Reihe 5 Das Magazin der Staatstheater Stuttgart Oper Stuttgart / Stuttgarter Ballett / Schauspiel Stuttgart Au f Ein geht He ’s! ft ü be rd as Re is en Nr. 7 März – Mai 2017 EDITORIAL SCHWERPUNKT REISEN Hinsetzen, festhalten, abheben, loslegen! Ein Heft für alle Sesselpiraten, Egotouristen, Lehnstuhlentdecker. Ein Heft über die große weite Welt, die sich öffnet, sobald wir aus unseren Leben aussteigen – und in das Leben anderer einsteigen Stell dein Weltbild auf den Kopf! Auch Erinnerungsfotos kann man ganz anders ­betrachten, wenn der Künstler Max Kersting sie beschriftet hat Im Theater werden fremde Erfahrungen in etwas Eigenes verwandelt, das zweifeln macht, glücklich oder traurig Carolin Emcke (Seite 20) www.porsche.de/SocialResponsibility Porsche ist stolz auf die erfolgreiche Partnerschaft mit dem Stuttgarter Ballett und wünscht Ihnen viel Vergnügen in der aktuellen Spielzeit. Kraftstoffverbrauch (in l/100 km) innerorts 12,6–10,4 · außerorts 6,8–6,7 · kombiniert 9,0–8,0; CO2-Emissionen kombiniert 208–184 g/km Titelmotiv: Carolin Löbbert Foto: Max Kersting (aus dem Buch Drei unbeschwerte Tage ) Noch immer das schönste Duett: gemeinsam Höchstleistungen vollbringen. Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Reisen macht Spaß, und es bildet; selbst wenn wir kein Flugticket in den Händen halten, sondern eines für Schauspiel, Oper oder Ballett. Die Künste sind wie Veranstalter, die uns an fremde Orte entführen und die Welt durch die Augen anderer Menschen erleben lassen. Dabei staunen wir, leiden mit, steigen auf, stürzen ab. Das ist mal betörend, mal verstörend, mal ist es versichernd, dann wieder verunsichernd. Aber immer bereichern uns diese Touren, denn sie erweitern unseren Horizont. Während wir mehr oder weniger fest auf unseren vier Buchstaben sitzen, heben wir innerlich ab und erforschen, was ist, was geht und was kommt. Wir erkunden unsere Denk-, Fühl-, ­Handlungs- und Möglichkeitsräume. Das gilt für jeden ganz persönlich. Und das gilt für uns alle, als Gesellschaft. Wie andere Künste auch kartieren Schauspiel, Oper und Ballett ständig unsere Gegenwart, setzen und verschieben Grenzen. Und wir? Gehen mit, erleben Spannungen, erleben Ent-Spannung (oder auch nicht) und gehen auf Studien­ reise durch unsere Empfindungen. In diesem Heft bereisen wir die Karte der Möglichkeiten. Wir zeigen Orte, an die uns Autoren, Schauspieler, Regisseure, Choreographen, Tänzer, Sänger und Musiker führen. Und wohin diese Menschen gehen, wenn sie Inspiration suchen; wir erzählen von Rückzugs- und Sehnsuchtsorten. Dieses Heft ist ein Plädoyer für das Reisen. Wir glauben nämlich, dass uns ein großes Stück Menschlichkeit ­verloren geht, wenn wir aufhören, uns zu bewegen und bewegen zu lassen. Steigen Sie ein, nehmen Sie Platz, gehen Sie mit uns auf die Reise! Die Staatstheater Stuttgart 3 INHALT 28 44 12 Junge Seite Was eine Bühnenbildnerin alles aus Knete bastelt Jetzt kommt’s Ein Hornist erzählt, welche Stelle an dem Lied Still Falls the Rain ihn berührt 3 Eine neue Zeit bricht an Editorial So ging es zu in einem Londoner Kaffeehaus des 18. Jahrhunderts. Menschen aus ganz Europa strömten damals in die Stadt, das Bürgertum entdeckte die Freiheit und die Oper den Kapitalismus. Eine Zeitreise FOYER 6 Bilder 12 Momente 13 Das Requisit 14 Mein Weg Sie kam mit vierzehn allein nach Stuttgart: Agnes Su ist die lässige Kalifornierin in der Compagnie des Stuttgarter Balletts 16 Auch Eugen Jebeleanu verließ seine Heimat. Kultur-Kollisionen gehören zum Repertoire des rumänischen Regisseurs Karte der Sehnsüchte Wir zeichnen das Leben als Landschaft und die Stücke der Spielzeit als (Alb)traumziele 20 Schule der Gefühle Journalistin Carolin Emcke empfiehlt zur Erweiterung des persönlichen, emotionalen Horizonts: regelmäßige Theaterbesuche 22 26 26 Heimkehr in die Fremde Mitten daneben stehen Wenn die Heimkehr uns zu Fremden macht: eine Kurzgeschichte von Kat Kaufmann Kat Kaufmann über den Kulturschock beim Nachhausekommen 28 Obskure Orte, an die uns Oper, Schauspiel und Ballett entführen Sein Himmel: Aldeburgh In einem englischen Küstendorf fand Komponist Benjamin Britten sein Glück. Hier schuf er auch seine letzte Oper Der Tod in Venedig, nach Thomas Manns Novelle 18 Welche Stadt ist dies? Breaking Barock London, wie es der Komponist Georg Friedrich Händel erlebt haben muss 30 4 Hinter den Fassaden Wie Martin Walsers erster Roman Stuttgarts gute Gesellschaft vorführte 35 Eine Hölle namens Venedig Regisseur und Choreograph Demis Volpi erzählt, was ihn an Brittens Oper fasziniert 36 Ein Mann, zwei Welten Louis Stiens tanzt klassisches Ballett und tobt sich in Electro-Klubs aus Fotos: Kat Kaufmann; Peter Palec; Andreas Labes 18 Illustration: Andi Meier; Carolin Löbbert; Stich von William Hogarth, Lebrecht Music and Arts Photo Library/Alamy Stock Foto BÜHNE: REISEN BACKSTAGE 40 Kantinengespräch Franziska Walser und Felix Klare über den Unterschied zwischen Film und Theater 41 In der Probe Was eine Zuschauerin bei der Probe des Stuttgarter Balletts erlebte 42 Mein Arbeitsplatz Schön vorsichtig! Orchesterwart Ralf Kühner trägt Instrumente und Verantwortung 42 Abgeschminkt Es muss wehtun: Pablo von Sternenfels erzählt, wie er den Heldentod tanzt 43 Infografik Alles andere als schädlich: wie Parasiten unsere Ökosysteme am Laufen halten 44 Junge Seite Für große und kleine Leser, Rätsellöser und Kinder, die zum Opernchor wollen 46 36 Nacht­ wanderer Für sein neues Stück streifte Choreograph Louis Stiens im Dunklen durch Stuttgart 20 Gegen den Hass Carolin Emcke kennt sich mit dem Gegenteil von Liebe aus. Im Interview erklärt sie, wie man Toleranz trainiert. Und welchen Anteil Bühnen haben Was war da los? Ein Foto und seine Geschichte 5 FOYER FOYER Olifant heißt solch ein Horn aus Elfenbein. Ritter Roland blies es, dem Tode nah, um Rettung zu holen. So berichtet das Heldenepos Orlando furioso – die Geschichte voller Abenteuer und Liebeswahn inspiriert seit 500 Jahren Künstler in ganz Europa. Händel schuf daraus seine Oper Ariodante (Premiere am 5. März im Opernhaus). Einen verspielten Abend mit Musik und Lesungen aus dem furiosen Text gibt es im Spielraum Oper am 9. März im Kammertheater 6 7 Foto: picture alliance/akg Epische Länge FOYER Foto: Hugo Jehle/SWR Historisches Archiv The King of Less Er war oft in Stuttgart, sogar eine Rentner-Dauerkarte für die Bundesgartenschau besaß der leidenschaftliche Spaziergänger. Von 1966 bis 1986 kam Samuel Beckett (5. v. r.) regelmäßig hierher, um mit den experimentierfreudigen Redakteuren des SDR minutiös komponierte TV-Avantgarde zu produzieren. Die gleiche zeitlose wie irritierende Konzentra­ tion zeichnet sein Endzeitdrama Glückliche Tage aus; Premiere am 3. März im Kammertheater 8 9 FOYER Foto: Roman Novitzky Schwer begehrt Diese Hände gehören zu Jason Reilly, Erster Solist und Kammertänzer beim Stuttgarter Ballett. Bei den Ballerinen ist er der ­gefragteste Tanzpartner der Compagnie, denn keiner hält, trägt, wirft und fängt so sicher wie er. In einer normalen Arbeitswoche, in der hebungsreiche Handlungs­ ballette wie Onegin, Othello oder Romeo und Julia geprobt werden, stemmen diese Hände durchschnittlich neunzig Tonnen, das macht: achtzehn Tonnen am Tag 10 11 FOYER JETZT KOMMT’S! Es gibt Momente, da wird es noch stiller im Saal. Menschen an den Staatstheatern Stuttgart und ihre Lieblingsszenen AMELIE HALLER (12), Schülerin aus Stuttgart, fragt: ISABELLE GRUPP (41), Leiterin der Statisterie beim Schauspiel Stuttgart, antwortet: Du hast recht: In vielen ­Stücken stehen Erwachsene auf der Bühne und spielen Kinder. Bei uns werden zum Beispiel Pünktchen und Anton oder die Räubertochter Ronja von Schauspielern dargestellt, die Mitte zwanzig sind und Anfang dreißig. Schauspieler am Theater ist eben ein richtiger Vollzeitjob: Man muss, gerade für große Hauptrollen, viel Text auswendig lernen und sich gleichzeitig merken, was man auf der Bühne tun soll. Das wird wochenlang jeden Tag mit den Kollegen geübt. Kinder haben dafür zu wenig Zeit, weil sie, so wie du, zur Schule gehen. Außerdem gibt es ein Jugendschutzgesetz, das regelt, wie viel Kinder arbeiten dürfen: nur ein paar Stunden pro Woche. Für kleinere ­Rollen, die nicht so viel Vorbereitung brauchen, engagieren wir aber möglichst oft Kinder. Denn wer spielt ein Kind schon besser als ein Kind? Das Protokoll führte Christoph Kolossa. Wenn Sie auch eine Frage haben, dann schreiben Sie uns eine E-Mail an [email protected] 12 Hoffnung Still Falls the Rain von Benjamin Britten »Dieses Lied für Tenor, Horn und Klavier ist ein Klagegesang, mit dem Britten der Opfer der deutschen Luftangriffe auf London 1940/41 gedenkt. Zunächst wechsle ich mich mit dem Tenor Stuart Jackson ab, zum Schluss vereinigen sich die Stimmen und gehen auf in etwas Neuem – genau an der Stelle, an der die Stimme Gottes erklingt und von der Liebe zu uns Menschen spricht. Nach allem Dunkel ein ungeheurer Moment der Ruhe und des Trostes.« REIMER KÜHN ist Solo-Hornist des Staatsorchesters Stuttgart. Brittens Lied spielt er beim 6. Kammerkonzert am 26. April in der Liederhalle Gänsehaut La Bayadère, 3. Akt, 2. Bild »Die Szene Königreich der Schatten ist umwerfend! Wenn das Corps de ballet in weißen Tutus nacheinander auf die Bühne kommt und sich synchron wie ein einziger Körper bewegt, da bekommen die Zuschauer Gänsehaut. Aber auch die Leidenschaft des letzten Solos von Nikija, der Hauptrolle, kurz bevor sie stirbt, ist sehr beeindruckend und ergreifend. Und die Musik ist wunderschön.« Unheimlich dekadent ELISA BADENES ist Erste Solistin beim Stuttgarter Ballett. Mit La Bayadère gastiert das Tokyo Ballet vom 7. bis 9. April im Opernhaus Steil, steil aufwärts, durch alle Sphären stößt du, bis zu den Sternen Fliegen E. Bauers Sammelsurium der unsterblichen Sterblichen, ab Minute 10 »Wenn Salomon Idler vom Fliegen träumt und sich vorstellt, wie er als Vogel durch die Luft jagt, dann wird das Publikum ganz still. Manuel Harder spricht den Monolog dieses Schusters aus dem 17. Jahrhundert so mitreißend, dass er total plausibel klingt. Das ist einer der schönsten Momente des Stücks, weil man in der Stille spürt, dass jeder gerade seinen eigenen Wünschen hinterherträumt.« SUSANNE SCHIEFFER gehört zum Ensemble des Schauspiels Stuttgart. Im Sammelsurium spielt sie Salomon Idlers bodenständige Ehefrau Fotos: Christoph Kolossa; Sebastian Klein; Kiyonori Hasegawa; Roman Novitzky; Florian Schellhorn; Annette Cardinale Warum werden Kinder im Theater von Erwachsenen gespielt? Das Requisit Als das vollendet war, was Kirill Serebrennikov sich Wochen vorher ausgemalt hatte, legte er sich bäuchlings auf den Teppich vor den Büros der Stuttgarter Oper. Mit seinem Smartphone schoss er ein paar Fotos und veröffentlichte sie auf seiner Facebook-Seite. So glücklich war er über den kristallbesetzten Totenkopf mit Mickymaus-Ohren: ein Paradox, ganz nach dem Geschmack des Regisseurs. Das böse Funkeln des Requisits markiert einen Wendepunkt in ­Richard Strauss’ Oper Salome. Herodes bittet seine Stieftochter Salome, für ihn zu tanzen, und verspricht, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Der Vater erwartet etwas von dem üblichen Luxus, mit dem er sein Kind zum »material girl« verwöhnt hat. Doch sie? Setzt die Maske auf und fordert den Kopf des Jochanaan, eines ­Mannes, den sie begehrt, der sie aber in seinem religiösen Eifer zurückweist. Serebrennikov, 47 Jahre alt und einer der aufregendsten Regisseure der russischen Theater- und Opernszene, hat Salome als Sittengemälde einer Familie angelegt, die jedes Gefühl verloren hat – nur nicht die Lust auf Dekadenz. Inspiration für das Sinnbild dieser sinnentleerten Gier fand er in dem von Diamanten überzogenen Schädel aus Platin, den der Brite Damien Hirst vor zehn Jahren geschaffen und für 75 Millionen Euro verkauft hat. Die Arbeit gilt als teuerstes Werk eines lebenden Künstlers. Die einen sahen in ihr die Maßlosigkeit eines Kunststars, andere ein geniales Spiegelbild der Gegenwart. Serebrennikovs Idee haben die Maskenbildner Astrid Schikorra und Jürgen Siegert realisiert. Er formte den Kunststoffkopf, sie besetzte ihn in einer Woche Feinarbeit mit Swarovski-Steinen. Solch aufwendige Requisiten entstehen nur selten in ihren Händen, in diesem Fall schaute der Regisseur sogar täglich vorbei. »Das hat man auch nicht oft«, erzählt Schikorra. »Er hat bei jedem Stein geguckt, wo er am besten sitzt.« Am Ende war sie genauso zufrieden wie der Regisseur. Kai Schächtele SALOME von Richard Strauss ab 26. März im Opernhaus 13 FOYER AGNES SU (20) im Stuttgarter Café Academie der schönsten Künste. 2010 kam sie als Ballettschülerin an die John Cranko Schule nach Stuttgart. Anfang dieses Jahres wurde sie zur Halbsolistin befördert Meisterwerke aus der Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler MEIN WEG Abbildung: Édouard Manet, Amazone (Ausschnitt), 1883, Hahnloser/Jaeggli Stiftung Winterthur © Reto Pedrini, Zürich | Gestaltung: KMS TEAM, München Angekommen Agnes Su zog mit vierzehn Jahren allein von Orange County/USA nach ­Stuttgart. Ihre kalifornische Lässigkeit hat sie sich bis heute erhalten 14 Dennoch war der Anfang in Stuttgart nicht leicht; im Internat der John Cranko Schule war sie die einzige Amerikanerin ihres Jahrgangs. Fuhren die anderen Schüler zu ihren Familien, blieb sie oft allein. »So wurde ich zu einer guten Beobachterin. Wenn ich nichts zu tun hatte, studierte ich die Menschen in meiner Umgebung.« Heute greift die Zwanzigjährige gern zu Pinsel und Ölfarbe, um zu malen, sie schaut sich Ausstellungen an und genießt es, in Stuttgart alles zu Fuß zu erledigen. Nach dem Diplom bekam Su sofort einen Platz in der Compagnie. Seit ein paar Wochen übernimmt sie als Halbsolistin Solorollen. Den Zuschauern prägt sie sich vor allem als moderne Tänzerin ein. Ungemein lässig und zugleich auf Zack, gibt sie den Stücken zeitgenössischer Choreographen eine eigene Note. »Im modernen Tanz ist man so schön geerdet«, sagt sie. Inzwischen meistert sie auch pure Klassik, etwa als traumschöne Königin der Dryaden in Don Quijote. Ihre Vielseitigkeit ist das beste Startkapital auf dem Weg nach oben – den Su sicher ganz gelassen gehen wird. Julia Lutzeyer BALLETTABEND NACHTSTÜCKE ab 24. März im Schauspielhaus 1996 Newport Beach USA 2010 Stuttgart Deutschland Foto: Roman Novitzky E in schönes Haus mit Pool, zwei Hunde, ein sonniges Klima und der Pazifik gleich vor der Tür: »Ich bin in einem Paradies aufgewachsen«, sagt Agnes Su. »Das wurde mir erst bewusst, als ich Süd­ kalifornien verließ.« Die unbeschwerten Jahre in ihrer Geburtsstadt Newport Beach haben sie geprägt. »Ich bin eine gelassene Person, Hektik mag ich nicht.« Bewegung allerdings sehr wohl. Als Kind wirbelte sie singend zur Musik umher, also schickte ihre Mutter sie mit acht Jahren zum Tanzunterricht. Su lernte Ballett, Modern Dance, Stepp- und Jazztanz, und ihre Lehrer erkannten: Der Wildfang hat Talent. Bald wechselte sie auf die Akademie in der Nachbarstadt, bei internationalen Wettbewerben bot man ihr Stipendien an. »Die Entscheidung für die John Cranko Schule und damit für Stuttgart lag nahe«, sagt sie. »Unterrichtsfächer und Repertoire passten perfekt zu meiner Ausbildung.« Nur hieß das für die damals Vierzehnjährige, um die halbe Welt zu ziehen. Mobil zu sein, Chancen zu nutzen, wo immer sie liegen, das hatten die Eltern ihr vorgelebt. Sie waren über Frankreich und Kanada nach Kalifornien gezogen, »weil es dort die besten Schulen für uns gab«, sagt Su. 3.2. bis 18.6. 2017 BONNARD CÉZANNE MANET VALLOTTON VAN GOGH FOYER EUGEN ­JEBELEANU (28) inszeniert Fassbinders Katzelmacher mit jungen Schauspielern in der Spiel­ stätte Nord MEIN WEG Er geht fremd Um sein Leben zu leben, verließ Eugen Jebeleanu seine Heimat Rumänien. Seitdem gehört der Clash der Kulturen zum Material des Regisseurs 17. 19. LIEDERHALLE 1989 Temeswar Rumänien 2007 Bukarest 16 Gleichgesinnte und legte los. Schon 2010 gründete er seine eigene Kompanie. Die hat ihr Zuhause in Bukarest, tourt aber oft durch Frankreich: »So verbinden wir die Regionen, wir lassen die Werke der einen durch die Kultur der anderen zirkulieren.« Aus der neuen Freiheit und der Arbeit mit seiner Truppe wuchs der Wunsch, Regie zu führen, und so machte er seinen Master in Paris. Dort liegt heute sein Lebensmittelpunkt – und das Zuhause seiner zweiten Kompanie. Jebeleanus Stücke erzählen von Außenseitern und Antihelden, von Orten und ihren sozialen Spielregeln. Elle est un bon garçon (»Sie ist ein guter Junge«) etwa handelt von einer rumänischen Transfrau und ihren Nachbarn im Dorf. »Die sind offener als manche Leute in den Metropolen, die das Stück anschauen.« Nun also Deutschland und Fassbinder, den ­Jebeleanu für seine aufwühlenden Dramen bewundert. An Katzel­ macher gefällt ihm, dass es weder gute noch böse ­Charaktere gibt. »Die Figuren sind mal Täter und mal Opfer, das ist doch viel interessanter.« Kirsten Gleinig KATZELMACHER von Rainer Werner Fassbinder Premiere am 7. April im Nord 2012 Bukarest Rumänien 2014 Paris Frankreich 2017 Stuttgart Deutschland MÄRZ Foto: Vlad Bîrdu I ch mag die Mischung der Menschen«, sagt ­Eugen Jebeleanu nach seinem ersten Spaziergang durch Stuttgarts Straßen. »Die Atmosphäre ist sehr europäisch, wie eine Kreuzung aus Paris und Bukarest.« Zwischen den beiden Städten pendelt der junge Regisseur seit Jahren, er liebt das Wechselbad der Kulturen. Deutschland hat er nie zuvor besucht, jetzt inszeniert er am Schauspiel Stuttgart Rainer Werner Fassbinders ­Katzelmacher, ein Stück über die 60er-Jahre, über Liebe, Langeweile und Gewalt, das wie ein Echo in der heutigen Flüchtlingskrise hallt. Jebeleanu war von dem Projekt sofort angefixt. Das Fremde ist sein großes Thema, er will verstehen, was passiert, wenn ein Fremder in unsere Mitte tritt. Warum so viele Menschen mit Angst oder Hass reagieren. Um in seiner Arbeit solche Fragen zu stellen, verließ Jebeleanu Rumänien 2009 bald nach dem Schauspielstudium. Die Theater seiner Heimat waren ihm zu staatstragend, er träumte von unabhängigen, politisch engagierten Projekten. Seine Chance sah er in Frankreichs Theaterlandschaft mit ihren vielen freien Kompanien. Bei einem Praktikum in Paris fand er schnell 2010 Paris Frankreich GU T E S D E S I G N K AU F E N WWW.B L IC KFANG.CO M BÜHNE 11 Was Sie für diese Reisen brauchen? Eintrittskarten! 9 1 12 14 2 31 33 42 40 25 28 32 37 24 5 36 21 36 38 13 17 44 26 28 38 4 35 25 8 28 5 34 32 12 28 24 4 19 14 37 1 22 4 24 1 35 10 20 37 35 10 41 28 14 32 3 27 30 34 18 32 34 OPER STUTTGART 1 Ariodante 2 Benjamin Britten 3 British Phantasies (6. Kammerkonzert) 4 Così fan tutte 5 Figaros Hochzeit 6 Giuseppe Verdi 7 G. F. Händel 8 Junge Oper 9 Meine drei Tenöre (4. Liedkonzert) 10Nabucco 11 Peter Tschaikowsky 12Salome 13Seelenlandschaften (4. Sinfoniekonzert) 14 Der Tod in Venedig 15 W. A. Mozart 16 Zerrissener Wanderer (6. Sinfoniekonzert) STUTTGARTER BALLETT 17 Noverre-Gesellschaft: Junge Choreographen 18Bolero 19 Dark Glow 20 Don Quijote 21 Falling Angels 22Faun 23 John Cranko 24Krabat 25 La Bayadère 26 Le Spectre de la Rose 27Nachtstücke 28 Romeo und Julia 29 Sergej Prokofiev 30 Ssss … 31 Maurice Béjart 32Der Tod in Venedig SCHAUSPIEL STUTTGART 33 Anton Tschechow 34 Der Kirschgarten 35 Ehen in Philippsburg 36 Glückliche Tage 37 Kasimir und Karoline 38Katzelmacher 39 Martin Walser 40 Ödön von Horváth 41Parasiten 42 Rainer Werner Fassbinder 43 Samuel Beckett 44 Nordlabor Alle Infos zur aktuellen Spielzeit finden Sie unter: staatstheater-stuttgart.de 18 29 6 43 ILLUSTRATION: CAROLIN LÖBBERT 12 23 16 Würde man das Leben als Landkarte zeichnen, gäbe es wohl viele Orte, an denen manche Menschen zu oft, andere zu selten und viele noch nie waren. Zum Glück gibt es Schauspiel, Oper und Ballett, die uns entführen, verführen – und bewegen 19 15 7 19 39 BÜHNE Die Journalistin hat ein Buch über den Hass geschrieben und somit auch eines über sein Gegenteil. Sie empfiehlt, das Leben immer wieder durch fremde Augen zu erleben INTERVIEW: RALF GRAUEL Carolin Emcke, wird die Welt besser? Oder wird sie schlechter? Die Frage stelle ich mir nie. Die Welt ist eben unsere. Und dazu gehört das Finstere, Schwere und das Beglückende auch. Ich versuche, aufmerksam und dankbar zu bleiben für das, was einem geschenkt wird. Und auf das Ungerechte oder Unerträgliche einzuwirken, so gut es eben geht. Was hat sich mit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verändert? Das ist wohl zu früh zu sagen. Wir wissen nicht, ob die Besonnenheit, mit der bislang auf den Anschlag reagiert wurde, obsiegt. Was hat Sie rund um das Attentat überrascht? Überrascht hat mich die Fähigkeit der Menschen in der Stadt, beides gleichzeitig zu zeigen: Anteilnahme und Trauer einerseits, aber eben auch eine vernünftige Form des Weiterlebens, des Sich-nicht-aus-der-Ruhe-bringenLassens. Das war sehr beeindruckend. Woher kommt der Hass der Gegenwart? Dieser Hass entsteht nicht spontan, und er ist auch nicht individuell. Sondern dieser Hass ist gemacht. Er wird vorbereitet und produziert in ideologischen Mustern. In Rastern der Wahrnehmung, in all jenen Diskursen und Filmen, in denen bestimmte Menschen nicht mehr als Menschen, als Individuen präsentiert werden, sondern nur noch als Angehörige einer Gruppe. Dieser Hass wird gefertigt durch Begriffe und Bilder, die Menschen versehen mit negativen Eigenschaften, in denen sie beschrieben werden als »kriminell«, ,»krank«, »gierig«, »pervers«, in denen ihnen als Kollektiv bestimmte Neigungen zugedacht werden, wieder und wieder, so lange, bis sich Assoziationsketten ausbilden. Dann wird »Muslim« immer mit »rückständig« verbunden oder »Jude« mit »mächtig«, »schwarz« mit »gefährlich« … Es sind diese Raster des Hasses, die vorbereitet und geprägt werden von den Wie lassen sich diese Prägungen ändern? Den Hass unterbrechen oder unterbinden lässt sich nicht so leicht, wenn da der Zorn und der Hass schon ausagiert werden. Aber ebendiese Raster, in denen vorab die Weltsicht verengt wird, in denen Menschen nur noch vereinheitlicht und kollektiviert werden, diese Muster, in denen die einen ausgegrenzt und die anderen eingegrenzt werden, die lassen sich frühzeitig unterbrechen. Das kann jede und jeder. Diese Muster prägen alle: in Gesprächen, in Witzen, in Begegnungen, sie werden verbreitet in Theatern, in Filmen, in der Schule. Dagegen können alle wirken. Theater sind auch Orte, an denen wir Perspektiven wechseln, fremde Welt­ bilder bereisen, Muster brechen. Jedoch scheinen die Künste nur die ohnehin schon Reisefreudigen zu erreichen. Sie klingen so pessimistisch. Das ist gegenwärtig eine merkwürdig verbreitete Neigung: Sich selbst zu entmündigen, das ist ungeheuer en vogue. Wissen Sie: Es ist doch großartig, was an einem einzigen Theaterabend geschehen kann! Dass Menschen sich hinsetzen und zwei, drei Stunden still sind, zuhören, zuschauen wollen, anderen, Schauspielerinnen und Schauspielern, Sängern, Tänzern, die von anderen Figuren erzählen. Da werden fremde Leben und Erfahrungen auf der Bühne verwandelt in, ja, wenn es gelingt, in etwas Eigenes; etwas, das verstehbar wird, oder etwas, das irritiert, zum Nachdenken anregt, das zweifeln macht, glücklich oder traurig. Das in jedem Fall die Zuschauer zwingt, sich mit etwas außerhalb zu befassen, das womöglich etwas Inneres Hass 2016: Attentat am Berliner Breitscheidplatz. Svetoslav U. tritt im Oktober in einer Berliner U-Bahn-Station einer Frau in den Rücken und verletzt sie­dabei­schwer.­Demonstration­der­»Hogesa«­(Hooligans­gegen­Salafi­sten)­in­Köln,­direkt­nach­den­Silvester-Ausschreitungen­am­Domplatz­ 20 spiegelt. Das ist doch großartig. Dabei werden andere Sprachen, Bilder, Sichtweisen, andere Körperlichkeiten, andere Arten zu lieben oder zu leiden angewandt und gezeigt. Und da fragen Sie ernsthaft, ob das nicht zu wenig sei? Das ist ungeheuer viel! nehmen für die Gewaltandrohungen und die Hetze, die sie bislang allzu oft tolerieren. Viele Kulturstätten müssen als Hintergrund für Protestspektakel herhalten. Dagegen setzen sich die Häuser mit künstlerischen Mitteln zur Wehr. Wie wirksam kann das sein? Ich plädiere nicht für »mehr Streit«. Ich plädiere für einen Diskurs, der sich durch nicht nachlassendes Differenzieren, durch Selbstzweifel und durch genaues Beobachten auszeichnet. Der Hate Poetry Slam ist ein besonderes Format, das Journalistinnen und Journalisten erfunden haben (Deniz Yücel, Ebru Taşdemir, Yassin Musharbash, Özlem Gezer …), die allein aufgrund ihres Namens eine Flut widerlicher Leserbriefe erhielten. Sie wurden darin rassistisch beschimpft, abgewertet, beleidigt – und irgendwann haben sie sich eben entschlossen, sich nicht mehr allein mit dieser Post auseinanderzusetzen und verletzen zu lassen, sondern sich zusammenzutun und diese Post mit der Öffentlichkeit zu teilen. Sie sitzen alle an diesen Hate­Poetry-Abenden, lesen aus den Briefen vor – und bringen einander und die Zuhörer zum Lachen. Sie kehren also den Hass um, lassen ihn nicht mehr demütigend und belastend sein, sondern sie amüsieren sich darüber. So sind sie nicht mehr Objekt, sondern Subjekt. Das ist ein richtiges Spektakel. Es knüpft an die alte Tradition vieler Bürgerrechtsbewegungen an: Begriffe oder Sprache, die einen verletzt, zu re-signifizieren, ihr ihre Wucht zu nehmen, indem man sie sich selbst aneignet. Da klingt wieder dieser Pessimismus durch. Noch mal: Ich lehne diese Form des Pessimismus ab, der einem den eigenen Mut und die eigene Lust am Handeln nimmt, weil er vorab schon alles für nutzlos erklärt. Ich bin auch nicht sicher, ob sich manchmal dahinter nicht einfach nur Bequemlichkeit verbirgt. Ich möchte nicht unterscheiden zwischen hehren, wichtigen Formen des demokratischen Engagements und anderen, unwichtigen Formen. Ich würde sagen, wir können es uns politisch gar nicht mehr leisten, wählerisch zu sein. Fotos: Odd Andersen/AFP/Getty Images; Polizei Berlin/dpa; Karsten Schoene/laif; Martin Sigmund; Schaubühne Berlin; Björn Klein; picture alliance/Sven Simon Kann man im Theater das Lieben lernen, Carolin Emcke? »Zulieferern des Hasses«, weiterverbreitet, mal ahnungslos und mal absichtsvoll, bis sie eben bei Menschen auf der Straße als quasi natürliche Gefühle ankommen. Diejenigen, die den Hass dann ausagieren, indem sie andere Menschen anbrüllen, diffamieren und angreifen, die sind nur das Ende einer langen Abfolge an Prägungen des Hasses. Mit Streit und Hass lässt sich heute gut Geld verdienen. E­Mails, Facebook, Twitter nähren unsere Hysterie. Die Geschäftsmodelle der Social Media beruhen darauf, dass … ... ich weiß nicht, ob E-Mails in diese Reihung gehören. Eltern von Kita­ oder schulpflichtigen Kindern dürften da andere Erfahrungen machen. Aber Sie haben recht, E­Mails bleiben meist intern. Während die Onlinehysterie den Traffic erhöht und somit die Werbeeinnahmen. Social Media befördern sicherlich eine eigene Eskalationslogik. Und sie belohnen Hass und Aggressivität. Es gibt glücklicherweise inzwischen eine kluge und folgenreiche Debatte über die notwendigen Eingriffe in diese Öffentlichkeit. Auch Social-MediaUnternehmen werden verstärkt gedrängt werden müssen, Verantwortung zu über- Sie plädieren ja selbst für mehr direkte Auseinandersetzung, mehr Streit. In Ihrem Buch beschreiben Sie die Hate Poetry Slams. Wozu sind die gut? Sie selbst haben ein eigenes Format geschaffen, den Streitraum an der Berliner Schaubühne. Ihre Erfahrung damit? Das ist kein Ort des Streits. Der Titel ist ein Etikettenschwindel: Das sage ich auch seit über zwölf Jahren auf jeder Veranstaltung. Es ist einfach ein gemeinsames Nachdenken auf der Bühne und mit den Zuschauern. Wir wollen keine Pseudokonflikte inszenieren CAROLIN EMCKE (49) wurde für Gegen den Hass mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Im November und Dezember 2016 lasen Ensemblemitglieder des Schauspiels Stuttgart im Foyer des Schauspielhauses vor jeder Vorstellung aus dem Buch wie in den Talkshows. Wir wollen miteinander Fragen erörtern, die uns interessieren. Sie singen ein Lob des Pluralismus und des Unreinen . Ein schönes Lied, aber doch auch ein altes, oder? Was soll ich darauf antworten? Die Würde des Menschen ist unantastbar – ist auch keine neue Formel. Aber deswegen ist sie doch immer noch gültig und wahr. Sie beschreiben die Wege zum Hass. Was sind die Auswege? Was führt rein in Liebe, Zugewandtheit, Empathie? Ich glaube, es wäre zu viel verlangt, dass alle einander auch »lieben« müssten. Das Gute an einer liberalen, säkularen Demokratie ist ja, dass wir einander nicht mögen müssen. Wir müssen die Lebensweisen oder die Überzeugungen der anderen oder ihren jeweiligen religiösen Glauben nicht teilen. Wir müssen sie nicht einmal verstehen. Wir müssen nur aushalten, dass es diese Verschiedenheiten gibt. Wir müssen einander nur lassen können. Anti-Hass 2016: Die Aktion Shakespeare in Love am Stuttgarter Opernvorplatz. Carolin Emcke im Berliner Streitraum mit Marina und Herfried Münkler. Mit »Spiegel-Barrikaden« startete das Schauspiel Stuttgart im Oktober seine Diskussionsreihe zur Initiative Offene Gesellschaft 21 BÜHNE Mit 22 Jahren zog Martin Walser nach Stuttgart, um als Fernsehredakteur beim Süddeutschen Rundfunk zu arbeiten; hier schulte er seinen kritischen Blick. Im März feiert der Schriftsteller seinen neunzigsten Geburtstag Hinter den Fassaden Neureiche, Kleinbürger, Prostituierte und Pressezaren: In seinem Roman Ehen in Philippsburg ließ Martin Walser 1957 das Personal des Wirtschaftswunders aufmarschieren. Was seine Figuren antreibt, ist die Gier nach Macht und Karriere. Was sie gemein haben, sind reale Vorbilder in Stuttgarts guter Gesellschaft TEXT: JÖRG MAGENAU Die Stuttgarter Eberhardstraße 1950 mit dem Tagblatt-Turm im Hintergrund 22 23 M artin Walsers Debütroman Ehen in Philippsburg war noch nicht gedruckt, da wurde sein Autor schon mit dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet. 1957 war das, Siegfried Unseld, damals noch Lektor im Suhrkamp Verlag, hatte das Manuskript in einer Rohfassung eingereicht. Dabei mussten ihm die verzweifelten Wasserstandsmeldungen seines Autors doch in den Ohren gelegen haben, der ihm geschrieben hatte: »Mein Skript ergibt, gegen meinen Widerstand, einen konventionellen Roman, leider ohne Handlung. Jetzt stellen Sie sich das vor: ein konventioneller Roman, und dann noch nicht einmal eine Handlung! Es ist schlimm. Aber ich schreibe weiter, was auch immer dabei herauskommen mag.« So ganz handlungslos war der Roman aber nicht und konventionell schon gar nicht. Im Oktober 1956 hatte Walser, 29-jährig, einen Auszug bei der Tagung der Gruppe 47 vorgelesen und bei den versammelten Schriftstellerkollegen damit Aufmerksamkeit erregt, dass er sich so ganz und gar der bundesdeutschen Gegenwart zuwandte. Das war ungewöhnlich in diesem vorzugsweise Kriegserlebnisse ventilierenden Kreis. Im Jahr zuvor hatte Walser mit einer kleinen, surrealistischen Erzählung den »Preis der Gruppe 47« ergattert. Jetzt legte er einen brillanten, messerscharfen Gesellschafts­ roman vor, der die unterschiedlichsten Macht­ verhältnisse beschreibt – im Berufsleben ebenso wie in der Familie und in der Liebe. Auch wenn die Ära des Wirtschaftswunders inzwischen tief in die Vergangenheit versunken sein mag, so bleibt das beschriebene Personal vertraut: all die Großkopferten, Industriemagnaten, Pressezaren und Intendanten, die Neureichen und Kleinbürger, verarmte Autoren, kunstbeflissene Gattinnen, lackierte Sekretärinnen, Industriearbeiter, Putzfrauen, Prostituierte, und mitten unter ihnen der junge, aus der Provinz zugezogene Journalist Hans ­Beumann, der unbedingt teilhaben will an dieser durch 24 Aufstiegshoffnung, Machtentfaltung und Heuchelei zusammengehaltenen Gesellschaft. Nur eines kam nicht vor: die Vergangenheit des Nationalsozialismus, der Krieg und der Holocaust – denn das kam ja tatsächlich nicht vor, sondern war begraben unter einem großen Schweigen. Ehen in Philippsburg besteht aus vier geschickt miteinander verzahnten Geschichten: Auf die von Hans Beumann, der der Karriere zuliebe eine Frau heiratet, die er nicht liebt, folgt die Episode um den Frauenarzt Dr. Benrath, der sich mit seiner Geliebten vergnügt, bis die Ehefrau Selbstmord begeht. Die Geschichte vom Rechtsanwalt Dr. Alwin, der einen tödlichen Autounfall verschuldet, während die Ehefrau neben ihm sitzt und er im Rückspiegel die begehrte Nebenbuhlerin betrachtet. Zuletzt fügte Walser noch den morbiden Schriftsteller Berthold Klaff hinzu, eine skurrile Dachkammerexistenz, die an Hermann Hesses Steppenwolf erinnert. »Ehebrüche in Philippsburg« wäre vielleicht der passendere Titel für diese bitterbösen Geschichten gewesen, kommt die Ehe darin doch als ziemlich abgenutzte Institu­ tion vor. Nicht nur die Ehefrauen bleiben auf der Strecke, sondern ebenso die Geliebten. Liebe ist Mittel zum Zweck, bestenfalls schöner Zeitvertreib. Moral – das sagt Dr. Benrath beim Besuch seiner Geliebten – diene vor allem dazu, das Dasein zu erleichtern, so wie »der Gehorsam einem vorgegebenen Stil gegenüber das Einrichten einer Wohnung leicht macht«. Moral ist also nicht mehr als ein Kleidungsstück, das je nach Bedarf getragen wird. Es ist dieser entlarvende Blick, der Ehen in Philippsburg aktuell erscheinen lässt, auch wenn Ehebrüche längst nicht mehr das Skandalon sind. Liebe, Frauen, Frauen und Frauen Der Roman handelt von Intrigen, ­übler Nachrede, Gerüchten, doch auch von Freund­ schafts­möglich­keiten, vom Bemühen um Anerkennung und von der unstillbaren Sehnsucht nach Liebe. Er beschreibt Stuttgart zu Beginn der 50er-Jahre. Dieses Philippsburg mit den Villen auf den Hängen und engen Straßen unten im Kessel war zweifellos Stuttgart. Hier hatte Walser die Erfahrungen gesammelt, die in den Roman einflossen. Noch als Student in Tübingen war Walser 1950 freier Mitarbeiter des Süddeutschen Rundfunks geworden. Er hatte Stücke für ein Studententheater geschrieben, die einem Rundfunkmann auffielen – und schon fand er sich in Stuttgart wieder, als Redakteur und Reporter. In der Nachkriegszeit konnte man sehr schnell Karriere machen: Es war ja alles leer geräumt und der SDR eben erst von der amerikanischen Besatzungsmacht in deutsche Hände übergeben worden. Endlich verdiente Martin Walser eigenes Geld und konnte zusammen mit seiner Frau ­Käthe eine Wohnung in der Reitzensteinstraße 22 beziehen, ein »Armutsquartier«, wie er später sagte. Aber immerhin wohnten sie nun zusammen; von Tübingen aus hatte er Käthe nicht besuchen können, weil ihm das Geld für die Zugfahrt zum Bodensee fehlte. Im SDR arbeitete er zunächst für die Unterhaltungsabteilung. Da fühlte er sich wohl. Stimmungen zu erzeugen war ihm lieber als Meinungen hervorbringen zu müssen. Er schrieb Couplets für eine Sendung mit dem schönen Titel Klingende Wochenpost und lieferte Dialoge für die Nörgelecke der Hausfrauen, wo er zwei erfundene Frauenfiguren sich etwa um die Frage streiten ließ, ob man sich ein Telefon anschaffen sollte. Bald gehörte Walser zur »Genietruppe« um den aus dem Exil zurückgekehrten Intendanten Fritz Eberhard. Der Antifaschist und Sozialdemokrat beeindruckte Walser so sehr, dass er ihn in der Romanfigur des Dr. ten Bergen porträtierte. Von heute aus gesehen, hat Walser uns mit dieser um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Gestalt die Erinnerung an die Frühzeit des öffentlichrechtlichen Rundfunks bewahrt. Ten Bergen kämpft im Roman vergebens um seine Wiederwahl. Walser nahm damit vorweg, was tatsächlich erst 1958 eintrat, als Eberhard als SDR-Intendant abgewählt wurde. Der Rundfunk jener Tage war die wichtigste Alimentieranstalt des Literatur­betriebs. Im Funkhaus nutzte Walser Begegnungen mit Gästen wie dem Bestsellerautor Ernst Heimeran für heimliche Porträtstudien. Der eitle Philippsburger Dichter Dieckow dürfte ohne derlei Vorübungen kaum entstanden sein. Berthold Klaff war, wie Walser selbst später einräumte, dem Schriftstellerkollegen Arno Schmidt nachempfunden, den er protegierte und als Hörspielautor zum SDR holen wollte. Und schließlich war ja Walser selbst Vorbild für seinen Hans Beumann, der sich darum bemüht, Zugang zu den wichtigen Kreisen zu finden oder wenigstens einen einträglichen Job. Dennoch ist das Buch kein Schlüsselroman, es lässt sich nicht einfach auf die abgebildeten Verhältnisse und ihr Personal rückübertragen. Dass Walser aber wie stets ein Selbstporträt lieferte, ist trotzdem wahr. Das ergibt sich aus der Art, wie er die Welt sieht Fotos vorherige Seite: F. C. Gundlach/SWR Historisches Archiv; Willy Pragher/Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg Diese Seite: Privatarchiv Martin Walser; Deutsches Literaturarchiv Marbach BÜHNE und wie er sie in Sprache verwandelt, aus der Summe der Stimmungen und Blickwinkel. Und aus seinen großen Themen: Abhängigkeit, Liebe, Frauen, Frauen und Frauen. Als Ehen in Philippsburg zwischen Oktober 1954 und August 1956 entstand, waren die Walsers schon wieder aus Stuttgart weggezogen, nach Korb im Remstal, um Abstand zu der als bedrohlich empfundenen Großstadt zu gewinnen. 1957 zogen sie zurück an den Bodensee, nach Friedrichshafen, wo man – inzwischen waren zwei Töchter geboren – eine billigere Wohnung fand. Auch die Arbeit beim Rundfunk hatte Walser eingestellt, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Kein geringes Risiko für einen jungen Familienvater. Erst aus der Distanz zu Stuttgart war so ein Stuttgart-Roman möglich; erst nach dem Abschied vom SDR konnte er den Journalismus zum Thema machen. Mal furios, mal maulfaul: Martin Walser (r.) mit dem Zeitfunk-Team des SDR 1950. Im Garten mit dem Schriftstellerkollegen Uwe Johnson (Foto unten, r.) und Tochter Franziska um 1960. Die Ehen, sein Debüt­roman, erschienen 1957 bei Suhrkamp Weniger prüde, als wir heute glauben Zur Preisverleihung 1957 erschien er nach einer Gallenblasenoperation direkt aus dem Krankenhaus als fadendünne Gestalt von nur noch 62 Kilo. Das Preisgeld von 10 000 Mark – viel Geld in den 50er-Jahren – hätte er gut gebrauchen können. Den Scheck überreichte er aber seiner Mutter, um ihr zu beweisen, dass Schriftsteller ein richtiger Beruf sei. Dass er die Ehen zudem der Mutter widmete, war dennoch ein Wagnis, musste Walser doch fürchten, die gläubige Katholikin könnte das Buch auch lesen. Erst als der Pfarrer sagte, dass es gut sei, war sie von der Profession des Sohnes überzeugt. Bis der Roman im Herbst 1957 endlich erschien, waren noch einige Überarbeitungen nötig. Der Verleger Peter ­Suhrkamp störte sich vor allem an der drastischen Darstellung einer Abtreibung und deren Folgen, besonders an einem Satz, von dem er glaubte, dass Walser ihn eines Tages ­bereuen werde. Erst nach langem brief­lichen Hin und Her durfte der Satz, der eine unschöne sexuelle Erfahrung beschreibt, bleiben. Er lautet: »Damals, nach der schlimmen Geschichte mit den Ärzten, da war er bei Anne wochenlang auf winzige Knöchelchen gestoßen, Gelenkpfännchen, so klein, dass man sie kaum sah, aber so spitz und hart, dass sie sich beide wundgekratzt hatten daran, zuerst waren sie schön erschrocken, er mehr als Anne, sie hatte die winzigen Überreste, die er zutage gefördert hatte, jedesmal sorgfältig gesammelt und hatte sie in ihrer Schmuckdose beigesetzt.« In der Kritik spielte diese Passage EHEN IN PHILIPPSBURG nach dem Roman von Martin Walser Uraufführung am 11. März im Schauspielhaus aber kaum eine Rolle – abgesehen davon, dass der Roman wegen der Abtreibungsgeschichte in der DDR nicht erscheinen konnte und in England, wo nicht nur Abtreibung, sondern auch das Schreiben darüber verboten war, Änderungen nötig wurden. Nimmt man den Tenor der sehr wohlwollenden Kritiken zum Maßstab, war die Adenauer-Zeit weniger prüde, als wir heute glauben. Walser betrat die literarische Bühne mit einem großen, unerschrockenen Werk. Er ist darin schon ganz und gar erkennbar in seiner Sprachlust und Ausdrucksvirtuosität. Kritiker fühlten sich an Balzac, Proust und an Kafka erinnert. Mit dem scharfen Blick des Neuankömmlings, dem die Dinge und sozialen Verhaltensweisen noch nicht selbstverständlich geworden sind, sezierte er die Stuttgarter Gesellschaft. Erstaunlich souverän schilderte er die sozialen Milieus, als hätte er sich schon immer darin bewegt. Auch wenn die Ehen nur ein Anfang sind, ahnt man schon, dass Walser im Lauf der Jahrzehnte zu einem Chronisten der bundesdeutschen Geschichte werden würde. JÖRG MAGENAU ist Journalist und Autor von Martin Walser. Eine Biographie (Rowohlt 2008). Zuletzt erschien von ihm Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47, wo Walser auch als Abwesender eine Rolle spielt 25 Von jeder großen Reise kehrt der Reisende als Fremder zurück. Über die Dissonanz des Nachhausekommens. Eine Kurzgeschichte von Kat Kaufmann Mitten daneben stehen BÜHNE »Na? Und? Wie is’n das so, so ’ne Weltreise? Auch Mensch. Und jetzt schon so erwachsen. Und auch noch die ganze kaputt jetzt, wa? Schlaucht, wa?« Welt gesehen hat er jetzt …« Dein Onkel Dietmar sitzt dir gegenüber, seine »Ja, Michi, komm. Erzähl mal! Wie isses denn so bei den Hotten- Haut ist speckig und glänzt in der Sonne. Er nimmt totten? Wir müssen uns ja gar nich groß bewegen – die kommen ja einen Schluck von seinem Bier. jetzt alle zu uns! Haste bestimmt auch schon mitbekomm, wa? Am »Ach, Dietmar … lass doch meinen Jungen erst Bahnhof? Die sind ja wie Wilde, ne – nur Dreck, wo sie nur hinkomm, mal ankommen, Mensch. Na, Michi? Komm, was Kaltes jetzt, ja? Ist und das is ja keine Sprache, was die da ham, das ist ja wie als würde aber auch eine Hitze dies Jahr, wa? Manometer, du …«, sagt Mutter und man ’n Radio kaputt schlagn und dann auf laut drehn, die können ja stellt ein Tetrapak Orangensaft auf den Tisch. Daneben eine Karaffe gar nicht reden, die könn ja nur schreien! Wie aufm Basar, weißte? mit Wasser auf einem Tablett, mit feinen Zitronenscheiben, die darin Ja klar weißte das, hast ja jetzt was gesehn von der Welt, warst ja bei schwimmen. Hat sie in der Küche aus der Plastikflasche umgefüllt. denen. Also hier machen die nur Ärger. Will gar nicht wissen, wie es Weil das die feinen Herrschaften so machen in ihren Tele­novelas. Es bei denen daheim aussieht, da wo die herkommen … Hoff ich ma, will nicht zum Chaos, das inzwischen auf dem Tisch herrscht, passen. dass du da auch ein Haufen Müll für unsereins hinterlassen hast. Der volle Aschenbecher, halb leere Teller, Aprikosenkerne und Fliegen Kat Kaufmann stammt aus St. Petersburg. Die Schriftstellerin, Komponistin und Foto­grafin lebt in Berlin. Ihr Debütroman Superposition (Hoffmann und Campe) gewann 2015 den Aspekte-Literaturpreis. Der Roman Die Nacht ist laut, der Tag ist finster (Tempo) erscheint im April auf dem Obstkorb. Im Garten nebenan wird gegrillt. »Ach, guck mal an!«, schreit Schmidt rüber und winkt dir mit der Grillzange über den Zaun, »der Michi is zurück! Moni, schau mal! Der sach ma – bei den Negern warst du doch auch, oder nicht? Ja, da nickt er, klar war er … Und? Wie sind die so, die prallen Weiber dort? Kannste ja ’n Bier aufm Arsch abstellen!«, lacht Dietmar. Und seine Frau schenkt sich noch eine Schorle ein. »Ooch, Elkchen«, sagt er zu ihr, »brauchste doch nich eingeschnappt sein.« Weltenbummler! Komma auf ’ne Wurst vorbei, wa? Ma wieder was Heimisches, was Ordntliches in’n Bauch bekomm … Apropos ›bekom- »Wir reden zu Hause«, sagt Elke schroff, weil sie seinetwegen men‹ – das Reisen ist dir wohl aufs Gemüt geschlagen, was? Ganz schon zu oft zum Gynäkologen musste. So was erzählt dir deine Mut- schweigsam isser geworden, unser Michi, Mensch …« ter. So was willst du gar nicht wissen. Du winkst zurück und siehst wieder zu, wie Arne, dein Cousin, Und Elke steht jetzt auf und geht zum Schmidt nebenan, sich den Kuchen in sich reindrückt. Früher war er nur fett, jetzt ist er noch eine Bratwurst auf den Teller legen lassen. Und Dietmar überlegt pickelig dazu. bestimmt gerade, ob er einen seiner Bangkok-Urlaube nicht vielleicht doch mal probeweise gegen Mosambik tauscht. Bier und fetter Arsch. »Na, schau mal, das is’n Appetit …«, sagt Dietmar und klopft sei- Paradies. Ganz gedankenverloren ist er jetzt. nem Arne auf den Rücken, dass der fast erstickt an dem Schokoladen- Du hast noch nicht ein Wort gesagt. Aber das scheint niemanden Himbeer-Desaster in seinem Mund, »is auch ganz schön gewachsen, zu jucken. Du willst auch gar nichts sagen. Sie amüsieren sich doch der Kleene, seit du weg bist, Michi, was?« Gewachsen ist gar kein Ausdruck. Er ist drei seiner selbst. Du nickst und versuchst ein Lächeln. DER KIRSCHGARTEN VON ANTON TSCHECHOW »Der wird Polizist, unser Arne! Stimmt’s, Arne?« Premiere am 13. April im Schauspielhaus Aber Arne kann gar nichts sagen, weil Mund komplett zugepfropft. Nickt nur genervt. »Jaja, da brauchen sie starke Kerle wie unsereins«, sagt Dietmar und tätschelt sich den Bauch. »Jaja, Dietmar, das wissen wir doch alle …«, sagt Mutter, »aber jetzt lass doch mal endlich unseren Globetrotter zu Wort kommen«, komm, Michi, jetzt erzähl doch mal ein bisschen. Mein lieber Michi … Alle werden sie groß, und schon sind sie weg … so schnell. Weißt du noch, als du klein warst? Wie du nackig dort hinten bei den Schmidts ins aufblasbare Wasserbecken gepullert hast? Ach, warst du niedlich, Foto: Kat Kaufmann sagt sie und nimmt sich ein paar Erdbeeren aus der Schüssel, »jetzt 26 Stellvertretend, verstehste? Weil die doch hier bei uns und so … Aber Der Kirschgarten ist das letzte Stück, das der Russe Anton Tschechow vor seinem Tod 1904 fertigstellte. Im Zentrum steht die Gutsbesitzerin Ranjewskaja, die nach Jahren im Ausland in ihre Heimat zurückkehrt und feststellt, dass der Ort ihrer Kindheit kaputt ist – bis auf den Kirschgarten, der in voller Blüte steht. Das Stück erzählt von der Überforderung einer Gesellschaft, die sich verändern muss und sich aus Sentimentalität und mangelndem Glauben an die Zukunft am Alten festklammert. Ranjewskajas Unvermögen, sich der Realität zu stellen, mündet in die Katastrophe. prächtig, der eine mit seinen Träumen von Fremdenverkehr, der andere mit Kuchen und Tante Elke jetzt mit dem Nachbarn, der ihr, so wie es aussieht, gerade den weltbesten Witz erzählt hat – denn sie kommt aus dem Gekicher nicht mehr raus – und oben ohne seine braun gebratene Wurst serviert. Mutter schweigt. Lehnt ihren Kopf an deine Schulter und atmet erleichtert aus. Zum ersten Mal seit Vaters Tod siehst du sie glücklich. »Komm mal mit!«, sagt sie plötzlich, und du stehst auf und gehst ihr nach. Ganz aufgeregt läuft sie voran, dreht sich nach dir um und ist jedes Mal, wenn sie dich hinter sich erblickt, von Neuem glücklich. »Siehst du, Michi? Hier! Hab ich gepflanzt. Auf Papas Asche. Das war nicht leicht, davon was mitnehmen zu dürfen. Darfst du keinem erzählen, ja, mein Michi? Eine Kirsche ist das. Die hat er doch so gemocht, die Kirschen. Sie soll nächstes Jahr blühen. So wie unsere Familie.« 27 BÜHNE Breaking Barock Als Georg Friedrich Händel an die Themse zog, war London die größte Stadt der Welt. Voll mit Menschen, Spannungen und Ideen TEXT: MICHAEL MATTHIASS Die Londoner Fleet Street (mit Blick auf Ludgate Hill) kurz vor dem Kollaps. Händels letzte Oper Ariodante beschrieb die Vorzeichen des gesellschaftlichen Wandels 28 Bild: Stich von Gustave Doré, Lebrecht Music and Arts Photo Library/Alamy Stock Foto I n dem Jahr, in dem Händel hier seine Oper Ariodante uraufführt, im Jahr 1735, ist London nicht nur die größte Stadt des Planeten, prachtvolle Heimat von Königen, pochendes Herz des Welthandels, es ist zugleich seuchengeplagter Moloch. Zwischen herrschaftlichen Villen, in deren Gärten Damen in französischem Tuch vor dem Tee noch etwas flanieren, und den Gassen der Unterschicht, in denen menschliche E ­ xkremente und Tierkadaver auf den nächsten Regen warten, der sie in die stinkende Themse spülen soll, liegen oft nur ein paar Steinwürfe. Die besten Musiker, Künstler, Dichter und Denker Europas zieht es hierher, vom Adel hofiert und mit üppigen Apanagen versehen. Aber nicht nur die geistige Elite kommt; Tausende andere, weniger Privilegierte drängen in die überfüllten Armenviertel, in denen aufgeschlitzte Kehlen und eine horrende Kindersterblichkeit Normalität sind. Über allem hängt der »London fog«, eine übel riechende Glocke, in der Dünste aus offenen Armengräbern und Sickergruben mit Rauch aus Hunderttausenden Kohleöfen und dem ewigen Nebel des Themsetals eine unheilige Allianz eingehen. Wer sich kein Riechwasser leisten kann, hält die Fenster geschlossen. Es ist die Stadt, in der alle Risse der beginnenden Moderne sichtbar werden. An jeder Straßenecke gibt es nun Zeitungen zu kaufen, Dutzende verschiedene. Produziert in der Fleet Street, dem selbstbewussten Herzen der Presse, gelesen und lauthals diskutiert in den vielen neuen »coffee houses«. Mit den Zeitungen bekommen die Menschen eine Stimme, die zwischen Arm und Reich stehen und den eigentlichen Reichtum der Stadt ausmachen: das erstarkende Bürgertum, unabhängig, offen für Diskurs und Diskussion, handfest, städtisch, sensationslüstern. Die Emanzipation von der verkrusteten Adelsgesellschaft, die hier beginnt, ist ein Vorläufer jenes Freiheitsdrangs, mit dem nur vierzig Jahre später die amerikanischen Kolonien ihre Unabhängigkeit erkämpfen werden. Mit der blinden, unbewussten Treffsicherheit, die Kunst immer dann an den Tag legt, wenn große Umbrüche bevorstehen, erzählt auch Händels Ariodante von diesem Riss: Es ist die Geschichte eines Emporkömmlings, der versucht, gegen große Widerstände in die erlauchten Kreise des adligen Establishments einzudringen. Das Bürgertum, neben dem König der Hauptanteilseigner des neuen Theatergebäudes am Covent Garden, hat keine Mühe, diese Geschichte zu decodieren. Ariodante wird ein Erfolg. Es ist ein Pyrrhussieg. Denn die Oper an sich hat Konkurrenz bekommen – die Art von Konkurrenz, die zugleich lachhaft und bedrohlich ist. 1727 wird The Beggar’s ­Opera uraufgeführt, später Vorlage von Brechts Dreigroschenoper. In allem ist sie der Gegenentwurf zu Qualität und Genia­lität händelscher Werke: Ironisch, persiflierend, musikalisch nichts weiter als die »grea­test hits« der Saison, aber für jedermann verständlich in Englisch gesungen, trifft sie den Nerv der Zeit. Am Ende kapituliert die klassische italienische Oper kurzzeitig; mit dem erfreulichen Nebeneffekt, dass sich Händel englischsprachigen Oratorien zuwendet und mit dem Messias die wohl längste inoffizielle Nationalhymne der Welt erschafft. Hochkultur versus Massenkultur, das zieht sich auch durch Londons Architektur: Christo- pher Wrens Saint Paul’s Cathedral, Englands neue Ikone barocker Baukunst, erhebt sich über eine Stadt, die nach dem verheerenden Brand 1666 mit wenig Gestaltungswillen und noch weniger Mitteln zu einem baufälligen Moloch mutiert ist. Krebsartig wuchernde, sich über alles Maß verdichtende Stadtviertel machen London zur Hauptstadt billig zusammengezimmerter einstürzender Neubauten, zur Brutstätte von Seuchen und Verbrechen. Bis hier Polizisten patrouillieren, dauert es noch fünfzehn Jahre – und ein weiteres Jahrhundert, bis 1858 »The Great Stink« fast die Verlegung des Parlaments und damit endlich ein Abwassersystem erzwingt. Doch gerade diese Verdichtung und die Zuwanderung aus aller Welt (auch von Menschen wie in Ariodante) machen London zur Keimzelle des Kapitalismus. Hier rast die Moderne voran, weil alle um einen Platz an der Sonne ringen: Mediziner (1735 wird die erste erfolgreiche Blinddarmoperation durchgeführt), Politiker (10 Downing Street wird 1735 Amtssitz des Premierministers) und: Opernhäuser. Nun gibt es zwei, und nur wer das kleine, aber zahlungskräftige Pub­likum auf seine Seite zieht, überlebt. Das beste Mittel schon damals: Superstars mit entsprechenden Gagen. Händel verdient im Vergleich zu ihnen höchstens mittelmäßig, er muss mit jeder neuen Oper einen Hit liefern, um Shareholder zufriedenzustellen, quartalsgetrieben, sozusagen; aber das macht seine Opern nur genauer, schärfer, radikaler. Kunst, Gesellschaft, Politik – 1735 ist alles in Bewegung, in Gang gesetzt von der »Aufklärung«, die erst Köpfe wie Newton oder Leibniz und dann die Gesellschaft ergreift. Mit ihr kommt ein radikal neues Bild des Menschen in die Welt: Gleich erschaffen, mit gleichen Rechten, zu Träumen berechtigt, so fasst es die US-amerikanische Bill of Rights 1789 zusammen. Schlechte Zeiten für alle »von Gottes Gnaden«, und auch in London fragen die unteren Stände immer lauter nach Gerechtigkeit, Chancengleichheit oder wenigstens einem menschenwürdigen Leben. Und Händels neue Oper? Ist bei allem barocken Raffinement ein Spiegel der Zeit. Ariosts Geschichte erzählt, wie das junge Paar gegen das alte Ritual des Gottes­urteils die Wahrheit setzt und das Licht der Erkenntnis über den Glauben stellt. Ein Jahr voller Risse und zugleich voller Schönheit. Wie passend, dass es das Geburtsjahr von Ariodante ist. ARIODANTE von Georg Friedrich Händel Premiere am 5. März im Opernhaus 29 BÜHNE Aldeburgh war sein Graceland, sein Neverland Kaum 1000 Einwohner hatte Aldeburgh, als Benjamin Britten und sein Gefährte Peter Pears 1947 hierherzogen. Seitdem ist es auch Heimat eines der größten britischen Musikfestivals In einem englischen Küstenstädtchen fand der Komponist Benjamin Britten sein Glück und sein Zuhause. Hier stellte er sich am Ende seines Lebens seiner dunklen Seite, als er seine letzte Oper schrieb: Der Tod in Venedig TEXT: TOBIAS RENTZSCH UND RALF GRAUEL 30 31 Unzertrennliches Paar: Peter Pears (l.) und Benjamin Britten Anfang der 40er N och recht jung sind die Männer, die im Frühjahr 1937 aufeinandertreffen und sich perfekt ergänzen werden. Der jüngere, Benjamin Britten, seine Freunde nennen ihn »Benji«, ist 24 Jahre alt, seit vier Jahren schon fertig studierter Komponist, mit fünfzehn hatte das Wunderkind Hunderte von Stücken komponiert, nun schreibt er Musik für Dokumentarfilme. Er ist ein zurückhaltender Mann, höflich, grüblerisch und schon in jungen Jahren mit dieser sperrigen, zarten Aura eines britischen Landadligen ausgestattet. Der andere ist Chorsänger bei der BBC, drei Jahre älter und heißt Peter Pears. Er ist ein luftiger Typ und hat, was Britten fehlt: Leichtigkeit, Unbeschwertheit, Selbstbewusstsein, Lebensfreude, Sex-Appeal. Vor allem hat er eine Stimme, die, so wird Pears’ Nichte Sue Phipps Jahre später erzählen, für Britten eine »erotische Offenbarung« ist. Schon bald werden die beiden Männer nach New York gehen, einer Einladung des Schriftstellers W. H. Auden folgend, und dort von Karrieren träumen, vielleicht sogar in Hollywood. Doch ihre Herzen hängen an England, 1942 machen sie sich auf den Weg zurück. Noch bei der Überfahrt wird Britten die Arbeit an Peter Grimes aufnehmen, der Oper, die aus beiden Weltstars machen wird. Rund hundert Werke wird Benjamin Britten schreiben, für Orchester und Chöre, da- 32 wird ihre Möglichkeit einer Insel, ihr Graceland, ihr Neverland, ihr Paisley Park. Im Frühsommer 1948 sind sie auf Tournee mit Brittens Albert Herring, jener herrlich komischen Coming-of-Age-Geschichte um einen Gemüsehändlerjüngling, der dank seiner Tugendhaftigkeit und mangels weiblicher Konkurrenz im Dorf zum Maikönig gewählt wird. Pears hat eine Idee: Warum organisieren wir unsere Aufführungen nicht selbst? Veranstalten ein Festival? Wo wir leben, uns wohlfühlen und allerlei Gäste empfangen? Was folgt, ist Geschichte. Die nur wenige Schritte von ihrem Wohnhaus entfernte Aldeburgh Jubilee Hall wird Heimat des seither stattfindenden Aldeburgh Festivals. Nahezu jedes Jahr steht eine Neukomposi­tion Brittens auf dem Spielplan, den man rasch um weitere Veranstaltungen erweitert: Dichterlesungen, Schauspielaufführungen, Kunstausstellungen – das Rückgrat jedoch bildet weiterhin die Musik. Da ist einerseits Brittens English Opera Group, 1947 nach dem Krieg aus der Not und Lust heraus gegründet, das eigene künstlerische Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Andererseits entwickelt sich das Festival stetig weiter, dank seiner zweiten Säule Pears, der sein Repertoire um das deutsche Lied erweitert; Rezitale von Schubert und Schumann sind die Folge. Die von Pears und Britten eingespielte Winterreise gilt vielen bis heute als Referenz. Gespräche mit dem Geheimdienst neben Kammermusiken, Lieder, ein Requiem und zwölf Opern. Im Königreich wird man Britten zum größten britischen Komponisten nach Henry Purcell erklären. Er habe Großbritannien zurück auf die Landkarte der Klassik gesetzt, wird es heißen. All dies wird mit Peter Grimes beginnen und mit der Hauptrolle, die Britten für Pears’ Stimme schreibt – so wie jeden anderen wichtigen Gesangspart der nächsten drei Jahrzehnte. Der Komponist und der Sänger werden ein Paar. Ihre Geschichte ist die zweier Männer, die vor der Zeit ihr Leben leben, sich ein Zuhause schaffen. Aber so modern und offen die Welt, die sie in den folgenden dreißig Jahren erschaffen, so dezent und zurückhaltend werden sie dabei vorgehen müssen. Das gilt vor allem für Britten. In Aldeburgh, einem Fischerstädtchen an der Ostküste Englands, hundert Meilen nordöstlich von London, kaufen sie zwei Jahre nach dem Krieg ein Häuschen. Aldeburgh Aldeburgh wird zum Mekka der Musikbegeisterten. Bis heute hält sich die Anziehungskraft des Festivals. Vor ein paar Jahren schrieb ein Besucher ins Gästebuch: »Think of all the music written / before the birth of Benjamin Britten. And then – think of Ben.« Doch auch die Leben zahlreicher Menschen, die sich gar nicht mal so sehr für Musik interessierten, dürften von Britten und Pears berührt worden sein. Zu einer Zeit, in der die Begriffe »schwul« oder »lesbisch« so noch gar nicht existieren, in der »Homosexualität« ein Strafbestand ist, wohnen die beiden Männer unter einem Dach, leben ihr Leben, lassen jeden, der möchte, daran teilhaben. Stets werden sie dabei misstrauisch beäugt von Polizei und Geheimdienst. Jede Auszeichnung strapaziert die Toleranz der politischen Klasse, immer wieder wird Britten vom britischen Innenministerium vorgeladen, muss sich Befragungen unterziehen. Sein Auftreten wird geholfen haben. Und die Tatsache, dass er sich tatsächlich nie zu Pears bekennt. Doch der Tenor hat da- Foto vorherige Seite: Seymour Rogansky/Alamy Stock Foto Diese Seite: Britten-Pears Foundation; Popperfoto/Getty Images; Philip Vile/Britten-Pears Foundation; Keystone Pictures USA/Alamy Stock Foto; Nigel Luckhurst/Lebrecht; Brian Seed/Lebrecht BÜHNE mit kein Problem, 1980 erzählt Pears: »Das Wort ›gay‹ war nicht in seinem Vokabular, es gab da diese sehr puritanische Ader in Ben. Er dachte, dass anständiges Benehmen, ordentliche Manieren zu einem schönen Leben dazugehören – zu einem würdevollen Leben, wenn Sie so wollen.« Erst als England 1967 den »Homo-Para­ grafen« abschafft, legt sich das Interesse der staatlichen Stellen. Es dürfte kein Zufall sein, dass genau in diesem Jahr die britische Königin, Elisabeth II., zum ersten Mal das Aldeburgh Festival mit ihrer Anwesenheit beehrt und zum zwanzigjährigen Jubiläum die neue Konzerthalle einweiht. Zwei Jahre später wird das Gebäude abbrennen, nach dem Wiederaufbau steht ihre Majestät 1969 erneut an der Seite Benjamin Brittens. Umso erstaunlicher, dass dieser alles Konservative pflegende Mann am Ende seines Lebens hinter die tugendhafte Fassade tritt, die er so sorgsam aufrechthielt. Ende der 60er macht sich Britten an die Vertonung von Thomas Manns Der Tod in Venedig. Es ist ein dunkler Stoff, das negative Abbild seines Lebens. »Ben schreibt an einer bösartigen Oper, und es bringt ihn um!«, notiert Pears damals in seinem Tagebuch. Tatsächlich verschlechtert sich in den Jahren danach Brittens Gesundheit. Doch niemand kann ihn abhalten, Manns berühmte Novelle von 1911 zu bearbeiten. Der Tod in Venedig erzählt von den letzten Wochen eines Dichters, Gustav von Aschenbach, der nach einem Leben voller Pflicht und Rechtschaffenheit am Strand von Venedig einen Knaben erblickt. Überwältigt von seinen Gefühlen und seiner Sehnsucht nach diesem Tadzio, löst sich alles um und in ihm auf; Aschenbach verliert nach und nach seine Fassung, vergeht als gepuderter Geck [Mehr dazu im Interview, Seite 35]. Ein Lebenswerk voller Kinder Warum muss Britten ausgerechnet diese Geschichte erzählen? Wohl weil sie rausmusste. Britten war schwul, und er war pädo­phil. Heerscharen von Musikwissenschaftlern und Journalisten haben seit den 80er-Jahren die vielen Spuren ausgelesen, die er in Werk und Biografie hinterlassen hat. Etliche Filme, Bücher (Britten’s Children), Symposien (zuletzt Illuminating Britain im Londoner Barbican Centre) widmen sich der Frage, wie weit der Komponist in seiner Liebe zu Knaben ging. Das Ergebnis aller Investigationen lässt Britten noch bewundernswerter erscheinen. Sein Werk ist voller Kinderopern, Kinder­ Oben r.: Ab 1967 besuchte Königin Elisabeth II. regelmäßig Brittens (r.) Aldeburgh Festival. Oben l.: Britten im Arbeitszimmer des Red House (darunter von außen). Mitte: Das Aldeburgh Festival, bis heute ein buntes Mekka der Musikfreunde. Unten (v. r.): Pears, Britten und ihr Produzent John Culshaw bei Plattenaufnahmen im heimischen Tonstudio 33 BÜHNE chöre, den meisten, selbst fern von klassischer Musik Aufgewachsenen, dürfte sein The Young Person’s Guide to the Orchestra vertraut sein; eine Art Peter und der Wolf, ohne Peter, Wolf oder Handlung, dafür mit jeder Menge Variationen und Fugen eines Themas von Henry Purcell. Musikwissenschaftler haben die hervorstechenden Häufungen des Wortes »boy« in seinen Opern analysiert. Nahezu jeder Gast im Red House wurde aufgespürt, befragt, von englischen Journalisten, die berüchtigt sind, in ihrem Skandaldurst legale Grenzen zu überschreiten. Unter den Hunderten von Jungen, die bei Britten ein und aus gingen, teilweise über Wochen bei ihm wohnten, im Bett des Komponisten schliefen, findet sich kein einziger Verdacht eines Missbrauchs. So wird Britten durch das Paradies, das er selbst geschaffen hat, gewandelt sein: aufrecht, abstinent, glücklich, platonisch liebend, unglücklich. »Der Tod in Venedig ist alles, wofür Peter und ich jemals gestanden haben«, sagte Britten einmal »völlig unvermittelt« zu dem englischen Autor, Freund und Biografen Donald Mitchell: »Ich habe mich seitdem oft gefragt, ob Benjamin damit nicht nur auf das offene Bekenntnis anspielt, das die Oper hinsichtlich seiner eigenen, sich nach ›Tadzios‹ sehnenden Homosexualität macht, sondern ob er damit nicht eben auch jene gezwungenermaßen gebotene Zurückhaltung meinte. Ihr Fehlen, also das Nichtvorhandensein dieser wohlüberlegten, selbst auferlegten Disziplin, macht ja gerade den Ruin Aschenbachs aus. Genau dafür aber stand Britten: Einerseits für diese Disziplin, anderseits aber bekannte er sich auch unmissverständlich zu seiner grundsätzlichen und manchmal übermächtigen – jedoch nie ausschließlichen – Quelle der Inspiration.« Und so schreibt Britten am Ende seines Lebens seine »naked opera«. Wie schon Thomas Mann 62 Jahre zuvor, nur in viel schlechterer Verfassung, arbeitet er sich in einem Kraftakt durch sein Lebensthema. In diesem Licht ist Der Tod in Venedig nicht nur die Geschichte eines Zerfalls, sondern auch die ihres Gegenteils: Es ist die Geschichte einer großartigen Enthaltsamkeit. Die Berührung Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig steckt voller Andeutungen und Fantasien. Wie bringt man das auf die Bühne? Brittens Oper findet dafür eine geniale wie bewegende Lösung INTERVIEW: RALF GRAUEL Demis Volpi, was ist der Unterschied zwischen Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig und der Ballettoper von Benjamin Britten? Demis Volpi: Vieles, was im Text nur angedeutet wird, oft als innerer Monolog, muss auf der Theaterbühne konkret werden. Er stirbt als Baron of Aldeburgh 34 Ein alter Mann kann sich doch nicht einfach so aus seinem Liegestuhl erheben und einem Knaben seine Liebe gestehen. Wie werden Gedanken zu Handlung? Zum Beispiel hat Aschenbach in der Novelle mehrere »Gegenspieler«, die optisch alle etwas miteinander gemein haben: rote Haare, ein totenkopfartiges Gesicht. In der Oper werden alle diese Figuren von einem Sänger verkörpert, so wird die Verwandtschaft viel konkreter: Als würde sich hier jemand immer wieder neu verkleiden, um Aschenbach in eine bestimmte Richtung zu drängen. Auch dass Aschenbach sich nie überwindet, mit dem Jungen zu sprechen, wird in der Oper noch deutlicher, wenn sie sich tatsächlich gegenüberstehen. Wie stellt man diese Sprachlosigkeit auf der Bühne dar? Fotos: Nigel Luckhurst/Lebrecht; picture alliance/United Archives; Roman Novitzky Stumme Begegnung: Tadzio, seine Mutter und Aschenbach in der Uraufführung von Der Tod in Venedig beim Aldeburgh Festival 1973. Unten: Tadzio und Aschenbach im Film von Luchino Visconti 1971 Die Hauptfigur des Aschenbach schreibt Britten wieder für die Stimme seines Lebens, Pears, nun ein reifer Mann von sechzig, ihm widmet er die Oper. Der Uraufführung beim Aldeburgh Festival 1973 kann Britten nicht beiwohnen. Er ist zu schwach, kurz darauf wird er am Herzen operiert. Von der Operation wird er sich nie erholen, fortan ist er auf den Rollstuhl angewiesen und auf Pflege. Im Dezember 1976 stirbt er als »Baron Britten of Aldeburgh in the County of Suffolk«. Im Sommer noch hatte ihn die Queen in den Adelsstand erhoben. Britten stirbt in den Armen von Pears, der aus den USA angereist war, wo er sein Debüt an der New Yorker Met ausgerechnet in der Rolle des Aschenbach gefeiert hatte. »Für den Unglücklichen ist der Tod keine Katastrophe«, sagt er auf dem Sterbebett zu Rose, seiner Pflegerin. Ein typischer BrittenSatz. Als höflich zugewandter Trost ausgesprochen, klingt er nach, um Jahre später seine enigmatische Botschaft zu entfalten. Wir sollten uns Benjamin Britten als glücklichen Menschen vorstellen. Er hatte eine Heimat gefunden, seinen Traum gelebt, mit der Liebe seines Lebens. Wir sollten uns diesen Mann als noblen, wahrlich großen Menschen vorstellen. Denn ganz anders als die tragische Figur des Gustav von Aschenbach bewahrte Britten Haltung. Diese Haltung wird ihn gerettet haben. Aber nicht nur ihn hat sie gerettet, sondern eben auch die vielen Menschen, deren Leben er so wunderbar berührt – und unversehrt gelassen hat. sterben und er und Tadzio allein übrig bleiben. Tatsächlich ist seine Unentschlossenheit aber auch eine Entscheidung dafür, Tadzio und seine Mutter nicht vor der nahenden Cholera zu warnen, eine Entscheidung, den Jungen sterben zu lassen. Demis Volpi, Hauschoreograph am Stuttgarter Ballett. Der Tod in Venedig ist seine erste Regiearbeit an der Oper Stuttgart Terrain! Sie kommunizieren mit ihren Körpern. Aber wir erleben die Familie wie durch Aschenbachs Brille. Myfanwy Piper, von der das Libretto stammt, fand eine geniale Lösung. Sie war übrigens die Ehefrau von John Piper, dem Künstler, der fast alle Bühnenbilder für Brittens Opern entwarf. Myfanwy Piper legte Tadzio und die Mutter als sprachlose Figuren an, als Tänzer. Was passiert mit Aschenbach? Das klingt verführerisch. Es geht um eine Reise am Ende eines Lebens, das aus Pflichterfüllung und Verzicht bestand. So eine schonungslose Reise ins eigene Innere finde ich gar nicht langweilig! Für Aschenbach ist es durchaus schockierend, was aus ihm hervorbricht, sobald er sich erlaubt, sich ein wenig gehen zu lassen: die ganzen unerfüllten Sehnsüchte. Die Spannung entsteht aus der Sehnsucht Aschenbachs und seiner Unfähigkeit, zu handeln. Dieser Schmerz, dieses Sehnen machen ihn so lächerlich und auch egozentrisch. Er träumt davon, dass alle anderen Ja, in gewissem Sinne wird der Junge völlig auf seinen Körper reduziert, so wie Aschenbach sich selbst lange auf seinen Intellekt reduziert hat. Diese Wahl der Ausdrucksmittel macht völlig klar, dass es zwischen den beiden gar nicht zur Kommunikation kommen könnte: Es sei denn, Tadzio würde plötzlich zu singen oder Aschenbach zu tanzen beginnen. Wie kommunizieren Mutter und Sohn miteinander, wenn sie nicht sprechen? Da bin ich als Choreograph auf gewohntem Nichts. Und dann doch alles! Aschenbach bleibt die ganze Zeit über auf der Bühne. Er hat zwar eine Reise unternommen, doch ist er völlig immobil. Alles kommt zu ihm. Ist das nicht eintönig? Er könnte es sich aber selbst eingestehen, anstatt sich auf lächerliche Weise mit Platon und Apollo zu rechtfertigen. Ich glaube, es geht auch um mehr als Pädophilie. Die Körperlichkeit ist nur der Gipfel dessen, was Aschenbach empfindet und nicht zulässt. Welche Rolle spielt die Stadt Venedig? Eine große und dann aber auch wieder keine! Sie ist zum Beispiel überhaupt nicht zu sehen. Aschenbachs Reise geht nach innen; die Stadt ist nur ein Symbol für die Sehnsucht, für das Fremde, für ungefilterte Inspiration, aber auch für Verfall und Kitsch. Aber Britten hat mit seiner Oper eine musikalische Überhöhung von Venedig geschaffen. Und die lautet? Die Stadt war für ihn Sehnsuchtsort und Inspiration. Er war, glaube ich, zehnmal dort. In der Musik hören wir das Schaukeln der Gondeln auf den Kanälen, wir spüren die Weite des Meeres am Lido, und wir sehen die majestätische Stadtansicht bei der Hafeneinfahrt. Britten hat sogar den originalen Klang der Glocken des Doms von Venedig nachkomponiert. Eigentlich möchte man gleich hinfahren – trotz allem! KOPRODUKTION OPER STUTTGART & STUTTGARTER BALLETT DER TOD IN VENEDIG Oper von Benjamin Britten Premiere am 7. Mai im Opernhaus 35 BÜHNE Mit achtzehn Jahren zog er von München nach Stuttgart. Weil er wusste: Hier kann man schon als junger ­Tänzer Choreographien entwickeln Die zwei Seelen des Louis Stiens Tagsüber ist er Tänzer und Choreograph am Stuttgarter Ballett. Nachts tobt er sich in Electro-Klubs aus. Führt der Mann ein Doppelleben? Im Gegenteil: Für Louis Stiens wäre das eine ohne das andere gar nicht machbar TEXT: BJÖRN SPRINGORUM FOTOS: PETER PALEC 36 37 BÜHNE Hang zur Finsternis: Stiens’ erste Choreographie verarbeitete den Amoklauf von Winnenden, in seinem Stück Rausch ging es um Sex, Drogen und Verletzlichkeit D a, eine Krähe.« Louis S ­ tiens zeigt auf das Dach des Opernhauses. Die Dämmerung ist in die Stadt gekrochen, auf dem Giebel zeichnet sich pechschwarz die Silhouette des Schicksalsvogels ab. »Das passt ja zu Krabat«, sagt er leise und schmunzelt. In dem Stück des Stuttgarter Balletts tanzt der junge Mann gerade einen der Müllerburschen, die sich jede Nacht in Raben verwandeln. Einen sechsten Sinn für Tiere habe er schon lange, erzählt Stiens und läuft los, mit großen Schritten durch das Lichtermeer der Innenstadt, die Hände in den Taschen einer wärmenden Daunenjacke vergraben. Als er 2009 mit achtzehn aus München kam, um in Stuttgart die John Cranko Schule zu besuchen, wohnte er zunächst im Vorort Sommerrain, bei Traudel, der besten Freundin seiner Großmutter. Auf dem Heimweg vom Ballettunterricht traf der schüchterne ­Neuankömmling hin und wieder eine Katze – ein besonderer, rarer Moment. »Immer wenn ich sie sah, ging es mir besser.« Für ihn habe das nichts mit Aberglauben zu tun. Eher mit einer tief empfundenen Mystik, mit einem Bewusstsein für all jene Dinge, die sich an der Peripherie der Realität abspielen. Mittlerweile ist er 25, und Traudel lebt nicht mehr. Ihrem Andenken widmet er seine neueste Choreographie Qi, eine ­Reise in die Nacht, die er für den Ballettabend ­Nachtstücke kreiert. Es sei ein verwunschenes, dunkles Stück, sagt Stiens. Beeinflusst habe ihn wie schon zuvor die Melancholie der Filme Rainer Werner Fassbinders, speziell eine Szene aus der Effi-Briest-­ Verfilmung. Außerdem konfrontiere er gern klassische mit modernen Elementen, in 38 ­ iesem Fall ein barockes Ambiente mit d elektronischer Klubmusik. Electro ist neben dem Ballett seine zweite große Leidenschaft. Stiens legt gelegentlich in Klubs auf, er findet, DJs und Choreographen hätten einiges gemein: »Beide präsentieren ihre Kunst den Menschen als Momentaufnahme in der Dunkelheit.« In dem Stück Rausch schuf er 2014 aus seinen beiden Passionen ein von harten TechnoBeats befeuertes Porträt seiner Genera­tion: junge Menschen zwischen Freundschaft und Gewalt, ihre Sinnsuche in Fernsehen, Sex und Alkohol. »Ich mag es, mich in den dunklen Räumen der Klubs von der Lautstärke der Musik berauschen zu lassen«, sagt er, als wir an dem Electro-Klub Romantica an der Hauptstätter Straße vorüberlaufen, seinem Lieblingsschuppen in der Stadt. Überraschende Worte, würde man ihn nur als den spiellustigen Mann kennen, der auf der Bühne das Publikum zum Lachen bringt und Herzen gewinnt. Doch zu seiner Persönlichkeit gehören eben auch die dunklen Stunden, die er im Taumel der Kreativität verbringt. »Die Nacht hat für mich etwas ganz Besonderes«, sagt er und bleibt auf dem Wilhelmsplatz stehen, inmitten der Menschen und irgendwie entrückt. Er schaut sich um, sucht die Sterne am Himmel. »In der Nacht verstummt alles, rückt anderes in den Fokus. Diese Stille bietet mir Momente der Klarheit.« Stiens lässt sich gern in der Dunkelheit zu seinen Choreographien inspirieren, er ist offen für eine Welt hinter den Dingen. Das sieht man in seinen Stücken, aber auch in seinen wachen, melancholischen Augen. Mit Vorliebe greift er finstere Themen auf. In Mäuse verarbeitete er den Amoklauf von Winnenden; bei Dancer in the Dark war er die rechte Hand von Marco Goecke, dem Hauschoreographen des Stuttgarter Balletts. Goecke ist für ihn Mentor und Vorbild, von ihm hat er seine Vorliebe für die enge Verzahnung von klassischem Ballett, modernem Tanz und viel Gestik. Das macht Stiens’ Stücke zu Ausnahmen: Sie verneinen das Erbe nicht; sie beleuchten es nur aus dem Blickwinkel eines jungen Mannes auf der Suche nach sich selbst. Stiens stammt aus einer Musikerfamilie, mit sechs Jahren begann er mit dem Ballettunterricht an der Heinz-Bosl-Stiftung in München. Nach Stuttgart zog ihn nicht etwa der Ruf der Compagnie und der John Cranko Schule. Davon erfuhr er erst viel später. »Mir gefiel, dass man hier schon so früh selbst choreographieren kann.« Er nutzt diese Möglichkeit konsequent und mit Mut, sieht sich selbst mittlerweile als Tänzer mit dem Herzschlag eines Choreo­ graphen. Sein Talent ist längst über Stuttgart hinaus bekannt, seine Reise beginnt gerade erst. Mit federnden Schritten geht er davon, im Schein der Laternen wirkt es wie der Abgang von der Bühne. BALLETTABEND NACHTSTÜCKE ab 24. März im Schauspielhaus Drei Stücke sind an diesem Abend zu sehen: Choreographien, inspiriert von dem, was sich jenseits des Tageslichts und des wachen Verstandes abspielt. Mal melancholisch und mal surreal, versetzen sie den Betrachter in eine andere Welt. Ssss … von Edward Clug, Qi von Louis Stiens, Falling Angels von Jiří Kylián 39 BACKSTAGE Klare: Beim Film ist die Herausforderung, Szenen in der praktischsten Reihenfolge zu spielen. Oft hat die Dramaturgie eine szenische Klammer, die Geschichte beginnt zum Beispiel in einem Krankenhaus und endet auch genau dort. Dann drehst du das am selben Tag, also Anfang und Ende. Du musst die Emotion abrufen, die deine Figur über die ganze Geschichte hinweg aufbaut. Im Theater baut es sich dagegen in Echtzeit auf. Walser: Da spielen wir an einem Abend eine ganze Geschichte … Klare: … in einem Riesenbogen. »Was ist schöner: fürs Fernsehen oder am Theater zu arbeiten?« Viele Schauspieler wechseln immer wieder zwischen Bühne und Filmset. Franziska Walser und Felix Klare über den Unterschied, vor einem Kameraobjektiv zu spielen oder vor Hunderten von Menschen Ihr Herz schlägt also fürs Theater? EIN KANTINENGESPRÄCH Klare: Film will immer nah an der Realität sein, selbst Science-Fiction wird möglichst realistisch inszeniert. Eigentlich ist aber vieles Fake. Nach zwei Minuten Dreh heißt es »Cut!«. Beim Theater kannst du dich fallen lassen. Du kannst behaupten, auf dem Mond zu sein, und es funktioniert, obwohl alles Äußerliche nur behauptet ist. Du brauchst als Zuschauer keinen Soundtrack, der dir sagt, wann du traurig sein sollst. Das Theater ist auf seine Weise viel realer als der Film. Walser: Stimmt. Theater erschafft eine besondere Form von Gegenwart, vor Zeugen, dem Publikum. Beim Film ist meist nur ein kleiner, exklusiver Kreis anwesend. Man hofft, dass auch hier der Moment real wird und etwas Besonderes geschieht. Aber es bleibt meist ein wenig künstlich. Man dreht ja immer nur Schnipsel, von denen man nicht mal weiß, ob sie in der Endfassung vorkommen werden. Bedeutet Film immer Kompromiss? Walser: Nein, das kommt auf den Film an. Ich habe auch bei Dreharbeiten sehr reale, berührende Erlebnisse gehabt. 40 FRANZISKA WALSER (64) ist am Schauspiel Stuttgart in Samuel Becketts Glückliche Tage zu sehen. Für ihre Nebenrolle im Film Ein halbes Leben bekam sie 2010 den Grimmepreis. FELIX KLARE (38) spielt im Stuttgarter Tatort den Kommissar Sebastian Bootz. Am Schauspiel gastiert er nach mehre­ ren Jahren Bühnenabstinenz für die Inszenierung von Martin Walsers Roman Ehen in Philippsburg Fotos: Conny Mirbach; Christoph Kolossa Frau Walser, Herr Klare, was mögen Sie lieber: Film oder Theater? Klare: Es hat zeitlich nicht reingepasst. Aber das darf eigentlich nicht passieren. Am Theater findet die persönliche Entwicklung statt, in der Auseinandersetzung mit den Kollegen, der Psychologie der Figuren. Fernsehen war auf meiner Schauspielschule, Ernst Busch in Berlin, verpönt und galt als Pipifax … Walser: Man spürt meistens den Druck der Einschaltquoten, alles wird irrsinnig schnell abgedreht. Man kann aber auch Glück haben. Im Herbst habe ich einen Film über evangelikale Christen gemacht. Mein Mann Edgar Selge und ich spielen darin ein Pastoren­ehepaar, dessen Lebenstraum zerbricht. Wir haben das Drehbuch im Entstehen begleitet, so wurde der Film über ein halbes Jahr hinweg zu unserem Projekt. An manchen Stellen haben wir dann sogar improvisiert. Walser: Ich will Fernsehen und Theater gar nicht gegeneinander ausspielen. Oft ist es aber so, dass die Arbeit am Theater genauer ist, wirklich in die Tiefe geht. So ein Filmdrehbuch wird relativ schnell und kurzfristig erstellt. Aber die Theaterstücke Wie prominent macht TV? oder Romane, die wir inszenieren, haben Walser: Ich habe das Glück, dass Frauen schon eine eigene Geschichte hinter sich. beim Film immer geschminkt sind. Privat Die Auseinandersetzung damit trägt dich mache ich das selten. So leicht bin ich also nicht zu erkennen. ganz woandershin. Klare: Durch die Sprache der Literatur Klare: Ich werde, seitdem ich beim Tatort kommt im Theater eine besondere Empfin- bin, täglich angesprochen. Das habe ich dung hinzu. »Gib mir mal die Butter« ist ein völlig unterschätzt. Die Begegnungen sind Satz für ein Fernsehdrehbuch, da musst du meist sehr oberflächlich. Da kommt einer, nicht lange drüber nachdenken, und er ist zack, macht ein Foto mit dem Handy und auch schnell vergessen. Fernsehen ist vor al- geht wieder. Es gibt aber auch nette Molem ein visuelles Medium. Mit Literatur geht mente. Neulich sagte jemand: »Ich kenman schwanger, sie hallt nach. Während der ne dich irgendwoher, warst du nicht auf monatelangen Arbeit an einem Stück werden dem Theresien-Gymnasium, bei Frau Sodie Sätze zu Begleitern im Alltag, du bewegst undso?« Und ich darauf: »Ja, stimmt, wie sie in dir und kommst ihnen auf die Spur. war noch mal dein Name?« (lacht) Walser: Was es heißt, einem Stoff Walser: In Stuttgart gibt es ein tolles Thea­ richtig nachzuspüren, merke ich Damit im Theater alle wissen, was auf den jetzt wieder bei Samuel Beckett. ter­ publikum. Das hat Bühnen passiert, gibt es Wir proben ja gerade Glückliche eine Haltung zu dem, Durchsagen im ganzen Tage. Ich habe mit dem Regisseur was du tust, und ist ganz Haus. Die schönsten Armin Petras schon seit Mai letzten wach bei der Sache. Da drucken wir in Reihe 5 Jahres geprobt, scheibchenweise, werde ich schon mal in weil ich zwischendurch immer fürs der U-Bahn angesproFernsehen gedreht habe. Der Text chen, weil jemand über hat mich also lange begleitet. Er das Stück diskutieren begann regelrecht ein Eigenleben möchte. Neulich an der DURCHSAGE zu führen. Kasse im Supermarkt 23. Nov., 11.15 Uhr hörte ich von hinten: Klare: Ich bin gerade voll in diesem Beleuchtung Wechsel drin, vom Fernsehen in die »Na, die Stimme ­kenne für den Verfolger, Theaterwelt. Zuletzt habe ich eiich doch. Frau ­Walser! bitte! Wann spielen Sie wienen Tatort gedreht, jetzt gehen die ­Proben zu Martin Walsers Ehen in der hier?« Hast du schon Damit die Darsteller beim Hin- und Herlaufen Philippsburg los, dem frühen Roin Stuttgart gespielt? auf der Bühne nicht im man deines Vaters. Klare: Es wird jetzt das Dunkeln verschwinden, Walser: Er freut sich sehr darauf! erste Mal sein. muss ein Mitarbeiter der Wann haben Sie denn das letzte Walser: Du kannst dich Beleuchtung ihre Bewegungen begleiten. Der freuen! Mal Theater gespielt, Herr Klare? Verfolger ist ein ScheinKlare: Das ist fast fünf Jahre her. Die Fragen stellte werfer, der zum Einsatz Walser: Was? So lange? Martin Theis kommt, sobald es turbulent wird. Das passiert bei Ronja Räuber­tochter ziemlich oft. IN DER PROBE MONIKA KRIMMER (33) aus Waiblingen besuchte eine DURCHLAUF­ PROBE des Balletts Don ­Quijote. In einer Durchlaufprobe tanzen alle Beteiligten im Ballettsaal das Stück einmal von Anfang bis Ende. In den Hauptrollen tanzten Ami Morita und David Moore. Sie sind in dieser Spielzeit erstmals als Kitri und Basilio zu sehen Was haben Sie erwartet? Ich kannte nur das Film­klischee von Ballettproben, bei denen es furchtbar streng und unerbittlich zugeht. Diese Vorstellung hatte ich dann auch im Kopf. Was ist passiert? Das genaue Gegenteil! Zwar haben die beiden Ballettmeister ständig Anweisungen hineingerufen und bei Unterbrechungen Korrekturen gemacht, aber alles auf sehr freundliche Art. Und die Tänzer waren auch sehr menschlich, viele haben zwischendurch gelacht. Das Ganze hat mich ein bisschen an einen Abend unter Freunden erinnert. Aber aufmerksam waren sie eigentlich immer. Und die Sprünge haben sie nicht nur angedeutet, die waren wirklich richtig hoch! Worauf werden Sie bei der Aufführung achten? Auf die Übergänge. In der Probe wurde jede Szene einzeln geübt, die Tänzer stellten sich neu auf. In der Vorstellung muss dann alles ineinanderfließen. Ich freue mich schon! DON QUIJOTE von Maximilian Guerra ab 19. Mai im Opernhaus Die Fragen stellte Christoph Kolossa. Möchten auch Sie eine Probe besuchen? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an [email protected] 41 BACKSTAGE ABGESCHMINKT INFOGRAFIK Der Bühnentod Meister der Manipulation Ein bisschen Schmerz muss sein: Pablo von Sternenfels erzählt, wie man das Sterben spielt – tanzend Für ihr Projekt Parasiten beschäftigt Regisseurin Anna-Elisabeth Frick sich mit den Lebewesen, die die meisten für nutzlose Schmarotzer halten. Ohne die Inhalte des Stücks vorwegzunehmen, bieten wir hier eine naturwissenschaftliche Einführung Vogelfutter Für viele Vögel sind die kranken Fische ein gefundenes ­Fressen. Im Darm des Vogels nistet sich der Saugwurm ein, produziert Tausende Eier, die mit den Ausscheidungen ins Wasser gelangen MEIN ARBEITSPLATZ RALF KÜHNER (47) ist Orchesterwart bei den Staatstheatern Welche Aufgaben hat ein Orchesterwart? Ich baue die Instrumente, Stühle und Pulte für das Orchester auf. Außerdem verwahre und ordne ich während der Probenzeit die Notenblätter. Die Musiker leihen sie bei mir aus, gegen Unterschrift. denn wir wissen ja nicht, wie er sich anfühlt. Letztlich ist es auf der Bühne wie in der Realität: Menschen sterben, wie sie gelebt haben. Mercutio in Romeo und Julia ist ein leidenschaftlicher Charakter, er Ja, total! Ich arbeite für die besten Musiker, und ich bin immer nah dran an der Musik. Was will man mehr? macht ständig Witze und gibt den starken Mann. Also albere ich weiter herum, nachdem der Degen mich durchbohrt hat. Ich krümme mich vor Schmerz, stürze, stehe aber immer wieder auf, küsse die Die Kontrabässe sind sehr schwer, sie zu transportieren ist körperlich anstrengend. Und wenn wir bei manchen Produktionen neunzig Musiker im Graben unterbringen, wird es eng. Da ist Krea­ tivität gefragt. Ich setze mich auf jeden einzelnen Stuhl und mache Trockenübungen, um den Platz­ DURCHSAGE bedarf abzuschätzen. 42 Mädchen und trinke. Mein Gesicht ist verzerrt, doch ich ringe bis zum Ende darum zu lachen. Diese Szene ist lang, man hat viel Zeit Fischfutter Tausende Schwanz­ larven verlassen Tag für Tag eine befallene Schnecke und schwimmen durch die Sümpfe, bis sie ihren nächsten Wirt finden, den kalifornischen Killifisch für dieses Ringen. Man kann aber auch viel falsch machen. Deshalb entwickeln wir eine Sterbeszene im Ballettsaal besonders sorgfältig. Die Atmosphäre während der Probe ist anders als 5. Januar, 9.50 Uhr Das Klavier kann weg Dass schon bei der Ouver­türe einer Oper etwas auf der Bühne passiert, kommt selten vor. Eine der Ausnahmen ist die Inszenierung des Fliegenden Holländers. Weil das Orchester nicht zu jeder Probe dieser Szene spielt, kommt ein ­Klavier am Bühnenrand zum Einsatz. S ­ obald es seinen Dienst getan hat, muss es weg. sonst, ruhiger. Anfangs reden wir nur, um genau zu verstehen, was da passiert. Es gibt viel Schönes und Geheimnisvolles in der Welt des Todes, man muss keine Angst vor ihm haben. Geht es dann ans Tanzen und Spielen, genügt es nicht, eine Choreo­graphie zu lernen. Das Sterben muss aus mir kommen. In mancher Probe liege ich als Toter am Boden und denke: Mann, es hat nicht geklappt, ich bin immer noch hier. Ich muss eben auch im Kopf bereit sein zu gehen. Klappt es gut, empfinde ich im Moment des Todes wirklich Traurigkeit. Doch wenn ich nach der Szene zu mir zurückkehre, die Vorstellung für mich vorbei ist, dann fühle ich mich super. Diese intensiven E ­ motionen sind toll, dafür liebe ich meinen Beruf.« Hiltrud Bontrup PABLO VON STERNENFELS ist in John Crankos Romeo und Julia als Mercutio zu sehen. Ab 29. April im Opernhaus Foto: Christoph Kolossa Illustration: Bernd Schifferdecker Infografik: Karolina Pyrcik Was ist schwierig an Ihrer Arbeit? Ich mag die Barockkomponisten, da reicht ein kleines Orchester aus. Nur das obligatorische Cembalo ist ein ziemlicher Brocken! Interview: Christoph Kolossa Hier steckt der Wurm drin Euhaplorchis californiensis heißt der kleine Saugwurm, der diesen Zyklus kon­ trolliert und in kalifornischen Salzsümpfen lebt. Wird ein Fisch infiziert, steigt die Wahrscheinlichkeit auf das Dreißigfache, dass er von einem Vogel gefressen wird. US-amerikanische Ökologen haben dieses Ökosystem nachgebaut – ohne den Parasiten. Nach kurzer Zeit fiel es in sich zusammen: Die Schnecken vermehrten sich hemmungslos, fraßen Algen ab, der Teich kippte um. Und: Die Population der Vögel schwand, da sie erheb­liche Probleme hatten, einen nicht erkrankten Fisch auch nur zu erblicken »Der Tod muss vom Herzen kommen, und das ist gar nicht so leicht, Und das macht Spaß? Haben Sie einen Lieblings­ komponisten? Schneckenfutter Fischfressende Vögel scheiden die winzigen Eier des Saugwurms mit ihrem Kot aus. Der wird von Hornschnecken gefressen. In den Schnecken schlüpfen kleine Larven, kastrieren die Schnecke und beginnen mit der Produktion von Schwanzlarven Fischplage Die Schwanzlarven bohren sich in den Fisch, wandern durch Gefäße zum Hirn, wo sie eine Art NeuroTeppich bilden: Befallene Fische ­erleiden Krämpfe, schwimmen an die Oberfläche, wo sie zur Beute werden Sie sind überall! Um den Faktor 4:1 überwiegen Parasiten Nicht­ parasiten. Allein auf jedes Säugetier kommen Hunderte, teilweise Tausende Parasiten, die darauf spezialisiert sind, in einer molekular definierten Nische im Innern ihres Wirtstieres zu überleben. Treiber der Evolution Als Antwort auf die stressigen Angriffe erfand die Natur die sexuelle Fortpflanzung: das ständige Neumischen der DNA. Eine andere Antwort ist Symbiose: Der Störer wird in den Organismus und die Bedürfnisse des Gestörten integriert – er wird Nützling. Innovative Ingenieure »Der Parasit erfindet eine neue Logik. Er kreuzt, er diagonalisiert den Austausch. Er versucht, Stimme gegen Substanz zu tauschen, Luftiges gegen Solides und Superstruktur gegen Infrastruktur«, so der französische Philosoph Michel Serres. PARASITEN Ein Projekt von Anna-Elisabeth Frick Premiere am 17. März im Nord 43 JUNGE SEITE Für Kinder ab 6 Jahren mit Singerfahrung fi­ndet­am­27.­März­im­ Opernhaus ein VORSINGEN FÜR DEN KINDERCHOR statt. Mehr Infos auf: www. oper-stuttgart.de/ kinderchor Obwohl ihre Eltern reich sind, schleicht Pünktchen sich nachts aus dem Haus, um ihrem armen Freund Anton beim »Geld verdienen« zu helfen. Erich Kästners PÜNKTCHEN UND ANTON wird am 16. April im Schauspielhaus gezeigt. AM THEATER ARBEITEN Von Narrenkleidern und Feuerwehreinsätzen Als Kostüm- und Bühnenbildnerin arbeitet Katharina Schlipf für Ballett, Oper und Theater. Für Demis Volpis Krabat hat sie eine zauberhafte Ausstattung entworfen Sie sind Bühnen­ und Kostümbildnerin. Hatten Sie diesen Berufswunsch schon immer? Als Kind habe ich in meiner Heimatstadt Rottweil Theater gespielt. An dem kleinen Theater mussten alle mitanpacken, auch beim Malen der Bühnenbilder. Fasnet trägt man in Rottweil traditionelle Kostüme. Bei der Kostümbildnerin, die auch mein »Narrenkleidle« genäht hat, habe ich mit dreizehn mein erstes Schulpraktikum gemacht, später, mit fünfzehn, folgte eins im Malsaal in Stuttgart. Ja, ich wollte immer Kostüme und Bühnen machen. In der Regel gestaltet eine Bühnenbildnerin das Bühnenbild, eine Kostümbildnerin die Kostüme. Sie machen beides. Warum? Mich hat immer beides interessiert. Wenn ich mit Demis Volpi an einem Stück arbeite, entwickle ich immer Bühne und Kostüme. Aber es gibt auch Regisseure, für die ich nur das Bühnenbild entwerfe. Was ist Ihnen an Krabat wichtig? Bei dem Ballett wollte ich zeigen, wie unfrei das Leben der Jungen bei dem Müller ist, der sich als böser Magier entpuppt, und dass es fast unmöglich ist, aus diesem Gefängnis auszubrechen. Auch Krabats Faszination für die Zauberei wollte ich zeigen. All dies ließ sich sehr gut mit Mehlsäcken darstellen: Sie sind ein Zeichen für die schwere Arbeit in der Mühle, lassen sich zu hohen Mauern auftürmen, fliegen durch die Luft. Allerdings haben sie die Werkstätten ganz schön herausgefordert. In einer Mühle hatte ich alte Mehlsäcke gefunden. Nach dieser Vorlage sollten 1400 Säcke genäht und dann auch das richtige Füllmaterial gefunden werden. Es sollte leicht sein und doch so aussehen, als wären die Säcke schwer. Es durfte nicht brennbar sein. Immer wenn wir glaubten, das Richtige gefunden zu haben, kam die Feuerwehr und hielt einen Bunsenbrenner dran. Erst nach drei Monaten fingen die Styroporkügelchen nicht mehr Feuer. 1 2= T 3 4 5 6= T + Manchmal bringen Einschränkungen sehr gute Ergebnisse. Bei Krabat habe ich für die Müllerjungen mit dickem, einengendem Leinenstoff gearbeitet, um ihr Gefangensein zu betonen. Tanzen konnten die Jungen darin natürlich trotzdem. Im Ballett werden Geschichten mit Bildern und Körpersprache erzählt. Ist es nicht schwer, Geschichten ganz ohne Worte zu verstehen? Auch bei Krabat war uns sehr wichtig, dass die Zuschauer die Geschichte mit dem feinen Zusammenspiel von Tanz, Musik, Bühne und Kostümen verstehen, selbst wenn sie das Buch nicht gelesen haben. Wir haben es deshalb mit Schulklassen getestet. Und: Es funktioniert! Interview: Isabelle Erler 1 Lieblingsbeschäftigung 2 3 4 5 6 7 8 + EN NACHGEFRAGT Was macht eigentlich ein Schauspieler, wenn er keine Vorstellung hat? Tänzer brauchen Kostüme, die sie nicht einengen. Schränkt das Ihre Ideen ein? Der Choreograph, die Dramaturgin und ich sprechen vor allem zu Anfang sehr viel über das Stück und wie wir mit Tanz, Bühne und Kostümen die Geschichte verständlich erzählen können. Bei diesem Austausch entstehen meine ersten Ideen. Die Entwürfe diskutieren wir dann gemeinsam. 44 Alter Inwiefern? Denken Sie sich so etwas allein aus? Links­prüft­Katharina­Schlipf­die­Rabenfl­ügel­ für Krabat. Die Mehlsäcke für das Bühnenmodell (oben) formte sie einzeln aus Knete Name Illustration: Andi Meier Kurz nachdem Krabat seine Lehrstelle in einer Mühle angetreten hat, merkt der Waisenjunge, dass er in die Fänge eines schwarzen Zauberers geraten ist. Der einzige Ausweg, sich und seine Freunde zu befreien ist … die Liebe. Das magisch-märchenhafte Ballett KRABAT von Demis Volpi nach dem Roman von Otfried Preußler ist am 11., 17., 18., 27. und 29. März im Opernhaus zu sehen. THEATERKINDER In diesen Kostümen treten Frau Müller und Herr Schulz am liebsten auf. Was stellen sie dar? Schreibe die Lösung auf. Dann streiche, tausche oder ergänze die Buchstaben der Worte den Zahlen entsprechend. Nun weißt du, was die beiden am Theater machen. Tipp: Der erste Buchstabe ist ein S! Foto: Roman Novitzky; Katharina Schlipf; Martin Sigmund TERMINE FÜR DICH RÄTSELHAFT F ür ein neues Theaterstück besprechen Regisseur und Schauspieler zunächst, was wichtig ist und wie die Figuren am besten dargestellt werden könnten. Dann lernt der Schauspieler seine Rolle auswendig. Manchmal muss er auch Dinge lernen, die er noch nicht kann, Akkordeon spielen zum Beispiel oder Einrad fahren. Im Anschluss wird geprobt. Geprobt. Und geprobt. Erst ohne, später mit Kostüm, richtig geschminkt und auf der fertig ausgestatteten Bühne. Weil der Schauspieler in mehreren Stücken mitspielt, lernt und probt er auch für mehrere Stücke gleichzeitig. Und wenn das Theater im Sommer pausiert, dreht er schon mal einen Film. Manchmal bleibt auch Zeit, einfach auf dem Sofa zu liegen oder in den Urlaub zu fahren. EC H T J ET Z T ? Wenn bei ein er aus verkau ften Vo rstellu Opern ng im haus a lle Gäs geister te bet klats chen, is Applau t dieser s fast s o laut ein Pre w ie sslufth amme r in Aktio n. Vor vier Jahren habe ich die Oper Peter Pan gesehen. Da haben so viele Kinder mitgesungen – danach wollte ich unbedingt in diesen Chor. Zum Glück hat es mit dem Vorsingen geklappt! Insgesamt sind wir im Kinderchor der Oper Stuttgart über sechzig Sängerinnen und Sänger zwischen sechs und neunzehn Jahren, jeder singt pro Spielzeit meist in mehreren Opern mit, ich diesmal in Tosca, Der Schaum der Tage, Pique Dame und Carmen, meiner Lieblingsoper. Vor Premieren proben wir etwa dreimal die Woche. Ich finde das nicht schlimm, denn ich habe im Chor viele Freunde, die ich eben nur hier treffe. Einmal hat Sir Simon Rattle uns zu einem Auftritt nach Berlin eingeladen. Aber leider hat es mit den Zeitplänen nicht gepasst, und wir sind nicht gefahren. Echt schade. Der Applaus am Ende einer Aufführung ist immer toll, aber am tollsten ist er bei Schulaufführungen! Da klatschen alle Zuschauer total wild und trampeln mit den Füßen. 45 Reihe 5 im Abo! BACKSTAGE DURCHSAGE 10. Januar, 10.10 Uhr Für die Zaubersäcke bitte mit Funkgerät kommen! Kostenlos und viermal im Jahr bieten wir Ihnen noch mehr Geschichten vor, auf und hinter der Bühne. Foto: Vladislav Parapanov Demis Volpis Ballett Krabat spielt in der Mühle eines Zauberers, unzählige Mehlsäcke bilden das Bühnenbild – und bewegen sich wie von Geisterhand geworfen. Die Meister dieses magischen Effekts sind Techniker, die sich hinter der Bühne mit Funkgeräten verständigen. WAS WAR DA LOS? Michael Nagl, Bassist am Opernstudio der Oper Stuttgart: »Ich bin gebürtiger Wiener. Doch selbst für einen Angehörigen einer Wintersportnation ist es nicht üblich, im Skianzug in eine Theaterkantine zu spazieren, um sich für die Pause einen Joghurt zu holen. Mein Aufzug ist ein Kostüm, das ich in Eugen Onegin trage. Die Oper, komponiert von Peter Tschaikowsky nach Puschkins gleichnamigem Epos, spielt in einer Gesellschaft, die an Kommerz und Kapitalismus kaputtzugehen droht. Die Regisseurin Waltraud Lehner hat die Handlung in eine russische Version von St. Moritz verlegt: einem Ort, in dem Wintersport auch darin besteht, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Ich singe eine relativ kleine Rolle, doch auch meine Figur kann sich nicht blicken lassen ohne das Outfit der Saison. In der Kantine muss ich nur aufpassen, mit den Skiern auf den Schultern nicht die Regale der Kühltheke abzuräumen.« Lösung von Seite 45: Statisten IMPRESSUM Herausgeber Die Staatstheater Stuttgart Geschäftsführender Intendant Marc-Oliver Hendriks Intendant Oper Stuttgart Jossi Wieler Intendant Stuttgarter Ballett Reid Anderson Intendant Schauspiel Stuttgart Armin Petras 46 Konzept ErlerSkibbeTönsmann & Grauel Publishing GmbH Beratung der Herausgeber Johannes Erler, Ralf Grauel Redaktion Ralf Grauel (Ltg.), Hiltrud Bontrup, Isabelle Erler (Junge Seite); Christoph Kolossa Redaktion für Die Staatstheater Stuttgart Thomas Koch, Claudia Eich-Parkin (Oper); Vivien Arnold, Ronja Ruppert (Ballett); Carolina Gleichauf, Jan Hein (Schauspiel) Gestaltung Anja Haas; Inga Albers Anzeigen Simone Ulmer [email protected] Druck Bechtle Druck&Service GmbH, Esslingen Erscheinungsweise 4 × pro Spielzeit Hausanschrift Die Staatstheater Stuttgart Oberer Schlossgarten 6 70173 Stuttgart www.staatstheater-stuttgart.de Hauptsponsor des Stuttgarter Balletts Förderer des Stuttgarter Balletts Partner der Oper Stuttgart Bestellen Sie unser Magazin Reihe 5 einfach kostenlos nach Hause! Per Post an: Die Staatstheater Stuttgart – Publikationen Postfach 10 43 45, 70038 Stuttgart Online unter: www.staatstheater-stuttgart.de/reihe5 220 000 LITER WEIN * * Als Kurfürst Carl Theodor in Heidelberg sein großes Fass aufmachte, blieb keine Kehle trocken. Genießen im großen Stil. In den historischen Mauern des Südens. www.tourismus-bw.de [email protected]