Evaluation der therapeutischen Transferphase bei Personen mit

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Diplomarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
Diplom Sozialpädagogin (FH)
Evaluation der therapeutischen
Transferphase bei Personen mit
Abhängigkeitsstörung
Eine empirische Studie am Beispiel der
psychotherapeutischen Fachklinik
„Klinik im Hasel“, Aarau, Schweiz
Vorgelegt am 15. November 2010 von
Isabelle Glaubitt
Matrikelnummer: 20705067
An der Fachhochschule Würzburg – Schweinfurt
Im Diplomstudiengang Soziale Arbeit
Betreuer: Herr Prof. Dr. Schermer
Zweitprüfer: Herr Prof. Dr. Wiestner
Danksagung
Meine Diplomarbeit beinhaltet neben einer Menge Wissen, Fleiß und Aha-Erlebnissen
auch noch sehr viel Schweiß, Tränen und geraufte Haare. Ich hätte ohne die
Unterstützung einer Vielzahl von Menschen niemals sagen können, „jetzt ist sie fertig“.
Ihnen möchte ich an dieser Stelle danken.
Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Schermer. Ich danke ihm für die hilfreichen und
kritischen Anmerkungen und für das Schokolädli, das zum richtigen Zeitpunkt kam.
Ich möchte den Mitarbeitern der Klinik im Hasel Danke sagen. Danke, für das offene
Ohr, das Interesse an meiner Arbeit und die Unterstützung. Im Besonderen danke ich
Thomas Lüddeckens, Christine Steiner, Nancy Schmelzer, Olga Pennacchio und Martin
Fleckenstein. Vielen herzlichen Dank natürlich auch an meine Probanden, ohne sie wäre
diese Arbeit nicht möglich gewesen.
Meinen Eltern Walther und Miranda und meinem Bruder Florian danke ich für die
starken Nerven mit mir, die Geduld, meine Zeilen auch noch ein drittes Mal zu lesen
und die stetige Zuversicht, dass ich es schaffen werde. Danke Dorothea, Hannah und
vor allem Noah, der mir gezeigt hat, dass es neben den Arbeiten an meiner
Diplomarbeit auch wichtig ist, Fußball und fangen zu spielen und Schlabberkämpfe zu
veranstalten. Danke Gitte und Gudrun für das Komma am richtigen Platze.
Danken will ich meinen Freunden, was wäre ich ohne sie. Max, der mich durch sein
computerlicherliches und literarisches Know-How immer wieder auf den richtigen Weg
gebracht hat. Eva und Katrin dafür, dass wir das gemeinsam durchgestanden haben und
Lena und Stefan, die mit ihrem stetigen Vertrauen in mich, mich in meiner
Selbstwirksamkeit gestärkt haben.
2
Inhalt
1
EINLEITUNG ................................................................................................................................... 7
2
THEORETISCHER HINTERGRUND ........................................................................................ 10
2.1 BEGRIFFSERKLÄRUNGEN .............................................................................................................. 10
2.1.1
Sucht und Abhängigkeit ...................................................................................................... 10
2.1.1.1
2.1.1.2
Alkoholabhängigkeit .................................................................................................................... 14
Abhängigkeit von Benzodiazepinen, Opioiden, Kokain und Cannabinoiden ............................... 16
2.1.2
Mehrfachdiagnosen (Komorbidität) ................................................................................... 18
2.2 THERAPEUTISCHE KONZEPTION DER KLINIK IM HASEL ................................................................ 21
2.3 SOZIALE LERNTHEORIE ROTTERS ................................................................................................. 27
2.3.1
Einflussreiche Determinanten auf das Verhalten ............................................................... 28
2.3.1.1
2.3.1.2
2.3.1.3
2.3.1.4
2.3.2
Verhaltenspotential ....................................................................................................................... 28
Verstärkerwert .............................................................................................................................. 29
Erwartungen ................................................................................................................................. 30
Psychologische Situation .............................................................................................................. 31
Kontrollüberzeugungen und Kompetenzüberzeugungen .................................................... 32
2.3.2.1
2.3.2.2
Internale- externale Kontrollüberzeugung .................................................................................... 32
Kompetenzerwartung ................................................................................................................... 33
2.3.3
Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit........................................... 34
2.4 LEIDENSDRUCK NACH DEN AUSLEGUNGEN VON BÜCHI................................................................ 37
2.4.1
Dimensionen des Leidens ................................................................................................... 38
2.4.2
Das Transaktionale Stress-Modell von Lazerus ................................................................. 40
2.4.2.1
2.4.2.2
2.4.2.3
2.4.2.4
Primäre Einschätzungen (primary appraisals) .............................................................................. 40
Sekundäre Einschätzungen (secondary appraisals)....................................................................... 43
Neueinschätzungen (reappraisals) ................................................................................................ 44
Bewältigung ................................................................................................................................. 45
2.5 DAS KONSTRUKT DER SELBSTWIRKSAMKEIT NACH BANDURA ..................................................... 47
2.5.1
Wirksamkeits- und Ergebniserwartung .............................................................................. 50
2.5.1.1
2.5.1.2
2.5.1.3
2.5.2
Quellen der Selbstwirksamkeit ........................................................................................... 52
2.5.2.1
2.5.2.2
2.5.2.3
2.5.2.4
2.5.2.5
2.5.3
2.5.4
3
Persönliche Erfahrung .................................................................................................................. 53
Indirekte Erfahrung ...................................................................................................................... 53
Mündliche Überzeugung bzw. verbale Unterstützung von Außenstehenden................................ 54
Emotionaler und physiologischer Zustand.................................................................................... 55
Verarbeitungs- und Informationsprozesse .................................................................................... 56
„Prospective Situations“ und „Given Attainments“ .......................................................... 56
Funktionsweisen der Selbstwirksamkeitserwartung ........................................................... 57
2.5.4.1
2.5.4.2
2.5.5
Wirksamkeitserwartung ................................................................................................................ 50
Ergebniserwartung........................................................................................................................ 51
Unterscheidung von Wirksamkeits- und Ergebniserwartung........................................................ 52
Kognitive Prozesse ....................................................................................................................... 57
Motivationale Prozesse ................................................................................................................. 58
Einfluss der Selbstwirksamkeitserwartung ......................................................................... 59
EMPIRISCHER TEIL ................................................................................................................... 62
3.1 FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN ............................................................................................ 62
3.2 BESCHREIBUNG DER MESSINSTRUMENTE ..................................................................................... 63
3.2.1
Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen .................................................. 63
3.2.2
PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure).......................................... 67
3.2.3
Fragebogen zur Selbstwirksamkeit (Bereichsspezifisch) .................................................... 69
3.3 UNTERSUCHUNGSDURCHFÜHRUNG ............................................................................................... 71
3.4 UNTERSUCHUNGSTEILNEHMER ..................................................................................................... 72
3.5 AUSWERTUNG ............................................................................................................................... 73
3.6 ERGEBNISSE .................................................................................................................................. 73
3.6.1
Ergebnisse des FKK ........................................................................................................... 73
3.6.1.1
3.6.1.2
3.6.1.3
Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 1 .................................................................................. 74
Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 2 .................................................................................. 75
Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 3 .................................................................................. 76
3
3.6.1.4
3.6.2
3.6.3
4
Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für den FKK ............................................................................... 76
Ergebnisse zu PRISM (Self-Illness Separation).................................................................. 80
Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit ..................................................... 82
DISKUSSION .................................................................................................................................. 85
4.1 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ......................................................................................... 85
4.1.1
Zusammengefasste Ergebnisse des FKKs ........................................................................... 85
4.1.2
Zusammengefasste Ergebnisse von PRISM ........................................................................ 86
4.1.3
Zusammengefasste Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit ...................... 87
4.2 BEWERTUNG DER HYPOTHESEN .................................................................................................... 87
4.2.1
Bewertung der erste Hypothesen ........................................................................................ 88
4.2.2
Bewertung der zweite Hypothese ........................................................................................ 90
4.2.3
Bewertung der dritte Hypothese ......................................................................................... 93
4.3 KRITIK, FAZIT UND AUSBLICK ...................................................................................................... 95
5
LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................................... 98
6
ANHANG....................................................................................................................................... 103
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
EINFÜHRUNGSBLATT ZUR UNTERSUCHUNG ................................................................................ 103
FRAGEBOGEN SOZIODEMOGRAPHISCHE DATEN .......................................................................... 104
FRAGEBOGEN ZUR BEREICHSSPEZIFISCHEN SELBSTWIRKSAMKEIT ............................................. 105
STANDARDISIERTE EINFÜHRUNG VON PRISM ............................................................................ 109
ERKLÄRUNG ............................................................................................................................... 110
4
Tabellenverzeichnis
TABELLE 1: SOZIODEMOGRAFISCHE DATEN ............................................................................ 72
TABELLE 2: FKK 1 ................................................................................................................................ 74
TABELLE 3: FKK 2 ................................................................................................................................ 75
TABELLE 4: FKK 3 ................................................................................................................................ 76
TABELLE 5: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR FKK 1 UND 2 .................................. 77
TABELLE 6: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR FKK 1 UND 3 .................................. 78
TABELLE 7: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR FKK 2 UND 3 .................................. 79
TABELLE 8: PRISM 1 UND 2 ............................................................................................................... 81
TABELLE 9: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR PRISM 1 UND 2.............................. 81
TABELLE 10: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 .......................................... 82
TABELLE 11: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 2 .......................................... 83
TABELLE 12: ERGEBNISSE DES WILCOXON-TESTS FÜR DIE BEREICHSSPEZIFISCHE
SELBSTWIRKSAMKEIT 1 UND 2 ....................................................................................................... 84
5
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: BEZIEHUNG ZWISCHEN WIRKSAMKEITS- UND
ERGEBNISERWARTUNG..................................................................................................................... 50
ABBILDUNG 2: PRISM .......................................................................................................................... 68
ABBILDUNG 3: FKK 1 ........................................................................................................................... 74
ABBILDUNG 4: FKK 2 ........................................................................................................................... 75
ABBILDUNG 6: SELF-ILLNESS SEPARATION 1 ............................................................................ 80
ABBILDUNG 7: SELF ILLNESS SEPARATION 2 ............................................................................. 80
ABBILDUNG 8: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 ...................................... 82
ABBILDUNG 9: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 2 ...................................... 83
ABBILDUNG 10: FKK PRIMÄRSKALEN ALLER DREI MESSZEITPUNKTE ........................... 85
ABBILDUNG 12: BEREICHSSPEZIFISCHE SELBSTWIRKSAMKEIT 1 UND 2 ........................ 87
6
1 Einleitung
1 Einleitung
„Das Leben spielt draußen“. Mit diesem Satz beendete ein Patient der Klinik im Hasel
seine letzte Gruppentherapiestunde. Mit „draußen“ meinte er das Leben außerhalb der
Suchtklinik. Die Klinik im Hasel weiss, wie wichtig die Verzahnung von stationärer
Therapie mit der Lebenswelt der Patienten außerhalb der Klinik ist. So sollte das Ziel
jeder Therapie sein, den Patienten für sein eigenes Leben so weit rüsten zu können, dass
er in der Lage ist, dieses wieder in einer würdigen Weise leben zu können. Hier spielen
Aspekte der Selbstwirksamkeit, der Kontrollüberzeugung und der des Leidens unter der
Suchterkrankung eine tragende Rolle. Die Transferphase der Klinik im Hasel, um deren
Evaluation es in dieser Arbeit geht, versucht das Leben außerhalb der Klinik in die
laufende Behandlung mit einzubeziehen. Um die Transferphase evaluieren zu können,
war es wichtig, Theorien zu finden, die sowohl für eine erfolgreiche Therapie, als auch
für einen gelingenden Alltag außerhalb der Suchteinrichtung von Bedeutung sind. Nach
Recherchen in der Persönlichkeitsdiagnostik eignen sich dafür die soziale Lerntheorie
Rotters, der Leidensdruck nach den Auslegungen von Büchi und das Konstrukt der
Selbstwirksamkeit nach Bandura.
Die meisten Suchtpatienten besitzen nach Angaben von Beck, Wright, Newman und
Liese (1997) eine externale Kontrollüberzeugung. Sie sehen die Geschehnisse in ihrem
Leben von mächtigen Personen, wie auch von Glück, Pech und Schicksal gesteuert.
Gedanken in Form von: „Ich habe einfach keine Kontrolle drüber“, sind häufig bei
Menschen mit einer niedrigen Kompetenz- und Kontrollfähigkeit zu finden. Daher
beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, ob sich die Kontroll- und
Kompetenzerwartungen der Patienten während der Behandlung verändern, besonders
innerhalb der Transferphase.
Die wahrgenommen Selbstwirksamkeit der Menschen beeinflusst ihr Leben. Im Bezug
auf den Zusammenhang von Selbstwirksamkeit und Psychotherapie haben Fliege, Rose,
Bronner und Klapp (2002) Prädiktoren der Behandlungsergebnisse stationärer
psychosomatischer Therapie untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl
Selbstwirksamkeit, als auch Pessimismus Therapieergebnisse vorhersagen lassen.
Fliege et al. geben an, dass eine höhere Selbstwirksamkeit eine Verbesserung der
Alltagsfunktion erwarten lässt. Pessimistische Erwartungshaltungen dagegen mit
7
1 Einleitung
geringen Behandlungserfolgen bezüglich der Lebensqualität einhergehen. Die
wahrgenommene Selbstwirksamkeit des Menschen ist bereichsspezifisch. In Bezug auf
das Konzept der Transferphase traten die Bereiche allgemeine Lebenssituation,
familiärer und beruflicher Bereich sowie die Suchterkrankung in den Vordergrund und
mit ihnen die Frage, ob sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit der Patienten
innerhalb der sechswöchigen Transferphase verändert.
Wie stark ein Mensch von einer Krankheit tangiert wird, ist nach aktuellem
Forschungsstand sehr unterschiedlich. PRISM versucht mit der Self-Illness Separation
den Leidensdruck mit Hilfe einer einfachen bildlichen Darstellung zu messen. Für
manche Menschen stellt die Krankheit das Zentrum ihres Lebens dar, andere
akzeptieren die Krankheit, lassen sich von ihr jedoch nicht bestimmen. Die Distanz
zwischen dem Selbst der Person und der Krankheit ist von vielerlei Faktoren abhängig
und lässt sich z.B. durch therapeutische Intervention beeinflussen. Verändert sich diese
Distanz aber auch in der Transferphase?
Die
verwendeten
Messinstrumente,
Fragebogen
zur
Kompetenz-
und
Kontrollüberzeugung, Fragebogen zur Selbstwirksamkeit und PRISM gelten als
geeignet, um damit Menschen in schwierige Situationen besser einschätzen zu können
und sie dadurch gezielter zu unterstützen. Natürlich ist es sehr subjektiv, ob der
Übergang von einer stationären Therapie hin in die Lebenswelt ausserhalb der Klinik
eine schwierige Situation darstellt. Hinsichtlich des Forschungsstandes und der
wachsenden Bestrebungen, isolierte, stationäre Therapie abzubauen, kann auch von
einem gesteigerten Interesse an therapeutischen Maßnahmen ausgegangen werden, den
Menschen einen sanfteren Übergang von stationärer Therapie zum eigenständigen
Leben zu ermöglichen.
Im zweiten Kapitel werden die Komplexität einer Abhängigkeitserkrankung, sowie die
für diese Untersuchung relevanten Störungsbilder dargestellt. Die Konzeption der
Klinik im Hasel, sowie das therapeutische Konzept der Transferphase werden ebenfalls
im theoretischen Teil behandelt. Die Hintergründe für die einzelnen Messinstrumente,
die sich in die soziale Lerntheorie Rotters, die Interpretationen zu Leidensdruck in
Anlehnung an Büchi und das Konstrukt der Selbstwirksamkeit nach Bandura gliedern,
schließen den theoretischen Teil dieser Arbeit ab.
8
1 Einleitung
Der dritte Teil dieser Arbeit ist der empirischen Auswertung gewidmet. Die
Messinstrumente werden durch ihre statistischen Gütewerte vorgestellt. Der
Untersuchungsablauf, die Beschreibung der Stichprobe sowie die Auswertung und
Darstellung der Ergebnisse werden präsentiert.
Das vierte Kapitel dieser Arbeit diskutiert die Ergebnisse. Eine Zusammenfassung, die
Bewertung der Hypothesen sowie eine kritische Stellungnahme zu den Ergebnissen
schließen diesen Teil ab.
Im Anhang dieser Arbeit befinden sich das Einführungsblatt zur empirischen
Untersuchung, der Fragebogen zu den soziodemografischen Daten, der Fragebogen zur
bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit und das standardisierte Vorgehen von PRISM.
Der Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung konnte nicht angefügt
werden, da er nur in geschützter elektronischer Form vorliegt. Nähere Informationen
über ihn finden sich in Krampen, 1991. Abschließend ist die Erklärung zur
Diplomarbeit zu finden.
9
2 Theoretischer Hintergrund
2 Theoretischer Hintergrund
Der theoretische Hintergrund dieser Arbeit erklärt die für diese Untersuchung
relevanten Begriffe. Desweiteren werden in diesem Teil die Störungsbilder der
Probanden, sowie das klinische Konzept, der Klinik im Hasel erläutert. Abschließend
werden die theoretischen Hintergründe der Messinstrumente dargestellt.
2.1 Begriffserklärungen
Das folgende Kapitel befasst sich mit der Erläuterung der relevanten Störungsbilder im
Einzelnen. Die Begriffe Sucht und Abhängigkeit werden kurz dargestellt. Ausführlicher
werden Störungsbilder aufzeigt, die in der Hauptdiagnose der Probanden diagnostiziert
wurden. Die Nebendiagnosen werden in ihren wesentlichen Zügen umrissen.
Um die Störungsbilder zu beschreiben, wurden die Definitionen des ICD-10 und des
DSM-IV-IR gewählt. Diese gelten als die beiden gängigsten Klassifikationssysteme in
der psychiatrischen Diagnostik und werden in etlichen Fachbüchern zitiert (vgl.
Feuerlein, Küfner & Soyka (1998); Moggi (2002); Thomasius, (2000); Jungnitsch,
1999). Die im ICD-10 enthaltenen Forschungskriterien wurden durch eine
multizentrische Feldstudie überprüft. „Inzwischen haben sie sich in der Forschung, vor
allem aber auch in der klinischen und ambulanten Praxis gut eingeführt und bewährt“
(Dilling, Mombour & Schmidt, 2008, S. 9). Der DSM-IV wird vor allem im
amerikanischen Raum angewendet. Beide Klassifikationssysteme entsprechen laut
Jungnitsch (1999) Qualitätsmerkmalen, die für die Klassifikation von psychischen
Störungen entscheidend sind. Für eine detaillierte Beschreibung dieser Merkmale wird
auf Jungnitsch (1999) verwiesen. Aufgrund der kleinen Stichprobe in dieser
Untersuchung wird nicht darauf eingegangen, wie sich die Störungsbilder auf die
einzelnen Probanden verteilen, um deren Anonymität zu wahren.
2.1.1 Sucht und Abhängigkeit
Sucht und Abhängigkeit werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft als Synonym
verwendet. Es ist jedoch wichtig, die beiden Begriffe grundsätzlich zu unterscheiden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versuchte dies, indem sie in ihren
Publikationen den Ausdruck „Sucht“ durch „Abhängigkeit“ ersetzte. Trotzdem wird der
Begriff Sucht sowohl im alltäglichen wie auch im professionellen Kontext noch häufig
10
2 Theoretischer Hintergrund
verwendet, z. B. in Wörtern wie Suchtmittel oder Suchtberatung (vgl. Beck et al., 1997;
Petry, 1996). Sucht weist auf Anteile des Erlebens und Verhaltens hin, die über die
Bedeutung der Abhängigkeit im allgemeinen Sinn hinausgehen. Der Mensch ist süchtig
nach oder auf etwas, aber abhängig ist er von etwas. Das Wort Sucht leitet sich von dem
Wort siech, also krank, ab. Betrachtet man alte Krankheitsbilder wie Gelb-, Bleich- oder
Schwindsucht wird der Ursprung des Wortes deutlich. Hier schwingt eindeutig etwas
Hinfälliges oder Schwaches mit, während heute Sucht mit einer Verhaltensweise
verbunden wird, die überhandnehmend, unnormal und störend wirkt (vgl. Schneider,
2001). Schneider (2001) ist der Meinung, dass der Begriff süchtig am meisten zu tragen
kommt, wenn eine Einschränkung der persönlichen Freiheit besteht und der Süchtige in
der Auswahl seines Verhaltens durch das Suchtmittel bestimmt ist.
Wanke definiert Sucht als ein „unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten
Erlebniszustand, dem die Kräfte des Verstandes untergeordnet werden. Es verhindert
die freie Entfaltung der Persönlichkeit und mindert die sozialen Chancen des
Individuums“ (1985, S. 20). Sucht beschreibt also eine Verhaltensweise, die unnormal
oder störend wirkt, was jedoch als unnormal und störend angesehen wird, ist stark von
dem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext abhängig.
Die WHO hat 1998 ein gültiges und verbindliches Klassifikationssystem, die
Internationale
Klassifikation
psychischer
Störungen
(ICD-10),
eingeführt,
herausgegeben von Dilling et al.. In dieser wird Sucht als das „Abhängigkeitssyndrom“
(F1.2) bezeichnet und unter Psychische- und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen eingeordnet. Das Abhängigkeitssyndrom wird durch die ICD-10 definiert
als „eine Gruppe körperlicher, Verhaltens- und kognitiver Phänomene, bei denen der
Konsum einer Substanz oder einer Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat
gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet worden sind.
Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich
übermächtige Wunsch, psychotrope Substanzen oder Medikamente (ärztlich verordnet
oder nicht), Alkohol oder Tabak zu konsumieren“ (Dilling et al., 2008, S. 99). Im DSMIV-TR (Statistischen Manual psychischer Störungen, Saß, Wittchen, Zaudig & Houben,
2003), wird von „Substanzabhängigkeit“ gesprochen, welche sich dahingehend äußert,
dass ein unangepasstes Muster von Substanzgebrauch in klinisch bedeutsamer Weise zu
Beeinträchtigung und Leiden führt.
11
2 Theoretischer Hintergrund
In der ICD-10 und in dem DSM-VI-TR werden diagnostische Leitlinien genannt. Von
diesen müssen während des letzten Jahres drei oder mehr gleichzeitig vorhanden
gewesen
sein,
um
die
sichere
Diagnose
„Abhängigkeitssyndrom“
bzw.
„Substanzabhängigkeit“ stellen zu können (vgl. ICD-10, Dilling et al., 2008, S. 92-93;
DSM-IV-TR, Saß et al., 2003, S. 99; Jungnitsch, 1999, S. 143):
1. Das Vorhandensein eines starken Wunsches oder Zwang, psychotrope
Substanzen zu konsumieren (ICD-10),
2. der Umgang mit der Substanz geprägt von einer verminderten Kontrollfähigkeit
(ICD-10; DSM-IV-TR),
3. anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu
verringern oder zu kontrollieren (DSM-IV-TR; unter Punkt 2 in der ICD-10
aufgeführt),
4. ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung des Konsums, das durch
spezifische Syndrome, durch den Substanzentzug oder durch die Aufnahme der
bestimmten Substanz oder ähnlicher Substanzen zur Milderung oder
Vermeidung von Entzugssyndromen nachgewiesen wird (ICD-10; DSM-IVTR),
5. Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen
erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz erzielen zu können, sind
zunehmend höhere Dosen erforderlich (ICD-10; DSM-IV-TR),
6. fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen
zugunsten des Substanzkonsums, ein erhöhter Zeitaufwand bezüglich der
Beschaffung, des Konsums oder der Erholung von den Folgen der Substanz
(ICD-10; DSM-IV-TR),
7. trotz eindeutiger schädlicher Folgen bleibt der Substanzkonsum anhaltend. Als
schädliche Folgen können z.B. depressive Verstimmung infolge starken
Substanzkonsums oder Leberschädigung durch exzessives Trinken angesehen
werden. Es sollte nachgewiesen sein, dass der Konsument sich über Art und
Ausmaß der Folgen im Klaren ist (ICD-10; DSM-IV-TR).
„Das Abhängigkeitssyndrom ist bei allen Substanzen ähnlich, die ein nennenswertes
Abhängigkeitspotential aufweisen“ (Feuerlein et al., 1998, S. 4). Zu den Substanzen, die
zu einer Abhängigkeit führen können, zählt die ICD-10 unter anderem Alkohol,
12
2 Theoretischer Hintergrund
Sedativa oder Hypnotika, Opiate, Kokain, Cannabinoide, Amphetamine und
Tranquilizer. Lindenmeyer (2001) beschreibt psychotrope Substanzen wie folgt: „Ein
Stoff ist dann ein Suchtmittel, wenn er nach einer angenehmen Hauptwirkung eine
unangenehme Nebenwirkung erzeugt, die durch erneute Einnahme der Substanz
gestoppt werden kann“ (S. 47).
Kann bei einem Patienten nicht eindeutig entschieden werden, welche der Substanzen
die er konsumiert, die Dominierende im Störungsbild ist, zählt die ICD-10 dieses
Störverhalten unter „Psychische Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch
und Konsum anderer psychotroper Substanzen“ (Dilling et al., 2008, S. 93). Die
Polytoxikomanie wird im Klassifikationssystem der ICD-10 unter F19 eingeordnet. Die
Auswahl der Substanzen erfolgt hier eher wahllos und wird von der jeweiligen
Stimmungslage des Betroffenen stark gesteuert.
Schmidt erläutert, dass in beiden Klassifikationssystemen Missbrauch bzw. schädlicher
Gebrauch und Abhängigkeit als zwei voneinander unabhängige Störungen angesehen
werden. Detaillierter wird unter „schädlicher Gebrauch“, das in der ICD-10 unter F1.1
zu
finden,
das
„Konsummuster
psychotroper
Substanzen,
das
zu
einer
Gesundheitsschädigung führt“, verstanden (1999, S. 70). Als Beispiel für eine
Gesundheitsschädigung wird eine körperliche Störung wie eine Hepatitis durch
Selbstinjektion von Substanzen oder eine psychische Störung in Form einer depressiven
Episode nach massivem Alkoholkonsum genannt. Der DSM-IV-TR schließt unter F1.1
„Substanzmissbrauch“ die sozialen Dimensionen eindeutig mit ein. Demnach ist das
Hauptmerkmal
des
Substanzmissbrauchs
ein
fehlangepasstes
Muster
von
Substanzgebrauch, das sich in wiederholten und deutlich nachteiligen Konsequenzen
infolge des wiederholten Konsums manifestiert. In den beiden Klassifikationssystemen
wird schädlicher Gebrauch (ICD-10; Dilling et al., 2008) bzw. Missbrauch (DSM-IVTR; Saß et al., 2003) einer psychotropen Substanz dann diagnostiziert, wenn mindestens
eines der folgenden Kriterien innerhalb des letzten Jahres erfüllt ist:
1. Versagen bei der Erfüllung wichtiger Pflichten, hier bezogen auf Schule, Arbeit
und Familie (DSM-IV-TR),
2. wiederholter Substanzkonsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums
zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann (ICD-10; DSM-IV-TR),
13
2 Theoretischer Hintergrund
3. wiederholte Probleme mit dem Gesetz bezogen auf den Substanzkonsum (DSMIV-TR),
4. fortgesetzter
Substanzkonsum
trotz
ständiger
sozialer
oder
zwischenmenschlicher Probleme, die durch den Substanzkonsum verstärkt
werden (ICD-10; DSM-IV-TR).
In
den
zwei
folgenden
Abschnitten
werden
jene
stoffgebundenen
Abhängigkeitsstörungen näher dargestellt, die bei den Probanden diagnostiziert wurden.
Für eine detaillierte Darstellung des Abhängigkeitssyndroms ist auf diesen Abschnitt
verwiesen.
2.1.1.1 Alkoholabhängigkeit
Eine sehr häufige Abhängigkeitsstörung ist der Alkoholismus. Auch in der Klinik im
Hasel (eine Beschreibung der Konzeption der Klinik im Hasel ist in Abschnitt 2.2 zu
finden) haben die meisten in Behandlung befindlichen Patienten diese Diagnose.
Abhängigkeit von Alkohol findet sich in der ICD-10 unter F1 „Psychische und
Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ in der Unterkategorie F10
„Störung durch Alkohol“ wieder (Dilling et al., 2008). Feuerlein et al. zitieren eine
Definition von Alkoholismus, die von den beiden führenden Fachinstanzen (National
Council on Alcoholism and Drug Dependence, American Society of Addictive
Medicine) formuliert wurde:
„Alkoholismus ist eine primäre, chronische Krankheit, deren Entstehung und
Manifestation durch genetische, psychosoziale und umfeldbedingte Faktoren beeinflusst
wird. Sie schreitet häufig fort und kann tödlich enden […] durch die Verschlechterung
des Kontrollvermögens beim Trinken und durch die vermehrte gedankliche
Beschäftigung mit Alkohol, der trotz besseren Wissens um seine schädlichen Folgen
getrunken und dessen Konsum häufig verleugnet wird“ (1998, S. 7).
Die Rückfalltheorie von Marlatt wird im Folgenden in ihren wesentlichen Zügen
dargestellt. Sie verdeutlicht die komplexen Zusammenhänge eines möglichen
Rückfalles und eines Umgangs mit Rückfällen, der sich auch im therapeutischen
Konzept der Klinik im Hasel wiederfindet. Zudem stellt sie den Zusammenhang und die
Wichtigkeit der Selbstwirksamkeitserwartung und der Kontrollüberzeugung mit einer
14
2 Theoretischer Hintergrund
erfolgreichen abstinenten Lebensweise dar. Marlatt stützt sich in seinem kognitivbehavioralen Modell zur Rückfallentstehung auf die sozial-kognitive Theorie Banduras
(vgl. Körkel & Schindler, 2003). Das Modell bezieht sich auf Alkoholabhängige, die
abstinent leben wollen und bindet kognitive, soziale und verhaltensbezogene Faktoren
mit ein. Personen, die sich in einem dauerhaft unausgewogenen Lebensstil befinden,
kommen in Versuchung, sich durch Alkohol Linderung zu verschaffen. Ein
unausgewogener Lebensstil äußert sich beispielsweise in dauerhaft zu hohen Pflichten
im Alltag („shoulds“) und Belastungen im familiären, beruflichen oder sozialen
Bereich. Den Belastungen und der Unausgewogenheit stehen zu wenig Genuss und
Freude, im englischen als „wants“ bezeichnet, gegenüber (vgl. Körkel, 2006). Diese
konstante Überlastung fördert den Drang nach einer sofortigen Entlastung, wofür sich
bei betreffender Person Alkohol gut eignet. Der Alkoholkonsum wird als
selbstbelohnend gerechtfertigt. Das Verlangen nach der positiven Wirkung des
Alkohols macht sich zudem bemerkbar. Durch diese Vorgänge steigt die Rückfallgefahr
und
kann
durch
Rationalisierung,
Leugnung
oder
scheinbar
unbedeutsame
Entscheidungen verschleiert werden. Das gesteigerte Risiko eines Rückfalls wird
zusätzlich erhöht durch riskante Situationen. Beck et al. (1997) geben zudem an, dass
Marlatt und Gorden davon ausgehen, dass ein Süchtiger immer über ein gewisses Maß
an Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit verfügt und sich diese auch zutraut. In Frage
gestellt wird dieses Zutrauen dann, wird der Betroffene mit einer Risikosituation
konfrontiert.
Empirisch
soll
es
sich
als
sinnvoll
erwiesen
haben,
die
Rückfallbedingungen in acht Hochrisikosituationen zu unterscheiden (vgl. Körkel,
2006). Körkel nennt als die Wichtigsten belastende, emotionale Zustände,
zwischenmenschliche Konflikte und Aufforderung zum Mitkonsum. Wird eine Person
nun mit einer oder mehreren solcher Risikosituationen konfrontiert, müssen ihr
Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen, um mit diesen auf die belastende
Situation reagieren zu können. Personen, die in einer Risikosituation einen Mangel an
alkoholfreier Bewältigungskompetenz feststellen, erleben ein Sinken der Zuversicht, die
Situation alkoholfrei überstehen zu können. Diese Personen besitzen eine geringe
Selbstwirksamkeitserwartung. Gleichzeitig steigt bei ihnen die Erwartung, mit
Alkoholkonsum für die gewünschte Entlastung sorgen zu können. Nach Meinung
Körkels kann es auch sein, dass Bewältigungskompetenzen gar nicht erst aktiviert
werden, da die Situation nicht als eine risikobehaftete eingestuft wird. Er bezeichnet
dies als „überoptimistische Selbstwirksamkeitserwartung“ (Körkel, 2006, S. 143). „Es
15
2 Theoretischer Hintergrund
kommt sodann zum erstmaligen Wiederkonsum von Alkohol, der von gedanklichen
(kognitiven) und emotionalen Prozessen begleitet wird“ (Körkel, 2006, S. 143). Die
Person nimmt den Widerspruch in Form einer Dissonanz wahr. Diese besteht aus dem
Wissen, eigentlich keinen Alkohol trinken zu wollen, es aber doch getan zu haben. Es
folgen
Erklärungsversuche
durch
die
rückfällig
gewordene
Person.
Die
Kausalattributionen sind besonders „rückfallanheizend“, so Körkel, wenn der
Wiederkonsum
auf
internale,
stabile
und
globale
Persönlichkeitsmerkmale
zurückgeführt wird. Treten solche Erklärungsversuche auf, folgen diesen meist
Ohnmacht
und
Resignation
in
Bezug
auf
das
weitere
Trinkverhalten.
Selbstwertbeeinflussende Affekte wie Scham und Schuldgefühle treten auf. Es wird
versucht, diese unangenehmen Gefühle durch Alkohol zu dämpfen. Zudem heben sie
die Hemmschwelle, sich anderen anzuvertrauen. Geringer Konsum von Alkohol, der
mit ungünstigen kognitiven und emotionalen Verzerrungen einhergeht, bezeichnet
Marlatt als „Abstinenz-Verletzungs-Effekt“ (Körkel, 2006, S. 144). Attribuiert die
Person das erneute Trinken nun internal, führt sie es also auf ihre eigene Unfähigkeit
zurück, kann dies eine sich selbst erfüllende Prophezeiung hervorrufen. Der an sich
leichte Vorfall ruft eine Wahrnehmung eines vermeidlichen Kontrollverlustes hervor.
Man könne eh nichts mehr tun. Körkel stellt dem gegenüber, dass bei einer Person, die
den „Ausrutscher“ auf externe Faktoren zurückführt, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass
es bei dem geringen Konsum bleibt und es nicht zu einem schweren Rückfall kommen
muss (vgl. Körkel, 2006). Der Rückfall wird in dem Modell als eine Lernerfahrung
dargestellt und kann insofern als positiv verstanden werden.
2.1.1.2 Abhängigkeit von Benzodiazepinen, Opioiden, Kokain und Cannabinoiden
Benzodiazepine werden aufgrund ihrer pharmakologischen Elementareffekte von
Ärzten sehr häufig verordnet. Sie haben unter anderem eine anxiolytische, sedierende
und schlafinduzierende Wirkung. Für Poser (2000) sind es diese drei Wirkungen, die für
gefährdete
Personen
die
höchste
Attraktivität
bedeuten.
Bei
einer
Medikamentenabhängigkeit kann zwischen einer Niedrigdosisabhängigkeit und einer
Hochdosisabhängigkeit unterschieden werden. Letztere tritt häufig nach einer anderen
Suchterkrankung
wie
etwa
einer
Alkoholabhängigkeit
auf.
Die
Niedrigdosisabhängigkeit ist durch einen meist unauffälligen Verlauf schwierig zu
erkennen. Auffällige Ausfallerscheinungen treten erst auf, so Poser (2000), wenn „sie
keine Benzodiazepine mehr erhalten“ (S. 11). In der ICD-10 wurde die Störung unter F1
16
2 Theoretischer Hintergrund
„Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ in der
Unterkategorie F13 aufgenommen (vgl. Dilling et al., 2008).
„Die klassischen Opioide haben das höchste Abhängigkeitspotenzial aller Suchtstoffe“
(Poser, 2000, S. 12). Die akute Wirkung setzt sich aus Analgesie, Euphorie,
Angstlösung, Sedierung und Atemdepression zusammen. Entsteht eine Abhängigkeit,
so ist nach Bonnet und Gastpar typisch für Betroffene das so genannte Craving. Craving
bedeutet, dass zum starken Verlangen nach der Substanz auch eine Einengung des
Denkens, dass sich nur auf die Beschaffung von Opiaten richtet, um so die Entwicklung
von Entzugssymptome zu vermeiden, hinzukommt (vgl. Bonnet & Gastpar, 1999). Die
ICD-10 schließt die Störung unter F1 in der Unterkategorie F11 „Störung durch
Opioide“ (Dilling et al., 2008, S. 93) in ihr diagnostisches Manual mit ein.
„Störungen durch Kokain“ befinden sich in der ICD-10 als eine Unterkategorie von F1
in F14 (vgl. Dilling et al., 2008). Die Autoren Kraus, Kraus und Thomasius (2000)
betonen, dass Kokain aufgrund seiner stimulierenden Rauschwirkung besonders bei
jungen Menschen attraktiv ist. Eine Abhängigkeit von Kokain gehe oft mit der
Assoziation anderer psychischer Störungen einher. Ein besonderes Problem der
Diagnostik einer Kokainabhängigkeit ist die enge Bezogenheit der diagnostischen
Kriterien im ICD-10 sowie im DSM-IV auf Substanzen wie beispielsweise Alkohol
oder Heroin, die in erster Linie betäubend wirken und ein hohes Abhängigkeitspotential
haben (vgl. Kraus et al., 2000). Es kann zu Kokaintrips kommen, die mehrere Stunden
oder Tage anhalten. Auf diese folgt dann meist eine Erholungs- und Abstinenzphase
von mehreren Tagen. Diese Abstinenz spricht allerdings nicht gegen eine Abhängigkeit
„sondern ist Ausdruck des kokainspezifischen Applikationsmusters“ (Hähnchen &
Gastpar, 1999, S. 267).
Die Effekte des Cannabiskonsums sind häufig ein erhöhtes Wohlbefinden, ein Gefühl
der Entspannung, eine als angenehm empfundene Apathie und eine vereinzelt
beobachtete Euphorie (vgl. Rommelspacher, 1999). In der Unterkategorie zu F1 ist
„Störung durch Cannabinoide“ (Dilling et al., 2008, S. 93) in F12 in die ICD-10
eingeordnet. Beim Cannabisentzug sollen selbst nach einem schweren Missbrauch keine
Entzugssyndrome auftreten. Es soll jedoch häufig zu Schlaflosigkeit, Unruhe und
Reizbarkeit kommen.
17
2 Theoretischer Hintergrund
2.1.2 Mehrfachdiagnosen (Komorbidität)
Oft gehen Abhängigkeitserkrankungen mit anderen Störungsbildern einher. Maier,
Franke und Linz (1999) zitieren Feinstein, der angibt, dass unter Komorbidität das
„zeitlich gemeinsame Auftreten von verschiedenen Störungen bei einem Patienten“ zu
verstehen ist (S. 83). Moggi zitiert Dilling, der unter Doppeldiagnosen „im
Allgemeinem die Komorbidität […] oder das gemeinsame Auftreten psychischer
Störungen (z. B. Angststörung, Depression, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen;
PS) und einer Substanzstörung (Störung durch eine oder mehrere psychotrope
Substanzen wie Missbrauch oder Abhängigkeit […]) bei derselben Person in einem
bestimmten Zeitraum […]“ versteht (Dilling, in Druck, zitiert nach Moggi, 2002, S. 15).
Maier et al. nennen Studien von Weissmann et al. (1980) und Regier et al. (1990).
Gegenstand dieser Studien sind Komorbidität von Substanzabhängigkeitsstörungen und
anderen Störungen in der Allgemeinbevölkerung. So soll sich ein „exzessives
gemeinsames Vorhandensein von Lebenszeitdiagnosen von psychotischen, Stimmungs-,
Angst-
und
Persönlichkeitsstörungen
einerseits
und
von
Alkoholismus,
Drogenmissbrauch und Abhängigkeit“ andererseits ergeben haben (Maier et al., 1999,
S. 84). Die Autoren nennen weiter, dass unipolare Depressionen und Alkoholismus oft
eng miteinander verbunden sind (vgl. Maier et al., 1999). Feuerlein et al. (1998)
befassen sich mit den Ergebnisse der „Epidemiological Catchment Area Study“; diese
umfasst eine repräsentative Stichprobe von 20 000 Probanden. Unverhältnismäßig stark
repräsentiert waren bei Alkoholiker Diagnosen wie „antisoziale Persönlichkeit“,
„Manie“, „Schizophrenie“ und „Missbrauch anderer Drogen“.
Eine psychiatrische Erkrankung kann sich beispielsweise aus dem Alkoholkonsum
heraus entwickeln in Form einer „substanzinduzierten Störung“ als Folge des Rausches
oder des Entzugs. Psychische Störungen können allerdings dem Substanzmissbrauch
auch vorausgehen und diesen negativ beeinflussen. Die enge genetisch- biologische
Verbindung zwischen Substanzmissbrauch und einer bestimmten Störung stellt einen
weiteren Erklärungsgrund für eine mögliche psychiatrische Komorbidität dar (vgl.
Mann & Schwärzler, 2000). Bei der Medikamentenabhängigkeit soll es am häufigsten
zu einer psychiatrischen Komorbidität kommen. Die Begleiterkrankungen, Syndrome
und
die
damit
verbundenen
Leiden
treten
nach
der
Beendigung
des
Medikamentenkonsums häufig wieder auf oder existieren parallel (vgl. Poser, 2000).
Laut einer amerikanischen Studie soll es die engste Verbindung zwischen einer
18
2 Theoretischer Hintergrund
Substanzabhängigkeit und antisozialen Persönlichkeitsstörungen geben (vgl. Maier et
al., 1999). In dieser Arbeit werden jene psychischen Störungen dargestellt, die bei den
Probanden diagnostiziert wurden.
Depressionen werden in der ICD-10 unter F30-F39 „affektive Störungen“ eingeordnet.
Die ICD-10 nennt folgende Hauptsymptome der Störung: „Veränderung der Stimmung
oder der Affektivität, meist zur Depression hin, mit oder ohne Angst, oder zur
gehobenen Stimmung hin. Der Stimmungswechsel wird in der Regel von einem
Wechsel des allgemeinen Aktivitätsniveaus begleitet“ (Dilling et al., 2008, S. 140).
Häufig finden sich bei den hier relevanten Probanden in der medizinischen Diagnose
„rezidivierende depressive Störungen“ wieder. Diese sind in der Kategorie F33 in der
ICD-10 zu finden. Sie äußert sich dahingehend, dass immer wieder depressive Episoden
im leichten, mittelgradigen oder schweren Ausmaß auftreten. „Dysthymia“ in der
Kategorie F34.1, ICD-10, ist eine „chronisch depressive Verstimmung, die nach
Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden gegenwärtig nicht die Kriterien für eine
leichte oder mittelgradige, rezidivierende depressive Störung erfüllt (F33.0, F33.1)“
(Dilling et al., 2008, S. 161). Eines der wesentlichen Kennzeichen für dieses
Störungsbild ist, dass die stetige depressive Verstimmung niemals oder nur sehr selten
das Ausmaß erreicht, um die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung zu
erfüllen.
Posttraumatische Belastungsstörungen sind in der in Kategorie F43 unter der
Bezeichnung „Reaktion auf schwere Belastung und Anpassungsstörungen“ in der
Unterkategorie F43.1 in der ICD-10 zu finden (vgl. Dilling et al., 2008).
Posttraumatische Belastungsstörungen entstehen laut der ICD-10 als „verzögerte oder
protrahierte
Reaktion
auf
ein
belastendes
Ereignis
oder
eine
Situation
außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder
langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ (Dilling
et al., 2008, S. 183). Die ICD-10 zählt sowohl Naturereignisse als auch von Menschen
ausgelöste Katastrophen als belastendes Ereignis dazu. Typische Merkmale sind laut der
ICD-10 das wiederholte erleben eines Traumas in sogenannten „Flashbacks“ oder
„Nachhallerinnerungen“, wie auch in Träumen, die von einem ständig andauernden
Gefühl des Betäubtseins und emotionaler Stumpfheit einhergehen. Der Betroffene
vermeidet oft aus Furcht Stichworte, die ihn an das traumatische Ereignis erinnern
19
2 Theoretischer Hintergrund
können.
„Gewöhnlich
tritt
ein
Zustand
vegetativer
Übererregtheit
mit
Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit auf“
(Dilling et al., 2008, S. 183). Posttraumatische Belastungsstörungen sind oft verbunden
mit dem Auftreten von Depressionen und Angst und werden auch mit den
entsprechenden Symptomen benannt. Auch können Drogeneinnahme und ein
übermäßiger Alkoholkonsum als erschwerende Faktoren hinzukommen (vgl. Dilling et
al., 2008).
„Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ sind in der Kategorie F6 in die ICD-10
aufgenommen.
Die
Unterkategorie
F60.4.
beschreibt
eine
„histrionische
Persönlichkeitsstörung“. Personen mit einer solchen Diagnose zeigen theatralisches
Verhalten, neigen zu Dramatisierung bezüglich ihrer Person und zu einem übertriebenen
Ausdruck von Gefühlen. Sie lassen sich von anderen Personen leicht beeinflussen und
haben eine oberflächliche und labile Affektivität. Sie besitzen ein stetiges Verlangen
nach Aufmerksamkeit und wollen immer im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Im
Verhalten zeigen sie außerdem ein nicht passendes, verführerisches Erscheinungsbild.
Für sie spielt die körperliche Attraktivität eine überaus entscheidende Rolle (vgl. Dilling
et al., 2008).
Im Abschnitt F4 der ICD-10 sind „Neurotische, Belastungs- und somatoforme
Störungen“ festgehalten. Die Unterkategorie F40 benennt „phobische Störungen“.
Soziale Phobien, F40.1, beginnen meistens in der Jugend. Sie äußern sich dahingehend,
dass die Furcht vor der kritischen Betrachtung von anderen Menschen in eher kleinen
Gruppen zu einer Vermeidung sozialer Situationen führt. Soziale Phobien können sich
auf einzelne Bereiche begrenzen, wie beispielsweise das Sprechen vor anderen
Personen. Sie können auch unbeschränkt auftreten und sich über fast alle sozialen
Situationen außerhalb des Familienkreises ausdehnen. Personen mit solch einer
Diagnose haben meist ein geringes Selbstwertgefühl und Angst vor Kritik. In ihrer
extremsten Form kann eine soziale Phobie eine vollkommene soziale Isolation zur
Folge haben (vgl. Dilling et al., 2008). Die in der Unterkategorie F.42 des ICD-10
festgehaltene „Zwangsstörung“ ist gekennzeichnet durch wiederkehrende zwanghafte
Gedanken und Handlungen. Diese Gedanken und Handlungen sind meist von
stereotypem und quälendem Charakter. Gedanken mit obszönem und gewalttätigem
Inhalt werden als eigene Gedanken interpretiert, obwohl die betroffene Person sie selbst
20
2 Theoretischer Hintergrund
als unwillkürlich und abstoßend empfinden kann. Zwangshandlungen werden von dem
Betroffenen oft als eine Vorbeugung vor bevorstehenden bedrohlichen Ereignissen
gesehen. Auffallend bei einer Zwangserkrankung ist der enge Zusammenhang mit einer
Depression (vgl. Dilling et al., 2008). So zeigen zwanghafte Personen oft depressive
Symptome. Umgekehrt erleben depressive Personen während einer depressiven Episode
oft Zwangsgedanken.
Die Unterkategorie F42.2 nennt die Mischform von
Zwangsgedanken und Handlungen. Diese ist zu diagnostizieren, wenn die Symptome
für Zwangsgedanken und Handlungen gleichwertig auftreten.
2.2 Therapeutische Konzeption der Klinik im Hasel
Die Klinik im Hasel (AG) liegt im Kanton Aargau in der Schweiz. Sie ist eine Klinik,
die Menschen mit substanzgebundenen Störungen (Substanzstörung) behandelt. In der
42-Betten-Klinik werden sowohl Frauen als auch Männer in einem Zeittraum von 16 bis
zu 40 Wochen behandelt. Die Dauer der Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad
der Abhängigkeit, der Behandlungserfahrung, der Begleiterkrankungen und dem
Ausmaß
der
sozialen
Unterstützung.
Die
Transferphase
ist
ein
Teil
des
Therapieprogramms der Klinik im Hasel, das sich abstinenzorientiert und inhaltlich an
die
von
der
Fachgesellschaft
Arbeitsgemeinschaft
(AWMF)
der
aufgestellten
Wissenschaftlichen
Richtlinien
zur
Medizinischen
Postakutbehandlung
alkoholbezogener und anderer substanzbezogener Störungen anlehnt. Zusammenfassend
soll nach diesen Richtlinien „der Erhalt, eine Verbesserung oder eine Herstellung der
Leistungs- und Funktionsfähigkeiten der chronisch Kranken oder dem behinderten
Menschen in Alltag und Beruf erreicht werden“ (Geyer et al., 2006, S. 9).
Das therapeutische Konzept der Klinik basiert auf einem integrativen bio-psychosozialen Suchtmodell. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass die Sucht und
die häufig zusätzlich auftretenden psychischen Störungen in einem komplexen, oft nicht
überschaubaren Zusammenwirken des Suchtmittels mit der Umwelt des Betroffenen
entstehen. Das Modell setzt sich aus den biologischen, personalen und sozialen
Faktoren zusammen. Die drei Faktoren werden im Folgenden kurz umrissen. Eine
detaillierte Darstellung des bio- psycho-sozialen Suchtmodells ist bei Feuerlein (1989)
zu finden.
21
2 Theoretischer Hintergrund
Die biologische Komponente will zum Ausdruck bringen, dass eine Suchterkrankung
keine
Erbkrankheit
im
engeren
Sinne
bedeutet.
Dennoch
belegen
etliche
Forschungsarbeiten den erheblichen Einfluss der Suchtmittelwirkung, der Entstehung
und der Aufrechterhaltung des Suchtmittelkonsums durch genetische Faktoren (vgl.
Anthenelli & Schnuckit, 2004). Personale Faktoren äußern sich in erster Linie in der
Regulation von Affekten. Der Suchtmittelgebrauch dient als Problemlösestrategie, die
das gesamte Leben des Betroffenen massiv beeinflussen. Das soziale System, in dem
sich ein Süchtiger befindet, beeinflusst dessen Verhalten und Suchtmittelgebrauch und
findet sich in den sozialen Faktoren des Suchtmodells wieder.
Die therapeutische Grundausrichtung der Klinik ist geprägt von einem humanistischen
Menschenbild, das sich durch Empathie, Echtheit und Kontingenz auszeichnet. Die
therapeutische Ausrichtung der Klinik ist überwiegend verhaltensorientiert. In die
Arbeit sind kognitive Modelle wie auch der systemische Ansatz integriert. Als
übergeordnete Behandlungsziele gelten Selbstbestimmung in der Lebensführung und
eine gleichberechtigte und integrierte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Konkrete
Teilziele der Behandlung sind unter anderem: emotionale und kognitive Akzeptanz der
Abhängigkeitserkrankung, Besitz sozialer Kompetenzen, Problemlösestrategien und
Konfliktfähigkeit, realistische Selbstwirksamkeitserwartung, Gefühlswahrnehmung und
Emotionskontrolle, Bewusstsein für persönliche Ressourcen und Qualitäten. Die Klinik
im Hasel sieht Abstinenz als eines ihrer obersten Ziele an. Im Bezug auf Rückfälle
orientiert sie sich an der Rückfalltheorie Marlatts, die entgegen der klassischen
Sichtweise auf die Abstinenz, nach der ein Rückfall in der Behandlung eine Beendigung
der Therapie zur Folge hätte, eine gezielte Weiterbehandlung nach einem Rückfall als
eine neue Behandlungsoption postuliert. Der Rückfall wird in klassischer Sichtweise
mit einem Mangel an Abstinenzmotivation assoziiert. Körkel, der das Modell von
Marlett ausführlich dargestellt hat, äußert sich demgegenüber zu den Zielen nach einem
Rückfall wie folgt: die „Ziele der Weiterbehandlung sind die Aufarbeitung des
Rückfalles und die Entwicklung von Präventionsstrategien für die Zukunft“ (Körkel,
2006, S. 147). Das Rückfallmodell von Marlatt wurde in Abschnitt 2.1.1.1 in seinen
wesentlichen Zügen dargestellt.
Aufgenommen werden Menschen mit einer stoffgebundenen Abhängigkeit, mit
schweren
Formen
des
schädlichen
Gebrauchs
und
mit
anderen
süchtigen
22
2 Theoretischer Hintergrund
Verhaltensweisen. Weiter können Menschen mit zusätzlichen psychiatrischen
Störungen,
sogenannten
Doppeldiagnosen,
eine
Behandlung
erhalten.
Ein
Therapieangebot der Klinik im Hasel besteht aus Einzelpsychotherapie. Jedem
Patienten ist ein Therapeut zugeteilt, der eine zentrale und während des gesamten
Therapieprozesses konstante Bezugsperson darstellen soll. Weitere Angebote der Klinik
sind Paar- und Familiengespräche, um so auch das familiäre und soziale Umfeld des
Betroffenen bei Bedarf mit einbeziehen zu können, und Helferkonferenzen. Bei den
Helferkonferenzen treffen sich Vor- und Nachbehandelte mit den in Behandlung
befindlichen Patienten. Dies soll einem Austausch und der Erprobung von neu erlernten
Fähigkeiten dienen.
Gruppentherapeutische Angebote stellen in der Klinik im Hasel einen weiteren
wichtigen Aspekt der Behandlung dar. Patienten sollen in dem sozialen Mikrokosmos
lernen, angstfrei ihre Bedürfnisse zu äußern. Die gruppentherapeutischen Angebote
gliedern sich nach den Behandlungsphasen. Der Patient besucht in den ersten sieben
Wochen die Einführungsgruppe. Hier sollen Basiswissen über die Suchterkrankung und
das therapeutische Konzept vermittelt werden. Folgende Module werden für die
Suchterkrankung angeboten: Craving/ Reissen und Rückfall; Somatische Folgen der
Alkoholabhängigkeit
und
des
Folgeerkrankungen;
Hausregeln;
Rauchens;
Informationen
Entspannungsverfahren
über
und
Drogen
und
Angebote
im
arbeitstherapeutischen Bereich. Parallel zur Einführungsgruppe werden die Patienten in
Pools eingeteilt. Die Pools sind ein therapeutisches Angebot in Kleingruppen. Jeder
Patient wird zu Beginn seiner Therapie einem Pool zugeteilt. Der Pool bestehend aus
acht bis zwölf Patienten und wird von den zuständigen Einzeltherapeuten geleitet.
Ein
weiterer
wichtiger
Behandlungsaspekt
der
Klinik
im
Hasel
ist
das
Rückfallpräventionstraining nach Körkel und Schindler. Themen wie Vorbeugung,
primäre Rückfallprävention, Umgang mit Rückfällen, sekundäre Rückfallprävention
kommen hier zum Tragen. Ein weiteres Angebot ist die Frauengruppe. Sie trifft sich
einmal in der Woche. Eine Selbstsicherheitsgruppe und eine Gruppe zum Training
sozialer Kompetenzen stellen ein weiteres Behandlungsangebot dar. Als letzte
Angebote bietet die Klinik eine Entspannungsgruppe und eine Hausversammlung an. In
der Hausversammlung kommen alle Personen der Klinik zusammen, sowohl Patienten
als auch Therapeuten, um aktuelle Anliegen zu diskutieren und zu erörtern.
23
2 Theoretischer Hintergrund
Die Therapie für Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung gliedert sich in der
Klinik im Hasel in die Einstiegsphase, die Kernphase und die Transferphase. In der
Einstiegsphase wird eine umfassende Problemanalyse erstellt. Hierfür werden alle zur
Verfügung stehenden Informationen verwendet, um so ein möglichst umfassendes,
individuelles Sucht-Erklärungsmodell für den jeweiligen Patienten zu erstellen. Am
Ende der Einstiegsphase, etwa in Woche vier bis sieben, wird ein Therapieplan erstellt.
Dieser legt den individuellen Verlauf der Therapie des Patienten fest. In der folgenden
Kernphase sind die im Therapieplan festgelegten Behandlungsziele entscheidend. Hier
kommen Einzeltherapie, gruppen- und arbeitstherapeutische Methoden zum Einsatz. In
diesen therapeutischen Settings stehen der Erwerb von sozialen Kompetenzen und eine
Verbesserung der Selbstwahrnehmung im Mittelpunkt. Der Patient tritt aus der
Kernphase sechs Wochen vor Ende seines Klinikaufenthaltes in die Transferphase ein.
Eine Verkürzung oder Verlängerung ist konzeptionell nicht vorgesehen. Selbst wenn
sich die im Therapieplan festgelegten Zeitpunkte ändern sollten, bleiben die 6 Wochen,
in denen sich der Patient in der Transferphase befindet, konstant. Das Konzept der
dritten Behandlungsphase, der Transferphase, wird im folgenden Abschnitt ausführlich
dargestellt.
Therapeutisches Konzept der Transferphase
Die Aufnahme in die Transferphase erfolgt über eine standardisierte Aufnahmeprozedur
(Übertrittskonferenz). In dieser Übertrittskonferenz kommen der Patient, der zuständige
Einzeltherapeut und der in der Transferphase zuständige Therapeut zusammen.
Inhaltlich umfasst das Gespräch eine kurze Schilderung des bisherigen Verlaufs der
Therapie, individuelle Besonderheiten sowie die Ziele und Befürchtungen des Patienten
bezüglich der Transferphase. Die Punkte werden mündlich abgefragt und protokolliert.
Die therapeutische Grundhaltung wird, wie auch in der Anfangsphase und Kernphase,
durch ein humanistisches Menschenbild geprägt. Wichtig ist im Vergleich zu der
Kernphase, dass sich die Beziehung von Therapeut und Patient dahingehend verändern
soll, dass die zuvor sehr intensive und unterstützende Beziehung von einer
wohlwollenden, aber von deutlich mehr Distanz geprägten Beziehung, abgelöst werden
soll. Erreicht werden soll in dieser Phase ein langsamer Abnabelungsprozess von der
stark vorgegebenen Struktur der Kernphase, hin zu einer eigenverantwortlichen und
selbst organisierten Struktur.
24
2 Theoretischer Hintergrund
Die sechswöchige Transferphase stellt den Versuch einer intensiven Verzahnung der
Therapie mit der poststationären Ausgangssituation für den Patienten dar. Bedingt durch
den alltagsfremden Klinikaufenthalt muss der Patient wieder lernen, sich mit seinem
individuellen Alltag auseinanderzusetzen. Die Patienten werden gegen Ende der
Therapie mehr und mehr mit dem Leben außerhalb der Klinik konfrontiert. Fragen zum
Verhältnis zur Familie, zum Beschäftigungsverhältnis und, wenn dieses nicht besteht,
inwieweit eine Integration in den Arbeitsmarkt möglich ist, sowie Fragen nach
adäquaten Freizeitgestaltungen. Dabei werden auch mögliche Arten der Nachbetreuung
für die individuelle Lebenssituation besprochen. In der Kernphase der Therapie wurden
Antworten zu diesen Fragen identifiziert und therapeutisch aufgearbeitet. Die
Transferphase dient jetzt dazu, diese praktisch umzusetzen. Das Hauptthema dieser
Phase ist demnach die Auseinandersetzung mit der poststationären Realität.
Austrittsrelevante Faktoren erlangen in dieser Zeit eine hohe Bedeutung. Den Patienten
so intensiv wie möglich auf den Austritt in die individuelle Lebenswelt vorzubereiten
kann, laut Auffassung der Klinik, nur gelingen, wenn die Lebenswelt außerhalb der
Klinik schon mit in den Therapieprozess einbezogen wird. Der Patient soll in diesen
sechs
Wochen
eine
Fokussierung
auf
die
größtmögliche
Übernahme
von
Eigenverantwortung und Selbstorganisation erfahren.
Die Patienten wohnen in den sechs Wochen zusammen mit anderen Patienten in einer
Gruppe, die sich hauptsächlich selbstständig und eigenverantwortlich versorgt. Ein
solcher Wechsel der Wohnsituation soll auch den Wechsel von der Kernphase der
Behandlung in die Transferphase betonen. Das bedeutet für den Patienten einen
weiteren Schritt in die Selbstständigkeit. Es werden immer weniger klinische Strukturen
vorgegeben, um mehr und mehr die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu
fördern und zu fordern.
Die therapeutische Behandlung orientiert sich an den Prinzipien der Verhaltenstherapie.
In den Behandlungsangeboten liegt der Schwerpunkt auf Gruppentherapien, die
mehrmals innerhalb der sechs Wochen mit klar definierten, unterschiedlichen Inhalten
stattfinden.
25
2 Theoretischer Hintergrund
Die Oberpunkte der Sitzungen gliedern sich in:
1. Die wöchentliche Aufnahmegruppe dient dem inhaltlichen Übergang von der
Kernphase in die Transferphase. Die „neuen“ Patienten werden durch die
erfahren Patienten in die gegebenen Konstellationen eingeführt.
2. Bei der CRA-Gruppe (Community Reinforcement Approach) wird davon
ausgegangen, dass jeder Patient mit einer Abhängigkeitserkrankung eine aktive
Leistung zeigen muss, um abstinent leben zu können. Den Patienten soll
verdeutlicht werden, dass, wenn sie ihre Achtsamkeit und Aktivität bezüglich
ihrer Abstinenz aufgeben, ein erhöhtes Rückfallrisiko wie eine erneute
Abhängigkeit eintreten können. Ereignisse oder Verhaltensweisen der Patienten,
die geholfen haben, abstinent zu bleiben, sollen in diesem Setting erkannt und
benannt werden. Zum einen erlebt der Patient seine eigene Wirksamkeit
gegenüber dem Konsummittel. Zum anderen kristallisiert sich heraus, was im
Umgang mit Risikosituationen hilfreich und notwendig ist, um diese meistern zu
können.
3. Die offene Gruppenpsychotherapie bietet mit ihren Wirkfaktoren (Kohäsion,
Universalität,
Altruismus,
Lernen
am
Vorbild)
die
Möglichkeit,
austrittsrelevante Problemstellungen zu bearbeiten. Die Patienten sollen durch
die
gruppendynamischen
Selbstständigkeit
gestärkt
Prozesse
in
werden.
ihrer
Eigenverantwortung
Spezifische
Themen
und
der
Gruppenpsychotherapie sind unter anderem Rückfallaufarbeitung, Klärungen
der aktuellen Abstinenzmotivation, Umgang mit Versagensängsten bzw.
Selbstüberschätzung, Umgang mit Schlüsselsituationen und Risikosituationen.
4.
Die „Ehemaligengruppe“, findet alle 3 Wochen statt. Kern dieser Gruppe soll
der Austausch zwischen bereits ausgetretenen und sich in der Behandlung
befindenden Patienten sein. Hier spielt der Gedanke der Vorbildfunktion eine
entscheidende Rolle.
5. Die „Angehörigengruppe“ soll pro Therapiezyklus zweimal stattfinden. Das
erste Treffen hat als Schwerpunkt die Rückfallthematik. Das zweite Treffen hat
den Schwerpunkt der Co-Abhängigkeit.
Einzelinterventionen finden nur noch nach Bedarf statt. Diese können sowohl der
Patient als auch der Therapeut äußern und anmelden.
26
2 Theoretischer Hintergrund
Ein weiteres wichtiges Behandlungsangebot in der Transferphase sind die so genannten
„Helferkonferenzen“. Ziel dieser Helferkonferenzen ist es, das Netzwerk zwischen den
Personen, die am Suchtausstieg beteiligt sind, herzustellen und zu stabilisieren. Die
verschiedenen Parteien kommen zusammen, um die Möglichkeit zu nutzen, die
unterschiedlichen
Erwartungen
zu
äußern.
Auch
können
hier
mögliche
Verdrängungsmechanismen sowohl beim Patienten selber als auch im Netzwerk um die
Parteien aufgedeckt werden. Die Helferkonferenzen dienen der Übertragung der
Therapieinhalte in den Außenkontext. Diese Übertragung stellt einen zentralen
Bestandteil der Transferphase dar. Veränderungen, die in der Kernphase der Therapie
stattgefunden haben, werden nun immer mehr auf die Außenwelt des Patienten
übertragen. Der Patient befindet sich noch in der geschützten Umgebung der Klinik,
dennoch setzt er sich mit seiner eigenen Lebenswelt außerhalb der Klinik mehr und
mehr auseinander.
Die therapeutische Konzeption der Klinik im Hasel ist auf ihrer Homepage detailliert
dargestellt. (www.klinikimhasel.ch, Link 1)
2.3
Soziale Lerntheorie Rotters
Die soziale Lerntheorie der Persönlichkeit von J. B. Rotter kann laut Krampen als „eine
dynamische, interaktionistische Entwicklungstheorie der Persönlichkeit“ angesehen
werden (Krampen, 1987, S. 6). Sie entspricht in ihrem Kern den erwartungs-mal-wert
theoretischen Modellannahmen. Rotter verbindet in seiner Theorie behavioristische und
kognitive Elemente. Durch die Berücksichtigung von Interaktionen, also den
Wechselwirkungen zwischen Dispositionen und situativen Kontextbedingungen bei der
Ausformung
eines
bestimmten
Verhaltens,
hat
er
die
empirische
Persönlichkeitsforschung angeregt. Nach Bodenmann, Perrez, Schär und Trepp wird,
gemäß Rotter, Verhalten nicht alleine durch unspezifische Reizreaktions- Verbindungen
bestimmt, wie es bei der operanten oder klassischen Konditionierung postuliert wird.
Danach wird Verhalten auch durch die subjektive Annahme und Verarbeitung von
Informationen und die dazu gehörigen Mechanismen bestimmt (vgl. Bodenmann et al.,
2004). „Rotter versteht unter Lernen die Stärkung bzw. Schwächung von (spezifischen
und generalisierten) Erwartungen auf der Grundlage von Lernerfahrung“ (Bodenmann
et al., 2004, S. 201). Die Theorie Rotters gewinnt unter anderem ihre Bedeutung
dadurch, dass sie etliche Forschungsarbeiten zu Persönlichkeitsmerkmalen, internal
27
2 Theoretischer Hintergrund
versus externale Kontrollüberzeugung (locus of control) angeregt hat (vgl. Amelang,
Bartussek, Stemmler und Hagemann, 2006). Rotter versucht, menschliches Verhalten in
sozialen Situationen zu erklären, und er sieht das Individuum in einer dauerhaften
Interaktion mit seiner Umwelt. Die Umwelt determiniert das Individuum in seinem
Verhalten und besteht zu einem großen Teil aus sozialen Situationen. Nach Rotter
beeinflussen soziale Situationen den Erwerb von Verhaltensweisen des Individuums.
Rotter begründet die Bezeichnung des sozialen Lernens dadurch, dass „die
hauptsächlichen und grundlegenden Arten des Verhaltens in sozialen Situationen erlernt
werden und unauflöslich mit Bedürfnissen verbunden sind, die zu ihrer Befriedigung
die Mittlerstellung anderer Personen erfordert“ (1954, S. 84, zitiert nach Beckmann &
Heckhausen, 2006, S. 104). Die Theorie Rotters wurde mit der Absicht entwickelt, so
Bodenmann et al., „menschliches Verhalten zu erklären und auch vorhersagen zu
können“ (2004, S. 202).
2.3.1 Einflussreiche Determinanten auf das Verhalten
Als zentrale Begriffe seines Konzeptes gelten Verhaltenspotential, Verstärkerwert,
Erwartung und die psychologische Situationseinschätzung (vgl. Bodenmann et al.,
2004). Mit Hilfe dieser Determinanten kann das mögliche Auftreten einer bestimmten
Verhaltensweise in einer gegebenen Situation erkannt werden. Bodenmann et al. geben
an, dass diese vier oben genannten Einflussgrößen das Verhalten determinieren.
2.3.1.1 Verhaltenspotential
Das Verhaltenspotential bedeutet die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes
Verhalten aus einer Menge unterschiedlicher Handlungsalternativen ausgeführt wird. So
differenziert sich, laut Rotter, Verhalten zum einen in beobachtbare Verhaltensweisen,
auch instrumentelles Verhalten genannt, zum anderen in nicht beobachtbares Verhalten,
welches nur erschlossen werden kann (emotionales oder kognitives Verhalten). Rotter
verknüpft mit dieser Annahme die Ansätze des klassischen Behaviorismus mit denen
der kognitiven Ansätze. Im Zentrum von Rotters Interesse steht das gelernte soziale
Verhalten, das im Zusammenhang mit Erwartung steht. Diese Erwartungen stehen
wiederum im Zusammenhang mit Verstärkungsprozessen. „Erwartungen werden laut
Rotter, Chance und Phares (1972) durch Lernerfahrungen (im Sinne der operanten
Konditionierung) entwickelt und generalisiert und entscheiden darüber, ob letztlich ein
28
2 Theoretischer Hintergrund
Verhalten in einer bestimmten Situation gezeigt wird oder nicht (Verhaltenspotential)“
(Bodenmann et al., 2004, S. 205).
Das Verhaltenspotential wird zum einen bestimmt durch die Erwartung, einen
Verstärker zu erreichen. Der Wert eines Verstärkers und die psychologische Situation
an sich bestimmen zudem das Verhaltenspotential. Um eine Vorhersage von Verhalten
zu ermöglichen, muss das Verhaltenspotential für jede in Frage kommende
Verhaltensweise bestimmt werden. Diese Aussage verdeutlicht Rotter mit folgender
Formel:
BPx, S 1, Ra = f (Ex, s1, Ra & RVa, S1)
Der linke Teil der Gleichung bezieht sich auf das Verhaltenspotential (BP) eines
spezifischen Verhaltes BPx in einer bestimmten Situation (S1) im Hinblick auf die
Verstärkung (Ra). Die rechte Seite der Gleichung stellt die Funktion zweier
Komponenten dar. Zum einen die Erwartung (E), dass dem Verhalten Ex in einer
bestimmten Situation (S1) die Verstärkung (Ra) folgt. Die andere Komponente bildet sich
aus dem zugeteilten Wert dieser Verstärkung (RVa) in der bestimmten Situation (S1)
(vgl. Bodenmann et al., 2004). Die aus dieser Gleichung hervorgehende Annahme wird
auch Erwartungs-mal-Wert Theorie genannt. Hier kann der Schluss gezogen werden,
Rotter sei der Auffassung, dass die Verstärkung von Verhalten nicht zwangsläufig eine
Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens bezweckt. Vielmehr ist dies
nach Rotter nur der Fall, wenn der Verstärker eine gewisse Attraktivität repräsentiert
und auch durch das eigene Handeln der Person erreicht werden kann. Der Verstärker
eines Individuums steht in einem Zusammenhang mit der kognitiven Einschätzung und
damit, welchen subjektiven Wert der Verstärker für das Individuum besitzt. Weiter ist
auch die eigenständige Erreichbarkeit des Verstärkers von Bedeutung (vgl. Bodenmann
et al., 2004).
2.3.1.2 Verstärkerwert
Rotter versteht unter Verstärkerwert die Bevorzugung eines bestimmten Verstärkers
gegenüber anderen. Verstärker selber werden als „jene Handlungen, Zustände oder
Ergebnisse verstanden, die das zielgerichtete Verhalten einer Person beeinflussen“
(Mielke, 1982, S. 15). Der Verstärker besitzt einen relativen Wert, der sich nach dem
29
2 Theoretischer Hintergrund
Wertniveau der anderen Verstärker richtet. In Anlehnung an Mielke (1982) lässt sich
der Verstärkerwert wie folgt erklären: die Auftretenswahrscheinlichkeit aller möglichen
alternativen Verstärker ist für eine Person in einer gegebenen Situation gleich hoch, der
Verstärkerwert zeigt an, wie hoch die Präferenz für einen bestimmten Verstärker in
dieser gegebenen Situation ist. Nach Rotters Auffassung, die sich am empirischen
Effekt-Gesetz orientiert, ist jedes Ereignis verstärkend, das die Richtung eines
Verhaltens beeinflusst (vgl. Bodenmann et al., 2004). Der Verstärkerwert steht in einem
engen Zusammenhang mit den Wünschen und den Bedürfnissen, die einer Person
innewohnen. Die Verstärkung muss für die Person Attraktivität ausstrahlen. Rotter sieht
Bedürfnisse wie Anerkennung, Sicherheit und Liebe oft in einem Zusammenhang mit
einem hohen Verstärkerwert (vgl. Bodenmann et al., 2004). Mielke äußert sich zu dem
Wert eines Verstärkers wie folgt: „Der Wert eines Verstärkers ist also zu einem
abhängig von der jeweiligen Situation, d.h. von dem möglichen Auftreten alternativer
Verstärker, zum andern ist er aber auch abhängig von persönlichkeitsspezifischen
Vorlieben für bestimmte Verstärker“ (1982, S. 16).
2.3.1.3 Erwartungen
Jede Situation beinhaltet Hinweisreize, die bei der Person bestimmte Erwartungen
hervorrufen, so Rotter (vgl. Mielke, 1982). Diese Erwartungen beziehen sich wiederum
darauf, dass bestimmte Verstärker durch bestimmte Verhaltensweisen erreicht worden
sind. Erwartung ist definiert als „subjektive Wahrscheinlichkeit...dass ein bestimmter
Verstärker oder eine Gruppe von Verstärkern in einer bestimmt gegebenen Situation
oder in bestimmt gegebenen Situationen auftreten wird“ (Rotter et al., 1972, S. 24 zitiert
nach Mielke, 1982, S. 16). Erwartungen nehmen bei Rotter einen hohen Stellenwert ein.
Laut den Autoren Bodenmann et al. (2004) knüpft er an das Konstrukt der
Zielerwartung von Tolman an. Tolman vertritt die Meinung, dass jedes Verhalten
zielgerichtet ist. Um die Zielgerichtetheit zu erreichen, sind Kognitionen wie
Erwartungen erforderlich (vgl. Bodenmann et al., 2004). Die Person hat in einer
bestimmten Situation die Erwartung, dass sie durch ein bestimmtes Verhalten einen
bestimmten Verstärker erreichen kann. Diese Erwartungen der Person setzten sich aus
Erfahrungen zusammen.
Der Begriff Erwartung gliedert sich in spezifische Erwartungen (gegebene Situation
weckt Erinnerung an ähnliche Situationen) und generalisierte Erwartungen (pauschale
30
2 Theoretischer Hintergrund
Ursachenzuschreibung wie talentiert oder untalentiert, klug oder dumm). Spezifische
Erwartungen sind eng mit einer konkreten Situation verbunden und sind das Resultat
entsprechender Lernprozesse. Die kognitive Landkarte, die eine „strukturierte mentale
Abbildung (Repräsentation) unserer Umwelt“ ist (Downs & Stea, 1982, S. 90, zitiert
nach Dück, 2001, S. 152), reicht, versehen mit den spezifischen Erwartungen,
zumindest subjektiv gesehen für die Bewältigung der Situation aus. Rotter fokussiert
sich hauptsächlich auf generalisierte Erwartungen (vgl. Bodenmann et al., 2004). Unter
generalisierten Erwartungen kann eine „Zusammenfassung einer Vielzahl von
Erfahrungen in verschiedenen Situationen für eine relativ breite Klasse von
Verhaltensweisen und Verhaltenskonsequenzen“ verstanden werden (Amelang et al.,
2006, S. 419). Diese Handlungs-Ergebnis-Erwartungen werden geformt durch frühere
Erfahrungen. Die Generalisierung kann sich auf Situationen, die ähnliche Verstärker,
Ziele oder Bedürfnisse beinhalten, beziehen oder auf strukturelle Ähnlichkeit der
Situation, aber mit unterschiedlichen Verstärkern. Sie spielen eine besondere Rolle in
Situationen, die der Person neu sind und für die bislang noch keine spezifischen
Handlungs-Ergebnis- und Ergebnis-Folge-Erwartung aufgebaut werden konnten (vgl.
Krampen, 1987). Die Person bildet Erwartungen über einen Zusammenhang von
Verhalten und Verhaltenskonsequenzen, die durch lerntheoretische Mechanismen aus
früher Erlebtem generalisiert wurden. Sie geben dem Individuum die Möglichkeit,
durch gelernte Überzeugungen sich neuen Situationen stellen zu können. „Die
generalisierten Erwartungen basieren auf strukturellen Situationsähnlichkeiten, die
jedoch unterschiedliche Verstärker oder Ergebnisse beinhalten“ (Krampen, 1987, S. 93).
2.3.1.4 Psychologische Situation
In der psychologischen Situation ist die persönliche Wahrnehmung der Situation für die
Ausformung des individuellen Verhaltens entscheidend (vgl. Bodenmann et al., 2004).
„In der psychologischen Situation werden die Erwartungen und der Wert einer
Verstärkung generiert und determiniert. Die psychologische Situation ist für Rotters
interaktionistische Sichtweise von zentraler Bedeutung, da sie dem entspricht, was in
weniger komplexen Zusammenhängen als „Stimulus“ bezeichnet wird“ (Bodenmann et
al., 2004, S. 207).
31
2 Theoretischer Hintergrund
2.3.2
Kontrollüberzeugungen und Kompetenzüberzeugungen
Der Begriff Kontrollüberzeugung bietet laut Amelang et al. (2006) eine wenig präzise
Übersetzung für den Orginalterminus aus dem Englischen, „Locus of Control of
Reinforcement (Kurzform: Locus of Control)“ (S. 420). In dieser Arbeit wird dennoch
der in der Fachliteratur gängige Begriff (vlg. Mieke, 1982; Krampen, 1987; Schermer
2005) der Kontrollüberzeugung verwendet. Innerhalb der Erwartungen, die für Rotter
von hoher Bedeutung sind, unternimmt er dahingehend eine Unterscheidung, wo das
Individuum die Kontrolle über sich und die Geschehnisse wahrnimmt. Es kann sie
innerhalb von sich selbst lokalisieren oder außerhalb von sich selbst (vgl. Bodenmann et
al., 2004). Kontrollüberzeugungen werden konzipiert aus „Generalisierungen von
situationsspezifischen Handlungs-Ergebnis-Erwartungen“ (Krampen, 1987, S. 109).
2.3.2.1 Internale- externale Kontrollüberzeugung
Die Lokalisation der Kontrolle differenziert Rotter in zwei Pole, die internale bzw. die
externale Kontrollüberzeugung. Personen, die davon ausgehen, dass sie für die
Ergebnisse und Folgen ihrer Handlung selbst verantwortlich sind, werden als Personen
mit internaler Kontrollüberzeugung bezeichnet. Personen mit einer internalen
Kontrollüberzeugung haben laut Rotter die Erwartung, dass sie ihre Umwelt
kontrollieren können (vgl. Bodenmann et al., 2004). Externale Kontrollüberzeugung
erwartet man, wenn Personen Verstärkung, Bestrafung oder andere Ereignisse auf
Schicksals-, Zufalls- und Glücksumstände oder von mächtigen Personen verursacht, auf
die sie keinen Einfluss haben, zurückführen. Personen mit einer externalen
Kontrollüberzeugen erleben sich nicht als die Umwelt kontrollierende, sondern von der
Umwelt kontrollierte (vgl. Bodenmann et al., 2004). Personen reagieren nun aufgrund
der individuellen Ausprägung ihrer externen bzw. internen Kontrollüberzeugung
unterschiedlich auf das gleiche verstärkende Ereignis. Die Reaktion auf ein Ereignis ist
abhängig von der Überzeugung, inwieweit eine Kontingenz zwischen dem
vorausgegangen eigenen Verhalten und dem Verstärker besteht. Hat eine Person eine
Prüfung gut bestanden, und führt sie dies auf ihr eigenes Können zurück, kann das als
internale Kontrollüberzeugung bezeichnet werden. Eine andere Person, die ebenso gut
die Prüfung meisterte, könnte dieses aber auf Glück oder Zufall zurückführen (externe
Kontrollüberzeugung).
32
2 Theoretischer Hintergrund
Rotter systematisierte 1975 das Konstrukt der externalen Kontrollüberzeugung. Er
unterscheidet die passive- externale Kontrolle, bei der die Person die Ausgänge auf
Zufall, Glück oder Schicksal zurückführt, von der defensiv- externalen Kontrolle. Hier
führt die Person die Ereignisse auf andere Personen zurück. Diese Differenzierung
wurde von einigen Theoretikern vorgedacht. So findet sie Ausdruck in der von
Levenson 1972 entworfenen Konzeption. Levenson nimmt eine Trennung der
generalisierten Kontrollüberzeugung in drei Aspekte vor. Diese sind zum einen die
Internalität. Die Person erlebt sich hier als kontrollierend in ihrem Leben und bei
Ereignissen. Weiter die sozial bedingte Externalität („powerful others control
orientation“). Wichtige Ereignisse sind abhängig von anderen, ggf. mächtigen Personen.
Als dritte Unterteilung sieht Levenson die fatalistische Externalität („chance control
orientation“). Diese drückt aus, wie stark das Leben von Schicksal, Glück oder Pech
abhängig ist. Diese Trennung findet durch den IPC- Fragebogen ihren diagnostischen
Niederschlag und stellt einen Ausgangspunkt für den in dieser Arbeit verwendete
Fragebogen zu Kompetenz und Kontrollüberzeugung dar (vgl. Bodenmann et al., 2004,
S. 204; Krampen, 1991, S. 19-34).
2.3.2.2 Kompetenzerwartung
Unter dem Begriff Kompetenzerwartung wird in Anlehnung an Krampen (1991) die
subjektive
Erwartung
verstanden,
dass
in
einer
gegebenen
Situation
Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Schwarzer und Jerusalem (1989) zählen
Kompetenzerwartungen,
synonym
zu
Selbstwirksamkeitserwartungen,
den
selbstbezogenen Kognitionen zu. Weiter verstehen sie darunter „mehr oder weniger
generalisierte, zeitstabile und strukturierte Gedanken, Vorstellungen, Bildepisoden,
Schemata oder Modelle von der eigenen Person, die in bestimmten Situationen
aktualisiert werden“ (S. 129). Unter Einbeziehung der Kompetenzerwartungen können
realistische Pläne der Handlungsplanung und –kontrolle erstellt werden. Bandura (1986)
erläutert,
dass
Kompetenzerwartungen
typische
Zusammenhänge
einer
Kausalattribution nach Misserfolgen aufweisen. Bei einer Person mit niedriger
Kompetenzerwartung ist mit einer Ursachenzuschreibung auf Unfähigkeit zu rechnen,
bei einer hohen Kompetenzerwartung eher auf mangelnde Anstrengung. Perrez
unterscheidet vier Möglichkeiten, wie Kontrollüberzeugungen und Kausalattributionen
in der Ontogenese erworben werden können. Zusammengefasst wurde dies durch
Bodenmann et al. (2004). Kontrollüberzeugungen können durch objektive Erfahrungen
33
2 Theoretischer Hintergrund
entstehen. Dies beginnt ab der Geburt. Der Erwerb erfolgt durch stellvertretende
Erfahrung. Die Person beobachtet relevante Zusammenhänge bei anderen Personen. Die
symbolische Vermittlung von Zusammenhängen in der Form von Märchen,
Geschichten
und
Filmen
ist
eine
weitere
Quelle
der
Entstehung
von
Kontrollüberzeugungen. Als letztes nennt Perrez die fremdinterpretierte Kontingenz.
Hier ist die Interpretation der Interaktion von Person und Umwelt wesentlich für die
Kontrollüberzeugung (vgl. Perrez, 1989).
2.3.3 Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit
Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit (im Folgenden: HPP,
Krampen, 1987, 1991) ist eine Differenzierung und Weiterentwicklung des Rotterschen
Ansatzes durch Krampen. Dieses Modell will laut Krampen „eine systematische und
theoretisch
fundierte
Integration
allgemein-psychologischer
und
persönlichkeitspsychologischer Ansätze“ (1991, S. 9) erreichen. Das zentrale Anliegen
beider
Ansätze
ist
interaktionistischen
die
Vorhersage
Modell
von
werden
Erleben
situative
und
Verhalten.
In
Determinanten
dem
mit
Persönlichkeitsvariablen verknüpft, so dass eine Beschreibung und Vorhersage von
Handlung und Handlungsintentionen ermöglicht wird. Krampen postuliert in seinem
Modell eine Reihe von Persönlichkeitsdispositionen, die auf jede Erwartung Einfluss
nehmen.
Handlungen und Handlungsintentionen werden durch das HPP zurückgeführt auf:
(1) „Situations-Ergebnis-Erwartungen als die subjektiven Erwartungen einer
Person darüber, daß ein bestimmtes Ereignis in einer gegebenen Handlungsoder Lebenssituation auftritt oder verhindert wird, ohne daß die Person
selbst aktiv wird und handelt;
(2) Kompetenzerwartungen (Situations-Handlungs-Erwartung) als subjektive
Erwartungen darüber, daß in der gegebenen Situation der Person
Handlungsalternativen – zumindest aber eine Handlungsmöglichkeit – zur
Verfügung stehen;
(3) Kontingenzerwartung
(Handlungs-Ergebnis-Erwartung)
als
subjektive
Erwartung darüber, daß auf eine Handlung bestimmte Ereignisse folgen oder
nicht folgen;
34
2 Theoretischer Hintergrund
(4) Instrumentalitätserwartung (Ergebnis- und Ereignis-Folge-Erwartung) als
subjektive Erwartung darüber, daß bestimmten Ergebnissen oder Ereignissen
bestimmte Konsequenzen folgen;
(5) Die subjektiven Bewertungen (Valenzen) der Handlungsergebnisse und
Ereignisse; sowie
(6) Die subjektiven Bewertungen (Valenzen) der Folgen“ (Krampen, 1991,
S.13).
Diese Basisvariablen erlauben eine Aussage über Handlungsintention und Handlung,
wenn sich eine Person in einer subjektiv bekannten, kognitiv strukturierbaren, starken
Handlungs- und Lebenssituation befindet. Persönlichkeitsmerkmale, die über eine
relative
zeitliche
und
situative
Stabilität
verfügen,
können
in
solchen
allgemeinpsychologischen Handlungstheorien nicht bestimmt werden. Bei Personen,
die sich in eher schlecht strukturierten („schwachen“) Situationen befinden, in denen sie
nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können, sind in diesem Modell die
Einflüsse auf die Handlungsintention größer als die eher situationsgebundene Variable.
Es finden auf allen Konstruktebenen Generalisierungen statt, die zu unterscheidbaren,
situativen, zeitlich stabilen Persönlichkeitsvariablen führen, durch die sowohl die
Person als auch interindividuelle Unterschiede beschrieben werden können.
Die oben beschriebenen Erwartungen des differenzierten Erwartungs-Wert-Modells
werden in das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit integriert.
Zu (1): Situations-Ergebnis-Erwartungen bedeutet, dass eine Person in ihren subjektiven
Erwartungen darauf vertraut, dass in einer Situation, auch ohne ihr eigenes Zutun,
positiv bewertete Ereignisse auftreten bzw. negativ bewertete Ereignisse verhindert
werden. „Die Person vertraut oder misstraut der Situationsdynamik“ (Krampen, 1991,
S. 15). Der Begriff für dieses Persönlichkeitskonstrukt, das sowohl die sozialen als auch
psychischen Aspekte umfasst, ist Vertrauen.
Zu (2): Kompetenzerwartungen (Situations-Handlungs-Erwartung)
„Das
entsprechende
Persönlichkeitskonstrukt
wird
als
Selbstkonzept
eigener
Fähigkeiten bezeichnet“ (Krampen, 1991, S. 15). Personen haben situative Erwartungen
darüber, dass ihnen eine oder mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Hat
eine Person in einer bestimmten Situation viele Handlungsalternativen als zur
35
2 Theoretischer Hintergrund
Verfügung stehend erfahren, erlebt sie sich als kompetent. Hat eine Person eine niedrige
Kompetenzeinschätzung, führt das zu der generalisierten Annahme, dass ihr in
Situationen wenige bis keine Handlungsalternativen zur Verfügung stehen.
Zu
(3):
Kontingenzerwartungen
„werden
in
ihrer
Generalisierung
als
Kontrollüberzeugungen bezeichnet“ (Krampen, 1991, S. 15). Sie enthalten die
subjektive Erwartung einer Person, durch eigene Handlungen Ereignisse kontrollieren
zu können.
Zu (4): Instrumentalitätserwartungen (Ergebnis und Ergebnis-Folge-Erwartung),
„werden in ihrer generalisierten Form als Konzeptualisierungsniveau benannt
(Krampen, 1991, S. 15). Es bezeichnet das Ausmaß der individuellen Überzeugungen
und inwieweit eine Person die Handlungs- und Lebenssituation in ihrer Dynamik
versteht, um so (multiple) Konsequenzen von Handlungen oder Ereignisse vorhersagen
zu können.
Zu (5): Die subjektive Bewertung (Valenz) der Handlungsergebnisse und
Zu (6): Die subjektiven Bewertungen (Valenzen) der Folgen.
Die Punkte (5) und (6) beziehen sich darauf, inwieweit die Folgen einer Handlung einen
gedanklichen Anreizwert bieten. Nur wenn eine Person das Ergebnis ihrer Handlung
mit positiven oder wünschenswerten Folgen in Zusammenhang bringt, zieht sie eine
Aktivität in Erwägung. Das Ergebnis der Handlung muss zudem für die Person
erreichbar sein. Die Valenz, die sich auf die letzten beiden Punkte bezieht, „findet ihre
Generalisierung in den allgemeinen Wertorientierungen und Lebenszielen einer Person“
(Krampen, 1991, S. 15), (vgl. Krampen, 1991, S. 14ff.; Wuttke, 2006, S. 11ff.).
„Mit dem Handlungstheoretischen Partialmodell der Persönlichkeit liegt demnach ein
Ansatz vor, der unter funktionaler Perspektive interaktionistische Vorstellungen mit der
Möglichkeit verbindet, Aussagen über den relativen deskriptiven und prognostischen
Wert von Persönlichkeitsvariablen und situationsspezifischen Personvariablen zu
machen“ (Amelang et al., 2006, S. 424). Der aus diesem Modell entstandene
Fragebogen
(Fragebogen
zu
Kompetenz
und
Kontrollüberzeugung)
ist
ein
Messinstrument dieser Untersuchung. Auf ihn wird in Abschnitt 3.2.1 detailliert
eingegangen.
Das Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit ist eng mit dem Konstrukt
von Heckhausen verbunden, der sich ausführlich mit einer Situations-Ergebnis36
2 Theoretischer Hintergrund
Erwartung auseinandergesetzt hat. Heckhausen gliedert den motivationalen Prozess in
vier Ereignisstadien, die er als Situation, Handlung, Ergebnis und Folgen benennt (vgl.
Heckhausen, 1989, S. 466-472 zitiert nach Schermer, 2005, S. 188). Diese vier
Ereignisstadien sind mit spezifischen Erwartungsformen miteinander verbunden (vgl.
Schermer, 2005). Heckhausen sieht die Verbindungen wie folgt:
Im Ereignisstadium einer Situation wird die Ergebniserwartung durch die betreffende
Person unter der Prämisse beurteilt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis ohne
gezieltes Handeln erreicht werden kann. Unter Handlungsergebnis-Erwartung werden
die für die Zielerreichung benötigten Anstrengungen der Person berücksichtigt. In der
Handlungs-bei Situation-Ergebnis-Erwartung wird ausgedrückt, wie stark äußere und
variable Bedingungen auf die Handlungs-Ergebnis-Erwartung Einfluss nehmen. Der
Ergebnis-Folge-Erwartung wird in dem Modell von Heckhausen eine besondere
Relevanz zugesprochen. Heckhausen bezeichnet die Ergebnis-Folge-Erwartungen wie
folgt: „den Grad, mit dem ein Ergebnis instrumental für das Eintreten einer Folge mit
besonderem Anreizwert ist“ (1989, S. 468, zitiert nach Schermer, 2005, S. 189).
Schermer (2005) schließt daraus, dass es in diesem Modell die Folgen einer Handlung
sind, die den motivierenden Anreiz ausmachen. Schermer stellt die möglichen Folgen
eines Handlungsergebnisses, die Heckhausen in drei Arten klassifiziert, sinngemäß
folgendermaßen zusammen: Die Selbstbewertung als eine Folge sagt aus, wie wichtig
das erzielte Ergebnis für die Person selbst ist. Das geschieht durch einen
selbstbestimmten Gütemaßstab. Eine weitere Folge kann die Annährung an ein
Oberziel, das in ferner Zukunft liegt, bedeuten. Als letzte Folge nennt Schermer die
Fremdbewertung. Diese erfolgt durch die Umwelt der betroffenen Person. Stimmt diese
mit der Selbstbewertung überein, liegen gleiche Standards vor, weichen sie voneinander
ab, kann daraus Neid auf eine erbrachte Leistung entstehen (vgl. Schermer, 2005).
2.4 Leidensdruck nach den Auslegungen von Büchi
In wieweit eine Krankheit eine Person tangiert, ist sehr unterschiedlich. Hier soll die
wahrgenommene Distanz zwischen dem Selbst und der Krankheit eine tragende Rolle
spielen. Diese Distanz stehe in Relation zum Leidensdruck. Aus Arbeiten von Büchi
(2001) geht hervor, dass es eine erstaunlich geringe theoretische Auseinandersetzung
mit dem Thema Leiden in der Medizin gibt. In der Literatur, so Büchi, findet sich keine
allgemein akzeptierte Definition von Leiden. Es lässt sich aber feststellen, dass sich
einige theoretische Arbeiten bezüglich dieses Themas finden, die Leiden als eine
37
2 Theoretischer Hintergrund
Erfahrung, die untrennbar mit der Person verbunden ist, verstehen. Cassel, dessen
Arbeit im New England Journal of Medicine publiziert wurde, ist einer derjenigen der
sich intensiv mit dem Thema Leidensdruck beschäftigt hat. Cassel begründet die
theoretisch nur so geringe Auseinandersetzung mit dem Thema Leidensdruck durch die
Aufspaltung des Körpers in Körper und Geist. So sei die Religion für die Seele des
Menschen verantwortlich und die Medizin für den Körper. Diese Auffassung lasse
allerdings außer Acht, dass Leiden die Person in ihrer Ganzheit betrifft (vgl. Cassel,
1982).
2.4.1 Dimensionen des Leidens
Büchi (2001) fasst in Anlehnung an Cassel drei Dimensionen des Leidens zusammen,
die die wesentlichen Aspekte dessen ausdrücken sollen. Die erste Dimension drückt aus,
dass Leiden den Menschen in seinem Person-Sein betrifft. Nicht nur der Körper des
Menschen ist involviert, sondern die Person in ihrer Ganzheit. Als zweite Dimension
sieht Büchi den Zusammenhang von Leiden und einem hohen Disstress der Person.
Leiden entsteht durch die erlebte Bedrohung einer Person, die befürchtet, ihre Intaktheit
verlieren zu können. Der dritte Aspekt benennt, dass Leiden immer in Bereichen
auftritt, die für die Person relevant sind. Leiden tritt auf, wenn eine Verlusterfahrung in
beispielsweise sozialen, familiären oder körperlichen Bereichen erlebt wurde oder
befürchtet wird.
Die Begriffe Schmerz und Leiden werden häufig gleichgesetzt. Diese gilt es dennoch zu
unterscheiden. Entscheidend ist die Bedeutung des Schmerzes. Beispielsweise müssen
die extremen Schmerzen einer Frau bei der Geburt differenziert werden von einem
ausgeprägten Leiden bei einer chronischen Krankheit. Der Schmerz der Frau bedeutet
mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht den Verlust ihrer Intaktheit. Entscheidend soll
bei der Dimension Leiden die Wahrnehmung und Einschätzung des Betroffenen sein.
Die Kontrollierbarkeit des Schmerzes und das Verstehen der Ursache hierfür
beeinflussen das Ausmaß des Leidens. „In Situationen, in denen Schmerz als
Bedrohung für die eigene Existenz oder Integrität eingeschätzt wird, entsteht Leiden“
(Büchi, 2001, S. 14). Leiden ist nicht an das Auftreten einer eigenen Krankheit
gebunden. So kann das gefühlte Leiden wesentlich höher sein, wenn eine nahestehende
Person von einer Krankheit bedroht wird. Die Person erlebt hier eine Form der
Hilflosigkeit, da sie kaum Einflussmöglichkeiten auf den Zustand der nahestehenden
Person hat. Dieser Zustand kann das erlebte individuelle Leiden noch vergrößern.
38
2 Theoretischer Hintergrund
Leiden ist nicht an eine körperliche Beeinträchtigung gebunden. Der Verlust des
Arbeitsplatzes oder eine Scheidung kann hohes Leiden für die betroffene Person
verursachen. Büchi nennt als die zentrale Bedeutung von Leiden, dass dies eine extrem
persönliche Erfahrung ist, die nicht verstanden werden kann ohne eine intensive
Auseinandersetzung mit dem betroffenen Menschen. Dabei ist nach Büchi das
persönliche Gespräch die einzige Möglichkeit, um der Person gerecht zu werden. „Es
müssen dabei Aspekte der Persönlichkeit, der Lebens- und Krankheits-Geschichte, der
familiären Bindung, des kulturellen und religiösen Hintergrundes, aber auch
insbesondere der die Person definierenden sozialen Rollen in umfassender Weise
berücksichtigt werden“ (Büchi, 2001, S. 15).
Neben den Ausführungen von Cassel nennt Büchi weitere bedeutungsvolle Arbeiten
zum Thema Leiden. Er zitiert in seiner Ergänzung Chapman und Gavrin, die Leiden als
„wahrgenommene Bedrohung der Integrität des Selbst (mit körperlichen und
psychosozialen Aspekten), welche eine negative affektive Qualität sowie ein Gefühl der
Hilflosigkeit und des Verlustes beinhalten“ definieren (Chapman & Gavrin, 1993, zitiert
nach Büchi, 2001, S. 15). Die Person, die Leiden erfährt, erlebt zudem eine
Einschränkung in ihrer Autonomie. In Anlehnung an Drew (1986) nennt Büchi die
Hilflosigkeit und die Ohnmacht, etwas tun zu können, als eine wesentliche
Einflussgröße für das Ausmaß des Leidens. Diese Dimension des Leidens soll eine
direkte therapeutische Implikation besitzen. Beispielsweise in der Suchttherapie ist dann
die größtmögliche Autonomie der Person gewahrt, wenn der Person die einzelnen
therapeutischen Schritte so transparent wie möglich gemacht werden. Dadurch soll das
durch die Institution bedingte Leiden begrenzt werden (vgl. Büchi, 2001). Der letzte
wichtige Aspekt scheint die Zeitdimension zu sein. So sollen zeitlich begrenzte
Schmerzen und Beeinträchtigungen mit weniger Leiden verbunden sein als dauerhafte.
Büchi definiert Leidensdruck wie folgt: „das Ausmass des Leidens, verstanden als das
vom Patienten körperliche, affektiv und kognitiv erfahrene Gesamtmass der
Beeinträchtigung“ (Büchi, 2001, S. 4). Leiden ist eine sowohl den Körper als auch den
Geist betreffende Größe. Begriffe, die bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der
Dimension Leiden in den Vordergrund rücken, sind die Begriffe des Selbst und des
Ichs. Diese beiden Begriffe wurden, den therapeutischen Schulen nach, unterschiedlich
definiert. Für das in dieser Arbeit verwendete Erhebungsinstrument PRISM (Pictorial
Representation of Illness and Self Measure) wurde die Definition der beiden Begriffe
39
2 Theoretischer Hintergrund
aus dem psychoanalytischen Selbst-Modell entnommen. Diese stellt sich in Anlehnung
an Rudolf in folgender Weise zusammen: Das Selbst wird als eine „zentrale
Organisationseinheit des Seelischen“ (Büchi, 2001, S. 13) gesehen. Der Begriff des
Lebens, wie er bei PRISM verwendet wird, ist synonym zu verwenden zu dem im
Selbst-Modell verwendeten Begriff des Ichs. Das Ich wird hier definiert als die
„Gesamtheit der Vorstellungen einer Person von sich selbst“ (Büchi, 2001, S. 13).
Um die Person- Krankheit- Beziehung visualisieren zu können, verwendet Büchi das
Transaktionale Stress-Modell von Lazerus. Dieses wird in seinen wesentlichen Zügen
im Folgenden dargestellt.
2.4.2 Das Transaktionale Stress-Modell von Lazerus
Die von Lazerus und Mitarbeitern entwickelte Theorie ist eine der elaboriertesten zum
Bewältigungsverhalten. Lazerus postuliert hier, dass Bewältigungen aus kognitiven und
behavioralen Anstrengungen bestehen. Diese Anstrengungen dienen dazu, mit
bestimmten externalen oder internalen Anforderungen umzugehen. Dieser Vorgang
beansprucht die Ressourcen der Person stark oder überschreitet sie (vgl. Schermer,
2005,). Das wesentliche Merkmal dieses Ansatzes ist die Transaktion. Der
transaktionale Prozess einer kognitiven Bewertung beinhaltet eine Beanspruchung oder
gar Überschreitung der eignen Ressourcen. Ausgelöst wird dies durch die Konfrontation
mit einer Problemstruktur. Im Laufe seiner Forschungsarbeit sprich Lazarus den
Emotionen mehr und mehr Bedeutung zu. Ausgehend davon spricht er von einer
„kognitiven-relationalen Theorie der Emotionen und Bewältigung“ (Jerusalem, 1990, S.
7). Das Zentrum der Erklärung von Stressindikatoren findet sich in kognitiven
Bewertungsprozessen und deren Dauer in einer stressrelevanten Situation. Kognitive
Bewertungen sind es, die dem Individuum mitteilen, ob Umweltgegebenheiten für das
eigene Wohlbefinden von Bedeutung sind. Beginnend mit der ersten Darstellung der
Stresstheorie von Lazarus ziehen sich fortlaufend drei Bewertungsprozesse durch seine
Arbeiten. Die Bewertungsprozesse gliedern sich in primäre Einschätzungen, sekundäre
Einschätzungen und Neueinschätzungen.
2.4.2.1 Primäre Einschätzungen (primary appraisals)
In Interaktion mit der Umwelt überprüft die Person, ob die situativen Anforderungen für
sie von Relevanz sind. Sie kann die Situation dahingehend bewerten, dass sie diese als
40
2 Theoretischer Hintergrund
irrelevant, angenehm-positiv oder stressrelevant einschätzt. Eine Person beurteilt eine
Situation als irrelevant, wenn sie sie als nicht bedeutsam für sich einstuft. Eine
angenehm-positive Einstufung einer Situation ergibt sich dann, wenn die Person ihre
eigenen Kompetenzen als eindeutig überlegen bezüglich der spezifischen Situation
erlebt. Beide Bewertungen gefährden das persönliche Wohlbefinden einer Person nicht,
es kommen keine Bewältigungsversuche zum Tragen. Empfindet eine Person eine
Situation als für sich wichtig und stehen für sie Bereiche ihrer Persönlichkeit auf dem
Spiel, wie Wertvorstellungen, Kompetenzen oder das Wohlbefinden, stuft sie die
Situation als stressrelevant ein. Die Einstufung einer Situation als stressrelevant ist
abhängig von den Kräften der Person im Verhältnis zu jenen der Situation. Ist die
erlebte Kraft einer Person niedrig im Vergleich zur erlebten Kraft einer Situation,
bewertet sie die Situation als stressrelevant. Verfügt die Person zudem über keine
Gegenmaßnahmen, ist ihr persönliches Wohlergehen gefährdet. In für die Person
stressrelevanten Situationen treten stressbezogene Kognitionen auf. Diese unterteilen
sich in Herausforderung (challange), Bedrohung (threat), Schädigung (harm) und
Verlust (loss).
Schädigung und Verlust sind Kognitionen, die sich auf Ereignisse der Gegenwart oder
der Vergangenheit beziehen. Sie enthalten eine vorliegende Beeinträchtigung des
Wohlergehens einer Person. Anstrengungen zur notwendigen Bewältigung richten sich
nicht auf die Genese des Schadens, sondern auf die Minimierung der Folgen. Als
Schaden
kann
eine
körperliche
Schädigung
und
eine
Verhinderung
der
Bedürfnisbefriedigung gesehen werden. Die Folgen sind abhängig von der Art der
Schädigung. So können diese Trauer oder Schmerz, gleichgütige Gefühlszustände oder
auch Ärgerreaktion bedeuten. Wesentlich für die Folgen ist immer die subjektive
Einschätzung der Person.
Bedrohung bezieht sich im Vergleich zu Schädigung und Verlust nicht auf Ereignisse
der Gegenwart oder Vergangenheit, sondern auf jene, die in der Zukunft liegen. Die
künftigen Situationen stellen für die Person schwierige Anforderungen dar, bezüglich
derer sie sich nicht im Klaren ist, ob sie diese zu meistern vermag. Bedrohung als
Kognition beinhaltet eine potentielle Schädigung, ein Versagen in einem für die Person
wichtigen Bereich oder die Blockierung eines Beweggrundes. Da sich Bedrohung auf
zukünftige Ereignisse bezieht, können im Vergleich zur Verlusteinschätzung noch
41
2 Theoretischer Hintergrund
Bewältigungshandlungen zum Tragen kommen. Diese können eine tatsächliche
Konfrontation mit der Situation verhindern. Eine Person erlebt die aufkommenden
Schwierigkeiten in Bezug auf ihre persönlichen Ressourcen als zu massiv und schätzt
eine erfolgreiche Bewältigung der Situation als unwahrscheinlich ein. In diesem Fall
treten Bedrohungsgefühle wie Furcht, Angst oder Besorgnis in den Vordergrund.
Eine Person fühlt sich als herausgefordert, wenn sie in einer bestimmten Situation
erwartet, ihre Kompetenzen erfolgreich einsetzen zu können. Herausforderungen
beziehen sich auf die Zukunft und darauf, ob die Person einen möglichen Erfolg in der
Bewältigung einer schwierigen Situation sieht. Durch das Meistern einer schwierigen
Situation kann die Person einen Zugewinn an Kompetenzen erfahren. Es entstehen
Gefühle wie Zuversicht, Interesse, Neugier oder Hoffnung, die eine positive
Gefühlsregung bewirken.
Herausforderung und Bedrohung unterscheiden sich bezüglich ihrer affektiven Ebene.
So impliziert Herausforderung positive Gefühle, während durch Bedrohung negative
Gefühle hervorgerufen werden. Stress muss also nicht zwangsläufig mit negativen
Gefühlen und Kognitionen assoziiert werden. Erlebt sich ein Individuum in einer
stressrelevanten
Situation
als
kompetent,
können
dadurch
positive
Gefühle
hervorgerufen werden. Die Person erlebt die Situation als Herausforderung, nicht als
Überforderung, sie will ihre eigenen Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Stressbedingte Kognitionen dürfen nicht unabhängig voneinander gesehen werden. Sie
treten nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip auf, sondern sind mehrdeutig in einer
Person vorhanden (vgl. Jerusalem, 1990). Durch die Vielschichtigkeit von Situationen
kann eine Person oft nicht klar entscheiden, welche tatsächlichen Anforderungen auf sie
zukommen werden. Als Beispiel für gemischte Erwartungsprozesse kann ein Student in
einer Prüfung genannt werden. Er weiß schon während der Prüfung nicht jederzeit, ob
er die Fragen richtig interpretiert hat und ob er damit den Erwartungen des Prüfers
entspricht oder vielleicht schon nach Auffassung des Prüfenden längst durchgefallen ist.
Gefühle können sich in ihrer Intensität bezüglich der jeweiligen Situation unterscheiden.
Zu fragen ist also, welche der kognitiven Bewertungen dominiert und inwieweit sie in
der spezifischen Situation präsent sind und nicht welche Einschätzungen vorliegen.
42
2 Theoretischer Hintergrund
2.4.2.2 Sekundäre Einschätzungen (secondary appraisals)
Primäre Bewertungen sagen etwas darüber aus, ob eine stressrelevante Situation als
bedrohlich, schädigend oder herausfordernd eingestuft wird. Daraus resultiert die Frage,
was das Individuum gemäß dieser Einstufung tun kann. Es begibt sich auf die Suche
nach möglichen Bewältigungsressourcen, die zur erfolgreichen Bewältigung einer
Situation beitragen können. Sekundäre Bewertungen werden definiert als „einen
komplexen Bewertungsprozess, der die verfügbaren Bewältigungsmöglichkeiten, deren
verschiedene Erfolgswahrscheinlichkeiten und die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst
bestimmte Strategien wirksam einsetzen kann, berücksichtigt“ (Lazarus & Folkmann
1984, S. 35, zitiert nach Jerusalem, 1990, S. 11). Es werden die vorhandenen
körperlichen, psychologischen, sozialen und materialen Ressourcen überprüft.
Zu den Ressourcen können soziale Unterstützungen, beispielsweise der guten Rat eines
Menschen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten oder materieller Besitz gezählt
werden. Es findet eine Abwägung der Konsequenzen für andere interne und externe
Anforderungen statt. Als Beispiel hierfür kann ein Patient in der Gruppentherapie
genannt werden. Dieser will die Therapiesitzung schnell verlassen, weil sie für ihn eine
unangenehme Situation darstellt. Er weiß jedoch auch, dass zur erfolgreichen
Beendigung der Therapie die Teilnahme obligatorisch ist.
Verdeutlicht werden kann die oben genannte Definition von Lazarus und Folkmann
durch Bandura (vgl. Jerusalem, 1990). Dieser geht davon aus, dass ein bestimmtes
Verhalten zu einem bestimmten Ergebnis führt (outcome expectancy). Die
Einschätzung, eine Strategie erfolgreich einsetzen zu können, stellt eine Kompetenzund Wirksamkeitserwartung dar. Das ist eine persönliche Einschätzung einer Person,
inwieweit sie sich in einer bestimmten Situation für kompetent hält und sich auch selbst
zutraut, die Handlung erfolgreich auszuführen. So ist es für eine Person wenig hilfreich,
wenn sie weiß, dass sie einen Computer braucht, um eine Bewerbung zu schreiben, die
den heutigen Anforderungen entspricht, sie sich die Bedienung des Computers aber
nicht zutraut. Primäre und sekundäre Einschätzungen dürfen nicht hinsichtlich einer
zeitlichen Abfolge gesehen werden, sie können sowohl gemeinsam als auch
überlappend auftreten. Sekundäre Einschätzungen können auch vor der primären
Einschätzung erfolgen. Das ist der Fall, wenn Bewältigungshandeln kognitiv präsent ist
und die Einstufung einer Situation als Bedrohung gar nicht erst aufkommen lässt. Die
43
2 Theoretischer Hintergrund
beiden Einschätzungen „sind in einem transaktionalen Sinn miteinander verbunden“
(Jerusalem, 1990, S. 12). Will man die Frage nach der situativen Stressrelevanz und die
nach den subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten einer Person beantworten, dürfen die
beiden Faktoren nicht unabhängig voneinander gesehen werden. Sie stellen beide
aufeinander bezogenen Informationen dar.
Jerusalem bezieht sich auf Schwarzer (1987), dieser nennt zur Verdeutlichung der
primären und sekundären Einschätzung das Situationsmodell und das Selbstmodell (vgl.
Jerusalem, 1990). So kann die primäre Einschätzung mit einem Situationsmodell
verglichen werden. Eine Person prüft in der Transaktion mit der Umwelt, ob die
Situation für sie persönlich relevante Aspekte beinhaltet. So kann der nach Hause
kommende, drogenabhängige Ehemann manche Frau gleichgültig lassen, weil sie daran
vielleicht schon gewöhnt ist, während für eine andere Frau die Situation, wegen
vorausgegangener Gewalterfahrungen oder Angst, als Bedrohung empfunden wird. Die
Ausprägungen des Situationsmodells werden zum Teil bestimmt durch Eigenschaften,
Charakterzüge oder Einstellungen, die eine Person ausmachen. Diese finden sich im
Selbstmodell einer Person wieder. Vorstellungen und die der Person zur Verfügung
stehenden Handlungsmöglichkeiten (sekundäre Einschätzung) werden mit den
situativen Anforderungen verglichen. Jerusalem nennt hier wieder Schwarzer, der dies
mit dem Bild einer Waage zu verdeutlichen versucht (vgl. Jerusalem, 1990). Das
Selbstbild wird auf die eine Waagschale gelegt und das Situationsmodell auf die andere.
Die Verbindung der beiden, der Vorgang des Wiegens, stellt die Transaktion dar. Ist
nun die Waagschale des Situationsmodells schwerer als die des Selbstbilds, bedeutet
das für die Person Stress. Transaktionales Stresserleben ergibt sich in der jeweiligen
Situation-Umweltanforderung immer wieder neu. Die Facetten der Situations- und
Selbsteinschätzung zeichnen sich durch Vielfalt und Komplexität aus. Je nachdem wie
die beteiligten Kräfte in einer bestimmten Situation zum Einsatz kommen, verhält sich
auch das transaktionale Stresserleben eines Individuums (vgl. Jersualem, 1990).
2.4.2.3 Neueinschätzungen (reappraisals)
Neueinschätzungen bedeuten die „zeitliche Dynamik der Einschätzungsprozesse“
(Jerusalem, 1990, S. 13). Sie können inhaltlich zu den primären und sekundären
Einschätzungsprozessen gezählt werden. Unterschieden werden sie hinsichtlich des
zeitlichen
Aspekts.
Neubewertung
erfolgt
zeitlich
später.
Sie
repräsentiert
44
2 Theoretischer Hintergrund
Wiederholungen der kognitiven Bewertungsprozesse im zeitlichen Ablauf der PersonUmwelt Transaktion. Neubewertungen treten dann auf, wenn eine Person neue
Informationen über sich oder die Situation erfährt. Beispielsweise kann eine Person
durch Nachdenken zu neuen Erkenntnissen gelangen, die sie die Situation aus einem
anderen Blickwinkel sehen lassen. Die Neubewertungen bewirken, dass sich die
transaktionale
Einschätzung
einer
Situation
verändert.
Ausgelöst
können
Neubewertungen durch Rückmeldung, ein klares Weiterkommen in einer schwierigen
Situation oder Gefühlsreaktionen. Solche Gefühlsreaktionen können dann in Form von
Rückmeldungsschleifen zukünftige Situationen beeinflussen. Eine Person wird durch
stressbezogene Kognitionen, situationsrelevante Bewältigungsmöglichkeiten und
emotionale Befindlichkeit in ihrer Handlung angeleitet. Diese Faktoren sind
entscheidend
für
die
Auswahl
bestimmter
Bewältigungsstrategien.
Bewältigungsstrategien beeinflussen die Rückmeldungsschleifen, und aus ihnen
resultiert eine neue Abschätzung der Person- Umwelt- Auseinandersetzung.
2.4.2.4 Bewältigung
Für
Lazarus
spielen
Bewältigungsstrategien
neben
den
Bewertungen
bzw.
Einschätzungen eine zentrale Rolle (vlg. Schermer, 2005). Bewältigung (Coping)
beinhaltet alle Anstrengungen eines Individuums, mit einer stressrelevanten Situation
umzugehen. Diese Anstrengungen gliedert Lazarus in zwei unterschiedliche
Funktionen. Zum einen in die instrumentelle Bewältigung, die eine positive
Veränderung der Problemsituation bewirken soll, zum anderen in eine Verbesserung der
emotionalen Befindlichkeit als palliative Bewältigung. Instrumentelle Bewältigung soll
der Person dazu verhelfen, die stressrelevante Situation für sie erträglicher zu machen.
Schermer nennt das auch „die gestörte Person-Umwelt Beziehung zu entschärfen“
(2005, S. 163). Verbesserung der emotionalen Befindlichkeit ist aus dreierlei Hinsicht
sinnvoll und erforderlich. Emotionen wie Angst, Trauer oder Schmerz sind für die
Person höchstwahrscheinlich unangenehm und werden von ihr als belastend
empfunden. Weiter determinieren intensive negative Emotionen die Person in ihrer
Situationswahrnehmung. Es kann dazu kommen, dass Informationen verzerrt oder
falsch wahrgenommen werden. Als letzter Aspekt gilt, dass negative Emotionen ein
erhöhtes Erregungsniveau verursachen, das die Person nur zeitlich begrenzt aushalten
kann.
45
2 Theoretischer Hintergrund
Neben der positiven Veränderung der Problemlage und der Verbesserung der
emotionalen Befindlichkeit ist der zeitliche Aspekt im Bewältigungsprozess von hoher
Bedeutung. Ist ein geliebter Mensch in jüngster Vergangenheit verstorben, ist der
Schmerz groß und es gilt die Situation zu ertragen oder auszugleichen. Liegt dieser
mögliche Verlust in der näheren Zukunft, ist es eventuell noch möglich, das Ereignis
abzukehren. Lazarus unterscheidet vier Arten von Bewältigung: Informationssuche,
direkte Handlung, Unterdrückung von Handlung und intrapsychische Prozesse. Diese
vier Arten können gleichermaßen auf beide Funktionen des Bewältigungsprozesses
angewandt werden. So kann ein Alkoholabhängiger, dem eine Therapie bevorsteht,
diese in seiner primären Einschätzung als Bedrohung einstufen. Er reagiert mit hoher
Wahrscheinlichkeit
mit
Angst
vor der Therapie.
Wenn
er jetzt
versucht,
problemzentriert eine positive Veränderung der für ihn stressrelevanten Situation zu
bewirken, wird er sich positiv mit der Therapie auseinandersetzen. Das heißt, er sucht
eventuell nach Informationen, die ihm helfen, die Therapie in einem positiven Licht zu
sehen. In Bezug auf die palliative Bewältigung kann er seine Angst reduzieren, indem er
sich mit ehemaligen Patienten austauscht, die positive Erfahrungen mit einer Therapie
gemacht haben. Oder er übt sich in Entspannungstechniken und vermeidet Kontakte, die
seine Angst fördern würden. Auch kann er sich immer wieder selbst gut zureden, um so
die Angst vor der Therapie herunterzuspielen.
Bewältigungsmaßnahmen
können
noch
weiter
in
ihren
Effekten
und
Ausgangsbedingungen differenziert werden. Lazarus nennt hier die Einteilung in
kurzfristige und langfristige Auswirkungen. Kurzfristige Auswirkungen beziehen sich
auf die Emotions- und Ergebnisqualität. Zu fragen gilt, ob sich die Situation zum
Positiven oder Negativen verändert hat. Langfristige Auswirkungen beziehen sich auf
körperliche Befindlichkeit, das subjektive (psychische) Wohlbefinden und auf die
soziale Funktionsfähigkeit. Abschließend ist es noch von Bedeutung, was eine Person
unter Wohlbefinden versteht. Es ist immer subjektiv und lässt sich nicht an einer
allgemeinen Definition messen. Als Folgerung daraus ist auch der Bewältigungsprozess
immer geprägt von der persönlichen Auffassung der jeweilig betroffenen Person (vgl.
Schermer, 2005).
46
2 Theoretischer Hintergrund
2.5 Das Konstrukt der Selbstwirksamkeit nach Bandura
Im Rahmen seiner sozial-kognitiven Lerntheorie postuliert Bandura die zentrale
Bedeutung von selbstbezogenen Gedanken, die für die Handlungsregulation von
Bedeutung sind. Die nach dem englischen Orginalterminus genannte „Self-Efficacy“, zu
Deutsch häufig übersetzt als Selbstwirksamkeit, kann als hypothetisches Konstrukt
angesehen werden. Bandura definiert die Selbstwirksamkeit wie folgt: „Perceived selfefficacy in one`s capabilities to organize and execute the course of action required to
produce given attainments“ (1997, S. 3).
Die „Beliefs“ sind dabei ein Schlüsselwort in der Definition Banduras. Nach Fuchs
(2005) werden über das Konstrukt der Selbstwirksamkeit die Beliefs mit den Worten
Erwartung, Einschätzung, Überlegungen und Urteile inseriert. Für Bandura bedeuten
die Beliefs den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen und spielen in
seinem Verständnis eine Schlüsselrolle in der menschlichen Interaktion. „Beliefs of
personal efficacy constitute the key factor of human agency. If people believe they have
no power to produce results, they will not attempt to make things happen“ (Bandura,
1997, S. 3). Bandura (1997) vertritt die Meinung, dass Menschen, die an ihre
Fähigkeiten glauben, ein Vorhaben eher umzusetzen vermögen als jene, die sich als
unfähig
einschätzen.
Die
„Self-Efficacy-beliefs“
sollen
im
Wortlaut
der
Motivationspsychologen eine intrinsische Motivationskomponente darstellen (vgl.
Fuchs, 2005). Für Bandura spielen sie eine herausragende Rolle beim menschlichen
Handeln, „Among the mechanism of agency, none is more central or pervasive than
beliefs of personal efficacy“ (Bandura, 1997, S. 2). Die Beliefs bedeuten eine
Einschätzung, einen Glauben. In Banduras Verständnis findet im Vorfeld schwieriger
oder anspruchsvoller Situationen ein komplexes Zusammenspiel von Gefühlen und
Gedanken statt. Früher gemachte Erfahrungen und auch vorweggenommene
Einschätzungen bevorstehender Situationen kommen hier zum Tragen (vgl. Fuchs,
2005).
In Bandruas Definition findet sich ein weiterer wichtiger Aspekt, „perceive“. Ins
Deutsche übersetzt bedeutet perceive, bewusst, wach und aufmerksam. To perceive
bedeutet „Notiz von etwas nehmen“, „etwas mental erfassen“ oder „etwas realisieren
oder beobachten“ (vgl. Fuchs, 2005). Das Individuum nimmt seine Umwelt durch
Impulse,
Gerüche,
Geräusche wahr.
Jene werden
im
Gehirn
als
mentale
47
2 Theoretischer Hintergrund
Repräsentationen verarbeitet. Das Resultat der Wahrnehmungen sind Bilder, Ideen und
Vorstellungen. Diese Bilder bezeichnet Bandura auch als Kognitionen. Hierbei spielt
der Glaube an die eigenen Fähigkeiten eine entscheidende Rolle, er beeinflusst
menschliches Tun im Zusammenspiel mit menschlichen Emotionen ausschlaggebend
(vgl. Fuchs, 2005).
Bandura nennt in seiner Definition als letztes bedeutungsvolles Element die „Given
Attainments“. Bandura spricht in anderen Veröffentlichungen auch von „Prospective
Situations“ (vgl. Fuchs, 2005). Antizipierte Situationen in der Zukunft spielen ebenso
eine Rolle wie die von der Person selbst gesteckten Ziele oder Vorhaben (vgl. Fuchs,
2005). Bandura verwendet den Begriff Self-Efficacy immer im Zusammenhang mit
anspruchsvollen und schwierigen Aufgaben, die für die Person eine Herausforderung
bedeuten. So stehen Ereignisse, die leicht von der Hand gehen nicht im
Forschungsinteresse Banduras (vgl. Fuchs, 2005). Für Mummendey (2006) steht im
Mittelpunkt der Selbstwirksamkeit nach Bandura „die Fähigkeit eines Individuums,
Vorhersagen über sein zukünftiges Verhalten zu machen, insbesondere Erwartungen
darüber auszubilden, welche eigenen Verhaltensweisen realisierbar sein werden und
welche nicht“ (S. 185). So besitzt nach der Einschätzung vieler Motivationsforscher
jeder, der sich eine Aufgabe stellt, eine implizite oder explizite Überzeugung seiner
Kompetenzen (vgl. Fuchs, 2005). Selbstwirksamkeitsüberzeugung stellen somit eine
subjektive Einschätzung einer Person dar, deren wahrgenommene persönliche Kontrolle
und Wirksamkeit es möglich machen, ein Verhalten erfolgreich ausführen zu können.
Diese
subjektiven
Einschätzungen
müssen
wiederum
den
tatsächlichen
Handlungsressourcen nicht entsprechen. Neben der Selbstwirksamkeit und der
Selbstwirksamkeitserwartung verwendet Bandura (1979) auch LeistungseffizienzErwartung.
An
dieser
Stelle
sei
angemerkt,
dass
Forschungsarbeiten
bezüglich
der
Selbstwirksamkeit wegen der unterschiedlichen genutzten Übersetzungen und synonym
verwendeten Begriffen erschwert werden. Ruholl (2007) ermittelte in ihrer Dissertation
einige Beispiele hierfür. So verwendet Schwarzer (2002, 1994, 1992) die Begriffe
Selbstwirksamkeitserwartung,
Kompetenzerwartung
und
optimistische
Selbstüberzeugung sowie Self-Efficacy Expertancies und Personal Resources Beliefs
synonym. Weitere Autoren, wie Kraifer und Perkun (1991), verwenden den Begriff des
48
2 Theoretischer Hintergrund
Kompetenzvertrauens
Selbstwirksamkeit.
und
–erwartung
Semmer
(1993)
gleichbedeutend
bedient
sich
wie den
des
Begriff der
Begriffes
der
Kompetenzeinschätzung. Fäh und Sieber benutzen statt Selbstwirksamkeitserwartung
Eigenwirksamkeit. In dieser Arbeit wird der Begriff der Selbstwirksamkeit bzw.
Wirksamkeitserwartung verwendet.
Zentral für das Konzept Banduras sind also die Beliefs (Überzeugungen), die
Capabilities (Fähigkeiten), die Prospective Situations (Situationen in der Zukunft) und
die Given Attainments (Ziele). Bandura setzt die Beliefs ins Zentrum seines Konzeptes
(vgl. Fuchs, 2005). Sie bedeuten das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, den Glaube
daran, Handlungen erfolgreich ausführen zu können und die Überzeugung der eigenen
Wirksamkeit. Die Beliefs beruhen auf individuellen Erfahrungen, und Erfahrungen
entstehen aus Wahrnehmungen, so Fuchs (2005). Wahrnehmungen können verzerrt
sein. Es treten Wahrnehmungstäuschungen auf. Bezogen auf die Beliefs bedeutetet dies,
dass ein Mensch sich über- oder unterschätzt. Fuchs führt weiter aus, dass ein gewisses
Maß an Selbstüberschätzung wichtig ist für die menschliche Kompetenzentwicklung.
Selbstunterschätzung, Bandura (1986) spricht hier von „misjudgments of self-efficacay“
(S.
394),
führt
zu
einem
Mangel
an
Selbstvertrauen.
Die
menschlichen
Kontrolleinschätzungen sind sehr komplex und haben einen hohen Einfluss auf
Wohlbefinden und Wohlergehen. Die Self-Efficacy-Beliefs zeigen, wie selbstwirksam
sich ein Mensch gegenüber einer Situation einschätzt. Diese Einschätzung ist höchst
individuell und variiert von Mensch zu Mensch. So können sich zwei Menschen
bezüglich
einer
bevorstehenden
Therapie
als
vollkommen
unterschiedlich
selbstwirksam erleben.
Die Beliefs stellen zwar eine Schlüsselrolle im Konzept Banduras dar, sind aber mit
anderen Kognitionen eng verbunden. So äußert sich Bandura hierzu folgendermaßen:
„Perceived self-efficacy plays a pivotal role in a multifaceted social cognitive theory,
but it is not the sole determinant of action“ (1997, Perface). Fuchs erläutert dies anhand
eines Beispiels sehr eindrücklich. Pivotal heißt der Spielmacher im Basketball. Er spielt
den Mitspielern die entscheidenden Pässe zu. Ohne seine Mitspieler könnte aber der
Spielmacher nichts bewirken. Auf das Konzept Banduras bezogen sind die Beliefs
(Selbstwirksamkeitsüberzeugung) der Spielmacher und die Capabilities und die
Situations stellen die wichtigsten Mitspieler dar (vgl. Fuchs, 2005).
49
2 Theoretischer Hintergrund
2.5.1 Wirksamkeits- und Ergebniserwartung
Bandura unterscheidet kognitive Quellen, die das menschliche Verhalten entscheidend
beeinflussen: zum einen die Wirksamkeitsüberzeugung (Kompetenzüberzeugung;
Efficacy-Belief) und die Ergebniserwartung (Outcome Expectation). „Perceived selfefficacy is a judgement one`s ability to organize and execute given types of
preformances, whereas an outcome expectation is a judgement of the likely
consequence such performances will produce“ (Bandura, 1997, S. 21). Er ordnet die
Quellen folgendermaßen an:
Abbildung 1: Beziehung zwischen Wirksamkeits- und Ergebniserwartung
(Bandura, 1997 S. 22)
2.5.1.1 Wirksamkeitserwartung
Wirksamkeitserwartungen (Efficacy-Beliefs) resultieren aus der Bewertung der eigenen
Fähigkeiten, die vorhandenen Ressourcen im Dienst der Zielverfolgung zu mobilisieren.
Sie beinhalten alle Kognitionen bezüglich der individuellen Überzeugung eines
Menschen, wirksam zu sein. Sie bestimmen das Maß, wie fähig und kompetent eine
Person hinsichtlich eines Zieles ist. Wirksamkeitseinschätzungen unterscheiden sich je
nach „Level“ (Herausforderungsgrad der bestimmten Situation), „Strength“ (Stärke der
Einschätzung) und „Generality“ (Verallgemeinerungsgrad der Einschätzung) (vgl.
Bandura, 1997).
Der Herausforderungsgrad ist die erste Dimension. Sie ist das Ausmaß der
Herausforderung einer Aufgabe bzw. einer Situation, deren Bewältigung man sich
selber zutraut. Ein Suchtkranker kann z.B. der Auffassung sein, in der Klinik sehr gut
abstinent leben zu können, während er sich Abstinenz in seinem Freundeskreis nicht
oder nur wenig zutraut. Eine weitere Dimension ist die Stärke oder Gewissheit der
Selbstwirksamkeitseinschätzung. Eine Person kann nach einem Rückfall zum Alkohol
50
2 Theoretischer Hintergrund
vollkommen überzeugt sein, wieder abstinent leben zu können und strengt sich in der
Therapiezeit entsprechend an. Eine Person, die jedoch zu Beginn wenig an ihre
Kompetenzen glaubt, wird beim ersten Rückfall bzw. Missglücken schon wieder
aufgeben wollen und im schlimmsten Fall die Therapie abbrechen. Erwartungen
beeinflussen also das Bewältigungsbemühen. Die dritte Dimension ist der
Verallgemeinheitsgrad der Selbstwirksamkeitserwartung. Diese kann spezifisch oder
global ausfallen. Sehr spezifisch wäre, wenn eine Person der Meinung ist, dass sie nur
mit einem bestimmten Therapeuten bzw. Therapieprogramm abstinent leben kann.
Global dagegen wäre die Einschätzung einer Person, generell abstinent leben zu können
und dies unabhängig von einem bestimmten Therapeuten oder Therapieprogramm.
In Anbetracht der drei Dimensionen scheint Banduras Auffassung einleuchtend, dass
sich Menschen bei leichten Herausforderungen als wirksamer einschätzen als bei
anspruchsvollen und schwierigen Aufgaben. Verfügt ein Mensch über eine hohe
Wirksamkeitseinschätzung, wird er mehr Ausdauer bei der Bewältigung einer ihm
gestellten Aufgabe zeigen. Dagegen wird ein Mensch mit einer niedrigen
Selbstwirksamkeitserwartung vor schwierigen Situationen eher zurückschrecken und
bei ersten Hindernissen schon aufgeben (vgl. Bandura, 1986). Wie viel eine Person in
eine bestimmte Aufgabe oder Anstrengung investiert, ist von der jeweiligen Erwartung
zu dieser Aufgabe abhängig. Selbstwirksamkeitserwartungen verändern sich abhängig
von Ort, Zeit, sozialer Umgebung und vielen anderen Faktoren (Bandura, 1997).
Selbstwirksamkeitserwartungen werden allgemein oder bereichsspezifisch formuliert.
Menschen können sich über weite Teile ihres Selbst als wirksam einschätzen oder nur
auf bestimmten Bereichen.
2.5.1.2 Ergebniserwartung
Ergebniserwartung (Outcome Expectencies) resultiert hingegen aus einer Bewertung
der Wahrscheinlichkeit, dass die Zielverfolgung mit bestimmten Mitteln auch zu einer
Zielerreichung führt (vgl. Bandura, 1997). Ergebniserwartungen sind Vorstellungen
über Erfolgsaussichten. Fuchs nennt Ergebniserwartungen „Wenn-dann Überlegungen“
und spricht von „gedanklich vorweggenommenen Kognitionen“ (2005, S. 26). Die
Handlung eines Menschen ist bestimmt durch dessen Erwartung bezüglich eines
erwarteten Ergebnisses. Outcome Expectencies sind in der Auffassung Banduras eng
gekoppelt an physische Bedingungen, an soziale Faktoren und an Selbsteinschätzung.
51
2 Theoretischer Hintergrund
Bandura gliedert die physischen Bedingungen, die sozialen Faktoren und die
Selbsteinschätzung jeweils in negative wie positive Effekte. So handelt es sich bei
physischen Bedingungen um die individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen, einen
sozialen Faktor stellt für einen Patienten beispielsweise der ihn behandelte Therapeut
dar. Selbsteinschätzungen beziehen sich auf alle Kognitionen, mit denen der Mensch
seine eigenen Kompetenzen wie auch die sozialen Gegebenheiten beurteilt (vgl.
Bandura, 1997). Bandura weist darauf hin, dass Ergebniserwartungen ein Resultat von
Erfahrungen sind. „The outcomes that flow from a given course of action can take the
form of positive or negative physical, social, and self-evaluation effects“ (Bandura,
1997, S. 22).
2.5.1.3 Unterscheidung von Wirksamkeits- und Ergebniserwartung
Sehr klar wird der Unterschied laut Schermer (2005) von Wirksamkeits- und
Ergebniserwartung deutlich, wenn man das Konzept der Hoffnungslosigkeit von Beck
(1967) und das der Hilflosigkeit von Seligman (1975) betrachtet. Hat ein Mensch eine
niedrige Ergebniserwartung, kann von einem Zustand der Hoffnungslosigkeit
ausgegangen werden. Das heißt, der Mensch hat das Gefühl, nichts könne ihm helfen.
Betrachtet man dagegen einen Menschen, dessen Wirksamkeitsüberzeugung niedrig
ausgefallen ist, so lässt sich das mit dem Zustand der Hilflosigkeit beschreiben. Der
Mensch geht hier davon aus, dass er nichts Nützliches für sich tun kann. Eine Person
kann der Meinung sein, dass sie durch ihr Verhalten ein bestimmtes Ergebnis auslösen
kann, sie traut sich dennoch nicht selbst zu, dieses Verhalten erfolgreich ausführen zu
können. Bandura (1986) spricht in diesem Fall von Selbstabwertung oder Verzweiflung.
Fallen beide Variablen niedrig aus, so schließt Bandura auf Resignation und Apathie.
Sind aber sowohl die Wirksamkeitsüberzeugung als auch die Ergebniserwartung hoch
ausgefallen, soll es zu „produktivem Engagement verbunden mit dem Gefühl der
Zufriedenheit kommen“ (Schermer, 2005, S. 137). Zeigt die Umwelt einer Person keine
belohnende Reaktion auf einen Handlungsbereich, in dem sich die Person selbst als
kompetent einschätzt, so wird erwartet, dass die Person mit Widerstand reagiert. (vgl.
Schermer, 2005, S. 137).
2.5.2 Quellen der Selbstwirksamkeit
Bandura
(1986,
1997)
begründet
die
Entstehung
und
Veränderung
von
Selbstwirksamkeitsüberzeugung durch vier mögliche Quellen oder Lernprozesse.
52
2 Theoretischer Hintergrund
2.5.2.1 Persönliche Erfahrung
Als wichtigste Quelle nennt Bandura die „Enactive Mastery Experiences“ (Persönliche
Erfahrung). Für ihn bedeutet sie die einflussreichste und wirkungsvollste Quelle für die
Entwicklung und Beeinflussung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Die persönliche
Erfahrung liefert den zuverlässigsten Beleg, welche Ressourcen eine Person braucht,
um zu Erfolg zu gelangen. In Banduras Auffassung wird aus Erfolg ein stabiler Glaube
an die eigene Wirksamkeit gebildet. Misserfolge schwächen sie, besonders wenn die
Selbstwirksamkeitsüberzeugung noch nicht gefestigt ist. Menschen, denen buchstäblich
alles entgegenfliegt und die schnell zu ihren Zielen und gewünschten Ergebnissen
kommen, würden bei Niederlagen leicht entmutigt werden. Schwierigkeiten und
Rückschläge im Leben können sie lehren, dass Erfolg auch mit Anstrengungen
verbunden sein kann. Es ist wichtig, dass Menschen Erfahrung in der Bewältigung von
schwierigen Aufgaben haben, denn es fördert den überdauernden Wirksamkeitsglauben.
Selbstwirksamkeit durch persönliche Erfahrungen aufzubauen bedeutet nicht,
gebrauchsfertiges Verhalten zu übernehmen. Es beinhaltet vielmehr den Erwerb von
kognitiven, verhaltensmässigen und selbstregulatorischen Werkzeugen. Mit diesen
Werkzeugen sollen Handlungsabläufe entworfen und ausgeführt werden können, die
sich in ständig wechselnden Lebensumständen bewähren. Laut Bandura (1997) haben
Menschen, denen einmal bewusst geworden ist, was sie brauchen, um erfolgreich zu
sein, auch die Fähigkeit, hinderliche Bedingungen künftig besser zu überstehen.
2.5.2.2 Indirekte Erfahrung
Menschen vertrauen nicht darauf, dass persönliche Erfahrung die ausschließliche Quelle
ihrer Fähigkeiten ist, so Bandura. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen werden auch durch
indirekte Erfahrung oder stellvertretende Erfahrung beeinflusst. Soziale Vorbilder zu
beobachten, wie sie eine Handlung erfolgreich ausführen, stärkt den Beobachtenden,
ähnliche Handlungen selbst meistern zu können (vgl. Bandura, 1986). Das Missglücken
einer Modellhandlung allerdings schwächt auch die Wirksamkeitsüberzeugung des
Beobachtenden (vgl. Bandura, 1997). Menschen müssen ihre Fähigkeiten bezüglich der
Fähigkeiten der anderen bewerten. Bandura nennt das Beispiel eines Studenten, der 115
Punkte in einem Examen erhalten hat, jedoch nicht die Möglichkeit hat, das Ergebnis
positiv oder negativ zu beurteilen, weil er nicht weiß, wie die anderen abgeschnitten
haben. Bandura spricht hier vom sozialen Vergleich. Auf der Grundlage dieses
Vergleiches kann nun der Beobachter zu dem Schluss gelangen, dass er über ähnliche
53
2 Theoretischer Hintergrund
Kompetenzen verfügt. Wie sehr ein Mensch von einem Vorbild beeinflusst wird, ist
stark von der wahrgenommenen Ähnlichkeit mit ihm abhängig. Ähnlichkeiten können
sich äußern in übereinstimmenden Merkmalen wie z.B. Alter, Beruf, oder Aussehen
(vgl. Bandura, 1997). Je stärker ein Mensch die Ähnlichkeit mit einem Modell
wahrnimmt, umso überzeugender wirkt dessen Erfolg oder Misserfolg auf ihn. Sehen
Menschen
wenige
Ähnlichkeiten
mit
dem
Modell,
so
wird
die
Selbstwirksamkeitsüberzeugung und das Ergebnis einer Handlung von dessen Verhalten
weniger beeinflusst (vgl. Bandura, 1997). Indirekte Erfahrung oder stellvertretende
Erfahrung ist vor allem für Bereiche wichtig, in denen bisher noch wenige Erfahrungen
gemacht wurden (vgl. Schermer, 2005). Vorbilder sind mehr als nur soziale Standards,
an denen Beobachtende ihre Fähigkeiten einschätzen. Vielmehr sucht der Mensch nach
Vorbildern, die Kompetenzen und Fähigkeiten besitzen, die er sich für sich selbst
wünscht. Kompetente Vorbilder vermitteln Wissen. Sie lehren den Beobachter
wirksame Strategien und Fähigkeiten, die Anforderungen des Lebens bewältigen zu
können. So wirken Modelle oder Vorbilder, die in der Lage sind Schwierigkeiten mit
Anstrengung zu überwinden, motivierender als das bloße Üben benötigter Fähigkeiten
(vgl. Bandura, 1986).
2.5.2.3 Mündliche Überzeugung bzw. verbale Unterstützung von Außenstehenden
„Verbal
Persuasion“
Außenstehenden),
(mündliche
dient
als
Überzeugung,
eine
weitere
verbale
Quelle
Unterstützung
zur
Stärkung
von
der
Wirksamkeitsüberzeugung. Bandura nennt hier Schrunk und Mitarbeiter, die sich
intensiv mit der verbalen Unterstützung auseinandergesetzt haben. Schrunk kommt zu
dem Resultat, dass Menschen, die verbal überzeugt werden, die Fähigkeiten zu haben,
bestimmte Aufgaben zu bewältigen, tendenziell mehr Ausdauer und Kräfte
mobilisieren, Barrieren zu überwinden, als jene, die ihren Blick auf ihre Defizite richten
und daran festhalten (vgl. Bandura, 1997). Es wirkt unterstützend für die
Wirksamkeitsüberzeugung, gerade in schwierigen Situationen, wenn Menschen aus dem
Umfeld ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der betroffenen Person verbalisieren. Die
Mitteilung der anderen Person soll den Handelnden in seinen Fähigkeiten bestärken.
Beispielsweise kann ein gut gemeinter Rat eines Freundes lauten: Du wirst das sicher
gut machen. Die verbale Unterstützung ist dann am effektivsten, wenn sie sich mit den
realen Gegebenheiten deckt, und die Menschen Gründe haben, daran zu glauben, sie
könnten durch ihre Handlung etwas bewirken (vgl. Bandura, 1986, 1997).
54
2 Theoretischer Hintergrund
2.5.2.4 Emotionaler und physiologischer Zustand
In der Bewertung ihrer Fähigkeiten sind die Menschen auch angewiesen auf ihren
jeweiligen emotionalen und physiologischen Zustand. Bandura postuliert als vierte
Quelle der Selbstwirksamkeit die „Phsysiological and Affective States“ (physiologische
und affektive Zustände). Diese gewinnen besonders an Bedeutung in Situationen, in
denen das Individuum körperliche Leistungen zeigen muss, in gesundheitlichen
Belangen und in der Bewältigung von Stresssituationen (vgl. Bandura, 1997). Die
körperliche Anspannung in einer Stresssituation wird von der Person oft als
Vulnerabilität und körperliche Funktionsstörung interpretiert. Bringt eine Situation
Anforderungen mit sich, die der Stärke und Ausdauer bedürfen, begründen Menschen
ihre Unfähigkeit oft mit Ermüdung, Schwäche oder Schmerz. Der körperliche Zustand
kann als Hinweis auf das Ausmaß der eigenen Kompetenzen gewertet werden. Befindet
sich eine Person in einem Zustand hoher körperlicher Erregung, empfindet sie also
beispielsweise enormes Herzrasen oder Schwitzen, so lässt sich daraus auf Angst oder
Bedrohung und auf schwache Handlungskompetenzen bezüglich dieser Situation
schließen. Die momentane Stimmung und Laune einer Person beeinflusst sie in der
Beurteilung ihrer Fähigkeiten. Die Stimmung kann die Aufmerksamkeit verzerren und
beeinflusst die Interpretation von Ereignissen, wie diese kognitiv organisiert werden
und im Gedächtnis abgerufen werden. Menschen könnten besser lernen, wenn das, was
sie lernen, mit ihrer Stimmung kongruent ist. Weiter kann Gelerntes besser abgerufen
werden, wenn die Person sich in ähnlicher Stimmung befindet, in der sie es lernte (vgl.
Bandura, 1997)
Emotionale Erregung wird beim Versuch, eine Situation zu meistern, wahrgenommen.
Es hängt von der Ursachenzuschreibung ab, ob dies als Bedrohung oder
Herausforderung interpretiert wird. Je intensiver die Stimmung, so Bandura, desto
stärker wirkt sich die Stimmung auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung aus. Während
physiologische Zeichen besonders im Zusammenhang mit der körperlichen Gesundheit
und bei Handlungen, die eine körperliche Stärke und Ausdauer benötigen, von Belang
sind, kann der affektive Zustand große Auswirkungen auf verschieden Bereiche der
Selbstwirksamkeitsüberzeugung haben. Somit ist, laut Bandura, der vierte Weg zur
Änderung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung eine Verbesserung des körperlichen
Zustandes, eine Reduktion des Stresslevels und negativer emotionaler Neigungen sowie
eine Korrektur der Missinterpretation körperlicher Signale (vgl. Bandura, 1997).
55
2 Theoretischer Hintergrund
2.5.2.5 Verarbeitungs- und Informationsprozesse
Bandura
fügt
einen
weiteren
wichtigen
Aspekt
zum
Erlangen
von
Selbstwirksamkeitsüberzeugung zu, er nennt ihn: „Integration of Efficacy Information“.
Bandura ist der Auffassung, dass Menschen sich mit der Anordnung und Gestaltung
von
selbstwirksamkeitsüberzeugungsrelevanten
Informationen
auseinandersetzen
müssen die auf komplexen Verarbeitungs- und Informationsprozessen basieren. Der
Einzelne muss aus einer Vielzahl von Informationen, die für ihn relevanten
herausfiltern, gewichten und sie schließlich in die persönliche Wirksamkeit integrieren
(vgl. Bandura, 1997). „The ability to discern, weight, and integrate relevant sources of
efficacy informations […], include attentional, memory, inferential, and integrative
cognitive capabilities for forming self-conceptions of efficacy. The development of selfappraisal skills also relies on growth of self-reflective metacognitive skills to evaluate
the adequacy of one’s self-assessments“ (Bandura, 1997, S. 115).
2.5.3 „Prospective Situations“ und „Given Attainments“
Neben Beliefs und Capabilities sind weitere wichtige Komponenten im Konzept
Banduras Prospective Situations und Given Attainments (vgl. Fuchs, 2005). Prospective
Situations sind Erwartungen oder Vorstellungen des Menschen von zukünftig
Erstrebenswertem. Er kann versuchen, sie mit der Hilfe von Vorhaben, den Given
Attainments umzusetzen (vgl. Fuchs, 2005). Für Bandura spielen Ziele eines Menschen
eine entscheidende Rolle. Um Erfolg im Leben zu haben, muss die Person eine
ungefähre Vorstellung davon haben, was sie erreichen will und wie sie es erreichen will
(vgl. Bandura, 1986). Bandura zählt Ziele zu den Grundbedürfnissen der Menschen:
„People have always striven to control the events that affect their lives. By exerting
influence in spheres over which they can command some control, they are better able to
realize desired futures and to forestall undesired ones“ (Bandura, 1997, S. 1). Der
Selbstwirksamkeitsglaube
beeinflusst
das
Level
des
Zieles,
die
investierten
Anstrengungen, die Strategien, es zu erreichen, welche Kräfte mobilisiert werden und
letztlich die Verstärkung des Einsatzes, wenn das Ziel vor Augen gehalten wird (vgl.
Bandura, 1997). Eine Person mit einer hohen Selbstwirksamkeitsüberzeugung wird sich
eher auf die Suche nach anspruchsvollen und schwierigen Leistungszielen machen und
zugleich auch mit den damit verbundenen Anstrengungen zurechtkommen und die dafür
nötige Ausdauer aufbringen. Wird eine gute Leistung erreicht, so fördert das wiederum
die Erfolgszuversicht, motivationale förderliche Attributionen und problemangemessene
56
2 Theoretischer Hintergrund
Lösungen. Letztendlich wird aus diesen Faktoren die Selbstwirksamkeitsüberzeugung
stabilisiert (vgl. Jerusalem & Mittag, 1999).
2.5.4 Funktionsweisen der Selbstwirksamkeitserwartung
Selbstwirksamkeitsüberzeugung spielt auch im Zusammenhang mit Motivation eine
wichtige Rolle. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung stellt eine wichtige Voraussetzung
für
den
Erwerb
lebenspraktischer
Schlüsselqualifikationen
wie
Motivation,
Sozialkompetenz und allgemeine Problemlösefähigkeit dar, die für ein Leben in der
Gesellschaft von hoher Bedeutung sind (vgl. Jerusalem & Mittag, 2007).
Selbstwirksamkeitsglaube ist das Resultat kognitiver Prozesse verschiedener Quellen
von Wirksamkeitsinformationen. Die Quellen sind persönliche und stellvertretende
Erfahrungen sowie die verbale Informationsvermittlung und die physiologische und
emotionale Struktur. Hat sich der Wirksamkeitsglaube entwickelt und gefestigt,
beeinflusst er die Qualität des menschlichen Verhaltens auf unterschiedlichste Weise.
Hier wirken kognitive, motivationale, emotionale Prozesse und Selektionsprozesse mit
(vgl. Bandura, 1997).
2.5.4.1 Kognitive Prozesse
Die meisten Handlungen sind geprägt von Gedanken. Kognitive Prozesse dienen als
Anleitung zur Entwicklung von kompetentem Handeln. Selbstwirksamkeitsglaube
beeinflusst Menschen dahin gehend, wie sie Situationen gedanklich strukturieren, wie
die gedankliche Vorwegnahme von Handlungen ausfällt und wie Menschen ihre
Zukunft betrachten und gestalten. Bandura spricht davon, dass Menschen, die einen
hohen Selbstwirksamkeitsglauben
haben,
gestellte Aufgaben
als überwindbar
einschätzen und von einer erfolgreichen Bewältigung ausgehen. Menschen, die sich
selbst als unwirksam einschätzen, nehmen die Situationen eher als riskant wahr und
gehen von einem Missglücken aus. Diese negative Sichtweise, so Bandura, untergräbt
Motivation und Handlungen. „It is difficult to achieve much while fighting self-douts“
(Bandura, 1997, S. 117). Laut Bandura haben zahlreiche Studien gezeigt, dass durch
kognitive Stimulation, bei der Menschen ihre Handlung als erfolgreich einstufen, sich
die nachfolgende Handlung verbessert. Der Selbstwirksamkeitsglaube und kognitive
Stimulation wirken wechselseitig. So fördert ein hoher Wirksamkeitsglaube einen
positiven und wirkungsvollen kognitiven Aufbau für eine effektive Vorgehensweise.
Wirksame Kognitionen stärken umgekehrt den Selbstwirksamkeitsglauben (vgl.
57
2 Theoretischer Hintergrund
Bandura, 1997). Eine entscheidende Aufgabe, die dem Denken zufällt, ist es, Menschen
zu befähigen, Ereignisse vorauszuahnen und Strategien zur Kontrolle zu entwickeln,
damit es zu einem gewünschten Resultat kommt. Problemlösungsstrategien, die der
Mensch durch die Anforderungen des Lebens braucht, erfordern die effektive
Verarbeitung von komplexen, mehrdeutigen und ungewissen kognitiven Informationen
(vgl. Bandura, 1997). Die Fähigkeit der Selbstmotivation und der zweckbestimmten
Handlung haben ihre Wurzeln in kognitiver Aktivität. Selbstwirksamkeitsglaube spielt
eine zentrale Rolle in der kognitiven Regulation von motivationalen Prozessen.
2.5.4.2 Motivationale Prozesse
Nach Bandura gibt es drei Funktionsweisen, die durch unterschiedliche Theorien
beschrieben worden sind, die die kognitive Motivation bestimmen. Diese sind
Kausalattribution, Konsequenzerwartung und Ziele (vgl. Bandura, 1997). Nach Bandura
beeinflussen, in Anlehnung an Weiners Theorie der Attributionen, rückblickende
Beurteilungen auf eine ausgeführte Handlung motivationale Effekte. „Weiner vertrat die
Auffassung, dass unsere Schlussfolgerungen über die Ursachen von Erfolg und
Misserfolg einen unmittelbaren Einfluss auf künftige Erwartungen, Motivationen und
Emotionen haben“ (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2007, S. 85). Menschen, die Erfolge
auf ihre persönlichen Fähigkeiten zurückführen, können Misserfolge besser durchstehen
und führen diese eher auf einen Mangel an Anstrengungen zurück als auf einen Mangel
an Fähigkeiten. Sie gehen davon aus, dass das Resultat dessen, was sie erreichen
wollen, von ihren Anstrengungen beeinflusst wird. Menschen, die dagegen das
Scheitern oder Missglücken einer Aufgabe auf ihre eigene Unfähigkeit zurückführen
und Erfolge den glücklichen situativen Umständen zuschreiben, investieren geringere
Anstrengungen, sind unmotivierter und geben bei ersten Schwierigkeiten auf. (vgl.
Bandura, 1997). Nach den Attributionstheoretikern ist die Ursachenzuschreibung
entscheidend.
Ein weiterer Beweggrund des Menschen, sich zu motivieren, ergibt sich aus den
„Expectancy-Values“. Menschen werden von den Erwartungen an das Ergebnis einer
Handlung in ihrer Motivation geleitet. Die Konsequenzerwartungstheoretiker sind der
Ansicht, dass die Höhe der Motivation sowohl von den erwarteten Folgen der Handlung
bestimmt wird, als auch von der Anziehungskraft der Resultate (vgl. Bandura, 1997).
Nach ihrer Meinung würde sich die Motivation, eine bestimmte Handlung auszuführen,
58
2 Theoretischer Hintergrund
um zum Ergebnis zu gelangen, zum einen steigern, je stärker die Erwartung wäre, durch
eine bestimmte Handlung ein bestimmte Resultat zu sichern, und zum anderen, je höher
das bestimmte Resultat gewertet wird (vgl. Bandura, 1997). Menschen würden danach
suchen, die Ergebnisse ihrer Handlung zu verbessern, so Bandura. Dabei ist aber zu
beachten, dass Menschen keine systematische Konsequenzabwägung besitzen, um so
die Ergebnisse wie gewünscht zu optimieren. Menschen haben oft wenige
Informationen über mögliche Konsequenzen. Informationen werden mit kognitiver
Verzerrung verarbeitet und was die Menschen dann daraus werten, kann eher
eigentümlich sein (vgl. Bandura, 1997).
Die persönlichen Standards und Ziele werden als dritte Einflussgröße auf motivationale
Prozesse gesehen. Die Handlungsmotivation wird hier indirekt beeinflusst. Die Person
vergleicht den persönlichen Standard mit der wahrgenommen Leistung, dadurch
entsteht die Motivation. Durch den Vergleich kann es bei der Person entweder zu
Selbstzufriedenheit oder zu Selbstunzufriedenheit kommen, was sich dann auf
zukünftiges
Verhalten
auswirkt.
Bandura
unterscheidet
drei
Arten
der
Selbstbeeinflussung der kognitiven Motivation, die Einfluss auf Ziele und persönliche
Standards haben. Einbezogen sind affektive, selbstevaluierte Reaktionen, bezogen auf
die eigene Leistung, die wahrgenommene Selbstwirksamkeit für erreichte Ziele und die
Anpassung der persönlichen Standards an die eigenen Fähigkeiten. Der Glaube an die
eigenen Fähigkeiten scheint auch hier wieder darüber zu entscheiden, ob eine
Diskrepanz zwischen den gesetzten Zielen und den eigenen Fähigkeiten eher als
motivierend oder demotivierend wahrgenommen wird. Wenn Personen, die ihre
Fähigkeiten niedrig einstufen, mit Schwierigkeiten oder Hindernissen konfrontiert
werden, werden sie eher nach leichter zu erreichenden Ziele suchen und zeigen weniger
Anstrengung. Personen dagegen, die einen starken Glauben an ihre Fähigkeiten haben,
halten an ihren gesetzten Zielen fest und lassen sich auch von möglichen Hindernissen
nicht entmutigen (vgl. Bandura, 1997).
2.5.5 Einfluss der Selbstwirksamkeitserwartung
Selbstwirksamkeitserwartungen spielen bei der Regulation des affektiven Zustands
einer Person eine Schlüsselrolle. Es können drei Arten unterschieden werden, die die
Struktur und die Intensität emotionaler Erfahrungen beeinflussen. Bandura nennt hier
die Überlegungen, Handlungen und die Handlungsergebnisse. Diese sind entscheidend
in
der
Beeinflussung
von
Depressionen,
Angstentstehung
und
biologischen
59
2 Theoretischer Hintergrund
Stresssituationen (vgl. Bandura, 1997). Bandura nennt die Bewältigungswirksamkeit
(Coping Efficacy) und die Gedankenkontrollwirksamkeit (Thought Control Efficacy)
als die wichtigsten Aspekte, die die emotionalen Prozesse im Zusammenhang mit
Selbstwirksamkeitserwartungen betreffen. Die Coping Efficacy bringt zum Ausdruck,
wie hoch die individuelle Überzeugung ist, Stress mit eigenen Ressourcen bewältigen
zu können. Bandura nennt zudem Forschungsarbeiten von Sanderson, Rapee und
Barlow, die offenbar darstellen konnten, dass es möglich ist, bedrohliche Situationen in
wertvolle Situationen umzuwandeln. Dies sei abhängig von der Kraft der
Wirksamkeitsüberzeugung der Probanden (vgl. Bandura, 1997). Weiter nennt Bandura
hier Jerusalem und Mittag, die eine Untersuchung zur Zeit der deutschen Wende
machten. Hier soll sich herausgestellt haben, dass Menschen, die eine hohe
Wirksamkeitseinschätzung haben, die neuen gesellschaftlichen Anforderungen eher als
herausfordernd betrachteten als jene, die ihren Bewältigungsstrategien misstrauen.
Diese nehmen die neue Anforderung eher als Bedrohung war (vgl. Bandura, 1997).
Die Gedankenkontrolle ist ein anderer wichtiger Aspekt, den Bandura (1997) erwähnt.
So besitzen die Menschen die Fähigkeit, ihre Gedanken zu kontrollieren. Bandura zitiert
hier ein chinesisches Sprichwort, das zum Ausdruck bringen soll, was er darunter
versteht: „You cannot prevent the birds of worry and care from flying over your head.
But you can stop them from building nests in your hair“ (Bandura, 1997, S. 145). Er
nennt dazu noch Forschungsarbeiten von Kent und Gibbson und Salkovski und
Harrison, die offenbar herausgefunden haben, dass nicht die Häufigkeit von störenden
Gedanken Stress erzeugt, sondern die wahrgenommene Unfähigkeit, diesen
abzuwenden. So hätten sowohl die Bewältigungseinschätzung und der Glaube, die
Gedanken kontrollieren zu können, Angst und ausweichendes Verhalten reduziert (vgl.
Bandura, 1997).
Menschen sind zum Teil das Produkt ihres Umfeldes. Durch selektive Prozesse werden
das Umfeld und die Aktivitäten beeinflusst und wirken mit anderem darauf, wie sich
Menschen entwickeln und was aus ihnen wird. Die Möglichkeiten im Leben werden
durch
den
Glauben
an
die
eigenen
Fähigkeiten
beeinflusst.
Die
Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst also die Lebensläufe der Menschen. Ein
Schicksal kann entscheidend von der Wahl des Umfeldes abhängen. Jedes Umfeld
fördert unterschiedliche Fähigkeiten und Potentiale. Bandura argumentiert, dass
60
2 Theoretischer Hintergrund
Menschen in der Regel jene Umfelder vermeiden, bei denen sie der Auffassung sind, sie
würden ihren Bewältigungsstrategien nicht entsprechen. Menschen suchen vielmehr
jene Aktivitäten und Umfelder, in denen sie sich als fähig einschätzen und sich
wohlfühlen.
Menschen
sind
durch
ihre
Wirksamkeitseinschätzung
in
ihrer
Lebensgestaltung bestimmt. So hängt beispielsweise die Berufswahl entscheidend
davon ab, was sich die Person zutraut und wo sie meint, die Anforderungen an ihre
Fähigkeiten würden überstiegen. Die Selektionsprozesse formen Schicksale und
bestimmte Kompetenzen und Interessen werden gepflegt. Sie wirken sich auf den
weiteren Lebensweg mitbestimmend aus (vgl. Bandura, 1997).
61
3 Empirischer Teil
3 Empirischer Teil
Im empirischen Teil dieser Arbeit ist zu Beginn die Fragestellung dieser Untersuchung
zu finden. Die nächsten Abschnitte befassen sich mit der Beschreibung der
Messinstrumente, der Untersuchungsteilnehmer und des Untersuchungsablaufes.
Ebenso werden die Ergebnisse präsentiert. Kapitel 4 beschäftigt sich mit einer kurzen
Zusammenfassung der Ergebnisse, mit der Bewertung und Interpretation der
Hypothesen und Ergebnisse. Abgeschlossen wird das Kapitel 4 mit Kritik, Fazit und
Ausblick.
3.1
Fragestellung und Hypothesen
Eine Behandlung in einer suchttherapeutischen Einrichtung soll einen Einfluss auf die
Kompetenz- und Kontrollüberzeugung der Patienten haben, wobei bei Menschen mit
einer Suchterkrankung oft von einer niedrigen Kontrollfähigkeit ausgegangen wird. In
ähnlicher Weise verhält es sich mit der wahrgenommen Selbstwirksamkeit. Diese soll
bei Menschen mit einer Suchterkrankung ebenfalls eher niedrig ausfallen. Es ist jedoch
möglich, die Kompetenz- und Kontrollfähigkeit sowie die wahrgenommene
Selbstwirksamkeit zu verändern. In wie weit ein Mensch von seiner Krankheit tangiert
wird, äußert sich in einer Self-Illness Separation. Diese Distanz kann sich, ausgelöst
durch verschiedene Faktoren, ändern. Ob sich die genannten Faktoren innerhalb der
Transferphase ändern, ist Grundlage dieser Untersuchung. Aufgrund dessen wurden
folgende Hypothesen abgeleitet, die auf dem im theoretischen Teil dargestellten
Inhalten fußen.
Aufgrund des Forschungsstandes wird in dieser Untersuchung mit ungerichteten
Hypothesen gearbeitet.
Die erste Hypothese in dieser Untersuchung lautet:
Es wird erwartet, dass zwischen drei Messzeitpunkten des FKKs eine Veränderung in
der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung stattfindet.
62
3 Empirischer Teil
Die zweite Hypothese lautet:
Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in
der Self-Illness Separation (SIS) stattfindet.
Die dritte Hypothese lautet:
Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in
der jeweiligen bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit stattfindet.
Um die genannten Hypothesen zu prüfen wurden zwei Fragebögen und ein weiteres
Erhebungsinstrument ausgewählt.
3.2 Beschreibung der Messinstrumente
Zur Evaluation der Transferphase wurden drei unterschiedliche Messinstrumente
ausgewählt. Diese werden in den folgenden Abschnitten hinsichtlich Entwicklung,
Evaluation und Ablauf beschrieben.
3.2.1 Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen
Der Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (FKK) ist eine
Weiterentwicklung des ICP Fragebogens (I = Internalität, P = sozial bedingte
Externalität, C = fatalistische Externalität), der zur Erfassung von generalisierter
Kontrollüberzeugung entwickelt wurde. Der ICP Fragebogen hat seinen Ursprung in der
sozialen Lerntheorie der Persönlichkeit nach Rotter. Der FKK ist zudem in das
Handlungstheoretische Partialmodell der Persönlichkeit nach Krampen eingebettet (vgl.
Kampen 1991; Wuttke, 2006). Der FKK eignet sich im Besonderen für die Testung in
neuartigen, kognitiv schlecht strukturierten Situationen. Zu diesem Zeitpunkt ist „der
Beschreibungswert (in Diagnostik und Evaluation) und der Vorhersagewert (in der
interventionsorientierten Diagnostik und Indikationsstellung) handlungstheoretischer
Persönlichkeitsvariablen
–
an
zentraler
Stelle
der
von
Kompetenz
und
Kontrollüberzeugung – hoch“ (Krampen, 1991, S. 22). Die Aussagen werden auf einer
sechsstufig bipolaren Antwortskala bewertet, die Antwortabstufung variiert von sehr
richtig bis sehr falsch. Der Fragebogen kann ab 14 Jahren bis ins hohe Alter eingesetzt
werden.
63
3 Empirischer Teil
Der Fragebogen umfasst vier Aspekte: das generalisierte Selbstkonzept eigener
Fähigkeiten, Internalität in generalisierten Kontrollüberzeugungen, sozial bedingte
Externalität und fatalistische Externalität. Sie werden zu vier Primärskalen mit jeweils
acht Items zusammengefasst. Aus vier Primärskalen können dann zwei Sekundärskalen
mit jeweils 16 Items und anschließend allen 32 Items eine Tertiärskala abgeleitet
werden. Die eine Sekundärskala Selbstwirksamkeit entsteht aus den Skalen
Selbstkonzept eigener Fähigkeiten und Internalität. Aus den Primärskalen Fatalistische
Externaliät und Soziale Externalität wird die Sekundärskala Externalität abgeleitet.
Zusammengefasst werden können alle 32 Items dann zur Tertiärskala Internalität vs.
Externalität, jedoch rät Krampen dazu, dieses in der Auswertung nicht in den
Vordergrund zu stellen (vgl. Krampen, 1991). Deshalb wird nur auf die nähere
Beschreibung der Primärskalen eingegangen.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Bedeutungen hoch ausgefallener oder
niedrig ausgefallener Werte auf den Primärskalen beschrieben. Eine Person, die einen
hohen Wert auf der Primärskala FKK-SK (Selbstkonzept eigener Fähigkeiten) erreicht,
sieht sich selbst als aktiv, ideenreich und tatkräftig. Sie besitzt ein hohes Selbstvertrauen
und sieht in schwierigen Situationen Handlungsalternativen. Die Person nimmt sich als
kompetent und handlungsfähig wahr. Wichtig ist, so Krampen, dass sich die
Handlungskompetenz ausschließlich auf die subjektive Überzeugung der betreffenden
Person bezieht (vgl. Krampen, 1991). Eine Person mit niedrigen Werten auf der
Primärskala FKK-SK kann hingegen als passiv, ideenarm und abwartend bezeichnet
werden. Diese Person sieht wenige Handlungsalternativen und ist unsicher in neuartigen
Situationen. Sie hat eher eine geringe Kompetenzerwartung an sich selbst und ist der
subjektiven
Überzeugung,
dass
ihr
nur
wenige
oder
ineffiziente
Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das zeigt sich im Besonderen in
neuartigen und schwierigen Situationen. Erreicht eine Person hohe Werte auf der
Primärskala FKK-I (Internalität), kann davon ausgegangen werden, dass sie erwartet,
selbst über wichtige Dinge in ihrem Leben bestimmen zu können. Erfolge macht sie von
ihren eigenen Anstrengungen abhängig. Die Person geht davon aus, individuelle
Handlungsziele und Vorhaben auch zu erreichen und erlebt das eigene Handeln als
effektiv und wirksam. Eine Person mit niedrigen Werten auf der FKK-I Primärskala
dagegen geht davon aus, dass Erfolge kaum oder gar nicht in einem Zusammenhang mit
ihren persönlichen Anstrengungen stehen. Sie glaubt, eigene Ziele selten erreichen zu
64
3 Empirischer Teil
können und vertritt ihre Interessen auch mit wenig Erfolg. Soziale Interaktionen sind für
diese Person schwierig zu regulieren, auch erlebte Handlungen werden als wenig
effektiv empfunden. Eine Person mit niedrigen Werten auf der Primärskala FKK-P
(sozial bedingte Externalität) erlebt sich in ihrem Leben als stark abhängig und
beeinflusst von anderen, mächtigen Menschen. Sie empfindet Benachteiligung und kann
sich nur wenig durchsetzen. Gefühle der Ohnmacht und der Hilflosigkeit treten bei
betroffenen Personen häufig in den Vordergrund. Eine Person mit niedrigen Werten auf
der FKK-P Primärskala sieht sich und ihr Leben als wenig abhängig, beeinträchtigt und
gesteuert von anderen Menschen. Das Individuum hat selten das Gefühl, ohnmächtig
und hilflos in Situationen zu sein und kann sich gegenüber anderen durchsetzen. Eine
Person mit einem hohen Wert auf der FKK-C (Fatalistische Externalität) Primärskala
empfindet sich als gesteuert von unkontrollierbaren Faktoren wie Glück, Pech, Zufall
oder Schicksal. Glück macht in der Auffassung dieser Person den Erfolg aus. Sie ist
wenig rational und kann sich vor Pech nicht schützen. Niedrige Werte auf der FKK-C
Primärskala bedeuten hingegen, dass das Individuum sich nicht dem Schicksal, Pech,
Glück oder Zufall unterworfen fühlt. Es ist rational und verbindet Erfolge nur wenig mit
Glück. Es ist des Weiteren in der Lage, sich vor Pech zu schützen.
Krampen geht, gestützt durch die Mehrzahl vorliegender Befunde, davon aus, dass
„Personen mit einem hohen Selbstkonzept eigener Fähigkeiten sowie hoher Internalität
und geringer Externalität psychisch stabiler, eher zur Selbstaktualisierung fähig, in
ihrem Urteilsverhalten unabhängiger (etc.) sind als Personen mit einem geringen
Selbstkonzept, geringer Internalität und hoher Externalität“ (1991, S. 26-27).
Es kann für erste genannte Personen von einem günstigen und selbstwertdienlichen
Kontrollüberzeugungsprofil ausgegangen werden, bei den Zweitgenannten eher von
einem wenig selbstwertdienlichen und ungünstigen Kontrollüberzeugungsprofil (vgl.
Wuttke, 2006).
Mit einer Umfrage, die mit einer per Zufallsverfahren ermittelten, repräsentativen
Stichprobe von 2028 Erwachsenen ab dem 18. Lebensjahr durchgeführt wurde, konnte
die Normierung des FKKs vorgenommen werden. Ebenfalls wurde eine Umfrage mit
248 Jugendlichen, die für Deutschland keine repräsentative Stichprobe darstellt,
durchgeführt. Der FKK liegt in einer standardisierten, schriftlich vorgegebenen
65
3 Empirischer Teil
Instruktion für die Bearbeitung vor. Dadurch soll die Durchführungsobjektivität
gewährleistet sein. Die Auswertungsobjektivität ergibt sich aus der rechnergestützten
Auswertung. Jedoch empfiehlt Krampen eine unabhängige Zweitauswertung des
Fragebogens (vgl. Krampen, 1991). Die Interpretationsobjektivität soll durch die
gegebenen Interpretationshinweise gesichert sein. Krampen meint hier allerdings, dass
die Interpretation auch in der Verknüpfung mit Lebenslauf und Situation erfolgen könne
und dies zu subjektiven Einflüssen des Diagnostikers auf die Ergebnisse führen könne.
Die oben genannte Stichprobe mit Erwachsenen erreichte eine interne Konsistenz
(Cronbachs α) auf der Primärskala FKK-SK von .76, der Primärskala FKK-I bei .70, der
Primärskala FKK-P .73 und der Primärskala FKK-C bei .75. Die interne Konsistenz der
jeweiligen Sekundärskalen erreicht eine Höhe von .83. Somit erreicht die interne
Konsistenz ein befriedigendes Ergebnis und weist auch zwischen verschiedenen
Stichproben keine Schwankungen auf. Ebenfalls als stichprobenunabhängig erweist sich
die Testhalbierungsreliabilität (Spearman-Brown). So erreicht die Primärskala FKK-SK
eine Wert von .71, die Primärskala FKK-I .64, die Primärskala FKK-P einen Wert von
.67 und die Primärskala FKK-C einen Wert von .70. Einen Wert von jeweils .70
erreichen die Sekundärskalen. Im Bezug auf die Testwiederholungsrealiabilität können
befriedigende Kennwerte angegeben werden. Die Retest-Reliabilität für ein Intervall
von 2 Wochen ergab bei für die Primärskalen Werte zwischen .70 und .91. Die
Sekundärskala FKK-SKI (Selbstwirksamkeit) erreichte einen Wert von .89 und die
Sekundärskala FKK-PC (Externalität) einen Wert von .92. Krampen (1991) gibt an,
dass die Test-Retest-Korrelationen in einem Bereich liegen, der zum einen auf eine
hinreichende Stabilität in den erfassten Variablen deutet und anderseits genügend
Spielraum für die Messung interindividueller Unterschiede im Prozess der
Persönlichkeitsentwicklung
belässt.
Die
inhaltliche
Validität
sei
durch
die
theoriegeleitete Konstruktion des Verfahrens gegeben. Die inhaltliche Validität wurde
zudem durch die Selbst und Fremdeinschätzung von 14 Paaren geprüft. Die Ergebnisse
zeigen hier eine signifikante positive Korrelation mit den Messwerten des FKKs. „Die
Konstruktvalidität ergibt sich aus den statistisch bedeutsamen, vom Vorzeichen her
konstrukt-adäquaten Interkorrelationen auf der Primärskalenebene“ (Wuttke, 2006, S.
52). Durch einen Scree-Test konnte die aufgrund „der Konstruktdifferenzierung auf der
Primärskalenebene angenommene vierfaktorielle Lösung“ (Krampen, 1991, S. 54)
empirisch bestätigt werden. Durch die vierfaktorielle Struktur konnten insgesamt 41,1%
der Gesamtvarianz aufgeklärt werden. Die konvergente und diskriminante Validität
66
3 Empirischer Teil
konnte mit der Hilfe von Messinstrumenten die sowohl konstruktnahe wie auch
konstruktferne Variabeln messen überwiegend bestätigt werden. An dieser Stelle sei auf
das Testmanual des FKK (Krampen, 1991) verwiesen. Ebenso wird bei der
differentiellen Validität auf das Testmanual des FKK verwiesen. Hier wurden vielfältige
Untersuchungen mit verschiedenen Subgruppen und klinischen Gruppen durchgeführt.
Durch die Differenzierung des FKKs bei den unterschiedlichen Gruppen kann von einer
guten differentiellen Validität ausgegangen werden.
Der FKK eignet sich zur Persönlichkeitsdiagnostik bei Personen die sich in Situationen
befinden die für sie schwer kognitiv strukturierbar sind. Der Austritt nach einer im
Durchschnitt neun monatigen Suchttherapie kann für die Personen als eine solche
Situation angesehen werden.
3.2.2 PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure)
PRISM (Pictorial Representation of Illness and Self Measure) wurde aus der Motivation
heraus
entwickelt,
einen
klinischen
Eindruck
der
subjektiven,
relevanten
Beeinträchtigung von Patienten zu gewinnen. Die Entwicklung begann mit explorativen
Interviews mit Patienten die an einer chronischen Polyarthritis litten. Bei diesen zeigte
sich eine zuvor wenig beachtete Dimension, die des Leidensdrucks. In den Gesprächen
wurde klar, dass das Leiden höchst individuell ist und zudem das Ausmaß des Leidens
für die Probanden in Worten schwer auszudrücken war. Die weiteren Untersuchungen
sollten das Konstrukt des Leidens objektivierbar und interindividuell vergleichbar
machen. Das PRISM Instrument ist das Resultat verschiedener Versuche mit neuen
Medien.
Der Untersucher legt dem Probanden eine weiße A4 formartige Metallplatte vor. Auf
dieser ist in der rechten unteren Ecke ein fixer gelber Kreis von 7 cm Durchmesser
abgebildet. Der Untersucher erklärt dem Probanden nun, das die weiße Platte das Leben
der Probanden darstelle und der gelbe Kreis symbolisiert das Zentrum des Lebens, das
„Selbst“. Eine rote Scheibe mit 5 cm Durchmesser wird dann im folgendem vorgestellt.
Diese symbolisiert die Krankheit. Mit der Bitte an den Probanden, die rote Scheibe so
auf der weißen Platte zu platzieren, dass sie darstellt, welchen Platz die Krankheit im
derzeitigen Leben einnimmt, startet die Durchführung von PRISM. Die Self-Illness
Separation (SIS) drückt sich in der Distanz zwischen dem Zentrum der gelben Scheibe
67
3 Empirischer Teil
und der roten Scheibe aus. Der SIS wird in Zentimetern gemessen und kann minimal 0
cm betragen und maximal 27 cm.
Abbildung 2: PRISM
(http://www.prism-coop.ch, Link 2)
Die Standardisierte Einführung von PRISM ist im Anhang dieser Arbeit zu finden.
PRISM wurde mit der Hilfe von insgesamt 688 Probande,n die an sechs
unterschiedlichen chronischen körperlichen Krankheiten litten, validiert. Die Ergebnisse
zu dieser Validierung können im Einzelnen in der Habilitationsschrift von S. Büchi,
Chronische Krankheiten und Lebensqualität – Entwicklung, Validierung und klinischer
Einsatz von PRISM […] eines Instrumentes zur Erfassung von Leidensdruck
eingesehen werden. Unter www.prism-coop.ch (Link 2) sind die Ergebnisse zu finden,
die an dieser Stelle diese umrissen werden.
Die Testgütekriterien haben zusammenfassend eine gute Intra- und Interrate Stabilität
von PRISM mit Werten von .96, resp. .79 ergeben. Eine gute konvergente Validität von
PRISM ergaben die Korrelationsberechungen zwischen den konstruktnahen Parametern
der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der affektiven Belastung. Sie bilden sich
als hochsignifikant (p < .001) und robust ab. Gleichermaßen verhält sich auch der
Zusammenhang mit der Moderator-Variable geprüften individuellen Stressresistenz.
Die divergente Validität wurde erfolgreich mit der Hilfe von konstruktnahen
Parametern geprüft. Die Prüfung der diskriminanten Validität erfolgte mit einer
Stichprobengröße von N = 616. Hier zeigte sich, dass Menschen mit chronisch
obstruktiver Lungenkrankheit (CLOK) nach einer stationären Rehabilitation im
Vergleich zu COLK-Klienten nach erfolgreicher Lungenvolumenreduktionschiurgie, als
auch Menschen mit Ganarthorose und Systemischen Lupus Erythematodes eine kleinere
SIS haben. Dies korrespondiert mit hohen Werten der rehabilitieren COLK Patienten
für die affektive Belastung und mit niedrigen Werten im Bezug auf die
68
3 Empirischer Teil
gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Patienten wurden über ein Jahr mit PRISM
und anderen Assessment Instrumenten begleitet. So drücken die Auswertungen der
Daten, die durch eine Varianzanalyse erfolgten, eine gute Veränderungssensivität von
PRISM aus. Durch die standardisierte Einführung und Durchführung von PRISM kann
von einer Durchführungsobjektivität ausgegangen werden. In Anlehnung an Büchi
(2001) soll sich PRISM als ein reliables, valides, ökonomisches und sehr
benutzerfreundliches Instrument erwiesen haben. Büchi fügt hinzu, dass entgegen einer
fehlenden Operationalisierung die Untersuchungsresultate darauf hinweisen, dass die
gemessene SIS ein valides Maß für Leidensdruck sei.
Aus der Validierung des Messinstrumentes soll sich ergeben haben, dass Personen mit
einer geringen Distanz ihre Kontrollfähigkeit deutlich niedriger einschätzen, mehr mit
der Bewältigung ihrer Krankheit beschäftigt sind und mehr depressive Symptome
zeigen. Die Krankheit ist der bestimmende Teil im Leben und besetzt 75 bis 100
Prozent. Weiter hängen alle Lebensaspekte von der Krankheit ab. So wird vermutet,
dass Personen mit einer kleinen SIS eher zu emotionsbezogenem Coping tendieren.
Unabhängig vom Schweregrad der Krankheit sollen Personen mit einem größeren SIS,
das heißt einer klaren Trennung von Krankheit und Selbst, ihre Kontrollfähigkeit als
größer einschätzen, sich zeitlich weniger mit der Krankheit beschäftigen und weniger
depressive Symptome zeigen. Hier wird von einem eher problembezogenen Coping
ausgegangen (vgl. Büchi, 2001).
3.2.3 Fragebogen zur Selbstwirksamkeit (Bereichsspezifisch)
Das Selbstbeurteilungsverfahren fragt nach der persönlichen Einschätzung, mit
Schwierigkeiten und Hindernissen kompetent zurechtzukommen. Das Verfahren
versucht die positive Kompetenzerwartung zu erfassen, das heißt das Vertrauen einer
Person darauf, mit ihren Kompetenzen eine schwierige Lebenssituation zu überstehen.
In den Anfängen bestand der Test aus 20 Items. Die Kennwerte wurden aufgrund
weiterer Studien mit unterschiedlichen Populationen wiederholt. Daraus resultierte eine
ökonomische 10 Item-Skala. Die 10 Item-Skala ist ein von Matthias Jerusalem und Ralf
Schwarzer entwickelter, 1981 erstmals vorgestellter Test. Die ab 1981 laufenden
Studien konnten den Nutzen und die Eindimensionalität bestätigen. Die gleichsinnig
gepolten Aussagen sind in vierstufigen Bewertungskriterien zu beantworten. Diese
gliedern sich in: (1) stimmt nicht, (2) stimmt kaum, (3) stimmt eher, (4) stimmt genau.
Ein Beispielitem lautet: „Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich
69
3 Empirischer Teil
damit umgehen kann.“ Jede Aussage soll eine stabil-intern attribuierte Erfolgserwartung
zum Ausdruck bringen. Der individuelle Testwert ist ein Resultat der Aufsummierung
aller zehn Antworten. Dadurch entsteht ein Score zwischen 10 und 40. Ein hoher
Testwert steht dafür, dass die Person Vertrauen hat, schwierige Situationen mit ihren
Kompetenzen meistern zu können (optimistische Kompetenzerwartung). Den Erfolg
führt die betroffene Person auf ihre eigene Kompetenz zurück (vgl. www.web.fuberlin.de, Link 3).
Über zwei Jahrzehnte haben zahlreiche Studien gute psychometrische Kennwerte
gezeigt. Die meisten Untersuchungen erlangten einen Mittelwert von ungefähr 29
Punkten, die Standardabweichung lag bei ca. 4 Punkten. Der Fragenkatalog liegt nun in
28 Sprachen vor und wurde in einer länderübergreifenden Untersuchung auf seine
Gütekriterien hin geprüft. Bei dem Vergleich von 23 Nationen mit über 18.000
Probanden, konnte eine Reliabilität von Cronbachs α zwischen .76 und .90 ermittelt
werden. In allen deutschen Stichproben streute die interne Konsistenz zwischen .80 und
.90. „Exploratorische und konfirmatorische Faktoranalysen konnten wiederholt die
Eindimensionalität der Skala belegen“ (Leganger, Kraft und Roysamb, 2000;
Schwarzer, 2001; zitiert nach Schumacher, Klaiberg und Brähler, 2001, S. 2,
www.userpage.fu-berlin.de, Link 4). Viele Korrelationsbefunde mit anderen relevanten
Variablen konnten eine kriterienbezogene Validität ergeben. Es konnten positive
Zusammenhänge der allgemeinen Selbstwirksamkeit, zum dispositionalen Optimismus
und zur Arbeitszufriedenheit festgestellt werden. Negative Zusammenhänge ergaben
sich unter anderem zu Ängstlichkeit, Depressivität, Burnout und Stresseinschätzung.
Schumacher, Klaiberg und Brähler führten 2001 eine bevölkerungsrepräsentative
Normierung der Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeit durch (N = 2.031; Alter 1495 Jahre). Die Untersuchungsdaten stammen aus einer Mehrthemenumfrage aus ganz
Deutschland. Die Zufallswahl der Haushalte fand nach dem Random-Route-Verfahren
statt, die im Haushalt lebenden Personen wurden ebenfalls per Zufallsprinzip ermittelt.
Durch
die
Stichprobenziehung
von
ADM
(Arbeitskreis
Deutsche
Marktforschungsinstitute) und dem Vergleich der Angaben mit denen des Statistischen
Bundesamtes konnte die Repräsentativität der Stichprobe gesichert werden. Die
Grundgesamtheit stellt in dieser Untersuchung die deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren
dar. Die Erhebung hat eine Ausschöpfungsquote von ca. 65%. Schuhmacher et al.
konnten eine als sehr gut abzuschätzende interne Konsistenz von .92 ermitteln.
70
3 Empirischer Teil
„Die
empirische
Verteilung
der
SWE-Skalenwerte
weicht
jedoch
von
der
Normalverteilung ab (Kolmogorov-Smirnov-Z = 4. 91; p < .001) Sie ist etwas steiler als
die Normalverteilung (Kurtosis = .36) und linksschief (Schiefe = -.32)“ (Schuhmacher
et al., 2001, S. 4, www.userpage.fu-berlin.de, Link 4). Die Eindimensionalität der SWESkala
(Selbstwirksamkeits-Skala)
wurde
durch
die
Berechnung
einer
Hauptkomponentenanalyse geprüft. Hier konnte ein einziger Faktor ermittelt werden,
auf den alle Items hoch laden und durch den 57,1% der Varianz aufgeklärt sind. Die
Eindimensionalität der Skala konnte so bestätigt werden. Durch die Untersuchung von
Schuhmacher et al. erwies sich die SWE-Skala als ein „reliables und fakoriell valides
Instrument
zur
Diagnostik
der
Allgemeinen
Selbstwirksamkeitserwartung“
(Schumacher et al., 2001, S. 4, www.userpage.fu-berlin.de, Link 4).
In dieser Untersuchung beziehen sich die 10 Items jeweils auf vier unterschiedliche
Bereiche. Die Probanden werden gebeten, die Aussagen bezüglich ihrer allgemeinen
Lebenssituation, ihrer momentanen beruflichen und familiären Situation sowie zu ihrer
Suchterkrankung einzuschätzen.
3.3 Untersuchungsdurchführung
Die Untersuchung fand an zwei Erhebungszeitpunkten statt. Der in dieser Untersuchung
verwendete Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung wird mit jedem
Patienten in der Einstiegsphase durchgeführt. Diese Daten werden für diese
Untersuchung genutzt, folglich kann bezüglich des FKKs mit drei Messzeitpunkten
gearbeitet werden.
Die Befragungen fanden im Testraum der Klinik im Hasel statt. Hier werden die für die
Therapie relevanten psychologischen Tests durchgeführt. Der Raum ist mit einem
Computer
ausgestattet,
an
dem
der
Fragebogen
zur
Kompetenz
und
Kontrollüberzeugung bearbeitet wurde. Der Fragebogen zur bereichsspezifischen
Selbstwirksamkeit und das PRISM-Bild wurden per Hand erfasst. Die Befragungen
fanden einzeln statt und richteten sich nach dem jeweiligen Eintritt der Patienten in die
Transferphase. T1 fand immer eine Woche vor dem Eintritt und T2 in der letzten
Woche der Transferphase statt.
71
3 Empirischer Teil
Die Probanden kamen nach Terminvereinbarung selbstständig in den Testraum. Nach
einer kurzen Vorstellung der Untersuchungsleitung wurden die Befragten über die
Vertraulichkeit ihrer Daten aufgeklärt und das Befragungsmaterial wurde ausgehändigt.
Die Befragung gliederte sich in vier Bereiche. Auf Blatt eins wurden die Probanden
über den Grund der Befragung und deren Ablauf aufgeklärt. Es folgte die Erhebung von
soziodemografischen Daten. Unter anderem wurden Alter, Geschlecht, berufliche
Situation und Therapiedauer abgefragt. Der zweite Teil der Befragung bezog sich auf
die bereichsspezifische Selbstwirksamkeit mit einem Fragebogen, der sich in vier
verschiedene Bereiche gliedert. Der dritte Teil war der Erhebung des PRISM-Bildes
gewidmet. Der Ablauf erfolgte nach standardisierten Vorgaben (die Beschreibung des
standardisierten Vorgehens befindet sich im Anhang dieser Arbeit). Der vierte Teil der
Befragung, der FKK, fand am Testcomputer statt. Das standardisierte Programm wies
den Probanden in den Ablauf ein. Die Bearbeitungsdauer der gesamten Untersuchung
betrug ca. 20 Minuten. Die Erhebungen vor und in der letzten Woche der Transferphase
unterschieden sich in ihren Abläufen nicht.
3.4 Untersuchungsteilnehmer
In dieser Untersuchung geht es um die Evaluation der Transferphase. Deshalb richtete
sich die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer danach, wer von ihnen in dem
Untersuchungszeitraum in die Transferphase eintrat. In den Untersuchungszeitraum
fielen acht Patienten der Klinik im Hasel. Die Stichprobengröße konnte aufgrund der
zeitlichen Beschränkung des Erhebungszeitraums nicht beeinflusst werden. Da die
Stichprobengröße sehr klein ist und es sich um Einzelpersonen handelt, soll an dieser
Stelle nicht weiter auf einzelne Diagnosen eingegangen werden. Ein Überblick über die
relevanten Störungsbilder findet sich in Abschnitt 2.1 dieser Arbeit. Ursprünglich wurde
mit zehn Patienten gerechnet. Da zwei Patienten die Therapie vorzeitig beendeten,
verkleinerte sich die Stichprobengröße. Ausschlusskriterien gab es keine. Der
Erhebungszeitraum erstreckte sich von Ende Juli 2010 bis Anfang Oktober 2010.
Tabelle 1:
Soziodemografische Daten
N
8
Männlich
5
Weiblich
3
Altersdurchschnitt
43
Es nahmen drei weibliche und fünf männliche Probanden an der Untersuchung teil. Das
durchschnittliche Alter der Probanden lag bei 43 Jahren. Sieben der acht Probanden
72
3 Empirischer Teil
durchliefen eine Therapie von sechs bis neun Monaten. Für eine Probandin dauerte die
Therapie zehn Monate. Drei der Probanden gaben an, ledig zu sein, einer verheiratet
und vier geschieden. Fünf der Probanden gaben an, auf Stellensuche zu sein, zwei eine
Invalidenrente zu beziehen und einer gab an, wieder an seine alte Arbeitsstelle
zurückzukehren. Rückfälle hinsichtlich der Therapieziele erlebten zwei Probanden. Die
anderen sechs gaben an, keinen Rückfall erlitten zu haben. Die Probanden, die einen
Rückfall erlitten haben, gaben zudem an, dass dieser in der Kernphase der Therapie
stattgefunden hat.
3.5 Auswertung
Die Auswertung der Untersuchung fand mit dem Statistikprogramm SPSS 18 statt. Zur
Darstellung der Ergebnisse wurden Balkendiagramme gewählt. Als Vergleichsdaten
wurde der Mittelwert berechnet, da es sich um intervallskalierte Variablen handelt. Zur
Übersicht werden zusätzlich zu den Diagrammen die Mittelwerte mit jeweiliger
Standardabweichung
in
Tabellen
dargestellt.
Zur
Prüfung
einer
möglichen,
signifikanten Veränderung zwischen den Erhebungszeitpunkten T1 und T2 (beim FKK
gilt T1, T2 und T3) wurde der Wilcoxon-Test angewandt. Der Wilcoxon-Test „ist der
übliche Test zum nichtparametrischen Vergleich zweier abhängiger Stichproben. Er
basiert auf einer Rangreihe der absoluten Wertpaardifferenz“ (Bühl, 2008, S. 323). Das
vorgegebene Signifikanzniveau lag bei p < .050.
3.6 Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der statistischen Analyse zunächst für die drei
Erhebungszeitpunkte des FKKs dargestellt, anschließend daran die Ergebnisse der zwei
Erhebungszeitpunkte von PRISM (Self-Illness Separation), zum Abschluss werden die
der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit präsentiert. Den Ergebnispräsentationen
sind die jeweiligen Ergebnisse des Wilcoxon-Tests zugeordnet.
3.6.1
Ergebnisse des FKK
Die Ergebnisse des Fragebogens zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugen werden zur
Übersicht in allen sieben Skalen dargestellt. Um die Daten vergleichen zu können,
wurden die einzelnen Rohwerte mit den T-Werten aus den Normen des FKKs
abgeglichen. Der Mittelwert bei der Normierungsstichprobe liegt bei einem Wert von
50. Abweichungen +/- 10 bilden somit noch durchschnittliche Ausprägungen. Das
Maximum, das erreicht werden kann, liegt bei einem Wert von 80, das Minimum bei
73
3 Empirischer Teil
20. Auf jeder Skala wurde ein Gesamtmittelwert für die Gesamtgruppe errechnet. Der
Vollständigkeit halber wird zusätzlich zum Mittelwert auch die Standardabweichung
dargestellt.
3.6.1.1 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 1
Legende: SK1=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I1= Internalität, P1=Soziale
Externalität,C1=Fatalistische Externalität, SKI1= Selbstwirksamkeit, PC1= Externalität; SKI PC1=
Internalität vs. Externalität;20= Minimalwert, 80= Maximalwert
Abbildung 3: FKK 1
Zum ersten Messzeitpunkt des FKKs, der mit jedem Patienten zu Beginn seiner
Behandlung durchgeführt wird, erreicht die Gesamtgruppe auf der Skala Selbstkonzept
eigener Fähigkeiten einen Mittelwert von 44. Ebenso verhält es sich mit der Primärskala
Internalität. Hier erreicht die Gruppe einen Mittelwert von 49. Die Ergebnisse der Skala
Soziale Externalität und Fatalistische Externalität zeigen Mittelwerte von 49 und 44.
Bei Betrachtung der Sekundärskalen Selbstwirksamkeit mit einem Mittelwert von 47
und Externalität mit einem Mittelwert von 47 bestätigen sich die durchschnittlichen
Mittelwerte der Primärskalen. Auf der Tertiärskala kommt ein Wert von 51 zustande.
Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 1 im Bereich von 6 bis 15.
Tabelle 2:
FKK 1
SK_1
I_1
P_1
C_1
SKI_1
PC_1
SKI_PC_1
Mittelwert
44,00
48,75
49,25
44,00
47,00
47,13
51,00
Standardabweichung
15,52
15,82
11,31
5,63
16,96
8,59
14,96
74
3 Empirischer Teil
3.6.1.2 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 2
Legende: SK2=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I2=Internalität, P2=Soziale
Externalität,C2=Fatalistische Externalität, SKI2=Selbstwirksamkeit, PC2=Externalität; SKI PC2=
Internalität vs. Externalität. 20= Minimalwert, 80= Maximalwert
Abbildung 4: FKK 2
Abbilung 4 zeigt die Ergebnisse zum zweiten Erhebungszeitpunkt des FKKs. Auf der
Skala Selbstkonzept eigener Fähigkeiten erreicht die Gesamtgruppe einen Mittelwert
von 47. Auf der Skala Internalität ergibt sich ein Mittelwert von 49. Auf der Skala
Soziale Externaliät zeigt sich ein Mittelwert von 49. Ein Mittelwert von 46 ergibt sich
auf der Skala Fatalistische Externalität. Die beiden Sekundärskalen Selbstwirksamkeit
und Externalität erreichen jeweilige Mittelwerte von 48 und 47. Die Tertiärskala
erreicht einen Wert von 52. Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 2 im
Bereich von 12 bis 14.
Tabelle 3:
FKK 2
SK_2
I_2
P_2
C_2
SKI_2
PC_2
SKI_PC_2
Mittelwert
47,38
48,63
49,13
46,13
48,38
47,25
52,38
Standardabweichung
13,75
12,99
11,98
12,52
14,61
12,93
13,48
75
3 Empirischer Teil
3.6.1.3 Ergebnisse des FKK zum Messzeitpunkt 3
Legende: SK3=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I3=Internalität, P3=Soziale
Externalität,C3=Fatalistische Externalität, SKI3=Selbstwirksamkeit, PC3=Externalität; SKI
PC3=Internalität vs. Externalität. 20=Minimalwert, 80=Maximalwert
Abbildung 5: FKK 3
Aus den Daten des dritten Erhebungszeitpunktes ergibt sich auf der Skala Selbstkonzept
eigener Fähigkeiten ein Mittelwert von 48. Einen Mittelwert von 55 erreicht die Gruppe
auf der Skala Internalität. Auf der Skala Soziale Externalität ergibt sich für die
Gesamtgruppe ein Mittelwert von 46. Die vierte Primärskala, Fatalistische Externalität,
zeigt einen Mittelwert von 43. Aus den Sekundärskalen Selbstwirksamkeit und
Externalität ergeben sich Mittelwerte von 52 und 45. Aus der Tertiärskala kommt ein
Mittelwert von 56 zustande. Die Standardabweichungen liegen für den Messzeitpunkt 3
im Bereich von 10 bis 14.
Tabelle 4:
FKK 3
SK_3
I_3
P_3
C_3
SKI_3
PC_3
SKI_PC_3
Mittelwert
48,38
55,25
46,13
43,25
51,88
44,75
56,13
Standardabweichung
14,18
10,14
10,80
12,60
13,83
12,85
13,47
3.6.1.4 Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für den FKK
Zur Überprüfung, ob eine Veränderung zwischen den drei Erhebungszeitpunkten
stattgefunden hat, ist der Wilcoxon-Test durchgeführt worden. Dessen vorgegebenes
Signifikanzniveau war p < .050.
In Tabelle 5 werden die Primärskalen der Messzeitpunkte 1 und 2 des FKKs geprüft.
76
3 Empirischer Teil
Tabelle 5:
Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für FKK 1 und 2
SK_2 - SK_1
I_2 - I_1
P_2 - P_1
C_2 - C_1
Z
Asymptotische
Signifikanz (2-seitig)
Negative Ränge
N
3
Mittlerer Rang
4,67
Rangsumme
14
Positive Ränge
5
4,4
22
c
Bindungen
0
Gesamt
8
Negative Ränge
2d
5
10
Positive Ränge
4
2,75
11
Bindungen
2
Gesamt
8
Negative Ränge
4
4,13
16,5
Positive Ränge
4
4,88
19,5
i
Bindungen
0
Gesamt
8
Negative Ränge
4j
3,88
15,5
Positive Ränge
4
5,13
20,5
Bindungen
0
Gesamt
8
SK_2 - SK_1
-,561
I_2 - I_1
-,105
P_2 - P_1
-,211
C_2 - C_1
-,350
0,575
0,917
0,833
0,726
Zwischen den Messzeitpunkten 1 und 2 ergibt der Wilcoxon-Test keine Veränderung
für die einzelnen Primärskalen des FKKs (vgl. Tabelle 5).
Die Tabelle 6 präsentiert die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests von Messzeitpunkt 1 und 3
des FKKs.
77
3 Empirischer Teil
Tabelle 6:
Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für FKK 1 und 3
SK_3 - SK_1
I_3 - I_1
P_3 - P_1
C_3 - C_1
Z
Asymptotische
Signifikanz (2-seitig)
Negative Ränge
N
2
Mittlerer Rang
4
Rangsumme
8
Positive Ränge
5
4
20
Bindungen
1
Gesamt
8
Negative Ränge
1
4
4
Positive Ränge
5
3,4
17
Bindungen
2
Gesamt
8
Negative Ränge
4g
4,75
19
Positive Ränge
3
3
9
Bindungen
1
Gesamt
8
Negative Ränge
4
3,75
15
Positive Ränge
3
4,33
13
Bindungen
1
Gesamt
8
SK_3 - SK_1
-1,014
I_3 - I_1
-1,367
P_3 - P_1
-,85b
C_3 - C_1
-,169
0,310
0,172
0,395
0,866
Für die Messzeitpunkte 1 und 3 gibt der Wilcoxon-Test an, dass keine Veränderung
stattgefunden hat (vgl. Tabelle 6).
Abschließend sind die Ergebnisse der Prüfung zu den Messzeitpunkten 2 und 3 des
FKKS der Tabelle 7 zu entnehmen.
78
3 Empirischer Teil
Tabelle 7:
Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für FKK 2 und 3
SK_3 - SK_2
I_3 - I_2
P_3 - P_2
C_3 - C_2
Z
Negative Ränge
N
1
Mittlerer Rang
6
Rangsumme
6
Positive Ränge
5
3
15
c
Bindungen
2
Gesamt
8
Negative Ränge
1
3
3
Positive Ränge
7
4,71
33
Bindungen
0
Gesamt
8
Negative Ränge
5
3,8
19
Positive Ränge
1
2
2
Bindungen
2
Gesamt
8
Negative Ränge
5
4,7
23,5
Positive Ränge
2
2,25
4,5
Bindungen
1
Gesamt
8
SK_3 - SK_2
-,946
I_3 - I_2
-2,100
P_3 - P_2
-1,782
C_3 - C_2
-1,612
0,344
0,036
0,075
0,107
Asymptotische
Signifikanz (2-seitig)
Der Wilcoxon-Test weist keine Veränderung (vgl. Tabelle 7) zwischen den
Messzeitpunkten 3 und 2 auf den Primärskalen SK_2 zu SK_3 und C_2 zu C_3 auf. Für
die Primärskala I_2 gibt er eine signifikante Veränderung zu I_3 an, auf der Primärskala
P_2 zu P_3 ist eine annähernde Signifikanz zu erkennen, die auf einen Trend zu einer
Veränderung hinweist. 2 und 3 stellen die Messzeitpunkte dar, zwischen denen die
Transferphase stattfand.
79
3 Empirischer Teil
3.6.2 Ergebnisse zu PRISM (Self-Illness Separation)
Legende: SIS= Self-Illness Separation, 0-27 in cm
Abbildung 6: Self-Illness Separation 1
Zum Erhebungszeitpunkt 1 (vgl. Abbildung 6) erreicht die Gruppe einen Mittelwert der
Self-Illness Separation von 15,3. Die Standardabweichung liegt bei 8,1.
Legende: SIS= Self-Illness Separation, 0-27 in cm
Abbildung 7: Self Illness Separation 2
Abbilung 7 zeigt, dass sich für Erhebungszeitpunkt 2 ein Mittelwert von 18,6 für die
Gesamtgruppe ergibt. Die Standardabweichung liegt bei 6,6.
80
3 Empirischer Teil
Tabelle 8:
PRISM 1 und 2
PRISM_1
PRISM_2
Mittelwert
15,25
18,64
Standardabweichung
8,08
6,64
Ob eine Veränderung zwischen den Messzeitpunkten 1 und 2 stattgefunden hat, soll der
Wilcoxon-Test prüfen. Das vorgegebenes Signifikanzniveau lag bei p < .050.
Tabelle 9:
Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für PRISM 1 und 2
N
PRISM_2 PRISM_1
Z
Asymptotische
Signifikanz (2-seitig)
Negative Ränge
3
Mittlerer Rang
3,67
Positive Ränge
5
5
Bindungen
0
Gesamt
8
Rangsumme
11
25
PRISM_2 PRISM_1
-,980
0,327
Es muss durch den Wilcoxon-Test für den Vergleich der Self-Illness Separation zu den
Messzeitpunkten 1 und 2 von Zufall ausgegangen werden (vgl. Tabelle 9).
81
3 Empirischer Teil
3.6.3 Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit
In den meisten Stichproben, die für die Evaluierung des Fragebogens untersucht worden
sind, lagen der Mittelwert bei 29 und die Standardabweichung bei 4 Punkten.
Legende:LS1= allgemeine Lebenssituation, BE1= momentane berufliche Situation, fBE1= familiärer
Bereich, SU1= Suchterkrankung. 10=Minimalwert, 40= Maximalwert.
Abbildung 8: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1
Für den Erhebungszeitpunkt 1 der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit ergibt sich
für den Bereich allgemeine Lebenssituation ein Mittelwert von 27. Für den Bereich
berufliche Situation ergibt sich ein Mittelwert von 28. Der familiäre Bereich zeigt einen
Mittelwert von 29 und der Bereich Suchterkrankung weist einen Mittelwert von 30 auf
(vgl. Abbildung 8). Die Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 1 im
Bereich von 3 bis 7.
Tabelle 10:
Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1
LS_1
BS_1
f_BE_1
SU_1
Mittelwert
27,13
28,00
29,25
30,00
Standardabweichung
5,19
6,95
6,23
3,34
82
3 Empirischer Teil
Legende: LS2=allgemeine Lebenssituation, BE2=momentane berufliche Situation, fBE2=familiärer
Bereich, SU2=Suchterkrankung. 10=Minimalwert, 40=Maximalwert.
Abbildung 9: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 2
Beim Erhebungszeitpunkt 2 zeigt die Abbildung 9 für die bereichsspezifische
Selbstwirksamkeit folgende Ausprägungen. Für den Bereich allgemeine Lebenssituation
zeigt sich ein Mittelwert von 30, für den Bereich momentan berufliche Situation ergibt
sich ein Mittelwert von 29, für den familiären Bereich ergibt sich für die Gesamtgruppe
ein Mittelwert von 30. Der Bereich Suchterkrankung zeigt einen Mittelwert von 31. Die
Standardabweichungen liegen beim Messzeitpunkt 2 im Bereich von 4 bis 7.
Tabelle 11:
Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 2
LS_2
BS_2
f_BE_2
SU_2
Mittelwert
29,50
29,00
30,00
30,63
Standardabweichung
7,25
3,82
6,46
4,81
Um nun zu prüfen, ob eine signifikante Veränderung zwischen den zwei
Erhebungszeitpunkten in den einzelen Bereichen stattgefunden hat wird der WilcoxonTest durchgeführt, dass vorgegebene Signifikanzniveau war p < .050.
83
3 Empirischer Teil
Tabelle 12:
Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für die bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1 und 2
LS_2 - LS_1
BS_2 - BS_1
f_BE_2 - f_BE_1
SU_2 - SU_1
Z
Asymptotische
Signifikanz (2-seitig)
Negative Ränge
N
4
Mittlerer Rang
2,75
Rangsumme
11
Positive Ränge
4
6,25
25
c
Bindungen
0
Gesamt
8
Negative Ränge
3
4,83
14,5
Positive Ränge
5
4,3
21,5
Bindungen
0
Gesamt
8
Negative Ränge
2
2,75
5,5
Positive Ränge
3
3,17
9,5
Bindungen
3
Gesamt
8
Negative Ränge
2j
4,25
8,5
Positive Ränge
4
3,13
12,5
Bindungen
2
Gesamt
8
LS_2 - LS_1
-,983
BS_2 - BS_1
-,493
f_BE_2 - f_BE_1
-,542
SU_2 - SU_1
-,425
0,326
0,622
0,588
0,671
Der Wilcoxon-Test zeigt, dass die unterschiedlichen Werte von T1 zu T2 auf Zufall
zurückgeführt werden müssen (vgl. Tabelle 12).
84
4 Diskussion
4 Diskussion
In diesem Abschnitt ist eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Studie zu
finden. Weiter werden die aufgestellten Hypothesen bewertet und die Ergebnisse
interpretiert. Der Abschnitt wird durch eine kritische Reflexion mit anschließendem
Fazit und Ausblick abgeschlossen.
4.1
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Zusammenfassung dient dazu, sich in kurzer Zeit einen Überblick über die
Ergebnisse dieser Untersuchung zu verschaffen.
4.1.1 Zusammengefasste Ergebnisse des FKKs
Legende: SK=Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, I=Internalität, P=Soziale Externalität,C=Fatalistische
Externalität; 1, 2 und 3 geben die Messzeitpunkte an. 20=Minimalwert, 80=Maximalwert
Abbildung 10: FKK Primärskalen aller drei Messzeitpunkte
Abbildung 10 zeigt eine vergleichende Darstellung der vier Primärskalen zu den
unterschiedlichen Messzeitpunkten. Die Primärskala Selbstkonzept eigener Fähigkeiten
weist zwischen den Erhebungszeitpunkten Mittelwerte von 44, 47 und 48 auf. Die
Mittelwerte auf der Primärskala Internaliät liegen beim ersten Messzeipunkt bei 49 zum
zweiten Messzeitpunkt entsteht ein nahezu gleicher Mittelwert von 49. Eine Steigerung
der Skala Internalität ist zum dritten Messzeitpunkt zu erkennen (p < .036). Hier
erreicht die Gruppe einen Mittelwert von 55. Die dritte Primärskala Externalität weist
zum Messzeitpunkt 1 einen Mittelwert von 49 auf. Zum Messzeitpunkt 2 ergibt sich ein
85
4 Diskussion
Mittelwert von 49 und zum Messzeitpunkt 3 ein Mittelwert von 46. Hier ist ein Trend
zu erkennen, der für eine Veränderung spricht (p < .075). Die vierte Primärskala liegt
zum Messzeitpunkt 1 bei einem Mittelwert von 44, bei 46 liegt der Mittelwert zum
zweiten Erhebungszeitpunkt, zum Messzeitpunkt 3 erreicht die Gesamtgruppe einen
Mittelwert von 43.
Der durchgeführte Wilcoxon-test gibt an, dass nur auf der Skala Internalität zwischen
den Messzeitpunkten 2 und 3 eine signifikante Veränderung stattgefunden hat. Eine
nahezu signifikante Veränderung zeigt sich auf der Primärskala Soziale Externalität zu
Messzeitpunkt 2 und 3. Für die anderen Primärskalenvergleiche gibt der Wilcoxon-Test
keine Veränderung an.
4.1.2 Zusammengefasste Ergebnisse von PRISM
Legende: SIS= Self-Illness Separation, 0-27 in cm
Abbildung 11: Self-Illness Separation 1 und 2
Der Mittelwert der Self-Illness Separation liegt zum Messzeitpunkt 1 bei 15,3, bei 18,6
liegt er bei T2 (vgl. Abbildung 11). Das Ergebnis des Wilcoxon-Test zeigt, dass keine
Veränderung zwischen den Messzeitpunkten besteht, sondern sie durch Zufall
entstanden sind.
86
4 Diskussion
4.1.3 Zusammengefasste Ergebnisse der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit
Legende: LS=allgemeine Lebenssituation, BE=momentane berufliche Situation, fBE=familärer Bereich,
SU=Suchterkrankung. 1 und 2 stehen für die Messzeitpunkte; 10=Minimalwert, 40=Maximalwert.
Abbildung 12: Bereichsspezifische Selbstwirksamkeit 1 und 2
Aus der Abbildung 12 geht hervor, dass die Gesamtgruppe zu beiden Messzeitpunkten
durchschnittliche Werte in allen vier Bereichen aufweist (vlg. Abschnitt 3.3.3, der
Mittelwert in der Validierungsstudie lag bei einem Wert von 29). Der Mittelwert von
LS1 liegt zum Messzeitpunkt 1 bei 27 und zum Messzeitpunkt 2 bei 30. Die
Standardabweichung liegt für den ersten Wert bei 5 und für den zweiten bei 7. Die
Mittelwerte der anderen Bereiche verhalten sich annährend ähnlich zu den
Messzeitpunkten 1 und 2.
Der Wilcoxon-Test gibt an, dass die unterschiedlichen Mittelwerte per Zufall entstanden
sind und keine signifikante Veränderung nachweisbar ist.
4.2 Bewertung der Hypothesen
Im folgenden Abschnitt werden die Hypothesen aufgrund der Untersuchungsergebnisse
bewertet. Die Bewertungen der Hypothesen werden dann interpretiert. Die folgenden
Interpretationen sind aufgrund der kleinen Stichprobengröße heuristisch. Die Autorin
weist darauf hin, dass deshalb die von ihr aufgestellten Interpretationen vorsichtig zu
deuten sind. Bei einer Stichprobengröße von acht Probanden können zwei Probanden
das Gesamtergebnis schon stark beeinflussen. Zwei Probanden machen 25 Prozent des
Gesamtergebnisses aus.
87
4 Diskussion
4.2.1 Bewertung der erste Hypothesen
Es wird erwartet, dass zwischen den drei Messzeitpunkten des FKKs, eine Veränderung
in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung stattfindet.
Die Kompetenz und Kontrollüberzeugung wird mit dem FKK erhoben. Die jeweiligen
Primärskalen sind dann mit dem Wilcoxon-Test hinsichtlich ihrer signifikanten
Veränderung geprüft worden. Als signifikant stellt sich nur die Veränderung der Skala
Internalität zwischen den Messzeitpunkten 2 zu 3 heraus. Ein annähernd signifikantes
Ergebnis ergibt sich auf der Skala sozial bedingte Externalität ebenfalls vom Zeitpunkt
2 zu 3. Bei den Vergleichen der übrigen Primärskalen kann keine Veränderung
festgestellt werden. Die jeweiligen Primärskalen können nicht einzeln bewertet werden,
weil die Hypothese für den gesamten FKK aufgestellt wurde. Mittels des WilcoxonTests muss die aufgestellte Hypothese verworfen werden.
Der FKK wurde hinsichtlich der Tendenz zur Beantwortung der sozialen Erwünschtheit,
geringeren versus hohen Offenheit und der Lügentendenz in verschiedenen Stichproben
geprüft.
Die
Ergebnisse
zeigen,
dass
keine
der
FKK-Skalen
mit
den
Verfälschungstendenzen bedeutsam korreliert (vgl. Krampen, 1991).
Bei einer größeren Stichprobenzahl lässt sich vermuten, dass nicht nur für die
Primärskala Internalität des FKKs eine signifikante Veränderungen aufgetreten wären.
Ein Indikator hierfür ist die annährend signifikante Veränderung der Primärskala soziale
Externalität. Trotz der kleinen Stichprobenzahl ist in den Gesamtergebnissen ein Trend
zu erkennen. Er weist auf eine stufenweise Verbesserung des Kompetenz- und
Kontrollüberzeugungsprofils der Probanden hin. Dieser Trend würde auch zu anderen
Studien
passen,
die
sich
mit
der
Veränderung
von
Kompetenz-
und
Kontrollüberzeugung innerhalb einer psychotherapeutischen Behandlung beschäftigt
haben (vgl. Krampen, 1991).
Die Messzeitpunkte 2 und 3 des FKKs umschließen die Transferphase. Interessant ist,
dass die signifikante Veränderung in der Transferphase stattfindet. Hier steigt die Skala
Internalität, die die subjektiv wahrgenommene Kontrolle der Person beschreibt von
einem Mittelwert von 49 auf 55. Genau gegenläufig dazu verhält sich die Skala Soziale
Externalität. Auf dieser Skala sinkt der Mittelwert von 49 auf 46 innerhalb der
88
4 Diskussion
Transferphase. Für diese Skala ergibt sich zwar kein signifikantes Ergebnis (p < .075),
es ist jedoch ein Trend erkennbar, der auf eine Veränderung hinweist. Die Skala trifft
eine Aussage darüber, in wieweit die Person Ereignisse abhängig von anderen, als
mächtig empfundenen Personen sieht. Interpretiert werden kann dieser Vorgang
dahingehend, dass die Probanden sich mehr und mehr als die eigenen Drahtzieher ihres
Lebens sehen und sich zunehmend frei von Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit
erleben.
Ein Grund für diesen Trend kann in der Praxisorientierung der Transferphase vermutet
werden. Die Patienten müssen sich in den sechs Wochen verstärkt mit der Welt
außerhalb der Klinik auseinandersetzen. Der Austritt aus der Klinik steht in naher
Zukunft bevor. Das gruppentherapeutische Angebot CRA konfrontiert den Patienten
damit, dass es Anstrengungen bedarf, um abstinent leben zu können. Diese
Anstrengungen haben sich für die Abstinenz als wirksam erwiesen und könnten den
Trend, der steigenden Internalität innerhalb der Transferphase, verursacht haben. Die
erlebten Erfolge, zum Beispiel das „Trockenbleiben“ während einer Geburtstagsfeier,
werden internal attribuiert. Der Patient erlebt, dass er durch sein eigenes Handeln und
durch seine Anstrengungen sein Leben beeinflussen kann. Er findet die Lokalisation der
Kontrolle verstärkt in sich selbst verankert. Dies kann als eine überwiegend internale
Kontrollüberzeugung bezeichnet werden.
Jedoch muss bei der Interpretation der Primärskalen folgendes beachtet werden. Es
muss nicht zwangsläufig der Fall sein, dass eine Person, die eine höhere Internaliät
aufweist gleichzeitig über ein geringeres Ausmaß an externaler Kontrolle verfügt.
Hinter einer eher internalen Kontrollüberzeugung steckt kein Automatismus dafür, dass
die Person ausschließlich an ihre eigenen Fähigkeiten glaubt oder sich von anderen
Personen als unabhängig empfindet.
Die verschiedenen Strategien, die in der Kernphase der Therapie erarbeitet wurden,
müssen nun mehr und mehr angewendet werden und sich in Bezug auf den
poststationären Alltag bewähren. Stufenweise erfolgt diese Erprobung schon in der
Transferphase.
89
4 Diskussion
Die bei einem Suchtkranken positive Verstärkung des Suchtmittels muss dahingehend
verändert werden, dass nach positiven Verstärkern für ein abstinentes bzw. cleanes
Verhalten gesucht werden muss. Das ist ein Bestandteil der CRA Gruppe innerhalb der
Transferphase. Verstärker müssen eine gewisse Attraktivität ausstrahlen. Bedürfnisse
wie Anerkennung, Sicherheit und Liebe stehen oft im Zusammenhang mit einem hohen
Verstärkerwert. Durch die Helferkonferenzen, in der alle, die am Suchtausstieg beteiligt
sind, zusammen kommen, ist es möglich, dass der Patient erfährt, welches Netzwerk ihn
stützt. Obwohl die Patienten schwierige Zeiten durchgemacht haben und der
Suchtmittelkonsum das ganze Netzwerk überschattet hat, gibt es Menschen, die
weiterhin an sie glauben und stolz darauf sind, wenn sie die Therapie erfolgreich
beenden. Diese soziale Verstärkung kann enorm sein und einen hohen Verstärkerwert
bedeuten. Die gestiegene Internalität vom Messzeitpunkt T2 zu T3 könnte dadurch
beeinflusst worden sein.
Die intensive und unterstützende therapeutische Beziehung in der Kernphase soll sich in
der Transferphase zu einer wohlwollenden aber mit deutlich mehr Distanz geprägten
Beziehung entwickeln. Der Patient kann dadurch eine positive Bestätigung des
Therapeuten fühlen. Dieser scheint ihm den bald bevorstehenden Austritt zuzutrauen.
Dieser Beziehungswandel könnte die internale Attribution beeinflussen. Dieser drückt
eine erhöhte Eigenverantwortung aus, die durch das erfolgreiche Absolvieren der
bisherigen Therapie gegeben werden kann.
Grundsätzlich kann am Ende der Therapie in der Klinik im Hasel von einem für die
Untersuchungsteilnehmer eher günstig ausgefallenen Kontrollüberzeugungsprofil
ausgegangen werden, da die Gruppe tendentiell eher höhere Werte auf den Skalen des
Selbstkonzeptes und der Internalität zeigt als auf den Skalen, die auf die Externalität
bezogen sind. Es ist ein selbstwertdienliches Kontrollüberzeugungsprofil.
4.2.2 Bewertung der zweite Hypothese
Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in
der Self-Illness Separation (SIS) stattfindet.
Die Self-Illness Separation wurde mit dem Erhebungsinstrument PRISM gemessen.
Durch den Wilcoxon-Test stellt sich heraus, dass die Unterschiede zwischen den
90
4 Diskussion
Messzeitpunkten T1 und T2 auf Zufall zurück zu führen sind. Mittels des WilcoxonTests muss die zweite Hypothese dieser Untersuchung verworfen werden.
Die Self-Illness Separation ist bei beiden Messzeitpunkten groß ausgefallen (15,2 und
18,6 cm), obwohl die SIS bei jedem Menschen höchst individuell ist. Leiden wird als
eine Erfahrung, die untrennbar mit der Person verbunden ist verstanden. Auch das
Ausmaß des Leidens ist zum großen Teil davon abhängig, inwieweit die Person Ursache
und Kontrollierbarkeit des Leidens wahrnimmt und versteht. Die Untersuchung
bestätigt dies. Die einzelnen Werte der SIS sind von Proband zu Proband sehr
unterschiedlich. Das hier bei einer Stichprobengröße von acht kein signifikanter
Unterschied zu den beiden Messzeitpunkten festgestellt werden konnte, ist zu hoher
Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen. Auch die Standardabweichungen von 8 und
6,6 weisen darauf hin, dass die SIS der Probanden sehr unterschiedlich ausfielen.
Dennoch weist die große SIS an den beiden Messzeitpunkten einen Trend auf, der auch
zu dem in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung passen würde. Die schon zu
Beginn der Transferphase große SIS kann bedeuten, dass in der Kernphase der Therapie
die dazu nötige Arbeit bereits geleistet worden ist.
Im Bezug auf das Transaktionale Stress Modell von Lazarus (vgl. Jerusalem, 1990)
würde dies bedeuten, dass die Probanden in ihrer primären Einschätzung den
bevorstehenden Austritt als eine Herausforderung ansehen. Hier geht die betreffende
Person grundsätzlich davon aus, ihre Kompetenzen erfolgreich einsetzen zu können.
Die Untersuchungsteilnehmer haben schon fast neun Monate Therapie erfolgreich hinter
sich gebracht. Diese Leistung scheint sie dazu zu befähigen, den bevorstehenden
Austritt eher als Herausforderung zu sehen. Bei den Patienten treten Gefühle wie
Zuversicht, Interesse und Neugier in den Vordergrund. Die hier aufgestellte Vermutung
bedeutet nicht, dass diese positiven Gefühle die einzigen sind, die die Person erlebt.
Wichtig ist hier, dass stressbedingte Kognitionen, zu denen auch positive Gefühle
gehören, nicht nach dem „alles oder nichts“ Prinzip angesehen werden. Die
Austrittsituation ist für den Patienten vielschichtig und der Patient weiß nicht genau,
was auf ihn zukommt. Es können demzufolge auch durchaus negative Kognitionen
vorhanden sein. Die große SIS der Gesamtgruppe lässt aber eine Vermutung
dahingehend zu, dass positive Kognitionen dominieren. In der Sekundären
Einschätzung werden die vorhandenen körperlichen, psychologischen, sozialen und
91
4 Diskussion
materialen Ressourcen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für die bevorstehende Situation
geprüft. Die Transferphase dient der Verzahnung der stationären Therapie mit der
Außenwelt. In der Zeit der Transferphase wird dem Klienten zu vermitteln versucht,
wie wichtig es ist, Ressourcen auch in der „Realität“ außerhalb der Klinik zu nutzen. Da
der Patient sich aber immer noch im geschützten Setting der Klinik weiß, traut er sich
eine Erprobung seiner Fähigkeiten und das Nutzen seiner Ressourcen mehr zu.
Dazu würden auch die Auslegungen von Büchi (2001) passen, der eine große SIS wie
folgt interpretiert. Die Krankheit stellt für die untersuchten Patienten nicht den
Mittelpunkt ihres Lebens dar und sie definieren sich grundsätzlich nicht über ihre
Krankheit. Es gibt für die Probanden wichtigere Aspekte in ihrem Leben als die
Krankheit, wie z.B. Familie oder Beruf. Es kann davon ausgegangen werden, dass die
Krankheit akzeptiert wird, aber eben nicht ständig präsent ist.
Im Hinblick auf das Modell von Lazarus (vgl. Jerusalem, 1990) kommt die
Neubewertung als ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Der Klient erfährt durch das
Erproben seiner Fähigkeiten, dass Einschätzungen einer Situation, die für ihn einen
hohen Disstress bedeutet haben, verändert werden können. Beispielsweise das Treffen
mit den alten Kumpels, das in einem Saufgelage endete. Durch das in der Therapie
erlernte und die Möglichkeit dieses in der Gruppentherapie zu äußern, ändert sich der
Blickwinkel in der Bewertung einer Situation. Der Zugewinn von Informationen über
sich selbst und der Situation an sich bewirken dies. Dieser Vorgang ist für die Auswahl
von Bewältigungsstrategien ausschlaggebend.
Menschen mit einer größeren SIS tendieren eher zu einem problembezogenen Coping
als jene die eine kleine SIS haben. Die Probanden sehen ihre Suchterkrankung eher als
Belastung, denn als Überforderung. Der Austritt des Probanden kann für ihn durchaus
eine Bedrohung darstellen. Wenn er in seinem Bewältigungsverhalten jedoch
problemzentriert vorgeht, wird er versuchen, sich positiv mit der Situation auseinander
zu setzen. Die Transferphase unterstützt dieses problemzentrierte Vorgehen, indem sie
durch Ehemaligentreffen, Angehörigentreffen und Helferkonferenzen versucht,
vorhandene Ressourcen aufzudecken und stärken. Der Patient kommt in den
Informationsaustausch mit Personen, die den Austritt „schon hinter sich haben“ und
kann so Ängste und Befürchtungen abbauen.
92
4 Diskussion
Interessant ist ein weiterer Aspekt. Leiden bedeutet immer eine Einschränkung in der
Autonomie. Gefühle wie Ohnmacht und Hilflosigkeit treten in den Vordergrund.
Gerade in einer stationären Suchttherapie muss dem Patienten viel Struktur vorgegeben
werden und er muss zwangsläufig Autonomie aufgeben. In den sechs Wochen der
Transferphase soll der Patient eine größtmögliche Übernahme von Eigenverantwortung
und Selbstorganisation erfahren. Die klinisch vorgegebenen Strukturen werden mehr
und mehr abgebaut, um so die Eigenverantwortung und Autonomie des Patienten zu
fordern und zu fördern. Diese allmähliche Rückgabe von Eigenverantwortung kann das
Leiden verringern. Der Patient kann erfahren, dass er sich selbst helfen muss, um seine
Ziele verwirklichen zu können. Die Rückgabe der Eigenverantwortung erfolgt noch in
dem geschützten Setting der Klinik und der Patient hat Zeit, sich darin zu üben. Der
Austritt stellt für ihn so keinen „Schubs ins kalte Wasser“ dar.
4.2.3 Bewertung der dritte Hypothese
Es wird erwartet, dass zwischen den Messzeitpunkten T1 und T2 eine Veränderung in
der jeweiligen bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit stattfindet.
Die
bereichsspezifische
Selbstwirksamkeit
wurde
mit
dem
Fragebogen
zur
Selbstwirksamkeit erfasst. Diese Hypothese muss mittels der Ergebnisse des WilcoxonTests verworfen werden.
Die Gesamtgruppe weist auf jeder der bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit
durchschnittliche Werte auf. In dem Bereich der jetzigen Lebenssituation beträgt der
Mittelwert bei T 1 27 und bei T1 30. Auf den ersten Blick lässt dies eine Veränderung
vermuten. Die Standardabweichungen weisen jedoch schon darauf hin, dass die
Werteverschiebung statistisch nicht signifikant ist. Der Wilcoxon-Test bestätigt dies.
Für die anderen Bereiche verhält sich der Mittelwert nahezu identisch. Auffallend ist die
positive Einschätzung der Probanden im Bereich momentane berufliche Situation. Hier
ergibt sich zu den Messzeitpunkten ein jeweiliger Mittelwertscore von 28 und 29. Das
ist ein durchaus positives Ergebnis. Bei der vergleichenden Betrachtung der
soziodemografischen Angaben zur Arbeitssituation gaben fünf der Probanden an, auf
Stellensuche zu sein, zwei, dass sie eine Invalidenrente erhalten und nur einer gab an,
wieder an seine alte Arbeitsstelle zurückzukehren. Ein weiterer Erhebungszeitpunkt
nach etwa einem Jahr wäre sinnvoll. Es könnte geprüft werden, ob die hohe
Selbstwirksamkeitseinschätzung genutzt werden konnte, um eine Arbeitsstelle zu
93
4 Diskussion
finden. Im Bereich zur Suchterkrankung schätzt sich die Gruppe durchschnittlich zu
beiden Messzeitpunkten als wirksam ein (Mittelwert liegt bei 30 bzw. 31). Dies passt zu
den Angaben der Probanden bezüglich eines Suchtmittelrückfalls. Nur zwei Probanden
gaben an, einen Rückfall bezüglich ihrer Therapieziele erlitten zu haben. Sechs der
Probanden gaben an, keinen Rückfall erlitten zu haben. Die positive Einschätzung der
Probanden lässt auch eine Vermutung dahingehend zu, dass sie für Risikosituationen
besser gerüstet sind (vgl. Abschnitt 2.1.1.1).
Sehr vereinfacht gesagt, will die Selbstwirksamkeit ausdrücken, wie wirksam sich ein
Mensch gegenüber einer bestimmten Situation einschätzt. Diese Einschätzungen sind
höchst individuell und unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und von Situation zu
Situation. Zudem beeinflusst eine momentane Stimmung und Laune einer Person die
Einschätzung ihrer Fähigkeiten. Je intensiver die Stimmung ist, desto stärker wirkt sich
diese auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung aus. Dass keine Veränderung zwischen
den Messzeitpunkten aufgezeigt werden konnte, könnte von der jeweiligen Stimmung
der acht Probanden verursacht worden sein. Beispielsweise können zwei der Probanden
zum Zeitpunkt der Untersuchungen sehr guter Stimmung gewesen sein, daher fällt ihre
Bewertung sehr positiv aus. Diese zwei Probanden machen bei einer Stichprobengröße
von acht 25 Prozent aus und ihre Extremwerte fallen stark ins Gewicht. Die Probanden
haben durchgehend zu ihrer Abhängigkeitserkrankung noch Diagnosen für psychische
Störungen.
Diese
könnten
sich
auch
auf
die
Bewertung
der
Selbstwirksamkeitseinschätzung ausgewirkt haben. Der ICD-10 (2008) nennt als
Kriterium für ein hier relevantes Störungsbild, dass die Personen zur Dramatisierung
gegenüber ihrer Person und zu einem extremen Ausdruck von Gefühlen tendieren.
Affektive Störungen, die sehr häufig diagnostiziert wurden, äußern sich mit stark
gedrückter Stimmung meist zur Depression hin oder mit stark gehobener Stimmung im
Gegensatz dazu.
Grundsätzlich positiv an den Ergebnissen ist jedoch, dass sich die Probanden alle im
Normbereich befinden. Bandura (1986; 1997) begründet die Entstehung und
Veränderung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung durch vier Quellen. Als wichtigste
Quelle nennt er die persönliche Erfahrung. Es ist daher wesentlich, dass Menschen
selbst erlebt haben, wie sie eine schwierige Situation überwunden haben. Dies fördert
den überdauernden Wirksamkeitsglauben. In der Kernphase der Therapie werden solche
94
4 Diskussion
Erlebnisse aufgearbeitet und versucht, durch therapeutische Interventionen im
Bewusstsein zu verankern. Es geht darum, kognitives, verhaltensmässiges und
selbstregulatiorisches Werkzeug zu erwerben, um sich damit in immer wechselnden
Lebensumständen bewähren zu können. In der Transferphase sollen diese Werkzeuge
zunehmend auch in die Lebenswelt außerhalb der Klinik übertragen werden.
Eine weitere Quelle der Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist die stellvertretende
Erfahrung durch soziale Vorbilder. Das nutzt die Klinik im Hasel, indem sie
Ehemaligengruppen organisiert. Hier können die Patienten erleben, dass Personen, die
in ganz ähnlichen Situationen waren, den Austritt „auch geschafft“ haben. Das Medium
Gruppentherapie spielt hier auch eine tragende Rolle. Es besteht die Möglichkeit, dass
die Patienten sowohl von ihren eigenen Erfolgen profitieren, als auch davon, wie
Schwierigkeiten anderer erfolgreich bewältigt worden sind.
Durch Angehörigentreffen und Helferkonferenzen nutzt die Transferphase eine weitere
Quelle der Entstehung und Veränderung von Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die der
mündlichen Überzeugung. Bandura (1997) postuliert, dass es gerade in schwierigen
Situationen unterstützend wirkt, wenn Personen aus dem Umfeld ihr Vertrauen
gegenüber Betroffenen aussprechen. Helferkonferenzen, in denen sich alle am
Suchtausstieg Beteiligten treffen, bieten eine gute Gelegenheit hierfür. Die verbale
Unterstützung gewinnt auch an Stärke, wenn sie sich mit realen Gegebenheiten deckt.
Hier bietet die Transferphase durch persönliche Erprobung der eigenen Fähigkeiten eine
ideale Möglichkeit.
Bandura (1997) nennt in seinen Schriften viele Studien, deren Ergebnisse dahingehend
interpretiert werden können, dass Menschen, die ihre Handlung als erfolgreich
einstufen, sich auch in nachfolgenden Handlungen verbessern. Im Durchschnitt haben
sich die Probanden in dieser Untersuchung tendenziell als selbstwirksam eingestuft.
Dies lässt eine positive Entwicklung des Lebenswegs der teilnehmenden Probanden
vermuten.
4.3 Kritik, Fazit und Ausblick
In dieser Untersuchung mussten alle aufgestellten Hypothesen verworfen werden. Die
Gründe hierfür lagen an unterschiedlichen Faktoren. Einer davon ist sicherlich die
95
4 Diskussion
kleine Stichprobengröße. Diese konnte aufgrund der vorgegebenen Zeit, die für die
Bearbeitung der Diplomarbeit zur Verfügung stand, nicht vergrößert werden.
Ursprünglich wurde mit zehn Probanden gerechnet, wovon leider zwei ihre Therapie
vorzeitig abbrachen.
Die einzelnen Erhebungsinstrumente haben sich unterschiedlich bewährt. Der FKK
besticht durch seine Gütekriterien und durch eine einfach Hand zu habende
Computerversion. Ein weiterer Vorteil des FKKs ist, dass er in seiner Normierung
hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede weitgehend neutral ist. Dies ist gerade
bei einer kleinen Stichprobe von Vorteil.
PRISM erwies sich für diese Untersuchung als weniger geeignet. Dadurch, dass nur
Gesamtergebnisse dargestellt werden konnten, gingen viele Informationen verloren, die
PRISM in der Einzelfallbetrachtung hätte geben können. Auffallend waren bei der
Untersuchungsdurchführung die extrem unterschiedlichen SIS Abstände der Probanden.
Diese reichten 1 cm bis zu 27 cm. Bei nur acht Probanden ist damit ein nicht
signifikantes Ergebnis unausweichlich. Dennoch können die Ergebnisse von PRISM
den Trend in der Kompetenz- und Kontrollüberzeugung und in der bereichsspezifischen
Selbstwirksamkeit bestätigen.
Die
vierstufige
Antwortskala
des
Fragebogens
zur
bereichsspezifischen
Selbstwirksamkeit wurde von drei Probanden kritisiert. Sie hätten sich einen Mittelwert
zwischen stimmt kaum und stimmt eher gewünscht. Die Ergebnisse für den Fragebogen
zur Selbstwirksamkeit unterscheiden sich hinsichtlich Alter und Geschlecht. Aufgrund
der geringen Stichprobengröße konnte diese Differenzierung aber nicht vorgenommen
werden. Weitere Untersuchungen sollten deshalb mit einer höheren Stichprobenzahl
durchgeführt
werden
und
das
Augenmerk
auch
auf
die
alters-
und
geschlechtsspezifischen Unterschiede gerichtet werden. Zukünftige Studien sollten
zudem noch weitere Messinstrumente einbauen, um die Tragweite der Evaluation
erweitern zu können, beispielsweise aus den Bereichen der Lebenszufriedenheit oder
spezielle auf Bewältigungsstrategien bezogene Untersuchungsinstrumente.
Grundsätzlich ist zu fragen, ob bei einer kleinen Stichprobengröße Einzelfälle mit
betrachtet werden sollten. Der FKK ist das dafür geeignete Messinstrument, mit dem
96
4 Diskussion
dies
aus
statistischer
Sicht
möglich
ist.
Für
diese
Arbeit
war
keine
Einzelfalluntersuchung vorgesehen. Der zeitliche Rahmen hätte eine wissenschaftlich
haltbare Einzelfallevaluierung nicht zugelassen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass aus den Ergebnissen für das Konzept
der Transferphase, wie auch für die gesamte Klinik ein positiver Trend erkennbar
wurde. Aufgrund dessen sollten Untersuchungen in dieser Form weitergeführt werden.
Es wäre dadurch möglich, den positiven Trend der in dieser Arbeit ermittelten
Ergebnisse wissenschaftlich weiter stützen zu können. Interessant wäre ein weiterer
Messzeitpunkt etwa ein Jahr nach Ende der Therapie.
Therapie darf nicht als eine Insel gesehen werden, die dem Klienten zwar ein
problemloses Leben auf ihr ermöglicht, ihn dennoch für das Leben fern davon nicht
rüstet. In der Transferphase steht deshalb die Lebenswelt des Klienten im Fokus, die
sich außerhalb der Klinik abspielt. Zu begrüßen ist die Planung eines Jobcoaches
innerhalb der Transferphase. Aus meiner Sicht würde dies die Transferphase noch mehr
mit der Lebenswelt der Patienten außerhalb der Klinik verflechten.
Diese Arbeit stellt den Beginn wissenschaftlicher Untersuchungen dar, die das Konzept
der Transferphase unterstützen und auszubauen helfen.
97
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Moggi, F. (Hrsg.). (2002). Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und
Sucht. Bern: Huber.
Mummendey, H. D. (2006). Psychologie des Selbst. Theorien, Methoden und
Ergebnisse der Selbstkonzeptforschung. Göttingen: Hogrefe.
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Stuttgart: Kohlhammer.
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Wuttke, C. (2006). Auswirkung von Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen auf die
psychosoziale
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Angehörigen.
Unveröffentlichte Dissertation, Universität für Psychologie und Sportwissenschaften,
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(Zugriff: 25.05.2010)
Link 4:
http://www.userpage.fu-berlin.de/~health/swe_norm.pdf
(Zugriff: 20.08.2010)
102
6 Anhang
6 Anhang
6.1 Einführungsblatt zur Untersuchung
Liebe Teilnehmerin / Lieber Teilnehmer,
im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt,
Deutschland, unter der Leitung von Prof. Dr. Schermer im Fachbereich Soziale Arbeit
führe ich eine Befragung durch.
Thema dieser Befragung ist die Evaluation der Transferphase der Klinik im Hasel.
Die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig.
Die Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt, zudem werden die
Fragebögen nur von mir ausgewertet und die Ergebnisse anonymisiert.
Die Befragung gliedert sich in vier Bereiche.
Markieren Sie pro Frage/Aussage bitte nur eine einzige zutreffende Antwort, außer es
sei speziell erwähnt, dass mehrere Antworten möglich sind. Bitte lassen Sie keine Frage
aus und beantworten Sie den Fragebogen selbstständig.
Im ersten Teil werden allgemeine Daten zu ihrer Person erfasst.
Im zweiten Teil finden sie vier Blätter mit den jeweils selben 10 Aussagen, die sich aber
immer auf einen anderen Bereich beziehen. Lesen Sie bitte die Überschriften genau.
Hinter jedem Satz stehen verschiedene Bewertungsstufen für die jeweiligen Aussagen
(1) stimmt überhaupt nicht
(2) stimmt weniger
(3) stimmt eher
(4) stimmt genau
markieren Sie bitte jene Bewertungsstufe, die Ihnen als erstes spontan in den Sinn
kommt.
Wenn keine der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten exakt zutrifft, wählen Sie bitte,
diejenige, die für Sie am ehesten zutrifft.
Im dritten Teil führe ich mit Ihnen ein Prismbild durch.
Der vierte Teil der Befragung wird am Computer erfasst, dort erhalten Sie die dafür
benötigten Anweisungen.
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!
Isabelle Glaubitt
103
6 Anhang
6.2 Fragebogen soziodemographische Daten
Geschlecht
Familienstand
Männlich
Weiblich
ledig
verheiratet
Alter
geschieden
verwitwet
Arbeit
Ich bin auf Stellensuche
Ich bin Hausfrau/ Hausmann
Ich bin pensioniert
ich bin selbstständig erwerbend
Ich habe bereits eine Arbeitsstelle gefunden
Ich habe eine Invalidenrente
Ich kehre an meine alte Arbeitsstelle zurück
Ich werde eine Ausbildung beginnen
Therapiedauer
4 Monate
6- 9 Monate
Andere
Rückfall
Ja
Nein
In welcher Phase hat er/sie stattgefunden?
Kernphase
Transferphase
104
6 Anhang
6.3 Fragebogen zur bereichsspezifischen Selbstwirksamkeit
Stimmt genau
Stimmt eher
Stimmt kaum
Stimmt nicht
Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihre allgemeine
Lebenssituation
Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und
Wege, mich durchzusetzen.
Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer,
wenn ich mich darum bemühe.
Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten
und Ziele zu verwirklichen.
In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich
mich verhalten soll.
Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß
ich gut mit ihnen zurechtkommen kann.
Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich
meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann.
Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.
Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden.
Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich,
wie ich damit umgehen kann.
Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener
Kraft meistern.
105
6 Anhang
Stimmt genau
Stimmt eher
Stimmt kaum
Stimmt nicht
Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihre momentane berufliche
Situation
Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und
Wege, mich durchzusetzen.
Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer,
wenn ich mich darum bemühe.
Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten
und Ziele zu verwirklichen.
In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich
mich verhalten soll.
Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß
ich gut mit ihnen zurechtkommen kann.
Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich
meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann.
Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.
Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden.
Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich,
wie ich damit umgehen kann.
Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener
Kraft meistern.
106
6 Anhang
Stimmt genau
Stimmt eher
Stimmt kaum
Stimmt nicht
Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihren familiären Bereich
Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und
Wege, mich durchzusetzen.
Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer,
wenn ich mich darum bemühe.
Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten
und Ziele zu verwirklichen.
In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich
mich verhalten soll.
Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß
ich gut mit ihnen zurechtkommen kann.
Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich
meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann.
Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.
Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden.
Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich,
wie ich damit umgehen kann.
Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener
Kraft meistern.
107
6 Anhang
Stimmt genau
Stimmt eher
Stimmt kaum
Stimmt nicht
Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen im Bezug auf Ihre Suchterkrankung
Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und
Wege, mich durchzusetzen.
Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer,
wenn ich mich darum bemühe.
Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten
und Ziele zu verwirklichen.
In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich
mich verhalten soll.
Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß
ich gut mit ihnen zurechtkommen kann.
Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich
meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann.
Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.
Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden.
Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich,
wie ich damit umgehen kann.
Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener
Kraft meistern.
108
6 Anhang
6.4 Standardisierte Einführung von PRISM
„Wir möchten Sie nun bitten uns mit Hilfe eines Testes zu vermitteln was für einen
Platz Ihre Krankheit zur Zeit in Ihrem Leben einnimmt.
Diese weiße (A4 große) Fläche stellt Ihr Leben dar, der gelbe Kreis in der unteren
rechten Ecke stellt Sie in Ihrem Leben und diese runde rote Scheibe stellt Ihre
Krankheit dar.
Bitte platzieren Sie nun die Krankheits-Scheibe so auf die weiße „Lebensfläche“, dass
Sie darstellen, welchen Platz Ihre Krankheit zurzeit in Ihrem Leben einnimmt.
Danke für die Bereitschaft an dieser Untersuchung teilzunehmen!“
Falls Patienten die oben gestellte Aufgabe nicht sofort verstehen:
„Dies ist eine visuelle und daher ungewohnte Art, zu verstehen, welchen Platz die
Krankheit in ihrem Leben einnimmt. Wir möchten Ihnen daher ein Beispiel aus einem
anderen Lebensbereich geben: Diese blaue Scheibe bedeutet „Arbeit“:Für manche ist
Arbeit ein ganz zentraler Lebensaspekt- die Arbeit ist ein ganz wichtiger Teil der
Persönlichkeit. Diese Leute würden diese Scheibe ganz auf den gelben Kreis, der sie
selbst darstellt, legen.
(die blaue Scheibe zur Illustration auf den gelben Kreis legen)
Für andere hingegen ist die Arbeit eher unwichtig, sie arbeiten um Geld für ihr Leben
zu verdienen. Solche Menschen würden die blaue Scheibe nicht als Teil von sich selbst
und eher randständig in ihrem Leben sehen.
(nun die blaue Scheibe in die linke obere Ecke legen)
Könnten Sie nun bitte die rote „Krankheits-Scheibe“ so auf die weiße Fläche platzieren,
dass Sie darstellen, welchen Platz Ihre Krankheit zur Zeit in Ihrem Leben einnimmt?
(Büchi, 2001, S. 61f.)
109
6 Anhang
6.5 Erklärung
Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst, diese
nicht anderweitig zu Prüfungszwecken vorgelegt und alle benutzten Quellen und
Hilfsmittel angegeben sowie wörtliche Zitate gekennzeichnet habe.
Ort, Datum
Unterschrift
110
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