Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Diplom Sozialpädagogin (FH) Evaluation der therapeutischen Transferphase bei Personen mit Abhängigkeitsstörung Eine empirische Studie am Beispiel der psychotherapeutischen Fachklinik „Klinik im Hasel“, Aarau, Schweiz Vorgelegt am 15. November 2010 von Isabelle Glaubitt Matrikelnummer: 20705067 An der Fachhochschule Würzburg – Schweinfurt Im Diplomstudiengang Soziale Arbeit Betreuer: Herr Prof. Dr. Schermer Zweitprüfer: Herr Prof. Dr. Wiestner Danksagung Meine Diplomarbeit beinhaltet neben einer Menge Wissen, Fleiß und Aha-Erlebnissen auch noch sehr viel Schweiß, Tränen und geraufte Haare. Ich hätte ohne die Unterstützung einer Vielzahl von Menschen niemals sagen können, „jetzt ist sie fertig“. Ihnen möchte ich an dieser Stelle danken. Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Schermer. Ich danke ihm für die hilfreichen und kritischen Anmerkungen und für das Schokolädli, das zum richtigen Zeitpunkt kam. Ich möchte den Mitarbeitern der Klinik im Hasel Danke sagen. Danke, für das offene Ohr, das Interesse an meiner Arbeit und die Unterstützung. Im Besonderen danke ich Thomas Lüddeckens, Christine Steiner, Nancy Schmelzer, Olga Pennacchio und Martin Fleckenstein. Vielen herzlichen Dank natürlich auch an meine Probanden, ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Meinen Eltern Walther und Miranda und meinem Bruder Florian danke ich für die starken Nerven mit mir, die Geduld, meine Zeilen auch noch ein drittes Mal zu lesen und die stetige Zuversicht, dass ich es schaffen werde. Danke Dorothea, Hannah und vor allem Noah, der mir gezeigt hat, dass es neben den Arbeiten an meiner Diplomarbeit auch wichtig ist, Fußball und fangen zu spielen und Schlabberkämpfe zu veranstalten. Danke Gitte und Gudrun für das Komma am richtigen Platze. Danken will ich meinen Freunden, was wäre ich ohne sie. Max, der mich durch sein computerlicherliches und literarisches Know-How immer wieder auf den richtigen Weg gebracht hat. Eva und Katrin dafür, dass wir das gemeinsam durchgestanden haben und Lena und Stefan, die mit ihrem stetigen Vertrauen in mich, mich in meiner Selbstwirksamkeit gestärkt haben. 2 Inhalt 1 EINLEITUNG ................................................................................................................................... 7 2 THEORETISCHER HINTERGRUND ........................................................................................ 10 2.1 BEGRIFFSERKLÄRUNGEN .............................................................................................................. 10 2.1.1 Sucht und Abhängigkeit ...................................................................................................... 10 2.1.1.1 2.1.1.2 Alkoholabhängigkeit .................................................................................................................... 14 Abhängigkeit von Benzodiazepinen, Opioiden, Kokain und Cannabinoiden ............................... 16 2.1.2 Mehrfachdiagnosen (Komorbidität) ................................................................................... 18 2.2 THERAPEUTISCHE KONZEPTION DER KLINIK IM HASEL ................................................................ 21 2.3 SOZIALE LERNTHEORIE ROTTERS ................................................................................................. 27 2.3.1 Einflussreiche Determinanten auf das Verhalten ............................................................... 28 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.2 Verhaltenspotential ....................................................................................................................... 28 Verstärkerwert .............................................................................................................................. 29 Erwartungen ................................................................................................................................. 30 Psychologische Situation .............................................................................................................. 31 Kontrollüberzeugungen und Kompetenzüberzeugungen .................................................... 32 2.3.2.1 2.3.2.2 Internale- externale Kontrollüberzeugung .................................................................................... 32 Kompetenzerwartung ................................................................................................................... 33 2.3.3 Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit........................................... 34 2.4 LEIDENSDRUCK NACH DEN AUSLEGUNGEN VON BÜCHI................................................................ 37 2.4.1 Dimensionen des Leidens ................................................................................................... 38 2.4.2 Das Transaktionale Stress-Modell von Lazerus ................................................................. 40 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.2.4 Primäre Einschätzungen (primary appraisals) .............................................................................. 40 Sekundäre Einschätzungen (secondary appraisals)....................................................................... 43 Neueinschätzungen (reappraisals) ................................................................................................ 44 Bewältigung ................................................................................................................................. 45 2.5 DAS KONSTRUKT DER SELBSTWIRKSAMKEIT NACH BANDURA ..................................................... 47 2.5.1 Wirksamkeits- und Ergebniserwartung .............................................................................. 50 2.5.1.1 2.5.1.2 2.5.1.3 2.5.2 Quellen der Selbstwirksamkeit ........................................................................................... 52 2.5.2.1 2.5.2.2 2.5.2.3 2.5.2.4 2.5.2.5 2.5.3 2.5.4 3 Persönliche Erfahrung .................................................................................................................. 53 Indirekte Erfahrung ...................................................................................................................... 53 Mündliche Überzeugung bzw. verbale Unterstützung von Außenstehenden................................ 54 Emotionaler und physiologischer Zustand.................................................................................... 55 Verarbeitungs- und Informationsprozesse .................................................................................... 56 „Prospective Situations“ und „Given Attainments“ .......................................................... 56 Funktionsweisen der Selbstwirksamkeitserwartung ........................................................... 57 2.5.4.1 2.5.4.2 2.5.5 Wirksamkeitserwartung ................................................................................................................ 50 Ergebniserwartung........................................................................................................................ 51 Unterscheidung von Wirksamkeits- und Ergebniserwartung........................................................ 52 Kognitive Prozesse ....................................................................................................................... 57 Motivationale Prozesse ................................................................................................................. 58 Einfluss der Selbstwirksamkeitserwartung ......................................................................... 59 EMPIRISCHER TEIL ................................................................................................................... 62 3.1 FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN ............................................................................................ 62 3.2 BESCHREIBUNG DER MESSINSTRUMENTE ..................................................................................... 63 3.2.1 Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen .................................................. 63 3.2.2 PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure).......................................... 67 3.2.3 Fragebogen zur Selbstwirksamkeit (Bereichsspezifisch) .................................................... 69 3.3 UNTERSUCHUNGSDURCHFÜHRUNG ............................................................................................... 71 3.4 UNTERSUCHUNGSTEILNEHMER ..................................................................................................... 72 3.5 AUSWERTUNG ............................................................................................................................... 73 3.6 ERGEBNISSE .................................................................................................................................. 73 3.6.1 Ergebnisse des FKK ........................................................................................................... 73 3.6.1.1 3.6.1.2 3.6.1.3 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 1 .................................................................................. 74 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 2 .................................................................................. 75 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 3 .................................................................................. 76 3 3.6.1.4 3.6.2 3.6.3 4 Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für den FKK ............................................................................... 76 Ergebnisse zu PRISM (Self-Illness Separation).................................................................. 80 Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit ..................................................... 82 DISKUSSION .................................................................................................................................. 85 4.1 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ......................................................................................... 85 4.1.1 Zusammengefasste Ergebnisse des FKKs ........................................................................... 85 4.1.2 Zusammengefasste Ergebnisse von PRISM ........................................................................ 86 4.1.3 Zusammengefasste Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit ...................... 87 4.2 BEWERTUNG DER HYPOTHESEN .................................................................................................... 87 4.2.1 Bewertung der erste Hypothesen ........................................................................................ 88 4.2.2 Bewertung der zweite Hypothese ........................................................................................ 90 4.2.3 Bewertung der dritte Hypothese ......................................................................................... 93 4.3 KRITIK, FAZIT UND AUSBLICK ...................................................................................................... 95 5 LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................................... 98 6 ANHANG....................................................................................................................................... 103 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 EINFÜHRUNGSBLATT ZUR UNTERSUCHUNG ................................................................................ 103 FRAGEBOGEN SOZIODEMOGRAPHISCHE DATEN .......................................................................... 104 FRAGEBOGEN ZUR BEREICHSSPEZIFISCHEN SELBSTWIRKSAMKEIT ............................................. 105 STANDARDISIERTE EINFÜHRUNG VON PRISM ............................................................................ 109 ERKLÄRUNG ............................................................................................................................... 110 4 Tabellenverzeichnis TABELLE 1: SOZIODEMOGRAFISCHE DATEN ............................................................................ 72 TABELLE 2: FKK 1 ................................................................................................................................ 74 TABELLE 3: FKK 2 ................................................................................................................................ 75 TABELLE 4: FKK 3 ................................................................................................................................ 76 TABELLE 5: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR FKK 1 UND 2 .................................. 77 TABELLE 6: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR FKK 1 UND 3 .................................. 78 TABELLE 7: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR FKK 2 UND 3 .................................. 79 TABELLE 8: PRISM 1 UND 2 ............................................................................................................... 81 TABELLE 9: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR PRISM 1 UND 2.............................. 81 TABELLE 10: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 .......................................... 82 TABELLE 11: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 2 .......................................... 83 TABELLE 12: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR DIE BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 UND 2 ....................................................................................................... 84 5 Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: BEZIEHUNG ZWISCHEN WIRKSAMKEITS- UND ERGEBNISERWARTUNG..................................................................................................................... 50 ABBILDUNG 2: PRISM .......................................................................................................................... 68 ABBILDUNG 3: FKK 1 ........................................................................................................................... 74 ABBILDUNG 4: FKK 2 ........................................................................................................................... 75 ABBILDUNG 6: SELF-ILLNESS SEPARATION 1 ............................................................................ 80 ABBILDUNG 7: SELF ILLNESS SEPARATION 2 ............................................................................. 80 ABBILDUNG 8: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 ...................................... 82 ABBILDUNG 9: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 2 ...................................... 83 ABBILDUNG 10: FKK PRIMÄRSKALEN ALLER DREI MESSZEITPUNKTE ........................... 85 ABBILDUNG 12: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 UND 2 ........................ 87 6 1 Einleitung 1 Einleitung „Das Leben spielt draußen“. Mit diesem Satz beendete ein Patient der Klinik im Hasel seine letzte Gruppentherapiestunde. Mit „draußen“ meinte er das Leben außerhalb der Suchtklinik. Die Klinik im Hasel weiss, wie wichtig die Verzahnung von stationärer Therapie mit der Lebenswelt der Patienten außerhalb der Klinik ist. So sollte das Ziel jeder Therapie sein, den Patienten für sein eigenes Leben so weit rüsten zu können, dass er in der Lage ist, dieses wieder in einer würdigen Weise leben zu können. Hier spielen Aspekte der Selbstwirksamkeit, der Kontrollüberzeugung und der des Leidens unter der Suchterkrankung eine tragende Rolle. Die Transferphase der Klinik im Hasel, um deren Evaluation es in dieser Arbeit geht, versucht das Leben außerhalb der Klinik in die laufende Behandlung mit einzubeziehen. Um die Transferphase evaluieren zu können, war es wichtig, Theorien zu finden, die sowohl für eine erfolgreiche Therapie, als auch für einen gelingenden Alltag außerhalb der Suchteinrichtung von Bedeutung sind. Nach Recherchen in der Persönlichkeitsdiagnostik eignen sich dafür die soziale Lerntheorie Rotters, der Leidensdruck nach den Auslegungen von Büchi und das Konstrukt der Selbstwirksamkeit nach Bandura. Die meisten Suchtpatienten besitzen nach Angaben von Beck, Wright, Newman und Liese (1997) eine externale Kontrollüberzeugung. Sie sehen die Geschehnisse in ihrem Leben von mächtigen Personen, wie auch von Glück, Pech und Schicksal gesteuert. Gedanken in Form von: „Ich habe einfach keine Kontrolle drüber“, sind häufig bei Menschen mit einer niedrigen Kompetenz- und Kontrollfähigkeit zu finden. Daher beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, ob sich die Kontroll- und Kompetenzerwartungen der Patienten während der Behandlung verändern, besonders innerhalb der Transferphase. Die wahrgenommen Selbstwirksamkeit der Menschen beeinflusst ihr Leben. Im Bezug auf den Zusammenhang von Selbstwirksamkeit und Psychotherapie haben Fliege, Rose, Bronner und Klapp (2002) Prädiktoren der Behandlungsergebnisse stationärer psychosomatischer Therapie untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Selbstwirksamkeit, als auch Pessimismus Therapieergebnisse vorhersagen lassen. Fliege et al. geben an, dass eine höhere Selbstwirksamkeit eine Verbesserung der Alltagsfunktion erwarten lässt. Pessimistische Erwartungshaltungen dagegen mit 7 1 Einleitung geringen Behandlungserfolgen bezüglich der Lebensqualität einhergehen. Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit des Menschen ist bereichsspezifisch. In Bezug auf das Konzept der Transferphase traten die Bereiche allgemeine Lebenssituation, familiärer und beruflicher Bereich sowie die Suchterkrankung in den Vordergrund und mit ihnen die Frage, ob sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit der Patienten innerhalb der sechswöchigen Transferphase verändert. Wie stark ein Mensch von einer Krankheit tangiert wird, ist nach aktuellem Forschungsstand sehr unterschiedlich. PRISM versucht mit der Self-Illness Separation den Leidensdruck mit Hilfe einer einfachen bildlichen Darstellung zu messen. Für manche Menschen stellt die Krankheit das Zentrum ihres Lebens dar, andere akzeptieren die Krankheit, lassen sich von ihr jedoch nicht bestimmen. Die Distanz zwischen dem Selbst der Person und der Krankheit ist von vielerlei Faktoren abhängig und lässt sich z.B. durch therapeutische Intervention beeinflussen. Verändert sich diese Distanz aber auch in der Transferphase? Die verwendeten Messinstrumente, Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung, Fragebogen zur Selbstwirksamkeit und PRISM gelten als geeignet, um damit Menschen in schwierige Situationen besser einschätzen zu können und sie dadurch gezielter zu unterstützen. Natürlich ist es sehr subjektiv, ob der Übergang von einer stationären Therapie hin in die Lebenswelt ausserhalb der Klinik eine schwierige Situation darstellt. Hinsichtlich des Forschungsstandes und der wachsenden Bestrebungen, isolierte, stationäre Therapie abzubauen, kann auch von einem gesteigerten Interesse an therapeutischen Maßnahmen ausgegangen werden, den Menschen einen sanfteren Übergang von stationärer Therapie zum eigenständigen Leben zu ermöglichen. Im zweiten Kapitel werden die Komplexität einer Abhängigkeitserkrankung, sowie die für diese Untersuchung relevanten Störungsbilder dargestellt. Die Konzeption der Klinik im Hasel, sowie das therapeutische Konzept der Transferphase werden ebenfalls im theoretischen Teil behandelt. Die Hintergründe für die einzelnen Messinstrumente, die sich in die soziale Lerntheorie Rotters, die Interpretationen zu Leidensdruck in Anlehnung an Büchi und das Konstrukt der Selbstwirksamkeit nach Bandura gliedern, schließen den theoretischen Teil dieser Arbeit ab. 8 1 Einleitung Der dritte Teil dieser Arbeit ist der empirischen Auswertung gewidmet. Die Messinstrumente werden durch ihre statistischen Gütewerte vorgestellt. Der Untersuchungsablauf, die Beschreibung der Stichprobe sowie die Auswertung und Darstellung der Ergebnisse werden präsentiert. Das vierte Kapitel dieser Arbeit diskutiert die Ergebnisse. Eine Zusammenfassung, die Bewertung der Hypothesen sowie eine kritische Stellungnahme zu den Ergebnissen schließen diesen Teil ab. Im Anhang dieser Arbeit befinden sich das Einführungsblatt zur empirischen Untersuchung, der Fragebogen zu den soziodemografischen Daten, der Fragebogen zur bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit und das standardisierte Vorgehen von PRISM. Der Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung konnte nicht angefügt werden, da er nur in geschützter elektronischer Form vorliegt. Nähere Informationen über ihn finden sich in Krampen, 1991. Abschließend ist die Erklärung zur Diplomarbeit zu finden. 9 2 Theoretischer Hintergrund 2 Theoretischer Hintergrund Der theoretische Hintergrund dieser Arbeit erklärt die für diese Untersuchung relevanten Begriffe. Desweiteren werden in diesem Teil die Störungsbilder der Probanden, sowie das klinische Konzept, der Klinik im Hasel erläutert. Abschließend werden die theoretischen Hintergründe der Messinstrumente dargestellt. 2.1 Begriffserklärungen Das folgende Kapitel befasst sich mit der Erläuterung der relevanten Störungsbilder im Einzelnen. Die Begriffe Sucht und Abhängigkeit werden kurz dargestellt. Ausführlicher werden Störungsbilder aufzeigt, die in der Hauptdiagnose der Probanden diagnostiziert wurden. Die Nebendiagnosen werden in ihren wesentlichen Zügen umrissen. Um die Störungsbilder zu beschreiben, wurden die Definitionen des ICD-10 und des DSM-IV-IR gewählt. Diese gelten als die beiden gängigsten Klassifikationssysteme in der psychiatrischen Diagnostik und werden in etlichen Fachbüchern zitiert (vgl. Feuerlein, Küfner & Soyka (1998); Moggi (2002); Thomasius, (2000); Jungnitsch, 1999). Die im ICD-10 enthaltenen Forschungskriterien wurden durch eine multizentrische Feldstudie überprüft. „Inzwischen haben sie sich in der Forschung, vor allem aber auch in der klinischen und ambulanten Praxis gut eingeführt und bewährt“ (Dilling, Mombour & Schmidt, 2008, S. 9). Der DSM-IV wird vor allem im amerikanischen Raum angewendet. Beide Klassifikationssysteme entsprechen laut Jungnitsch (1999) Qualitätsmerkmalen, die für die Klassifikation von psychischen Störungen entscheidend sind. Für eine detaillierte Beschreibung dieser Merkmale wird auf Jungnitsch (1999) verwiesen. Aufgrund der kleinen Stichprobe in dieser Untersuchung wird nicht darauf eingegangen, wie sich die Störungsbilder auf die einzelnen Probanden verteilen, um deren Anonymität zu wahren. 2.1.1 Sucht und Abhängigkeit Sucht und Abhängigkeit werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft als Synonym verwendet. Es ist jedoch wichtig, die beiden Begriffe grundsätzlich zu unterscheiden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versuchte dies, indem sie in ihren Publikationen den Ausdruck „Sucht“ durch „Abhängigkeit“ ersetzte. Trotzdem wird der Begriff Sucht sowohl im alltäglichen wie auch im professionellen Kontext noch häufig 10 2 Theoretischer Hintergrund verwendet, z. B. in Wörtern wie Suchtmittel oder Suchtberatung (vgl. Beck et al., 1997; Petry, 1996). Sucht weist auf Anteile des Erlebens und Verhaltens hin, die über die Bedeutung der Abhängigkeit im allgemeinen Sinn hinausgehen. Der Mensch ist süchtig nach oder auf etwas, aber abhängig ist er von etwas. Das Wort Sucht leitet sich von dem Wort siech, also krank, ab. Betrachtet man alte Krankheitsbilder wie Gelb-, Bleich- oder Schwindsucht wird der Ursprung des Wortes deutlich. Hier schwingt eindeutig etwas Hinfälliges oder Schwaches mit, während heute Sucht mit einer Verhaltensweise verbunden wird, die überhandnehmend, unnormal und störend wirkt (vgl. Schneider, 2001). Schneider (2001) ist der Meinung, dass der Begriff süchtig am meisten zu tragen kommt, wenn eine Einschränkung der persönlichen Freiheit besteht und der Süchtige in der Auswahl seines Verhaltens durch das Suchtmittel bestimmt ist. Wanke definiert Sucht als ein „unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand, dem die Kräfte des Verstandes untergeordnet werden. Es verhindert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und mindert die sozialen Chancen des Individuums“ (1985, S. 20). Sucht beschreibt also eine Verhaltensweise, die unnormal oder störend wirkt, was jedoch als unnormal und störend angesehen wird, ist stark von dem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext abhängig. Die WHO hat 1998 ein gültiges und verbindliches Klassifikationssystem, die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10), eingeführt, herausgegeben von Dilling et al.. In dieser wird Sucht als das „Abhängigkeitssyndrom“ (F1.2) bezeichnet und unter Psychische- und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen eingeordnet. Das Abhängigkeitssyndrom wird durch die ICD-10 definiert als „eine Gruppe körperlicher, Verhaltens- und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz oder einer Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet worden sind. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, psychotrope Substanzen oder Medikamente (ärztlich verordnet oder nicht), Alkohol oder Tabak zu konsumieren“ (Dilling et al., 2008, S. 99). Im DSMIV-TR (Statistischen Manual psychischer Störungen, Saß, Wittchen, Zaudig & Houben, 2003), wird von „Substanzabhängigkeit“ gesprochen, welche sich dahingehend äußert, dass ein unangepasstes Muster von Substanzgebrauch in klinisch bedeutsamer Weise zu Beeinträchtigung und Leiden führt. 11 2 Theoretischer Hintergrund In der ICD-10 und in dem DSM-VI-TR werden diagnostische Leitlinien genannt. Von diesen müssen während des letzten Jahres drei oder mehr gleichzeitig vorhanden gewesen sein, um die sichere Diagnose „Abhängigkeitssyndrom“ bzw. „Substanzabhängigkeit“ stellen zu können (vgl. ICD-10, Dilling et al., 2008, S. 92-93; DSM-IV-TR, Saß et al., 2003, S. 99; Jungnitsch, 1999, S. 143): 1. Das Vorhandensein eines starken Wunsches oder Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren (ICD-10), 2. der Umgang mit der Substanz geprägt von einer verminderten Kontrollfähigkeit (ICD-10; DSM-IV-TR), 3. anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu verringern oder zu kontrollieren (DSM-IV-TR; unter Punkt 2 in der ICD-10 aufgeführt), 4. ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung des Konsums, das durch spezifische Syndrome, durch den Substanzentzug oder durch die Aufnahme der bestimmten Substanz oder ähnlicher Substanzen zur Milderung oder Vermeidung von Entzugssyndromen nachgewiesen wird (ICD-10; DSM-IVTR), 5. Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz erzielen zu können, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich (ICD-10; DSM-IV-TR), 6. fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, ein erhöhter Zeitaufwand bezüglich der Beschaffung, des Konsums oder der Erholung von den Folgen der Substanz (ICD-10; DSM-IV-TR), 7. trotz eindeutiger schädlicher Folgen bleibt der Substanzkonsum anhaltend. Als schädliche Folgen können z.B. depressive Verstimmung infolge starken Substanzkonsums oder Leberschädigung durch exzessives Trinken angesehen werden. Es sollte nachgewiesen sein, dass der Konsument sich über Art und Ausmaß der Folgen im Klaren ist (ICD-10; DSM-IV-TR). „Das Abhängigkeitssyndrom ist bei allen Substanzen ähnlich, die ein nennenswertes Abhängigkeitspotential aufweisen“ (Feuerlein et al., 1998, S. 4). Zu den Substanzen, die zu einer Abhängigkeit führen können, zählt die ICD-10 unter anderem Alkohol, 12 2 Theoretischer Hintergrund Sedativa oder Hypnotika, Opiate, Kokain, Cannabinoide, Amphetamine und Tranquilizer. Lindenmeyer (2001) beschreibt psychotrope Substanzen wie folgt: „Ein Stoff ist dann ein Suchtmittel, wenn er nach einer angenehmen Hauptwirkung eine unangenehme Nebenwirkung erzeugt, die durch erneute Einnahme der Substanz gestoppt werden kann“ (S. 47). Kann bei einem Patienten nicht eindeutig entschieden werden, welche der Substanzen die er konsumiert, die Dominierende im Störungsbild ist, zählt die ICD-10 dieses Störverhalten unter „Psychische Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen“ (Dilling et al., 2008, S. 93). Die Polytoxikomanie wird im Klassifikationssystem der ICD-10 unter F19 eingeordnet. Die Auswahl der Substanzen erfolgt hier eher wahllos und wird von der jeweiligen Stimmungslage des Betroffenen stark gesteuert. Schmidt erläutert, dass in beiden Klassifikationssystemen Missbrauch bzw. schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit als zwei voneinander unabhängige Störungen angesehen werden. Detaillierter wird unter „schädlicher Gebrauch“, das in der ICD-10 unter F1.1 zu finden, das „Konsummuster psychotroper Substanzen, das zu einer Gesundheitsschädigung führt“, verstanden (1999, S. 70). Als Beispiel für eine Gesundheitsschädigung wird eine körperliche Störung wie eine Hepatitis durch Selbstinjektion von Substanzen oder eine psychische Störung in Form einer depressiven Episode nach massivem Alkoholkonsum genannt. Der DSM-IV-TR schließt unter F1.1 „Substanzmissbrauch“ die sozialen Dimensionen eindeutig mit ein. Demnach ist das Hauptmerkmal des Substanzmissbrauchs ein fehlangepasstes Muster von Substanzgebrauch, das sich in wiederholten und deutlich nachteiligen Konsequenzen infolge des wiederholten Konsums manifestiert. In den beiden Klassifikationssystemen wird schädlicher Gebrauch (ICD-10; Dilling et al., 2008) bzw. Missbrauch (DSM-IVTR; Saß et al., 2003) einer psychotropen Substanz dann diagnostiziert, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien innerhalb des letzten Jahres erfüllt ist: 1. Versagen bei der Erfüllung wichtiger Pflichten, hier bezogen auf Schule, Arbeit und Familie (DSM-IV-TR), 2. wiederholter Substanzkonsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann (ICD-10; DSM-IV-TR), 13 2 Theoretischer Hintergrund 3. wiederholte Probleme mit dem Gesetz bezogen auf den Substanzkonsum (DSMIV-TR), 4. fortgesetzter Substanzkonsum trotz ständiger sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch den Substanzkonsum verstärkt werden (ICD-10; DSM-IV-TR). In den zwei folgenden Abschnitten werden jene stoffgebundenen Abhängigkeitsstörungen näher dargestellt, die bei den Probanden diagnostiziert wurden. Für eine detaillierte Darstellung des Abhängigkeitssyndroms ist auf diesen Abschnitt verwiesen. 2.1.1.1 Alkoholabhängigkeit Eine sehr häufige Abhängigkeitsstörung ist der Alkoholismus. Auch in der Klinik im Hasel (eine Beschreibung der Konzeption der Klinik im Hasel ist in Abschnitt 2.2 zu finden) haben die meisten in Behandlung befindlichen Patienten diese Diagnose. Abhängigkeit von Alkohol findet sich in der ICD-10 unter F1 „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ in der Unterkategorie F10 „Störung durch Alkohol“ wieder (Dilling et al., 2008). Feuerlein et al. zitieren eine Definition von Alkoholismus, die von den beiden führenden Fachinstanzen (National Council on Alcoholism and Drug Dependence, American Society of Addictive Medicine) formuliert wurde: „Alkoholismus ist eine primäre, chronische Krankheit, deren Entstehung und Manifestation durch genetische, psychosoziale und umfeldbedingte Faktoren beeinflusst wird. Sie schreitet häufig fort und kann tödlich enden […] durch die Verschlechterung des Kontrollvermögens beim Trinken und durch die vermehrte gedankliche Beschäftigung mit Alkohol, der trotz besseren Wissens um seine schädlichen Folgen getrunken und dessen Konsum häufig verleugnet wird“ (1998, S. 7). Die Rückfalltheorie von Marlatt wird im Folgenden in ihren wesentlichen Zügen dargestellt. Sie verdeutlicht die komplexen Zusammenhänge eines möglichen Rückfalles und eines Umgangs mit Rückfällen, der sich auch im therapeutischen Konzept der Klinik im Hasel wiederfindet. Zudem stellt sie den Zusammenhang und die Wichtigkeit der Selbstwirksamkeitserwartung und der Kontrollüberzeugung mit einer 14 2 Theoretischer Hintergrund erfolgreichen abstinenten Lebensweise dar. Marlatt stützt sich in seinem kognitivbehavioralen Modell zur Rückfallentstehung auf die sozial-kognitive Theorie Banduras (vgl. Körkel & Schindler, 2003). Das Modell bezieht sich auf Alkoholabhängige, die abstinent leben wollen und bindet kognitive, soziale und verhaltensbezogene Faktoren mit ein. Personen, die sich in einem dauerhaft unausgewogenen Lebensstil befinden, kommen in Versuchung, sich durch Alkohol Linderung zu verschaffen. Ein unausgewogener Lebensstil äußert sich beispielsweise in dauerhaft zu hohen Pflichten im Alltag („shoulds“) und Belastungen im familiären, beruflichen oder sozialen Bereich. Den Belastungen und der Unausgewogenheit stehen zu wenig Genuss und Freude, im englischen als „wants“ bezeichnet, gegenüber (vgl. Körkel, 2006). Diese konstante Überlastung fördert den Drang nach einer sofortigen Entlastung, wofür sich bei betreffender Person Alkohol gut eignet. Der Alkoholkonsum wird als selbstbelohnend gerechtfertigt. Das Verlangen nach der positiven Wirkung des Alkohols macht sich zudem bemerkbar. Durch diese Vorgänge steigt die Rückfallgefahr und kann durch Rationalisierung, Leugnung oder scheinbar unbedeutsame Entscheidungen verschleiert werden. Das gesteigerte Risiko eines Rückfalls wird zusätzlich erhöht durch riskante Situationen. Beck et al. (1997) geben zudem an, dass Marlatt und Gorden davon ausgehen, dass ein Süchtiger immer über ein gewisses Maß an Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit verfügt und sich diese auch zutraut. In Frage gestellt wird dieses Zutrauen dann, wird der Betroffene mit einer Risikosituation konfrontiert. Empirisch soll es sich als sinnvoll erwiesen haben, die Rückfallbedingungen in acht Hochrisikosituationen zu unterscheiden (vgl. Körkel, 2006). Körkel nennt als die Wichtigsten belastende, emotionale Zustände, zwischenmenschliche Konflikte und Aufforderung zum Mitkonsum. Wird eine Person nun mit einer oder mehreren solcher Risikosituationen konfrontiert, müssen ihr Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen, um mit diesen auf die belastende Situation reagieren zu können. Personen, die in einer Risikosituation einen Mangel an alkoholfreier Bewältigungskompetenz feststellen, erleben ein Sinken der Zuversicht, die Situation alkoholfrei überstehen zu können. Diese Personen besitzen eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung. Gleichzeitig steigt bei ihnen die Erwartung, mit Alkoholkonsum für die gewünschte Entlastung sorgen zu können. Nach Meinung Körkels kann es auch sein, dass Bewältigungskompetenzen gar nicht erst aktiviert werden, da die Situation nicht als eine risikobehaftete eingestuft wird. Er bezeichnet dies als „überoptimistische Selbstwirksamkeitserwartung“ (Körkel, 2006, S. 143). „Es 15 2 Theoretischer Hintergrund kommt sodann zum erstmaligen Wiederkonsum von Alkohol, der von gedanklichen (kognitiven) und emotionalen Prozessen begleitet wird“ (Körkel, 2006, S. 143). Die Person nimmt den Widerspruch in Form einer Dissonanz wahr. Diese besteht aus dem Wissen, eigentlich keinen Alkohol trinken zu wollen, es aber doch getan zu haben. Es folgen Erklärungsversuche durch die rückfällig gewordene Person. Die Kausalattributionen sind besonders „rückfallanheizend“, so Körkel, wenn der Wiederkonsum auf internale, stabile und globale Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt wird. Treten solche Erklärungsversuche auf, folgen diesen meist Ohnmacht und Resignation in Bezug auf das weitere Trinkverhalten. Selbstwertbeeinflussende Affekte wie Scham und Schuldgefühle treten auf. Es wird versucht, diese unangenehmen Gefühle durch Alkohol zu dämpfen. Zudem heben sie die Hemmschwelle, sich anderen anzuvertrauen. Geringer Konsum von Alkohol, der mit ungünstigen kognitiven und emotionalen Verzerrungen einhergeht, bezeichnet Marlatt als „Abstinenz-Verletzungs-Effekt“ (Körkel, 2006, S. 144). Attribuiert die Person das erneute Trinken nun internal, führt sie es also auf ihre eigene Unfähigkeit zurück, kann dies eine sich selbst erfüllende Prophezeiung hervorrufen. Der an sich leichte Vorfall ruft eine Wahrnehmung eines vermeidlichen Kontrollverlustes hervor. Man könne eh nichts mehr tun. Körkel stellt dem gegenüber, dass bei einer Person, die den „Ausrutscher“ auf externe Faktoren zurückführt, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es bei dem geringen Konsum bleibt und es nicht zu einem schweren Rückfall kommen muss (vgl. Körkel, 2006). Der Rückfall wird in dem Modell als eine Lernerfahrung dargestellt und kann insofern als positiv verstanden werden. 2.1.1.2 Abhängigkeit von Benzodiazepinen, Opioiden, Kokain und Cannabinoiden Benzodiazepine werden aufgrund ihrer pharmakologischen Elementareffekte von Ärzten sehr häufig verordnet. Sie haben unter anderem eine anxiolytische, sedierende und schlafinduzierende Wirkung. Für Poser (2000) sind es diese drei Wirkungen, die für gefährdete Personen die höchste Attraktivität bedeuten. Bei einer Medikamentenabhängigkeit kann zwischen einer Niedrigdosisabhängigkeit und einer Hochdosisabhängigkeit unterschieden werden. Letztere tritt häufig nach einer anderen Suchterkrankung wie etwa einer Alkoholabhängigkeit auf. Die Niedrigdosisabhängigkeit ist durch einen meist unauffälligen Verlauf schwierig zu erkennen. Auffällige Ausfallerscheinungen treten erst auf, so Poser (2000), wenn „sie keine Benzodiazepine mehr erhalten“ (S. 11). In der ICD-10 wurde die Störung unter F1 16 2 Theoretischer Hintergrund „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ in der Unterkategorie F13 aufgenommen (vgl. Dilling et al., 2008). „Die klassischen Opioide haben das höchste Abhängigkeitspotenzial aller Suchtstoffe“ (Poser, 2000, S. 12). Die akute Wirkung setzt sich aus Analgesie, Euphorie, Angstlösung, Sedierung und Atemdepression zusammen. Entsteht eine Abhängigkeit, so ist nach Bonnet und Gastpar typisch für Betroffene das so genannte Craving. Craving bedeutet, dass zum starken Verlangen nach der Substanz auch eine Einengung des Denkens, dass sich nur auf die Beschaffung von Opiaten richtet, um so die Entwicklung von Entzugssymptome zu vermeiden, hinzukommt (vgl. Bonnet & Gastpar, 1999). Die ICD-10 schließt die Störung unter F1 in der Unterkategorie F11 „Störung durch Opioide“ (Dilling et al., 2008, S. 93) in ihr diagnostisches Manual mit ein. „Störungen durch Kokain“ befinden sich in der ICD-10 als eine Unterkategorie von F1 in F14 (vgl. Dilling et al., 2008). Die Autoren Kraus, Kraus und Thomasius (2000) betonen, dass Kokain aufgrund seiner stimulierenden Rauschwirkung besonders bei jungen Menschen attraktiv ist. Eine Abhängigkeit von Kokain gehe oft mit der Assoziation anderer psychischer Störungen einher. Ein besonderes Problem der Diagnostik einer Kokainabhängigkeit ist die enge Bezogenheit der diagnostischen Kriterien im ICD-10 sowie im DSM-IV auf Substanzen wie beispielsweise Alkohol oder Heroin, die in erster Linie betäubend wirken und ein hohes Abhängigkeitspotential haben (vgl. Kraus et al., 2000). Es kann zu Kokaintrips kommen, die mehrere Stunden oder Tage anhalten. Auf diese folgt dann meist eine Erholungs- und Abstinenzphase von mehreren Tagen. Diese Abstinenz spricht allerdings nicht gegen eine Abhängigkeit „sondern ist Ausdruck des kokainspezifischen Applikationsmusters“ (Hähnchen & Gastpar, 1999, S. 267). Die Effekte des Cannabiskonsums sind häufig ein erhöhtes Wohlbefinden, ein Gefühl der Entspannung, eine als angenehm empfundene Apathie und eine vereinzelt beobachtete Euphorie (vgl. Rommelspacher, 1999). In der Unterkategorie zu F1 ist „Störung durch Cannabinoide“ (Dilling et al., 2008, S. 93) in F12 in die ICD-10 eingeordnet. Beim Cannabisentzug sollen selbst nach einem schweren Missbrauch keine Entzugssyndrome auftreten. Es soll jedoch häufig zu Schlaflosigkeit, Unruhe und Reizbarkeit kommen. 17 2 Theoretischer Hintergrund 2.1.2 Mehrfachdiagnosen (Komorbidität) Oft gehen Abhängigkeitserkrankungen mit anderen Störungsbildern einher. Maier, Franke und Linz (1999) zitieren Feinstein, der angibt, dass unter Komorbidität das „zeitlich gemeinsame Auftreten von verschiedenen Störungen bei einem Patienten“ zu verstehen ist (S. 83). Moggi zitiert Dilling, der unter Doppeldiagnosen „im Allgemeinem die Komorbidität […] oder das gemeinsame Auftreten psychischer Störungen (z. B. Angststörung, Depression, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen; PS) und einer Substanzstörung (Störung durch eine oder mehrere psychotrope Substanzen wie Missbrauch oder Abhängigkeit […]) bei derselben Person in einem bestimmten Zeitraum […]“ versteht (Dilling, in Druck, zitiert nach Moggi, 2002, S. 15). Maier et al. nennen Studien von Weissmann et al. (1980) und Regier et al. (1990). Gegenstand dieser Studien sind Komorbidität von Substanzabhängigkeitsstörungen und anderen Störungen in der Allgemeinbevölkerung. So soll sich ein „exzessives gemeinsames Vorhandensein von Lebenszeitdiagnosen von psychotischen, Stimmungs-, Angst- und Persönlichkeitsstörungen einerseits und von Alkoholismus, Drogenmissbrauch und Abhängigkeit“ andererseits ergeben haben (Maier et al., 1999, S. 84). Die Autoren nennen weiter, dass unipolare Depressionen und Alkoholismus oft eng miteinander verbunden sind (vgl. Maier et al., 1999). Feuerlein et al. (1998) befassen sich mit den Ergebnisse der „Epidemiological Catchment Area Study“; diese umfasst eine repräsentative Stichprobe von 20 000 Probanden. Unverhältnismäßig stark repräsentiert waren bei Alkoholiker Diagnosen wie „antisoziale Persönlichkeit“, „Manie“, „Schizophrenie“ und „Missbrauch anderer Drogen“. Eine psychiatrische Erkrankung kann sich beispielsweise aus dem Alkoholkonsum heraus entwickeln in Form einer „substanzinduzierten Störung“ als Folge des Rausches oder des Entzugs. Psychische Störungen können allerdings dem Substanzmissbrauch auch vorausgehen und diesen negativ beeinflussen. Die enge genetisch- biologische Verbindung zwischen Substanzmissbrauch und einer bestimmten Störung stellt einen weiteren Erklärungsgrund für eine mögliche psychiatrische Komorbidität dar (vgl. Mann & Schwärzler, 2000). Bei der Medikamentenabhängigkeit soll es am häufigsten zu einer psychiatrischen Komorbidität kommen. Die Begleiterkrankungen, Syndrome und die damit verbundenen Leiden treten nach der Beendigung des Medikamentenkonsums häufig wieder auf oder existieren parallel (vgl. Poser, 2000). Laut einer amerikanischen Studie soll es die engste Verbindung zwischen einer 18 2 Theoretischer Hintergrund Substanzabhängigkeit und antisozialen Persönlichkeitsstörungen geben (vgl. Maier et al., 1999). In dieser Arbeit werden jene psychischen Störungen dargestellt, die bei den Probanden diagnostiziert wurden. Depressionen werden in der ICD-10 unter F30-F39 „affektive Störungen“ eingeordnet. Die ICD-10 nennt folgende Hauptsymptome der Störung: „Veränderung der Stimmung oder der Affektivität, meist zur Depression hin, mit oder ohne Angst, oder zur gehobenen Stimmung hin. Der Stimmungswechsel wird in der Regel von einem Wechsel des allgemeinen Aktivitätsniveaus begleitet“ (Dilling et al., 2008, S. 140). Häufig finden sich bei den hier relevanten Probanden in der medizinischen Diagnose „rezidivierende depressive Störungen“ wieder. Diese sind in der Kategorie F33 in der ICD-10 zu finden. Sie äußert sich dahingehend, dass immer wieder depressive Episoden im leichten, mittelgradigen oder schweren Ausmaß auftreten. „Dysthymia“ in der Kategorie F34.1, ICD-10, ist eine „chronisch depressive Verstimmung, die nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden gegenwärtig nicht die Kriterien für eine leichte oder mittelgradige, rezidivierende depressive Störung erfüllt (F33.0, F33.1)“ (Dilling et al., 2008, S. 161). Eines der wesentlichen Kennzeichen für dieses Störungsbild ist, dass die stetige depressive Verstimmung niemals oder nur sehr selten das Ausmaß erreicht, um die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung zu erfüllen. Posttraumatische Belastungsstörungen sind in der in Kategorie F43 unter der Bezeichnung „Reaktion auf schwere Belastung und Anpassungsstörungen“ in der Unterkategorie F43.1 in der ICD-10 zu finden (vgl. Dilling et al., 2008). Posttraumatische Belastungsstörungen entstehen laut der ICD-10 als „verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ (Dilling et al., 2008, S. 183). Die ICD-10 zählt sowohl Naturereignisse als auch von Menschen ausgelöste Katastrophen als belastendes Ereignis dazu. Typische Merkmale sind laut der ICD-10 das wiederholte erleben eines Traumas in sogenannten „Flashbacks“ oder „Nachhallerinnerungen“, wie auch in Träumen, die von einem ständig andauernden Gefühl des Betäubtseins und emotionaler Stumpfheit einhergehen. Der Betroffene vermeidet oft aus Furcht Stichworte, die ihn an das traumatische Ereignis erinnern 19 2 Theoretischer Hintergrund können. „Gewöhnlich tritt ein Zustand vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit auf“ (Dilling et al., 2008, S. 183). Posttraumatische Belastungsstörungen sind oft verbunden mit dem Auftreten von Depressionen und Angst und werden auch mit den entsprechenden Symptomen benannt. Auch können Drogeneinnahme und ein übermäßiger Alkoholkonsum als erschwerende Faktoren hinzukommen (vgl. Dilling et al., 2008). „Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ sind in der Kategorie F6 in die ICD-10 aufgenommen. Die Unterkategorie F60.4. beschreibt eine „histrionische Persönlichkeitsstörung“. Personen mit einer solchen Diagnose zeigen theatralisches Verhalten, neigen zu Dramatisierung bezüglich ihrer Person und zu einem übertriebenen Ausdruck von Gefühlen. Sie lassen sich von anderen Personen leicht beeinflussen und haben eine oberflächliche und labile Affektivität. Sie besitzen ein stetiges Verlangen nach Aufmerksamkeit und wollen immer im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Im Verhalten zeigen sie außerdem ein nicht passendes, verführerisches Erscheinungsbild. Für sie spielt die körperliche Attraktivität eine überaus entscheidende Rolle (vgl. Dilling et al., 2008). Im Abschnitt F4 der ICD-10 sind „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ festgehalten. Die Unterkategorie F40 benennt „phobische Störungen“. Soziale Phobien, F40.1, beginnen meistens in der Jugend. Sie äußern sich dahingehend, dass die Furcht vor der kritischen Betrachtung von anderen Menschen in eher kleinen Gruppen zu einer Vermeidung sozialer Situationen führt. Soziale Phobien können sich auf einzelne Bereiche begrenzen, wie beispielsweise das Sprechen vor anderen Personen. Sie können auch unbeschränkt auftreten und sich über fast alle sozialen Situationen außerhalb des Familienkreises ausdehnen. Personen mit solch einer Diagnose haben meist ein geringes Selbstwertgefühl und Angst vor Kritik. In ihrer extremsten Form kann eine soziale Phobie eine vollkommene soziale Isolation zur Folge haben (vgl. Dilling et al., 2008). Die in der Unterkategorie F.42 des ICD-10 festgehaltene „Zwangsstörung“ ist gekennzeichnet durch wiederkehrende zwanghafte Gedanken und Handlungen. Diese Gedanken und Handlungen sind meist von stereotypem und quälendem Charakter. Gedanken mit obszönem und gewalttätigem Inhalt werden als eigene Gedanken interpretiert, obwohl die betroffene Person sie selbst 20 2 Theoretischer Hintergrund als unwillkürlich und abstoßend empfinden kann. Zwangshandlungen werden von dem Betroffenen oft als eine Vorbeugung vor bevorstehenden bedrohlichen Ereignissen gesehen. Auffallend bei einer Zwangserkrankung ist der enge Zusammenhang mit einer Depression (vgl. Dilling et al., 2008). So zeigen zwanghafte Personen oft depressive Symptome. Umgekehrt erleben depressive Personen während einer depressiven Episode oft Zwangsgedanken. Die Unterkategorie F42.2 nennt die Mischform von Zwangsgedanken und Handlungen. Diese ist zu diagnostizieren, wenn die Symptome für Zwangsgedanken und Handlungen gleichwertig auftreten. 2.2 Therapeutische Konzeption der Klinik im Hasel Die Klinik im Hasel (AG) liegt im Kanton Aargau in der Schweiz. Sie ist eine Klinik, die Menschen mit substanzgebundenen Störungen (Substanzstörung) behandelt. In der 42-Betten-Klinik werden sowohl Frauen als auch Männer in einem Zeittraum von 16 bis zu 40 Wochen behandelt. Die Dauer der Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Abhängigkeit, der Behandlungserfahrung, der Begleiterkrankungen und dem Ausmaß der sozialen Unterstützung. Die Transferphase ist ein Teil des Therapieprogramms der Klinik im Hasel, das sich abstinenzorientiert und inhaltlich an die von der Fachgesellschaft Arbeitsgemeinschaft (AWMF) der aufgestellten Wissenschaftlichen Richtlinien zur Medizinischen Postakutbehandlung alkoholbezogener und anderer substanzbezogener Störungen anlehnt. Zusammenfassend soll nach diesen Richtlinien „der Erhalt, eine Verbesserung oder eine Herstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeiten der chronisch Kranken oder dem behinderten Menschen in Alltag und Beruf erreicht werden“ (Geyer et al., 2006, S. 9). Das therapeutische Konzept der Klinik basiert auf einem integrativen bio-psychosozialen Suchtmodell. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass die Sucht und die häufig zusätzlich auftretenden psychischen Störungen in einem komplexen, oft nicht überschaubaren Zusammenwirken des Suchtmittels mit der Umwelt des Betroffenen entstehen. Das Modell setzt sich aus den biologischen, personalen und sozialen Faktoren zusammen. Die drei Faktoren werden im Folgenden kurz umrissen. Eine detaillierte Darstellung des bio- psycho-sozialen Suchtmodells ist bei Feuerlein (1989) zu finden. 21 2 Theoretischer Hintergrund Die biologische Komponente will zum Ausdruck bringen, dass eine Suchterkrankung keine Erbkrankheit im engeren Sinne bedeutet. Dennoch belegen etliche Forschungsarbeiten den erheblichen Einfluss der Suchtmittelwirkung, der Entstehung und der Aufrechterhaltung des Suchtmittelkonsums durch genetische Faktoren (vgl. Anthenelli & Schnuckit, 2004). Personale Faktoren äußern sich in erster Linie in der Regulation von Affekten. Der Suchtmittelgebrauch dient als Problemlösestrategie, die das gesamte Leben des Betroffenen massiv beeinflussen. Das soziale System, in dem sich ein Süchtiger befindet, beeinflusst dessen Verhalten und Suchtmittelgebrauch und findet sich in den sozialen Faktoren des Suchtmodells wieder. Die therapeutische Grundausrichtung der Klinik ist geprägt von einem humanistischen Menschenbild, das sich durch Empathie, Echtheit und Kontingenz auszeichnet. Die therapeutische Ausrichtung der Klinik ist überwiegend verhaltensorientiert. In die Arbeit sind kognitive Modelle wie auch der systemische Ansatz integriert. Als übergeordnete Behandlungsziele gelten Selbstbestimmung in der Lebensführung und eine gleichberechtigte und integrierte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Konkrete Teilziele der Behandlung sind unter anderem: emotionale und kognitive Akzeptanz der Abhängigkeitserkrankung, Besitz sozialer Kompetenzen, Problemlösestrategien und Konfliktfähigkeit, realistische Selbstwirksamkeitserwartung, Gefühlswahrnehmung und Emotionskontrolle, Bewusstsein für persönliche Ressourcen und Qualitäten. Die Klinik im Hasel sieht Abstinenz als eines ihrer obersten Ziele an. Im Bezug auf Rückfälle orientiert sie sich an der Rückfalltheorie Marlatts, die entgegen der klassischen Sichtweise auf die Abstinenz, nach der ein Rückfall in der Behandlung eine Beendigung der Therapie zur Folge hätte, eine gezielte Weiterbehandlung nach einem Rückfall als eine neue Behandlungsoption postuliert. Der Rückfall wird in klassischer Sichtweise mit einem Mangel an Abstinenzmotivation assoziiert. Körkel, der das Modell von Marlett ausführlich dargestellt hat, äußert sich demgegenüber zu den Zielen nach einem Rückfall wie folgt: die „Ziele der Weiterbehandlung sind die Aufarbeitung des Rückfalles und die Entwicklung von Präventionsstrategien für die Zukunft“ (Körkel, 2006, S. 147). Das Rückfallmodell von Marlatt wurde in Abschnitt 2.1.1.1 in seinen wesentlichen Zügen dargestellt. Aufgenommen werden Menschen mit einer stoffgebundenen Abhängigkeit, mit schweren Formen des schädlichen Gebrauchs und mit anderen süchtigen 22 2 Theoretischer Hintergrund Verhaltensweisen. Weiter können Menschen mit zusätzlichen psychiatrischen Störungen, sogenannten Doppeldiagnosen, eine Behandlung erhalten. Ein Therapieangebot der Klinik im Hasel besteht aus Einzelpsychotherapie. Jedem Patienten ist ein Therapeut zugeteilt, der eine zentrale und während des gesamten Therapieprozesses konstante Bezugsperson darstellen soll. Weitere Angebote der Klinik sind Paar- und Familiengespräche, um so auch das familiäre und soziale Umfeld des Betroffenen bei Bedarf mit einbeziehen zu können, und Helferkonferenzen. Bei den Helferkonferenzen treffen sich Vor- und Nachbehandelte mit den in Behandlung befindlichen Patienten. Dies soll einem Austausch und der Erprobung von neu erlernten Fähigkeiten dienen. Gruppentherapeutische Angebote stellen in der Klinik im Hasel einen weiteren wichtigen Aspekt der Behandlung dar. Patienten sollen in dem sozialen Mikrokosmos lernen, angstfrei ihre Bedürfnisse zu äußern. Die gruppentherapeutischen Angebote gliedern sich nach den Behandlungsphasen. Der Patient besucht in den ersten sieben Wochen die Einführungsgruppe. Hier sollen Basiswissen über die Suchterkrankung und das therapeutische Konzept vermittelt werden. Folgende Module werden für die Suchterkrankung angeboten: Craving/ Reissen und Rückfall; Somatische Folgen der Alkoholabhängigkeit und des Folgeerkrankungen; Hausregeln; Rauchens; Informationen Entspannungsverfahren über und Drogen und Angebote im arbeitstherapeutischen Bereich. Parallel zur Einführungsgruppe werden die Patienten in Pools eingeteilt. Die Pools sind ein therapeutisches Angebot in Kleingruppen. Jeder Patient wird zu Beginn seiner Therapie einem Pool zugeteilt. Der Pool bestehend aus acht bis zwölf Patienten und wird von den zuständigen Einzeltherapeuten geleitet. Ein weiterer wichtiger Behandlungsaspekt der Klinik im Hasel ist das Rückfallpräventionstraining nach Körkel und Schindler. Themen wie Vorbeugung, primäre Rückfallprävention, Umgang mit Rückfällen, sekundäre Rückfallprävention kommen hier zum Tragen. Ein weiteres Angebot ist die Frauengruppe. Sie trifft sich einmal in der Woche. Eine Selbstsicherheitsgruppe und eine Gruppe zum Training sozialer Kompetenzen stellen ein weiteres Behandlungsangebot dar. Als letzte Angebote bietet die Klinik eine Entspannungsgruppe und eine Hausversammlung an. In der Hausversammlung kommen alle Personen der Klinik zusammen, sowohl Patienten als auch Therapeuten, um aktuelle Anliegen zu diskutieren und zu erörtern. 23 2 Theoretischer Hintergrund Die Therapie für Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung gliedert sich in der Klinik im Hasel in die Einstiegsphase, die Kernphase und die Transferphase. In der Einstiegsphase wird eine umfassende Problemanalyse erstellt. Hierfür werden alle zur Verfügung stehenden Informationen verwendet, um so ein möglichst umfassendes, individuelles Sucht-Erklärungsmodell für den jeweiligen Patienten zu erstellen. Am Ende der Einstiegsphase, etwa in Woche vier bis sieben, wird ein Therapieplan erstellt. Dieser legt den individuellen Verlauf der Therapie des Patienten fest. In der folgenden Kernphase sind die im Therapieplan festgelegten Behandlungsziele entscheidend. Hier kommen Einzeltherapie, gruppen- und arbeitstherapeutische Methoden zum Einsatz. In diesen therapeutischen Settings stehen der Erwerb von sozialen Kompetenzen und eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung im Mittelpunkt. Der Patient tritt aus der Kernphase sechs Wochen vor Ende seines Klinikaufenthaltes in die Transferphase ein. Eine Verkürzung oder Verlängerung ist konzeptionell nicht vorgesehen. Selbst wenn sich die im Therapieplan festgelegten Zeitpunkte ändern sollten, bleiben die 6 Wochen, in denen sich der Patient in der Transferphase befindet, konstant. Das Konzept der dritten Behandlungsphase, der Transferphase, wird im folgenden Abschnitt ausführlich dargestellt. Therapeutisches Konzept der Transferphase Die Aufnahme in die Transferphase erfolgt über eine standardisierte Aufnahmeprozedur (Übertrittskonferenz). In dieser Übertrittskonferenz kommen der Patient, der zuständige Einzeltherapeut und der in der Transferphase zuständige Therapeut zusammen. Inhaltlich umfasst das Gespräch eine kurze Schilderung des bisherigen Verlaufs der Therapie, individuelle Besonderheiten sowie die Ziele und Befürchtungen des Patienten bezüglich der Transferphase. Die Punkte werden mündlich abgefragt und protokolliert. Die therapeutische Grundhaltung wird, wie auch in der Anfangsphase und Kernphase, durch ein humanistisches Menschenbild geprägt. Wichtig ist im Vergleich zu der Kernphase, dass sich die Beziehung von Therapeut und Patient dahingehend verändern soll, dass die zuvor sehr intensive und unterstützende Beziehung von einer wohlwollenden, aber von deutlich mehr Distanz geprägten Beziehung, abgelöst werden soll. Erreicht werden soll in dieser Phase ein langsamer Abnabelungsprozess von der stark vorgegebenen Struktur der Kernphase, hin zu einer eigenverantwortlichen und selbst organisierten Struktur. 24 2 Theoretischer Hintergrund Die sechswöchige Transferphase stellt den Versuch einer intensiven Verzahnung der Therapie mit der poststationären Ausgangssituation für den Patienten dar. Bedingt durch den alltagsfremden Klinikaufenthalt muss der Patient wieder lernen, sich mit seinem individuellen Alltag auseinanderzusetzen. Die Patienten werden gegen Ende der Therapie mehr und mehr mit dem Leben außerhalb der Klinik konfrontiert. Fragen zum Verhältnis zur Familie, zum Beschäftigungsverhältnis und, wenn dieses nicht besteht, inwieweit eine Integration in den Arbeitsmarkt möglich ist, sowie Fragen nach adäquaten Freizeitgestaltungen. Dabei werden auch mögliche Arten der Nachbetreuung für die individuelle Lebenssituation besprochen. In der Kernphase der Therapie wurden Antworten zu diesen Fragen identifiziert und therapeutisch aufgearbeitet. Die Transferphase dient jetzt dazu, diese praktisch umzusetzen. Das Hauptthema dieser Phase ist demnach die Auseinandersetzung mit der poststationären Realität. Austrittsrelevante Faktoren erlangen in dieser Zeit eine hohe Bedeutung. Den Patienten so intensiv wie möglich auf den Austritt in die individuelle Lebenswelt vorzubereiten kann, laut Auffassung der Klinik, nur gelingen, wenn die Lebenswelt außerhalb der Klinik schon mit in den Therapieprozess einbezogen wird. Der Patient soll in diesen sechs Wochen eine Fokussierung auf die größtmögliche Übernahme von Eigenverantwortung und Selbstorganisation erfahren. Die Patienten wohnen in den sechs Wochen zusammen mit anderen Patienten in einer Gruppe, die sich hauptsächlich selbstständig und eigenverantwortlich versorgt. Ein solcher Wechsel der Wohnsituation soll auch den Wechsel von der Kernphase der Behandlung in die Transferphase betonen. Das bedeutet für den Patienten einen weiteren Schritt in die Selbstständigkeit. Es werden immer weniger klinische Strukturen vorgegeben, um mehr und mehr die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu fördern und zu fordern. Die therapeutische Behandlung orientiert sich an den Prinzipien der Verhaltenstherapie. In den Behandlungsangeboten liegt der Schwerpunkt auf Gruppentherapien, die mehrmals innerhalb der sechs Wochen mit klar definierten, unterschiedlichen Inhalten stattfinden. 25 2 Theoretischer Hintergrund Die Oberpunkte der Sitzungen gliedern sich in: 1. Die wöchentliche Aufnahmegruppe dient dem inhaltlichen Übergang von der Kernphase in die Transferphase. Die „neuen“ Patienten werden durch die erfahren Patienten in die gegebenen Konstellationen eingeführt. 2. Bei der CRA-Gruppe (Community Reinforcement Approach) wird davon ausgegangen, dass jeder Patient mit einer Abhängigkeitserkrankung eine aktive Leistung zeigen muss, um abstinent leben zu können. Den Patienten soll verdeutlicht werden, dass, wenn sie ihre Achtsamkeit und Aktivität bezüglich ihrer Abstinenz aufgeben, ein erhöhtes Rückfallrisiko wie eine erneute Abhängigkeit eintreten können. Ereignisse oder Verhaltensweisen der Patienten, die geholfen haben, abstinent zu bleiben, sollen in diesem Setting erkannt und benannt werden. Zum einen erlebt der Patient seine eigene Wirksamkeit gegenüber dem Konsummittel. Zum anderen kristallisiert sich heraus, was im Umgang mit Risikosituationen hilfreich und notwendig ist, um diese meistern zu können. 3. Die offene Gruppenpsychotherapie bietet mit ihren Wirkfaktoren (Kohäsion, Universalität, Altruismus, Lernen am Vorbild) die Möglichkeit, austrittsrelevante Problemstellungen zu bearbeiten. Die Patienten sollen durch die gruppendynamischen Selbstständigkeit gestärkt Prozesse in werden. ihrer Eigenverantwortung Spezifische Themen und der Gruppenpsychotherapie sind unter anderem Rückfallaufarbeitung, Klärungen der aktuellen Abstinenzmotivation, Umgang mit Versagensängsten bzw. Selbstüberschätzung, Umgang mit Schlüsselsituationen und Risikosituationen. 4. Die „Ehemaligengruppe“, findet alle 3 Wochen statt. Kern dieser Gruppe soll der Austausch zwischen bereits ausgetretenen und sich in der Behandlung befindenden Patienten sein. Hier spielt der Gedanke der Vorbildfunktion eine entscheidende Rolle. 5. Die „Angehörigengruppe“ soll pro Therapiezyklus zweimal stattfinden. Das erste Treffen hat als Schwerpunkt die Rückfallthematik. Das zweite Treffen hat den Schwerpunkt der Co-Abhängigkeit. Einzelinterventionen finden nur noch nach Bedarf statt. Diese können sowohl der Patient als auch der Therapeut äußern und anmelden. 26 2 Theoretischer Hintergrund Ein weiteres wichtiges Behandlungsangebot in der Transferphase sind die so genannten „Helferkonferenzen“. Ziel dieser Helferkonferenzen ist es, das Netzwerk zwischen den Personen, die am Suchtausstieg beteiligt sind, herzustellen und zu stabilisieren. Die verschiedenen Parteien kommen zusammen, um die Möglichkeit zu nutzen, die unterschiedlichen Erwartungen zu äußern. Auch können hier mögliche Verdrängungsmechanismen sowohl beim Patienten selber als auch im Netzwerk um die Parteien aufgedeckt werden. Die Helferkonferenzen dienen der Übertragung der Therapieinhalte in den Außenkontext. Diese Übertragung stellt einen zentralen Bestandteil der Transferphase dar. Veränderungen, die in der Kernphase der Therapie stattgefunden haben, werden nun immer mehr auf die Außenwelt des Patienten übertragen. Der Patient befindet sich noch in der geschützten Umgebung der Klinik, dennoch setzt er sich mit seiner eigenen Lebenswelt außerhalb der Klinik mehr und mehr auseinander. Die therapeutische Konzeption der Klinik im Hasel ist auf ihrer Homepage detailliert dargestellt. (www.klinikimhasel.ch, Link 1) 2.3 Soziale Lerntheorie Rotters Die soziale Lerntheorie der Persönlichkeit von J. B. Rotter kann laut Krampen als „eine dynamische, interaktionistische Entwicklungstheorie der Persönlichkeit“ angesehen werden (Krampen, 1987, S. 6). Sie entspricht in ihrem Kern den erwartungs-mal-wert theoretischen Modellannahmen. Rotter verbindet in seiner Theorie behavioristische und kognitive Elemente. Durch die Berücksichtigung von Interaktionen, also den Wechselwirkungen zwischen Dispositionen und situativen Kontextbedingungen bei der Ausformung eines bestimmten Verhaltens, hat er die empirische Persönlichkeitsforschung angeregt. Nach Bodenmann, Perrez, Schär und Trepp wird, gemäß Rotter, Verhalten nicht alleine durch unspezifische Reizreaktions- Verbindungen bestimmt, wie es bei der operanten oder klassischen Konditionierung postuliert wird. Danach wird Verhalten auch durch die subjektive Annahme und Verarbeitung von Informationen und die dazu gehörigen Mechanismen bestimmt (vgl. Bodenmann et al., 2004). „Rotter versteht unter Lernen die Stärkung bzw. Schwächung von (spezifischen und generalisierten) Erwartungen auf der Grundlage von Lernerfahrung“ (Bodenmann et al., 2004, S. 201). Die Theorie Rotters gewinnt unter anderem ihre Bedeutung dadurch, dass sie etliche Forschungsarbeiten zu Persönlichkeitsmerkmalen, internal 27 2 Theoretischer Hintergrund versus externale Kontrollüberzeugung (locus of control) angeregt hat (vgl. Amelang, Bartussek, Stemmler und Hagemann, 2006). Rotter versucht, menschliches Verhalten in sozialen Situationen zu erklären, und er sieht das Individuum in einer dauerhaften Interaktion mit seiner Umwelt. Die Umwelt determiniert das Individuum in seinem Verhalten und besteht zu einem großen Teil aus sozialen Situationen. Nach Rotter beeinflussen soziale Situationen den Erwerb von Verhaltensweisen des Individuums. Rotter begründet die Bezeichnung des sozialen Lernens dadurch, dass „die hauptsächlichen und grundlegenden Arten des Verhaltens in sozialen Situationen erlernt werden und unauflöslich mit Bedürfnissen verbunden sind, die zu ihrer Befriedigung die Mittlerstellung anderer Personen erfordert“ (1954, S. 84, zitiert nach Beckmann & Heckhausen, 2006, S. 104). Die Theorie Rotters wurde mit der Absicht entwickelt, so Bodenmann et al., „menschliches Verhalten zu erklären und auch vorhersagen zu können“ (2004, S. 202). 2.3.1 Einflussreiche Determinanten auf das Verhalten Als zentrale Begriffe seines Konzeptes gelten Verhaltenspotential, Verstärkerwert, Erwartung und die psychologische Situationseinschätzung (vgl. Bodenmann et al., 2004). Mit Hilfe dieser Determinanten kann das mögliche Auftreten einer bestimmten Verhaltensweise in einer gegebenen Situation erkannt werden. Bodenmann et al. geben an, dass diese vier oben genannten Einflussgrößen das Verhalten determinieren. 2.3.1.1 Verhaltenspotential Das Verhaltenspotential bedeutet die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten aus einer Menge unterschiedlicher Handlungsalternativen ausgeführt wird. So differenziert sich, laut Rotter, Verhalten zum einen in beobachtbare Verhaltensweisen, auch instrumentelles Verhalten genannt, zum anderen in nicht beobachtbares Verhalten, welches nur erschlossen werden kann (emotionales oder kognitives Verhalten). Rotter verknüpft mit dieser Annahme die Ansätze des klassischen Behaviorismus mit denen der kognitiven Ansätze. Im Zentrum von Rotters Interesse steht das gelernte soziale Verhalten, das im Zusammenhang mit Erwartung steht. Diese Erwartungen stehen wiederum im Zusammenhang mit Verstärkungsprozessen. „Erwartungen werden laut Rotter, Chance und Phares (1972) durch Lernerfahrungen (im Sinne der operanten Konditionierung) entwickelt und generalisiert und entscheiden darüber, ob letztlich ein 28 2 Theoretischer Hintergrund Verhalten in einer bestimmten Situation gezeigt wird oder nicht (Verhaltenspotential)“ (Bodenmann et al., 2004, S. 205). Das Verhaltenspotential wird zum einen bestimmt durch die Erwartung, einen Verstärker zu erreichen. Der Wert eines Verstärkers und die psychologische Situation an sich bestimmen zudem das Verhaltenspotential. Um eine Vorhersage von Verhalten zu ermöglichen, muss das Verhaltenspotential für jede in Frage kommende Verhaltensweise bestimmt werden. Diese Aussage verdeutlicht Rotter mit folgender Formel: BPx, S 1, Ra = f (Ex, s1, Ra & RVa, S1) Der linke Teil der Gleichung bezieht sich auf das Verhaltenspotential (BP) eines spezifischen Verhaltes BPx in einer bestimmten Situation (S1) im Hinblick auf die Verstärkung (Ra). Die rechte Seite der Gleichung stellt die Funktion zweier Komponenten dar. Zum einen die Erwartung (E), dass dem Verhalten Ex in einer bestimmten Situation (S1) die Verstärkung (Ra) folgt. Die andere Komponente bildet sich aus dem zugeteilten Wert dieser Verstärkung (RVa) in der bestimmten Situation (S1) (vgl. Bodenmann et al., 2004). Die aus dieser Gleichung hervorgehende Annahme wird auch Erwartungs-mal-Wert Theorie genannt. Hier kann der Schluss gezogen werden, Rotter sei der Auffassung, dass die Verstärkung von Verhalten nicht zwangsläufig eine Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens bezweckt. Vielmehr ist dies nach Rotter nur der Fall, wenn der Verstärker eine gewisse Attraktivität repräsentiert und auch durch das eigene Handeln der Person erreicht werden kann. Der Verstärker eines Individuums steht in einem Zusammenhang mit der kognitiven Einschätzung und damit, welchen subjektiven Wert der Verstärker für das Individuum besitzt. Weiter ist auch die eigenständige Erreichbarkeit des Verstärkers von Bedeutung (vgl. Bodenmann et al., 2004). 2.3.1.2 Verstärkerwert Rotter versteht unter Verstärkerwert die Bevorzugung eines bestimmten Verstärkers gegenüber anderen. Verstärker selber werden als „jene Handlungen, Zustände oder Ergebnisse verstanden, die das zielgerichtete Verhalten einer Person beeinflussen“ (Mielke, 1982, S. 15). Der Verstärker besitzt einen relativen Wert, der sich nach dem 29 2 Theoretischer Hintergrund Wertniveau der anderen Verstärker richtet. In Anlehnung an Mielke (1982) lässt sich der Verstärkerwert wie folgt erklären: die Auftretenswahrscheinlichkeit aller möglichen alternativen Verstärker ist für eine Person in einer gegebenen Situation gleich hoch, der Verstärkerwert zeigt an, wie hoch die Präferenz für einen bestimmten Verstärker in dieser gegebenen Situation ist. Nach Rotters Auffassung, die sich am empirischen Effekt-Gesetz orientiert, ist jedes Ereignis verstärkend, das die Richtung eines Verhaltens beeinflusst (vgl. Bodenmann et al., 2004). Der Verstärkerwert steht in einem engen Zusammenhang mit den Wünschen und den Bedürfnissen, die einer Person innewohnen. Die Verstärkung muss für die Person Attraktivität ausstrahlen. Rotter sieht Bedürfnisse wie Anerkennung, Sicherheit und Liebe oft in einem Zusammenhang mit einem hohen Verstärkerwert (vgl. Bodenmann et al., 2004). Mielke äußert sich zu dem Wert eines Verstärkers wie folgt: „Der Wert eines Verstärkers ist also zu einem abhängig von der jeweiligen Situation, d.h. von dem möglichen Auftreten alternativer Verstärker, zum andern ist er aber auch abhängig von persönlichkeitsspezifischen Vorlieben für bestimmte Verstärker“ (1982, S. 16). 2.3.1.3 Erwartungen Jede Situation beinhaltet Hinweisreize, die bei der Person bestimmte Erwartungen hervorrufen, so Rotter (vgl. Mielke, 1982). Diese Erwartungen beziehen sich wiederum darauf, dass bestimmte Verstärker durch bestimmte Verhaltensweisen erreicht worden sind. Erwartung ist definiert als „subjektive Wahrscheinlichkeit...dass ein bestimmter Verstärker oder eine Gruppe von Verstärkern in einer bestimmt gegebenen Situation oder in bestimmt gegebenen Situationen auftreten wird“ (Rotter et al., 1972, S. 24 zitiert nach Mielke, 1982, S. 16). Erwartungen nehmen bei Rotter einen hohen Stellenwert ein. Laut den Autoren Bodenmann et al. (2004) knüpft er an das Konstrukt der Zielerwartung von Tolman an. Tolman vertritt die Meinung, dass jedes Verhalten zielgerichtet ist. Um die Zielgerichtetheit zu erreichen, sind Kognitionen wie Erwartungen erforderlich (vgl. Bodenmann et al., 2004). Die Person hat in einer bestimmten Situation die Erwartung, dass sie durch ein bestimmtes Verhalten einen bestimmten Verstärker erreichen kann. Diese Erwartungen der Person setzten sich aus Erfahrungen zusammen. Der Begriff Erwartung gliedert sich in spezifische Erwartungen (gegebene Situation weckt Erinnerung an ähnliche Situationen) und generalisierte Erwartungen (pauschale 30 2 Theoretischer Hintergrund Ursachenzuschreibung wie talentiert oder untalentiert, klug oder dumm). Spezifische Erwartungen sind eng mit einer konkreten Situation verbunden und sind das Resultat entsprechender Lernprozesse. Die kognitive Landkarte, die eine „strukturierte mentale Abbildung (Repräsentation) unserer Umwelt“ ist (Downs & Stea, 1982, S. 90, zitiert nach Dück, 2001, S. 152), reicht, versehen mit den spezifischen Erwartungen, zumindest subjektiv gesehen für die Bewältigung der Situation aus. Rotter fokussiert sich hauptsächlich auf generalisierte Erwartungen (vgl. Bodenmann et al., 2004). Unter generalisierten Erwartungen kann eine „Zusammenfassung einer Vielzahl von Erfahrungen in verschiedenen Situationen für eine relativ breite Klasse von Verhaltensweisen und Verhaltenskonsequenzen“ verstanden werden (Amelang et al., 2006, S. 419). Diese Handlungs-Ergebnis-Erwartungen werden geformt durch frühere Erfahrungen. Die Generalisierung kann sich auf Situationen, die ähnliche Verstärker, Ziele oder Bedürfnisse beinhalten, beziehen oder auf strukturelle Ähnlichkeit der Situation, aber mit unterschiedlichen Verstärkern. Sie spielen eine besondere Rolle in Situationen, die der Person neu sind und für die bislang noch keine spezifischen Handlungs-Ergebnis- und Ergebnis-Folge-Erwartung aufgebaut werden konnten (vgl. Krampen, 1987). Die Person bildet Erwartungen über einen Zusammenhang von Verhalten und Verhaltenskonsequenzen, die durch lerntheoretische Mechanismen aus früher Erlebtem generalisiert wurden. Sie geben dem Individuum die Möglichkeit, durch gelernte Überzeugungen sich neuen Situationen stellen zu können. „Die generalisierten Erwartungen basieren auf strukturellen Situationsähnlichkeiten, die jedoch unterschiedliche Verstärker oder Ergebnisse beinhalten“ (Krampen, 1987, S. 93). 2.3.1.4 Psychologische Situation In der psychologischen Situation ist die persönliche Wahrnehmung der Situation für die Ausformung des individuellen Verhaltens entscheidend (vgl. Bodenmann et al., 2004). „In der psychologischen Situation werden die Erwartungen und der Wert einer Verstärkung generiert und determiniert. Die psychologische Situation ist für Rotters interaktionistische Sichtweise von zentraler Bedeutung, da sie dem entspricht, was in weniger komplexen Zusammenhängen als „Stimulus“ bezeichnet wird“ (Bodenmann et al., 2004, S. 207). 31 2 Theoretischer Hintergrund 2.3.2 Kontrollüberzeugungen und Kompetenzüberzeugungen Der Begriff Kontrollüberzeugung bietet laut Amelang et al. (2006) eine wenig präzise Übersetzung für den Orginalterminus aus dem Englischen, „Locus of Control of Reinforcement (Kurzform: Locus of Control)“ (S. 420). In dieser Arbeit wird dennoch der in der Fachliteratur gängige Begriff (vlg. Mieke, 1982; Krampen, 1987; Schermer 2005) der Kontrollüberzeugung verwendet. Innerhalb der Erwartungen, die für Rotter von hoher Bedeutung sind, unternimmt er dahingehend eine Unterscheidung, wo das Individuum die Kontrolle über sich und die Geschehnisse wahrnimmt. Es kann sie innerhalb von sich selbst lokalisieren oder außerhalb von sich selbst (vgl. Bodenmann et al., 2004). Kontrollüberzeugungen werden konzipiert aus „Generalisierungen von situationsspezifischen Handlungs-Ergebnis-Erwartungen“ (Krampen, 1987, S. 109). 2.3.2.1 Internale- externale Kontrollüberzeugung Die Lokalisation der Kontrolle differenziert Rotter in zwei Pole, die internale bzw. die externale Kontrollüberzeugung. Personen, die davon ausgehen, dass sie für die Ergebnisse und Folgen ihrer Handlung selbst verantwortlich sind, werden als Personen mit internaler Kontrollüberzeugung bezeichnet. Personen mit einer internalen Kontrollüberzeugung haben laut Rotter die Erwartung, dass sie ihre Umwelt kontrollieren können (vgl. Bodenmann et al., 2004). Externale Kontrollüberzeugung erwartet man, wenn Personen Verstärkung, Bestrafung oder andere Ereignisse auf Schicksals-, Zufalls- und Glücksumstände oder von mächtigen Personen verursacht, auf die sie keinen Einfluss haben, zurückführen. Personen mit einer externalen Kontrollüberzeugen erleben sich nicht als die Umwelt kontrollierende, sondern von der Umwelt kontrollierte (vgl. Bodenmann et al., 2004). Personen reagieren nun aufgrund der individuellen Ausprägung ihrer externen bzw. internen Kontrollüberzeugung unterschiedlich auf das gleiche verstärkende Ereignis. Die Reaktion auf ein Ereignis ist abhängig von der Überzeugung, inwieweit eine Kontingenz zwischen dem vorausgegangen eigenen Verhalten und dem Verstärker besteht. Hat eine Person eine Prüfung gut bestanden, und führt sie dies auf ihr eigenes Können zurück, kann das als internale Kontrollüberzeugung bezeichnet werden. Eine andere Person, die ebenso gut die Prüfung meisterte, könnte dieses aber auf Glück oder Zufall zurückführen (externe Kontrollüberzeugung). 32 2 Theoretischer Hintergrund Rotter systematisierte 1975 das Konstrukt der externalen Kontrollüberzeugung. Er unterscheidet die passive- externale Kontrolle, bei der die Person die Ausgänge auf Zufall, Glück oder Schicksal zurückführt, von der defensiv- externalen Kontrolle. Hier führt die Person die Ereignisse auf andere Personen zurück. Diese Differenzierung wurde von einigen Theoretikern vorgedacht. So findet sie Ausdruck in der von Levenson 1972 entworfenen Konzeption. Levenson nimmt eine Trennung der generalisierten Kontrollüberzeugung in drei Aspekte vor. Diese sind zum einen die Internalität. Die Person erlebt sich hier als kontrollierend in ihrem Leben und bei Ereignissen. Weiter die sozial bedingte Externalität („powerful others control orientation“). Wichtige Ereignisse sind abhängig von anderen, ggf. mächtigen Personen. Als dritte Unterteilung sieht Levenson die fatalistische Externalität („chance control orientation“). Diese drückt aus, wie stark das Leben von Schicksal, Glück oder Pech abhängig ist. Diese Trennung findet durch den IPC- Fragebogen ihren diagnostischen Niederschlag und stellt einen Ausgangspunkt für den in dieser Arbeit verwendete Fragebogen zu Kompetenz und Kontrollüberzeugung dar (vgl. Bodenmann et al., 2004, S. 204; Krampen, 1991, S. 19-34). 2.3.2.2 Kompetenzerwartung Unter dem Begriff Kompetenzerwartung wird in Anlehnung an Krampen (1991) die subjektive Erwartung verstanden, dass in einer gegebenen Situation Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Schwarzer und Jerusalem (1989) zählen Kompetenzerwartungen, synonym zu Selbstwirksamkeitserwartungen, den selbstbezogenen Kognitionen zu. Weiter verstehen sie darunter „mehr oder weniger generalisierte, zeitstabile und strukturierte Gedanken, Vorstellungen, Bildepisoden, Schemata oder Modelle von der eigenen Person, die in bestimmten Situationen aktualisiert werden“ (S. 129). Unter Einbeziehung der Kompetenzerwartungen können realistische Pläne der Handlungsplanung und –kontrolle erstellt werden. Bandura (1986) erläutert, dass Kompetenzerwartungen typische Zusammenhänge einer Kausalattribution nach Misserfolgen aufweisen. Bei einer Person mit niedriger Kompetenzerwartung ist mit einer Ursachenzuschreibung auf Unfähigkeit zu rechnen, bei einer hohen Kompetenzerwartung eher auf mangelnde Anstrengung. Perrez unterscheidet vier Möglichkeiten, wie Kontrollüberzeugungen und Kausalattributionen in der Ontogenese erworben werden können. Zusammengefasst wurde dies durch Bodenmann et al. (2004). Kontrollüberzeugungen können durch objektive Erfahrungen 33 2 Theoretischer Hintergrund entstehen. Dies beginnt ab der Geburt. Der Erwerb erfolgt durch stellvertretende Erfahrung. Die Person beobachtet relevante Zusammenhänge bei anderen Personen. Die symbolische Vermittlung von Zusammenhängen in der Form von Märchen, Geschichten und Filmen ist eine weitere Quelle der Entstehung von Kontrollüberzeugungen. Als letztes nennt Perrez die fremdinterpretierte Kontingenz. Hier ist die Interpretation der Interaktion von Person und Umwelt wesentlich für die Kontrollüberzeugung (vgl. Perrez, 1989). 2.3.3 Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit (im Folgenden: HPP, Krampen, 1987, 1991) ist eine Differenzierung und Weiterentwicklung des Rotterschen Ansatzes durch Krampen. Dieses Modell will laut Krampen „eine systematische und theoretisch fundierte Integration allgemein-psychologischer und persönlichkeitspsychologischer Ansätze“ (1991, S. 9) erreichen. Das zentrale Anliegen beider Ansätze ist interaktionistischen die Vorhersage Modell von werden Erleben situative und Verhalten. In Determinanten dem mit Persönlichkeitsvariablen verknüpft, so dass eine Beschreibung und Vorhersage von Handlung und Handlungsintentionen ermöglicht wird. Krampen postuliert in seinem Modell eine Reihe von Persönlichkeitsdispositionen, die auf jede Erwartung Einfluss nehmen. Handlungen und Handlungsintentionen werden durch das HPP zurückgeführt auf: (1) „Situations-Ergebnis-Erwartungen als die subjektiven Erwartungen einer Person darüber, daß ein bestimmtes Ereignis in einer gegebenen Handlungsoder Lebenssituation auftritt oder verhindert wird, ohne daß die Person selbst aktiv wird und handelt; (2) Kompetenzerwartungen (Situations-Handlungs-Erwartung) als subjektive Erwartungen darüber, daß in der gegebenen Situation der Person Handlungsalternativen – zumindest aber eine Handlungsmöglichkeit – zur Verfügung stehen; (3) Kontingenzerwartung (Handlungs-Ergebnis-Erwartung) als subjektive Erwartung darüber, daß auf eine Handlung bestimmte Ereignisse folgen oder nicht folgen; 34 2 Theoretischer Hintergrund (4) Instrumentalitätserwartung (Ergebnis- und Ereignis-Folge-Erwartung) als subjektive Erwartung darüber, daß bestimmten Ergebnissen oder Ereignissen bestimmte Konsequenzen folgen; (5) Die subjektiven Bewertungen (Valenzen) der Handlungsergebnisse und Ereignisse; sowie (6) Die subjektiven Bewertungen (Valenzen) der Folgen“ (Krampen, 1991, S.13). Diese Basisvariablen erlauben eine Aussage über Handlungsintention und Handlung, wenn sich eine Person in einer subjektiv bekannten, kognitiv strukturierbaren, starken Handlungs- und Lebenssituation befindet. Persönlichkeitsmerkmale, die über eine relative zeitliche und situative Stabilität verfügen, können in solchen allgemeinpsychologischen Handlungstheorien nicht bestimmt werden. Bei Personen, die sich in eher schlecht strukturierten („schwachen“) Situationen befinden, in denen sie nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können, sind in diesem Modell die Einflüsse auf die Handlungsintention größer als die eher situationsgebundene Variable. Es finden auf allen Konstruktebenen Generalisierungen statt, die zu unterscheidbaren, situativen, zeitlich stabilen Persönlichkeitsvariablen führen, durch die sowohl die Person als auch interindividuelle Unterschiede beschrieben werden können. Die oben beschriebenen Erwartungen des differenzierten Erwartungs-Wert-Modells werden in das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit integriert. Zu (1): Situations-Ergebnis-Erwartungen bedeutet, dass eine Person in ihren subjektiven Erwartungen darauf vertraut, dass in einer Situation, auch ohne ihr eigenes Zutun, positiv bewertete Ereignisse auftreten bzw. negativ bewertete Ereignisse verhindert werden. „Die Person vertraut oder misstraut der Situationsdynamik“ (Krampen, 1991, S. 15). Der Begriff für dieses Persönlichkeitskonstrukt, das sowohl die sozialen als auch psychischen Aspekte umfasst, ist Vertrauen. Zu (2): Kompetenzerwartungen (Situations-Handlungs-Erwartung) „Das entsprechende Persönlichkeitskonstrukt wird als Selbstkonzept eigener Fähigkeiten bezeichnet“ (Krampen, 1991, S. 15). Personen haben situative Erwartungen darüber, dass ihnen eine oder mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Hat eine Person in einer bestimmten Situation viele Handlungsalternativen als zur 35 2 Theoretischer Hintergrund Verfügung stehend erfahren, erlebt sie sich als kompetent. Hat eine Person eine niedrige Kompetenzeinschätzung, führt das zu der generalisierten Annahme, dass ihr in Situationen wenige bis keine Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Zu (3): Kontingenzerwartungen „werden in ihrer Generalisierung als Kontrollüberzeugungen bezeichnet“ (Krampen, 1991, S. 15). Sie enthalten die subjektive Erwartung einer Person, durch eigene Handlungen Ereignisse kontrollieren zu können. Zu (4): Instrumentalitätserwartungen (Ergebnis und Ergebnis-Folge-Erwartung), „werden in ihrer generalisierten Form als Konzeptualisierungsniveau benannt (Krampen, 1991, S. 15). Es bezeichnet das Ausmaß der individuellen Überzeugungen und inwieweit eine Person die Handlungs- und Lebenssituation in ihrer Dynamik versteht, um so (multiple) Konsequenzen von Handlungen oder Ereignisse vorhersagen zu können. Zu (5): Die subjektive Bewertung (Valenz) der Handlungsergebnisse und Zu (6): Die subjektiven Bewertungen (Valenzen) der Folgen. Die Punkte (5) und (6) beziehen sich darauf, inwieweit die Folgen einer Handlung einen gedanklichen Anreizwert bieten. Nur wenn eine Person das Ergebnis ihrer Handlung mit positiven oder wünschenswerten Folgen in Zusammenhang bringt, zieht sie eine Aktivität in Erwägung. Das Ergebnis der Handlung muss zudem für die Person erreichbar sein. Die Valenz, die sich auf die letzten beiden Punkte bezieht, „findet ihre Generalisierung in den allgemeinen Wertorientierungen und Lebenszielen einer Person“ (Krampen, 1991, S. 15), (vgl. Krampen, 1991, S. 14ff.; Wuttke, 2006, S. 11ff.). „Mit dem Handlungstheoretischen Partialmodell der Persönlichkeit liegt demnach ein Ansatz vor, der unter funktionaler Perspektive interaktionistische Vorstellungen mit der Möglichkeit verbindet, Aussagen über den relativen deskriptiven und prognostischen Wert von Persönlichkeitsvariablen und situationsspezifischen Personvariablen zu machen“ (Amelang et al., 2006, S. 424). Der aus diesem Modell entstandene Fragebogen (Fragebogen zu Kompetenz und Kontrollüberzeugung) ist ein Messinstrument dieser Untersuchung. Auf ihn wird in Abschnitt 3.2.1 detailliert eingegangen. Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit ist eng mit dem Konstrukt von Heckhausen verbunden, der sich ausführlich mit einer Situations-Ergebnis36 2 Theoretischer Hintergrund Erwartung auseinandergesetzt hat. Heckhausen gliedert den motivationalen Prozess in vier Ereignisstadien, die er als Situation, Handlung, Ergebnis und Folgen benennt (vgl. Heckhausen, 1989, S. 466-472 zitiert nach Schermer, 2005, S. 188). Diese vier Ereignisstadien sind mit spezifischen Erwartungsformen miteinander verbunden (vgl. Schermer, 2005). Heckhausen sieht die Verbindungen wie folgt: Im Ereignisstadium einer Situation wird die Ergebniserwartung durch die betreffende Person unter der Prämisse beurteilt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis ohne gezieltes Handeln erreicht werden kann. Unter Handlungsergebnis-Erwartung werden die für die Zielerreichung benötigten Anstrengungen der Person berücksichtigt. In der Handlungs-bei Situation-Ergebnis-Erwartung wird ausgedrückt, wie stark äußere und variable Bedingungen auf die Handlungs-Ergebnis-Erwartung Einfluss nehmen. Der Ergebnis-Folge-Erwartung wird in dem Modell von Heckhausen eine besondere Relevanz zugesprochen. Heckhausen bezeichnet die Ergebnis-Folge-Erwartungen wie folgt: „den Grad, mit dem ein Ergebnis instrumental für das Eintreten einer Folge mit besonderem Anreizwert ist“ (1989, S. 468, zitiert nach Schermer, 2005, S. 189). Schermer (2005) schließt daraus, dass es in diesem Modell die Folgen einer Handlung sind, die den motivierenden Anreiz ausmachen. Schermer stellt die möglichen Folgen eines Handlungsergebnisses, die Heckhausen in drei Arten klassifiziert, sinngemäß folgendermaßen zusammen: Die Selbstbewertung als eine Folge sagt aus, wie wichtig das erzielte Ergebnis für die Person selbst ist. Das geschieht durch einen selbstbestimmten Gütemaßstab. Eine weitere Folge kann die Annährung an ein Oberziel, das in ferner Zukunft liegt, bedeuten. Als letzte Folge nennt Schermer die Fremdbewertung. Diese erfolgt durch die Umwelt der betroffenen Person. Stimmt diese mit der Selbstbewertung überein, liegen gleiche Standards vor, weichen sie voneinander ab, kann daraus Neid auf eine erbrachte Leistung entstehen (vgl. Schermer, 2005). 2.4 Leidensdruck nach den Auslegungen von Büchi In wieweit eine Krankheit eine Person tangiert, ist sehr unterschiedlich. Hier soll die wahrgenommene Distanz zwischen dem Selbst und der Krankheit eine tragende Rolle spielen. Diese Distanz stehe in Relation zum Leidensdruck. Aus Arbeiten von Büchi (2001) geht hervor, dass es eine erstaunlich geringe theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Leiden in der Medizin gibt. In der Literatur, so Büchi, findet sich keine allgemein akzeptierte Definition von Leiden. Es lässt sich aber feststellen, dass sich einige theoretische Arbeiten bezüglich dieses Themas finden, die Leiden als eine 37 2 Theoretischer Hintergrund Erfahrung, die untrennbar mit der Person verbunden ist, verstehen. Cassel, dessen Arbeit im New England Journal of Medicine publiziert wurde, ist einer derjenigen der sich intensiv mit dem Thema Leidensdruck beschäftigt hat. Cassel begründet die theoretisch nur so geringe Auseinandersetzung mit dem Thema Leidensdruck durch die Aufspaltung des Körpers in Körper und Geist. So sei die Religion für die Seele des Menschen verantwortlich und die Medizin für den Körper. Diese Auffassung lasse allerdings außer Acht, dass Leiden die Person in ihrer Ganzheit betrifft (vgl. Cassel, 1982). 2.4.1 Dimensionen des Leidens Büchi (2001) fasst in Anlehnung an Cassel drei Dimensionen des Leidens zusammen, die die wesentlichen Aspekte dessen ausdrücken sollen. Die erste Dimension drückt aus, dass Leiden den Menschen in seinem Person-Sein betrifft. Nicht nur der Körper des Menschen ist involviert, sondern die Person in ihrer Ganzheit. Als zweite Dimension sieht Büchi den Zusammenhang von Leiden und einem hohen Disstress der Person. Leiden entsteht durch die erlebte Bedrohung einer Person, die befürchtet, ihre Intaktheit verlieren zu können. Der dritte Aspekt benennt, dass Leiden immer in Bereichen auftritt, die für die Person relevant sind. Leiden tritt auf, wenn eine Verlusterfahrung in beispielsweise sozialen, familiären oder körperlichen Bereichen erlebt wurde oder befürchtet wird. Die Begriffe Schmerz und Leiden werden häufig gleichgesetzt. Diese gilt es dennoch zu unterscheiden. Entscheidend ist die Bedeutung des Schmerzes. Beispielsweise müssen die extremen Schmerzen einer Frau bei der Geburt differenziert werden von einem ausgeprägten Leiden bei einer chronischen Krankheit. Der Schmerz der Frau bedeutet mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht den Verlust ihrer Intaktheit. Entscheidend soll bei der Dimension Leiden die Wahrnehmung und Einschätzung des Betroffenen sein. Die Kontrollierbarkeit des Schmerzes und das Verstehen der Ursache hierfür beeinflussen das Ausmaß des Leidens. „In Situationen, in denen Schmerz als Bedrohung für die eigene Existenz oder Integrität eingeschätzt wird, entsteht Leiden“ (Büchi, 2001, S. 14). Leiden ist nicht an das Auftreten einer eigenen Krankheit gebunden. So kann das gefühlte Leiden wesentlich höher sein, wenn eine nahestehende Person von einer Krankheit bedroht wird. Die Person erlebt hier eine Form der Hilflosigkeit, da sie kaum Einflussmöglichkeiten auf den Zustand der nahestehenden Person hat. Dieser Zustand kann das erlebte individuelle Leiden noch vergrößern. 38 2 Theoretischer Hintergrund Leiden ist nicht an eine körperliche Beeinträchtigung gebunden. Der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Scheidung kann hohes Leiden für die betroffene Person verursachen. Büchi nennt als die zentrale Bedeutung von Leiden, dass dies eine extrem persönliche Erfahrung ist, die nicht verstanden werden kann ohne eine intensive Auseinandersetzung mit dem betroffenen Menschen. Dabei ist nach Büchi das persönliche Gespräch die einzige Möglichkeit, um der Person gerecht zu werden. „Es müssen dabei Aspekte der Persönlichkeit, der Lebens- und Krankheits-Geschichte, der familiären Bindung, des kulturellen und religiösen Hintergrundes, aber auch insbesondere der die Person definierenden sozialen Rollen in umfassender Weise berücksichtigt werden“ (Büchi, 2001, S. 15). Neben den Ausführungen von Cassel nennt Büchi weitere bedeutungsvolle Arbeiten zum Thema Leiden. Er zitiert in seiner Ergänzung Chapman und Gavrin, die Leiden als „wahrgenommene Bedrohung der Integrität des Selbst (mit körperlichen und psychosozialen Aspekten), welche eine negative affektive Qualität sowie ein Gefühl der Hilflosigkeit und des Verlustes beinhalten“ definieren (Chapman & Gavrin, 1993, zitiert nach Büchi, 2001, S. 15). Die Person, die Leiden erfährt, erlebt zudem eine Einschränkung in ihrer Autonomie. In Anlehnung an Drew (1986) nennt Büchi die Hilflosigkeit und die Ohnmacht, etwas tun zu können, als eine wesentliche Einflussgröße für das Ausmaß des Leidens. Diese Dimension des Leidens soll eine direkte therapeutische Implikation besitzen. Beispielsweise in der Suchttherapie ist dann die größtmögliche Autonomie der Person gewahrt, wenn der Person die einzelnen therapeutischen Schritte so transparent wie möglich gemacht werden. Dadurch soll das durch die Institution bedingte Leiden begrenzt werden (vgl. Büchi, 2001). Der letzte wichtige Aspekt scheint die Zeitdimension zu sein. So sollen zeitlich begrenzte Schmerzen und Beeinträchtigungen mit weniger Leiden verbunden sein als dauerhafte. Büchi definiert Leidensdruck wie folgt: „das Ausmass des Leidens, verstanden als das vom Patienten körperliche, affektiv und kognitiv erfahrene Gesamtmass der Beeinträchtigung“ (Büchi, 2001, S. 4). Leiden ist eine sowohl den Körper als auch den Geist betreffende Größe. Begriffe, die bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Dimension Leiden in den Vordergrund rücken, sind die Begriffe des Selbst und des Ichs. Diese beiden Begriffe wurden, den therapeutischen Schulen nach, unterschiedlich definiert. Für das in dieser Arbeit verwendete Erhebungsinstrument PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure) wurde die Definition der beiden Begriffe 39 2 Theoretischer Hintergrund aus dem psychoanalytischen Selbst-Modell entnommen. Diese stellt sich in Anlehnung an Rudolf in folgender Weise zusammen: Das Selbst wird als eine „zentrale Organisationseinheit des Seelischen“ (Büchi, 2001, S. 13) gesehen. Der Begriff des Lebens, wie er bei PRISM verwendet wird, ist synonym zu verwenden zu dem im Selbst-Modell verwendeten Begriff des Ichs. Das Ich wird hier definiert als die „Gesamtheit der Vorstellungen einer Person von sich selbst“ (Büchi, 2001, S. 13). Um die Person- Krankheit- Beziehung visualisieren zu können, verwendet Büchi das Transaktionale Stress-Modell von Lazerus. Dieses wird in seinen wesentlichen Zügen im Folgenden dargestellt. 2.4.2 Das Transaktionale Stress-Modell von Lazerus Die von Lazerus und Mitarbeitern entwickelte Theorie ist eine der elaboriertesten zum Bewältigungsverhalten. Lazerus postuliert hier, dass Bewältigungen aus kognitiven und behavioralen Anstrengungen bestehen. Diese Anstrengungen dienen dazu, mit bestimmten externalen oder internalen Anforderungen umzugehen. Dieser Vorgang beansprucht die Ressourcen der Person stark oder überschreitet sie (vgl. Schermer, 2005,). Das wesentliche Merkmal dieses Ansatzes ist die Transaktion. Der transaktionale Prozess einer kognitiven Bewertung beinhaltet eine Beanspruchung oder gar Überschreitung der eignen Ressourcen. Ausgelöst wird dies durch die Konfrontation mit einer Problemstruktur. Im Laufe seiner Forschungsarbeit sprich Lazarus den Emotionen mehr und mehr Bedeutung zu. Ausgehend davon spricht er von einer „kognitiven-relationalen Theorie der Emotionen und Bewältigung“ (Jerusalem, 1990, S. 7). Das Zentrum der Erklärung von Stressindikatoren findet sich in kognitiven Bewertungsprozessen und deren Dauer in einer stressrelevanten Situation. Kognitive Bewertungen sind es, die dem Individuum mitteilen, ob Umweltgegebenheiten für das eigene Wohlbefinden von Bedeutung sind. Beginnend mit der ersten Darstellung der Stresstheorie von Lazarus ziehen sich fortlaufend drei Bewertungsprozesse durch seine Arbeiten. Die Bewertungsprozesse gliedern sich in primäre Einschätzungen, sekundäre Einschätzungen und Neueinschätzungen. 2.4.2.1 Primäre Einschätzungen (primary appraisals) In Interaktion mit der Umwelt überprüft die Person, ob die situativen Anforderungen für sie von Relevanz sind. Sie kann die Situation dahingehend bewerten, dass sie diese als 40 2 Theoretischer Hintergrund irrelevant, angenehm-positiv oder stressrelevant einschätzt. Eine Person beurteilt eine Situation als irrelevant, wenn sie sie als nicht bedeutsam für sich einstuft. Eine angenehm-positive Einstufung einer Situation ergibt sich dann, wenn die Person ihre eigenen Kompetenzen als eindeutig überlegen bezüglich der spezifischen Situation erlebt. Beide Bewertungen gefährden das persönliche Wohlbefinden einer Person nicht, es kommen keine Bewältigungsversuche zum Tragen. Empfindet eine Person eine Situation als für sich wichtig und stehen für sie Bereiche ihrer Persönlichkeit auf dem Spiel, wie Wertvorstellungen, Kompetenzen oder das Wohlbefinden, stuft sie die Situation als stressrelevant ein. Die Einstufung einer Situation als stressrelevant ist abhängig von den Kräften der Person im Verhältnis zu jenen der Situation. Ist die erlebte Kraft einer Person niedrig im Vergleich zur erlebten Kraft einer Situation, bewertet sie die Situation als stressrelevant. Verfügt die Person zudem über keine Gegenmaßnahmen, ist ihr persönliches Wohlergehen gefährdet. In für die Person stressrelevanten Situationen treten stressbezogene Kognitionen auf. Diese unterteilen sich in Herausforderung (challange), Bedrohung (threat), Schädigung (harm) und Verlust (loss). Schädigung und Verlust sind Kognitionen, die sich auf Ereignisse der Gegenwart oder der Vergangenheit beziehen. Sie enthalten eine vorliegende Beeinträchtigung des Wohlergehens einer Person. Anstrengungen zur notwendigen Bewältigung richten sich nicht auf die Genese des Schadens, sondern auf die Minimierung der Folgen. Als Schaden kann eine körperliche Schädigung und eine Verhinderung der Bedürfnisbefriedigung gesehen werden. Die Folgen sind abhängig von der Art der Schädigung. So können diese Trauer oder Schmerz, gleichgütige Gefühlszustände oder auch Ärgerreaktion bedeuten. Wesentlich für die Folgen ist immer die subjektive Einschätzung der Person. Bedrohung bezieht sich im Vergleich zu Schädigung und Verlust nicht auf Ereignisse der Gegenwart oder Vergangenheit, sondern auf jene, die in der Zukunft liegen. Die künftigen Situationen stellen für die Person schwierige Anforderungen dar, bezüglich derer sie sich nicht im Klaren ist, ob sie diese zu meistern vermag. Bedrohung als Kognition beinhaltet eine potentielle Schädigung, ein Versagen in einem für die Person wichtigen Bereich oder die Blockierung eines Beweggrundes. Da sich Bedrohung auf zukünftige Ereignisse bezieht, können im Vergleich zur Verlusteinschätzung noch 41 2 Theoretischer Hintergrund Bewältigungshandlungen zum Tragen kommen. Diese können eine tatsächliche Konfrontation mit der Situation verhindern. Eine Person erlebt die aufkommenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre persönlichen Ressourcen als zu massiv und schätzt eine erfolgreiche Bewältigung der Situation als unwahrscheinlich ein. In diesem Fall treten Bedrohungsgefühle wie Furcht, Angst oder Besorgnis in den Vordergrund. Eine Person fühlt sich als herausgefordert, wenn sie in einer bestimmten Situation erwartet, ihre Kompetenzen erfolgreich einsetzen zu können. Herausforderungen beziehen sich auf die Zukunft und darauf, ob die Person einen möglichen Erfolg in der Bewältigung einer schwierigen Situation sieht. Durch das Meistern einer schwierigen Situation kann die Person einen Zugewinn an Kompetenzen erfahren. Es entstehen Gefühle wie Zuversicht, Interesse, Neugier oder Hoffnung, die eine positive Gefühlsregung bewirken. Herausforderung und Bedrohung unterscheiden sich bezüglich ihrer affektiven Ebene. So impliziert Herausforderung positive Gefühle, während durch Bedrohung negative Gefühle hervorgerufen werden. Stress muss also nicht zwangsläufig mit negativen Gefühlen und Kognitionen assoziiert werden. Erlebt sich ein Individuum in einer stressrelevanten Situation als kompetent, können dadurch positive Gefühle hervorgerufen werden. Die Person erlebt die Situation als Herausforderung, nicht als Überforderung, sie will ihre eigenen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Stressbedingte Kognitionen dürfen nicht unabhängig voneinander gesehen werden. Sie treten nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip auf, sondern sind mehrdeutig in einer Person vorhanden (vgl. Jerusalem, 1990). Durch die Vielschichtigkeit von Situationen kann eine Person oft nicht klar entscheiden, welche tatsächlichen Anforderungen auf sie zukommen werden. Als Beispiel für gemischte Erwartungsprozesse kann ein Student in einer Prüfung genannt werden. Er weiß schon während der Prüfung nicht jederzeit, ob er die Fragen richtig interpretiert hat und ob er damit den Erwartungen des Prüfers entspricht oder vielleicht schon nach Auffassung des Prüfenden längst durchgefallen ist. Gefühle können sich in ihrer Intensität bezüglich der jeweiligen Situation unterscheiden. Zu fragen ist also, welche der kognitiven Bewertungen dominiert und inwieweit sie in der spezifischen Situation präsent sind und nicht welche Einschätzungen vorliegen. 42 2 Theoretischer Hintergrund 2.4.2.2 Sekundäre Einschätzungen (secondary appraisals) Primäre Bewertungen sagen etwas darüber aus, ob eine stressrelevante Situation als bedrohlich, schädigend oder herausfordernd eingestuft wird. Daraus resultiert die Frage, was das Individuum gemäß dieser Einstufung tun kann. Es begibt sich auf die Suche nach möglichen Bewältigungsressourcen, die zur erfolgreichen Bewältigung einer Situation beitragen können. Sekundäre Bewertungen werden definiert als „einen komplexen Bewertungsprozess, der die verfügbaren Bewältigungsmöglichkeiten, deren verschiedene Erfolgswahrscheinlichkeiten und die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst bestimmte Strategien wirksam einsetzen kann, berücksichtigt“ (Lazarus & Folkmann 1984, S. 35, zitiert nach Jerusalem, 1990, S. 11). Es werden die vorhandenen körperlichen, psychologischen, sozialen und materialen Ressourcen überprüft. Zu den Ressourcen können soziale Unterstützungen, beispielsweise der guten Rat eines Menschen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten oder materieller Besitz gezählt werden. Es findet eine Abwägung der Konsequenzen für andere interne und externe Anforderungen statt. Als Beispiel hierfür kann ein Patient in der Gruppentherapie genannt werden. Dieser will die Therapiesitzung schnell verlassen, weil sie für ihn eine unangenehme Situation darstellt. Er weiß jedoch auch, dass zur erfolgreichen Beendigung der Therapie die Teilnahme obligatorisch ist. Verdeutlicht werden kann die oben genannte Definition von Lazarus und Folkmann durch Bandura (vgl. Jerusalem, 1990). Dieser geht davon aus, dass ein bestimmtes Verhalten zu einem bestimmten Ergebnis führt (outcome expectancy). Die Einschätzung, eine Strategie erfolgreich einsetzen zu können, stellt eine Kompetenzund Wirksamkeitserwartung dar. Das ist eine persönliche Einschätzung einer Person, inwieweit sie sich in einer bestimmten Situation für kompetent hält und sich auch selbst zutraut, die Handlung erfolgreich auszuführen. So ist es für eine Person wenig hilfreich, wenn sie weiß, dass sie einen Computer braucht, um eine Bewerbung zu schreiben, die den heutigen Anforderungen entspricht, sie sich die Bedienung des Computers aber nicht zutraut. Primäre und sekundäre Einschätzungen dürfen nicht hinsichtlich einer zeitlichen Abfolge gesehen werden, sie können sowohl gemeinsam als auch überlappend auftreten. Sekundäre Einschätzungen können auch vor der primären Einschätzung erfolgen. Das ist der Fall, wenn Bewältigungshandeln kognitiv präsent ist und die Einstufung einer Situation als Bedrohung gar nicht erst aufkommen lässt. Die 43 2 Theoretischer Hintergrund beiden Einschätzungen „sind in einem transaktionalen Sinn miteinander verbunden“ (Jerusalem, 1990, S. 12). Will man die Frage nach der situativen Stressrelevanz und die nach den subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten einer Person beantworten, dürfen die beiden Faktoren nicht unabhängig voneinander gesehen werden. Sie stellen beide aufeinander bezogenen Informationen dar. Jerusalem bezieht sich auf Schwarzer (1987), dieser nennt zur Verdeutlichung der primären und sekundären Einschätzung das Situationsmodell und das Selbstmodell (vgl. Jerusalem, 1990). So kann die primäre Einschätzung mit einem Situationsmodell verglichen werden. Eine Person prüft in der Transaktion mit der Umwelt, ob die Situation für sie persönlich relevante Aspekte beinhaltet. So kann der nach Hause kommende, drogenabhängige Ehemann manche Frau gleichgültig lassen, weil sie daran vielleicht schon gewöhnt ist, während für eine andere Frau die Situation, wegen vorausgegangener Gewalterfahrungen oder Angst, als Bedrohung empfunden wird. Die Ausprägungen des Situationsmodells werden zum Teil bestimmt durch Eigenschaften, Charakterzüge oder Einstellungen, die eine Person ausmachen. Diese finden sich im Selbstmodell einer Person wieder. Vorstellungen und die der Person zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten (sekundäre Einschätzung) werden mit den situativen Anforderungen verglichen. Jerusalem nennt hier wieder Schwarzer, der dies mit dem Bild einer Waage zu verdeutlichen versucht (vgl. Jerusalem, 1990). Das Selbstbild wird auf die eine Waagschale gelegt und das Situationsmodell auf die andere. Die Verbindung der beiden, der Vorgang des Wiegens, stellt die Transaktion dar. Ist nun die Waagschale des Situationsmodells schwerer als die des Selbstbilds, bedeutet das für die Person Stress. Transaktionales Stresserleben ergibt sich in der jeweiligen Situation-Umweltanforderung immer wieder neu. Die Facetten der Situations- und Selbsteinschätzung zeichnen sich durch Vielfalt und Komplexität aus. Je nachdem wie die beteiligten Kräfte in einer bestimmten Situation zum Einsatz kommen, verhält sich auch das transaktionale Stresserleben eines Individuums (vgl. Jersualem, 1990). 2.4.2.3 Neueinschätzungen (reappraisals) Neueinschätzungen bedeuten die „zeitliche Dynamik der Einschätzungsprozesse“ (Jerusalem, 1990, S. 13). Sie können inhaltlich zu den primären und sekundären Einschätzungsprozessen gezählt werden. Unterschieden werden sie hinsichtlich des zeitlichen Aspekts. Neubewertung erfolgt zeitlich später. Sie repräsentiert 44 2 Theoretischer Hintergrund Wiederholungen der kognitiven Bewertungsprozesse im zeitlichen Ablauf der PersonUmwelt Transaktion. Neubewertungen treten dann auf, wenn eine Person neue Informationen über sich oder die Situation erfährt. Beispielsweise kann eine Person durch Nachdenken zu neuen Erkenntnissen gelangen, die sie die Situation aus einem anderen Blickwinkel sehen lassen. Die Neubewertungen bewirken, dass sich die transaktionale Einschätzung einer Situation verändert. Ausgelöst können Neubewertungen durch Rückmeldung, ein klares Weiterkommen in einer schwierigen Situation oder Gefühlsreaktionen. Solche Gefühlsreaktionen können dann in Form von Rückmeldungsschleifen zukünftige Situationen beeinflussen. Eine Person wird durch stressbezogene Kognitionen, situationsrelevante Bewältigungsmöglichkeiten und emotionale Befindlichkeit in ihrer Handlung angeleitet. Diese Faktoren sind entscheidend für die Auswahl bestimmter Bewältigungsstrategien. Bewältigungsstrategien beeinflussen die Rückmeldungsschleifen, und aus ihnen resultiert eine neue Abschätzung der Person- Umwelt- Auseinandersetzung. 2.4.2.4 Bewältigung Für Lazarus spielen Bewältigungsstrategien neben den Bewertungen bzw. Einschätzungen eine zentrale Rolle (vlg. Schermer, 2005). Bewältigung (Coping) beinhaltet alle Anstrengungen eines Individuums, mit einer stressrelevanten Situation umzugehen. Diese Anstrengungen gliedert Lazarus in zwei unterschiedliche Funktionen. Zum einen in die instrumentelle Bewältigung, die eine positive Veränderung der Problemsituation bewirken soll, zum anderen in eine Verbesserung der emotionalen Befindlichkeit als palliative Bewältigung. Instrumentelle Bewältigung soll der Person dazu verhelfen, die stressrelevante Situation für sie erträglicher zu machen. Schermer nennt das auch „die gestörte Person-Umwelt Beziehung zu entschärfen“ (2005, S. 163). Verbesserung der emotionalen Befindlichkeit ist aus dreierlei Hinsicht sinnvoll und erforderlich. Emotionen wie Angst, Trauer oder Schmerz sind für die Person höchstwahrscheinlich unangenehm und werden von ihr als belastend empfunden. Weiter determinieren intensive negative Emotionen die Person in ihrer Situationswahrnehmung. Es kann dazu kommen, dass Informationen verzerrt oder falsch wahrgenommen werden. Als letzter Aspekt gilt, dass negative Emotionen ein erhöhtes Erregungsniveau verursachen, das die Person nur zeitlich begrenzt aushalten kann. 45 2 Theoretischer Hintergrund Neben der positiven Veränderung der Problemlage und der Verbesserung der emotionalen Befindlichkeit ist der zeitliche Aspekt im Bewältigungsprozess von hoher Bedeutung. Ist ein geliebter Mensch in jüngster Vergangenheit verstorben, ist der Schmerz groß und es gilt die Situation zu ertragen oder auszugleichen. Liegt dieser mögliche Verlust in der näheren Zukunft, ist es eventuell noch möglich, das Ereignis abzukehren. Lazarus unterscheidet vier Arten von Bewältigung: Informationssuche, direkte Handlung, Unterdrückung von Handlung und intrapsychische Prozesse. Diese vier Arten können gleichermaßen auf beide Funktionen des Bewältigungsprozesses angewandt werden. So kann ein Alkoholabhängiger, dem eine Therapie bevorsteht, diese in seiner primären Einschätzung als Bedrohung einstufen. Er reagiert mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Angst vor der Therapie. Wenn er jetzt versucht, problemzentriert eine positive Veränderung der für ihn stressrelevanten Situation zu bewirken, wird er sich positiv mit der Therapie auseinandersetzen. Das heißt, er sucht eventuell nach Informationen, die ihm helfen, die Therapie in einem positiven Licht zu sehen. In Bezug auf die palliative Bewältigung kann er seine Angst reduzieren, indem er sich mit ehemaligen Patienten austauscht, die positive Erfahrungen mit einer Therapie gemacht haben. Oder er übt sich in Entspannungstechniken und vermeidet Kontakte, die seine Angst fördern würden. Auch kann er sich immer wieder selbst gut zureden, um so die Angst vor der Therapie herunterzuspielen. Bewältigungsmaßnahmen können noch weiter in ihren Effekten und Ausgangsbedingungen differenziert werden. Lazarus nennt hier die Einteilung in kurzfristige und langfristige Auswirkungen. Kurzfristige Auswirkungen beziehen sich auf die Emotions- und Ergebnisqualität. Zu fragen gilt, ob sich die Situation zum Positiven oder Negativen verändert hat. Langfristige Auswirkungen beziehen sich auf körperliche Befindlichkeit, das subjektive (psychische) Wohlbefinden und auf die soziale Funktionsfähigkeit. Abschließend ist es noch von Bedeutung, was eine Person unter Wohlbefinden versteht. Es ist immer subjektiv und lässt sich nicht an einer allgemeinen Definition messen. Als Folgerung daraus ist auch der Bewältigungsprozess immer geprägt von der persönlichen Auffassung der jeweilig betroffenen Person (vgl. Schermer, 2005). 46 2 Theoretischer Hintergrund 2.5 Das Konstrukt der Selbstwirksamkeit nach Bandura Im Rahmen seiner sozial-kognitiven Lerntheorie postuliert Bandura die zentrale Bedeutung von selbstbezogenen Gedanken, die für die Handlungsregulation von Bedeutung sind. Die nach dem englischen Orginalterminus genannte „Self-Efficacy“, zu Deutsch häufig übersetzt als Selbstwirksamkeit, kann als hypothetisches Konstrukt angesehen werden. Bandura definiert die Selbstwirksamkeit wie folgt: „Perceived selfefficacy in one`s capabilities to organize and execute the course of action required to produce given attainments“ (1997, S. 3). Die „Beliefs“ sind dabei ein Schlüsselwort in der Definition Banduras. Nach Fuchs (2005) werden über das Konstrukt der Selbstwirksamkeit die Beliefs mit den Worten Erwartung, Einschätzung, Überlegungen und Urteile inseriert. Für Bandura bedeuten die Beliefs den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen und spielen in seinem Verständnis eine Schlüsselrolle in der menschlichen Interaktion. „Beliefs of personal efficacy constitute the key factor of human agency. If people believe they have no power to produce results, they will not attempt to make things happen“ (Bandura, 1997, S. 3). Bandura (1997) vertritt die Meinung, dass Menschen, die an ihre Fähigkeiten glauben, ein Vorhaben eher umzusetzen vermögen als jene, die sich als unfähig einschätzen. Die „Self-Efficacy-beliefs“ sollen im Wortlaut der Motivationspsychologen eine intrinsische Motivationskomponente darstellen (vgl. Fuchs, 2005). Für Bandura spielen sie eine herausragende Rolle beim menschlichen Handeln, „Among the mechanism of agency, none is more central or pervasive than beliefs of personal efficacy“ (Bandura, 1997, S. 2). Die Beliefs bedeuten eine Einschätzung, einen Glauben. In Banduras Verständnis findet im Vorfeld schwieriger oder anspruchsvoller Situationen ein komplexes Zusammenspiel von Gefühlen und Gedanken statt. Früher gemachte Erfahrungen und auch vorweggenommene Einschätzungen bevorstehender Situationen kommen hier zum Tragen (vgl. Fuchs, 2005). In Bandruas Definition findet sich ein weiterer wichtiger Aspekt, „perceive“. Ins Deutsche übersetzt bedeutet perceive, bewusst, wach und aufmerksam. To perceive bedeutet „Notiz von etwas nehmen“, „etwas mental erfassen“ oder „etwas realisieren oder beobachten“ (vgl. Fuchs, 2005). Das Individuum nimmt seine Umwelt durch Impulse, Gerüche, Geräusche wahr. Jene werden im Gehirn als mentale 47 2 Theoretischer Hintergrund Repräsentationen verarbeitet. Das Resultat der Wahrnehmungen sind Bilder, Ideen und Vorstellungen. Diese Bilder bezeichnet Bandura auch als Kognitionen. Hierbei spielt der Glaube an die eigenen Fähigkeiten eine entscheidende Rolle, er beeinflusst menschliches Tun im Zusammenspiel mit menschlichen Emotionen ausschlaggebend (vgl. Fuchs, 2005). Bandura nennt in seiner Definition als letztes bedeutungsvolles Element die „Given Attainments“. Bandura spricht in anderen Veröffentlichungen auch von „Prospective Situations“ (vgl. Fuchs, 2005). Antizipierte Situationen in der Zukunft spielen ebenso eine Rolle wie die von der Person selbst gesteckten Ziele oder Vorhaben (vgl. Fuchs, 2005). Bandura verwendet den Begriff Self-Efficacy immer im Zusammenhang mit anspruchsvollen und schwierigen Aufgaben, die für die Person eine Herausforderung bedeuten. So stehen Ereignisse, die leicht von der Hand gehen nicht im Forschungsinteresse Banduras (vgl. Fuchs, 2005). Für Mummendey (2006) steht im Mittelpunkt der Selbstwirksamkeit nach Bandura „die Fähigkeit eines Individuums, Vorhersagen über sein zukünftiges Verhalten zu machen, insbesondere Erwartungen darüber auszubilden, welche eigenen Verhaltensweisen realisierbar sein werden und welche nicht“ (S. 185). So besitzt nach der Einschätzung vieler Motivationsforscher jeder, der sich eine Aufgabe stellt, eine implizite oder explizite Überzeugung seiner Kompetenzen (vgl. Fuchs, 2005). Selbstwirksamkeitsüberzeugung stellen somit eine subjektive Einschätzung einer Person dar, deren wahrgenommene persönliche Kontrolle und Wirksamkeit es möglich machen, ein Verhalten erfolgreich ausführen zu können. Diese subjektiven Einschätzungen müssen wiederum den tatsächlichen Handlungsressourcen nicht entsprechen. Neben der Selbstwirksamkeit und der Selbstwirksamkeitserwartung verwendet Bandura (1979) auch LeistungseffizienzErwartung. An dieser Stelle sei angemerkt, dass Forschungsarbeiten bezüglich der Selbstwirksamkeit wegen der unterschiedlichen genutzten Übersetzungen und synonym verwendeten Begriffen erschwert werden. Ruholl (2007) ermittelte in ihrer Dissertation einige Beispiele hierfür. So verwendet Schwarzer (2002, 1994, 1992) die Begriffe Selbstwirksamkeitserwartung, Kompetenzerwartung und optimistische Selbstüberzeugung sowie Self-Efficacy Expertancies und Personal Resources Beliefs synonym. Weitere Autoren, wie Kraifer und Perkun (1991), verwenden den Begriff des 48 2 Theoretischer Hintergrund Kompetenzvertrauens Selbstwirksamkeit. und –erwartung Semmer (1993) gleichbedeutend bedient sich wie den des Begriff der Begriffes der Kompetenzeinschätzung. Fäh und Sieber benutzen statt Selbstwirksamkeitserwartung Eigenwirksamkeit. In dieser Arbeit wird der Begriff der Selbstwirksamkeit bzw. Wirksamkeitserwartung verwendet. Zentral für das Konzept Banduras sind also die Beliefs (Überzeugungen), die Capabilities (Fähigkeiten), die Prospective Situations (Situationen in der Zukunft) und die Given Attainments (Ziele). Bandura setzt die Beliefs ins Zentrum seines Konzeptes (vgl. Fuchs, 2005). Sie bedeuten das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, den Glaube daran, Handlungen erfolgreich ausführen zu können und die Überzeugung der eigenen Wirksamkeit. Die Beliefs beruhen auf individuellen Erfahrungen, und Erfahrungen entstehen aus Wahrnehmungen, so Fuchs (2005). Wahrnehmungen können verzerrt sein. Es treten Wahrnehmungstäuschungen auf. Bezogen auf die Beliefs bedeutetet dies, dass ein Mensch sich über- oder unterschätzt. Fuchs führt weiter aus, dass ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung wichtig ist für die menschliche Kompetenzentwicklung. Selbstunterschätzung, Bandura (1986) spricht hier von „misjudgments of self-efficacay“ (S. 394), führt zu einem Mangel an Selbstvertrauen. Die menschlichen Kontrolleinschätzungen sind sehr komplex und haben einen hohen Einfluss auf Wohlbefinden und Wohlergehen. Die Self-Efficacy-Beliefs zeigen, wie selbstwirksam sich ein Mensch gegenüber einer Situation einschätzt. Diese Einschätzung ist höchst individuell und variiert von Mensch zu Mensch. So können sich zwei Menschen bezüglich einer bevorstehenden Therapie als vollkommen unterschiedlich selbstwirksam erleben. Die Beliefs stellen zwar eine Schlüsselrolle im Konzept Banduras dar, sind aber mit anderen Kognitionen eng verbunden. So äußert sich Bandura hierzu folgendermaßen: „Perceived self-efficacy plays a pivotal role in a multifaceted social cognitive theory, but it is not the sole determinant of action“ (1997, Perface). Fuchs erläutert dies anhand eines Beispiels sehr eindrücklich. Pivotal heißt der Spielmacher im Basketball. Er spielt den Mitspielern die entscheidenden Pässe zu. Ohne seine Mitspieler könnte aber der Spielmacher nichts bewirken. Auf das Konzept Banduras bezogen sind die Beliefs (Selbstwirksamkeitsüberzeugung) der Spielmacher und die Capabilities und die Situations stellen die wichtigsten Mitspieler dar (vgl. Fuchs, 2005). 49 2 Theoretischer Hintergrund 2.5.1 Wirksamkeits- und Ergebniserwartung Bandura unterscheidet kognitive Quellen, die das menschliche Verhalten entscheidend beeinflussen: zum einen die Wirksamkeitsüberzeugung (Kompetenzüberzeugung; Efficacy-Belief) und die Ergebniserwartung (Outcome Expectation). „Perceived selfefficacy is a judgement one`s ability to organize and execute given types of preformances, whereas an outcome expectation is a judgement of the likely consequence such performances will produce“ (Bandura, 1997, S. 21). Er ordnet die Quellen folgendermaßen an: Abbildung 1: Beziehung zwischen Wirksamkeits- und Ergebniserwartung (Bandura, 1997 S. 22) 2.5.1.1 Wirksamkeitserwartung Wirksamkeitserwartungen (Efficacy-Beliefs) resultieren aus der Bewertung der eigenen Fähigkeiten, die vorhandenen Ressourcen im Dienst der Zielverfolgung zu mobilisieren. Sie beinhalten alle Kognitionen bezüglich der individuellen Überzeugung eines Menschen, wirksam zu sein. Sie bestimmen das Maß, wie fähig und kompetent eine Person hinsichtlich eines Zieles ist. Wirksamkeitseinschätzungen unterscheiden sich je nach „Level“ (Herausforderungsgrad der bestimmten Situation), „Strength“ (Stärke der Einschätzung) und „Generality“ (Verallgemeinerungsgrad der Einschätzung) (vgl. Bandura, 1997). Der Herausforderungsgrad ist die erste Dimension. Sie ist das Ausmaß der Herausforderung einer Aufgabe bzw. einer Situation, deren Bewältigung man sich selber zutraut. Ein Suchtkranker kann z.B. der Auffassung sein, in der Klinik sehr gut abstinent leben zu können, während er sich Abstinenz in seinem Freundeskreis nicht oder nur wenig zutraut. Eine weitere Dimension ist die Stärke oder Gewissheit der Selbstwirksamkeitseinschätzung. Eine Person kann nach einem Rückfall zum Alkohol 50 2 Theoretischer Hintergrund vollkommen überzeugt sein, wieder abstinent leben zu können und strengt sich in der Therapiezeit entsprechend an. Eine Person, die jedoch zu Beginn wenig an ihre Kompetenzen glaubt, wird beim ersten Rückfall bzw. Missglücken schon wieder aufgeben wollen und im schlimmsten Fall die Therapie abbrechen. Erwartungen beeinflussen also das Bewältigungsbemühen. Die dritte Dimension ist der Verallgemeinheitsgrad der Selbstwirksamkeitserwartung. Diese kann spezifisch oder global ausfallen. Sehr spezifisch wäre, wenn eine Person der Meinung ist, dass sie nur mit einem bestimmten Therapeuten bzw. Therapieprogramm abstinent leben kann. Global dagegen wäre die Einschätzung einer Person, generell abstinent leben zu können und dies unabhängig von einem bestimmten Therapeuten oder Therapieprogramm. In Anbetracht der drei Dimensionen scheint Banduras Auffassung einleuchtend, dass sich Menschen bei leichten Herausforderungen als wirksamer einschätzen als bei anspruchsvollen und schwierigen Aufgaben. Verfügt ein Mensch über eine hohe Wirksamkeitseinschätzung, wird er mehr Ausdauer bei der Bewältigung einer ihm gestellten Aufgabe zeigen. Dagegen wird ein Mensch mit einer niedrigen Selbstwirksamkeitserwartung vor schwierigen Situationen eher zurückschrecken und bei ersten Hindernissen schon aufgeben (vgl. Bandura, 1986). Wie viel eine Person in eine bestimmte Aufgabe oder Anstrengung investiert, ist von der jeweiligen Erwartung zu dieser Aufgabe abhängig. Selbstwirksamkeitserwartungen verändern sich abhängig von Ort, Zeit, sozialer Umgebung und vielen anderen Faktoren (Bandura, 1997). Selbstwirksamkeitserwartungen werden allgemein oder bereichsspezifisch formuliert. Menschen können sich über weite Teile ihres Selbst als wirksam einschätzen oder nur auf bestimmten Bereichen. 2.5.1.2 Ergebniserwartung Ergebniserwartung (Outcome Expectencies) resultiert hingegen aus einer Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass die Zielverfolgung mit bestimmten Mitteln auch zu einer Zielerreichung führt (vgl. Bandura, 1997). Ergebniserwartungen sind Vorstellungen über Erfolgsaussichten. Fuchs nennt Ergebniserwartungen „Wenn-dann Überlegungen“ und spricht von „gedanklich vorweggenommenen Kognitionen“ (2005, S. 26). Die Handlung eines Menschen ist bestimmt durch dessen Erwartung bezüglich eines erwarteten Ergebnisses. Outcome Expectencies sind in der Auffassung Banduras eng gekoppelt an physische Bedingungen, an soziale Faktoren und an Selbsteinschätzung. 51 2 Theoretischer Hintergrund Bandura gliedert die physischen Bedingungen, die sozialen Faktoren und die Selbsteinschätzung jeweils in negative wie positive Effekte. So handelt es sich bei physischen Bedingungen um die individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen, einen sozialen Faktor stellt für einen Patienten beispielsweise der ihn behandelte Therapeut dar. Selbsteinschätzungen beziehen sich auf alle Kognitionen, mit denen der Mensch seine eigenen Kompetenzen wie auch die sozialen Gegebenheiten beurteilt (vgl. Bandura, 1997). Bandura weist darauf hin, dass Ergebniserwartungen ein Resultat von Erfahrungen sind. „The outcomes that flow from a given course of action can take the form of positive or negative physical, social, and self-evaluation effects“ (Bandura, 1997, S. 22). 2.5.1.3 Unterscheidung von Wirksamkeits- und Ergebniserwartung Sehr klar wird der Unterschied laut Schermer (2005) von Wirksamkeits- und Ergebniserwartung deutlich, wenn man das Konzept der Hoffnungslosigkeit von Beck (1967) und das der Hilflosigkeit von Seligman (1975) betrachtet. Hat ein Mensch eine niedrige Ergebniserwartung, kann von einem Zustand der Hoffnungslosigkeit ausgegangen werden. Das heißt, der Mensch hat das Gefühl, nichts könne ihm helfen. Betrachtet man dagegen einen Menschen, dessen Wirksamkeitsüberzeugung niedrig ausgefallen ist, so lässt sich das mit dem Zustand der Hilflosigkeit beschreiben. Der Mensch geht hier davon aus, dass er nichts Nützliches für sich tun kann. Eine Person kann der Meinung sein, dass sie durch ihr Verhalten ein bestimmtes Ergebnis auslösen kann, sie traut sich dennoch nicht selbst zu, dieses Verhalten erfolgreich ausführen zu können. Bandura (1986) spricht in diesem Fall von Selbstabwertung oder Verzweiflung. Fallen beide Variablen niedrig aus, so schließt Bandura auf Resignation und Apathie. Sind aber sowohl die Wirksamkeitsüberzeugung als auch die Ergebniserwartung hoch ausgefallen, soll es zu „produktivem Engagement verbunden mit dem Gefühl der Zufriedenheit kommen“ (Schermer, 2005, S. 137). Zeigt die Umwelt einer Person keine belohnende Reaktion auf einen Handlungsbereich, in dem sich die Person selbst als kompetent einschätzt, so wird erwartet, dass die Person mit Widerstand reagiert. (vgl. Schermer, 2005, S. 137). 2.5.2 Quellen der Selbstwirksamkeit Bandura (1986, 1997) begründet die Entstehung und Veränderung von Selbstwirksamkeitsüberzeugung durch vier mögliche Quellen oder Lernprozesse. 52 2 Theoretischer Hintergrund 2.5.2.1 Persönliche Erfahrung Als wichtigste Quelle nennt Bandura die „Enactive Mastery Experiences“ (Persönliche Erfahrung). Für ihn bedeutet sie die einflussreichste und wirkungsvollste Quelle für die Entwicklung und Beeinflussung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Die persönliche Erfahrung liefert den zuverlässigsten Beleg, welche Ressourcen eine Person braucht, um zu Erfolg zu gelangen. In Banduras Auffassung wird aus Erfolg ein stabiler Glaube an die eigene Wirksamkeit gebildet. Misserfolge schwächen sie, besonders wenn die Selbstwirksamkeitsüberzeugung noch nicht gefestigt ist. Menschen, denen buchstäblich alles entgegenfliegt und die schnell zu ihren Zielen und gewünschten Ergebnissen kommen, würden bei Niederlagen leicht entmutigt werden. Schwierigkeiten und Rückschläge im Leben können sie lehren, dass Erfolg auch mit Anstrengungen verbunden sein kann. Es ist wichtig, dass Menschen Erfahrung in der Bewältigung von schwierigen Aufgaben haben, denn es fördert den überdauernden Wirksamkeitsglauben. Selbstwirksamkeit durch persönliche Erfahrungen aufzubauen bedeutet nicht, gebrauchsfertiges Verhalten zu übernehmen. Es beinhaltet vielmehr den Erwerb von kognitiven, verhaltensmässigen und selbstregulatorischen Werkzeugen. Mit diesen Werkzeugen sollen Handlungsabläufe entworfen und ausgeführt werden können, die sich in ständig wechselnden Lebensumständen bewähren. Laut Bandura (1997) haben Menschen, denen einmal bewusst geworden ist, was sie brauchen, um erfolgreich zu sein, auch die Fähigkeit, hinderliche Bedingungen künftig besser zu überstehen. 2.5.2.2 Indirekte Erfahrung Menschen vertrauen nicht darauf, dass persönliche Erfahrung die ausschließliche Quelle ihrer Fähigkeiten ist, so Bandura. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen werden auch durch indirekte Erfahrung oder stellvertretende Erfahrung beeinflusst. Soziale Vorbilder zu beobachten, wie sie eine Handlung erfolgreich ausführen, stärkt den Beobachtenden, ähnliche Handlungen selbst meistern zu können (vgl. Bandura, 1986). Das Missglücken einer Modellhandlung allerdings schwächt auch die Wirksamkeitsüberzeugung des Beobachtenden (vgl. Bandura, 1997). Menschen müssen ihre Fähigkeiten bezüglich der Fähigkeiten der anderen bewerten. Bandura nennt das Beispiel eines Studenten, der 115 Punkte in einem Examen erhalten hat, jedoch nicht die Möglichkeit hat, das Ergebnis positiv oder negativ zu beurteilen, weil er nicht weiß, wie die anderen abgeschnitten haben. Bandura spricht hier vom sozialen Vergleich. Auf der Grundlage dieses Vergleiches kann nun der Beobachter zu dem Schluss gelangen, dass er über ähnliche 53 2 Theoretischer Hintergrund Kompetenzen verfügt. Wie sehr ein Mensch von einem Vorbild beeinflusst wird, ist stark von der wahrgenommenen Ähnlichkeit mit ihm abhängig. Ähnlichkeiten können sich äußern in übereinstimmenden Merkmalen wie z.B. Alter, Beruf, oder Aussehen (vgl. Bandura, 1997). Je stärker ein Mensch die Ähnlichkeit mit einem Modell wahrnimmt, umso überzeugender wirkt dessen Erfolg oder Misserfolg auf ihn. Sehen Menschen wenige Ähnlichkeiten mit dem Modell, so wird die Selbstwirksamkeitsüberzeugung und das Ergebnis einer Handlung von dessen Verhalten weniger beeinflusst (vgl. Bandura, 1997). Indirekte Erfahrung oder stellvertretende Erfahrung ist vor allem für Bereiche wichtig, in denen bisher noch wenige Erfahrungen gemacht wurden (vgl. Schermer, 2005). Vorbilder sind mehr als nur soziale Standards, an denen Beobachtende ihre Fähigkeiten einschätzen. Vielmehr sucht der Mensch nach Vorbildern, die Kompetenzen und Fähigkeiten besitzen, die er sich für sich selbst wünscht. Kompetente Vorbilder vermitteln Wissen. Sie lehren den Beobachter wirksame Strategien und Fähigkeiten, die Anforderungen des Lebens bewältigen zu können. So wirken Modelle oder Vorbilder, die in der Lage sind Schwierigkeiten mit Anstrengung zu überwinden, motivierender als das bloße Üben benötigter Fähigkeiten (vgl. Bandura, 1986). 2.5.2.3 Mündliche Überzeugung bzw. verbale Unterstützung von Außenstehenden „Verbal Persuasion“ Außenstehenden), (mündliche dient als Überzeugung, eine weitere verbale Quelle Unterstützung zur Stärkung von der Wirksamkeitsüberzeugung. Bandura nennt hier Schrunk und Mitarbeiter, die sich intensiv mit der verbalen Unterstützung auseinandergesetzt haben. Schrunk kommt zu dem Resultat, dass Menschen, die verbal überzeugt werden, die Fähigkeiten zu haben, bestimmte Aufgaben zu bewältigen, tendenziell mehr Ausdauer und Kräfte mobilisieren, Barrieren zu überwinden, als jene, die ihren Blick auf ihre Defizite richten und daran festhalten (vgl. Bandura, 1997). Es wirkt unterstützend für die Wirksamkeitsüberzeugung, gerade in schwierigen Situationen, wenn Menschen aus dem Umfeld ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der betroffenen Person verbalisieren. Die Mitteilung der anderen Person soll den Handelnden in seinen Fähigkeiten bestärken. Beispielsweise kann ein gut gemeinter Rat eines Freundes lauten: Du wirst das sicher gut machen. Die verbale Unterstützung ist dann am effektivsten, wenn sie sich mit den realen Gegebenheiten deckt, und die Menschen Gründe haben, daran zu glauben, sie könnten durch ihre Handlung etwas bewirken (vgl. Bandura, 1986, 1997). 54 2 Theoretischer Hintergrund 2.5.2.4 Emotionaler und physiologischer Zustand In der Bewertung ihrer Fähigkeiten sind die Menschen auch angewiesen auf ihren jeweiligen emotionalen und physiologischen Zustand. Bandura postuliert als vierte Quelle der Selbstwirksamkeit die „Phsysiological and Affective States“ (physiologische und affektive Zustände). Diese gewinnen besonders an Bedeutung in Situationen, in denen das Individuum körperliche Leistungen zeigen muss, in gesundheitlichen Belangen und in der Bewältigung von Stresssituationen (vgl. Bandura, 1997). Die körperliche Anspannung in einer Stresssituation wird von der Person oft als Vulnerabilität und körperliche Funktionsstörung interpretiert. Bringt eine Situation Anforderungen mit sich, die der Stärke und Ausdauer bedürfen, begründen Menschen ihre Unfähigkeit oft mit Ermüdung, Schwäche oder Schmerz. Der körperliche Zustand kann als Hinweis auf das Ausmaß der eigenen Kompetenzen gewertet werden. Befindet sich eine Person in einem Zustand hoher körperlicher Erregung, empfindet sie also beispielsweise enormes Herzrasen oder Schwitzen, so lässt sich daraus auf Angst oder Bedrohung und auf schwache Handlungskompetenzen bezüglich dieser Situation schließen. Die momentane Stimmung und Laune einer Person beeinflusst sie in der Beurteilung ihrer Fähigkeiten. Die Stimmung kann die Aufmerksamkeit verzerren und beeinflusst die Interpretation von Ereignissen, wie diese kognitiv organisiert werden und im Gedächtnis abgerufen werden. Menschen könnten besser lernen, wenn das, was sie lernen, mit ihrer Stimmung kongruent ist. Weiter kann Gelerntes besser abgerufen werden, wenn die Person sich in ähnlicher Stimmung befindet, in der sie es lernte (vgl. Bandura, 1997) Emotionale Erregung wird beim Versuch, eine Situation zu meistern, wahrgenommen. Es hängt von der Ursachenzuschreibung ab, ob dies als Bedrohung oder Herausforderung interpretiert wird. Je intensiver die Stimmung, so Bandura, desto stärker wirkt sich die Stimmung auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung aus. Während physiologische Zeichen besonders im Zusammenhang mit der körperlichen Gesundheit und bei Handlungen, die eine körperliche Stärke und Ausdauer benötigen, von Belang sind, kann der affektive Zustand große Auswirkungen auf verschieden Bereiche der Selbstwirksamkeitsüberzeugung haben. Somit ist, laut Bandura, der vierte Weg zur Änderung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung eine Verbesserung des körperlichen Zustandes, eine Reduktion des Stresslevels und negativer emotionaler Neigungen sowie eine Korrektur der Missinterpretation körperlicher Signale (vgl. Bandura, 1997). 55 2 Theoretischer Hintergrund 2.5.2.5 Verarbeitungs- und Informationsprozesse Bandura fügt einen weiteren wichtigen Aspekt zum Erlangen von Selbstwirksamkeitsüberzeugung zu, er nennt ihn: „Integration of Efficacy Information“. Bandura ist der Auffassung, dass Menschen sich mit der Anordnung und Gestaltung von selbstwirksamkeitsüberzeugungsrelevanten Informationen auseinandersetzen müssen die auf komplexen Verarbeitungs- und Informationsprozessen basieren. Der Einzelne muss aus einer Vielzahl von Informationen, die für ihn relevanten herausfiltern, gewichten und sie schließlich in die persönliche Wirksamkeit integrieren (vgl. Bandura, 1997). „The ability to discern, weight, and integrate relevant sources of efficacy informations […], include attentional, memory, inferential, and integrative cognitive capabilities for forming self-conceptions of efficacy. The development of selfappraisal skills also relies on growth of self-reflective metacognitive skills to evaluate the adequacy of one’s self-assessments“ (Bandura, 1997, S. 115). 2.5.3 „Prospective Situations“ und „Given Attainments“ Neben Beliefs und Capabilities sind weitere wichtige Komponenten im Konzept Banduras Prospective Situations und Given Attainments (vgl. Fuchs, 2005). Prospective Situations sind Erwartungen oder Vorstellungen des Menschen von zukünftig Erstrebenswertem. Er kann versuchen, sie mit der Hilfe von Vorhaben, den Given Attainments umzusetzen (vgl. Fuchs, 2005). Für Bandura spielen Ziele eines Menschen eine entscheidende Rolle. Um Erfolg im Leben zu haben, muss die Person eine ungefähre Vorstellung davon haben, was sie erreichen will und wie sie es erreichen will (vgl. Bandura, 1986). Bandura zählt Ziele zu den Grundbedürfnissen der Menschen: „People have always striven to control the events that affect their lives. By exerting influence in spheres over which they can command some control, they are better able to realize desired futures and to forestall undesired ones“ (Bandura, 1997, S. 1). Der Selbstwirksamkeitsglaube beeinflusst das Level des Zieles, die investierten Anstrengungen, die Strategien, es zu erreichen, welche Kräfte mobilisiert werden und letztlich die Verstärkung des Einsatzes, wenn das Ziel vor Augen gehalten wird (vgl. Bandura, 1997). Eine Person mit einer hohen Selbstwirksamkeitsüberzeugung wird sich eher auf die Suche nach anspruchsvollen und schwierigen Leistungszielen machen und zugleich auch mit den damit verbundenen Anstrengungen zurechtkommen und die dafür nötige Ausdauer aufbringen. Wird eine gute Leistung erreicht, so fördert das wiederum die Erfolgszuversicht, motivationale förderliche Attributionen und problemangemessene 56 2 Theoretischer Hintergrund Lösungen. Letztendlich wird aus diesen Faktoren die Selbstwirksamkeitsüberzeugung stabilisiert (vgl. Jerusalem & Mittag, 1999). 2.5.4 Funktionsweisen der Selbstwirksamkeitserwartung Selbstwirksamkeitsüberzeugung spielt auch im Zusammenhang mit Motivation eine wichtige Rolle. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung stellt eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb lebenspraktischer Schlüsselqualifikationen wie Motivation, Sozialkompetenz und allgemeine Problemlösefähigkeit dar, die für ein Leben in der Gesellschaft von hoher Bedeutung sind (vgl. Jerusalem & Mittag, 2007). Selbstwirksamkeitsglaube ist das Resultat kognitiver Prozesse verschiedener Quellen von Wirksamkeitsinformationen. Die Quellen sind persönliche und stellvertretende Erfahrungen sowie die verbale Informationsvermittlung und die physiologische und emotionale Struktur. Hat sich der Wirksamkeitsglaube entwickelt und gefestigt, beeinflusst er die Qualität des menschlichen Verhaltens auf unterschiedlichste Weise. Hier wirken kognitive, motivationale, emotionale Prozesse und Selektionsprozesse mit (vgl. Bandura, 1997). 2.5.4.1 Kognitive Prozesse Die meisten Handlungen sind geprägt von Gedanken. Kognitive Prozesse dienen als Anleitung zur Entwicklung von kompetentem Handeln. Selbstwirksamkeitsglaube beeinflusst Menschen dahin gehend, wie sie Situationen gedanklich strukturieren, wie die gedankliche Vorwegnahme von Handlungen ausfällt und wie Menschen ihre Zukunft betrachten und gestalten. Bandura spricht davon, dass Menschen, die einen hohen Selbstwirksamkeitsglauben haben, gestellte Aufgaben als überwindbar einschätzen und von einer erfolgreichen Bewältigung ausgehen. Menschen, die sich selbst als unwirksam einschätzen, nehmen die Situationen eher als riskant wahr und gehen von einem Missglücken aus. Diese negative Sichtweise, so Bandura, untergräbt Motivation und Handlungen. „It is difficult to achieve much while fighting self-douts“ (Bandura, 1997, S. 117). Laut Bandura haben zahlreiche Studien gezeigt, dass durch kognitive Stimulation, bei der Menschen ihre Handlung als erfolgreich einstufen, sich die nachfolgende Handlung verbessert. Der Selbstwirksamkeitsglaube und kognitive Stimulation wirken wechselseitig. So fördert ein hoher Wirksamkeitsglaube einen positiven und wirkungsvollen kognitiven Aufbau für eine effektive Vorgehensweise. Wirksame Kognitionen stärken umgekehrt den Selbstwirksamkeitsglauben (vgl. 57 2 Theoretischer Hintergrund Bandura, 1997). Eine entscheidende Aufgabe, die dem Denken zufällt, ist es, Menschen zu befähigen, Ereignisse vorauszuahnen und Strategien zur Kontrolle zu entwickeln, damit es zu einem gewünschten Resultat kommt. Problemlösungsstrategien, die der Mensch durch die Anforderungen des Lebens braucht, erfordern die effektive Verarbeitung von komplexen, mehrdeutigen und ungewissen kognitiven Informationen (vgl. Bandura, 1997). Die Fähigkeit der Selbstmotivation und der zweckbestimmten Handlung haben ihre Wurzeln in kognitiver Aktivität. Selbstwirksamkeitsglaube spielt eine zentrale Rolle in der kognitiven Regulation von motivationalen Prozessen. 2.5.4.2 Motivationale Prozesse Nach Bandura gibt es drei Funktionsweisen, die durch unterschiedliche Theorien beschrieben worden sind, die die kognitive Motivation bestimmen. Diese sind Kausalattribution, Konsequenzerwartung und Ziele (vgl. Bandura, 1997). Nach Bandura beeinflussen, in Anlehnung an Weiners Theorie der Attributionen, rückblickende Beurteilungen auf eine ausgeführte Handlung motivationale Effekte. „Weiner vertrat die Auffassung, dass unsere Schlussfolgerungen über die Ursachen von Erfolg und Misserfolg einen unmittelbaren Einfluss auf künftige Erwartungen, Motivationen und Emotionen haben“ (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2007, S. 85). Menschen, die Erfolge auf ihre persönlichen Fähigkeiten zurückführen, können Misserfolge besser durchstehen und führen diese eher auf einen Mangel an Anstrengungen zurück als auf einen Mangel an Fähigkeiten. Sie gehen davon aus, dass das Resultat dessen, was sie erreichen wollen, von ihren Anstrengungen beeinflusst wird. Menschen, die dagegen das Scheitern oder Missglücken einer Aufgabe auf ihre eigene Unfähigkeit zurückführen und Erfolge den glücklichen situativen Umständen zuschreiben, investieren geringere Anstrengungen, sind unmotivierter und geben bei ersten Schwierigkeiten auf. (vgl. Bandura, 1997). Nach den Attributionstheoretikern ist die Ursachenzuschreibung entscheidend. Ein weiterer Beweggrund des Menschen, sich zu motivieren, ergibt sich aus den „Expectancy-Values“. Menschen werden von den Erwartungen an das Ergebnis einer Handlung in ihrer Motivation geleitet. Die Konsequenzerwartungstheoretiker sind der Ansicht, dass die Höhe der Motivation sowohl von den erwarteten Folgen der Handlung bestimmt wird, als auch von der Anziehungskraft der Resultate (vgl. Bandura, 1997). Nach ihrer Meinung würde sich die Motivation, eine bestimmte Handlung auszuführen, 58 2 Theoretischer Hintergrund um zum Ergebnis zu gelangen, zum einen steigern, je stärker die Erwartung wäre, durch eine bestimmte Handlung ein bestimmte Resultat zu sichern, und zum anderen, je höher das bestimmte Resultat gewertet wird (vgl. Bandura, 1997). Menschen würden danach suchen, die Ergebnisse ihrer Handlung zu verbessern, so Bandura. Dabei ist aber zu beachten, dass Menschen keine systematische Konsequenzabwägung besitzen, um so die Ergebnisse wie gewünscht zu optimieren. Menschen haben oft wenige Informationen über mögliche Konsequenzen. Informationen werden mit kognitiver Verzerrung verarbeitet und was die Menschen dann daraus werten, kann eher eigentümlich sein (vgl. Bandura, 1997). Die persönlichen Standards und Ziele werden als dritte Einflussgröße auf motivationale Prozesse gesehen. Die Handlungsmotivation wird hier indirekt beeinflusst. Die Person vergleicht den persönlichen Standard mit der wahrgenommen Leistung, dadurch entsteht die Motivation. Durch den Vergleich kann es bei der Person entweder zu Selbstzufriedenheit oder zu Selbstunzufriedenheit kommen, was sich dann auf zukünftiges Verhalten auswirkt. Bandura unterscheidet drei Arten der Selbstbeeinflussung der kognitiven Motivation, die Einfluss auf Ziele und persönliche Standards haben. Einbezogen sind affektive, selbstevaluierte Reaktionen, bezogen auf die eigene Leistung, die wahrgenommene Selbstwirksamkeit für erreichte Ziele und die Anpassung der persönlichen Standards an die eigenen Fähigkeiten. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten scheint auch hier wieder darüber zu entscheiden, ob eine Diskrepanz zwischen den gesetzten Zielen und den eigenen Fähigkeiten eher als motivierend oder demotivierend wahrgenommen wird. Wenn Personen, die ihre Fähigkeiten niedrig einstufen, mit Schwierigkeiten oder Hindernissen konfrontiert werden, werden sie eher nach leichter zu erreichenden Ziele suchen und zeigen weniger Anstrengung. Personen dagegen, die einen starken Glauben an ihre Fähigkeiten haben, halten an ihren gesetzten Zielen fest und lassen sich auch von möglichen Hindernissen nicht entmutigen (vgl. Bandura, 1997). 2.5.5 Einfluss der Selbstwirksamkeitserwartung Selbstwirksamkeitserwartungen spielen bei der Regulation des affektiven Zustands einer Person eine Schlüsselrolle. Es können drei Arten unterschieden werden, die die Struktur und die Intensität emotionaler Erfahrungen beeinflussen. Bandura nennt hier die Überlegungen, Handlungen und die Handlungsergebnisse. Diese sind entscheidend in der Beeinflussung von Depressionen, Angstentstehung und biologischen 59 2 Theoretischer Hintergrund Stresssituationen (vgl. Bandura, 1997). Bandura nennt die Bewältigungswirksamkeit (Coping Efficacy) und die Gedankenkontrollwirksamkeit (Thought Control Efficacy) als die wichtigsten Aspekte, die die emotionalen Prozesse im Zusammenhang mit Selbstwirksamkeitserwartungen betreffen. Die Coping Efficacy bringt zum Ausdruck, wie hoch die individuelle Überzeugung ist, Stress mit eigenen Ressourcen bewältigen zu können. Bandura nennt zudem Forschungsarbeiten von Sanderson, Rapee und Barlow, die offenbar darstellen konnten, dass es möglich ist, bedrohliche Situationen in wertvolle Situationen umzuwandeln. Dies sei abhängig von der Kraft der Wirksamkeitsüberzeugung der Probanden (vgl. Bandura, 1997). Weiter nennt Bandura hier Jerusalem und Mittag, die eine Untersuchung zur Zeit der deutschen Wende machten. Hier soll sich herausgestellt haben, dass Menschen, die eine hohe Wirksamkeitseinschätzung haben, die neuen gesellschaftlichen Anforderungen eher als herausfordernd betrachteten als jene, die ihren Bewältigungsstrategien misstrauen. Diese nehmen die neue Anforderung eher als Bedrohung war (vgl. Bandura, 1997). Die Gedankenkontrolle ist ein anderer wichtiger Aspekt, den Bandura (1997) erwähnt. So besitzen die Menschen die Fähigkeit, ihre Gedanken zu kontrollieren. Bandura zitiert hier ein chinesisches Sprichwort, das zum Ausdruck bringen soll, was er darunter versteht: „You cannot prevent the birds of worry and care from flying over your head. But you can stop them from building nests in your hair“ (Bandura, 1997, S. 145). Er nennt dazu noch Forschungsarbeiten von Kent und Gibbson und Salkovski und Harrison, die offenbar herausgefunden haben, dass nicht die Häufigkeit von störenden Gedanken Stress erzeugt, sondern die wahrgenommene Unfähigkeit, diesen abzuwenden. So hätten sowohl die Bewältigungseinschätzung und der Glaube, die Gedanken kontrollieren zu können, Angst und ausweichendes Verhalten reduziert (vgl. Bandura, 1997). Menschen sind zum Teil das Produkt ihres Umfeldes. Durch selektive Prozesse werden das Umfeld und die Aktivitäten beeinflusst und wirken mit anderem darauf, wie sich Menschen entwickeln und was aus ihnen wird. Die Möglichkeiten im Leben werden durch den Glauben an die eigenen Fähigkeiten beeinflusst. Die Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst also die Lebensläufe der Menschen. Ein Schicksal kann entscheidend von der Wahl des Umfeldes abhängen. Jedes Umfeld fördert unterschiedliche Fähigkeiten und Potentiale. Bandura argumentiert, dass 60 2 Theoretischer Hintergrund Menschen in der Regel jene Umfelder vermeiden, bei denen sie der Auffassung sind, sie würden ihren Bewältigungsstrategien nicht entsprechen. Menschen suchen vielmehr jene Aktivitäten und Umfelder, in denen sie sich als fähig einschätzen und sich wohlfühlen. Menschen sind durch ihre Wirksamkeitseinschätzung in ihrer Lebensgestaltung bestimmt. So hängt beispielsweise die Berufswahl entscheidend davon ab, was sich die Person zutraut und wo sie meint, die Anforderungen an ihre Fähigkeiten würden überstiegen. Die Selektionsprozesse formen Schicksale und bestimmte Kompetenzen und Interessen werden gepflegt. Sie wirken sich auf den weiteren Lebensweg mitbestimmend aus (vgl. Bandura, 1997). 61 3 Empirischer Teil 3 Empirischer Teil Im empirischen Teil dieser Arbeit ist zu Beginn die Fragestellung dieser Untersuchung zu finden. Die nächsten Abschnitte befassen sich mit der Beschreibung der Messinstrumente, der Untersuchungsteilnehmer und des Untersuchungsablaufes. Ebenso werden die Ergebnisse präsentiert. Kapitel 4 beschäftigt sich mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse, mit der Bewertung und Interpretation der Hypothesen und Ergebnisse. Abgeschlossen wird das Kapitel 4 mit Kritik, Fazit und Ausblick. 3.1 Fragestellung und Hypothesen Eine Behandlung in einer suchttherapeutischen Einrichtung soll einen Einfluss auf die Kompetenz- und Kontrollüberzeugung der Patienten haben, wobei bei Menschen mit einer Suchterkrankung oft von einer niedrigen Kontrollfähigkeit ausgegangen wird. In ähnlicher Weise verhält es sich mit der wahrgenommen Selbstwirksamkeit. Diese soll bei Menschen mit einer Suchterkrankung ebenfalls eher niedrig ausfallen. Es ist jedoch möglich, die Kompetenz- und Kontrollfähigkeit sowie die wahrgenommene Selbstwirksamkeit zu verändern. In wie weit ein Mensch von seiner Krankheit tangiert wird, äußert sich in einer Self-Illness Separation. Diese Distanz kann sich, ausgelöst durch verschiedene Faktoren, ändern. Ob sich die genannten Faktoren innerhalb der Transferphase ändern, ist Grundlage dieser Untersuchung. Aufgrund dessen wurden folgende Hypothesen abgeleitet, die auf dem im theoretischen Teil dargestellten Inhalten fußen. Aufgrund des Forschungsstandes wird in dieser Untersuchung mit ungerichteten Hypothesen gearbeitet. Die erste Hypothese in dieser Untersuchung lautet: Es wird erwartet, dass zwischen drei Messzeitpunkten des FKKs eine Veränderung in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung stattfindet. 62 3 Empirischer Teil Die zweite Hypothese lautet: Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in der Self-Illness Separation (SIS) stattfindet. Die dritte Hypothese lautet: Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in der jeweiligen bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit stattfindet. Um die genannten Hypothesen zu prüfen wurden zwei Fragebögen und ein weiteres Erhebungsinstrument ausgewählt. 3.2 Beschreibung der Messinstrumente Zur Evaluation der Transferphase wurden drei unterschiedliche Messinstrumente ausgewählt. Diese werden in den folgenden Abschnitten hinsichtlich Entwicklung, Evaluation und Ablauf beschrieben. 3.2.1 Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen Der Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (FKK) ist eine Weiterentwicklung des ICP Fragebogens (I = Internalität, P = sozial bedingte Externalität, C = fatalistische Externalität), der zur Erfassung von generalisierter Kontrollüberzeugung entwickelt wurde. Der ICP Fragebogen hat seinen Ursprung in der sozialen Lerntheorie der Persönlichkeit nach Rotter. Der FKK ist zudem in das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit nach Krampen eingebettet (vgl. Kampen 1991; Wuttke, 2006). Der FKK eignet sich im Besonderen für die Testung in neuartigen, kognitiv schlecht strukturierten Situationen. Zu diesem Zeitpunkt ist „der Beschreibungswert (in Diagnostik und Evaluation) und der Vorhersagewert (in der interventionsorientierten Diagnostik und Indikationsstellung) handlungstheoretischer Persönlichkeitsvariablen – an zentraler Stelle der von Kompetenz und Kontrollüberzeugung – hoch“ (Krampen, 1991, S. 22). Die Aussagen werden auf einer sechsstufig bipolaren Antwortskala bewertet, die Antwortabstufung variiert von sehr richtig bis sehr falsch. Der Fragebogen kann ab 14 Jahren bis ins hohe Alter eingesetzt werden. 63 3 Empirischer Teil Der Fragebogen umfasst vier Aspekte: das generalisierte Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, Internalität in generalisierten Kontrollüberzeugungen, sozial bedingte Externalität und fatalistische Externalität. Sie werden zu vier Primärskalen mit jeweils acht Items zusammengefasst. Aus vier Primärskalen können dann zwei Sekundärskalen mit jeweils 16 Items und anschließend allen 32 Items eine Tertiärskala abgeleitet werden. Die eine Sekundärskala Selbstwirksamkeit entsteht aus den Skalen Selbstkonzept eigener Fähigkeiten und Internalität. Aus den Primärskalen Fatalistische Externaliät und Soziale Externalität wird die Sekundärskala Externalität abgeleitet. Zusammengefasst werden können alle 32 Items dann zur Tertiärskala Internalität vs. Externalität, jedoch rät Krampen dazu, dieses in der Auswertung nicht in den Vordergrund zu stellen (vgl. Krampen, 1991). Deshalb wird nur auf die nähere Beschreibung der Primärskalen eingegangen. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Bedeutungen hoch ausgefallener oder niedrig ausgefallener Werte auf den Primärskalen beschrieben. Eine Person, die einen hohen Wert auf der Primärskala FKK-SK (Selbstkonzept eigener Fähigkeiten) erreicht, sieht sich selbst als aktiv, ideenreich und tatkräftig. Sie besitzt ein hohes Selbstvertrauen und sieht in schwierigen Situationen Handlungsalternativen. Die Person nimmt sich als kompetent und handlungsfähig wahr. Wichtig ist, so Krampen, dass sich die Handlungskompetenz ausschließlich auf die subjektive Überzeugung der betreffenden Person bezieht (vgl. Krampen, 1991). Eine Person mit niedrigen Werten auf der Primärskala FKK-SK kann hingegen als passiv, ideenarm und abwartend bezeichnet werden. Diese Person sieht wenige Handlungsalternativen und ist unsicher in neuartigen Situationen. Sie hat eher eine geringe Kompetenzerwartung an sich selbst und ist der subjektiven Überzeugung, dass ihr nur wenige oder ineffiziente Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das zeigt sich im Besonderen in neuartigen und schwierigen Situationen. Erreicht eine Person hohe Werte auf der Primärskala FKK-I (Internalität), kann davon ausgegangen werden, dass sie erwartet, selbst über wichtige Dinge in ihrem Leben bestimmen zu können. Erfolge macht sie von ihren eigenen Anstrengungen abhängig. Die Person geht davon aus, individuelle Handlungsziele und Vorhaben auch zu erreichen und erlebt das eigene Handeln als effektiv und wirksam. Eine Person mit niedrigen Werten auf der FKK-I Primärskala dagegen geht davon aus, dass Erfolge kaum oder gar nicht in einem Zusammenhang mit ihren persönlichen Anstrengungen stehen. Sie glaubt, eigene Ziele selten erreichen zu 64 3 Empirischer Teil können und vertritt ihre Interessen auch mit wenig Erfolg. Soziale Interaktionen sind für diese Person schwierig zu regulieren, auch erlebte Handlungen werden als wenig effektiv empfunden. Eine Person mit niedrigen Werten auf der Primärskala FKK-P (sozial bedingte Externalität) erlebt sich in ihrem Leben als stark abhängig und beeinflusst von anderen, mächtigen Menschen. Sie empfindet Benachteiligung und kann sich nur wenig durchsetzen. Gefühle der Ohnmacht und der Hilflosigkeit treten bei betroffenen Personen häufig in den Vordergrund. Eine Person mit niedrigen Werten auf der FKK-P Primärskala sieht sich und ihr Leben als wenig abhängig, beeinträchtigt und gesteuert von anderen Menschen. Das Individuum hat selten das Gefühl, ohnmächtig und hilflos in Situationen zu sein und kann sich gegenüber anderen durchsetzen. Eine Person mit einem hohen Wert auf der FKK-C (Fatalistische Externalität) Primärskala empfindet sich als gesteuert von unkontrollierbaren Faktoren wie Glück, Pech, Zufall oder Schicksal. Glück macht in der Auffassung dieser Person den Erfolg aus. Sie ist wenig rational und kann sich vor Pech nicht schützen. Niedrige Werte auf der FKK-C Primärskala bedeuten hingegen, dass das Individuum sich nicht dem Schicksal, Pech, Glück oder Zufall unterworfen fühlt. Es ist rational und verbindet Erfolge nur wenig mit Glück. Es ist des Weiteren in der Lage, sich vor Pech zu schützen. Krampen geht, gestützt durch die Mehrzahl vorliegender Befunde, davon aus, dass „Personen mit einem hohen Selbstkonzept eigener Fähigkeiten sowie hoher Internalität und geringer Externalität psychisch stabiler, eher zur Selbstaktualisierung fähig, in ihrem Urteilsverhalten unabhängiger (etc.) sind als Personen mit einem geringen Selbstkonzept, geringer Internalität und hoher Externalität“ (1991, S. 26-27). Es kann für erste genannte Personen von einem günstigen und selbstwertdienlichen Kontrollüberzeugungsprofil ausgegangen werden, bei den Zweitgenannten eher von einem wenig selbstwertdienlichen und ungünstigen Kontrollüberzeugungsprofil (vgl. Wuttke, 2006). Mit einer Umfrage, die mit einer per Zufallsverfahren ermittelten, repräsentativen Stichprobe von 2028 Erwachsenen ab dem 18. Lebensjahr durchgeführt wurde, konnte die Normierung des FKKs vorgenommen werden. Ebenfalls wurde eine Umfrage mit 248 Jugendlichen, die für Deutschland keine repräsentative Stichprobe darstellt, durchgeführt. Der FKK liegt in einer standardisierten, schriftlich vorgegebenen 65 3 Empirischer Teil Instruktion für die Bearbeitung vor. Dadurch soll die Durchführungsobjektivität gewährleistet sein. Die Auswertungsobjektivität ergibt sich aus der rechnergestützten Auswertung. Jedoch empfiehlt Krampen eine unabhängige Zweitauswertung des Fragebogens (vgl. Krampen, 1991). Die Interpretationsobjektivität soll durch die gegebenen Interpretationshinweise gesichert sein. Krampen meint hier allerdings, dass die Interpretation auch in der Verknüpfung mit Lebenslauf und Situation erfolgen könne und dies zu subjektiven Einflüssen des Diagnostikers auf die Ergebnisse führen könne. Die oben genannte Stichprobe mit Erwachsenen erreichte eine interne Konsistenz (Cronbachs α) auf der Primärskala FKK-SK von .76, der Primärskala FKK-I bei .70, der Primärskala FKK-P .73 und der Primärskala FKK-C bei .75. Die interne Konsistenz der jeweiligen Sekundärskalen erreicht eine Höhe von .83. Somit erreicht die interne Konsistenz ein befriedigendes Ergebnis und weist auch zwischen verschiedenen Stichproben keine Schwankungen auf. Ebenfalls als stichprobenunabhängig erweist sich die Testhalbierungsreliabilität (Spearman-Brown). So erreicht die Primärskala FKK-SK eine Wert von .71, die Primärskala FKK-I .64, die Primärskala FKK-P einen Wert von .67 und die Primärskala FKK-C einen Wert von .70. Einen Wert von jeweils .70 erreichen die Sekundärskalen. Im Bezug auf die Testwiederholungsrealiabilität können befriedigende Kennwerte angegeben werden. Die Retest-Reliabilität für ein Intervall von 2 Wochen ergab bei für die Primärskalen Werte zwischen .70 und .91. Die Sekundärskala FKK-SKI (Selbstwirksamkeit) erreichte einen Wert von .89 und die Sekundärskala FKK-PC (Externalität) einen Wert von .92. Krampen (1991) gibt an, dass die Test-Retest-Korrelationen in einem Bereich liegen, der zum einen auf eine hinreichende Stabilität in den erfassten Variablen deutet und anderseits genügend Spielraum für die Messung interindividueller Unterschiede im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung belässt. Die inhaltliche Validität sei durch die theoriegeleitete Konstruktion des Verfahrens gegeben. Die inhaltliche Validität wurde zudem durch die Selbst und Fremdeinschätzung von 14 Paaren geprüft. Die Ergebnisse zeigen hier eine signifikante positive Korrelation mit den Messwerten des FKKs. „Die Konstruktvalidität ergibt sich aus den statistisch bedeutsamen, vom Vorzeichen her konstrukt-adäquaten Interkorrelationen auf der Primärskalenebene“ (Wuttke, 2006, S. 52). Durch einen Scree-Test konnte die aufgrund „der Konstruktdifferenzierung auf der Primärskalenebene angenommene vierfaktorielle Lösung“ (Krampen, 1991, S. 54) empirisch bestätigt werden. Durch die vierfaktorielle Struktur konnten insgesamt 41,1% der Gesamtvarianz aufgeklärt werden. Die konvergente und diskriminante Validität 66 3 Empirischer Teil konnte mit der Hilfe von Messinstrumenten die sowohl konstruktnahe wie auch konstruktferne Variabeln messen überwiegend bestätigt werden. An dieser Stelle sei auf das Testmanual des FKK (Krampen, 1991) verwiesen. Ebenso wird bei der differentiellen Validität auf das Testmanual des FKK verwiesen. Hier wurden vielfältige Untersuchungen mit verschiedenen Subgruppen und klinischen Gruppen durchgeführt. Durch die Differenzierung des FKKs bei den unterschiedlichen Gruppen kann von einer guten differentiellen Validität ausgegangen werden. Der FKK eignet sich zur Persönlichkeitsdiagnostik bei Personen die sich in Situationen befinden die für sie schwer kognitiv strukturierbar sind. Der Austritt nach einer im Durchschnitt neun monatigen Suchttherapie kann für die Personen als eine solche Situation angesehen werden. 3.2.2 PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure) PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure) wurde aus der Motivation heraus entwickelt, einen klinischen Eindruck der subjektiven, relevanten Beeinträchtigung von Patienten zu gewinnen. Die Entwicklung begann mit explorativen Interviews mit Patienten die an einer chronischen Polyarthritis litten. Bei diesen zeigte sich eine zuvor wenig beachtete Dimension, die des Leidensdrucks. In den Gesprächen wurde klar, dass das Leiden höchst individuell ist und zudem das Ausmaß des Leidens für die Probanden in Worten schwer auszudrücken war. Die weiteren Untersuchungen sollten das Konstrukt des Leidens objektivierbar und interindividuell vergleichbar machen. Das PRISM Instrument ist das Resultat verschiedener Versuche mit neuen Medien. Der Untersucher legt dem Probanden eine weiße A4 formartige Metallplatte vor. Auf dieser ist in der rechten unteren Ecke ein fixer gelber Kreis von 7 cm Durchmesser abgebildet. Der Untersucher erklärt dem Probanden nun, das die weiße Platte das Leben der Probanden darstelle und der gelbe Kreis symbolisiert das Zentrum des Lebens, das „Selbst“. Eine rote Scheibe mit 5 cm Durchmesser wird dann im folgendem vorgestellt. Diese symbolisiert die Krankheit. Mit der Bitte an den Probanden, die rote Scheibe so auf der weißen Platte zu platzieren, dass sie darstellt, welchen Platz die Krankheit im derzeitigen Leben einnimmt, startet die Durchführung von PRISM. Die Self-Illness Separation (SIS) drückt sich in der Distanz zwischen dem Zentrum der gelben Scheibe 67 3 Empirischer Teil und der roten Scheibe aus. Der SIS wird in Zentimetern gemessen und kann minimal 0 cm betragen und maximal 27 cm. Abbildung 2: PRISM (http://www.prism-coop.ch, Link 2) Die Standardisierte Einführung von PRISM ist im Anhang dieser Arbeit zu finden. PRISM wurde mit der Hilfe von insgesamt 688 Probande,n die an sechs unterschiedlichen chronischen körperlichen Krankheiten litten, validiert. Die Ergebnisse zu dieser Validierung können im Einzelnen in der Habilitationsschrift von S. Büchi, Chronische Krankheiten und Lebensqualität – Entwicklung, Validierung und klinischer Einsatz von PRISM […] eines Instrumentes zur Erfassung von Leidensdruck eingesehen werden. Unter www.prism-coop.ch (Link 2) sind die Ergebnisse zu finden, die an dieser Stelle diese umrissen werden. Die Testgütekriterien haben zusammenfassend eine gute Intra- und Interrate Stabilität von PRISM mit Werten von .96, resp. .79 ergeben. Eine gute konvergente Validität von PRISM ergaben die Korrelationsberechungen zwischen den konstruktnahen Parametern der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der affektiven Belastung. Sie bilden sich als hochsignifikant (p < .001) und robust ab. Gleichermaßen verhält sich auch der Zusammenhang mit der Moderator-Variable geprüften individuellen Stressresistenz. Die divergente Validität wurde erfolgreich mit der Hilfe von konstruktnahen Parametern geprüft. Die Prüfung der diskriminanten Validität erfolgte mit einer Stichprobengröße von N = 616. Hier zeigte sich, dass Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (CLOK) nach einer stationären Rehabilitation im Vergleich zu COLK-Klienten nach erfolgreicher Lungenvolumenreduktionschiurgie, als auch Menschen mit Ganarthorose und Systemischen Lupus Erythematodes eine kleinere SIS haben. Dies korrespondiert mit hohen Werten der rehabilitieren COLK Patienten für die affektive Belastung und mit niedrigen Werten im Bezug auf die 68 3 Empirischer Teil gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Patienten wurden über ein Jahr mit PRISM und anderen Assessment Instrumenten begleitet. So drücken die Auswertungen der Daten, die durch eine Varianzanalyse erfolgten, eine gute Veränderungssensivität von PRISM aus. Durch die standardisierte Einführung und Durchführung von PRISM kann von einer Durchführungsobjektivität ausgegangen werden. In Anlehnung an Büchi (2001) soll sich PRISM als ein reliables, valides, ökonomisches und sehr benutzerfreundliches Instrument erwiesen haben. Büchi fügt hinzu, dass entgegen einer fehlenden Operationalisierung die Untersuchungsresultate darauf hinweisen, dass die gemessene SIS ein valides Maß für Leidensdruck sei. Aus der Validierung des Messinstrumentes soll sich ergeben haben, dass Personen mit einer geringen Distanz ihre Kontrollfähigkeit deutlich niedriger einschätzen, mehr mit der Bewältigung ihrer Krankheit beschäftigt sind und mehr depressive Symptome zeigen. Die Krankheit ist der bestimmende Teil im Leben und besetzt 75 bis 100 Prozent. Weiter hängen alle Lebensaspekte von der Krankheit ab. So wird vermutet, dass Personen mit einer kleinen SIS eher zu emotionsbezogenem Coping tendieren. Unabhängig vom Schweregrad der Krankheit sollen Personen mit einem größeren SIS, das heißt einer klaren Trennung von Krankheit und Selbst, ihre Kontrollfähigkeit als größer einschätzen, sich zeitlich weniger mit der Krankheit beschäftigen und weniger depressive Symptome zeigen. Hier wird von einem eher problembezogenen Coping ausgegangen (vgl. Büchi, 2001). 3.2.3 Fragebogen zur Selbstwirksamkeit (Bereichsspezifisch) Das Selbstbeurteilungsverfahren fragt nach der persönlichen Einschätzung, mit Schwierigkeiten und Hindernissen kompetent zurechtzukommen. Das Verfahren versucht die positive Kompetenzerwartung zu erfassen, das heißt das Vertrauen einer Person darauf, mit ihren Kompetenzen eine schwierige Lebenssituation zu überstehen. In den Anfängen bestand der Test aus 20 Items. Die Kennwerte wurden aufgrund weiterer Studien mit unterschiedlichen Populationen wiederholt. Daraus resultierte eine ökonomische 10 Item-Skala. Die 10 Item-Skala ist ein von Matthias Jerusalem und Ralf Schwarzer entwickelter, 1981 erstmals vorgestellter Test. Die ab 1981 laufenden Studien konnten den Nutzen und die Eindimensionalität bestätigen. Die gleichsinnig gepolten Aussagen sind in vierstufigen Bewertungskriterien zu beantworten. Diese gliedern sich in: (1) stimmt nicht, (2) stimmt kaum, (3) stimmt eher, (4) stimmt genau. Ein Beispielitem lautet: „Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich 69 3 Empirischer Teil damit umgehen kann.“ Jede Aussage soll eine stabil-intern attribuierte Erfolgserwartung zum Ausdruck bringen. Der individuelle Testwert ist ein Resultat der Aufsummierung aller zehn Antworten. Dadurch entsteht ein Score zwischen 10 und 40. Ein hoher Testwert steht dafür, dass die Person Vertrauen hat, schwierige Situationen mit ihren Kompetenzen meistern zu können (optimistische Kompetenzerwartung). Den Erfolg führt die betroffene Person auf ihre eigene Kompetenz zurück (vgl. www.web.fuberlin.de, Link 3). Über zwei Jahrzehnte haben zahlreiche Studien gute psychometrische Kennwerte gezeigt. Die meisten Untersuchungen erlangten einen Mittelwert von ungefähr 29 Punkten, die Standardabweichung lag bei ca. 4 Punkten. Der Fragenkatalog liegt nun in 28 Sprachen vor und wurde in einer länderübergreifenden Untersuchung auf seine Gütekriterien hin geprüft. Bei dem Vergleich von 23 Nationen mit über 18.000 Probanden, konnte eine Reliabilität von Cronbachs α zwischen .76 und .90 ermittelt werden. In allen deutschen Stichproben streute die interne Konsistenz zwischen .80 und .90. „Exploratorische und konfirmatorische Faktoranalysen konnten wiederholt die Eindimensionalität der Skala belegen“ (Leganger, Kraft und Roysamb, 2000; Schwarzer, 2001; zitiert nach Schumacher, Klaiberg und Brähler, 2001, S. 2, www.userpage.fu-berlin.de, Link 4). Viele Korrelationsbefunde mit anderen relevanten Variablen konnten eine kriterienbezogene Validität ergeben. Es konnten positive Zusammenhänge der allgemeinen Selbstwirksamkeit, zum dispositionalen Optimismus und zur Arbeitszufriedenheit festgestellt werden. Negative Zusammenhänge ergaben sich unter anderem zu Ängstlichkeit, Depressivität, Burnout und Stresseinschätzung. Schumacher, Klaiberg und Brähler führten 2001 eine bevölkerungsrepräsentative Normierung der Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeit durch (N = 2.031; Alter 1495 Jahre). Die Untersuchungsdaten stammen aus einer Mehrthemenumfrage aus ganz Deutschland. Die Zufallswahl der Haushalte fand nach dem Random-Route-Verfahren statt, die im Haushalt lebenden Personen wurden ebenfalls per Zufallsprinzip ermittelt. Durch die Stichprobenziehung von ADM (Arbeitskreis Deutsche Marktforschungsinstitute) und dem Vergleich der Angaben mit denen des Statistischen Bundesamtes konnte die Repräsentativität der Stichprobe gesichert werden. Die Grundgesamtheit stellt in dieser Untersuchung die deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren dar. Die Erhebung hat eine Ausschöpfungsquote von ca. 65%. Schuhmacher et al. konnten eine als sehr gut abzuschätzende interne Konsistenz von .92 ermitteln. 70 3 Empirischer Teil „Die empirische Verteilung der SWE-Skalenwerte weicht jedoch von der Normalverteilung ab (Kolmogorov-Smirnov-Z = 4. 91; p < .001) Sie ist etwas steiler als die Normalverteilung (Kurtosis = .36) und linksschief (Schiefe = -.32)“ (Schuhmacher et al., 2001, S. 4, www.userpage.fu-berlin.de, Link 4). Die Eindimensionalität der SWESkala (Selbstwirksamkeits-Skala) wurde durch die Berechnung einer Hauptkomponentenanalyse geprüft. Hier konnte ein einziger Faktor ermittelt werden, auf den alle Items hoch laden und durch den 57,1% der Varianz aufgeklärt sind. Die Eindimensionalität der Skala konnte so bestätigt werden. Durch die Untersuchung von Schuhmacher et al. erwies sich die SWE-Skala als ein „reliables und fakoriell valides Instrument zur Diagnostik der Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung“ (Schumacher et al., 2001, S. 4, www.userpage.fu-berlin.de, Link 4). In dieser Untersuchung beziehen sich die 10 Items jeweils auf vier unterschiedliche Bereiche. Die Probanden werden gebeten, die Aussagen bezüglich ihrer allgemeinen Lebenssituation, ihrer momentanen beruflichen und familiären Situation sowie zu ihrer Suchterkrankung einzuschätzen. 3.3 Untersuchungsdurchführung Die Untersuchung fand an zwei Erhebungszeitpunkten statt. Der in dieser Untersuchung verwendete Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung wird mit jedem Patienten in der Einstiegsphase durchgeführt. Diese Daten werden für diese Untersuchung genutzt, folglich kann bezüglich des FKKs mit drei Messzeitpunkten gearbeitet werden. Die Befragungen fanden im Testraum der Klinik im Hasel statt. Hier werden die für die Therapie relevanten psychologischen Tests durchgeführt. Der Raum ist mit einem Computer ausgestattet, an dem der Fragebogen zur Kompetenz und Kontrollüberzeugung bearbeitet wurde. Der Fragebogen zur bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit und das PRISM-Bild wurden per Hand erfasst. Die Befragungen fanden einzeln statt und richteten sich nach dem jeweiligen Eintritt der Patienten in die Transferphase. T1 fand immer eine Woche vor dem Eintritt und T2 in der letzten Woche der Transferphase statt. 71 3 Empirischer Teil Die Probanden kamen nach Terminvereinbarung selbstständig in den Testraum. Nach einer kurzen Vorstellung der Untersuchungsleitung wurden die Befragten über die Vertraulichkeit ihrer Daten aufgeklärt und das Befragungsmaterial wurde ausgehändigt. Die Befragung gliederte sich in vier Bereiche. Auf Blatt eins wurden die Probanden über den Grund der Befragung und deren Ablauf aufgeklärt. Es folgte die Erhebung von soziodemografischen Daten. Unter anderem wurden Alter, Geschlecht, berufliche Situation und Therapiedauer abgefragt. Der zweite Teil der Befragung bezog sich auf die bereichsspezifische Selbstwirksamkeit mit einem Fragebogen, der sich in vier verschiedene Bereiche gliedert. Der dritte Teil war der Erhebung des PRISM-Bildes gewidmet. Der Ablauf erfolgte nach standardisierten Vorgaben (die Beschreibung des standardisierten Vorgehens befindet sich im Anhang dieser Arbeit). Der vierte Teil der Befragung, der FKK, fand am Testcomputer statt. Das standardisierte Programm wies den Probanden in den Ablauf ein. Die Bearbeitungsdauer der gesamten Untersuchung betrug ca. 20 Minuten. Die Erhebungen vor und in der letzten Woche der Transferphase unterschieden sich in ihren Abläufen nicht. 3.4 Untersuchungsteilnehmer In dieser Untersuchung geht es um die Evaluation der Transferphase. Deshalb richtete sich die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer danach, wer von ihnen in dem Untersuchungszeitraum in die Transferphase eintrat. In den Untersuchungszeitraum fielen acht Patienten der Klinik im Hasel. Die Stichprobengröße konnte aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Erhebungszeitraums nicht beeinflusst werden. Da die Stichprobengröße sehr klein ist und es sich um Einzelpersonen handelt, soll an dieser Stelle nicht weiter auf einzelne Diagnosen eingegangen werden. Ein Überblick über die relevanten Störungsbilder findet sich in Abschnitt 2.1 dieser Arbeit. Ursprünglich wurde mit zehn Patienten gerechnet. Da zwei Patienten die Therapie vorzeitig beendeten, verkleinerte sich die Stichprobengröße. Ausschlusskriterien gab es keine. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Ende Juli 2010 bis Anfang Oktober 2010. Tabelle 1: Soziodemografische Daten N 8 Männlich 5 Weiblich 3 Altersdurchschnitt 43 Es nahmen drei weibliche und fünf männliche Probanden an der Untersuchung teil. Das durchschnittliche Alter der Probanden lag bei 43 Jahren. Sieben der acht Probanden 72 3 Empirischer Teil durchliefen eine Therapie von sechs bis neun Monaten. Für eine Probandin dauerte die Therapie zehn Monate. Drei der Probanden gaben an, ledig zu sein, einer verheiratet und vier geschieden. Fünf der Probanden gaben an, auf Stellensuche zu sein, zwei eine Invalidenrente zu beziehen und einer gab an, wieder an seine alte Arbeitsstelle zurückzukehren. Rückfälle hinsichtlich der Therapieziele erlebten zwei Probanden. Die anderen sechs gaben an, keinen Rückfall erlitten zu haben. Die Probanden, die einen Rückfall erlitten haben, gaben zudem an, dass dieser in der Kernphase der Therapie stattgefunden hat. 3.5 Auswertung Die Auswertung der Untersuchung fand mit dem Statistikprogramm SPSS 18 statt. Zur Darstellung der Ergebnisse wurden Balkendiagramme gewählt. Als Vergleichsdaten wurde der Mittelwert berechnet, da es sich um intervallskalierte Variablen handelt. Zur Übersicht werden zusätzlich zu den Diagrammen die Mittelwerte mit jeweiliger Standardabweichung in Tabellen dargestellt. Zur Prüfung einer möglichen, signifikanten Veränderung zwischen den Erhebungszeitpunkten T1 und T2 (beim FKK gilt T1, T2 und T3) wurde der Wilcoxon-Test angewandt. Der Wilcoxon-Test „ist der übliche Test zum nichtparametrischen Vergleich zweier abhängiger Stichproben. Er basiert auf einer Rangreihe der absoluten Wertpaardifferenz“ (Bühl, 2008, S. 323). Das vorgegebene Signifikanzniveau lag bei p < .050. 3.6 Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse der statistischen Analyse zunächst für die drei Erhebungszeitpunkte des FKKs dargestellt, anschließend daran die Ergebnisse der zwei Erhebungszeitpunkte von PRISM (Self-Illness Separation), zum Abschluss werden die der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit präsentiert. Den Ergebnispräsentationen sind die jeweiligen Ergebnisse des Wilcoxon-Tests zugeordnet. 3.6.1 Ergebnisse des FKK Die Ergebnisse des Fragebogens zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugen werden zur Übersicht in allen sieben Skalen dargestellt. Um die Daten vergleichen zu können, wurden die einzelnen Rohwerte mit den T-Werten aus den Normen des FKKs abgeglichen. Der Mittelwert bei der Normierungsstichprobe liegt bei einem Wert von 50. Abweichungen +/- 10 bilden somit noch durchschnittliche Ausprägungen. Das Maximum, das erreicht werden kann, liegt bei einem Wert von 80, das Minimum bei 73 3 Empirischer Teil 20. Auf jeder Skala wurde ein Gesamtmittelwert für die Gesamtgruppe errechnet. Der Vollständigkeit halber wird zusätzlich zum Mittelwert auch die Standardabweichung dargestellt. 3.6.1.1 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 1 Legende: SK1=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I1= Internalität, P1=Soziale Externalität,C1=Fatalistische Externalität, SKI1= Selbstwirksamkeit, PC1= Externalität; SKI PC1= Internalität vs. Externalität;20= Minimalwert, 80= Maximalwert Abbildung 3: FKK 1 Zum ersten Messzeitpunkt des FKKs, der mit jedem Patienten zu Beginn seiner Behandlung durchgeführt wird, erreicht die Gesamtgruppe auf der Skala Selbstkonzept eigener Fähigkeiten einen Mittelwert von 44. Ebenso verhält es sich mit der Primärskala Internalität. Hier erreicht die Gruppe einen Mittelwert von 49. Die Ergebnisse der Skala Soziale Externalität und Fatalistische Externalität zeigen Mittelwerte von 49 und 44. Bei Betrachtung der Sekundärskalen Selbstwirksamkeit mit einem Mittelwert von 47 und Externalität mit einem Mittelwert von 47 bestätigen sich die durchschnittlichen Mittelwerte der Primärskalen. Auf der Tertiärskala kommt ein Wert von 51 zustande. Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 1 im Bereich von 6 bis 15. Tabelle 2: FKK 1 SK_1 I_1 P_1 C_1 SKI_1 PC_1 SKI_PC_1 Mittelwert 44,00 48,75 49,25 44,00 47,00 47,13 51,00 Standardabweichung 15,52 15,82 11,31 5,63 16,96 8,59 14,96 74 3 Empirischer Teil 3.6.1.2 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 2 Legende: SK2=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I2=Internalität, P2=Soziale Externalität,C2=Fatalistische Externalität, SKI2=Selbstwirksamkeit, PC2=Externalität; SKI PC2= Internalität vs. Externalität. 20= Minimalwert, 80= Maximalwert Abbildung 4: FKK 2 Abbilung 4 zeigt die Ergebnisse zum zweiten Erhebungszeitpunkt des FKKs. Auf der Skala Selbstkonzept eigener Fähigkeiten erreicht die Gesamtgruppe einen Mittelwert von 47. Auf der Skala Internalität ergibt sich ein Mittelwert von 49. Auf der Skala Soziale Externaliät zeigt sich ein Mittelwert von 49. Ein Mittelwert von 46 ergibt sich auf der Skala Fatalistische Externalität. Die beiden Sekundärskalen Selbstwirksamkeit und Externalität erreichen jeweilige Mittelwerte von 48 und 47. Die Tertiärskala erreicht einen Wert von 52. Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 2 im Bereich von 12 bis 14. Tabelle 3: FKK 2 SK_2 I_2 P_2 C_2 SKI_2 PC_2 SKI_PC_2 Mittelwert 47,38 48,63 49,13 46,13 48,38 47,25 52,38 Standardabweichung 13,75 12,99 11,98 12,52 14,61 12,93 13,48 75 3 Empirischer Teil 3.6.1.3 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 3 Legende: SK3=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I3=Internalität, P3=Soziale Externalität,C3=Fatalistische Externalität, SKI3=Selbstwirksamkeit, PC3=Externalität; SKI PC3=Internalität vs. Externalität. 20=Minimalwert, 80=Maximalwert Abbildung 5: FKK 3 Aus den Daten des dritten Erhebungszeitpunktes ergibt sich auf der Skala Selbstkonzept eigener Fähigkeiten ein Mittelwert von 48. Einen Mittelwert von 55 erreicht die Gruppe auf der Skala Internalität. Auf der Skala Soziale Externalität ergibt sich für die Gesamtgruppe ein Mittelwert von 46. Die vierte Primärskala, Fatalistische Externalität, zeigt einen Mittelwert von 43. Aus den Sekundärskalen Selbstwirksamkeit und Externalität ergeben sich Mittelwerte von 52 und 45. Aus der Tertiärskala kommt ein Mittelwert von 56 zustande. Die Standardabweichungen liegen für den Messzeitpunkt 3 im Bereich von 10 bis 14. Tabelle 4: FKK 3 SK_3 I_3 P_3 C_3 SKI_3 PC_3 SKI_PC_3 Mittelwert 48,38 55,25 46,13 43,25 51,88 44,75 56,13 Standardabweichung 14,18 10,14 10,80 12,60 13,83 12,85 13,47 3.6.1.4 Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für den FKK Zur Überprüfung, ob eine Veränderung zwischen den drei Erhebungszeitpunkten stattgefunden hat, ist der Wilcoxon-Test durchgeführt worden. Dessen vorgegebenes Signifikanzniveau war p < .050. In Tabelle 5 werden die Primärskalen der Messzeitpunkte 1 und 2 des FKKs geprüft. 76 3 Empirischer Teil Tabelle 5: Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für FKK 1 und 2 SK_2 - SK_1 I_2 - I_1 P_2 - P_1 C_2 - C_1 Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) Negative Ränge N 3 Mittlerer Rang 4,67 Rangsumme 14 Positive Ränge 5 4,4 22 c Bindungen 0 Gesamt 8 Negative Ränge 2d 5 10 Positive Ränge 4 2,75 11 Bindungen 2 Gesamt 8 Negative Ränge 4 4,13 16,5 Positive Ränge 4 4,88 19,5 i Bindungen 0 Gesamt 8 Negative Ränge 4j 3,88 15,5 Positive Ränge 4 5,13 20,5 Bindungen 0 Gesamt 8 SK_2 - SK_1 -,561 I_2 - I_1 -,105 P_2 - P_1 -,211 C_2 - C_1 -,350 0,575 0,917 0,833 0,726 Zwischen den Messzeitpunkten 1 und 2 ergibt der Wilcoxon-Test keine Veränderung für die einzelnen Primärskalen des FKKs (vgl. Tabelle 5). Die Tabelle 6 präsentiert die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests von Messzeitpunkt 1 und 3 des FKKs. 77 3 Empirischer Teil Tabelle 6: Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für FKK 1 und 3 SK_3 - SK_1 I_3 - I_1 P_3 - P_1 C_3 - C_1 Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) Negative Ränge N 2 Mittlerer Rang 4 Rangsumme 8 Positive Ränge 5 4 20 Bindungen 1 Gesamt 8 Negative Ränge 1 4 4 Positive Ränge 5 3,4 17 Bindungen 2 Gesamt 8 Negative Ränge 4g 4,75 19 Positive Ränge 3 3 9 Bindungen 1 Gesamt 8 Negative Ränge 4 3,75 15 Positive Ränge 3 4,33 13 Bindungen 1 Gesamt 8 SK_3 - SK_1 -1,014 I_3 - I_1 -1,367 P_3 - P_1 -,85b C_3 - C_1 -,169 0,310 0,172 0,395 0,866 Für die Messzeitpunkte 1 und 3 gibt der Wilcoxon-Test an, dass keine Veränderung stattgefunden hat (vgl. Tabelle 6). Abschließend sind die Ergebnisse der Prüfung zu den Messzeitpunkten 2 und 3 des FKKS der Tabelle 7 zu entnehmen. 78 3 Empirischer Teil Tabelle 7: Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für FKK 2 und 3 SK_3 - SK_2 I_3 - I_2 P_3 - P_2 C_3 - C_2 Z Negative Ränge N 1 Mittlerer Rang 6 Rangsumme 6 Positive Ränge 5 3 15 c Bindungen 2 Gesamt 8 Negative Ränge 1 3 3 Positive Ränge 7 4,71 33 Bindungen 0 Gesamt 8 Negative Ränge 5 3,8 19 Positive Ränge 1 2 2 Bindungen 2 Gesamt 8 Negative Ränge 5 4,7 23,5 Positive Ränge 2 2,25 4,5 Bindungen 1 Gesamt 8 SK_3 - SK_2 -,946 I_3 - I_2 -2,100 P_3 - P_2 -1,782 C_3 - C_2 -1,612 0,344 0,036 0,075 0,107 Asymptotische Signifikanz (2-seitig) Der Wilcoxon-Test weist keine Veränderung (vgl. Tabelle 7) zwischen den Messzeitpunkten 3 und 2 auf den Primärskalen SK_2 zu SK_3 und C_2 zu C_3 auf. Für die Primärskala I_2 gibt er eine signifikante Veränderung zu I_3 an, auf der Primärskala P_2 zu P_3 ist eine annähernde Signifikanz zu erkennen, die auf einen Trend zu einer Veränderung hinweist. 2 und 3 stellen die Messzeitpunkte dar, zwischen denen die Transferphase stattfand. 79 3 Empirischer Teil 3.6.2 Ergebnisse zu PRISM (Self-Illness Separation) Legende: SIS= Self-Illness Separation, 0-27 in cm Abbildung 6: Self-Illness Separation 1 Zum Erhebungszeitpunkt 1 (vgl. Abbildung 6) erreicht die Gruppe einen Mittelwert der Self-Illness Separation von 15,3. Die Standardabweichung liegt bei 8,1. Legende: SIS= Self-Illness Separation, 0-27 in cm Abbildung 7: Self Illness Separation 2 Abbilung 7 zeigt, dass sich für Erhebungszeitpunkt 2 ein Mittelwert von 18,6 für die Gesamtgruppe ergibt. Die Standardabweichung liegt bei 6,6. 80 3 Empirischer Teil Tabelle 8: PRISM 1 und 2 PRISM_1 PRISM_2 Mittelwert 15,25 18,64 Standardabweichung 8,08 6,64 Ob eine Veränderung zwischen den Messzeitpunkten 1 und 2 stattgefunden hat, soll der Wilcoxon-Test prüfen. Das vorgegebenes Signifikanzniveau lag bei p < .050. Tabelle 9: Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für PRISM 1 und 2 N PRISM_2 PRISM_1 Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) Negative Ränge 3 Mittlerer Rang 3,67 Positive Ränge 5 5 Bindungen 0 Gesamt 8 Rangsumme 11 25 PRISM_2 PRISM_1 -,980 0,327 Es muss durch den Wilcoxon-Test für den Vergleich der Self-Illness Separation zu den Messzeitpunkten 1 und 2 von Zufall ausgegangen werden (vgl. Tabelle 9). 81 3 Empirischer Teil 3.6.3 Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit In den meisten Stichproben, die für die Evaluierung des Fragebogens untersucht worden sind, lagen der Mittelwert bei 29 und die Standardabweichung bei 4 Punkten. Legende:LS1= allgemeine Lebenssituation, BE1= momentane berufliche Situation, fBE1= familiärer Bereich, SU1= Suchterkrankung. 10=Minimalwert, 40= Maximalwert. Abbildung 8: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1 Für den Erhebungszeitpunkt 1 der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit ergibt sich für den Bereich allgemeine Lebenssituation ein Mittelwert von 27. Für den Bereich berufliche Situation ergibt sich ein Mittelwert von 28. Der familiäre Bereich zeigt einen Mittelwert von 29 und der Bereich Suchterkrankung weist einen Mittelwert von 30 auf (vgl. Abbildung 8). Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 1 im Bereich von 3 bis 7. Tabelle 10: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1 LS_1 BS_1 f_BE_1 SU_1 Mittelwert 27,13 28,00 29,25 30,00 Standardabweichung 5,19 6,95 6,23 3,34 82 3 Empirischer Teil Legende: LS2=allgemeine Lebenssituation, BE2=momentane berufliche Situation, fBE2=familiärer Bereich, SU2=Suchterkrankung. 10=Minimalwert, 40=Maximalwert. Abbildung 9: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 2 Beim Erhebungszeitpunkt 2 zeigt die Abbildung 9 für die bereichsspezifische Selbstwirksamkeit folgende Ausprägungen. Für den Bereich allgemeine Lebenssituation zeigt sich ein Mittelwert von 30, für den Bereich momentan berufliche Situation ergibt sich ein Mittelwert von 29, für den familiären Bereich ergibt sich für die Gesamtgruppe ein Mittelwert von 30. Der Bereich Suchterkrankung zeigt einen Mittelwert von 31. Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 2 im Bereich von 4 bis 7. Tabelle 11: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 2 LS_2 BS_2 f_BE_2 SU_2 Mittelwert 29,50 29,00 30,00 30,63 Standardabweichung 7,25 3,82 6,46 4,81 Um nun zu prüfen, ob eine signifikante Veränderung zwischen den zwei Erhebungszeitpunkten in den einzelen Bereichen stattgefunden hat wird der WilcoxonTest durchgeführt, dass vorgegebene Signifikanzniveau war p < .050. 83 3 Empirischer Teil Tabelle 12: Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für die bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1 und 2 LS_2 - LS_1 BS_2 - BS_1 f_BE_2 - f_BE_1 SU_2 - SU_1 Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) Negative Ränge N 4 Mittlerer Rang 2,75 Rangsumme 11 Positive Ränge 4 6,25 25 c Bindungen 0 Gesamt 8 Negative Ränge 3 4,83 14,5 Positive Ränge 5 4,3 21,5 Bindungen 0 Gesamt 8 Negative Ränge 2 2,75 5,5 Positive Ränge 3 3,17 9,5 Bindungen 3 Gesamt 8 Negative Ränge 2j 4,25 8,5 Positive Ränge 4 3,13 12,5 Bindungen 2 Gesamt 8 LS_2 - LS_1 -,983 BS_2 - BS_1 -,493 f_BE_2 - f_BE_1 -,542 SU_2 - SU_1 -,425 0,326 0,622 0,588 0,671 Der Wilcoxon-Test zeigt, dass die unterschiedlichen Werte von T1 zu T2 auf Zufall zurückgeführt werden müssen (vgl. Tabelle 12). 84 4 Diskussion 4 Diskussion In diesem Abschnitt ist eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Studie zu finden. Weiter werden die aufgestellten Hypothesen bewertet und die Ergebnisse interpretiert. Der Abschnitt wird durch eine kritische Reflexion mit anschließendem Fazit und Ausblick abgeschlossen. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Zusammenfassung dient dazu, sich in kurzer Zeit einen Überblick über die Ergebnisse dieser Untersuchung zu verschaffen. 4.1.1 Zusammengefasste Ergebnisse des FKKs Legende: SK=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I=Internalität, P=Soziale Externalität,C=Fatalistische Externalität; 1, 2 und 3 geben die Messzeitpunkte an. 20=Minimalwert, 80=Maximalwert Abbildung 10: FKK Primärskalen aller drei Messzeitpunkte Abbildung 10 zeigt eine vergleichende Darstellung der vier Primärskalen zu den unterschiedlichen Messzeitpunkten. Die Primärskala Selbstkonzept eigener Fähigkeiten weist zwischen den Erhebungszeitpunkten Mittelwerte von 44, 47 und 48 auf. Die Mittelwerte auf der Primärskala Internaliät liegen beim ersten Messzeipunkt bei 49 zum zweiten Messzeitpunkt entsteht ein nahezu gleicher Mittelwert von 49. Eine Steigerung der Skala Internalität ist zum dritten Messzeitpunkt zu erkennen (p < .036). Hier erreicht die Gruppe einen Mittelwert von 55. Die dritte Primärskala Externalität weist zum Messzeitpunkt 1 einen Mittelwert von 49 auf. Zum Messzeitpunkt 2 ergibt sich ein 85 4 Diskussion Mittelwert von 49 und zum Messzeitpunkt 3 ein Mittelwert von 46. Hier ist ein Trend zu erkennen, der für eine Veränderung spricht (p < .075). Die vierte Primärskala liegt zum Messzeitpunkt 1 bei einem Mittelwert von 44, bei 46 liegt der Mittelwert zum zweiten Erhebungszeitpunkt, zum Messzeitpunkt 3 erreicht die Gesamtgruppe einen Mittelwert von 43. Der durchgeführte Wilcoxon-test gibt an, dass nur auf der Skala Internalität zwischen den Messzeitpunkten 2 und 3 eine signifikante Veränderung stattgefunden hat. Eine nahezu signifikante Veränderung zeigt sich auf der Primärskala Soziale Externalität zu Messzeitpunkt 2 und 3. Für die anderen Primärskalenvergleiche gibt der Wilcoxon-Test keine Veränderung an. 4.1.2 Zusammengefasste Ergebnisse von PRISM Legende: SIS= Self-Illness Separation, 0-27 in cm Abbildung 11: Self-Illness Separation 1 und 2 Der Mittelwert der Self-Illness Separation liegt zum Messzeitpunkt 1 bei 15,3, bei 18,6 liegt er bei T2 (vgl. Abbildung 11). Das Ergebnis des Wilcoxon-Test zeigt, dass keine Veränderung zwischen den Messzeitpunkten besteht, sondern sie durch Zufall entstanden sind. 86 4 Diskussion 4.1.3 Zusammengefasste Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit Legende: LS=allgemeine Lebenssituation, BE=momentane berufliche Situation, fBE=familärer Bereich, SU=Suchterkrankung. 1 und 2 stehen für die Messzeitpunkte; 10=Minimalwert, 40=Maximalwert. Abbildung 12: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1 und 2 Aus der Abbildung 12 geht hervor, dass die Gesamtgruppe zu beiden Messzeitpunkten durchschnittliche Werte in allen vier Bereichen aufweist (vlg. Abschnitt 3.3.3, der Mittelwert in der Validierungsstudie lag bei einem Wert von 29). Der Mittelwert von LS1 liegt zum Messzeitpunkt 1 bei 27 und zum Messzeitpunkt 2 bei 30. Die Standardabweichung liegt für den ersten Wert bei 5 und für den zweiten bei 7. Die Mittelwerte der anderen Bereiche verhalten sich annährend ähnlich zu den Messzeitpunkten 1 und 2. Der Wilcoxon-Test gibt an, dass die unterschiedlichen Mittelwerte per Zufall entstanden sind und keine signifikante Veränderung nachweisbar ist. 4.2 Bewertung der Hypothesen Im folgenden Abschnitt werden die Hypothesen aufgrund der Untersuchungsergebnisse bewertet. Die Bewertungen der Hypothesen werden dann interpretiert. Die folgenden Interpretationen sind aufgrund der kleinen Stichprobengröße heuristisch. Die Autorin weist darauf hin, dass deshalb die von ihr aufgestellten Interpretationen vorsichtig zu deuten sind. Bei einer Stichprobengröße von acht Probanden können zwei Probanden das Gesamtergebnis schon stark beeinflussen. Zwei Probanden machen 25 Prozent des Gesamtergebnisses aus. 87 4 Diskussion 4.2.1 Bewertung der erste Hypothesen Es wird erwartet, dass zwischen den drei Messzeitpunkten des FKKs, eine Veränderung in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung stattfindet. Die Kompetenz und Kontrollüberzeugung wird mit dem FKK erhoben. Die jeweiligen Primärskalen sind dann mit dem Wilcoxon-Test hinsichtlich ihrer signifikanten Veränderung geprüft worden. Als signifikant stellt sich nur die Veränderung der Skala Internalität zwischen den Messzeitpunkten 2 zu 3 heraus. Ein annähernd signifikantes Ergebnis ergibt sich auf der Skala sozial bedingte Externalität ebenfalls vom Zeitpunkt 2 zu 3. Bei den Vergleichen der übrigen Primärskalen kann keine Veränderung festgestellt werden. Die jeweiligen Primärskalen können nicht einzeln bewertet werden, weil die Hypothese für den gesamten FKK aufgestellt wurde. Mittels des WilcoxonTests muss die aufgestellte Hypothese verworfen werden. Der FKK wurde hinsichtlich der Tendenz zur Beantwortung der sozialen Erwünschtheit, geringeren versus hohen Offenheit und der Lügentendenz in verschiedenen Stichproben geprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass keine der FKK-Skalen mit den Verfälschungstendenzen bedeutsam korreliert (vgl. Krampen, 1991). Bei einer größeren Stichprobenzahl lässt sich vermuten, dass nicht nur für die Primärskala Internalität des FKKs eine signifikante Veränderungen aufgetreten wären. Ein Indikator hierfür ist die annährend signifikante Veränderung der Primärskala soziale Externalität. Trotz der kleinen Stichprobenzahl ist in den Gesamtergebnissen ein Trend zu erkennen. Er weist auf eine stufenweise Verbesserung des Kompetenz- und Kontrollüberzeugungsprofils der Probanden hin. Dieser Trend würde auch zu anderen Studien passen, die sich mit der Veränderung von Kompetenz- und Kontrollüberzeugung innerhalb einer psychotherapeutischen Behandlung beschäftigt haben (vgl. Krampen, 1991). Die Messzeitpunkte 2 und 3 des FKKs umschließen die Transferphase. Interessant ist, dass die signifikante Veränderung in der Transferphase stattfindet. Hier steigt die Skala Internalität, die die subjektiv wahrgenommene Kontrolle der Person beschreibt von einem Mittelwert von 49 auf 55. Genau gegenläufig dazu verhält sich die Skala Soziale Externalität. Auf dieser Skala sinkt der Mittelwert von 49 auf 46 innerhalb der 88 4 Diskussion Transferphase. Für diese Skala ergibt sich zwar kein signifikantes Ergebnis (p < .075), es ist jedoch ein Trend erkennbar, der auf eine Veränderung hinweist. Die Skala trifft eine Aussage darüber, in wieweit die Person Ereignisse abhängig von anderen, als mächtig empfundenen Personen sieht. Interpretiert werden kann dieser Vorgang dahingehend, dass die Probanden sich mehr und mehr als die eigenen Drahtzieher ihres Lebens sehen und sich zunehmend frei von Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit erleben. Ein Grund für diesen Trend kann in der Praxisorientierung der Transferphase vermutet werden. Die Patienten müssen sich in den sechs Wochen verstärkt mit der Welt außerhalb der Klinik auseinandersetzen. Der Austritt aus der Klinik steht in naher Zukunft bevor. Das gruppentherapeutische Angebot CRA konfrontiert den Patienten damit, dass es Anstrengungen bedarf, um abstinent leben zu können. Diese Anstrengungen haben sich für die Abstinenz als wirksam erwiesen und könnten den Trend, der steigenden Internalität innerhalb der Transferphase, verursacht haben. Die erlebten Erfolge, zum Beispiel das „Trockenbleiben“ während einer Geburtstagsfeier, werden internal attribuiert. Der Patient erlebt, dass er durch sein eigenes Handeln und durch seine Anstrengungen sein Leben beeinflussen kann. Er findet die Lokalisation der Kontrolle verstärkt in sich selbst verankert. Dies kann als eine überwiegend internale Kontrollüberzeugung bezeichnet werden. Jedoch muss bei der Interpretation der Primärskalen folgendes beachtet werden. Es muss nicht zwangsläufig der Fall sein, dass eine Person, die eine höhere Internaliät aufweist gleichzeitig über ein geringeres Ausmaß an externaler Kontrolle verfügt. Hinter einer eher internalen Kontrollüberzeugung steckt kein Automatismus dafür, dass die Person ausschließlich an ihre eigenen Fähigkeiten glaubt oder sich von anderen Personen als unabhängig empfindet. Die verschiedenen Strategien, die in der Kernphase der Therapie erarbeitet wurden, müssen nun mehr und mehr angewendet werden und sich in Bezug auf den poststationären Alltag bewähren. Stufenweise erfolgt diese Erprobung schon in der Transferphase. 89 4 Diskussion Die bei einem Suchtkranken positive Verstärkung des Suchtmittels muss dahingehend verändert werden, dass nach positiven Verstärkern für ein abstinentes bzw. cleanes Verhalten gesucht werden muss. Das ist ein Bestandteil der CRA Gruppe innerhalb der Transferphase. Verstärker müssen eine gewisse Attraktivität ausstrahlen. Bedürfnisse wie Anerkennung, Sicherheit und Liebe stehen oft im Zusammenhang mit einem hohen Verstärkerwert. Durch die Helferkonferenzen, in der alle, die am Suchtausstieg beteiligt sind, zusammen kommen, ist es möglich, dass der Patient erfährt, welches Netzwerk ihn stützt. Obwohl die Patienten schwierige Zeiten durchgemacht haben und der Suchtmittelkonsum das ganze Netzwerk überschattet hat, gibt es Menschen, die weiterhin an sie glauben und stolz darauf sind, wenn sie die Therapie erfolgreich beenden. Diese soziale Verstärkung kann enorm sein und einen hohen Verstärkerwert bedeuten. Die gestiegene Internalität vom Messzeitpunkt T2 zu T3 könnte dadurch beeinflusst worden sein. Die intensive und unterstützende therapeutische Beziehung in der Kernphase soll sich in der Transferphase zu einer wohlwollenden aber mit deutlich mehr Distanz geprägten Beziehung entwickeln. Der Patient kann dadurch eine positive Bestätigung des Therapeuten fühlen. Dieser scheint ihm den bald bevorstehenden Austritt zuzutrauen. Dieser Beziehungswandel könnte die internale Attribution beeinflussen. Dieser drückt eine erhöhte Eigenverantwortung aus, die durch das erfolgreiche Absolvieren der bisherigen Therapie gegeben werden kann. Grundsätzlich kann am Ende der Therapie in der Klinik im Hasel von einem für die Untersuchungsteilnehmer eher günstig ausgefallenen Kontrollüberzeugungsprofil ausgegangen werden, da die Gruppe tendentiell eher höhere Werte auf den Skalen des Selbstkonzeptes und der Internalität zeigt als auf den Skalen, die auf die Externalität bezogen sind. Es ist ein selbstwertdienliches Kontrollüberzeugungsprofil. 4.2.2 Bewertung der zweite Hypothese Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in der Self-Illness Separation (SIS) stattfindet. Die Self-Illness Separation wurde mit dem Erhebungsinstrument PRISM gemessen. Durch den Wilcoxon-Test stellt sich heraus, dass die Unterschiede zwischen den 90 4 Diskussion Messzeitpunkten T1 und T2 auf Zufall zurück zu führen sind. Mittels des WilcoxonTests muss die zweite Hypothese dieser Untersuchung verworfen werden. Die Self-Illness Separation ist bei beiden Messzeitpunkten groß ausgefallen (15,2 und 18,6 cm), obwohl die SIS bei jedem Menschen höchst individuell ist. Leiden wird als eine Erfahrung, die untrennbar mit der Person verbunden ist verstanden. Auch das Ausmaß des Leidens ist zum großen Teil davon abhängig, inwieweit die Person Ursache und Kontrollierbarkeit des Leidens wahrnimmt und versteht. Die Untersuchung bestätigt dies. Die einzelnen Werte der SIS sind von Proband zu Proband sehr unterschiedlich. Das hier bei einer Stichprobengröße von acht kein signifikanter Unterschied zu den beiden Messzeitpunkten festgestellt werden konnte, ist zu hoher Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen. Auch die Standardabweichungen von 8 und 6,6 weisen darauf hin, dass die SIS der Probanden sehr unterschiedlich ausfielen. Dennoch weist die große SIS an den beiden Messzeitpunkten einen Trend auf, der auch zu dem in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung passen würde. Die schon zu Beginn der Transferphase große SIS kann bedeuten, dass in der Kernphase der Therapie die dazu nötige Arbeit bereits geleistet worden ist. Im Bezug auf das Transaktionale Stress Modell von Lazarus (vgl. Jerusalem, 1990) würde dies bedeuten, dass die Probanden in ihrer primären Einschätzung den bevorstehenden Austritt als eine Herausforderung ansehen. Hier geht die betreffende Person grundsätzlich davon aus, ihre Kompetenzen erfolgreich einsetzen zu können. Die Untersuchungsteilnehmer haben schon fast neun Monate Therapie erfolgreich hinter sich gebracht. Diese Leistung scheint sie dazu zu befähigen, den bevorstehenden Austritt eher als Herausforderung zu sehen. Bei den Patienten treten Gefühle wie Zuversicht, Interesse und Neugier in den Vordergrund. Die hier aufgestellte Vermutung bedeutet nicht, dass diese positiven Gefühle die einzigen sind, die die Person erlebt. Wichtig ist hier, dass stressbedingte Kognitionen, zu denen auch positive Gefühle gehören, nicht nach dem „alles oder nichts“ Prinzip angesehen werden. Die Austrittsituation ist für den Patienten vielschichtig und der Patient weiß nicht genau, was auf ihn zukommt. Es können demzufolge auch durchaus negative Kognitionen vorhanden sein. Die große SIS der Gesamtgruppe lässt aber eine Vermutung dahingehend zu, dass positive Kognitionen dominieren. In der Sekundären Einschätzung werden die vorhandenen körperlichen, psychologischen, sozialen und 91 4 Diskussion materialen Ressourcen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für die bevorstehende Situation geprüft. Die Transferphase dient der Verzahnung der stationären Therapie mit der Außenwelt. In der Zeit der Transferphase wird dem Klienten zu vermitteln versucht, wie wichtig es ist, Ressourcen auch in der „Realität“ außerhalb der Klinik zu nutzen. Da der Patient sich aber immer noch im geschützten Setting der Klinik weiß, traut er sich eine Erprobung seiner Fähigkeiten und das Nutzen seiner Ressourcen mehr zu. Dazu würden auch die Auslegungen von Büchi (2001) passen, der eine große SIS wie folgt interpretiert. Die Krankheit stellt für die untersuchten Patienten nicht den Mittelpunkt ihres Lebens dar und sie definieren sich grundsätzlich nicht über ihre Krankheit. Es gibt für die Probanden wichtigere Aspekte in ihrem Leben als die Krankheit, wie z.B. Familie oder Beruf. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Krankheit akzeptiert wird, aber eben nicht ständig präsent ist. Im Hinblick auf das Modell von Lazarus (vgl. Jerusalem, 1990) kommt die Neubewertung als ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Der Klient erfährt durch das Erproben seiner Fähigkeiten, dass Einschätzungen einer Situation, die für ihn einen hohen Disstress bedeutet haben, verändert werden können. Beispielsweise das Treffen mit den alten Kumpels, das in einem Saufgelage endete. Durch das in der Therapie erlernte und die Möglichkeit dieses in der Gruppentherapie zu äußern, ändert sich der Blickwinkel in der Bewertung einer Situation. Der Zugewinn von Informationen über sich selbst und der Situation an sich bewirken dies. Dieser Vorgang ist für die Auswahl von Bewältigungsstrategien ausschlaggebend. Menschen mit einer größeren SIS tendieren eher zu einem problembezogenen Coping als jene die eine kleine SIS haben. Die Probanden sehen ihre Suchterkrankung eher als Belastung, denn als Überforderung. Der Austritt des Probanden kann für ihn durchaus eine Bedrohung darstellen. Wenn er in seinem Bewältigungsverhalten jedoch problemzentriert vorgeht, wird er versuchen, sich positiv mit der Situation auseinander zu setzen. Die Transferphase unterstützt dieses problemzentrierte Vorgehen, indem sie durch Ehemaligentreffen, Angehörigentreffen und Helferkonferenzen versucht, vorhandene Ressourcen aufzudecken und stärken. Der Patient kommt in den Informationsaustausch mit Personen, die den Austritt „schon hinter sich haben“ und kann so Ängste und Befürchtungen abbauen. 92 4 Diskussion Interessant ist ein weiterer Aspekt. Leiden bedeutet immer eine Einschränkung in der Autonomie. Gefühle wie Ohnmacht und Hilflosigkeit treten in den Vordergrund. Gerade in einer stationären Suchttherapie muss dem Patienten viel Struktur vorgegeben werden und er muss zwangsläufig Autonomie aufgeben. In den sechs Wochen der Transferphase soll der Patient eine größtmögliche Übernahme von Eigenverantwortung und Selbstorganisation erfahren. Die klinisch vorgegebenen Strukturen werden mehr und mehr abgebaut, um so die Eigenverantwortung und Autonomie des Patienten zu fordern und zu fördern. Diese allmähliche Rückgabe von Eigenverantwortung kann das Leiden verringern. Der Patient kann erfahren, dass er sich selbst helfen muss, um seine Ziele verwirklichen zu können. Die Rückgabe der Eigenverantwortung erfolgt noch in dem geschützten Setting der Klinik und der Patient hat Zeit, sich darin zu üben. Der Austritt stellt für ihn so keinen „Schubs ins kalte Wasser“ dar. 4.2.3 Bewertung der dritte Hypothese Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in der jeweiligen bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit stattfindet. Die bereichsspezifische Selbstwirksamkeit wurde mit dem Fragebogen zur Selbstwirksamkeit erfasst. Diese Hypothese muss mittels der Ergebnisse des WilcoxonTests verworfen werden. Die Gesamtgruppe weist auf jeder der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit durchschnittliche Werte auf. In dem Bereich der jetzigen Lebenssituation beträgt der Mittelwert bei T 1 27 und bei T1 30. Auf den ersten Blick lässt dies eine Veränderung vermuten. Die Standardabweichungen weisen jedoch schon darauf hin, dass die Werteverschiebung statistisch nicht signifikant ist. Der Wilcoxon-Test bestätigt dies. Für die anderen Bereiche verhält sich der Mittelwert nahezu identisch. Auffallend ist die positive Einschätzung der Probanden im Bereich momentane berufliche Situation. Hier ergibt sich zu den Messzeitpunkten ein jeweiliger Mittelwertscore von 28 und 29. Das ist ein durchaus positives Ergebnis. Bei der vergleichenden Betrachtung der soziodemografischen Angaben zur Arbeitssituation gaben fünf der Probanden an, auf Stellensuche zu sein, zwei, dass sie eine Invalidenrente erhalten und nur einer gab an, wieder an seine alte Arbeitsstelle zurückzukehren. Ein weiterer Erhebungszeitpunkt nach etwa einem Jahr wäre sinnvoll. Es könnte geprüft werden, ob die hohe Selbstwirksamkeitseinschätzung genutzt werden konnte, um eine Arbeitsstelle zu 93 4 Diskussion finden. Im Bereich zur Suchterkrankung schätzt sich die Gruppe durchschnittlich zu beiden Messzeitpunkten als wirksam ein (Mittelwert liegt bei 30 bzw. 31). Dies passt zu den Angaben der Probanden bezüglich eines Suchtmittelrückfalls. Nur zwei Probanden gaben an, einen Rückfall bezüglich ihrer Therapieziele erlitten zu haben. Sechs der Probanden gaben an, keinen Rückfall erlitten zu haben. Die positive Einschätzung der Probanden lässt auch eine Vermutung dahingehend zu, dass sie für Risikosituationen besser gerüstet sind (vgl. Abschnitt 2.1.1.1). Sehr vereinfacht gesagt, will die Selbstwirksamkeit ausdrücken, wie wirksam sich ein Mensch gegenüber einer bestimmten Situation einschätzt. Diese Einschätzungen sind höchst individuell und unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation. Zudem beeinflusst eine momentane Stimmung und Laune einer Person die Einschätzung ihrer Fähigkeiten. Je intensiver die Stimmung ist, desto stärker wirkt sich diese auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung aus. Dass keine Veränderung zwischen den Messzeitpunkten aufgezeigt werden konnte, könnte von der jeweiligen Stimmung der acht Probanden verursacht worden sein. Beispielsweise können zwei der Probanden zum Zeitpunkt der Untersuchungen sehr guter Stimmung gewesen sein, daher fällt ihre Bewertung sehr positiv aus. Diese zwei Probanden machen bei einer Stichprobengröße von acht 25 Prozent aus und ihre Extremwerte fallen stark ins Gewicht. Die Probanden haben durchgehend zu ihrer Abhängigkeitserkrankung noch Diagnosen für psychische Störungen. Diese könnten sich auch auf die Bewertung der Selbstwirksamkeitseinschätzung ausgewirkt haben. Der ICD-10 (2008) nennt als Kriterium für ein hier relevantes Störungsbild, dass die Personen zur Dramatisierung gegenüber ihrer Person und zu einem extremen Ausdruck von Gefühlen tendieren. Affektive Störungen, die sehr häufig diagnostiziert wurden, äußern sich mit stark gedrückter Stimmung meist zur Depression hin oder mit stark gehobener Stimmung im Gegensatz dazu. Grundsätzlich positiv an den Ergebnissen ist jedoch, dass sich die Probanden alle im Normbereich befinden. Bandura (1986; 1997) begründet die Entstehung und Veränderung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung durch vier Quellen. Als wichtigste Quelle nennt er die persönliche Erfahrung. Es ist daher wesentlich, dass Menschen selbst erlebt haben, wie sie eine schwierige Situation überwunden haben. Dies fördert den überdauernden Wirksamkeitsglauben. In der Kernphase der Therapie werden solche 94 4 Diskussion Erlebnisse aufgearbeitet und versucht, durch therapeutische Interventionen im Bewusstsein zu verankern. Es geht darum, kognitives, verhaltensmässiges und selbstregulatiorisches Werkzeug zu erwerben, um sich damit in immer wechselnden Lebensumständen bewähren zu können. In der Transferphase sollen diese Werkzeuge zunehmend auch in die Lebenswelt außerhalb der Klinik übertragen werden. Eine weitere Quelle der Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist die stellvertretende Erfahrung durch soziale Vorbilder. Das nutzt die Klinik im Hasel, indem sie Ehemaligengruppen organisiert. Hier können die Patienten erleben, dass Personen, die in ganz ähnlichen Situationen waren, den Austritt „auch geschafft“ haben. Das Medium Gruppentherapie spielt hier auch eine tragende Rolle. Es besteht die Möglichkeit, dass die Patienten sowohl von ihren eigenen Erfolgen profitieren, als auch davon, wie Schwierigkeiten anderer erfolgreich bewältigt worden sind. Durch Angehörigentreffen und Helferkonferenzen nutzt die Transferphase eine weitere Quelle der Entstehung und Veränderung von Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die der mündlichen Überzeugung. Bandura (1997) postuliert, dass es gerade in schwierigen Situationen unterstützend wirkt, wenn Personen aus dem Umfeld ihr Vertrauen gegenüber Betroffenen aussprechen. Helferkonferenzen, in denen sich alle am Suchtausstieg Beteiligten treffen, bieten eine gute Gelegenheit hierfür. Die verbale Unterstützung gewinnt auch an Stärke, wenn sie sich mit realen Gegebenheiten deckt. Hier bietet die Transferphase durch persönliche Erprobung der eigenen Fähigkeiten eine ideale Möglichkeit. Bandura (1997) nennt in seinen Schriften viele Studien, deren Ergebnisse dahingehend interpretiert werden können, dass Menschen, die ihre Handlung als erfolgreich einstufen, sich auch in nachfolgenden Handlungen verbessern. Im Durchschnitt haben sich die Probanden in dieser Untersuchung tendenziell als selbstwirksam eingestuft. Dies lässt eine positive Entwicklung des Lebenswegs der teilnehmenden Probanden vermuten. 4.3 Kritik, Fazit und Ausblick In dieser Untersuchung mussten alle aufgestellten Hypothesen verworfen werden. Die Gründe hierfür lagen an unterschiedlichen Faktoren. Einer davon ist sicherlich die 95 4 Diskussion kleine Stichprobengröße. Diese konnte aufgrund der vorgegebenen Zeit, die für die Bearbeitung der Diplomarbeit zur Verfügung stand, nicht vergrößert werden. Ursprünglich wurde mit zehn Probanden gerechnet, wovon leider zwei ihre Therapie vorzeitig abbrachen. Die einzelnen Erhebungsinstrumente haben sich unterschiedlich bewährt. Der FKK besticht durch seine Gütekriterien und durch eine einfach Hand zu habende Computerversion. Ein weiterer Vorteil des FKKs ist, dass er in seiner Normierung hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede weitgehend neutral ist. Dies ist gerade bei einer kleinen Stichprobe von Vorteil. PRISM erwies sich für diese Untersuchung als weniger geeignet. Dadurch, dass nur Gesamtergebnisse dargestellt werden konnten, gingen viele Informationen verloren, die PRISM in der Einzelfallbetrachtung hätte geben können. Auffallend waren bei der Untersuchungsdurchführung die extrem unterschiedlichen SIS Abstände der Probanden. Diese reichten 1 cm bis zu 27 cm. Bei nur acht Probanden ist damit ein nicht signifikantes Ergebnis unausweichlich. Dennoch können die Ergebnisse von PRISM den Trend in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung und in der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit bestätigen. Die vierstufige Antwortskala des Fragebogens zur bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit wurde von drei Probanden kritisiert. Sie hätten sich einen Mittelwert zwischen stimmt kaum und stimmt eher gewünscht. Die Ergebnisse für den Fragebogen zur Selbstwirksamkeit unterscheiden sich hinsichtlich Alter und Geschlecht. Aufgrund der geringen Stichprobengröße konnte diese Differenzierung aber nicht vorgenommen werden. Weitere Untersuchungen sollten deshalb mit einer höheren Stichprobenzahl durchgeführt werden und das Augenmerk auch auf die alters- und geschlechtsspezifischen Unterschiede gerichtet werden. Zukünftige Studien sollten zudem noch weitere Messinstrumente einbauen, um die Tragweite der Evaluation erweitern zu können, beispielsweise aus den Bereichen der Lebenszufriedenheit oder spezielle auf Bewältigungsstrategien bezogene Untersuchungsinstrumente. Grundsätzlich ist zu fragen, ob bei einer kleinen Stichprobengröße Einzelfälle mit betrachtet werden sollten. Der FKK ist das dafür geeignete Messinstrument, mit dem 96 4 Diskussion dies aus statistischer Sicht möglich ist. Für diese Arbeit war keine Einzelfalluntersuchung vorgesehen. Der zeitliche Rahmen hätte eine wissenschaftlich haltbare Einzelfallevaluierung nicht zugelassen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass aus den Ergebnissen für das Konzept der Transferphase, wie auch für die gesamte Klinik ein positiver Trend erkennbar wurde. Aufgrund dessen sollten Untersuchungen in dieser Form weitergeführt werden. Es wäre dadurch möglich, den positiven Trend der in dieser Arbeit ermittelten Ergebnisse wissenschaftlich weiter stützen zu können. Interessant wäre ein weiterer Messzeitpunkt etwa ein Jahr nach Ende der Therapie. Therapie darf nicht als eine Insel gesehen werden, die dem Klienten zwar ein problemloses Leben auf ihr ermöglicht, ihn dennoch für das Leben fern davon nicht rüstet. In der Transferphase steht deshalb die Lebenswelt des Klienten im Fokus, die sich außerhalb der Klinik abspielt. Zu begrüßen ist die Planung eines Jobcoaches innerhalb der Transferphase. Aus meiner Sicht würde dies die Transferphase noch mehr mit der Lebenswelt der Patienten außerhalb der Klinik verflechten. Diese Arbeit stellt den Beginn wissenschaftlicher Untersuchungen dar, die das Konzept der Transferphase unterstützen und auszubauen helfen. 97 5 Literaturverzeichnis 5 Literaturverzeichnis Amelang, M., Bartussek, G., Stemmler, G. & Hagemann, D. (2006). Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung (6. vollständig überarbeitete Auflage). Stuttgart: Kohlhammer. Anthenelli, R.M. & Schuckit (2004). Genetics. In J. H. Lowinson, P. Ruiz, R.B. Millmann & J. G. Langrod (Eds.), Substance Abuse (pp. 33-48). Baltimore: William & Wilkins. Cassel, E.J. (1982). The nature of suffering and the goals of medicine. The New England Journal of Medicine, 306, 639–645. Bandura, A. (1979). Social Learning Theory. Englewood Cliffs. N.J.: Prentice-Hall. Bandura, A. (1986). Social Foundations of Thought and Action. Englewood Cliffs. N.J.: Prentice-Hall. Bandura, A. (1997). Self-Efficacy. The Exercise of Control. New York: W.H. Freemann and Company. Beck A., Wright F., Newman C. & Liese, B. (1997). 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Link 1: http://www.klinikimhasel.ch/index.cfm?cat=k_start (Zugriff: 10.05.2010) 101 5 Literaturverzeichnis Link 2: http://www.prism-coop.ch/de/index.htm?/de/instr/beschrieb.htm (Zugriff: 20.06.2010) Link 3: http://web.fuberlin.de/gesund/skalen/Allgemeine_Selbstwirksamkeit/hauptteil_allgemeine_selbstwir ksamkeit.htm (Zugriff: 25.05.2010) Link 4: http://www.userpage.fu-berlin.de/~health/swe_norm.pdf (Zugriff: 20.08.2010) 102 6 Anhang 6 Anhang 6.1 Einführungsblatt zur Untersuchung Liebe Teilnehmerin / Lieber Teilnehmer, im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, Deutschland, unter der Leitung von Prof. Dr. Schermer im Fachbereich Soziale Arbeit führe ich eine Befragung durch. Thema dieser Befragung ist die Evaluation der Transferphase der Klinik im Hasel. Die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig. Die Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt, zudem werden die Fragebögen nur von mir ausgewertet und die Ergebnisse anonymisiert. Die Befragung gliedert sich in vier Bereiche. Markieren Sie pro Frage/Aussage bitte nur eine einzige zutreffende Antwort, außer es sei speziell erwähnt, dass mehrere Antworten möglich sind. Bitte lassen Sie keine Frage aus und beantworten Sie den Fragebogen selbstständig. Im ersten Teil werden allgemeine Daten zu ihrer Person erfasst. Im zweiten Teil finden sie vier Blätter mit den jeweils selben 10 Aussagen, die sich aber immer auf einen anderen Bereich beziehen. Lesen Sie bitte die Überschriften genau. Hinter jedem Satz stehen verschiedene Bewertungsstufen für die jeweiligen Aussagen (1) stimmt überhaupt nicht (2) stimmt weniger (3) stimmt eher (4) stimmt genau markieren Sie bitte jene Bewertungsstufe, die Ihnen als erstes spontan in den Sinn kommt. Wenn keine der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten exakt zutrifft, wählen Sie bitte, diejenige, die für Sie am ehesten zutrifft. Im dritten Teil führe ich mit Ihnen ein Prismbild durch. Der vierte Teil der Befragung wird am Computer erfasst, dort erhalten Sie die dafür benötigten Anweisungen. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit! Isabelle Glaubitt 103 6 Anhang 6.2 Fragebogen soziodemographische Daten Geschlecht Familienstand Männlich Weiblich ledig verheiratet Alter geschieden verwitwet Arbeit Ich bin auf Stellensuche Ich bin Hausfrau/ Hausmann Ich bin pensioniert ich bin selbstständig erwerbend Ich habe bereits eine Arbeitsstelle gefunden Ich habe eine Invalidenrente Ich kehre an meine alte Arbeitsstelle zurück Ich werde eine Ausbildung beginnen Therapiedauer 4 Monate 6- 9 Monate Andere Rückfall Ja Nein In welcher Phase hat er/sie stattgefunden? Kernphase Transferphase 104 6 Anhang 6.3 Fragebogen zur bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit Stimmt genau Stimmt eher Stimmt kaum Stimmt nicht Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihre allgemeine Lebenssituation Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß ich gut mit ihnen zurechtkommen kann. Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen. Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden. Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich damit umgehen kann. Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener Kraft meistern. 105 6 Anhang Stimmt genau Stimmt eher Stimmt kaum Stimmt nicht Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihre momentane berufliche Situation Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß ich gut mit ihnen zurechtkommen kann. Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen. Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden. Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich damit umgehen kann. Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener Kraft meistern. 106 6 Anhang Stimmt genau Stimmt eher Stimmt kaum Stimmt nicht Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihren familiären Bereich Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß ich gut mit ihnen zurechtkommen kann. Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen. Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden. Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich damit umgehen kann. Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener Kraft meistern. 107 6 Anhang Stimmt genau Stimmt eher Stimmt kaum Stimmt nicht Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihre Suchterkrankung Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß ich gut mit ihnen zurechtkommen kann. Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen. Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden. Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich damit umgehen kann. Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener Kraft meistern. 108 6 Anhang 6.4 Standardisierte Einführung von PRISM „Wir möchten Sie nun bitten uns mit Hilfe eines Testes zu vermitteln was für einen Platz Ihre Krankheit zur Zeit in Ihrem Leben einnimmt. Diese weiße (A4 große) Fläche stellt Ihr Leben dar, der gelbe Kreis in der unteren rechten Ecke stellt Sie in Ihrem Leben und diese runde rote Scheibe stellt Ihre Krankheit dar. Bitte platzieren Sie nun die Krankheits-Scheibe so auf die weiße „Lebensfläche“, dass Sie darstellen, welchen Platz Ihre Krankheit zurzeit in Ihrem Leben einnimmt. Danke für die Bereitschaft an dieser Untersuchung teilzunehmen!“ Falls Patienten die oben gestellte Aufgabe nicht sofort verstehen: „Dies ist eine visuelle und daher ungewohnte Art, zu verstehen, welchen Platz die Krankheit in ihrem Leben einnimmt. Wir möchten Ihnen daher ein Beispiel aus einem anderen Lebensbereich geben: Diese blaue Scheibe bedeutet „Arbeit“:Für manche ist Arbeit ein ganz zentraler Lebensaspekt- die Arbeit ist ein ganz wichtiger Teil der Persönlichkeit. Diese Leute würden diese Scheibe ganz auf den gelben Kreis, der sie selbst darstellt, legen. (die blaue Scheibe zur Illustration auf den gelben Kreis legen) Für andere hingegen ist die Arbeit eher unwichtig, sie arbeiten um Geld für ihr Leben zu verdienen. Solche Menschen würden die blaue Scheibe nicht als Teil von sich selbst und eher randständig in ihrem Leben sehen. (nun die blaue Scheibe in die linke obere Ecke legen) Könnten Sie nun bitte die rote „Krankheits-Scheibe“ so auf die weiße Fläche platzieren, dass Sie darstellen, welchen Platz Ihre Krankheit zur Zeit in Ihrem Leben einnimmt? (Büchi, 2001, S. 61f.) 109 6 Anhang 6.5 Erklärung Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst, diese nicht anderweitig zu Prüfungszwecken vorgelegt und alle benutzten Quellen und Hilfsmittel angegeben sowie wörtliche Zitate gekennzeichnet habe. Ort, Datum Unterschrift 110