Antikörper spezifische) als auch die zelluläre (von Antigen-spezifischen T-Zellen (APC)) Immunantwort reagieren auf die applizierten Antigene.
Die Firma CureVac hat ein spezielles Verfahren zur Stabilisierung der mRNA
entwickelt, um den frühzeitigem Abbau im Organismus zu verhindern. Des
Weiteren bewirkt das RNActive Verfahren, dass die modifizierte mRNA auch
hitzestabiler ist. Dies erleichtert den Transport (keine Kühlkette notwendig)
und die Lagerung des Impfmaterials, so dass auch in den wärmeren Regionen
dieser Welt die Impfung der Bevölkerung unproblematischer wird.
Nachfolgende Grafik zeigt die Abfolge der Immunaktivierung. Die erzeugte
mRNA wird nach der Manipulation durch das RNActive Verfahren in die antigenpräsentierenden Zellen eingeschleust. So werden einerseits die (CD4positiven) T-Helferzellen und die (CD8-positiven) zytotoxischen T-Zellen durch
das Antigen stimuliert und aktiviert. Nach der Aktivierung der B- und T-Zellen
werden die Krebszellen entdeckt und zerstört.
21
apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
Immunaktivierungsschema
durch mRNA (CureVac)
Quelle: CureVac
Das Verfahren wurde in einer klinischen Prüfung der Phase I/IIa erfolgreich
getestet, eine weiterführende klinische Studie hat bereits begonnen. Investoren wie die Dievini oder die Bill & Melinda Gates Stiftung haben hohe Summen
in das Start up- Unternehmen investiert.
Kombinationstherapie im
Mausmodell
Vorklinische Experimente im Mausmodell haben offenbar synergistische Effekte bei der Therapie mit der mRNA Impfung und der CTLA4 Blockade oder
einer radiologischen Therapie gezeigt. Aufgrund dieser Ergebnisse könnten
sich zukünftig weitere vielversprechende Therapieoptionen ergeben.
Onkolytische Viren – nur ein wissenschaftlicher Ansatz? ...
Neben den so genannten Onkoviren, wie beispielsweise dem humanen Papilloma-Virus oder dem Hepatitis B-Virus, welche Krebs auslösen können, existieren auch onkolytische Viren, die Krebszellen infizieren und zerstören.
Die Überlegung dieses bisher nur wissenschaftlichen Ansatzes ist, dass diese
Viren die Tumorzellen infizieren, sich dort vermehren und dadurch die Krebszellen vernichten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese infektiösen Viren ihrerseits keine Erkrankungen beim Menschen auslösen können.
Mausmodell
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Der Ansatz (Paul Ehrlich Institut 2013) beruht auf einem genetisch modifizierten Masernimpfvirus, der im Mausmodell bereits interessante Ergebnisse erzielte. In aller Regel bestehen Tumore nicht aus einer homogenen Zellpopulation, d. h. jede Zelle reagiert unterschiedlich sensibel auf die jeweiligen
Wirkstoffe. Eine Theorie besagt, dass auch Tumore Krebsstammzellen besitzen. Diese Stammzellen reagieren auf eine Chemo- oder Strahlentherapie relativ unsensibel, und man geht davon aus, dass diese für die Entstehung von
Metastasen verantwortlich sind.
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
Einsatz des Masernimpfvirus
Das Zelloberflächenprotein CD133 wird als ein spezifischer Marker dieser
Krebsstammzellen postuliert. Dieses Protein wird als Zielmolekül für ein abgeschwächtes Masernimpfvirus verwendet. Das Virus wurde genetisch so verändert, dass CD133 als Rezeptor fungiert und nur Zellen mit diesem Oberflächenprotein infiziert werden.
Bei der Untersuchung der antitumoralen Aktivität wurden Mausmodelle verwendet, die humane Tumore wie Gliome, Darmkrebs und Leberkrebs besaßen.
In allen Mausmodellen zeigte der modifizierte Virus eine ausgeprägte Wirksamkeit, entweder wurde das Krebszellwachstum reduziert oder sogar komplett unterdrückt. Des Weiteren existiert ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt: Die infizierte Krebszelle produziert neue Viren, die nach der Zerstörung
der Zelle sich im Organismus ausbreiten und andere Tumorzellen mit dem
Oberflächenprotein CD133 aufspüren und infizieren.
Im menschlichen Organismus existieren ebenfalls Zellen mit dem CD133 Protein, die blutzellbildenden hämatopoetischen Stammzellen. Diese wurden jedoch nachweislich nicht mit dem modifizierten Masernimpfvirus befallen. Der
Grund besteht darin, dass die Zellen gegenüber dem Virus eine angeborene
Immunität besitzen. Da diese in vielen Zelltypen von Tumoren nicht vorhanden
ist, könnte dieser wissenschaftliche Ansatz auch eine potenzielle Therapie
gegen Krebs sein und Einzug in die Klinik halten.
… nein, die erste Zulassung ist erfolgt
Talimogen laherparepvec – oder kurz T-VEC ist ein Therapeutikum von Amgen,
welches mit dem Namen Imlygic die Zulassung in den USA (Oktober 2015)
und in der EU (Januar 2016) erhalten hat. Hierbei handelt es sich um ein genetisch verändertes Herpes-simplex-Virus (Typ HSV-1). Das Mittel ist für die
Behandlung des nicht operablen Melanoms zugelassen und wird direkt in die
Hautläsionen gespritzt.
Der Herpes simplex Virus Typ HSV-1 hat verschiedene Abwehrmechanismen,
um sich einer Vernichtung durch das menschliche Immunsystem zu entziehen. Der Genabschnitt ICP34.5 verhindert die Synthese der Proteinkinase R
(PKR) in der normalen menschlichen Zelle, so dass sich das Virus weitgehend
nicht replizieren kann. Eine Replikation in Tumorzellen findet jedoch weiterhin
statt. ICP47 verhindert die Ausbildung der Antigenpräsentation auf der Zelloberfläche. Aufgrund dessen können die zytotoxischen T-Zellen die virusinfizierten Körperzellen nicht erkennen und vernichten.
23
apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Impfstoffe in der Onkologie
Diese beiden Gene wurden im Virus ausgeschaltet und zusätzlich das Gen des
Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktors (GM-CSDF) eingefügt. Nun können einerseits die T-Killerzellen die infizierte Körperzelle als körperfremd erkennen und andererseits das Virus sich ungehindert in der Krebszelle vermehren. Das Virus initiiert somit die Lyse und durch die Ausschüttung
von Tumorantigenen der geplatzten Krebszelle und in Kombination mit der
Bildung von GM-CSF wird die systemische Immunantwort aktiviert. Die Kombination beider Mechanismen bewirkt einen verstärkenden Effekt durch die
Ausschüttung weiterer Viren aus der geplatzten Krebszelle.
In den durchgeführten Studien zeigte sich, das Imlygic in den Krankheitsstadien IIIB, IIIC und IVM1a des Melanoms am besten wirkt. Die Zulassung in
Europa ist auf diese Stadien beschränkt, während in den USA das Therapeutikum in allen Hautkrebs-Stadien eingesetzt werden darf.
Derzeit werden ca. zwei Dutzend Viren getestet, die zur Bekämpfung von
Krebszellen infrage kommen könnten. Auch könnten die onkolytischen Viren
mit anderen Mechanismen versehen werden, die einen additiven tumorzerstörenden Effekt auf die entarteten Zellen besitzen. Ebenfalls könnten Kombinationspräparate mit verschiedenen Wirkmechanismen an den Krebszellen eine
bessere Responder- bzw. Heilungsrate bewirken.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Herausforderungen in der Immunonkologie
Herausforderungen in der Immunonkologie
Licht und Schatten
Neben den positiven Aspekten, Impfstoffe für die Aktivierung des Immunsystems einzusetzen, damit die körpereigene Abwehr den Krebs aufhalten bzw.
vernichten kann, existieren aber auch Risiken bzw. Herausforderungen, die
noch bewertet bzw. gelöst werden müssen.
Ausreichende Immunantwort
Voraussetzung einer ausreichenden Immunantwort, sprich eine starke Aktivierung des Immunsystems, ist die Auswahl eines krebsspezifischen Antigens,
welches das Immunsystem ausreichend stimulieren kann. Hierfür müssen
Screening- und Testmethoden für eine Selektion des Krebsantigens und der
ausreichenden Immunreaktion durchgeführt werden.
Sipuleucel-T
Da es sich bei dem aktuellen Forschungs- und Wissenstand um eine personalisierte Anwendung gegen den Krebs handelt, ist die Kostenfrage ein Aspekt
für eine Anwendung. Bei dem zugelassenen Impfstoff Sipuleucel–T gilt die
Zulassung nur für Patienten, für die es keine andere Alternative mehr gibt
bzw. die aktuellen Therapieoptionen keine Wirksamkeit mehr zeigen.
Kosten
Da die Synthese und Aufbereitung bzw. die Produktion der spezifischen TZellen für den Patienten eine ca. drei- bis vierwöchige Zeitspanne in Anspruch
nimmt, kann es sein, dass der betroffene Patient diesen Zeitraum nicht überlebt. Des Weiteren ist diese Individualtherapie kostenintensiv, da die selektierten T-Zellen nicht anderweitig verwendet werden können.
Ausreichende Lebenszeit von
Die antigenpräsentierenden Zellen (APC) müssen auch eine ausreichende Lebenszeit vorweisen. Sollten diese APCs durch Absterben oder Vernichtung
durch andere Zellen verschwinden, könnte keine ausreichende Immunantwort
bei einer Reinfektion oder einer neuerlichen Krebsentstehung mehr ausgelöst
werden.
APCs
Allianzen im Umfeld der Immunonkologie
Im Großen und Ganzen haben die global agierenden Pharmakonzerne den
neuen Trend der therapeutischen Impfstoffe „verschlafen“. Außer Novartis,
die das Therapiefeld CAR-T weiterverfolgt haben, hatten sich die anderen
meist auf die monoklonalen Antikörper zur Aktivierung des Immunsystems
konzentriert.
Aufholjagd
Um jedoch auch auf diesem potenziell lukrativen Markt präsent zu sein,
schmiedeten die Großen mit den Kleinen der Branche Allianzen oder Koopera25
apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Herausforderungen in der Immunonkologie
tionen. Auch wenn die Kosten für die Beteiligungen recht hoch erscheinen, ist
es doch eine win-win-Situation.
Wichtige Allianzen führender Anbieter der Krebsimmuntherapie
Unternehmen
Partner/Kaufobjekt
Pfizer
Merck KGAA
Sanofi
Regeneron
2,15
Merck & Co.
Ablynx
1,70
Roche
Foundation Medicines
1,03
Roche
Immatics
1,00
Roche
New Link Genetics
1,00
Celegene
Juno
1,00
Astra-Zeneca
Inovio
0,73
Boehringer
Curevac
0,58
Amgen
KitePharma
0,53
Eli Lilly
BioNTech
0,36
Astra-Zeneca
Immunocore
0,32
Novartis
Aduro Biotech
0,25
Pfizer
Celetics
0,25
Astra-Zeneca
Definiens
MD Anderson
Immatics
Transaktionsvolumen (Mrd. USD)
2,85
0,15
0,06
Quelle: Unternehmen
Die Vorteile für die Biotechnologieunternehmen bestehen in der Weiterführung ihrer klinischen Prüfungen bis zur Zulassung. Die Kosten sind im späten
Stadium des Wirksamkeitsnachweises am Höchsten und nicht für jeden zu
meistern. Im Gegenzug partizipieren die großen Konzerne von den möglichen
Umsätzen und Gewinnen bei erfolgreicher Zulassung des Impfstoffes.
Ob die Partizipation über Lizenzgebühren, Meilensteinzahlungen oder Umsatzbzw. Gewinnbeteiligungen durchgeführt werden, spielt eher eine untergeordnete Rolle.
Wichtig erscheint zuerst einmal der Proof of Concept des speziellen Verfahrens. Die nachfolgende Übersicht soll nur einige Methoden der zellulären Immuntherapie aufzeigen, ohne Gewähr für Vollständigkeit bzw. ohne andere
Verfahren zu diskreditieren.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Herausforderungen in der Immunonkologie
Methoden
Akteure
CARTs
(Chimäre Antigen Rezeptor T-Zelle)
TCRs
(T-Zell-Rezeptoren)
UCARTs
(Universelle CART-Zellen)
CARTs
(mit nichtviralen Vektoren)
CARTs
(mit "Sicherheitsschaltern")
ACTRs
(Antikörper-gekoppelte T-Zell-Rezeptoren)
Novartis, Juno Therapeutics, Kite
Pharma, Bluebird Bio/Celgene
BiTEs
(Bi-spezifische T-Zell Aktivatoren)
Adaptimmune und GlaxoSmithKline
Cellectis, Pfizer, Accelera, CELLforCURE,
(alles Kooperationen)
Ziopharm und Interxon
Bellicum Pharma, Ziopharm und Interxon
Unum Therapeutics (unterstützt von
Fidelity-, Atlas-, Sanofi-VC)
Amgen, Medimmune, MorphoSys,
Emergent BioSolutions, Bayer, F-star
Alpha, Bristol-Myers Squibb
Amgen wurde separat gekennzeichnet, da der BITE–Antikörper bereits die
Zulassung und den Orphan Drug Status erreichen konnte. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es sich bei diesem therapeutischen Verfahren nicht um ein
experimentelles Stadium handelt, sondern um eine zukunftsträchtige Therapieform gegen Krebs.
Aktivierung von T-Zellen – ein neuer Therapieansatz
BITE – Bispezifischer T-Zell-Engager Antikörper
Die BITE-Antikörper sind so konstruiert, dass sich die körpereigenen zytotoxischen T-Zellen direkt gegen die Krebszellen richten können, um diese zu zerstören. Normalerweise können Antikörper keine T-Zellen aktivieren, weil den
T-Zellen für eine Bindung von Antikörpern die Rezeptoren fehlen.
Blinatumomab (Blincyto)
Der BITE–Antikörper besitzt zwei antigenerkennende (scFV) Fragmente. Das
eine Fragment bindet spezifisch an den CD3-Rezeptor der körpereigenen zytotoxischen T-Zelle, das andere an das Krebsantigen CD19, welches auf der BZelle sitzt. Die Zulassung erhielt Amgen für den Einsatz bei einer bestimmten
Form der Akuten Lymphatischen Leukämie (Behandlung von Erwachsenen mit
Philadelphia-Chromosom negativer, rezidivierter oder refraktärer B-Vorläufer
akuter lymphatischer Leukämie).
27
apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Herausforderungen in der Immunonkologie
T-Zelle
Tumorzelle
BITE
T-Zelle
CD3
Tumorzelle
CD19 (Tumorantigen)
Quelle: Amgen
Akute Lymphatische Leukämie
(ALL)
Die ALL wird zu 75 % durch B-Vorläuferzellen verursacht und zählt zu den
schweren, weil sehr aggressiven hämatologischen Neoplasien (Neubildung).
Aufgrund der Aggressivität der Erkrankung liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate aktuell bei 35 % bis 40 %. Des Weiteren nehmen bei der Behandlung mit
einer Chemotherapie die Resistenzen immer weiter zu.
Die B-Zelle ALL besitzt zu 95 % bis 100 % das Oberflächenprotein CD19, welches eine Bindungsstelle von Blinatumomab für CD19 repräsentiert. Aufgrund
der Beschaffenheit des Antikörpers mit dem CD3-Antigen der zytotoxischen TZelle werden nun beide Zellen durch den Antikörper miteinander verbunden.
Dadurch wir die T-Zelle aktiviert und bewirkt die Apoptose (=programmierter
Zelltod) der erkrankten B-Zelle, indem sie zytotoxische Substanzen produziert
und ausschüttet, beispielsweise das porenbildende Protein Perforin. Durch
diesen Mechanismus wird die maligne B-Zelle zerstört.
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Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Die Zukunft hat begonnen
Die Zukunft hat begonnen
Herausforderungen in der
Zukunft
MERS / Ebola
Die neuen Herausforderungen in der Impfstoffindustrie zeigen die Zukunftsträchtigkeit dieses Subsegmentes. Die tropischen Erkrankungen kennen keine
geografischen Grenzen, und die zunehmende Mobilität der Menschen zeigt,
dass jedes Land auf dieser Erde von Viren und anderen Erregern heimgesucht
werden kann.
Die Ausbreitung von MERS (Middle East Resiratory Syndrom) von Saudi Arabien nach Südkorea ist ein Beispiel dafür. Dass die Ebola-Epidemie nur lokal
begrenzt aufgetreten ist, erscheint eher als ein glücklicher Zufall für die restlichen Länder der Welt und ist weniger ein Verdienst der beteiligten Organisationen. Im Umkehrschluss hätte man die Epidemie schneller eingrenzen können und letztlich auch müssen.
Andererseits ist die schnelle Entwicklung eines wirkungsvollen Impfstoffes mit
einem 100 %igen Impfschutz ein sehr großer Erfolg und zeigt, dass Forschung
und Entwicklung im Impfstoffmarkt nicht nur ein Schutz der regionalen Bevölkerung, sondern auch ein potenzieller Schutz für andere Länder darstellt.
Impfstoffindustrie ist gefragt
Die Entwicklung weiterer Impfstoffe gegen Viren und Bakterien zeigt, dass es
keine kostengünstigere Lösung als die Verhinderung von Erkrankungen gibt.
Impfungen sind ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsvorsorge.
Immun-Onkologie
Der Trend der Immun-Onkologie, d. h. die Aktivierung des Immunsystems, um
selbständig gegen den körpereigenen Krebs vorzugehen, ist nicht nur ein
spannendes Thema, sondern eine Revolution in der Therapie des Krebses.
Monoklonale Antikörper
Neben der Unterbrechung der Signalwege zwischen den T-Zellen und den
Krebszellen, damit die T-Zellen die entarteten Zellen als körperfremd erkennen und zerstören können, ist die Aktivierung des Immunsystems durch eine
Impfung mit oder ein Erkennen von krebsspezifischen Antigenen ein weiterer
Ansatz.
Therapeutisches Impfen
Viele verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Vorgehensweisen umschreiben derzeit diese neue Therapieform. Einige weit fortgeschrittene Verfahren wurden explizit dargestellt, ein vollständiger Überblick der potenziellen
experimentellen oder sich in der klinischen Phase befindlichen Impfstoffe
kann hier nicht gegeben werden.
Kooperationen
Die aufgeführten Kooperationen der großen, weltweit agierenden Pharmakonzerne mit den kleinen, innovativen Firmen, die diesen Trend weiterverfolgt
haben, zeigen jedoch, dass dieser neue Therapieansatz ein zukünftiger Um29
apoFokus
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
Die Zukunft hat begonnen
satz- bzw. Gewinntreiber sein kann.
Die fortschreitende Entwicklung in der Krebstherapie scheint die Hoffnung zu
schüren, dass die Diagnose eines Krebses in der Praxis kein Todesurteil mehr
darstellt, sondern sich eher die Frage nach der optimalen Therapie stellt.
Vielleicht kann die Immunonkologie, durch die Aktivierung des Immunsystems
den eigenen Krebs zu bekämpfen, den Weg in Richtung chronischer Erkrankung ebnen: Nicht „Wie lange“ habe ich noch zu leben, sondern „Welche Therapie“ lässt mir die Option, mit guter Lebensqualität eine fast normale Lebenserwartung zu erreichen.“
Der Forschungswettbewerb der Konzerne ist hoch, und es ist eine Frage der
Zeit, wann für welche Indikation ein passendes Medikament die Zulassung
erhält. Auch die Frage nach dem wirkungsvollsten Medikament wird sich zukünftig stellen, da viele monoklonale Antikörper- oder Verfahrensansätze im
Impfstoffsegment für eine Krebserkrankung existieren werden.
Die Zukunft der Krebstherapie ist im Wandel und die therapeutischen Ansätze
sind vielfältiger geworden. Dies lässt die Betroffenen hoffen, dass sie eine
bessere und lebensverlängernde Therapie erhalten können.
Für den Investor stellt sich die Frage, welcher Verfahrensansatz, ob monoklonaler Antikörper oder therapeutischer Impfstoff, der vielversprechendste ist.
Dies ist im aktuellen Stadium der Forschung & Entwicklung nur schwer zu
bestimmen. Es gilt, aussichtsreiche Kandidaten herauszufiltern und ein breit
diversifiziertes Portfolio in dieser neuen Therapieform anzulegen.
Ein spezialisierter Branchenfonds, der nicht nur die großen Pharmakonzerne,
sondern auch die aussichtsreichsten Kandidaten der Biotechnologie auswählt,
erscheint am vielversprechendsten.
Studie abgeschlossen:
19. Juli 2016
30
Verfasser: Dr. Uwe Färber
Therapeutisches Impfen – Start einer neuen Ära
apoFokus – zuletzt erschienen
Dezember 2015
Ausblick 2016 – Es bleibt alles anders
> Weltwirtschaft in unruhigem Fahrwasser
> Moderates Wachstum in den Industrieländern
> Diversifikation als Trumpf in turbulenten Zeiten
Mai 2015
Biosimilars 2.0 - Monoklonale Antikörper
> Was sind Biosimilars?
> Chancen und Risiken der Biosimilar-Hersteller
> Interessante Marktentwicklung
Dezember 2014
Ausblick 2015 – Ohne Risiko keine Rendite
> Notenbanken auf entgegengesetzten Wegen
> US-Konjunktur ist der europäischen weit voraus
> Kein Ende der Niedrigzinsphase in Sicht
November 2014
3D-Drucker – Modelle für jeden Lebensbereich
> Die Entwicklung des 3D-Drucks
> Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitsbereich
> Zukunftsvisionen
September 2014
Immun-Onkologie: Evolution oder Revolution?
> Krebserkrankungen – eine Übersicht
> Immun-Onkologie: Chronifizierung der Krebserkrankung
> Vielversprechende Zukunftsperspektiven
Februar 2014
In-Vitro-Diagnostik – Die Zukunft hat begonnen
> Ein unerlässlicher Bestandteil der Gesundheitspflege
> Die Evolution des Gentests
> Wachstumstreiber und Risiken für die Diagnostik
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