WissensWert 3 2011 INFOBRIEF FÜR BETROFFENE MIT SELTENEN SOLIDEN TUMOREN: GIST, SARKOME, NIERENKREBS 10 wichtige Tipps für Patienten mit seltenen Krebsdiagnosen… GIST, Sarkome, Nierenkrebs: In den vergangenen 9 Jahren konnte Das Lebenshaus im Bereich der seltenen soliden Krebsarten viele Erfahrungen sammeln. Diese möchten wir gerne neudiagnostizierten Patienten, aber auch „Erfahrenen“ im Umgang mit den Erkrankungen weitergeben. Daher haben wir folgenden Übersichtsartikel mit 10 wichtigen Tipps für Patienten und ihre Begleiter (Angehörige) geschrieben: Inhalt n 10 wichtige Tipps für Patienten 1 n Best Practice Award „Mehr Dialog bei Krebs” 2012 8 n Jetzt neu: Basisbroschüren 1. Seltene Diagnosen – wie GIST, Sarkome oder Nierenkrebs – gehören in „erfahren Hände“. Seltene Tumorerkrankungen (engl. = Rare Cancers) treten häufiger auf, als bisher angenommen: sie machen etwa 22% aller Krebserkrankungen aus. Jedes Jahr erkranken somit etwa 100.000 Deutsche an seltenen Tumoren. Zusätzlich dazu, dass die Betroffenen oft einer lebensbedrohenden Erkrankung gegenüber stehen, haben diese Patienten eine Vielzahl Hürden aufgrund der Seltenheit ihrer Erkrankung zu überwinden. Auch in Deutschland ist der Zugang von Patienten mit seltenen Erkrankungen zu Informationen und zu entsprechender Behandlungsqualität noch immer unzureichend. Wesentliche Defizite sind u.a.: n Die seltenen Tumorerkrankungen haben keine oder kaum Bekanntheit – damit oft keine Öffentlichkeit, keine Lobby und wenig finanzielle Förderung vor allem im Bereich der Forschung. n Seltene Krebserkrankungen stehen nicht im Fokus der Arbeit nationaler Organisationen, wie der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft. n Patienten mit der Diagnose einer seltenen Tumorerkrankung irren oft lange Zeit durch das Gesundheitssystem auf der Suche nach Informationen, medizinischer Expertise in Diagnostik, Behandlungsqualität, Therapieoptionen und klinischen Studien. GIST und Nierenkrebs n GIST-Forum 2011 9 10 n Adjuvante Imatinib-Therapie bei GIST – neuester Stand… 13 n Adjuvante Imatinib-Therapie bei GIST – praktisches Management 17 n „Patientenkoalition Schweiz“ gegründet Es ist logisch, dass es bei den häufigeren Krebserkrankungen wie z.B. Brustkrebs, Darmkrebs oder Prostatakrebs weit mehr Mediziner gibt, die hierin Expertise und Erfahrung haben. Für diese häufigen Krebsdiagnosen gibt es bundesweit sogar bereits zahlreiche zertifizierte Zentren. Anders bei den Rare Cancers! Diese Gruppe beinhaltet derzeit über 220 verschiedene Krebsdiagnosen – teilweise mit geringsten Neuerkrankungszahlen pro Jahr. Auch hier ist es wiederum logisch, dass dieses Spektrum von Erkrankungen kein Mediziner alleine beherrschen kann. Nehmen wir als Beispiel die Gruppe der Sarkome (inkl. GIST und Desmoide). Hier rechnet man jährlich in etwa mit 3.000 bis 4.000 Neuerkrankungen – verteilt auf über 70 verschiedene Diagnosen. Die Transparenz der Versorgungssituation ist für Patienten und für Zuweiser nicht gegeben: n Es gibt leider in Deutschland keine zertifizierten Sarkom-Zentren. 20 n Sarkom-Forum 2011 22 n ASCO – Ergebnisse 2011 25 n 6. Sarkomtour 33 n Nierenkrebs – Ticker 34 n Strahlen­therapie beim metastasierten Nierenzell­karzinom 34 n GOLD-Studie 38 n PROTECT-Studie 40 n Das Leben wieder in den Takt bekommen 42 n Improvisationstheater für Krebsbetroffene 43 n Experten persönlich 46 n Impressum 47 n Terminkalender Oktober/ November/Dezember 48 2011 3 WissensWert n Nicht überall wo Sarkom-Zentrum „draufsteht“, ist auch Sarkom-Zentrum „drin“. n Es gibt etliche Sarkom-Experten, deren Einrichtungen von außen nicht als Sarkom-Zentren identifizierbar sind. Die Behandlung darf überall stattfinden und findet leider überall statt. Nur weil ein Mediziner eine Erkrankung behandelt, heißt das noch lange nicht, dass er das nötige Wissen und die nötige Erfahrung mitbringt. Das Lebenshaus hat in 9 Jahren Mediziner erlebt, die sich mit zwei neuen Patienten pro Jahr als „Experten“ bezeichnet haben – jedoch Grundlegendes missachtet haben. Andererseits gibt es Mediziner, die Patienten in der Basis sehr gut betreuen – jedoch auch wissen, wann ihre Grenzen erreicht sind und sie an erfahrene SarkomKollegen abgeben oder diese hinzuziehen müssen. Leider ist es häufig Realität: Patienten mit Sarkomen, GIST oder Desmoiden werden irgendwo behandelt – mit mangelhafter Behandlungsqualität und zum Teil mit dramatischen Einf lüssen auf die Prognosen der Patienten. Dies beginnt übrigens nicht erst bei einer medikamentösen Therapie oder Bestrahlung, sondern bereits bei der Feststellung der richtigen Diagnose und einer hochwertig durchgeführten chirurgischen Behandlung. Wichtig für Patienten mit seltenen Krebs­ diagnosen: Was zählt sind Expertise, Erfahrung, Engagement, Interdisziplinarität und Studienperspektiven, die Ihnen Mediziner oder ein Zentrum bei Ihrer seltenen Erkrankung bieten. Schlechte „Ratgeber“ zur Ärztewahl sind z.B. Kriterien wie Nähe, Sympathie, „den kenne ich seit Jahren“, „der hat einem Bekannten mit Prostatakrebs geholfen“ oder der Arzt wurde bei Krebs ausgezeichnet. Bei seltenen Krebserkrankungen finden sich Experten nicht immer heimatnah. Daher sollten Sie sich darauf einstellen, dass Sie unter Umständen – für die qualifizierte Behandlung ihrer Erkrankung – Entfernungen in Kauf nehmen müssen. Aber: Dafür sollte Ihnen eigentlich kein Weg zu weit sein. Denn schließlich geht es um Ihre Gesundheit bzw. um Ihr Leben. 2. Im Entscheidungsfall bringt Sie eine „persönliche“ Zweitmeinung weiter. So oder so… Sie sind unsicher bezüglich Ihrer Diagnose, eines weiteren Therapieschrittes oder einer Studienteilnahme? Dann kann es sinnvoll sein, eine zweite ärztliche Meinung einzuholen. Zudem ist ein unabhängiger Zweitbefund bei einem Experten ratsam, wenn schwerwiegende Entscheidungen zu treffen sind: Bezüglich einer Operation, einer anstehenden Behandlung oder einfach dann, wenn Sie sich bei Ihrem behandelnden Arzt nicht gut beraten fühlen. Durch die zweite Meinung (engl. = Second Opinion) sollen Fehldiagnosen aufgedeckt, Therapieoptionen abgeprüft oder andere/innovative Behandlungsmethoden aufgezeigt werden. Das heißt: Die Zweitmeinung kann die erste Diagnose oder eine vorgeschlagene Behandlung bestätigen - Ihnen also Entscheidungssicherheit geben; oder die Zweitmeinung zeigt Ihnen neue Möglichkeiten auf. Im Entscheidungsfall bringt Sie eine „persönliche“ Zweitmeinung also in der Regel weiter - so oder so… Was viele Patienten nicht wissen: Eine Zweitmeinung steht Ihnen rechtlich zu. Und oft ist im Rahmen einer Diagnosestellung oder Therapieplanung auch genügend Zeit dazu. Eine Zweit- ggf. eine Drittmeinung kann für Ihre Entscheidung extrem hilfreich sein – eine „Siebt- oder Achtmeinung“ bringt dagegen meist nichts. Im schlimmsten Falle können Sie als Patient - aufgrund zu vieler Meinungen verunsichert sein und sich nicht mehr entscheiden. Es geht nicht darum, möglichst viele Meinungen einzuholen, sondern die richtigen Meinungen, nämlich die von erfahrenen Medizinern. 3. Persönlicher Patientenordner: Denn Sie wissen nie, ob Sie Ihre „Historie“ nicht plötzlich benötigen… Wichtig: Sammeln Sie alle Ihre Dokumente – wie Pathologieberichte, Laborergebnisse, OP-Berichte, Arztbriefe, sonstige Befunde oder mediz. Bildgebung wie CT oder MRT-Aufnahmen etc. und legen Sie sich einen eignen Sammelordner dafür an. Diese Unterlagen stehen Ihnen gesetzlich zu. BEISPIEL Ein GIST-Patient des Lebenshauses, ein ehemaliger Automechaniker (64) aus Süddeutschland hat es einmal sehr bildlich beschrieben: „Jetzt weiß ich endlich was ich habe: Einen Ferrari! Und mit dem fahre ich nicht zum normalen Marken-Service um die Ecke, sondern zur Ferrari-Spezialwerkstatt. Sicherlich wird beim Marken-Service auch sehr gute Arbeit gemacht. Doch die FerrariWerkstatt hat eben das Wissen bzgl. dieser so speziellen Fahrzeuge und seit Jahren die Erfahrung damit: Mit all ihren Feinheiten, Besonderheiten oder manchmal sogar Eigenheiten. Also lieber doch bei einer seltenen Erkrankung die „Spezialwerkstatt“ aufsuchen! WICHTIG n Jeder Patient hat ein Recht auf eine Zweitmeinung. Allerdings muss es sich beim zweiten Arzt um einen kassenzugelassenen Arzt handeln, also keinen Privatarzt; dann übernimmt die Kasse die Kosten. n Das Einholen einer Zweitmeinung bedeutet nicht, dass der gesamte diagnostische Prozess noch einmal komplett von vorne beginnen muss. Der Patient hat Anspruch auf alle Unterlagen und Unter­ suchungsergebnisse des Erstbefundes – dies ist in den Patientenrechten festgeschrieben. n Erfahrene und selbstbewusste Mediziner haben in der Regel Verständnis für Ihren Wunsch nach einer Zweitmeinung und fassen dies nicht als Kritik auf. Es gibt allerdings auch Ärzte, die sich hierdurch persönlich ange- 2011 n Das heißt, die behandelnde Klinik/Praxis muss Ihnen Kopien auf Nachfrage aushändigen, wenn Sie diese Unterlagen nicht ohnehin bereits automatisch bereitstellt. Es kann sein, dass Sie z.B. für mediz. Bildgebung einen kleinen Beitrag für den Datenträger (CD-ROM oder DVD) bezahlen müssen, aber das sollte es Ihnen Wert sein. Warum? n Sind Sie bei verschiedenen Medizinern in Behandlung, kann es sein, dass nicht jeder alle Dokumente erhalten hat – also auf dem gleichen Informationsstand ist. n Wir im Lebenshaus haben es schon erlebt, dass Patientenakten in Kliniken oder Praxen vorübergehend nicht mehr auffindbar waren. griffen fühlen, dies den Patienten deutlich spüren lassen oder versuchen, dem Patienten die Zweitmeinung massiv auszureden. (Anmerkung: Spätestens hier wird es Zeit, sich einen, mit Ihrer Erkrankung erfahrenen Mediziner zu suchen.) n Man sollte eine Zweitmeinung nicht online oder telefonisch einholen, sondern durch einen persönlichen Termin. Denn – neben der „Sichtung“ der Befunde – ist das Experten-Patienten-Gespräch ein wesentlicher Teil der Entscheidungsbasis, um zu einer individuellen Empfehlung zu kommen. Gegebenenfalls gibt es ganz spezielle Fragen des Experten oder es müssen noch Zusatzuntersuchungen durchgeführt werden, die mehr Klarheit in die Ausgangssituation bringen. Eventuell benötigen Sie Ihre letzten Befunde zeitnah für eine Zweitmeinung, eine Studienteilnahme, für Sozialanträge oder sonstige Behördengänge. n Bei Ihnen steht eine AHB oder eine REHA an? Auch dorthin sollten Sie Ihren Patientenordner mitnehmen, denn oft ist es nicht gewährleistet, dass die REHA-Klinik Ihre Unterlagen überhaupt erhalten hat. Haben Sie Ihren persönlichen Ordner dabei, sind Sie auf der sicheren Seite. 4. Therapie- und Nebenwirkungs­ management: Möglichst langer Therapienutzen bei bestmöglicher Lebensqualität… Viele Patienten mit den Diagnosen GIST, Sarkom oder Nierenkrebs erhalten eine medikamentöse (= systemische) Therapie als Tablette, in Kapselform oder als klassische Infusion. Hierbei ist besonders darauf zu achten, dass sich der Therapienutzen und die Lebensqualität die Waage halten. Wenn hier unerwünschte Wirkungen (= Nebenwirkungen) auftreten, sollten Sie diese unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Besonders bei der Einnahme von oralen Krebstherapien (= Tabletten, Kapseln) - in Eigenregie zu Hause - ist dies essentiell, da Ihr Arzt sonst von Ihren Nebenwirkungen unter Umständen keine Kenntnis hat. Weiß er nichts davon, kann er auch nicht dagegen vorgehen! Also: Quälen Sie sich nicht unnötig über Wochen, sondern gehen sie frühzeitig zu Ihrem Behandler und sprechen Sie mit ihm über die Beschwerden. Generell ist beim Therapie- und Nebenwirkungsmanagement eine gute Therapie-Kooperation von großer Bedeutung. Das heißt: Arzt und Patient sollten ihr Bestes geben, um die Behandlung so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Sie als Patient sollten Ihre Tabletten regelmäßig zu Hause einnehmen und über Fragen, Probleme und Nebenwirkungen mit Ihrem Arzt sprechen. Ihr behandelnder Arzt sollte Sie im Vorfeld der Therapie ausreichend auf klären, Antworten auf Ihre Fragen haben, Sie gezielt nach Nebenwirkungen fragen und Ihnen Lösungen anbieten können. 3 Das Lebenshaus WICHTIG Ihr Therapie- und Nebenwirkungsmanagement hat nichts beim Hausarzt zu suchen! Dieser kennt in der Regel kaum die Erkrankungen und die Therapien. Meist hat er nur wenig Erfahrung mit den Nebenwirkungen und deren Gegenmaßnahmen. Bedenken Sie: Es gibt auch Nebenwirkungen, die Sie nicht unbedingt im Alltag merken, die sich aber in veränderten Blut-, Leber-, Nieren- oder andere Laborwerte zeigen. Dies kann in der Regel nur der mit der Erkrankung und der Therapie erfahrene Arzt einordnen. Bei Problemen im Alltag die Therapie eigen­ mächtig zu pausieren oder sogar abzubrechen ist KEINE Lösung. Gerade bei den oralen, medikamentösen und zielgerichteten Therapien (= Target-Therapien) ist eine regelmäßige Einnahme, also eine gute Compliance (= Therapietreue) sehr wichtig. Die Therapietreue ist von wesentlicher Bedeutung, damit die bestmögliche Wirksamkeit einer Therapie erzielt werden kann. Das heißt: Generell senkt die Nicht- oder Mindereinnahme der Tabletten den Wirkspiegel des Medikamentes im Blut, so dass die Wirksamkeit nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr gegeben ist. Als Folge können sich die Tumorzellen wieder vermehren. Verschiedene Gründe wie Nebenwirkungen, Probleme mit der Therapie, fehlende Informationen, Vergesslichkeit oder anderes können die Ursache für Unregelmäßigkeiten in der Medikamenteneinnahme sein. „Compliance-Schwierigkeiten“ kann jeder Patient haben. Denken Sie immer daran, dass Sie damit nicht alleine sind. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt, mit Ihrer Familie und/oder mit uns im Lebenshaus. 2011 3 WissensWert Therapie? Welche Nebenwirkungen treten auf – was kann man dagegen tun? Viele Fragen, wie diese - auf die erfahrene Mediziner in der Regel auch Antworten geben können. 5. Eine regelmäßige, langfristige und richtige Verlaufskontrolle ist vor allem Eines: In Ihrem Sinne! Bildung – desto besser sind die Behandlungsperspektiven. n Dies haben wir schon öfter erlebt: Patien­ ten kontaktieren Das Lebenshaus nach einem Rückfall (= Rezidiv) – meist in Form einer metastasierten Erkrankung. Und fast immer hören wir ähnliche Aussagen: Der damalige Operateur habe doch den Tumor vollständig entfernt und den Patienten als „geheilt“ entlassen. Verlaufskontrolle/Nachsorge habe es nie gegeben – bis zur erneuten (eher zufälligen) Diagnose der Erkrankung – jetzt im fortgeschrittenen Stadium. Fortgeschrittene Erkrankung oder unter Therapie: Auch hier spielt natürlich die regelmäßige, langfristige und richtige Verlaufskontrolle ein große Rolle. In welchen Abständen wird kontrolliert? Mit welchen Untersuchungsmethoden? Welche Laborwerte sind wichtig zum Monitoring der Erkrankung/ der Therapie? Wie geht es dem Patienten unter Therapie – wie ist das Ansprechen der WICHTIG n Nach Entfernung eines Primärtumors: Viele Tumorerkrankungen haben ein statistisch bekanntes Rückfall- Risiko. Das bedeutet: Trotz erfolgreicher Entfernung des Tumors im Gesunden, kann es zu Rückfällen – auch noch nach Jahren – kommen. Die Rückfälle finden teilweise lokal statt (= Lokal-Rezidiv), häufiger aber mit Metas­ tasen-Bildung in unterschiedlichen Regionen des Körpers. Hier ist eine regelmäßige, langfristige und richtige Verlaufskontrolle (= auch Monitoring oder Nachsorge) entscheidend für die weitere Entwicklung Ihrer Erkrankung. Je früher man ein Wiederauftreten der Erkrankung feststellt, je geringer das Ausmaß der Metastasen- „Wenn Du bei Krebs 5 Jahre überschritten hast – dann hast Du es geschafft!“ Dies ist ein Mythos und für viele Krebserkrankungen leider falsch. Krebs ist nicht gleich Krebs und Patient ist nicht gleich Patient. Bei etlichen Krebsarten kann es auch noch nach Jahren zu einem Rückfall kommen. Es muss nicht so sein – aber es kann! Wir haben Patienten erlebt, die auch nach weit über 10 Jahren noch Rückfälle bekommen haben. Deshalb: Verlaufkontrolle ist wichtig – auch noch über viele Jahre! Nicht selten gibt es für bestimmte Krebsdiagnosen keine Nachsorge-Empfehlungen oder Ärzten sind diese einfach nicht bekannt. Manchmal erleben wir auch, dass NachsorgeSchemata anders durchgeführt werden als empfohlen: z.B. in viel längeren Intervallen oder mit völlig anderen (unter Umständen preiswerteren) Untersuchungsmethoden. Wichtig: Machen Sie sich aktiv schlau - bei Ihrem Arzt oder im Lebenshaus, wie die Nachsorge professionell erfolgen soll. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Ihr Arzt oder sein Praxis-/Klinikteam Sie schon anrufen wird, wenn die Verlaufskontrolle ansteht. Sie selbst müssen die Kontrolle über Ihre Erkrankung aktiv in die Hand nehmen und Ihre Interessen durchsetzen. 6. Klinische Studien können wichtig für Einzelne sein. Doch Sie sind essentiell für viele Patienten… Alle heute verfügbaren medikamentösen Therapien wurden in klinischen Studien getestet, um heute überhaupt zugelassen zu sein. Solche klinischen Studien haben eindeutig zu Fortschritten bei den Therapien geführt und damit die Prognosen für viele Patienten verbessert. Klinische Studien sind detailliert geplante und gut kontrollierte wissenschaftliche Testprogramme - KEINE willkürlichen Experimente am Menschen. Sie werden in einem Mehrphasen-Konzept und oft für verschiedene Stadien einer Erkrankung angeboten. Dabei sollen sie im Wesentlichen helfen, die Sicherheit, die optimale Dosierung, die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen einer neuen Therapie zu ermitteln. Klinische Studien sind also essentielle Voraussetzungen, um den Wert neuer Behandlungsformen und deren Einf luss auf die Lebensqualität der Patienten festzustellen. Auch bei GIST, den Sarkomen oder bei Nierenkrebs kann die Teilnahme an Studien für den Einzelnen wichtig sein: Um ggf ls. den Zugang zu alternativen oder sogar innovativsten 2011 3 Das Lebenshaus WICHTIG Bitte gehen Sie nicht davon aus, dass alle Ärzte die Ihre Erkrankung behandeln - auch alle Studien kennen oder in diese involviert sind. In der Regel werden diese Studien nur an ausgewählten Studien-Zentren durchgeführt. Daher verfolgen Sie bitte über Das Lebenshaus e.V. welche Studien - wo - angeboten werden. Behandlungsoptionen zu bekommen. Doch Studien sind ebenfalls wichtig im Sinne von „Einer für Alle“. Denn nur dadurch, dass Einzelne an Studien teilnehmen, können Fragestellungen für künftige Patienten ausreichend beantwortet werden. 7. Ihr „NEUES LEBEN“ mit der Diagnose ist mehr als Medizin und erfordert eine ganzheitliche Betrachtung… Die „Diagnose Krebs“ ist für viele Menschen ein einschneidendes Erlebnis und stellt das gesamte Leben nicht selten auf den Kopf. Es ist wichtig, dass Sie versuchen, sich ihrer Erkrankung AKTIV zu stellen und ihre eigenen körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte optimal in den Behandlungsprozess einbringen. Denn neben der Medizin gibt es viele Faktoren, die Sie und Ihren Genesungsweg beeinf lussen. Diese individuellen Gegebenheiten sind ebenso wichtig wie medizinische Behandlung von außen. Doch dazu gehören Hoffnung, Zuversicht und Mut, die neue Situation - mit all ihren Ungewissheiten – anzunehmen und zu meistern. Dabei muss jeder Patient „seinen eigenen Weg“ finden. Manchmal führt dieser über den Glauben, Hobbys wie Sport oder Musik. Andere finden Unterstützung im Gespräch mit einem Psychoonkologen oder im Familien- und Freundeskreis. 8. Wir kennen etliche Patienten, denen man vor vielen Jahren – wenige Monate „vorausgesagt“ hat… Das ist tatsächlich so! Geben Sie nichts auf Prognosen oder so genannte „Überlebenskurven“. Selbst erfahrene Experten können keine detaillierten Prognosen abgeben, denn niemand kann die individuelle Entwicklung Ihrer Erkrankung voraussehen. Denn: Alle Menschen und Erkrankungen sind verschieden. Veröffentlichte Überlebenskurven (engl. = Survival Rates) sind lediglich Statistiken, historische Werte vieler Patienten. Diese Statistiken ergeben KEINE für SIE persönlich zutreffende Prognose. Überlebenskurven können keinesfalls eine Aussage über Ihren persönlichen Krankheitsverlauf treffen; sie also auf sich zu beziehen, wäre völlig falsch. Wie eben bereits gelesen: Positiv denken, kann helfen - ganz nach dem Motto „Das Glas ist halb voll und nicht halb leer! Versuchen Sie nach vorne zu blicken und sich Ziele zu setzen nach dem einfachen Beispiel einer Nierenkrebs-Patientin: „Rosen pf lanzen und sich vorzunehmen sie im nächsten Jahr blühen zu sehen.“ Dies tut sie inzwischen seit über 13 Jahren mit dieser Erkrankung. BEISPIEL Aus dem Gespräch mit einem Patienten (55): „Natürlich war ich von der Diagnose erst einmal geschockt. Krebs - warum ich? Was habe ich falsch gemacht? Doch mit der Zeit - mit der Hilfe erfahrener Mediziner, meiner Familie und Patienten im Lebenshaus habe ich inzwischen gelernt gut damit zu leben. Ich habe begonnen, mein Leben zu ändern. Ich mache heute Dinge, die ich schon immer mal machen wollte – Dinge die mir einfach gut tun. Wir setzen uns jedes Jahr besondere Ziele auf die wir hinfiebern: eine Reise hier, eine Familienfeier da oder eine Ausstel- lung dort. Ich möchte sagen ich lebe heute viel intensiver – ja bewusster als früher und habe sogar neue Dinge für mich entdeckt - wie Nordic Walking und Singen in einem Chor. Auch nehme ich mir heute viel mehr Zeit für Gespräche – mit meiner Frau, meinen Kindern oder mit guten Freunden. Auch sehe ich inzwischen viele Dinge nicht mehr so ernst – so proble­ matisch wie früher – sondern viel leichter und lässiger. Ich würde heute nach über 7 Jahren Erkrankung sagen: Ohne die Diagnose – hätte ich all diese Veränderungen sicher nicht erleben dürfen.“ 2011 3 WissensWert 9. „Patientenkompetenz“ beschreibt im Wesentlichen die aktive Rolle, die ein Patient in seiner Erkrankung spielen will… Leider erleben wir es im Verein „Das Lebenshaus e.V.“ immer wieder, dass Patienten ihre persönliche Verantwortung an der Klinik- oder Praxistür abgeben. Nach dem Motto „der Doktor und sein Team werden es schon richten“ – hinterfragen sie nichts. Eines ist für Patienten wichtig zu wissen: Sie sollten beim „Management ihrer Erkrankung“ eine Mitverantwortung übernehmen - zu ihrem eigenen Wohl. Wie in jeder anderen Branche auch – gibt es auch im Gesundheitswesen Unterschiede in der Qualifikation, im „informiert sein“, im Engagement, in der Motivation und in der Kunden- (hier Patienten-)orientierung. Hinzu kommt ein immer größerer Zeitund Kostendruck auf das medizinische Personal in Kliniken und Praxen. BEISPIEL Die Patientin P. (62) war für mehrere Tage in einer Klinik (= stationär) in Behandlung. Abends erhielt sie Ihre tägliche Tablettenration ans Bett gebracht. Doch die von Schwester K. verabreichte Medikation zur Tumortherapie - sah anders aus als die gewohnten Tabletten. Als kompetente Patientin hinterfragte Frau P. die Medikation und es kam im weiteren Verlauf zu einer heftigen Diskussion mit der Nachtschwester. Das Ergebnis des Streitgespräches war, dass Frau P. sich standhaft weigerte die Tabletten einzunehmen und Schwester K. Frau P. als „aufmüpfige Patientin“ bezeichnete. Am folgenden Tag stellte sich heraus, dass die Schwester den Namen des Präparates falsch entziffert hatte und Frau P. fast ein falsches (…gefährdendes…) Medikament gegeben hätte. Der Begriff Patientenkompetenz steht für eine Grundhaltung des Patienten, selbst aktiv zu werden, sich zu informieren und eigene Kräfte zur Bewältigung seiner Krankheit einzusetzen. Ein kompetenter Patient versucht, durchaus zu hinterfragen, sich im Bedarfsfall weitere Hilfestellungen von außen zu holen - sei es aus seinem sozialen Umfeld oder dem Bereich professioneller Hilfsangebote. Unser Tipp: Informieren Sie sich über Ihre Erkrankung und versuchen Sie ein Basiswissen aufzubauen, damit Sie in der Lage sind, Entscheidungen bewusster zu treffen. Der Arzt kann Optionen aufzeigen und Therapievorschläge machen - entscheiden müssen Sie jedoch selbst. Bei diesem so genannten „Shared Decision Making“ kommt es nicht nur auf eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient, sondern auch auf die „Kompetenz“ des Patienten an. Der Trend im Gesundheitswesen wird künftig weiter dahin gehen, den Patienten als gleichwertigen Partner (Kunden) zu sehen. Dies kann jedoch nur erfolgen, wenn sich der Patient aktiv und kompetent mit seiner Erkrankung auseinandersetzt und die eigene Verantwortung für sich und sein Leben wahrnimmt. 10. Solidargemeinschaften wie IHR Lebenshaus leben auf Dauer nur durch Nehmen und Geben… Eines ist uns wichtig: Das Lebenshaus ist nicht unser Lebenshaus – sondern IHR Lebenshaus. Von Patienten für Patienten entwickelt – um zu helfen. Es lebt davon, dass Patienten Informationen und Unterstützung erhalten – sich im Gegenzug aber auch einbringen. Entweder durch ihre eigene aktive Mitarbeit und/oder durch die passive z.B. finanzielle Unterstützung des gemeinnützigen Vereins. „Geben“ an Das Lebenshaus kann sehr unterschiedlich erfolgen: z.B. AKTIV: n Durch aktive Mitarbeit im Vorstand, als Patientenkontakt in der Region oder als Leiter einer regionalen Patientengruppe. n Durch Ihre speziellen Fähigkeiten. Vielleicht beherrschen Sie beispielsweise gut Englisch und können uns so helfen, medizinische Informationen aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen? Oder Sie haben andere Qualifikationen, die Sie einbringen möchten. n Sie schreiben gerne? Dann unterstützen Sie unseren WissesWert doch durch Recherchen und das Schreiben von Artikeln, die für Ihre Mit-Patienten oder Angehörige hilfreich sein können. 2011 3 Das Lebenshaus BEISPIEL n n Patient R. H. veranstaltete mit seinen Fußball-Freunden eine „Riesen-Party“ in einer Mehrzweckhalle. Fast der ganze Ort feierte und spendete über 6.000,– Euro bei Live-Musik zum Wohle des Lebenshauses. n Patient F. Z. und Ehefrau organisierten mehrere Benefiz Klassikkonzerte. Die Eintrittsspenden kamen dem Lebenshaus-Verein zu Gute. n n Wie wir im Lebenshaus, betreiben unsere Kollegen der englischen Patientenorganisation „Sarcoma UK“ regionale Patientengruppen. Wandern, Fischen, Tanzen, Lesung, Konzert und vieles mehr: Jede Gruppe veranstaltet jährlich ein regionales, öffentliches Event, um für die Organisation zu sammeln. Patienten K. P. und F. Z. – begeisterte und talentierte Maler – spendeten über mehrere Jahre von jedem verkauften Bild 20 Prozent an Das Lebenshaus. n Patient U. S. ist Mitglied in einem Lions-Club. Ein jährliches Sommerfest stand ganz im Zeichen des Lebenshauses und über 4.000,– Euro kamen unserer Arbeit zu Gute. n Patientin H. M. lud Familie und Freunde zu Ihrem 70. Geburtstag ein und bat in der Einladung um Spenden für Das Lebenshaus – statt Geschenken. Es kamen tatsächlich 3.200,– Euro zusammen. Oder Sie sorgen z.B. durch Verteilung von Lebenshaus-Unterlagen bei regionalen Krebstagen oder in Praxen/Kliniken dafür, dass IHR Lebenshaus bekannter wird, damit weitere Patienten den Zugang zu uns finden. PASSIV z.B.: n Durch eine finanzielle Unterstützung! Hier sind die Möglichkeiten und Praxis-Beispiele zahlreich: Mitgliedsbeiträge, Firmen-Spenden, Privat-Spenden, Spenden zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen/Jubiläen – statt Geschenken, Kondolenzspenden oder Nachlass-Spenden. n Durch Benefiz-Aktionen. Sie haben ein ganz besonderes Talent? Wie z.B. Malerei, ein Instrument spielen, Singen, Kochen, eine Sportart betreiben oder Partys organisieren? Dann nutzen Sie doch dieses Talent anderen etwas zu bieten um so für Das Lebenshaus zu sammeln. IHR Lebenshaus ist für jede Art von Engagement und Unterstützung dankbar! 2011 3 WissensWert Best Practice Award „Mehr Dialog bei Krebs” 2012 Die Firma Novartis Oncology macht sich auch 2012 wieder stark für „Mehr Dialog bei Krebs”. Besonders der Dialog zwischen Arzt und Patient soll weiter verbessert werden. Das Unternehmen möchte helfen, die Selbstbestimmung der Patienten zu fördern und den Arzt bei der Beratung des Patienten zu unterstützen. Die Initiative „Mehr Dialog bei Krebs” bringt Ärzte, Patienten-/Selbsthilfegruppen, Patienten und deren Angehörige zusammen, fördert die Kommunikation zwischen den Beteiligten und trägt damit auch zu einer Verbesserung der Behandlung in Onkologie und Hämatologie, zum Beispiel in der Therapie-Compliance, bei. Der Best Practice Award „Mehr Dialog bei Krebs” wird mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. ausgeschrieben. Ausgezeichnet werden beispielhafte Konzepte, Aktivitäten und Informationsangebote zum Thema „Mehr Dialog bei Krebs”, die messbare Erfolge vorweisen können. Die Ausschreibung des Best Practice Award 2012 richtet sich an: n Kliniker und niedergelassene Ärzte aus den Fachbereichen Onkologie und Hämatologie n Onkologisch tätige Ärzte aus anderen Fachbereichen n Psychoonkologen n Pf legepersonal n Patientengruppen/Patienteninitiativen Angenommen werden alle Bewerbungen aus dem deutschsprachigen Raum, die das Thema „Mehr Dialog bei Krebs” beispielhaft umsetzen sowie die Compliance von Patienten mit Krebs fördern und sicherstellen. Gesucht werden Projekte sowohl bei häufigen Tumorerkrankungen wie Brustkrebs als auch bei weniger häufigen Indikationen (z.B. Nierenzellkarzinom, Leukämie oder Sarkome). Im Rahmen der Award-Ausschreibung werden innovative Ideen gesucht, die das Motto „Mehr Dialog bei Krebs” vorbildlich in der Praxis umsetzen. Denkbar sind abgeschlossene oder laufende Projekte, die den Informationsaustausch zwischen Arzt und Patient fördern und langfristig verbessern. Die Art und der Umfang dieser Möglichkeiten können vielfältig sein. Beispiele dafür sind: n Konzepte zur Förderung des Arzt-Patienten-Dialogs n Beratungs- und Betreuungsangebote n Online-Angebote und Printmaterialien nInformationsveranstaltungen nFortbildungen n Beispielhafte Kooperationen n Förderung und Sicherstellung der Compliance Dr. Jan Schildmann, einer der Preisträger des „Best Practice Award“ im Jahr 2009. Alle Einsendungen werden von einer unabhängigen Jury aus Klinikern, Praktikern und Patientenvertretern gesichtet und bewertet. Die Beurteilung der Konzepte erfolgt anhand der eingereichten Unterlagen. Der Best Practice Award 2012 ist mit insgesamt 8.000 Euro dotiert. 1. Preis 5.000 Euro 2. Preis 2.000 Euro 3. Preis 1.000 Euro Einsendeschluss ist der 31. Dezember 2011. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Preisverleihung findet im Rahmen des 30. Deutschen Krebskongresses im Februar 2012 in Berlin statt. Mehr Informationen zu Novartis Oncology und dem Best Practice Award – inkl. ausführlicher Teilnahmebedingungen und Anmeldeformular erhalten Sie unter www.novartisoncology.de 2011 3 Das Lebenshaus Jetzt neu: Basisbroschüren GIST und Nierenkrebs ab sofort verfügbar Wissen vermitteln, aufklären und informieren – dies hat sich das Lebenshaus zur Aufgabe gemacht. Im Zuge dessen wurden in den vergangenen Wochen die Erstinformationen für die Indikationen GIST und Nierenkrebs grundlegend überarbeitet. Die neuen Basisbroschüren sind wesentlich ausführlicher und gehen detaillierter auf die jeweilige Situation der Patienten ein. Nach einer Diagnose GIST oder Nierenkrebs befinden sich Patienten und deren Angehörige in einer vollkommen neuen Lebenssituation - häufig allein gelassen mit ihren Fragen und anstehenden Entscheidungen bezüglich des Weiteren medizinischen Vorgehens. Ganz klar: Die Erkrankung bringt Veränderungen mit sich, über die ein zuvor gesunder Mensch nie nachdenken musste. Plötzlich kommen Fragen auf wie: Welche Therapie ist die Richtige, was können die Ärzte tun, wie kann ich selbst aktiv werden und wie geht es weiter? Fragen, die viele Patienten verunsichern und ein Gefühl des „Ausge­ liefertseins“ hervorrufen. Bleibt doch innerhalb des Arzt-Patienten-Gesprächs meist viel zu wenig Zeit, um wirklich aufzuklären, Ängste zu nehmen und Wege mit der Erkrankung aufzuzeigen. Die neuen Broschüren sind mit 40 bzw. 48 Seiten wesentlich umfangreicher als die ursprünglichen Basisf lyer und vermitteln Informationen zu verschiedenen Krankheitsstadien – ob lokale oder metastasierte Erkrankung. Therapie-Optionen wie Operation, Bestrahlung oder medikamentöse Therapien werden auf aktuellem Stand vermittelt. Die Heftchen im Din-Lang Format bieten einen Kurzüberblick über alle relevanten Bereiche der Erkrankung. Ihr Auf bau basiert dabei auf den Erfahrungen, die Das Lebenshaus in zahlreichen Erstinformationsgesprächen mit Patienten gesammelt hat. Fragen, Ängste und Nöte, die in den Tagen nach Diagnosestellung auftauchen, werden aufgegriffen und beantwortet. Denn eines ist sicher: aufgeklärten Patienten fällt es leichter mit der Krankheit bewusster und sicherer umzugehen. Gerade bei der Erstdiagnose ist daher eine ausführliche Auf klärung zur Erkrankung und den vorhandenen Behandlungsmethoden von elementarer Bedeutung. Das Lebenshaus ist sich dieser Tatsache bewusst und möchte die Patienten mit den überarbeiteten Basisbroschüren bestmöglichst auf ihren weiteren Weg vorbereiten. Die neuen Basisbroschüren werden an alle neudiagnostizierten Patienten sowie Zentren und Ärzte ausgeliefert, die beim Lebenshaus gemeldet sind. Sollte die Möglichkeit bestehen, die Broschüre auch bei Ihrem Arzt auszulegen, würden wir uns über eine Kontaktvermittlung sehr freuen. 3 2011 WissensWert Führende GIST-Experten beantworteten in lockerer Runde vielfältige Fragen rund um die Erkrankung. GIST- und Sarkom-Foren 2011 vom 23. bis 25. Juni 2011 in Bad Nauheim Etwa 130 Teilnehmer trafen sich am 23. und 24. Juni 2011 zum nationalen GIST-Forum für Patienten und Begleiter im Hotel Dolce Bad Nauheim. Die GIST-Foren finden im Zweijahres-Turnus national statt und in den Zwischenjahren mit eintägigen „kleinen“ Foren in den Regionen. Auch in diesem Jahr hatten neudiagnostizierte Betroffene, Experten-Patienten und führende GIST-Mediziner den Weg nach Bad Nauheim gefunden: Um Grundlegendes zu erfahren, Neues aus der Forschung zu hören, Fragen an die Experten zu stellen und sich untereinander auszutauschen. Nach der Begrüßung durch Das Lebenshaus Vorstandsteam (Kai Pilgermann, Christel Jäger-Freysoldt, Stefanie Seite, Marianne Zöphel) und Vereinssprecher Markus Wartenberg – begann das Forum mit dem 45-minütigen GIST-Video „Leben mit GIST“. Dieser Film war 2010 von unseren Schweizer Kollegen - der „GIST-Gruppe Schweiz“ initiiert und im Frühjahr 2011 veröffentlicht worden: Um mehr Aufmerksamkeit auf die Erkrankung GIST zu lenken und neuen Patienten einen Einstieg in das Thema zu ermöglichen. Vor allem Helga Meier-Schnorf war die treibende Kraft hinter dem Projekt – einer gelungenen Mischung aus Information und Emotion. Der Film zeigt anhand von Patientengeschichten den Weg von der korrekten Diagnose zur Therapie sowie den Umgang mit der Diagnose GIST. Beleuchtet wird auch die inzwischen gute internationale Ver­ netzung von Patienten und Ärzten, die notwendige Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Disziplinen und der Forschung. Im Mittelpunkt all dieser Bemühungen steht der Patient. Drei Schweizer GIST10 Patienten sprechen hier von ihrem Schicksal, ihrem Leben, ihrer Krebsgeschichte und lassen dem Zuschauer Raum für Hoffnung. Helga Meier-Schnorf, Claudia und Martin Wettstein von der Schweizer GIST-Gruppe waren extra aus der Schweiz zu diesem GISTForum angereist und Markus Wartenberg dankte ihnen im Namen des Lebenshauses für dieses hervorragende Film-Projekt. Um das im Film Gelernte zum Thema GIST weiter zu vertiefen, fand im nächsten Die Vertreter der GIST-Gruppe Schweiz waren extra zum GISTForum angereist Programmpunkt eine Podiumsdiskussion mit führenden deutschen GIST-Experten statt. In einer lockeren „Talk-Runde“ stellte Markus Wartenberg Fragen an n Herrn Priv.-Doz. Dr. Peter Reichardt, Onkologe aus Bad Saarow, n Frau Prof. Eva Wardelmann, Pathologin aus Köln, n Herrn Prof. Dr. Jochen Schütte, Onkologe aus Düsseldorf und n Herrn Prof. Matthias Schwarzbach, Chirurg aus Frankfurt-Höchst. 2011 3 GIST In etwa 45 Minuten wurden 15 Fragen beantwortet – beispielsweise: Wie sind die Erscheinungsformen dieser Tumoren und was macht nun einen GIST biologisch zum GIST? Welche wesentlichen Symptome machen die GIST? Wie werden sie im Allgemeinen diagnostiziert? Welche Rolle spielt der Radiologe bei GIST? In welchen Phasen der Erkrankung spielt der Chirurg bei GIST eine Rolle? bei der Entscheidung für oder gegen eine medikamentösen Therapien, die chirurmedika­mentöse Therapieoption. So ist z.B. gischen Optionen, die regelmäßige Verheute bekannt, dass Patienten mit „Exon 11 laufskontrolle sowie das Vorgehen beim Mutation“ sehr gut auf die medikamentöse weiteren Fortschreiten der Erkrankung Therapie mit Imatinib ansprechen, dass (= Progression). „Exon-9-Patienten“ von Anfang an mit der höheren Imatinib-Dosis von 800mg/Tag Die beiden Abschlussvorträge an diesem ersbehandelt werden sollten oder dass GIST ten Tag kamen von PD Dr. Sebastian Bauer mit der speziellen Primär-Mutation Exon aus Essen und Vereinssprecher Markus War18 D842V nicht auf Imatinib ansprechen. tenberg. Im ersten Vortrag gab Dr. Bauer Inzwischen fordern die führenden GISTeinen Überblick über den derzeitigen Stand Die Zelle zu identifizieren, aus welcher der Experten und die GIST-Patientenorganisader weltweiten GIST-Forschung. In einer Krebs entstand, ist eine Wissenschaft für tionen weltweit, dass die Mutationsanalyse Art interaktivem Lehrgespräch mit den Zusich. Die Ärzte, die diese Arbeit machen, zu einem optimalen Therapiemanagement hörern, gelang es ihm zentrale Fragen für die nennt man Pathologen. Zu den Aufgaben der GIST unbedingt dazu gehört. GIST-Forschung zu formulieren und aufzudes Pathologen gehören sowohl die exakte Besonders neu diagnostizierte Patienten zeigen an welchen Medikamenten mit vermorphologische, also pathologische Diagnose­ sollten bereits bei Diagnosestellung ihre schiedensten Wirkmechanismen man derzeit stellung, als auch Beiträge zur Prognose­ Mutation erfahren oder zumindest wenige weltweit arbeitet. Eine wichtige Botschaft beurteilung. Eine korrekte Behandlung Wochen nach der GIST-Diagnose ihr Erfür alle Betroffenen mit GIST ist: An kaum hängt von der Krebsart ab – somit ist der gebnis haben. Die Mutationsanalyse wird einer anderen seltenen Krebserkrankung Pathologe eine Art „Lotse der Diagnostik von Pathologen – wie Frau Prof. Wardelwird so intensiv geforscht wie bei den GIST. und davon abhängig die Therapie bei GIST“. mann – am Tumorgewebe durchgeführt. Dies kann von Frischgewebe – z.B. direkt Der zweite Abschlussvortrag von Markus Frau Prof. Eva Wardelmann, die führende nach einer Gewebeentnahme (= Biopsie) Wartenberg und Dr. Bauer beschäftigte sich Pathologin zum Thema GIST in Deutschoder der Operation (= Resektion) oder von mit der enormen Bedeutung des Therapiein Paraffin eingebettet (auch älteren) Tumor­ und Nebenwirkungsmanagements bei land, erläuterte noch einmal die Biologie der Tumoren und die Aufgaben des Pathoproben erfolgen. Wichtig sind Expertise GIST. Hierbei ging es im Wesentlichen um logen bei GIST. und Erfahrung der jeweiligen Pathologen die Themen Compliance (Therapietreue), Diese sind im Wesentlichen bei neu diamit der Mutationsanalyse bei GIST! Therapie-Kooperation, Faktoren eines gnostizierten Patienten: modernen Therapie- und Nebenwirkungsn Erstdiagnose (am Operationsresektat Im nächsten Vortragsblock über 90 Minuten, managements sowie die Rolle des Arztes oder Gewebe der Biopsie) fand erstmals in der Geschichte der natiound die des Patienten. (Näheres finden Sie nalen GIST-Foren eine Aufteilung des Audi­ hierzu in diesem WissensWert im Artikel nEindeutige Diagnosestellung GIST (mit Hilfe der immunhistochemischen toriums in die maßgeblichen Erkrankungs„10 wichtige Tipps für Patienten mit seltenen Marker CD117, CD34, DOG1) phasen statt. Die eine Patientengruppe Krebsdiagnosen…“ unter Punkt 4.) „Lokal primäre Erkrankung (keine Metas­ n Differenzierung zu anderen Tumoren Das gemeinsame Abend-Dinner für die im GI-Trakt tasen)“ wurde von Herrn PD Dr. Peter GIST-Teilnehmer bildete den Abschluss des n Differentialdiagnose c-KIT / CD117 Reichardt im Raum Sprudelhof betreut. In ersten Tages und es wurde intensiv auch zum negativer GIST seinem Vortrag ging es im Wesentlichen Erfahrungsaustausch untereinander genutzt. n Risikoklassifizierung nach Miettinen um die Rolle der Chirurgie, die Risikoklas(Auszählung von 50 High Power Fields) sifizierung, das Thema Rückfall/Rezidiv, Der zweite Tag des GIST-Forums, begann wichtig für Patienten mit lokal-primären die adjuvante Imatinib-Therapie sowie die wieder mit der Aufteilung des Auditoriums Tumor – ohne Metastasierung regelmäßige Verlaufskontrolle. Er erläuterte in zwei 90-minütige Workshops: n Mutationsanaylse bzw. Exonauch noch einmal die wesentlichen Ergebn Das Patienten-Forum GIST – Bestimmung der Primär-Mutation nisse der auf dem ASCO 2011 präsentierten zum Thema „Erfahrungen mit der Besonders auf die Risikoklassifizierung deutsch-skandinavischen Studie. (Artikel Krankheitsbewältigung“ – moderiert (siehe „Adjuvante Imatinib-Therapie“ in „Adjuvante Imatinib-Therapie“ in diesem von Karin Kastrati. diesem WissensWert) und auf die Mutations­ WissensWert.) n Das Angehörigen-Forum GIST – analyse ging Frau Wardelmann detailliert Die zweite Patientengruppe verblieb zur zum Thema „Die besondere Rolle der ein. Die Mutationsanalyse – manchmal „Fortgeschrittenen, metastasierten ErkranBegleiter (Angehörigen) bei GIST auch „Exon-Bestimmung“ genannt – stellt kung“ unter der Leitung von Prof. Dr. Hans geleitet von Brigitte Wartenberg. den Ort der Mutation im Rezeptor-Protein Jochen Schütte und Prof. Dr. Matthias fest und wird immer wichtiger bei der Schwarzbach im Raum Kursaal. Diese VorEinschätzung des Krankheitsverlaufes und träge erläuterten die aktuell verfügbaren, 11 3 2011 WissensWert allem Darmkrebs sowie der nach den Wechseljahren auftretende Brust- und Gebärmutterschleimhautkrebs. Aber auch bereits an Krebs Erkrankte, können ihr Wohlbefinden und Selbstvertrauen durch spezielle Bewegungsprogramme, wie sie an der Goethe-Universität in Frankfurt ent­ wickelt werden, steigern. Denn Bewegung beeinf lusst nicht nur die unmittelbar tumor­ bedingten Symptome, sondern auch therapie­ bedingte Nebenwirkungen, insbesondere die der Chemo- und Target-Therapien. PD Dr. Sebastian Bauer und Anja Lungwitz bei ihren engagierten Vorträgen. Nach einer Pause für die GIST-Teilnehmer, kamen gegen 12:30 Uhr die Teilnehmer des diesjährigen Sarkom-Forums hinzu, um die erkrankungsübergreifenden Themen zu verfolgen. Das Lebenshaus Vorstandsteam und Vereinssprecher Markus Wartenberg konnten knapp 70 Sarkom-Teilnehmer und Referenten zu ihrem ersten Tag begrüßen. Den ersten Vortrag „10 wichtige Tipps für Patienten mit seltenen Krebsdiagnosen…“ hielt Markus Wartenberg. (Den damals 30minütigen Vortrag können Sie in diesem WissensWert ausführlich als Leitartikel von Karin Kastrati und Markus Wartenberg nachlesen.) Der zweite Referent war PD Dr. Hans Ulrich Schildhaus, Pathologe aus Köln. Er half den Zuhörern in kurzweiliger und faszinierender Art und Weise das Thema Krebs in ca. 60 Min. besser zu verstehen. Ein Patient direkt nach dem Vortrag: „Jetzt habe ich endlich eine viel klarere Vorstellung, warum und wie Krebs entsteht, was das mit dem Erbgut zu tun hat, wie Metastasen entstehen und dass der Tumor sich in seinem Umfeld mit Hilfe der Angiogenese ernährt. Diese Basiswissen hilft mir meine eigene Sarkom-Erkrankung viel besser zu verstehen.“ In der folgenden Präsentation von Prof. Dr. Karsten Münstedt ging es um die Rolle der Komplementären Therapien (CAMT) in der Onkologie. In keinem anderen europäischen Land wird soviel Geld für komplementäre Methoden ausgegeben wie in Deutschland. Hier reichen die Wünsche der Patienten – aber auch die Versprechen der vielen Anbieter von Linderung der Nebenwirkungen, über Rezidive vermeiden, das Immunsys12 tem stärken, den Tumor bekämpfen bis hin zu alternativen Therapien, welche die schulmedizinischen Therapien angeblich ersetzen können – gleichsam mit Wunderheilungen per Natur. Doch Vorsicht: Wundermittel gibt es hier (leider) nicht und vieles ist noch nicht genau untersucht. Das heißt, die Wirksamkeit der Substanzen ist in den allermeisten Fällen nicht durch Studien belegt. Manchmal können ganz natürliche Stoffe, die sich eigentlich harmlos anhören sogar einen negativen Effekt auf den Behand­lungserfolg haben. Daher ist es überaus wichtig, dass Patienten alle zusätzlichen Maßnahmen, die sie neben ihrer Therapie ergreifen möchten mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. Es geht nicht um die gene­relle Ablehnung der Komplementärmedizin. Es geht vielmehr darum, selektiv zu entscheiden – welches Angebot, welche Therapie oder Methode - bei welcher Tumorart sinnvoll – hilfreich sein könnte – oder ggf. sogar schaden könnte. Die folgen­ den vier Fragen sollten Betroffene daher vor Beginn einer „zusätzlichen“ Behandlung immer stellen: 1. Was nützt sie/es? 2. Was sind die Nebenwirkungen? 3. Passt sie/es zu meiner Therapie? 4. Was kostet sie/es? „Bewegung und Krebs“ war das nächste Thema im Programm, präsentiert von Anja Lungwitz, Dipl. Sportlehrerin von der Goethe-Universität in Frankfurt. Körperliche Aktivität und Sport können das allgemeine Risiko, an bestimmten Krebsformen zu erkranken, vermindern. Dazu zählen vor Den Nachmittag schlossen die offizielle Verabschiedung der Teilnehmer des GISTForums sowie die Durchführung der ordent­ lichen Mitgliederversammlung des gemeinnützigen Vereins Das Lebenshaus e.V., zu welcher im Vorfeld Mitglieder und Gäste geladen worden war. In etwa 90 Minuten berichteten Vorstand und Vereinssprecher über die Entwicklung, Aktivitäten und Leistungen der Organisation, über die internationalen Verbindungen des Lebenshauses sowie die finanzielle Situation des Vereines. Der Abend endete mit dem gemeinsamen Dinner für die Sarkom-Teilnehmer. Auch hier nutzte man die gemeinsame Zeit bereits für den Erfahrungsaustausch und schaute erwartungsvoll auf den Samstag – den mediz.-wiss. Tag für die Sakom-Patienten. Im Namen des Lebenshaus-Teams (Vorstand, Mitarbeiter, Patientenkontakte) und aller Teilnehmer, bedanken wir uns noch einmal ganz herzlich für die Zeit und das ehrenamtliche Engagement aller Referenten. Weiterhin gilt der Dank des Lebenshauses den forschenden Pharma­ firmen Novartis und Pfizer, welche die Veranstaltung durch ihre finanzielle Unterstützung möglich gemacht haben. Hier möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass die Pharmaunternehmen keinerlei Einfluss auf Ziele, Referenten­ auswahl, Programm und Inhalte der Veranstaltungen ausgeübt haben. (Die Kooperation des Vereins Das Lebenshaus e.V. mit Pharmafirmen erfolgt transparent nach jederzeit einsehbaren Richt­ linien für Finanzierungsvereinbarungen und dem FSA-Kodex.) 2011 3 GIST Die adjuvante Imatinib-Therapie bei GIST – neuester Stand… Seit 2002 ist Imatinib (Glivec®) die zugelassene Standard Erstlinien-Therapie bei fortgeschrittenem, metastasiertem und/oder inoperablem GIST. Doch in den letzten Jahren erhielten immer mehr Patienten – nach erfolgreicher Operation und Tumorfreiheit – den Wirkstoff Imatinib vorsorglich. Zunächst im Rahmen von klinischen Studien in USA und Europa – dann in der sogenannten RELAXStudie und nach der EMEA-Zulassung am 6. Mai 2009 auch per Rezept als zugelassene TherapieOption. Die adjuvante Imatinib-Therapie war bereits im Dezember 2008 in den USA und im Februar 2009 in der Schweiz zugelassen worden. GIST-Patienten mit mittlerem oder hohem Rückfallrisiko, deren Tumor vollständig operativ entfernt wurde, stand dadurch erstmals eine wirksame nach­ operative medikamentöse Therapie zur Verfügung, um das Rezidivrisiko zu reduzieren. Die jüngsten Daten, präsentiert beim ASCO-Kongress 2011 im Juni in Chicago, setzen nun den neuen Standard bei der Behandlungsdauer: 36 Monate statt 12 Monate Behandlungsdauer bei Patienten mit hohem Rückfall-Risiko. Im Behandlungskonzept der GIST kommt der chirurgischen Therapie – Operation oder Resektion genannt – nach wie vor eine zentrale Rolle zu. Die so genannte „R0 Resektion“ (R-Null) ist bislang nach allen Erkenntnissen noch immer das beste prognostische Kriterium. Operable Tumoren sollten daher immer chirurgisch entfernt werden, wenn eine komplette Entfernung auf Grund der Befunde möglich ist. Eine alleinige Operation kann GIST jedoch oft nicht heilen. Mindestens 50% aller Patienten haben erfahrungsgemäß auch nach einer kompletten Resektion ein Rezidiv (= Rückfall) oder bekommen Metastasen (Fernabsiedlungen). Was bedeutet Rezidiv bzw. Rückfall? Ein Rezidiv (von lat. recidere = „zu­rück­ fallen“) ist das Wiederauftreten („Rückfall“) einer Krankheit nach einer Behandlung z.B. Operation, die zeitweilig erfolgreich war. Ursache sind meist eine unvollständige Entfernung des Tumors oder nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen (Mikrometastasen), die nach einiger Zeit zu einem erneuten Auftreten der Krankheit führen können. Bei GIST besteht leider bei einem Teil der Patienten ein sehr hohes Risiko des Wieder­ auftretens der Tumoren – selbst bei Patienten, bei denen der Tumor komplett entfernt wurde und mikroskopisch tumorfreie Ränder zu sehen sind – also einer sogenannten R0 Resektion. Und das auch, wenn durch bildgebende Verfahren in anderen Organen keine GIST-verdächtigen Bereiche aufgefallen sind. Wie bereits erwähnt: Etwa 50% der Patienten erleben erfahrungsgemäß einen solchen Rückfall bei GIST. Und nach allen bisherigen Erfahrungen kommen solche Rückfälle dann nicht nur an der ursprünglichen Stelle (= Lokal-Rezidiv) zurück, sondern in metastasierter Form, also mit Läsionen an mehreren Stellen. Wesentliches Ziel einer adjuvanten Imatinib-Therapie ist es also, das Rückfallrisiko nach Operation zu verringern. Rezidive treten in etwa 40% der Fälle in den ersten zwei Jahren auf. Daher ist generell eine engmaschige Langzeitüberwachung der Patienten bei GIST unerlässlich – selbst nach erfolgreichem Entfernen des Tumors. KEINESFALLS dürfen GIST-Patienten nach erfolgreicher Operation als „geheilt“ entlassen werden – sondern gehören in die Obhut GIST-erfahrener Onkologen. Diese klären dann im weiteren Verlauf ab, ob der Patient gegebenenfalls eine adjuvante (vorsorgliche) Imatinib-Therapie erhalten sollte oder nur eine engmaschige Überwachung. INFO Anfang 2009 hat die Patienten­ organisation Das Lebenshaus e.V. eine Befragung unter ihren Patienten zum Status der Behand­ lung bei „Lokal begrenzter – operierter Primärerkrankung“ durchgeführt. (Teilgenommen hatten 160 Patienten, was zu dieser Zeit etwa 50% der im Lebenshaus organisierten Betroffenen mit diesem Erkrankungsstadium entsprach.) Die Auswertungen zeigten hierbei unter anderem: „Rezidiv“ bedeutet für die meisten Patienten Rückfall – und zwar nicht in Form einer lokal begrenzten Erkrankung – sondern in Form einer metastasierten Erkrankung. Bei etwas über 80% der Befragten kehrte die Erkrankung mit durchschnittlich 5,5 Metastasen – überwiegend in der Leber und/oder im Bauchraum zurück. 13 3 2011 WissensWert Was heißt „adjuvante“ Imatinib-Therapie? Wie kommen Patienten zu ihrer Risikoklasse? Als „adjuvante Therapie“ bezeichnet man in der Medizin generell ergänzende oder unterstützende Therapiemaßnahmen mittels Adjuvans. Der Begriff „Adjuvans/adjuvant“ kommt aus dem Lateinischen = adjuvare und bedeutet „helfen“. In der Onkologie bezeichnet der Begriff bei Krebserkrankungen eine Therapie, die nach vollständiger operativer Entfernung aller erkennbaren Tumoranteile angewandt wird, um mögliche, bisher aber noch nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen (Mikrometastasen) zu bekämpfen und dadurch die langfristigen Perspektiven des Patienten zu verbessern. Ganz allgemein kommen im Rahmen der adjuvanten Therapien z.B. Chemotherapie, Hormontherapie, Strahlentherapie und neuerdings auch Target-Therapien zur Anwendung. Die Risikoklasse sollte unbedingt in dem Pathologiebericht stehen, mit welchem die Diagnose GIST gestellt wurde. Entscheidend bei der Risikobewertung waren bislang die Größe des Primärtumors bei Diagnose und die so genannte Mitoserate. Die Mitoserate ist der Wert für die Zellteilungsrate und somit auch für die Geschwindigkeit (Aggressivität) des Tumorwachstums. Er wird vom Pathologen mit HPF (High Power Fields) angegeben – einer Einheit für die Messung unter dem Mikroskop. Die Auszählung sollte unbedingt für 50 HPF (Gesichtsfelder) erfolgen. Es wäre falsch, nur 10 HPF auszuzählen und das Ergebnis mit fünf mal zu nehmen. Adjuvanz bei GIST bedeutet konkret: Die Wirkung einer Therapie zusätzlich unterstützend. Hierbei handelt es sich um eine Art „vorsorgliche Therapie“ – nach kompletter Tumorentfernung als Vorbeugung (Prophylaxe) vor einem möglichen Rezidiv. Eine adjuvante Behandlung mit Imatinib ist am ehesten bei Patienten mit signifikanten – also hohem oder mittlerem Risiko angezeigt, bei denen das Rückfallrisiko – trotz erfolgreicher Operation – besonders hoch ist. Die adjuvante Imatinib-Therapie zielt darauf ab, möglicherweise vorhandene, noch nicht sichtbare Metastasen zu behandeln und somit die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs zu senken. 14 Als „ALTER Risikoindex“ gilt inzwischen die „Risikoklassifizierung nach Dr. C. Fletcher“ (einer Vereinbarung zwischen europäischen und amerikanischen Ärzten). Dort findet man Risikogruppen von very low (sehr niedrig) über low (niedrig) und intermediate (mittel) bis high (hohem) Rückfallrisiko. High Risk also Hoch-Risiko beginnt hier: z.B. bei Tumorgröße größer 5cm und einer Mitoserate größer 5/50HPFs. WICHTIG Bei GIST ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen GISTerfahrenen Pathologen, Radiologen, Chirurgen und Onkologen unerlässlich. Dies gilt auch für das operable Stadium der Erkrankung: Die Feststellung der Risikoklasse sowie der Primär-Mutation bei GIST durch den Pathologen, der Einsatz der modernen Bildgebung zur Diagnostik und Verlaufskontrolle, die fachgerechte Beseitigung = Resektion des Tumors, die permanente Kontrolle des Patienten sowie das qualifizierte Management einer möglichen adjuvanten Imatinib- Therapie durch den Onkologen müssen perfekt ineinander greifen. Die „AKTUELLE Risikoklassifizierung“ erfolgt nach der Tabelle der beiden Mediziner Miettinen und Lasota (genannt „MiettinenTabelle“). Die beiden US-Pathologen hatten 2006 eine Untersuchung vorgestellt, die auf realen Daten von nahezu 2.000 „GIST-Fällen“ basiert. Sie leiteten davon eine erweiterte Risikoklassifizierung ab, die neben Tumorgröße und Mitoserate noch einen weiteren wichtigen Faktor berücksichtigt: die Tumor­ lokalisation. Man weiß inzwischen, dass sich z.B. GISTs des Dünndarms aggressiver verhalten als GISTs des Magen. Wichtig auch: Von den drei Parametern Tumorgröße, Tumorlokalisation und Mitoserate hat besonders die Mitoserate die deutlich höchste Gewichtung in Bezug auf eine Rückfallprognose. BEISPIEL Beispiel 1: Ein 10,5 cm großer GIST am Magen (ohne Metastasen) wird optimal entfernt. Der Pathologe ermittelt eine Mitose-/Zell­ teilungsrate von 8 Mitosen je 50/HPF (= High Power Fields = Gesichtsfeldern unter dem Mikroskop.) Nach der MiettinenTabelle hat der Patient mit 86% ein hohes Rückfall-Risiko. Beispiel 2: Ein 4,0 cm großer GIST am Dünndarm (ohne Metastasen) mit einer Mitose-/Zellteilungsrate von 3 Mitosen je 50/HPF zeigt mit 4,3% ein niedriges Rückfall-Risiko. 2011 Rückfall-/Metastasenrisiko bei GIST nach Miettinen (2006): Gruppe Größe Mitoserate WICHTIG Lokalisation Magen Dünndarm Duodenum Rektum 1 < 2 cm < 5/50 HPFs 0% 0% 0% 0% 2 2 – 5 cm < 5/50 HPFs SN 1,9% N 4,3% N 8,3% N 8,5% 3A 5 – 10 cm < 5/50 HPFs N 3,6% M 24,0% H 34,0% H 57,0% 3B 10 cm < 5/50 HPFs M 12,0% H 52.0% H 34,0% H 57,0% l H 50.0% u H 54,0% 5 2 – 5 cm 5/50 HPFs M 16,0% H 73.0% H 50,0% H 52,0% 6A 5 – 10 cm 5/50 HPFs H 55,0% H 85.0% H 86,0% H 71,0% 6B 10 cm 5/50 HPFs H 86,0% H 90.0% H 86,0% H 71,0% 4 < 2 cm 5/50 HPFs 3 GIST lsehr geringe Fallzahl ukeine Fälle l ASCO 2011: Mehr Klarheit bei der Behandlungsdauer Vom ASCO 2011 erwarteten GIST-Betroffene und medizinische Experten mit Spannung neueste Daten zur Behandlungsdauer mit Imatinib in der adjuvanten Therapie. Hierbei handelte es sich um die Daten der Skandinavisch-Deutschen Studie (SSG XVIII/AIO) – einer Phase III Studie zur adjuvanten Behandlung der GIST. Die Studie verglich das RFS = Recurrence Free Survival (das rückfallfreie Überleben) bei Hochrisiko-Patienten die 36 Monate Imatinib erhielten versus Patienten, die 12 Monate Imatinib bekamen. Von Anfang 2004 bis Herbst 2008 wurden 400 Patienten in diese Studie eingeschlossen; die Patienten erhielten Das Lebenshaus e.V. hat – durch die Patientenbefragung im Jahr 2009 – ebenfalls festgestellt, dass nur 1/3 der Patienten ihre Risikoklasse kennen. Wären Sie also beispielweise derzeit tumorfrei und würden ihre Risikoklasse nicht kennen, sollten Sie dies drin­gend mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen und um eine nachträgliche Klassifizierung bitten. Denn nur so kann ermittelt werden, ob eine adjuvante Imatinib-Therapie für Sie in Frage kommt oder regelmäßige Kontrolle ausreicht. Das Tumorgewebe – eingebettet im sogenannten Paraffinblock – wird mindestens 10 Jahre in der Pathologie archiviert, die auch die Diagnose GIST gestellt hat. In der Regel dauert eine erneute Klassifizierung nur wenige Tage. SN = Sehr niedrig N = Niedrig M = Mittel/Moderat H = Hoch Zahl= Rückfallrisiko in Prozent in beiden Studienarmen 400mg/Tag Imatinib. Die wesentlichen Ergebnisse: Die adjuvante Imatinib-Therapie über 36 Monate gegeben, verbessert das rezidivfreie Überleben und das Gesamtüberleben von Patienten mit hohem Rückfall-Risiko nach Operation – verglichen mit der Patientengruppe, die in der Studie Imatinib nur 12 Monate adjuvant erhielten. Danach war in der Studie das RFS = Recurrence Free Survival (das rückfallfreie Überleben) bei Hochrisiko-Patienten die Imatinib 36 Monate erhalten hatten deutlich besser, verglichen mit den Patienten in der 12 Monats-Gruppe. Das „5 Jahres RFS“ betrug hier 65,6% (36 Monate) zu 47,9% (12 Monate). Noch bedeutsamer waren die Ergebnisse zum OS = Overall Survival (dem Gesamt­ überleben). Die Patienten der 36 MonatsGruppe hatten eine höhere 5-JahresÜberlebenswahrscheinlichkeit (92,0 %) gegenüber der 12 Monats-Gruppe (81,7%). Vereinfacht heißt dies: Das Risiko innerhalb von 5 Jahren nach Diagnose eines operablen Hochrisiko GIST zu versterben, wird durch die 36-monatige adjuvante Imatinib-Therapie gegenüber einer 12-monatigen Therapie tatsächlich halbiert. 15 3 2011 WissensWert Was heißt Imatinib „adjuvant“ im klinischen Alltag? Da wir im Lebenshaus seit der Zulassung im Mai 2009 und den neuen ASCO-Daten im Juni 2011 erleben, dass noch viele Unsicherheiten bei Patienten und Ärzten im klinischen Alltag bestehen bzw. es auch zu individuellen (manchmal noch immer sehr eigenwilligen) Empfehlungen pro oder contra der adjuvanten Imatinib-Therapie kommt, haben wir mit Unterstützung führender GIST-Experten nachfolgendes Dokument entwickelt, WissensWert Seite 17 bis 19: Erfahrungen, Hinweise und Empfehlungen zum praktischen Management der adjuvanten Imatinib-Therapie bei GIST (Gastrointestinale Stromatumoren). INFO Noch einmal zur klaren Unterscheidung der beiden wesentlichen Erkrankungsphasen: Lokal begrenzter, operabler Primärtumor: Hierbei handelt es sich um den lokal begrenzten Ursprungstumor, der noch keine Fern-Metastasen gebildet hat. In der Regel sind diese Tumoren gut operabel und im Ganzen resezierbar. Der Patient hat nach OP keine sichtbaren/messbaren Tumor-Areale mehr (R0 = tumorfrei). Je nach Rezidiv­risiko (Miettinen-Tabelle) und vorliegender Primär-Mutation kann eine adjuvante (vorsorgliche) Imatinib-Therapie angezeigt sein, um das Rezidiv-/ Rückfallrisiko zu vermindern. Die ASCO-Ergebnisse aus dem Juni 2011 setzen den neuen Standard bzgl. Behandlungsdauer: 36 Monate Behandlung bei Patienten mit hohem Rückfallrisiko. Fortgeschrittener – inoperabler/metastasierter GIST: Hierbei liegen in der Regel – neben dem Ursprungstumor – bereits Fern-Metastasen im Bauchraum oder in anderen Organen wie der Leber vor. Neben möglichen individuellen operativen Eingriffen - ist die Erstlinien-Therapie mit 400mg/Tag Imatinib hier unbedingt angezeigt (EMEA-Zulassung Imatinib in dieser Anwendung seit 2002). WICHTIG: Beim metastasierten GIST… • …spielt die „Miettinen-Tabelle“ keine Rolle, da es sich ja bereits um eine fortgeschrittene Erkrankung handelt. Das heißt, Metastasen sind bereits nachgewiesen. • …werden alle Patienten dauerhaft mit Imatinib als ErstlinienTherapie behandelt. Ausnahme: Patienten, die initial Imatinib nicht vertragen (Imatinib-Unverträglichkeit). Hier ist die Behandlung mit Sunitinib angezeigt (EMEA-Zulassung Sunitinib seit 2006). • …ist eine Mutationsanalyse (Exon-Bestimmung) der Primär- Mutation unbedingt zu fordern, da die Art der Mutation therapierelevant ist. Patienten mit Exon 9 Mutation beispielsweise sollten von Beginn der Behandlung an eine höhere Imatinib-Dosis = 800mg/Tag erhalten. • …liegt keine Begrenzung der Therapiedauer vor. Hier wird das Medikament als Dauertherapie ein Leben lang eingenommen oder bis zum nachgewiesenen weiteren Fortschreiten der Erkrankung (= Progress) und damit unter Umständen verord­ neten Wechsel der Therapie. 16 Lokal begrenzte, operable Erkrankung: Einfacher Behandlungsablauf im Überblick 2011 3 GIST Die adjuvante Imatinib-Therapie bei GIST – praktisches Management Mit den nachfolgenden Erfahrungen, Hinweisen und Empfehlungen möchte Das Lebenshaus e.V. für etwas mehr Klarheit beim praktischen Management der adjuvanten Imatinib-Therapie und damit für eine bessere Behandlungsqualität in Deutschland beitragen. Erfahrungen, Hinweise und Empfehlungen zum praktischen Management der adjuvanten Imatinib-Therapie bei GIST (Gastrointestinale Stromatumoren). Wesentliche Studien-Grundlagen: Phase-III-Studie ACOSOG Z9001: Die doppelblinde, randomisierte und multizentrische Phase-III-Studie wurde in den USA und Kanada unter der Leitung der American College of Surgeons Oncology Group (ACOSOG) durchgeführt und vom National Cancer Institute, USA, unterstützt. Ergebnisse u. a.: Die postoperative Einnahme von Imatinib reduziert signifikant die Rezidivrate bei primären GIST. Nach einem Jahr Imatinib-Therapie blieben 98% der Patienten rezidivfrei, unter Placebo 83%. (Damit wird das relative Rezidiv­ risiko um 89% gesenkt.) Skandinavisch-Deutsche Studie (SSG XVIII/AIO) Phase III Studie zur adjuvanten (vorsorglichen Behandlung) der GIST. Ergebnisse u. a.: Die adjuvante ImatinibTherapie über 36 Monate gegeben, verbessert das rezidivfreie Überleben und das Gesamtüberleben von Patienten mit hohem Rückfall-Risiko nach Operation – verglichen mit der Patientengruppe, die in der Studie Imatinib nur 12 Monate adjuvant erhielten. Danach war in der Studie das RFS = Recurrence Free Survival (das rückfallfreie Überleben) bei Hochrisiko-Patienten die Imatinib 36 Monate erhalten hatten deutlich besser, verglichen mit den Patienten in der 12 Monats-Gruppe. Das „5 Jahres RFS“ betrug hier 65,6% (36 Monate) zu 47,9% (12 Monate). Overall Survival (Gesamt­ überleben): Die Patienten der 36 MonatsGruppe hatten eine höhere 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit (92,0 %) gegen­ über der 12 Monats-Gruppe (81,7%). Erfahrungen, Hinweise und Empfehlungen: 1) Das durchschnittliche Rezidivrisiko nach R0-Resektion beträgt bei GIST etwa 50%. „Rezidiv“ bedeutet für die meisten Patienten einen Rückfall in Form einer metastasierten Erkrankung mit mehreren Metastasen – überwiegend in der Leber und/oder im Bauchfell/ Bauchraum. 2) Es ist zwingend erforderlich, dass Pathologen neben der Diagnose GIST, ebenfalls eine Risikoklassifizierung nach Miettinen (2006) durchführen. Letztere bedingt die Nennung der Tumorlokalisation, die Messung der Tumorgröße und die Ermittlung der Mitose-/Zellteilungsrate (gemessen in 50 HPF – nicht in 10 HPF!!!). Mutations-/ Exonanalysen der PrimärMutation haben einen prädiktiven und prognostischen Wert und sind somit inzwischen bei der diagnostischen Aufarbeitung jedes GIST notwendig. 3) Weiterhin ist zu fordern, dass Chirurgen Patienten über die Option der postoperativen Imtinib-Therapie auf klären und Betroffene – nach erfolgreicher Resektion – in die Obhut von Kollegen/Innen mit Expertise in GIST und der medikamentösen Tumortherapie überweisen. 4) GIST- und Imatinib-erfahrene Mediziner sollten ihre Patienten gründlich über die Therapie und mögliche Nebenwirkungen auf klären. Auch eine regelmäßige Kontrolle der Patienten – alle drei Monate – mit Mitteln der modernen Bildgebung (CT oder MRT) ist inzwischen bei erfahrenen Medizinern Standard. 5) Die adjuvante Behandlung mit Imatinib ist am ehesten bei Patienten mit deutlichem (= signifikantem) – also hohem oder mittlerem Risiko angezeigt, bei welchen das Rückfallrisiko nach der Miettinen-Tabelle – trotz erfolgreicher Operation – besonders hoch ist. Basierend auf der bisherigen europäischen Zulassung, raten die führenden GISTExperten in einer Art „Ampel-Modell“: ROT Niedrigrisiko-Patienten: Sollten nicht behandelt werden! GELB Mittelrisiko-Patienten: Können behandelt werden! (Genaue individuelle Prü­fung notwendig!) Mutationsstatus erforderlich! GRÜN Hochrisiko-Patienten: Sollten unbedingt behandelt werden! Mutationsstatus erforderlich! Das heißt ganz klar: Patienten mit niedrigem (low) oder sehr niedrigen (very low) Rezidivrisiko sollten lt. bisheriger EU-Zulassung und nach derzeitigem Kenntnisstand keine adjuvante Behandlung erhalten. 6) Ein äußerst hohes Rückfallrisiko haben Patienten, n wenn es vor oder während der Operation zur Tumor-Ruptur gekommen ist oder 17 3 2011 WissensWert n wenn keine R0-Resektion durchgeführt werden konnte. Führende GIST-Patienten sprechen im Zusammenhang mit der „TumorRuptur“ nicht mehr von einer notwendigen adjuvanten Therapie – sondern von der unbedingten Behandlung mit Imatinib als metastasierte Erkrankung. Erste Daten einzelner GIST-Zentren zeigen auch, dass Patienten, bei denen die Tumoren in sehr ausgedehnten Operationen (sogenannten multivis­zeralen Operationen) entfernt wurden, ein höheres Rückfallrisiko zu haben scheinen. 7) Low-Risk- oder Very-Low-Risk bedeutet nicht, dass ein Rückfallrisiko mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Auch in diesen Risikoklassen gibt es nach Miettinen ein statistisches Rezidivrisiko von bis zu 8,5%. Das heißt: Auch bei diesen Patienten sollte eine regelmäßige Nachsorge/Kontrolle mit Mitteln der modernen Bildgebung (CT oder MRT) durchgeführt werden. 8) Mutationsstatus (basierend im Wesentlichen auf den Ergebnissen der Studie Z9001): n Exon 11: Wie von den Erfahrungen mit der Imatinib-Therapie bei den metastasierten/inoperablen Erkrankung zu erwarten war, haben Patienten mit Exon 11 Mutation den größten Nutzen von einer adjuvanten Imatinib-Therapie. n Exon 9: Daten aus der Therapie der metas­tasierten/inoperablen Erkrankungen mit Imatinib zeigen, dass Patienten mit c-KIT-Mutation in Exon 9 initial eine höhere Imatinib-Dosierung benötigen (800mg/Tag). Hiervon profitieren die Patienten mit einem deutlich längeren progressionsfreien Überleben (Heinrich et al. 2003 J Clin Oncol). Für die adjuvante Imatinib-Therapie der Exon 9 GIST gibt es weltweit keine veröffent­lichten Daten. Die in der bisherigen EUZulassung festgelegte Dosierung (für alle Mutationen) beträgt 400mg/Tag Imatinib. Derzeit ist daher eine adjuvante Imatinib-Therapie mit 800mg/ Tag kein Standard, sondern ist im Einzelfall durch GIST-erfahrene Mediziner zu erwägen/zu diskutieren. 18 PDGFRA Exon 18: PDGFRA-mutierte GIST mit der Mutation D842V in Exon 18 sind initial resistent gegen Imatinib. Das heißt: Wenn eine solche Mutation verlässlich vorliegt, sollte keine adjuvante Imatinib-Therapie durchgeführt werden. Dies gilt jedoch nicht für alle Exon 18 Mutationen: Eine Mutation Y849C in Exon 18 spricht beispielsweise auf Imatinib an (Corless, C. L. et al. 2005 J Clin Oncol; 23:5357­5364). n Wild-Typ GIST (keine Mutation nachweisbar): Ist keine KIT- oder PDGFRMutation verlässlich nachweisbar, sollte keine adjuvante Imatinib-Therapie erfolgen, da kein Nutzen für Patienten nachgewiesen werden konnte. Verlässlich bedeutet hier, dass wirklich auf alle Muta­ tionen durchgeprüft worden ist und nicht nur häufige Mutationen ausgeschlossen worden sind! n Bei anderen seltenen Mutationen empfehlen wir Rücksprache des behandelnden Arztes mit GIST-Referenz­ zentren (Pathologien in DE = Köln-Bonn, AT = Wien, CH = Basel) oder sehr erfahrenen GIST-Experten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. n 9) Die bisherige EU-Zulassung sagt nichts über den Zeitraum nach der Operation aus, in dem mit einer adjuvanten ImatinibTherapie begonnen werden kann/sollte. Das heißt: In der Regel empfehlen die GIST-Experten einen zeitnahen Beginn der Therapie nach erfolgreicher R0Resektion – doch auch High-Riskoder Intermediate-Risk-Patienten, die mehrere Wochen oder Monate nach einer Operation tumor-/metastasenfrei sind, können eine adjuvante Therapie noch beginnen. 10)Compliance/Adherence: Besonders dem Therapie- und Nebenwirkungs­ management kommt bei der adjuvanten Imatinib-Therapie ein hoher Stellenwert zu: Denn nur wenn der Patient auch Therapietreue bei dieser vorbeugenden Therapie zeigt, bleibt die Chance gewahrt, entsprechend von der Therapie zu profitieren und hoffentlich tumorfrei zu bleiben. Keinesfalls sollte das Therapieund Nebenwirkungs­management auf Hausärzte delegiert werden, denn diese haben in der Regel keinerlei Erfahrung mit der Erkrankung, der Therapie und dem Nebenwirkungsmanagement! 11)Die aktuelle EU-Zulassung sagt derzeit noch nichts über die Therapiedauer aus, also wie lange eine adjuvante ImatinibTherapie durchgeführt werden soll. Es wird dort lediglich Bezug auf die PhaseIII-Studie ACOSOG Z9001 genommen. Doch die neuen signifikanten ASCODaten aus dem Juni 2011 – bzgl. des rückfallfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens der 36 Monatsgruppe – führten sofort nach Bekanntwerden dazu, dass Patienten mit hohem RückfallRisiko nun mindestens 36 Monate behandelt werden. Eine Änderung der bestehenden EU-Zulassung wird derzeit erwartet! Eine 5-Jahres-Phase-II-Studie (CSTI571BUS282 / NCT00867113) hat in den USA im Jahr 2009 begonnen – doch Ergebnisse aus dieser Studie sind realistisch frühestens in fünf Jahren zu erwarten. 12)Unsere mehrjährigen Erfahrungen mit Patienten, die eine adjuvante ImatinibTherapie erhalten sind sehr unterschiedlich: Es gibt Patienten, die froh sind, ihre vorsorgliche Therapie nach dem definierten Zeitraum beenden zu dürfen. Es gibt andere Patienten, die voller Ängste und Zweifel sind, ihre Therapie gegebenenfalls nach 36 Monaten beenden zu müssen. Solche „psychischen Belastungen/Ängste/Zweifel“ sind aus unserer Sicht sehr ernst zu nehmen und im Arzt-Patienten-Dialog eingehend zu besprechen. Generell empfehlen wir, alle Patienten sorgfältig aufzuklären und im Arzt-Patienten-Dialog eine gemeinsame tragfähige Risikoabwägung bzw. Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Imatinib-Therapie zu treffen. 2011 3 GIST Adjuvante Imatinib-Therapie im Überblick: 19 3 2011 WissensWert Die „Patientenkoalition Schweiz“ ist gegründet – Ein Meilenstein in der Geschichte der nationalen Patientenmitsprache Lange hatten Patientinnen und Patienten darauf gewartet, heute wurde die nationale „Patientenkoalition Schweiz“ gegründet. Der neue Verein wird die Interessen von Krebsbetroffenen und Angehörigen bündeln und koordiniert bei den Meinungsmachern und Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen einbringen. 2010 von der Krebsliga initiiert, markiert der heutige Gründungs­ anlass einen Meilenstein auf dem Weg zu mehr Patientenmitsprache. Sozialversicherungsfragen, beruf liche Wiedereingliederung, Vereinbarkeit von Beruf und Pf lege: Man war sich im Berner Kornhausforum einig, dass Menschen mit schweren und chronischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie ihre Angehörigen eine gemeinsame Stimme brauchen. Eine Stimme, die sich als starke Kraft in die gesundheitspolitische Landschaft einbringt und Entscheidungen dort partnerschaftlich mitgestaltet, wo die Interessen gegenwärtig und potentiell Betroffener tangiert sind. „Solidarität darf in einer Zeit, in der viele Umwälzungen stattfinden und die von ständig steigenden Krankenkassenprämien gekennzeichnet sind, nicht zu einer bloßen Floskel verkommen“, unterstrich denn auch Dr. Gilbert Bernard Zulian, Vizepräsident der Krebsliga Schweiz in seiner Ansprache. Rund 50 Vertreterinnen und Vertreter von Patienten- und Selbsthilfevereinigungen, aber auch Betroffene und Angehörige, die nicht in einer Interessenorganisation einge20 bunden sind, nahmen an der Gründungsversammlung teil. Nach angeregter Diskussion wurden die Statuten verabschiedet, die neuen Vorstandsmitglieder mit viel Applaus bedacht. „Wir stehen nun an dem Punkt, wo aus einer Vision Wirklichkeit wird und wir etwas bewegen können“, freute sich Max Lippuner, der erste Präsident der „Patientenkoalition Schweiz“. Mit der Gründung der „Patientenkoalition Schweiz“ nimmt das Konzept der delegierten Mitbestimmung nun auch im Schweizer Gesundheitswesen konkrete Gestalt an. Fortan wird es Betroffenen mit schweren und chronischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, ihren Angehörigen möglich sein, Kräfte zu bündeln und Themen gegenüber Legislative, Exekutive, Bundesämtern und Kommissionen wirkungsvoll Gehör zu verschaffen. Ein großer Erfolg, hinter dem ein langer Atem und viel Arbeit stecken. Die Forderung nach mehr Mitbestimmung in gesundheitspolitischen Fragen ist nicht neu, allein sie verhallte über Jahre hinweg nahezu ungehört. Am 29. Mai 2010 griff die Krebsliga Schweiz das Thema erneut auf und lud mit unterstützenden Partner­ organisationen zur Gründungsplattform in den Berner Kursaal. 60 Erstunterzeichnende bekundeten dort den Willen zur Bildung einer nationalen Patientenkoalition und erteilten im November 2010 einer Pilotgruppe den Auftrag, die Grundlagen für die Vereins­ gründung zu erarbeiten. Die nächsten Schritte Kompetent, unabhängig und vernetzt will die „Patientenkoalition Schweiz“ Wirkung in zentralen gesundheitspolitischen Anliegen erzielen: Mehr Mitsprache für Patientinnen und Patienten, verbesserte beruf liche Eingliederung von Menschen mit chronischen Krankheiten, neue Modelle, um Erwerbs­ tätigkeit und Pf lege miteinander zu verein- 2011 baren, eine obligatorische KrankentagegeldVersicherung und die bestmögliche Qualität in Diagnose, Behandlung, Betreuung und Kommunikation. Und sie möchte sich bald möglichst über den Kreis krebsbetroffener Menschen hinaus auch den Anliegen anderer chronisch Kranker annehmen. Gründungsversammlung „PATIENTENKOALITION SCHWEIZ“ vom 10. September 2011 in Bern Weitere Informationen: www.krebsliga.ch www.krebsliga.ch/patientenkoalition Unter der kundigen Leitung von Dr. Peter R. Müller, Programmleiter Support + Vernetzung der Krebsliga Schweiz, hat die GIST Gruppe-Schweiz als Steuerungsgruppe versucht, die Vereinsstatuten und die Vereinsgründung im Sinne und aus der Sicht der Patienten, der Angehörigen von Patienten sowie der Patientenvertreter vorzubereiten. Die Vorstandsmitglieder der „Patientenkoalition Schweiz“ Präsident: Max Lippuner, PK Patientenorganisation / Europa Uomo Schweiz, Hägendorf Vorstand: Liz Isler, Forum Lungenkrebs Schweiz, Basel Michael Deppeler, dialog gesundheit, Zollikofen Walter Gisin-Müller, Myelom Kontaktgruppe Schweiz (MkgS), Tenniken Vincent Griesser, Association PROSCA / Europa Uomo Schweiz, Châtel-St-Denis Heidi Liechti, Melanomgruppe, Zürich Elsbeth Martinoni, Europa Donna Svizzera, Minusio Mitarbeit der GIST-Gruppe Schweiz bei den Vorbereitungsarbeiten Dass dabei nicht immer alle Mitglieder derselben Meinung waren ist sicher menschlich und gleichzeitig aber der Sache dienlich, da dadurch eine wertvolle und umfassende Diskussion ausgelöst wurde. Besonders gelungen ist die Heterogenität, welche sowohl in dieser Steuerungsgruppe als nun auch im Vorstand der Patientenkoalition ihren Platz fand. Jüngere und ältere Menschen, Leute aus (fast) allen Landesteilen sowie eine Durchmischung von Patientinnen und Patienten mit verschiedenen schweren und chronischen Beschwerden haben dafür gesorgt und werden auch weiterhin sicherstellen, dass die vielfältigen Interessen kompetent und aus erster Hand erkannt und vertreten werden. 3 GIST Martin Wettstein, Präsident der GISTGruppe Schweiz, freut sich sehr auf seine Mitgliedschaft in dieser neuen Patienten­ koalition und darf diese gerne auch anderen Patientinnen und/oder Vertretern von Patientenorganisationen weiterempfehlen. Das Ziel ist, die Interessen einer möglichst grossen Anzahl von Betroffenen zu wahren und zu vertreten und deshalb gilt auch hier: Zusammen haben wir mehr Gewicht, zusammen sind wir besser wahrnehmbar und verfügen über mehr einschlägige Spezialkenntnisse in den eigenen Reihen, um unsere Ziele auch zuverlässig und nachhaltig erreichen zu können. Die GIST-Gruppe Schweiz wünscht der PKS, der Patientenkoalition Schweiz einen guten Start mit viel Enthusiasmus, viel Verständnis bei den Adressaten ihrer Anliegen und eine gute Mischung von Eigen- und Kollektivinteressen bei der internen Arbeit. Von Martin Wettstein, Präsident GISTGruppe Schweiz Die Krebsliga Schweiz (Gründungsjahr 1910) engagiert sich als gemeinnützige Organisation in der Krebsprävention, in der Forschungsförderung und für die Unterstützung von Menschen mit Krebs und ihren Angehörigen. Sie vereinigt als nationale Dachorganisation mit Sitz in Bern 20 kantonale und regionale Ligen. Sie wird vorwiegend durch Spenden finanziert und ist ZEWO-zertifiziert. 21 2011 3 WissensWert GIST- und Sarkom-Foren 2011 vom 23. bis 25. Juni 2011 in Bad Nauheim Der medizinisch-wissenschaftliche Tag des diesjährigen Sarkom-Forums fand in Kooperation mit der GISG (German Interdisciplinary Sarcoma Study Group) und der Patientenorganisation SOS Desmoide statt. Folgende Sarkom-Experten waren der Einladung des Lebenshauses gefolgt und referierten zu diesen Themen: n PD Dr. Bernd Kasper, Mannheim (Mitglied des mediz.-wiss. Beirates des Lebenshauses) Sarkome - Einleitung und Überblick n Prof. Dr. Gunhild Mechtersheimer, Heidelberg Sarkome - Pathologie und Molekulargenetik n Prof. Dr. Matthias Schwarzbach, Frankfurt Sarkome – Qualitative Chirurgie von Sarkomen am Körperstamm, im Retroperitoneum und an den Exktremitäten (inkl. ILP = Isolierte Extremitäten­ perfusion) n PD Dr. Lars Lindner, München Sarkome - Klassische Chemotherapien (inkl. Hyperthermie) n PD Dr. Bernd Kasper, Mannheim Sarkome - „nib, mab und imus“: Neue systemische – zielgerichtete Therapien! Was sind genau Targeted Therapies – am Beispiel Imatinib/Sunitinib? Targeted Therapies mit Sarkom-Potenzial wie z.B. Trabectedin, Pazopanib oder Ridaforolimus… 22 Nachfolgend eine verständliche Zusammenfassung von SarkomBasiswissen Sarkome sind mit jährlich rund 4000 bis 5000 Neuerkrankungen in Deutschland eine vergleichsweise seltene Tumorgruppe. Die Tumoren werden leider oft erst spät erkannt, da an die Möglichkeit eines Weichgewebe- oder Knochensarkoms zunächst oft nicht gedacht wird. Die frühzeitige Diagnose und interdisziplinäre Ko­ operation von erfahrenen Sarkom-Experten jedoch - ist entscheidend für den Verlauf und die (Über-)Lebensprognose des Patienten. Hinzu kommt, dass es sich bei den Sarkomen nicht um ein Krankheitsbild handelt. Es lassen sich inzwischen weit über 150 histologische Subtypen gut- und bös­ artiger Weichgewebetumoren klassifizieren, wobei etwa 50 bis 60 maligne Subtypen häufiger auftreten und als lebensbedrohend einzuordnen sind. Die Behandlungsqualität beginnt bereits bei der Bestimmung durch erfahrene Pathologen wie Frau Prof. Dr. Mechtersheimer, die mit entsprechender Expertise und Erfahrung eine eindeutige Diagnose stellen müssen. Einige Weichgewebesarkome wie beispielsweise die GIST, Leiomyosarkome oder Lipo­ sarkome treten häufiger auf – doch bei der Hälfte der Betroffenen finden sich zum Teil extrem seltene Subtypen. Sarkome sind Tumoren, die keine Grenze kennen. Das heißt: Sarkome können praktisch in allen Körper­ regionen auftreten. Entsprechend unterschiedlich sind die Symptome, mit denen sich die verschiedenen Subtypen manifes­tieren. Wichtigstes Ziel muss es sein, dass jeder Patient die richtige Diagnose gestellt bekommt und eine für seine spezielle Tumorsituation am besten geeignete Therapieform erhält. Das begründet die Forderung der Patientenorganisationen und führender Sarkom-Experten, Patienten mit solchen Diagnose unbedingt in spezialisierten Sarkom-Zentren zu behandeln. Derzeit gibt es in Deutschland etwa ein Dutzend qualifizierte Sarkom-Zentren, was heißt, dass oft eine „wohnortnahe“ Versorgung der Patienten nicht zu gewährleisten ist. Hauptsymptom der meisten Weichgewebe­ sarkome ist eine Raumforderung, also eine Schwellung oder Wucherung, die oft keine spezifischen Beschwerden verursacht. So erfolgt die Erstdiagnose oft erst bei Patienten mit bereits lokal fortgeschrittenen Tumoren oder bereits erfolgter Metastasierung. Dabei steht die Metastasierung in die Lunge im Vordergrund – seltener ist das Auftreten von Metastasen in den Knochen. Der Grad der Tumordifferenzierung ist neben der Größe und der Lage sowie dem Vorhandensein von Metastasen für die Behandlungsplanung von großer Bedeutung. Zur Behandlung gehört je nach Stadium und Subtyp die Operation, Bestrahlung sowie Chemotherapie oder Target-Therapien (medikamentöse oder systemische Therapien). 2011 Chirurgie Sollten Patienten die Diagnose „Sarkom“ gestellt bekommen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, während des Erkrankungsverlaufes chirurgisch behandelt zu werden. Die Chirurgie spielt eine zentrale Rolle in der Behandlung von nahezu allen Weich­ gewebesarkomen. Sie ist die älteste Form der Therapie und sicherlich auch die Wirksamste: Denn die meisten Heilungen werden noch immer durch die Chirurgie (Operation, Resektion) erreicht oder durch die Kombination der Chirurgie mit Bestrahlung und/ oder medikamentöser Therapie. So ist die sogenannte R0-Resektion (mikroskopisch tumorfreie Ränder) noch immer das beste prognostische Kriterium auch bei den Weichteilsarkomen. Wenn im Laufe Ihrer Erkrankung chirurgische Techniken eingesetzt werden – dann meist aus verschiedenen Gründen. Jeder sehr unterschiedliche chirur­ gische Eingriff hat seine eigene Zielsetzung: um z.B. den Primärtumor zu entfernen, um andere Tumoren/Läsionen/ Metastasen zu entfernen oder z.B. um Symptome/ Beschwerden zu vermeiden/zu lindern. Strahlentherapie Ziel der Strahlentherapie ist es, das Tumorgewebe lokal/regional zu zerstören. Die Dosiseinheit in der Strahlentherapie heißt Gray (gebräuchliche Abkürzung Gy). Die für eine Tumorvernichtung notwendige Dosis richtet sich nach der Strahlenempfindlichkeit des entsprechenden Tumors und liegt meist zwischen 40 und 70 Gy. Welche Gesamtdosis für den einzelnen Patienten und seine Erkrankung angestrebt wird, legt der behandelnde Radioonkologe in der Regel vor dem Behandlungsbeginn fest. Diese Gesamtdosis wird in „Einzelportionen“ aufgeteilt (Fraktionierung). Bestrahlung alleine wird extrem selten zur definitiven Behandlung von Weichgewebe­ sarkomen eingesetzt. In den Fällen, in welchen eine Operation nicht möglich ist – Tumoren nicht oder eingeschränkt resektabel sind – kann Bestrahlung primär sinnvoll sein. Grundsätzlich kann eine Bestrahlungstherapie bei Sarkomen, vor, während oder nach der Operationen gegeben werden. Für etliche Sarkome hat sich inzwischen als Standard – um den Tumor unter Kontrolle zu bringen – die Kombination aus Operation und Bestrahlung etabliert. Die Bestrahlung wird hier z.B. angedacht, um entweder lokale/regionale Rezidive zu vermeiden, die sich durch verbliebene, mikroskopisch kleine Zellen entwickeln könnten oder zur Zerstörung benachbarter Läsionen, die operativ nicht entfernt werden konnten. 3 SARKOME Zugelassene Zytostatika (Substanzen in der Chemotherapie) zur Behandlung von Weichteilsarkomen: n Doxorubicin n Ifosfamid n Dacarbazin n PEG-liposomales Doxorubicin (Kaposi-Sarkome) n Trabectedin (nach Doxorubicin/ Ifosfamid) Chemotherapie Der Ausdruck Chemotherapie bezeichnet die medikamentöse (systemische = im ganzen Körper wirkende) Therapie von Krebserkran­ kungen. Eine Chemotherapie kann – abhängig vom Stadium der Erkrankung – unter kurativen (heilenden), neoadjuvanten (vorher unterstützenden), adjuvanten (unterstützenden) oder palliativen (lindernen) Gesichtspunkten durchgeführt werden. Die Medikamente der Chemotherapie (Zytostatika) können auf verschiedene Art verabreicht werden: in Tabletten- oder Kapselform, per Spritze oder per Infusion. Dies kann sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Zytostatische Medikamente können einzeln (Monotherapie) oder miteinander kombiniert (Polychemotherapie oder Kombinationstherapie) und in einer bestimmten Abfolge verabreicht werden. Die Festlegung der Dosierung erfolgt entweder nach Milligramm pro Tag (Tabletten, Kapseln) oder durch Berechnung nach Körperoberf läche (XY mg je 1m 2 Körper­ oberf läche). PD Dr. Bernd Kasper aus Mannheim referierte zum Thema „Neue systemische zielgerichtete Therapien bei Sarkomen“. Substanzen mit Zulassung für andere Indikationen aber dokumentierter Wirksamkeit bei Weichteilsarkomen: n Docetaxel + Gemcitabin n Gemcitabin n Paclitaxel n Trofosfamid n Actinomycin D (bei Kindern) n Aromataseinhibitoren Target-Therapien oder zielgerichtete Therapien Die Gruppe der „Targeted Therapies“ sind ein neuer Ansatz in der Behandlung von Krebs. Dank neuer Erkenntnisse der Molekularbiologie und Biomedizin können in der gezielten Krebstherapie bestimmte Merkmale und Eigenschaften bösartiger Zellen für die Entwicklung neuer, spezifischer Medikamente genutzt werden – etwa monoklonale Antikörper gegen Oberf lächenproteine der Krebszellen oder zur Hemmung der krebsbedingten Neubildung von Blutgefäßen (Antiangiogenese). Da diese Merkmale auf gesunden Zellen meist kaum oder gar nicht vorkommen, ist die gezielte Krebstherapie in der Regel gleichsam schonend und wirksam. Das Prinzip der gezielten Krebstherapie ist es, besondere Merkmale und Eigenschaften von Krebszellen zu identifizieren, welche auf gesunden Körperzellen nicht vorkommen, um Medikamente zu entwickeln, die gezielt Krebszellen bekämpfen und gesunde Zellen verschonen. Dabei wird beispielsweise ausgenutzt, dass Krebszellen meist Veränderungen in ihrer Erbsubstanz aufweisen (Mutationen), welche zu veränderten Proteinstrukturen auf den Krebszellen führen. Wie Sie in diesem WissensWert im Bericht vom ASCO 2011 lesen können, sind bei bestimmten Sarkom-Subtypen die neueren, 23 2011 3 WissensWert sogenannten Target-Therapien im Vormarsch. Je eindeutiger dabei die histologische Diagnose feststeht, desto eher kann eine solche zielgerichtete Therapie sinnvoll sein. Hyperthermie Überwärmung des ganzen Körpers oder einzelner Körperareale. In der Krebstherapie allgemein, erfolgt eine künstliche Temperaturenerhöhung auf Werte zwischen 40 und 44 Grad Celsius, je nach angewandter Methode. Das primäre Ziel ist nicht das direkte Abtöten von Krebszellen durch die Überwärmung. Sondern: Tumorzellen sollen sensibler für natürliche Abbauprozesse oder auch Strahlen- oder Chemotherapie werden. Extremitätenperfusion (ILP) Sonderform der Chemotherapie, mit der nur Extremitäten behandelt werden. ILP steht für „Isolated Limb Perfusion“ (= Isolierte Extremitäten Durchströmung/ -f lutung). Bei der ILP wird der vom Tumor befallene Arm oder das vom Tumor befallene Bein unter Narkose vom Blutkreislauf zeitweise „abgekoppelt“ und mit sehr starken zytostatischen Medikamenten (TNF-alpha = Tumor-Nekrose Faktor alpha und Melpha­ lan = Chemotherapeutikum) durchspült. Da bei dieser Behandlung nicht der gesamte Körper behandelt wird und die Extremitäten mehr chemo-therapeutische Medikamente vertragen als andere Körperteile oder Organe, kann hier mit größeren MedikamentenMengen oder stärkeren Medikamenten gearbeitet werden als bei der „normalen“ Chemotherapie. Ein wichtiges Ziel der Extremitätenperfusion kann es sein, eine Amputation zu verhindern, indem nur der betroffene Arm oder das betroffene Bein eine sehr hoch dosierte Chemotherapie erhält, die dazu führen soll, dass der Tumor sein Wachstum einstellt, kleiner wird oder sogar ganz verschwindet. Oft folgt der ILP eine Resektion/Operation nach. Nach der Mittagspause, fanden Kurzvorträge zu ausgewählten Sarkom-Subtypen statt: 24 Prof. Dr. Matthias Schwarzbach bei seinem Vortrag zur Chirurgie bei Sarkomen. PD Dr. Hans Ulrich Schildhaus, Pathologe aus Köln. Er half GIST- und SarkomPatienten das Thema „Krebs Allgemein“ besser zu verstehen. Desmoide Abdomens, der Haut, der Gefäße und des Weichgewebes aufgrund unterschiedlicher Kriterien unterteilt. Kurzvortrag folgte von Dr. Marit Ahrens, Essen Der Desmoid-Tumor ist ein strahlenresistenter Tumor aus der Gruppe der Fibro­matosen, der sich an den Umhüllungen von Muskeln (Muskelfaszien) bildet. Aufgrund seines Verhaltens, der Neigung in das umliegende Gewebe infiltrierend einzuwachsen wird der DesmoidTumor klinisch zu den niedrigmalignen Sarkomen gezählt. Die allgemeine Inzidenz beträgt 1:4 Millionen. Am häufigsten betroffen sind Frauen nach der Schwangerschaft (durch einen Desmoid-Tumor im Bauchraum). Bei Kindern und Jugendlichen sind eher Extremitäten, Kopf und Nackenbereich betroffen. Ein Desmoid-Tumor kann sich spontan zurückbilden oder langsam fortschreiten. Dabei kann es zu schmerzhaften Entzündungen, Beeinträchtigungen der Funktion benachbarter Organe und Einschränkungen der Beweglichkeit von Gliedmaßen kommen. Kurzvortrag folgte von PD Dr. Bernd Kasper, Mannheim Leiomyosarkom Leiomyosarkome sind bösartige (maligne) Tumoren des Weichgewebes, die weniger häufig vorkommen als die Leiomyosarkome des Uterus oder des Gastrointestinaltraktes. Sie machen 5-10% der Weichgewebesarkome aus und sind bspw. seltener als das Liposarkom und das undifferenzierte pleomorphe Sarkom. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Generell werden uterine und nicht-uterine Leiomyosarkome unterschieden. Nichtuterine Leiomyosarkome werden nochmal in Leiomyosarkome des Retriperitoneums/ Liposarkom Das Liposarkom ist ein seltener bösartiger Tumor des Weichteilgewebes (Sarkom), der feingewebliche Merkmale von Fettzellen oder Fettzellvorstufen aufweist. Mit einem Anteil von 16–18 % ist das Liposarkom eines der häufigeren Weichteilsarkome. Histologischer Subtyp Häufigkeit Grad der Differenzierung Gut differenziertes Liposarkom 40–45 % niedriggradig Myxoides/rundzel­ liges Liposarkom 30–35 % mittelgradig/ hochgradig Pleomorphes Liposarkom 5% hochgradig Dedifferenziertes Liposarkom selten hochgradig Kurzvortrag folgte von PD Dr. Lars Lindner, München Insgesamt war das zweite Sarkom-Forum wieder eine kompetente und sehr hilfreiche Veranstaltung – mit Grundlagen, Neuem aus der Forschung, Diskussionen mit erfahrenen Sarkom-Experten und einem regen Austausch unter den Betroffenen. Unser herzlicher Dank gilt auch hier dem ehrenamtlichen Engagement aller Referenten und der Unterstützung der beiden forschenden Pharmafirmen Novartis und Pfizer. 2011 3 SARKOME Vom diesjährigen ASCO in Chicago: Überblick über neue/potentielle Behandlungsperspektiven bei Sarkomen Vom 4. – 8. Juni 2011 fand in Chicago/USA der diesjährige ASCO-Kongress statt. Über 30.000 Mediziner, Patientenvertreter und Mitarbeiter der Pharmaindustrie aus aller Welt treffen sich jährlich zu diesem bedeutenden wissenschaftlichen Krebskongress (ASCO steht für American Society of Clinical Oncology). Der französische Sarkom-Experte Dr. Axel Le Cesne verfasste für die europäische Dachorganisation aller Sarkom-, GIST- und Desmoidgruppen „Sarcoma Patients EuroNet e.V. /Assoc.“ einen Kongressbericht in Englisch mit den wichtigsten Ergebnissen. Dieser Bericht wurde im Lebenshaus von Susanne Gutermuth aus Darmstadt übersetzt und von Markus Wartenberg bearbeitet. Liebe Susanne – im Namen aller Sarkom-Patienten im Lebenshaus: Herzlichen Dank für Deine Zeit und Dein Engagement! Im Bereich Sarkome hatte die ASCOKonferenz 2011 mit hervorragenden Ergebnissen aufzuwarten. Das Konzept der zielgerichteten Therapien, das mit den GIST ganz am Anfang dieses Jahrtausends ins Leben gerufen wurde, hat zweifellos für die seltenen Tumoren neue Horizonte eröffnet. Eine bessere biologische und zytogenetische Charakterisierung von Sarkomen im Allgemeinen führt dazu, dass jeder histologische Subtyp in den kommenden Jahren ein potenzielles Ziel für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze ist. In jedem histologischen Subtyp sind die Signalwege erforscht, so dass klinische Studien initiiert werden können, die auf molekularen Anomalitäten basieren (diese sind primär und ursächlich für einige, sekundär für andere Subtypen). Das Jahr 2011 ist gekennzeichnet durch das Ende der herkömmlichen Chemo­ therapien und durch die Entwicklung zielgerichteter Therapien – erkennbar durch die Tatsache, dass bei dieser ASCO-Konferenz keine Vorträge über die klassischen Chemotherapien gehalten wurden! Was gibt es also beim ASCO 2011 Neues für den Bereich Sarkome? Gliederung: A. Adjuvante Chemotherapie B. C hemotherapie/neoadjuvante Strahlentherapie C. C hemotherapie bei fortgeschrittener Erkrankung D. Z ielgerichtete Therapien (Target-Therapien) und Zytostatika E. N eues zu histologischen Sarkom-Subtypen A. Adjuvante Chemotherapie Ein sensibles Thema bleibt weiterhin die adjuvante Chemotherapie, für die es keinen internationalen Konsens gibt. Gründe sind u. a. die Tatsache, dass sich die Indikation von Land zu Land unterscheidet, das Knowhow, der Glaube der Versuchsleiter und auch die Interpretation in der Literatur, die oft widersprüchlich ist. In diesem Jahr ist die Studie über „Uterine Sarkome“ (Pautier et al, abstract no 10022) zweifellos die interessanteste. Dafür gibt es mindestens 3 Gründe: 1. Die Schwierigkeit, Patienten mit solchen seltenen Krebsformen in Studien einzuschließen (Chemotherapie plus Strahlen­therapie gegenüber einer alleinigen Strahlen­therapie). Problem: Die vor­zeitige Beendigung der Studie mangels zunehmen­ der Zahl Studienteilnehmer (81 Patienten), 2. die Eigenwilligkeit, lediglich eine spezielle Sarkom-Unterart, die mit einer herkömmlichen Chemotherapie behandelt wurde, in eine Studie einzuschließen, 3. die positiven Ergebnisse für das progressionsfreie Überleben (PFS) nach 3 Jahren bei adjuvanter Chemotherapie (Steigerung von 41% auf 55% bei dem Studienarm Chemo­therapie plus Strahlentherapie). Das Überleben nach 3 Jahren wurde ebenfalls verbessert (von 69% auf 81%) – war aber nicht signifikant. Bewegen wir uns vorwärts zu neuen therapeutischen Standards für die Behandlung von „Uterinen HighGrade Sarkomen“? SarcGyn-Studie Progressionsfreies Überleben in beiden Studien-Armen: Chemotherapie plus Strahlentherapie (BLAU) gegenüber der alleinigen Strahlentherapie (GRÜN) 25 2011 3 WissensWert B. Chemotherapie/ neoadjuvante Strahlentherapie 1. In spezialisierten Zentren werden lokal fortgeschrittene „High-Grade Sarkome der Gliedmaßen“ häufig mit einer systemischen Induktions-Therapie behandelt. Ob dieses Verfahren einen Einf luss auf das Überleben hat, konnte bis jetzt noch nicht gezeigt werden, außerdem müssen Kriterien definiert werden, nach denen Patienten, die von dieser Behandlung profitieren könnten, ausgewählt werden. Derzeit gibt es noch keine laufende randomisierte Studie zur Beantwortung dieser Frage. 2. Eine nicht-randomisierte Phase-II-Studie zur Beurteilung einer kombinierten ChemoStrahlentherapie bei „Retroperitonealen Sarkomen“ (Gronchi et al, abstract no 10020): 84 Patienten erhielten 3 Zyklen hoher Dosen Ifosfamid mittels Dauerinfusion (1g/m 2/Tag über eine Dauer von 14 Tagen) bei gleichzeitiger Strahlentherapie ab dem 2. Zyklus (50,4 Gray in 28 Einzel-/Teildosen). Nur 2/3 der Patienten konnten das vorher festgelegte Programm beenden. Bei sieben Patienten wurde ein objektives Ansprechen beobachtet, bei einem Patienten eine Progression (Fortschreiten), bei den anderen eine stabile Erkrankung. 79 Patienten wurden operiert, bei 70 konnte eine komplette makroskopische Resektion erreicht werden. (Makroskopisch = mit dem Auge sichtbar). Die lokoregionäre (lokoregionär = auf eine bestimmte, eng begrenzte Stelle bzw. auf ein unmittelbar zusammenhängendes System/ Organsystem beschränkt) progressionsfreie 3-Jahres-Überlebensrate beträgt 69%, während die 3-Jahres-Überlebensrate 80% erreicht. Die Rolle der neo-adjuvanten Strahlentherapie wird durch eine randomisierte Phase-III-Studie untersucht, die bald durchgeführt werden soll. Dies ist die einzige Möglichkeit, um zu zeigen, dass ein solcher Ansatz für „Retroperitoneale Weichteil­ sarkome“ relevant sein kann. 3. Die endgültigen Ergebnisse der von der EORTC (EORTC = European Organization for Research and Treatment in Cancer) koordinierten Studie (Studie 62961), über die 2007 (Issels et al, abstract no 10009) 26 berichtet wurde, liegen vor. In dieser Studie wurden für lokal fortgeschrittene Weichteil­ tumoren zwei Behandlungen verglichen: Zum einen eine EIA Induktions-Chemotherapie (Etoposid 250 mg/m 2 , Ifosfamid 6 g/m 2 und Adriamycin 60 mg/m 2 ), zum anderen die gleiche Chemotherapie in Kombination mit lokaler Hyperthermie. Das gleiche Team berichtet jetzt, dass G2Sarkome von der Chemotherapie-Hyperthermie-Kombinationsbehandlung besser profitieren als G3-Sarkome (Issels et al, abstract no 10021). Das gilt für lokoregionäre Rezidive und die progressionsfreie Über­ lebenszeit (PFS) sowie für das Gesamtüberleben. Warum? Fortsetzung folgt… 4. Für die Italienische Sarkom-Gruppe müssen die Auswirkungen der „adjuvanten“ Chemotherapie nicht mehr aufgezeigt werden, seit sie die Ergebnisse ihrer randomisierten Studie mit 107 Patienten vor einigen Jahren veröffentlicht haben (Frustaci et al, JCO 2001, 19: 1238-1247). Dieses Vorgehen ist mittler­ weile transalpiner Standard. Die folgende Studie, die von der italienischen SarkomGruppe koordiniert wird, vergleicht 5 Zyklen Chemotherapie (3 Zyklen neo-adjuvant, gefolgt von 2 Zyklen als adjuvante Behandlung) mit 3 Zyklen der gleichen Chemotherapie (Epiadriamycin 120 mg/m 2 , Ifosfamid 9 g/m 2 ) als neo-adjuvante Behandlung. Die Ergebnisse wurden im letzten Jahr vorgestellt (ASCO 2010, Gronchi et al, abstract no 10003): Die Prognose für die Patienten ist für jedes analysierte Kriterium in den beiden therapeutischen Studien-Armen ähnlich (nicht signifikant unterschiedlich), die Gesamtüberlebensrate liegt bei 69% in einem Arm. In diesem Jahr versuchte das gleiche Team, eine Korrelation/einen Vergleich zwischen den RECIST-Ansprechkriterien (= Response Evaluation Criteria In Solid Tumors = Bewertung nach Größenänderung) und den CHOI Ansprechkriterien (Bewertung nach Dichte-Änderung im CT) in Richtung der Bedeutung für die Zukunft des Patienten zu untersuchen (Stacchiotti et al, abstract no 10019): RECIST-Kriterien helfen nicht, Untergruppen von Patienten mit genauen Prognosen zu identifizieren (Patienten, die ansprechen, schneiden genauso gut oder schlecht ab wie solche, die nicht ansprechen). Über 30.000 Teilnehmer verzeichnete das ASCO Meeting in diesem Jahr. Die CHOI-Kriterien dagegen erlauben die Aussage, dass Patienten, die ansprechen, eine verbesserte Überlebensrate zeigen im Vergleich zu Patienten in einer stabilen oder fortschreitenden Erkrankung. Diese Studie ist jedoch retrospektiv, d. h. CT-Scans wurden retrospektiv (= zurückblickend) mit den CHOI-Kriterien analysiert. Zwei nicht eindeutige Gruppen von Patienten wurden verglichen. Warum die Daten der progressiven Patienten mit denen in einer stabilisierten Erkrankung zusammengefasst wurden, ist eine unbeantwortete Frage. Dennoch lieferte diese Studie eine weitere Bestätigung, dass lokalisierte „Leiomyosarkome“ weniger empfindlich für Chemotherapie sind als die anderen Sarkom-Subtypen, wie es in der metastasierten Situation beobachtet wurde (Casali et al, abstract no 10089). Die gleiche Aussage ergibt sich aus einer anderen italienischen Serie mit nur 29 Patienten, die mit Anthrazyklinen und Ifosfamid behandelt wurden (Comandone et al, abstract no 10086). 5. Einer der interessantesten Beiträge befasste sich mit dem Test eines Anti-MDM2 (Substanz RG7112 – Nutline – von Roche) bei „operablen - lokalisierten oder lokal fortgeschrittenen gut differenzierten und dedifferenzierten Liposarkomen“ welche MDM2 überexprimieren oder verstärken. (Coquard et al, abstract no 10007b). Dieser Test war eine Phase-II-Pilotstudie, sozusagen der erste Test am Menschen für diesen 2011 der Zellproliferation (K167). Diese Studie, die unstrittige Beweise einer klinischen (PR) und biologischen Wirksamkeit enthält, ist ausgesprochen innovativ und sollte sehr genau verfolgt werden. Sarkom-Subtypen. Bei nicht resezierbaren (= operierbaren) Patienten wurden zwei bis drei Zyklen einer 10 Tage-Behandlung (1440 mg/m 2/Tag oral) pro Zyklus von 28 Tagen vor radikalen Operationen, bzw. Biopsien geplant. Zusätzlich wurden an Tag 1 und Tag 8 des ersten Zyklus pharmako­ kinetische und pharmakodynamische Probe­ nahmen geplant. In 6 Monaten wurden 20 Patienten in die Studie eingeschlossen, 11 mit gut differenzierten und 9 mit dedifferen­ zierten Liposarkomen: 83% der Liposarkome hatten eine MDM2-Verstärkung und selt­ samerweise hatten 2 Patienten eine p53Mutation (in der Regel zeigen Liposarkome eine MDM2-Verstärkung). Die Toxizität zeigt sich vor allem im Magen-Darm-Trakt bei 2 Patienten, die an Grad 3-4 Erbrechen litten, einem Vorfall von Fieber-Neutropenie und 5 Fällen von Grad 3-4 Thrombozytopenie (dies korreliert mit der AUC). Ein Patient erfuhr eine partielle Remission (PR), 13 Patienten wurden stabilisiert (SD) und bei 5 zeigte sich eine Progression (PD). Zehn Patienten wurden operiert, einer starb an postoperativen Blutungen (Ursache war nicht das Medikament). Der Vergleich der biologischen Parameter, die zwischen Tag 1 und Tag 8 getestet wurden, zeigt einen deutlichen Anstieg von p53, p21 und MDM2, der Apoptose (= Zelltod) von Intra-Tumorzellen und der MIC (Makrophagen hemmende cytokine1) im Serum während der Behandlung. Dieser Anstieg geht einher mit einer signifikanten Abnahme 6. Um dieses Thema vollständig abzuschließen, gab es zwei Poster-Präsentationen, die Erfahrungen eines Instituts mit der Induktions-Chemotherapie (Tanaka et al, abstract no 10078) und der Kombination von Induktions-Chemotherapie und intra­ operativer Strahlentherapie (Schmitt et al, abstract no 10076) darstellen. Beiden kommen zu folgenden Schlussfolgerungen: n E in solcher Ansatz ist machbar, n e s ist notwendig, klinische Studien hierzu zu entwickeln, n e s gab eine hohe Rate an R0-Operationen und n d ie 2-Jahres-Überlebensraten waren sehr befriedigend ( jeweils 91,4% bzw. 83%). C. Chemotherapie bei fortgeschrittener Erkrankung Aus einer Studie ergibt sich, dass auch in der palliativen Behandlung eine Operation die einzige kurative Behandlung für Weichteilsarkome ist. Es ist wichtig, beim Auftreten von Lungenmetastasen oder bei der Nachbehandlung von Patienten, deren Primär­ tumor mehrere Jahre zuvor reseziert wurde, nicht routinemäßig aufzugeben (Glogowski et al, abstract no 10088). Überraschenderweise (…vielleicht zum ersten Mal…) ist dies die einzige wissenschaftliche Arbeit, die in diesem Jahr ausschließlich chirurgische Daten für Weichteiltumore präsentiert. Diese Studie zeigt, dass 29% der metastasierten Patienten, die operiert wurden (294 Lungenresektionen, 159 Patienten, mehrere aufeinanderfolgende Thorakotomien für einige von ihnen), nach 5 Jahren noch leben. Diesen Patienten, oft mit weniger als 4 Metastasen, wurden alle Metastasen komplett reseziert. Sie haben eine längere krankheitsfreie Zeit (länger als 1 Jahr) zwischen der Diagnose und dem metastatischen Rückfall. Das alles ist nicht wirklich innovativ, aber diese Studie ist sehr wichtig für die Behandlung unserer Patienten. Dies alles gilt auch für 3 SARKOME Weichteilsarkome an seltenen Lokationen. Eine andere Studie weist ferner darauf hin, dass die Qualität der ersten Resektion das Ergebnis der Patienten prognostisch bestimmt: Patienten mit einem primären „Herz-Sarkom“, die von einer R0-Resektion profitiert haben, haben eine mediane Überlebenszeit von 36 Monaten gegenüber 17 Monaten bei marginal oder unvollstän­ digen Resektionen (Isambert et al, abstract no 10093). Hierbei ist zu beachten, dass die mittlere Größe der Weichteilsarkome zum Zeitpunkt der Diagnose 6 cm beträgt (das größte fast 10 cm), dass sie bevorzugt im Vorhof (74%) und manchmal multifokal (10%) liegen und dass die 2 häufigsten histo­ logischen Subtypen Angiosarkome und dedifferenzierte Sarkome waren. D. Zielgerichtete Therapien (Target-Therapien) und Zytostatika 1. Pazopanib (GW786034 = Votrient® von GSK – bereits zugelassen beim mRCC) VEGF, PDGF und KIT-Inhibitor, Pazopanib wurde an 142 Patienten mit einer Dosierung von 800mg/Tag in einer Phase-IIStudie getestet, über die auf der ASCO 2007 berichtet wurde (Sleijfer et al, abstract no 10031). In Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) von 3 Monaten haben sich sehr ermutigende Ergebnisse gezeigt (außer bei Liposarkomen). Dieses Jahr wurde über die randomisierte PALETTE-Studie, die diese Therapie mit einem Placebo (Randomisierung 2:1, ohne Cross-Over) vergleicht, berichtet (Van Der Graaf, abstract no LBA10002). Dieser Bericht ist eines der Highlights des Jahres: 369 Patienten (aus 13 Ländern und 72 Zentren), die mit Anthrazyklinen vorbehandelt wurden (nicht mehr als 4 aufeinander folgende Monotherapien oder 2 Polychemotherapien), waren zwischen 2008 und 2010 in die Studie eingeschlossen. Die Toxizitäten von Pazopanib zeigt sich vor allem durch Müdigkeit (13% mit Grad 3 – aber auch 5% mit Grad 3 im Placebo-Arm), Durchfall (5% mit Grad 3) und Hypertonie (7% mit Grad 3). Die objektive Ansprechrate im Pazopanib Arm beträgt 6% gegenüber 0% in der Placebo-Gruppe (67% der SD im Vergleich zu 38%). Im Pazopanib27 2011 3 WissensWert Arm erhöht sich die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) um 200%, von 7 auf 21 Wochen (p> 0,0001), während sich die Gesamtüberlebenszeit um einen Monat erhöht (p = 0,17)! Diese Studie ist die erste globale Studie für Weichteilsarkome, die eine AntiTumor-Wirksamkeit von anti-angiogenen Faktoren (hier VEGFR) wissenschaftlich belegt. Bewegen wir uns hier hin zu einer Zulassung von Pazopanib für Weichteil­ tumore? Weitere Perspektiven: Diese Ergeb­ nisse könnten zu einer ersten adjuvanten Studie für „High-Grade Weichteilsarkome“ führen (Pazopanib versus Placebo). 2. mTor Inhibitoren (Ridaforolimus, Sirolimus, Temserolimus) Analoga von Rapamycin, Inhibitoren des mTOR-Signalwegs, die den intrazellulären Signalweg der AKT/mTOR/S6kinase blockieren, wurden in diesem Jahr für Weichteilsarkome mit zwei Vorträgen und zwei Plakat-Diskussionen vorgestellt: n 28 Ridaforolimus (AP23573 von Ariad in Kooperation mit MSD Merck): Nach der Phase-II-Studie, über die im Jahr 2007 berichtet wurde (Chawla et al, abstract no 10076), wurden die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden Phase-III- Studie im Vergleich zu Placebo erwartet: Dies war die erste Studie, die eine gezielte Therapie von nicht-progressiven Patienten unter konventioneller Chemotherapie beurteilt (First- bis Thirdline-Chemotherapie) (Chawla et al, abstract no 10005). 711 Patienten wurden einbezogen – das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) ist signifikant um 3,1 Wochen (nach Aussage unabhängiger Gutachter), bzw. 7,7 Wochen (nach Aussage der Untersuchenden) angestiegen, jedoch ohne signifikante Auswirkungen auf das Überleben (2 Monate). In der Regel sind Patienten, die mit Ridaforolimus behandelt wurden, nach abgeschlossener Chemotherapie stabil (-1,3%), während unter der Placebo-Behandlung langsam eine Progression eintritt (+10,3%). Alle histologischen Subtypen profitieren von Ridaforolimus. 61% der in den therapeutischen Arm eingeschlossenen Patienten entwickelten eine Mukositis (9% mit Grad 3), bedauerlicherweise sind auch sechs Todesfälle im Zusammenhang mit Lungen-Probleme im Ridaforolimus Studienarm zu beklagen. n Die Kombination von Sirolimus und Endoxan wurde auch bei metastasierenden Weichteilsarkomen beurteilt (Schuetze et al, abstract no 10003): Endoxan scheint die Aktivität von Sirolimus nicht zu fördern (1 Patient mit PR von 47 auswertbaren Patienten). n Darüber hinaus gab es zwei klinische Phase-I-Studien, die die Kombination von Temserolimus und Irinotecan (Movva et al, abstract n° 10027) und die Kombination von Temserolimus und liposomalen Anthrazyklinen beurteilen (Loeb et al, abstract n° 10026). (Temserolimus = Torisel® von Wyeth/Pfizer – bereits zugelassen beim mRCC). 3. Cediranib (AZD2171 = Recentin® von AstraZeneca) Cediranib ist ein potenter selektiver Antagonist des VEGF (anti-VEGF1, -2 und -3) und des KIT. Es wurde mit 30 mg/Tag an 36 Patienten (davon 7 im letzten Jahr) getestet, bei denen ein „Alveoläres Weichteil­ sarkom“ (ASPS) diagnostiziert wurde. Charakteristisch für ASPS ist eine spezifische Translokation (X-17) (ASPL-TFE3), eine anfängliche und gut bekannte Chemoresistenz, eine sofortige oder spät metastasierte Situation und seine bereits bekannte Empfindlichkeit gegenüber anti-VEGF (ASCO 08, Stacchiotti et al, abstract no 10592, ASCO 09, Gardner et al, ASCO 2010, Palassini et al, abstract no 10014). Bei nahezu allen Patienten wurde unter der Behandlung ein Rückgang ihrer Zielläsion beobachtet (progressive Erkrankung in einigen seltenen Fällen), 40% von ihnen erreichten eine radiologische Bedeutung (RECIST PR), andere zeigten eine nicht signifikante Abnahme mit einer klinischen 6 Monats-Verbesserung von 78% (Kummar et al, abstract no 10001). Nahezu alle Patienten profitieren von einer metabolischen Verbesserung während der Behandlung (FDG-PET oder funktionelles MRT) >>> Herunterregelung der Genexpressionen, welche in die Vaskularisation eingebunden waren wie: FLT1, KDR, ESM1 oder Angiopoietin 2. Bewegen wir uns in dieser Nische der Weichteilsarkome hin zu einer Zulassung? 4. Brivanib (BMS-582664 von BMS Bristol-Myers Squibb) Als Hemmer von VEGFR1, -2, -3 und FGF1, -2 und -3 wurde Brivanib bei 251 Patienten, die mehrfach vorbehandelt waren, getestet (Dosis 800 mg/Tag). Patienten, bei denen so eine Stabilisierung der Erkrankung erzielt wurde, wurden 2011 dann randomisiert (insgesamt 76 Patienten) – bei einem Teil wurde die Brivanib-Gabe fortgesetzt, bei dem anderen Teil Placebo gegeben (mit der Möglichkeit des Cross-overs). (Schwartz et al, abstract no 10000). Obwohl die Ansprechrate nach 12 Wochen nur 2,8% betrug (7 PR - darunter 3 Pat. mit Angiosarkomen), ist das progressionsfreie Über­ leben (PFS) der mit Brivanib behandelten Patienten, die eine Sarkom Überexpression in FGF2 zeigten, deutlich gestiegen: 2,4 Monate versus 1,4 Monate. FGF2 ist in jedem Sarkom-Subtyp exprimiert. Wie bei jedem Anti-VEGFR sind auch hier die häufigsten Nebenwirkungen Bluthochdruck (15% mit Grad 3-4) und Müdigkeit (10% mit Grad 3-4). Die Aussagen müssen noch bestätigt werden. 5. Denosumab (Prolia® von Amgen) Auf bauend auf die Höhepunkte der ASCO 2008 und 2009 bei Bindegewebe-Tumoren gibt es eine laufende globale Phase-IIZulassungsstudie für rezidivierende oder lokal fortgeschrittene Riesenzelltumore (Giant Cell Tumors = GCTs), die einen verstümmelnden chirurgischen Eingriff erforderlich machen (Blay et al , abstract no 10034 und Cleeland et al, abstract no 10037). Vorläufige Ergebnisse sprechen für sich: nVon 73 Patienten mit einem nicht operablen GCT hatten 72 einen klinischen Nutzen (einschließlich 2 CR und 42% mit PR). nBei 23 operablen Patienten lag die klinische Verbesserung bei 100%. nI n der 25. Woche ging bei 84% und 70% der letzten zwei Gruppen der Schmerz um 2 Punkte auf der SchmerzSkala zurück, die in dieser Studie verwendet wurde. Mehr als 350 Patienten sind derzeit in dieser Studie eingeschlossen. Definitive Resultate wird es wahrscheinlich im nächsten Jahr geben. 6. Anti-IGFR1 Obwohl sie wegen der Ergebnisse, die in den vergangenen Jahren vorgestellt wurden, weitgehend aufgegeben wurde, wurde über eine abschließende Phase-II-Studie in PNET Tumoren während dieses ASCO berichtet (Schoffski et al, abstract no 10004): Gleiche Ergebnisse mit Cixutumumab (ImClone, CP13-0707) wie mit anderen IGF1Rs. Nicht weniger als 111 Patienten (PNET, Liposarkome, Synovialsarkome, Leiomyosarkome, Rhabdomyosarkome) mit einer medianen progressionsfreien Überlebenszeit (PFS) von weniger als 7 Monaten in jeder Tumoren-Art (Liposarkome: 12 Monate) wurden in diese Studie eingeschlossen. Ist die natürliche Entwicklung von Liposarkomen langsamer als die anderer Tumore oder hat Cixutumumab eine besondere Wirkung in Liposarkomen? Die Gabe von Temserolimus (25 bis 37,5 mg) zusätzlich zu Cixutumumab (6 mg/kg IV) scheint die Wirksamkeit nicht zu verbessern, abgesehen von einem interes­ santen CR bei einem Patienten, der unter einem anderen anti-IGF1R eine Progression zeigte und einer PR bei 20 Patienten mit PNET-Tumoren (17 Ewing-Sarkome und 3 kleine rundzellige desmoplastische Tumore) (Naing et al, abstract no 10031). 7. Imatinib (STI571 = Glivec® von Novartis – u. a. bereits zugelassen bei CML und GIST) Mehr als 13 Jahre, nachdem die ersten Patienten mit Imatinib (erst bei CML – dann bei GIST) behandelt wurden, beweist dieses Medikament nun auch seine Wirksam­ keit in anderen seltenen Krebsarten! Nach Dermatofibrosarcoma Protuberans, Aggressiver Fibromatose (Desmoide), Chordomen und PVNS Pigmentierte Villonoduläre Syno­ vialitis werden jetzt zwei andere mögliche Indikationen weiter untersucht: nNeurofibrome (Robertson et al, abstract no 10030): 36 Patienten mit Plexiformen Neurofibromen (oft schmerzhaft und behindernd) erhielten Imatinib in einer Dosierung von 440mg/Tag bei jungen Erwachsenen, bzw. 800mg/Tag bei Patienten über 19. Bei 62% der Patienten wurde eine Abnahme von mindestens 5% der Läsionsgröße beobachtet! Die Anwesenheit von zirkulierenden Zytokinen unter Imatinib gilt als ein Indikator für die schlechte Prognose. n Kaposi-Sarkome, in denen KaposiZellen durch das Herpes-Virus 8 (HHV8) infiziert wurden, äußern sich durch KIT und PDGFR (Koon et al, abstract no 10028). 30 Patienten hatten vor dem Einsatz von Imatinib eine CD4 mediane 3 SARKOME Rate 263. Die objektive Ansprechrate beträgt 33% und ist damit ähnlich hoch wie die mit Doxorubicin erreichte Ansprechrate. Im Gegensatz dazu konnte Everolimus (Afinitor ® von Novartis) mit 10mg/Tag das HHV8 während der Behandlung reaktivieren (nur 1 PR bei 11 Patienten) (Porcher et al, abstract no 10067). 8. Sorafenib (Nexavar® von Bayer – bereits zugelassen beim mRCC und bei Leberkrebs) Pantyrosyn-Kinase hemmt KIT, PDGFR, VEGFR und Serin-/Threonin-Kinasen (RAS/RAFMEK/ERK), Sorafenib wurde in diesem Jahr nicht als Monotherapie getestet, sondern in Kombination mit Dacarbazin (1000mg/m 2 ) in Leiomyosarkomen, in MPNSTs (Maligne Periphere Nervenscheidentumoren) und in Synovialsarkomen (D'Adamo et al, abstract no10025): Während des Tests musste die Dosierung der Kombination schnell aufgrund hämatologischer Toxizität (1 Todesfall) gesenkt werden, die Ansprechrate beträgt 10% (RECIST). Bei 3 von 10 Synovialsarkomen und bei 6 von 17 Leiomyosarkomen wurde ein klinischer Nutzen beobachtet, bei MPNST konnte kein klinischer Nutzen erfasst werden. Eine mediane progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) von 77 Tagen und ein Gesamtüberleben von 13,2 Monaten sind nicht sehr revolutionär. 9. Trabectedin (Yondelis® von PharmaMar) Es gab in diesem Jahr keine Veröffentlichungen über Trabectedin, das in Europa im September 2007 für metastasierende Weichteilsarkome genehmigt wurde (nach Versagen einer auf Anthrazyklinen und Ifosfamid basierten Chemotherapie). 10. Anthrazykline und Alkylantien ASCO 2011 verkündet das bevorstehende Ende der herkömmlichen Chemotherapien. Es gibt nur sehr wenige neue Veröffentlichungen über die „alten Medikamente“ aus der Familie der Anthrazykline und Alkylantien. Erwähnenswert sind: n Eine italienische Serie, die auf ein häufiges genutztes transalpines Design aufbaut: Ifosfamid in der Dosierung 1g/ m 2/Tag von Tag 1 bis Tag 14 aus29 2011 3 WissensWert schließlich für Liposarkome zeigte, dass diese Therapie wahrscheinlich wirksamer für Gut oder Dedifferenzierte Lipo­ sarkome als für Myxoide Liposarkome ist (Sanfilippo, abstract no 10023 ), obwohl jeder das Gegenteil erwartet hatte. Zu beachten ist, dass die Neurotoxizität dieses thera­peutischen Designs (vor allem während des 1. Zyklus) hauptsächlich von der Kreatinin-Clearance abhängt (Alam et al, abstract no 10087). n Ein weiteres Update der Phase-II-Studie über die Kombination von Doxorubicin (75mg/m 2 D1) mit TH-302 (300 mg/m 2 Tag 1 und Tag 8), nitroimidazole prodrug of the bromo-phosphoramide mustard (Cranmer et al, abstract no 10024): Bei den 62 in der Studie eingeschlossenen nicht vorbehandelten Patienten ist die limitierende Toxizität immer noch kutan (5% der Patienten) und hämatologisch (23% mit einer Neutropenie Grad 3-4). Die objektive Ansprechrate beträgt 32% (2% CR), die Rate der Tumorkontrolle nach 6 Monaten 61% (56% in Phase I-II des letzten Jahres), das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 6,4 Monate und das Gesamtüberleben 16,1 Monate. Wird es dazu in Zukunft eine randomisierte Studie geben? n Eine Phase-II-Studie zur Beurteilung von (non pegylated liposomalem) Doxorubicin (Sarcodoxoma, DX-GP) bei spanischen Patienten mit einem Alter über 65 Jahre (Lopez-Pousa et al, abstract no 10072): bei einer verabreichten Dosierung von 80 mg/m 2 alle 3 Wochen bei 37 Patienten war die limitierende Toxizität hauptsächlich hämatologisch (16% febrile Neutropenie) und Asthenie (10% Grad 3-4). Zu beachten ist, dass von 2 kardialen Toxizitäten (davon 1 töd­lich) berichtet wurde. Die objektive Ansprech­ rate beträgt 30%, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 3 Monate und das Gesamtüberleben 14,4 Monate. Eine Erweiterung der Studie wurde gemacht, um jüngere Patienten (45 Jahre und älter) zu behandeln. Fortsetzung folgt? 30 E. Neues zu histologischen Sarkom-Subtypen 1. Angiosarkome/Epitheloides Hämangioendotheliom HEE Angiosarkome gehören zu den besonders aggressiven Sarkom-Subtypen. In einer retro­spektiven Serie der französischen Sarkom-Gruppe (GSF-GETO) mit 149 Patienten hatten 62% G3-Tumore, bei 26% davon gab es Knochenmetastasen (…die selten bei anderen Weichteilsarkomen auftreten). Es wurde eine multimedikamentöse Chemotherapie auf Basis von Anthrazyklinen oder auf einer wöchentlichen Gabe von Taxol (Taxane) verschrieben, die eine bessere Prognose auf lange Sicht ermöglicht (für PS <2). Kutane Angiosarkome (Kopf haut, Haut) treten in der Regel bei älteren männlichen Patienten auf, sind aber weniger häufig mit synchronen Metastasen verbunden (15%) als viszerale oder tiefe Angiosarkome (60%). Allerdings ist ihre Prognose laut einer Serie aus Singapur nicht besser, da – zusätzlich zum Alter der Patienten – nur 12% von ihnen von einer R0-Resektion profitieren konnten (Glogowski et al, abstract no 10091). Obwohl histologisch weniger aggressiv, zeigen 54% der Patienten mit einem Epitheloiden Hämangioendotheliom (HEE) zum Zeitpunkt der Diagnose auch Zweitloka­ tionen (Cioffi et al, abstract no 10079). Egal welche Protokolle durchgeführt werden, objektive Reaktionen sind sehr selten (0% in dieser Serie von 9 Instituten). Dennoch ist eine Verlängerung der stabilen Erkrankung recht häufig. Wenn das mediane progressions­ freie Überleben (PFS) nur 4,8 Monate beträgt (ein wenig mehr bei Patienten, die jünger als 45 waren), dann erreicht die mediane Überlebenszeit 41 Monate (4 mal mehr als bei Angiosarkomen). Einige Patienten aus dieser Serie sind 49 Monate später (median) noch am Leben, obwohl sie noch keine systemische Therapie erhalten haben. Da einige der Entwicklungen dieser HEE manchmal sehr träge sein können, wird ein initiales enges Follow-Up ohne Behandlung vorgeschlagen, bevor der Einsatz von aggressiven Therapien bei dokumentiertem Progress in Betracht gezogen wird. 2. Gut differenzierte/dedifferenzierte Liposarkome Bei 166 Patienten, die solche Subtypen haben, wurden die Auswirkungen von Chemo­ therapie ausgewertet (Toulmonde et al, abstract no 10071): Bei der Firstline-Therapie kam es nur bei den Anthrazyklinen zu objektiven RECIST-Reaktionen (mehr als bei einer Polychemotherapie aber ohne Auswirkungen auf das Überleben). In der ganzen Serie beträgt die mediane Überlebenszeit 15,2 Monate, nur ≥ 2-Performance-Status und Lymphopenie (<1000/mm3) korrelieren mit dem schlechten Gesamtüberleben. Symptomatische palliative Behandlungen müssen bei Patienten, die sich in einem verschlechternden Performance-Status befinden, bevorzugt werden. Ein veränderter Performance-Status ist (zusammen mit G3) der einzige ungünstige Parameter, der mit der langfristigen Prognose von 1797 Patienten korreliert (Kombination aus den Datenbanken von EORTC und GSF-GETO). Diese Patienten waren in klinische FirstlineChemotherapie-Studien mit metastatischen Sarkomen eingeschlossen (Penel et al, abstract no 10090). 3. Leiomyosarkome Die Wirksamkeit der Kombination von Doxorubicin (75mg/m2 D1) mit Dacarbazin (400 mg/m2 D1, D2, D3) als FirstlineTherapie bei metastasierenden Leiomyo­ sarkomen wurde bestätigt (Bitz et al, abstract no 10094), die objektive Ansprechrate beträgt 57%, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 9 Monate. Ifosfamid war bei Leiomyo­ sarkomen unwirksam. Der Kombination ist sicherlich als Firstline-Therapie der Vorzug zu geben. Dacarbazin ist besonders effizient bei diesem histologischen Sarkom-Subtyp (unabhängig von der ursprünglichen Lokation). Temozolamide (75 mg/m 2/Tag 21 D/28) scheinen ebenfalls eine effizientes therapeutisches Mittel mit einem geringen Toxizitäts-Grad zu werden. (Marrari et al, abstract no 10074). Patienten, die E-Cadherin exprimieren, profitieren von einer längeren Überlebenszeit als diejenigen, die dieses Protein nicht exprimieren (Ravi et al, abstract no 10096). Patienten mit Uterinen Leiomyosarkomen haben eine bessere Prognose als die mit Non Uterinen (Harunal Rachid et al, abstract no 10095). 4. Fibromatose/Desmoid-Tumor Zu diesem Tumor mit lokalisierter Malignität wurde in diesem Jahr nicht viel berichtet. Zu beachten ist eine Studie zur Beurteilung von Toremifen (180 mg/Tag) bei 27 progressiven Patienten zum Zeitpunkt des Studien­ einschlusses (50%) oder mit einem stabilen Tumorvolumen, die aber eine höhere Dosis Analgetika benötigen (50%) (Fiore et al, abstract no 10033 ). 22% objektives Ansprechen (RECIST), darunter ein Patient mit Progression unter Tamoxifen, 70% der Patienten mit einer Stabilisierung und 79% mit einer Verbesserung der Symptomatik. Bei 76% beträgt das progressionsfreie Überleben (PFS) 6 Monate. Dies ist ein neuer Versuch, der eine signifikante Aktivität von HormonTherapien bei diesen Tumoren zeigt. 2011 SARKOME 3 WissensWert Hinweis: Toremifen ist ein Wirkstoff der Gruppe der Oestrogen-Antagonisten zur Behandlung von Brustkrebs nach der Meno­ pause. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören Hitzewallungen, Übelkeit, vermehrtes Schwitzen. Toremifen ist in Form von Tabletten (Fareston®) im Handel erhältlich – von Baxter Oncology. Tamoxifen ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der selektiven Oestrogenrezeptor Modulatoren und hat je nach Gewebe eine oestrogenagonistische oder oestrogenantagonistische Wirkungen. Tamoxifen wird zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören Hitzewallungen, Kopfschmerzen, Benommenheit und die Entwicklung eines Endometriumkarzinoms. Tamoxifen ist in Form von Tabletten im Handel. Neben dem Original sind auch Generika erhältlich. 5. Rhabdomyosarkome bei Erwachsenen n Von Rhabdomyosarkomen (RMS) bei Erwachsenen (älter als 18 Jahre) sind vorwiegend Männer betroffen (doppelt so häufig wie Frauen), das Durchschnitts­ alter beträgt 37 Jahre, die mittlere Tumor­­ größe zum Zeitpunkt der Diagnose 8 cm (Bompas et al, abstract no10070). 44% der erwachsenen RMS sind pleomorph (Durchschnittsalter 51 Jahre, Lokation meist in den Extremitäten), 35% sind alveolär (Durchschnitts­alter 26 Jahre) und 21% sind embryonal (Durchschnittsalter 25 Jahre, eine Lokation in den Extremitäten ist sehr selten bei der pädiatrischen Form der RMS). In 92% der Fälle neigen pädiatrische Formen dazu, mehr Chemotherapie zu erhalten als erwachsene pleomorphe RMS (58%). Pädiatrische Proto­kolle werden bei 62% der alveolären/embryonalen RMS angewendet. Die 5-JahresÜberlebensrate bei lokalisierten RMS beträgt 43%, 52% bei der embryonalen Form, 20% bei der alveolären und 46% bei der pleomorphen. Eine multivariate Analyse (dabei werden mehrere Variablen gleich­zeitig untersucht) von lokalisierten Erwachsenen-RMS zeigt, dass die alveoläre Form, fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, schlechte Qualität der ersten Resektion, das Feh- len einer Strahlentherapie und die Nicht-Nutzung eines pädiatrischen Protokolls einen schlechten Einf luss auf das Überleben haben. n Rhabdomyosarkome überexprimieren Notch1 und Notch3 (Rota et al, abstract no 10068) und IGF1R (Malempati et al, abstract no 10069). Fortsetzung folgt… n Das Rhabdomyosarkom scheint der histo­logische Subtyp zu sein, bei dem häufig anatomisch – pathologische Abweichungen beklagt werden - zwischen den Patienten, die in nicht spezialisierten Zentren diagnostiziert werden – gegenüber Referenzzentren (wie z.B. Boston) (Raut et al, abstract no 10065). Eine zweite pathologische Überprüfung der Patienten, die mit einer anfänglichen Weichteilsarkom-Diagnose zur gleichen Institution verwiesen wurden, korrigierte die Diagnose bei 11% der Patienten (Lymphome, Melanome ...). Dies zeigt die entscheidende Rolle einer systematischen Überprüfung - durch Referenzzentren - für alle neu diagnostizierten Weichteilsarkome. 6. MPNST (Maligner Periphärer Nervenscheiden-Tumor) Ein US-Team verglich die Eigenschaften von 57 Patienten, die einen MPNST entwickelt haben (zusammen mit NF1) mit 118 Patienten, die auch einen MPNST, aber ohne NF1 entwickelt haben. NF1-bezogene 31 2011 3 WissensWert MPNST-Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger (39 gegenüber 47 Jahre), der Tumor ist größer (9,8 cm gegenüber 6,5 cm). Mit einer gleichwertigen Behandlung beider Gruppen (Qualität der Chirurgie, Chemotherapie und adjuvante Strahlentherapie) ist das Überleben der NF1-bezogenen MPNST-Patienten deutlich schlechter als bei der anderen Gruppe (5-Jahres-Überlebens­ rate 45% versus 65%) ( Johnson et al, abstract no 10066). 7. Osteosarkome im Unterkiefer Diese Sarkome sind sehr selten (1/10.000.000): GETTEC und GSF haben zwischen 1994 und 2004 93 Fälle von Osteo­sarkomen im Unterkiefer gesammelt. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung beträgt 37 Jahre, die mittlere Tumorgröße 4,5 cm, es handelt sich um 1/3 der konventionellen Osteosarkome, 20% der chondroblastischen. (Thariat et al, abstract no 10036). Bei 70% dieser Osteosarkom-Patienten wurde eine Induktions-Chemotherapie durchgeführt, mit einem guten histologischen Ansprechen bei 30% der Patienten. Ein Rand von mindestens 0,5 mm konnte in 56% der Fälle eingehalten werden, häufiger bei Patienten mit gutem Ansprechen (p = 0,045). Bei 26% der Patienten wurde eine Strahlen­ therapie vorgeschlagen, meist bei Patienten mit eingeschränkten Rändern - sie hatte aber keine wirklichen Auswirkungen auf die lokale Kontrolle der Erkrankung. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 65% und war maßgeblich durch die Qualität der Ränder beeinf lusst, die bei der ersten Operation eingehalten wurden. Es ist notwendig, diese Osteosarkome – genauso wie die anderen - mit einer Induktions-Therapie und einer optimalen Operation zu behandeln. Die Rolle der postoperativen Chemotherapie und der Strahlentherapie muss noch definiert werden. 32 INFO Wichtige Messpunkte in klini­schen Studien sind z.B.: n OS = Overall Survival = Gesamt­überleben oder 5 Jahres Überleben Beispiel: Das 5 Jahres Überleben für das definierte Stadium einer spez. Erkrankung behandelt mit Medikament XYZ beträgt 80%. Das heißt: Von allen Patienten mit diesem definierten Stadium der Erkrankung (…und dieser untersuchten Gruppe…) lebten nach 5 Jahren noch 80%. n Median Survival = Mittleres Überleben Wert, der anzeigt wie lange Patienten generell mit einer Erkrankung überleben oder nach einer bestimmten Behandlung. Es handelt sich um die Zeit (Monate, Jahre) in der man erwartet, dass die Hälfte der Patienten noch leben. Das heißt – die Chance nach dieser Zeit noch am Leben zu sein beträgt 50%. Bespiel: Das mittlere Überleben von Patienten mit dem definierten Stadium einer spez. Erkrankung – behandelt mit Medikament AVC, gefolgt z.B. von lokaler Bestrahlung beträgt 10 Jahre. Das bedeutet für einen Patienten dieser Gruppe nach 10 Jahren mit 50% Wahrscheinlichkeit am Leben zu sein. n PFS = Progression Free Survival = progressionsfreies Überleben n Zeit bis zum Rezidiv = Wiederauftreten der Erkrankung n Zeit bis zum Versagen eines bestimmten Medikamentes n Verträglichkeit und Sicherheit der Therapie jektivieren sollen. Die Regeln definieren exakt, wann eine Krebserkrankung unter Therapie zurückgeht („anspricht“), unverändert (stabil) bleibt oder fortschreitet (Progression). Computertomographie (CT) und Kernspintomographie (MRT) sind gegenwärtig die besten verfügbaren und reproduzierbaren Methoden, um die ausgewählten Zielläsionen auszumessen. nC R – Komplette Remission complete response/remission nP R – Partielle Remission partial remission nS D – Stabile Erkrankung stable disease nP D – Progression progressive disease Ansprechen der Patienten auf die Therapie: Response Evaluation Criteria In Solid Tumors (RECIST), deutsch in etwa „Kriterien für die Bewertung des Ansprechens der Behandlung bei soliden Tumoren“, ist eine Sammlung von veröffentlichten Regeln, die die Bewertung der Behandlungserfolge (Outcome) von Krebserkrankungen in medizinischen Forschungsstudien ob- Weitere Begriffe: CHOI-Kriterien Onkologen sind seit Jahren gewohnt, dass sich ein Therapie-Ansprechen in einer „Größenreduktion“ des Tumors ausdrückt. Bei den neuen Target-Therapien hat man hier in den letzten Jahren viel dazu gelernt. Ergänzend zu den WHO- oder RECIST-Kriterien, nach denen bisher das Ansprechen von Tumoren im CT nur aufgrund der Größenreduktion beurteilt wird, wurden neue Kriterien zur radiologischen Beurteilung von GIST (Gastrointestinale Stromatumoren) entwickelt. Diese beruhen auf der Messung der Tumordichte, da auch bei unveränderter Tumorgröße aber gleichzeitiger Abnahme der Tumordichte von einem Therapieansprechen ausgegangen wird. Gemessen wird die Tumordichte im CT in HU (Hounsfield-Units). Monotherapie nur ein Medikament wird verab­reicht oder eine medizinische Prozedur wird durchgeführt Kombinationstherapie zwei/mehrereMedikamente/Prozeduren werden kombiniert 2011 SARKOME 3 WissensWert 6. Sarkomtour – Das Lebenshaus e.V. war dabei Die Sarkomtour trotzt im sechsten Jahr dem Wetter und stellt einen neuen Teilnehmerrekord auf. Trotz des widrigen Wetters - angesagt waren Starkregen und Sturm - fanden sich über 60 Personen zur 6. Sarkomtour am 27.08.2011 in Essen am Seaside Beach (Baldeneysee) ein. Darunter waren Patienten, Angehörige und Ärzte mit Familie/Kindern und Freunden. Zu Beginn gab es direkt den befürchteten Starkregen, diese Zwangspause wurde aber mit Kaffee und Kuchen gut überbrückt. Alle waren sich einig, dass die Tour danach trotzdem starten sollte. So machten sich gegen 14.45 Uhr die Radler auf den Weg zur Seeumrundung und zur mit Spannung erwarteten Bergetappe. Zurück am Seaside Beach blieb nur ein kleines Grillteam, welches den Grill vorheizen sollte. Etwa nach der Hälfte der Strecke war es wieder Zeit für die Bergetappe hinauf zum „Hohen Kreuz". Sämtliche Teilnehmer erreichten die Ankunft am Berg - dazu herzlichen Glückwunsch an alle. Der Sieger der letzten Jahre Mathias Hoiczyk gewann auch in diesem Jahr souverän. Den Pokal für diesen Sieg darf er nun - nach dem dritten Sieg in Folge - behalten. Die Sieger in den weiteren Kategorien wurden später mit Medaillen geehrt. Nach der rasanten Abfahrt zurück zum Baldeneysee ging es auf das zweite Teilstück zurück Richtung Seaside Beach, wo „das Grill-Team“ bereits auf die hungrigen Radler wartete. Pünktlich zur Ankunft am Grillplatz begann es wieder zu regnen, was aber durch die Überdachung kein Problem darstellte. Das Grillteam aus Dresden (Karin Arndt, Viola Schuhmacher, Beate Kaczmarek und Kathi Schurig) hatte alles bestens vorbereitet und so konnten die Radler sich sofort stärken. Neuer Teilnehmerrekord bei der 6. Sarkomtour rund um den Baldeneysee. In lockerer Atmosphäre und bei guter Verpf legung gab es viele interessante Gespräche unter allen Teilnehmern. Die Teilnahmegebühr bzw. einige Spenden wurden von Dr. Sebastian Bauer dem Verein Das Lebenshaus e.V. überreicht. Alle Teilnehmer waren sich am Ende einig, dass dieses Event im nächsten Jahr wiederholt werden muss, damit die Idee "Sarkome kennen keine Grenzen!" weiter in die Öffentlichkeit getragen wird. An dieser Stelle möchten wir uns als Verein ganz herzlich bei den Organisatoren - vor allem bei Dr. Sebastian Bauer - bedanken. Ohne seinen Einsatz und das konstante werben, wäre diese Tour nicht möglich. Unser Dank geht auch an das Grillteam und alle weiteren Unterstützer (z.B. durch Kuchen backen). Ein spezieller Dank und viele Grüße gehen an Bruce Shriver, Lee Ann Lamb und Marina Symcox aus den USA (...um nur Wenige zu nennen, die wir kennen...) - für ihr Engagement in den verschiedenen SarkomInitiativen. Das Lebenshaus e.V. - Sarkome Kai Pilgermann Das „Dresdner Grillteam“ sorgte für die Verpflegung der Radler. 33 2011 3 WissensWert + TICKER + TICKER + Patientengruppe Rheinland In unserem letzten Wissenswert haben wir mitgeteilt, dass eine neue Nierenkrebs-Patientengruppe für den Bereich Köln-Bonn-Düsseldorf geplant ist. Die Gruppe hat ihr erstes Treffen am n Dienstag, 8. November 2011 n 18:00 Uhr n Treffpunkt: Trägerverein ambulanter Hilfsdienste Ludwig-Erhard-Allee 18 40227 Düsseldorf Das nächste Treffen findet am 20. Dezember 2011 zum gleichen Zeitpunkt statt. Alle Nierenkrebs Patienten, deren Begleiter (Angehörige) und Interessierte sind herzlich willkommen. Eine Anmeldung ist grundsätzlich nicht nötig – aus organisatorischen Gründen jedoch hilfreich. Sie können unsere Gruppenleiterin – Frau Kollenbroich – erreichen: n Telefon: +49 (2133) 929 709 n Email: nier.pat.rheinland@lebenshausgruppen. org Sie möchten auch eine Patientengruppe in Ihrer Region gründen? Wir wissen, dass dies ein großer Schritt ist. Kontaktieren Sie uns: Das Lebenshaus-Team wird Sie mit allen Kräften unterstützen. n Telefon: 0700 5885 0700 n Email: [email protected] Möglichkeit der Strahlentherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom Am diesjährigen Nierenkrebs-Forum im April wurden unter anderem auch Vorträge über neue Behandlungsmethoden gehalten. Privatdozent Dr. Alexander Muacevic vom Cyberknife Zentrum München und Privatdozent Dr. Ralf Wilkowski vom Strahlentherapiezentrum Bad Trissl in Oberaudorf referierten über die Einsatzmöglichkeiten von Radio-/Strahlentherapie bei der Metastasenbehandlung des Nierenzellkarzinoms. Bei Metastasen (griechisch meta = weg und stáse = die Stelle, der Ort – also etwa die Übersiedlung an einen anderen Ort) handelt es sich um Tochterabsiedlungen des Primärtumors in entfernte Körperregionen. Dabei verbreiten sich Krebszellen des ursprünglichen Tumors über das Blut (hämogene Metastasen) oder die Lymphe (lymphogene Metastasen) im Körper, setzen sich an bestimmten Stellen fest und bilden dort weitere Geschwülste. In etwa 50% aller Fälle liegt bei Diagnose des Nierenzellkarzinoms schon eine Metastasierung vor. Jedoch können Metastasen durchaus oft erst nach sehr langer Zeit (20 Jahre sind nicht selten) nach der Erst­ diagnose und Therapie des Tumors auftreten. Metastasen des Nierenzellkarzinoms können am häufigsten in folgenden Organen vorkommen: Lunge 73% Knochen 32% Lymphknoten 26% Leber 21% Andere Niere 11% Zentrales Nervensystem (ZNS) Gehirn 3% Herz 3% Grundsätzlich hat der Tumor jedoch die Fähigkeit, überall im Körper Metastasen zu bilden – einige dem Lebenshaus bekannte Beispiele: Schilddrüse, Kopf haut, Augenmuskel, Sehnerv, Samenleiter, Musculus psoas major (Lenden-Muskulatur). 34 WICHTIG Metastasen, die sich in Folge eines Nierenzellkarzinoms, z.B. in Lunge oder Leber gebildet haben, sind nicht gleichzusetzen mit Lungen- bzw. Leberkrebs. Es handelt sich um Metastasen des Nierenzellkarzinoms. Bei der Behandlung von Metastasen kommen normalerweise zwei verschiedene Ansätze zur Anwendung: lokale (zumeist chirurgische Entfernung der Metastasen) oder medikamentöse Therapie. Welche Therapie wann zum Einsatz kommt, hängt ab von: n Lage und Ausmaß der Metastasierung n patientenspezifische Faktoren ● Alter, ● Vor- und Begleiterkrankungen, ● Nierenfunktion, ● die persönlichen Lebensumstände/wünsche, ● patienteneigene Präferenz der Behandlung. 2011 Strahlen-/Radiotherapie Um ein Rückfallrisiko zu verringern wird bei vielen anderen Krebsarten eine Bestrahlung (Radiotherapie) routinemäßig durchgeführt. Bei einer Strahlentherapie gibt es zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Die kurative Bestrahlung und die palliative Bestrahlung. Die kurative Bestrahlung kann zu einer Heilung führen und wird n anstatt einer Operation eingesetzt (wie z.B. bei Haut- und Prostatakrebs) oder n nach einer Operation (postoperativ) vorsorglich (adjuvant) eingesetzt (wie z.B. nach organerhaltender Operation bei Brustkrebs und die Nachbestrahlung bei Darmkrebs) Eine palliative Radiotherapie bedeutet, dass eine Heilung der Tumorerkrankung durch Bestrahlung nicht möglich ist. Sie kann aber zur Linderung tumorbedingter Symptome eingesetzt werden. So können durch eine Strahlentherapie viele Symptome wie z.B. Tumorschmerzen, Lähmungen, Schluckbeschwerden, Atemnot etc. durch eine Strahlentherapie positiv beeinf lusst werden. INFO Die Einheit für eine Strahlendosis lautet Gray (Abkürzung Gy) und ist nach dem Physiker Louis Harold Gray benannt. Jeder Tumor hat eine andere Strahlenempfindlichkeit (sie liegt meist zwischen 40 und 70 Gy) auf die die erforderliche Strahlendosis angepasst wird. Der Radioonkologe legt die Gesamtdosis abgestimmt auf den Patienten und seine Erkrankung fest. Die Gesamtdosis wird dann in Einzelportionen – so genannte Fraktionen – aufgeteilt. Bei den meisten Krebserkrankungen liegt diese Einzeldosis zwischen 1,8 und 2,5 Gy. Die vorsorgliche (adjuvante) Radiotherapie ist beim Nierenzellkarzinom nicht etabliert, da die Höhe der Strahlendosis, die normalerweise bei anderen Krebserkrankungen genügt, beim Nierenzellkarzinom nicht ausreichend wirksam ist. Auch in einer metastasierten Situation kommt eine palliative Bestrahlung routinemäßig eher nicht zum Einsatz. Jedoch gibt es bei der Behandlung von bereits vorhandenen Metastasen mit Radiotherapie neue Entwicklungen, die im Folgenden dargestellt werden. Radiochirurgie/Stereo­taktische Bestrahlung Auf Grundlage der Erkenntnis, dass man mit Strahlen Krebszellen zerstören kann wurden Radiochirurgie-Systeme entwickelt. Der Unterschied zwischen Radiochirurgie-Systemen und den konventionellen (Standard-) Strahlentherapie-Geräten liegt in der noch präziseren Verabreichungsweise der Bestrahlung. Durch die hohe Genauigkeit der Radiochirurgische-Systeme kann eine sehr hohe Strahlendosis in einer deutlich geringeren Anzahl (1 – 5) von Behandlungen zielgerichtet auf den Tumor bzw. die -metastase appliziert werden. Zuerst wurde diese neue Technik nur bei Gehirntumoren bzw. Metastasen angewandt. Dazu wurde ein starrer Rahmen angefertigt und am Kopf des Patienten befestigt. Dieser Rahmen diente als dreidimensionales Koordinatensystem für das Zielgebiet der Bestrahlung und immobilisierte den Patienten. In der fixierten Position wurde dann eine CT aufgenommen. Durch das Koordinatensystem des Rahmens konnte somit die genaue Position des Tumors bestimmt und ein Behandlungsplan aufgestellt werden. Ein Strahl aus hochenergetischen Lichtteilchen (Photonenstrahl) von wenigen Millimeter Durchmesser bestrahlte dann das Zielvolumen. Aufgrund der Fixierung und der Notwendigkeit des Koordinatensystems war diese Art der Radiochirurgie nur für sich nicht bewegende Ziele sinnvoll (also Ziele, die z.B. nicht durch die Atmung bewegt werden). 3 NIERENKREBS Im Laufe der Zeit gab es immer mehr Neuerungen: die Präzision wurde erhöht und die Rahmen durch individuell ange­ fertigte Masken ersetzt. Mit den heutigen Geräten kann die Bestrahlung von bewegten Zielen in bestimmten Atemzuständen oder beim Luftanhalten erfolgen. Eine Weiterentwicklung der klassischen Radiochirurgie-Systeme ist die robotergestützte Radiochirurgie. Hinsichtlich der vorhandenen Studienlage für das Nierenzellkarzinom wird an dieser Stelle näher auf das Cyberknife eingegangen. Die Cyberknife-Technologie unterscheidet sich im Wesentlichen durch drei Innovationen: der Präzisionsrobotik, dem Bildortungssystem und der Atmungskompensation. Das Bestrahlungsgerät ist an einem Präzisions-Roboterarm befestigt, der sich f lexibel um den Patienten bewegen kann. Dadurch können nicht nur alle Körperregionen für eine Behandlung erreicht werden, sondern auch aus bis zu 1.200 verschiedenen Richtungen hohe Strahlendosen präzise an die Metastase abgegeben werden. Ein computergesteuertes Bildortungssystem kann dabei die Metastase während der gesamten Behandlung orten und kleinere Bewegungen des Patienten in Echtzeit ausgleichen. Zusätzlich erfasst eine 3D-Kamera die äußere Atembewegung und gleicht diese mit der Metastasenposition ab. Cyberknife Behandlungsraum Foto: © 2007 - 2011 Accuray Incorporated 35 2011 3 WissensWert Die Photonen bestrahlen die Metastase aus bis zu 1.200 verschiedenen Richtungen – wie in einem Kreuzfeuer. Jeder einzelne Photonenstrahl ist dabei sehr schwach und schädigt damit das umliegende Gewebe nicht. Im Brennpunkt jedoch führen diese Strahlen zu einer Schädigung des Erbguts der Krebszellen. Das von den Photonen bestrahlte – tödlich getroffene – Tumormaterial wird dann vom Körper innerhalb ca. sechs Monaten nach der Behandlung abgebaut und entsorgt. Daher ist es erforderlich den Verlauf durch eine regelmäßige Nachkontrolle zu verfolgen. Rippenmetastase im Kreuzfeuer der Strahlen. Foto: Europäisches Cyberknife Centrum MünchenGroßhadern Wirbelsäulenmetastase vor und nach Cyberknife Behandlung – Auf dem linken Bild zeigt sich eine Wirbelsäulenmetastase eines Nierenzell­karzinoms vor der einmaligen Cyberknife-Behandlung. Auf dem rechten Bild zeigt sich der Status sechs Monate nach der Cyberknife-Behandlung. Der Tumor ist nicht mehr nachweisbar und der behandelte bereich ist wieder verknöchert. Foto: Europäisches Cyberknife Centrum München-Großhadern Vorteile für den Patienten: n im Normalfall einzeitige, d.h. einmalige Therapie (im Höchstfall zwei – fünf Sitzungen), n in der Regel ambulant, n hohe Präzisionsbestrahlung (~ 0,5 mm), umliegendes Gewebe wird geschont, n schmerzfrei, n prinzipiell in jeder Körperregion anwendbar, n ohne Anästhesie, n ohne die Risiken und Komplikationen einer herkömmlichen Chirurgie. Aufgrund seiner besonderen Charakteristika kann das Cyberknife auch zur Behandlung von Metastasen eingesetzt werden, die sich in der Nähe zu lebenswichtigen Orga­ nen befinden und nicht – oder nur mit hohem Risiko – durch einen normalen chirurgischen Eingriff entfernt werden können. In einzelnen Fällen – etwa bei Metastasen im Weichgewebe – muss vor einer Bestrahlung (minimal-invasiv) ein Goldmarker implantiert werden, damit sich die Strahlen an diesem Marker ausrichten können. Die Entscheidung für eine Cyberknife-Behandlung sollte im Bestfall immer interdisziplinär getroffen werden, ist jedoch besonders geeignet wenn: n Tumoren/Metastasen klein sind (max. 3 cm), n Tumoren/Metastasen gut abgegrenzt sind, n max. 3 Metastasen vorliegen, n Tumoren/Metastasen sich während der Behandlung (z.B. durch Atmung) bewegen. 36 PD Dr. med. Alexander Muacevic, Präsident der internationalen Cyberknife Society, vom Europäischen Cyberknife Zentrum München INFO Als wirkungsvolle therapeutische Methode bei Nierenkrebs-Patien­ ten mit Gehirnmetastasen hat sich die stereotaktische Bestrahlung gut etabliert. Derzeitige Erkenntnisse belegen, dass auch Wirbelsäulenmetastasen mit dieser Methode effizient behandelt werden können. Bis vor Kurzem war noch nicht dokumentiert, welche Nebenwirkungen eine stereotaktische Bestrahlung bei Nierenkrebs-Patienten haben könnte, die eine systemische Therapie einnehmen. Eine im Dezember 2010 veröffentlichte und auf dem ASCO 2011 vorgestellte Studie belegt jedoch, dass die Kombination von stereotaktischer Bestrahlung bei gleichzeitiger systemischer Therapie bei Wirbelsäulen- und Hirnmetastasen sicher und wirkungsvoll ist, ohne den Patienten dabei zusätzlichen Nebenwirkungen auszusetzen. Es ist eine sinnvolle Behandlungsmethode in einem onkologischen Gesamtkonzept. Weitere Studien sind geplant, um die Wirksamkeit von stereotaktischer Bestrahlung auch für andere Metastasen des Nierenzellkarzinoms zu belegen. 2011 3 NIERENKREBS Radiotherapie in Verbindung mit medikamentöser Therapie Wie eingangs beschrieben gilt die Radiotherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms aus onkologischer Sicht als unwirksam, da die üblichen Strahlendosen, die typischerweise für andere Krebserkrankungen genügen, beim Nierenzellkarzinom keine ausreichende Wirkung zeigen. Einige Berichte beschreiben bei Patienten in gutem Allgemeinzustand bei Verwendung von höheren Dosen einen Erfolg im Sinne einer Palliation, d.h. es kann keine Heilung erzielt, aber tumorbedingte Symptome zurückgedrängt und die Lebensqualität der Patienten grundlegend verbessert werden. Das immer bessere Verständnis über die Krebsentstehung und die Funktionsmechanismen der Nierenkrebszelle führte zu weiteren Untersuchungen. Dabei wurde eine Kombination von Radiotherapie und Immunchemotherapie, auf der Basis von Interleukin-2 und Interferon, zur Behandlung von Knochenmetastasen und Lokalrezidiven des Nierenzellkarzinoms eingesetzt. Diese Untersuchungen bildeten die Grundlagen für die Hypothese, dass auch durch die neuen systemischen Therapien die Nierenkrebszellen eventuell sensibler gegen­ über einer Bestrahlung reagieren könnten. Partielle Remission bei einem Patienten mit Sammelrohrkarzinom (Ductus Bellini), zunächst fortschreitend unter systemischer Therapie. (A) CT-Abdomen vor der Bestrahlungsbehandlung; (B) Planung der Bestrahlungstherapie; (C) Ergebnis 8 Wochen nach Beginn der Sunitinib- und synchronen Bestrahlungstherapie. Die Patienten erhielten weiterhin Medikamente und jeden zweiten Tag eine Hochdosis-Radiotherapie. Die Einzelstrahlendosis war dabei mit 5 Gy bis zu einer kumulativen Dosis von 40 Gy vorgesehen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Kombination von Hochdosis-Radiotherapie und gleichzeitiger systemischer Behandlung bei Patienten mit fortgeschrittenem metastasierten Nierenzellkarzinom wirksam zu sein scheint. Dabei führte die Kombination von Bestrahlung und systemischer Therapie, im Vergleich zur alleinigen Medikation, zu keiner Zunahme der Nebenwirkungen. Herkömmliche Bestrahlugsverfahren konnten diesen Effekt nicht erzeugen. TIPP Die Kombination aus HochdosisRadiotherapie und medikamen­ töser Behandlung ist Bestandteil eines onkologischen Gesamtkonzeptes. Sollten Sie Fragen zu dieser Therapie haben, wenden Sie sich bitte an das Lebenshaus. Eine im Februar 2010 veröffentlichten Studie evaluierte der Wirksamkeit der Kombination von Radiotherapie und systemischer Behandlung beim metastasierten Nierenzellkarzinom. Dabei wurden Patienten behandelt, denen die systemische Behandlung alleine keinen Erfolg mehr zeigte, d.h. die trotz maximaler Dosis ihrer medikamentösen Therapie eine schnell fortschreitende, umfangreiche Tumorausdehnung und keine Option mehr auf einen Therapiewechsel hatten. PD Dr. med. Ralf Wilkowski vom Strahlentherapiezentrum Bad Trissl in Oberaudorf 37 2011 3 WissensWert Die GOLD Studie – Therapie bei metastasiertem Nierenzellkarzinom in der Drittlinie Eine randomisierte, unverblindete Studie der Phase III zum Vergleich von Sicherheit und Wirksamkeit eines neuen Wirkstoffes TKI258 (Dovitinib) gegen Sorafenib (Nexavar ® ) in der Drittlinie: nach Versagen einer VEGF zielgerichteten Therapie und eines mTOR-Inhibitors. In den letzten Jahren konnten mit der Zulassung neuer wirksamer Substanzen bereits wichtige Erfolge in der Behandlung des Nierenzellkarzinoms erzielt werden. Ein wesentliches Maß für den Therapieerfolg ist die Zeit, in der die Tumorerkrankung nicht voranschreitet, die so genannte progressionsfreie Zeit – diese Zeit zu verlängern ist ein wichtiges Ziel jeder Krebstherapie. Um dies zu erreichen, werden die vorhandenen Therapien aufeinanderfolgend eingesetzt (Erst-, Zweit- und Drittlinie) und bilden somit eine Sequenz. Das bedeutet, dass ein Medikament genommen wird, bis es zu einem erneuten Wachstum oder Neuauftreten von Metastasen (Progress) kommt. In den bisher durchgeführten klinischen Studien wurden fast ausschließlich Medikamente in der Erst- bzw. Zweitlinientherapie genauer betrachtet. Bezüglich der Drittlinie gibt es beim Nierenzellkarzinom bislang noch keine Daten. In dieser Studie wird ein neuer Wirkstoff in der Drittlinie getestet: TKI258 (Dovitinib). Bereits im Wissenswert 03/2010 stellten wir Dovitinib in unserem Artikel „Neues aus Wissenschaft und Forschung“ vor. Der Wirkstoff Dovitinib gehört zu der Gruppe der Tyrosinkinase-Inhibitoren und weist ein etwas anderes Profil auf als die bisher beim Nierenzellkarzinom verwendeten Vertreter dieser Therapie-Gruppe. Auf dem ASCO 2010 wurden die Daten einer Phase I/II-Studie vorgestellt, bei der bei stark vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom ein klinischer Benefit gezeigt werden konnte. 38 Phasen der klinischen Prüfung ➜ ➜ ➜ Phase I Phase II Phase III Phase IV Verträglichkeit Aufnahme Dosis / Verteilung Ausscheidung Toxizität Wirkung Dosierung Darreichungsform Nebenwirkungen Wechselwirkungen z.T. wie Phase II Absicherung von Wirksamkeit, Sicherheit und Unbedenklichkeit Langzeitanwendung Seltene Neben­ wirkungen neue Anwendungen Langzeitanwendung Seltene Neben­ wirkungen neue Anwendungen 10 - 100 gesunde freiwillige Probanden oder Patienten 100 - 500 Patienten in ausgewählten Kliniken 100 - 500 Patienten in Kliniken und ausgewählten Arztpraxen Breite Anwendung bei Patienten in Kliniken und ausgewählten Arztpraxen Erste Anwendung beim Menschen Anwendung beim Patienten mit einer bestimmten Erkrankung Die GOLD Studie (Global Oncologic Learnings for Dovitinib) ist eine Studie der Phase III und bindet Patienten ein, die bereits je ein Medikament der verschiedenen Wirkstoffmechanismen eingenommen haben, das bedeutet: n ein Medikament einer VEGF-zielgerichtete Therpaie (Bevacizumab (Avastin®), Pazopanib (Vortrient ®), Sunitinib (Sutent®) sowie die schon in anderen Studien getesteten Substanzen: Axitinib und Tivozanib) n und ein Medikament der mTOR-Inhibition (Everolimus (Afinitor ®), Temsirolimus (Torisel®) sowie die in anderen Studien getestete Substanz Rifaforolimus. Die Patienten werden zufällig (randomisiert) in zwei verschiedene Studienarme aufgeteilt: Dabei erhalten Patienten entweder den bereits zur Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten Nierenzell- Breitere Prüfung beim Menschen ➜ Zulassung Überwachung nach erfolgter Zulassung karzinoms zugelassene Wirkstoff Sorafenib oder den neuen Wirkstoff Dovitinib. Ziele der Studie sind u. a. die Untersuchung, ob sich in den beiden Therapiegruppen das progressionsfreie Zeitintervall unterscheidet, sowie die Untersuchung krankheitsbezogener Symptome und der Lebensqualität der Patienten unter Therapie. Die Studie findet an 19 bundesweit verteilten Zentren seit Juni 2011 statt. Wir haben für Sie die Angaben der Studie zusammengefasst, dieser kurze Überblick erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ob Sie als Betroffene(r) für diese Studie infrage kommen, sollten Sie zunächst mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Letztendlich kann nur der Prüfarzt eines Studienzentrums nach einer eingehenden Untersuchung feststellen, ob Sie als Patient an dieser Studie teilnehmen können. 2011 GOLD Randomisierte, unverblindete Studie der Phase III zum Vergleich von Sicherheit und Wirksamkeit von TKI258 (Dovitinib) gegen Sorafenib in der Drittlinie: nach Versagen einer VEGF zielgerichteten Therapie und eines mTOR-Inhibitors. Status: Studie ist aktiv/offen (Beginn: Juni 2011, voraussichtliches Rekrutierungsende: Mai 2012) Patienten: weltweit: 550, Deutschland: ca. 40 Protokoll-ID: CTKI258A2302 ClinicalTrials.gov: NCT01223027 EUDRACT 2009-015459-25 AUO: AN 31/11 Studienarme: Behandlung, randomisiert, unverblindet 2 Studienarme: • Dovitinib • Sorafenib Dosierung: Dovitinib: 500 mg oral einmal täglich zyklisch über 5 Tage danach 2 Tage Pause Sorafenib: 400 mg oral zweimal täglich Einschlußkriterien: (nur Auszug) •Patienten > _ 18 Jahre mit einem metastasierten Nierenzellkarzinom mit histologisch oder zytologisch bestätigtem klarzelligen Karzinom oder klarzelliger Komponente • Patienten müssen vorher eine VEGF-zielgerichtete Therapie (mit z.B. Axitinib, Bevacizumab, Pazopanib, Sunitinib oder Tivozanib) und eine Therapie mit einem mTOR-Inhibitor (Everolimus, Rifaforolimus, Temsirolimus) in der metastasierten Therapiesituation erhalten haben. • Fortschreiten der Erkrankung (Progress) während oder innerhalb von 6 Monaten nach Absetzen der Vortherapie • Patienten mit mind. einer messbaren Metastase Ausschlußkriterien: • Vorherige Therapie mit Sorafenib oder Dovitinib oder andere (nur Auszug) FGFR-TKI wie Brivanib • Hirnmetastasen (durch bildgebende Diagnostik – CT, MRT – bestätigt) • Operation 4 Wochen vor Studieneintritt oder bei Fortbestehen von Nebenwirkungen • Strahlentherapie innerhalb der letzten 4 Wochen vor Start der Studientherapie oder Fortbestehen von Nebenwirkungen (Strahlentherapie von Knochenmetastasen >2 Wochen vor Studienbeginn möglich) Studienleiter: Prof. Dr. med. Jürgen Gschwend Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München Durchführung: 19 Zentren bundesweit Website: http://clinicalsite.org/dgu/de/trial/1457 Für weitere Informationen steht Ihnen auch Frau Heidrun Rexer von der AUO Geschäftsstelle zur Verfügung: Telefon: 039827 / 79 677 Fax: 039827 / 79 678 Mobil: 0173 / 907 67 15 Beteiligte Studienzentren in Deutschland: Aschaffenburg Praxis Dr. M. Welslau Berlin Universitätsklinikum Charité PD Dr. S. Weikert Chemnitz Praxis Dr. U. Kube 3 NIERENKREBS Dresden Universitätsklinikum Prof. Dr. M. Wirth Greifswald Universitätsklinikum Dr. U. Zimmermann Hamburg Universitätsklinikum Dr. C. Eichelberg Hannover Medizinische Hochschule Dr. V. Grünwald Heidelberg NCT Heidelberg Dr. C. Grüllich Homburg/Saar Universitätsklinikum Saarland Prof. Dr. M. Stöckle Jena Universitätsklinikum Prof. Dr. M.-O. Grimm Leipzig Universitätsklinikum Dr. A. Dietel Marburg Universitätsklinikum PD Dr. P. Olbert München Universitätsklinikum rechts der Isar Prof. Dr. J. Gschwend Münster Universitätsklinikum Dr. E. Herrmann Nürnberg Universitätsklinikum Prof. Dr. M. Wilhelm Recklinghausen Praxis Dr. F. Overkamp Ulm Universitätsklinikum Prof. Dr. A. J. Schrader Weiden Klinikum Weiden Prof. Dr. T. Klotz Westerstede Praxis Dr. J. Janssen 39 2011 3 WissensWert Die PROTECT Studie – Adjuvante Therapie bei lokalisiertem oder lokal fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie der Phase III zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Pazopanib (Votrient® ) als vorsorgliche (adjuvante) Therapie bei Patienten mit lokalisiertem oder lokal fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom nach operativer Entfernung des Primärtumors. INFO Studiendesign Die Phase III soll die Wirksamkeit eines Medikamentes gegenüber der bisherigen Standardtherapie belegen. An einer größeren Gruppe von Patienten wird untersucht, welchen therapeutischen Nutzen ein neues Arzneimittel bietet. Wenn für das untersuchte Krankheitsbild schon eine bewährte Therapieform existiert, wird der neue Wirkstoff im Vergleich dazu getestet und bewertet. Da es für das Nierenzellkarzinom jedoch noch keine etablierte adjuvante Therapie gibt, darf hier gegen Placebo getestet werden. Des Weiteren können Studien unterschiedlich aufgebaut sein, man spricht vom so genannten Studiendesign. Die meisten Studien sind randomisiert, das heißt, dass die Patienten per Zufall in verschiedene Gruppen (Vergleichsarme) aufgeteilt werden – meist wissen weder der Arzt noch der Patient, ob ein Placebo oder der Wirkstoff eingenommen wird (doppelblind). Der Vorteil dabei ist, dass die Beteiligten bei der Auswertung der Ergebnisse nicht voreingenommen sein können, was ggf. zu einer Verfälschung der Ergebnisse führen kann. 40 Als adjuvante Therapie wird die Behandlung nach einer vollständigen operativen Entfernung des Primärtumors bezeichnet. Sie soll ein Wiederauftreten der Erkrankung verhindern oder verzögern. Bei anderen Krebserkrankungen (wie z.B. GIST) ist dies Standard. Beim Nierenzellkarzinom gibt es hierzu nur wenige Erkenntnisse, denn derzeit werden Patienten, die nach der Operation tumorfrei und ohne Metastasen sind nicht weiter behandelt, sondern in regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen beobachtet. Die adjuvante Behandlung ist bei dieser Erkrankung daher noch Gegenstand von Studien. Die in dieser Studie untersuchte Substanz (Pazopanib) zählt zu den TyrosinkinaseHemmern und ist für die Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen – die Möglichkeit der adjuvanten also vorbeugenden Anwendung soll in dieser Studie geprüft werden. Das Hauptziel (Primärziel) der Studie ist es, zu untersuchen, ob eine adjuvante Behandlung mit dem Wirkstoff Pazopanib im Vergleich zu Placebo Vorteile für die Patienten bringt. Das bedeutet, dass untersucht wird, ob Pazopanib ein Wiederauftreten der Erkrankung verhindern oder verzögern kann. Da der Wirkstoff noch nicht für eine adjuvante Behandlung zugelassen ist, wird auch die Wirksamkeit und Verträglichkeit überprüft. An dieser Studie können Patienten mit einem nicht metastasierten Nierenzellkarzinom (M0) mit überwiegend klarzelliger Histologie teilnehmen. Zudem sollte der Primärtumor mittels Nierenteilentfernung oder kompletter Nierenentfernung (partielle oder radikale Nephrektomie) entfernt worden sein. Außerdem muss eine von den folgenden Kombinationen lt. dem pTNM Staging und dem Differenzierungsgrad nach Fuhrmann vorliegen: npT2a oder pT2b, N0, G3 oder G4 n pT3a, pT3b oder pT3c, N0, G beliebig n pT4, N0, G beliebig n pT beliebig, N1, G beliebig Wir haben für Sie die Angaben der Studie zusammengefasst, dieser kurze Überblick erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ob Sie als Betroffene(r) für diese Studie infrage kommen, sollten Sie zunächst mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Letztendlich kann nur der Prüfarzt eines Studienzentrums nach einer eingehenden Untersuchung feststellen, ob Sie Patient an dieser Studie teilnehmen können. Für weitere Informationen steht Ihnen auch Frau Heidrun Rexer von der AUO Geschäftsstelle zur Verfügung: Telefon: 039827 / 79 677 Fax: 039827 / 79 678 Mobil: 0173 / 907 67 15 2011 PROTECT Randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie der Phase III zur Untersuchung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pazopanib als adjuvante Therapie bei Patienten mit lokalisiertem oder lokal fortgeschrit­ tenem Nierenzellkarzinom nach einer Nephrektomie Status: Studie ist aktiv/offen (weltweiter Beginn: November 2010) Patienten: weltweit: 1500 Protokoll-ID: AUO: AN 30/10 ClinicalTrials.gov: NCT01235962 VEG113387 EUDRACT 2010-020965-26 Studienarme: Behandlung, randomisiert, doppelblind, 2 Studienarme: • Pazopanib • Placebo Dosierung: Pazopanib: 800 mg oral über ein Jahr Placebo: Tabletten ohne Wirkstoff, die der Dosis von 800 mg von Pazopanib nachempfunden ist – oral über ein Jahr Die Dosierung kann bei starken Nebenwirkungen unterbrochen, reduziert oder abgesetzt werden. Einschlußkriterien: (nur Auszug) •Patienten mit einem lokalem oder lokal fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom bestätigter vorwiegend klarzelliger Histologie • Alter zwischen 18 und 100 Jahren • keine Metastasen (durch bildgebende Diagnostik bestätigt) •Patienten mit vorangegangener Nierentumorresektion oder Nephrektomie •Lt. postoperativer TNM Klassifikation und Differenzierungsgrad nach Fuhrmann – folgende Kombinationen: pT2a oder pT2b, N0, G3 oder G4 pT3a, pT3b oder pT3c, N0, G beliebig pT4, N0, G beliebig pT beliebig, N1, G beliebig Ausschlußkriterien: • Frühere andere bösartige Krebserkrankung (nur Auszug) • Klinisch relevante gastrointestinale Anomalien (z.B. Morbus Crohn) • vorherige medikamentöse Behandlung des Nierenzellkarzinoms • schlecht kontrollierter Bluthochdruck • schwerwiegende Herzerkrankungen Studienleiter: Prof. Dr. med. Christian Doehn Durchführung: 37 Zentren bundesweit Website: http://clinicalsite.org/dgu/de/trial/1279 Beteiligte Studienzentren in Deutschland: Aachen Universitätsklinikum Prof. Dr. med. A. Heidenreich Bergisch Gladbach Marien-Krankenhaus Dr. med. S. Machtens Berlin Vivantes Klinikum Am Urban Prof. Dr. med. J. Roigas Berlin Universitätsklinikum Charité PD Dr. med. S. Weikert Bonn Universitätsklinikum Dr. med. S. Hauser Braunschweig Klinikum Braunschweig Prof. Dr. med. P. Hammerer Bremen Klinikum Bremen PD Dr. med. S. W. Melchior Chemnitz Zeisigwaldkliniken Bethanien Prof. Dr. med. D. Fahlenkamp Dessau Diakonissenkrankenhaus Prof. med. U. Rebmann Duisburg Praxis Dr. med. E. Hellmis Erlangen Universitätsklinikum im Waldkrankenhaus St. Marien PD Dr. med. P. Goebell Essen Universitätsklinikum Dr. med. T. Gauler 3 NIERENKREBS Frankfurt Universitätsklinikum Prof. Dr. med. L. Bergmann Fürth Praxis Dr. med. H. Wagner Goslar Praxis Dr. med. H. W. Tessen Halle (Saale) Universitätsklinikum Prof. Dr. P. Fornara Hamburg Universitätsklinikum Dr. med. R. Heuer Hannover Medizinische Hochschule Prof. Dr. med. M. Kuczyk Homburg/Saar Universitätsklinikum Prof. Dr. med. S. Siemer Jena Universitätsklinikum Prof. Dr. med. M.-O. Grimm Kirchheim Praxis Dr. med. R. Rudolph Leipzig St. Elisabeth-Krankenhaus Dr. med. D. Nietzsch Lübeck Universitätsklinikum Dr. med. M. Sommerauer Lutherstadt Eisleben Praxis Dr. med. R. Eckert Mainz Universitätsklinikum PD Dr. med. C. Hampel MarburgUniversitätsklinikum PD Dr. med. A. Hegele Mönchengladbach Kliniken Maria Hilf Prof. Dr. med. H. Sperling München Universitätsklinikum Rechts der Isar Prof. Dr. med. J. Geschwend Münster Universitätsklinikum PD Dr. med. E. Herrmann Neuss Lukaskrankenhaus Prof. Dr. med. T. Otto Offenbach Klinikum Offenbach GmbH Prof. Dr. med. M. Lein Regensburg Universitätsklinikum im Caritas-Krankenhaus St. Josef PD Dr. med. S. Denzinger Sigmaringen Kreiskrankenhaus Sigmaringen Dr. med. Z. Varga Stuttgart Katharinenhospital Stuttgart Dr. med. J. Schleicher Tübingen Universitätsklinikum Prof. Dr. med. A. Stenzl Ulm Universitätsklinikum Prof. Dr. med. A. J. Schrader Velbert Praxis Dr. med. A. Nusch Weiden Klinikum Weiden Prof. Dr. med. T. Klotz 41 2011 3 WissensWert Das Leben wieder in den Takt bekommen „Amadie amadieo amadieee amadie sinamanao e amadieo sinamanao e amadie” schallt es mir entgegen, als ich zum ersten Mal einen Probenraum im Zentrum meiner Heimatstadt betrete. Dem mehrstimmigen Gesang schließen sich unmittelbar Trommel-Rhythmen an – laut, ungewohnt, dynamisch, mitreißend. Mir fallen sofort die fröhlichen Menschen auf, die sitzend an Djemben und stehend an verschiedenen großen Bass-Trommeln begeistert spielen und sich dabei im Rhythmus bewegen. Fast automatisch nehme ich den Takt auf und versuche, mit den Händen mit zu trommeln. Aber so schnell geht es dann doch nicht, aller Anfang ist ja bekanntlich schwer. Auf der Suche nach etwas ganz Neuem und ganz Anderem, das ich nach dem massiven Einschnitt in meinem Leben beginnen will, habe ich afrikanisches Trommeln für mich entdeckt. Der Einschnitt ist die Diagnose „Liposarkom im rechten Oberschenkel“ Anfang 2007, gefolgt von OP und Strahlentherapie, ein Rezidiv im Herbst 2008, Chemotherapie im anschließenden Winter und erneute OP im April 2009. Auf diesem Weg war ich mehrfach in einem tiefen Tal und habe Federn gelassen, vor allem bei der letzten OP. Ich habe Muskeln und Nerven eingebüßt und kann nicht mehr ohne technische Hilfsmittel laufen, denn zur Stütze meines rechten Beins trage ich eine Orthese aber: der Tumor ist raus, beide Beine sind dran und ICH LEBE!!! Meine ersten Trommel-Versuche waren ernüchternd – es ist schwieriger als es aussieht! Beim Versuch, den Rhythmus zu halten, die richtige Hand zu benutzen und den richtigen Schlag auf das Ziegenfell der Djembe zu setzen habe ich schnell gemerkt, dass es mir an Konzentration hapert. Das habe ich schon geahnt, aber hier so richtig vor Augen geführt bekommen. Nach ein 42 paar Minuten war Schluss, das war in den ersten Wochen ziemlich frustrierend. Doch der Ehrgeiz hat mich gepackt – die Begeisterung war so groß, dass ich täglich geübt und dann auch schnell Fortschritte registriert habe. Meine Hände gehorchen mir, ich erkenne die Rhythmen der verschiedenen Trommeln und kann das Zusammenspiel der Melodie genießen. Mittlerweile bin ich über ein Jahr dabei, immer noch mit großer Begeisterung. Ich traue mich sogar, vor Publikum aufzutreten – etwas, das ich mir am Anfang gar nicht vorstellen konnte. Irgendwo habe ich mal gelesen, durch Trommeln kann man sein Leben wieder in den Takt bekommen. Das kann ich bestätigen (auch wenn nicht mehr alles intakt ist)! Ich möchte gerne allen Patienten Mut machen, den Bruch im Leben zu akzeptieren und als Chance oder Anlass zu begreifen, etwas Neues zu beginnen. Etwas, auf das man sonst nicht gekommen wäre, zu dem nie Zeit gewesen wäre oder das als Traum schon lange darauf wartet, realisiert zu werden. Es kann etwas anderes als das Trommeln sein (nicht jeder hat so tolerante Nachbarn wie wir J ), es gibt viele Möglichkeiten! Von Susanne Gutermuth Die Autorin: Name: Susanne Gutermuth Alter: 46 Jahre Beruf: Consultant Hobbys: Afrikanisches Trommeln, Handarbeiten Erkrankung: Myxoides Liposarkom G2 Diagnose und OP (R1-Resektion) 1/2007 Bestrahlung 2/2007 bis 4/2007 Diagnose Rezidiv retroperitoneal 9/2008 Chemotherapie mit Yondelis (als First-Line-Therapie in einer Studie) 9/2008 bis 3/2009 OP (R0-Resektion) 4/2009 2011 3 ERKRANKUNG & LEBEN Improvisationstheater für Krebsbetroffene Die Tumoristen! sind da In Berlin gibt es ein Theaterensemble ganz besonderer Art: Die Akteure sind Krebserfahrene und spielen Improvisationstheater. Dabei kombinieren sie die Impro-Form des Engländers Keith Johnstone mit dem Playbacktheater des Amerikaners Jonathan Fox - zwei verschiedene Formate, die in kombinierter Form so noch nicht auf der Bühne zu sehen waren. Entstanden ist dieses Impro-Ensemble im September 2010 aus einem Improvisations- Workshop für Krebsbetroffene, der vom Onkologischen Patientenseminar der Charité ausgeschrieben (http://ops.charite.de) und vom Autor durchgeführt wurde. Seitdem probt die Gruppe wöchentlich im BühnenRausch, einem Szene-Theater im Stadtteil Prenzlauer Berg. Die gemeinsame Freude am Improvisieren und die Erfahrungen bei der Krankheitsbewältigung haben die Spieler zu einer einzigartigen Gruppe zusammenwachsen lassen. Das Ensemble zeigt von den Zuschauern initiierte Szenen voller Lebensfreude und Ausgelassenheit, Sehnsucht und Verzweiflung, Witz und Tiefe. Die Bühne wird zum Inbegriff des Lebens, das bunt und unvorhersehbar ist, so wie das Improvisieren selbst. Die Bühnenhandlung entsteht aus dem Moment, unvorbereitet, ungeprobt, nur von der Kreativität des Augenblicks beseelt und von den Impulsen und Geschichten der Zuschauern getragen. Das Publikum fiebert mit, vor allem wenn das Spielgeschehen hakt, wenn das Scheitern sichtbar wird und dann doch zu einer ungeahnten neuen Aktion führt, die auch die Schauspieler selbst in Atem hält. Das ist typisch fürs Improvisieren: Spaß und Ernst, Versagen und Gelingen liegen dicht beieinander. Und das Lachen! Das Lachen, das ständig im Raum schwebt und ansteckt. Ziele und Aktivitäten Die Tumoristen möchten mit ihrem Improvisationstheater einen Beitrag zur Krankheitsbewältigung leisten, die Selbstheilungskräfte von Krebsbetroffenen aktivieren und der Tabuisierung des Themas Krebs in der Gesellschaft entgegenwirken. Dazu werden unterschiedliche Veranstaltungen angeboten: n Spielplatz Theater: Das Ensemble stellt in regelmäßigen Abständen für interessierte Krebsbetroffene und ihre Angehörigen sowie Fachleute aus dem Gesundheits- und Selbsthilfebereich eine offene Bühne zum Mitspielen bereit. Diese kostenlose gesundheitsfördernde Veranstaltung steht unter dem Motto: Selbstbewusstsein und Krankheitsbewältigung durch gemeinsames Theaterspiel. Jeder kann kommen und mitspielen (oder auch nur zuschauen). Neben dem gemeinsamen Spiel bietet der Spielplatz Theater Einblick in die Theater­ arbeit und ermöglicht den Austausch untereinander. n Theatervorstellungen: Für das interessierte Publikum finden regelmäßig Auftritte in öffentlichen Spielstätten statt. Sie werden zum Teil zu thematischen Schwerpunkten durchgeführt. n Improvisationsworkshops: Für Interessenten, die Lust auf Improvisationstheater haben, werden in größeren Abständen einführende Trainingsworkshops organisiert. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Auch Schüchterne erlernen mit Freude die Improvisation! n Während der Bühnenshow erhält das Publikum Informationen über die Methoden des Impro- und des Playbacktheaters und zu deren heilsamer Wirkung für Krebsbetroffene. Nach den Veranstaltungen besteht die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit den Tumoristen. Improvisationstheater beflügelt Lebensgeister In der Regel erschüttert eine Krebsdiagnose auf traumatische Weise die Identität der Betroffenen und löst gravierende existentielle Probleme aus. Der Rückzug aus der Öffentlichkeit ist vorprogrammiert, zumal Krebs noch immer ein gesellschaftliches Tabu darstellt. In dieser Situation fördert das Improvisationsspiel die Lebensgeister der betroffenen Akteure: Es verlangt den Mut, sich zu zeigen, und entwickelt die Sicherheit, eigene Ressourcen wahrzunehmen und sich ihrer wieder zuversichtlich bedienen zu 43 2011 3 WissensWert Was macht die Tumoristen aus? Interview mit TumoristIn Birgit, 45 Jahre WissensWert: Wann hast Du von Deiner Krebsdiagnose erfahren? können. Das Vertrauen in den eigenen Körper und die eigenen psychischen Kräfte werden gestärkt, dem Verlust an Vitalität kann entgegengewirkt werden und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kommt in großen Schritten voran. Auf der Bühne wird die eigene Lebensfreude wieder entdeckt, die nun auch mit hinaus genommen werden kann auf die vielfältigen Bühnen des Lebens. Aber nicht nur bei den Spielern erwachen die Lebensgeister. Angesichts der Spielfreude und Lebensbejahung der Akteure, können auch die krebsbetroffenen Zuschauer ihre eigene Kraft und Lebendigkeit spüren, den Hunger auf Leben und die Lust, für sich selbst gut sorgen zu wollen. Dies wird dadurch unterstützt, dass die Zuschauer mit ihren eigenen Erfahrungen und Geschichten in das Bühnengeschehen einbezogen werden: Aufgrund der Widerspiegelungen von der Bühne gewinnen sie neue Sichtweisen und Handlungsimpulse für ihre aktuelle Lebensgestaltung und den eigenen Umgang mit Krankheit und Krisen. Nicht zuletzt erkennen die Zuschauer durch die Gruppenleistung der Schauspieler die Bedeutung, die eine wertschätzende Gruppe für den eigenen Gesundungsprozess und ein sinnerfülltes Leben besitzt. www.tumoristen.de 44 TumoristIn Birgit: Im Januar 2010 habe ich die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhalten. Es sollte dann auch gleich operiert werden. Allerdings haben die Ärzte die OP abbrechen müssen, weil sich der Tumor als inoperabel herausstellte. Danach folgte eine klassische Chemo-Therapie verbunden mit Hyperthermie. Außerdem habe ich weitere alternative Methoden, wie z.B. Fieber­ therapie, ausprobiert. Sport war ein zusätzlicher Baustein. Im Vordergrund stand hierbei die Stärkung und Stabilisierung meines Immunsystems, das aufgrund des Tumors, der OP und der Chemo-Therapie total zusammengebrochen war. Dies wirkte sich sehr positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Der Tumor bildete sich zurück - was, wie mein Arzt mir sagte, eher selten sei. Daher wurde mir eine zweite Operation vorgeschlagen. Ich habe mehrere Wochen und viele zusätzliche Beratungen gebraucht, um diese schwierige Entscheidung zu fällen, denn die Chancen standen 50:50. Diese OP war dann im März 2011. Der Tumor war wirklich kleiner geworden und konnte entfernt werden. Metastasen waren zum Glück auch nicht mehr vorhanden. Selbst die Chirurgen waren erstaunt über diesen extrem positiven Verlauf. WW: Was hatte diese Diagnose für einen Einfluss auf Dich und Dein Leben? Auf Deine Familie und Deine Freunde? TumoristIn Birgit: Ich habe zu dem Zeitpunkt als ich krank wurde mit meinem Partner in Madagaskar gelebt, weil wir dort gearbeitet haben. Als klar wurde, dass ich etwas an der Bauchspeicheldrüse habe, bin ich zur Kontrolle nach Deutschland gef logen. Damals wusste ich noch nicht, dass ich nicht mehr nach Madagaskar zurückkommen würde. Das heißt, durch die Erkrankung hat sich mein ganzes Leben verändert. Mein Freund musste alles in Madagaskar auf lösen, das Haus, das Auto und Motorrad verkaufen. In der Zeit, in der ich im Krankenhaus lag und mit den Therapien begann, ist er zwischen Madagaskar und Berlin gependelt: 4 Wochen dort, 4 Wochen hier. Danach haben wir beschlossen, unseren Lebensmittelpunkt nach Berlin zu verlegen. Meine Familie und auch meine Freunde haben mich in der ganzen Zeit sehr unterstützt. Neben den ganzen Therapien, die ich gemacht habe, war eine der wichtigsten Säulen in meinem Leben, mein „Heilkreis“. Ich nenne es „Heilkreis“ – das habe ich mal in einem Vortrag gehört, dazu gehören alle Menschen, neben den Ärzten, Therapeuten, Familie, Freunde usw., einfach alle, die einen unterstützen und mit positiven Gefühlen für einen da sind. Sei es mit Kleinigkeiten oder großen Dingen, mit Zeit, Zuneigungen oder anderem – das ist egal. Menschen, die einfach versuchen einen in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Heute ist mir bewusst, dass die Veränderungen, die der Krebs mit sich brachte, nicht nur zum negativen waren – so komisch sich das auch anhört. Klar, es ist die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich bin mitten aus dem Leben gerissen worden, mit meinen 45 Jahren. Eigentlich auf dem Höhepunkt meines Lebens, beruf lich, finanziell und in der Liebe. Aber die Erkrankung hatte auch positives, weil ich bemerkt habe, was ich für tolle Menschen um mich habe. Menschen, die mich wirklich getragen haben durch diese schwere Zeit. Menschen, ohne die der Krankheitsverlauf sicherlich nicht so positiv verlaufen wäre. WW: Wie bist Du zu den Tumoristen gekommen? TumoristIn Birgit: Das war Zufall. Ich habe eine Freundin im Krankenhaus besucht. Sie hatte gerade eine Operation wegen Eierstockkrebs hinter sich. Wir sind zusammen 2011 auf den Flur gegangen, da habe ich einen Aushang gesehen mit der Ankündigung „Krebskranke gesucht für Theatergruppe“ für Improvisationstheater. Improvisationstheater hatte ich hier in Berlin schon gesehen und fand es sehr gut. Da habe ich gleich gedacht: „Wie schön!“ Endlich etwas Positives, Kreatives, etwas, bei dem nicht nur die Krankheit im Vordergrund steht. Bei den Tumoristen kann man sich über etwas anderes definieren, als lediglich die Erkrankung – klar, sie ist immer da, weil die anderen hier auch von Krebs betroffen sind, aber es ist eine positive Herangehensweise, es ist etwas, was zunächst Spaß und Freude bereitet. Das entspricht ganz meinem Naturell und so habe ich mich gleich dazu entschlossen bei den Tumoristen vorbei zu gehen. Ich hatte schon Angst, dass sich zu viele Leute angemeldet haben. Ganz im Gegenteil waren dann aber zu Beginn nur vier oder fünf andere da und Wolfgang, der Leiter der Tumoristen, meinte die Gruppe könne noch mehr Leute gebrauchen, ich könnte ruhig noch etwas Werbung machen. Das war im September 2010. WW: Wie war Dein erstes Mal bei den Tumoristen, auf der Bühne? Warst Du unsicher, war es komisch oder peinlich für Dich? TumoristIn Birgit: Nein, das war es eigentlich gar nicht. Ich fühle mich normalerweise eher unsicher, wenn ich Reden halten oder mich vor Publikum präsentieren muss. Aber wir haben ja erstmal nur für uns gespielt und es war mir von Anfang an klar, es ist total egal was man da oben macht. Man kann es nicht steuern – und das ist gut so. Es ist halt alles improvisiert. Es gibt kein richtig oder falsch und das habe ich von Anfang an genossen. Keinem Druck zu unterliegen. Ich war einfach froh, dass ich dabei so viel rauslassen kann. Ich hatte so einen Druck in mir, den ich endlich rauslassen konnte. Das Theaterspielen war ein ganz anderer, neuer Ansatz: Hier ging es über die Bauchebene, der Bauch wurde angesprochen, die Emotionen. Man ist sonst ja doch eher rational. Das hat einfach gut getan. 3 ERKRANKUNG & LEBEN WW: Kurz vor Deiner letzten OP hast Du gesagt, Du wünscht Dir sehr, sofort wieder auf die Bühne zu gehen. Waren die Tumoristen ein Halt, der Dich motiviert hat weiter zu machen? TumoristIn Birgit: Auf jeden Fall Ich hatte mich ja vor der Operation erstmal für ein paar Monate von der Gruppe verabschiedet. Aber man braucht einfach Dinge im Leben, an denen man sich festhalten kann. Das sind jetzt nicht nur die Tumoristen. Aber es geht darum nach vorne zu schauen, in die Zukunft zu planen, Ziele zu haben. Mein Wunsch war es einfach wieder hierher zurück zu kommen. Die anderen Tumoristen haben mich in der Zeit besucht, E-Mails geschrieben und mit mir telefoniert. So habe ich gesehen, wie sich die Gruppe weiterentwickelt hat. Da wollte ich einfach wieder auf die Bühne und wollte teilhaben. Etwa sechs Wochen nach der Operation war ich dann hier im Publikum. Ich hatte viel abgenommen und war noch schwach nach der großen Operation, aber hier dabei zu sein, das hat mir einen richtigen Kick gegeben. Das hat so viel Spaß gemacht. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich so schnell wieder mitmachen und auf der Bühne stehen kann. Aber es ging. Die Tumoristen sind für mich ein Baustein, um nach vorne zu denken. Es geht darum, gemeinsam Theater zu spielen, zu Improvisieren wie im Leben, zu lachen und sich in der Gruppe wohl zu fühlen. Hier geht es um den Zusammenhalt, die Gruppe und nicht immer nur Krebs, Krebs, Krebs. Es läuft nicht alles nur über den Kopf, nicht nur problematisieren. Es ist einfach mal was anderes und es tut gut. Wir danken den Tumoristen für einen vergnüglichen Abend und im Besonderen der TumoristIn Birgit für das offene Gespräch. 45 2011 3 WissensWert LH medizinisch-wissenschaftlicher Beirat – Experten persönlich Prof. Dr. Henrik Michaely Wie sind Sie zum Lebenshaus gekommen? Vermittlung über Prof. Häcker aus der Urologie. Warum ist Ihnen die Arbeit im Lebenshaus wichtig? Damit wir Ärzte die Sorgen und Bedürfnisse unserer Patienten besser verstehen und individuell auf sie eingehen können. Verraten Sie uns Ihre Hobbies? Golf, Basketball, Lesen Haben Sie einen Buch-Tipp für uns? Für ruhigere Stunden – „Der Alchemist“ von Paulo Coelho und „Zero“ von Charles Seife zum Nachdenken und als gute Unterhaltung Tom Clancy Bücher. Gibt es einen Lieblingsfilm? Da gibt es zahlreiche. Beispielhaft seien hier „Pulp Fiction“, „Die Üblichen Verdächtigen“ und „Das Fenster zum Hof “ genannt. Lebensmotto/Wünsche: Immer optimistisch sein, nie aufgeben und das „Nike-Theorem“: just do it. Berufsmotto: Deckt sich mit meinem Lebensmotto Kontakt: Prof. Dr. Henrik Michaely Universitätsklinikum Mannheim Institut für klinische Radiologie und Nuklearmedizin Theodor-Kutzer-Ufer 1-3 68167 Mannheim Auf einen Blick : Professor Doktor Michaely ist seit April 2011 Mitglied im Vorstand des medizinischwissenschaftlichen Beirats des Bereiches Nierenkrebs im Lebenshaus. Weitere Mitglieder sind: PD Dr. med. Thomas Gauler (Vorstand), Essen - Onkologe Dr. med. Viktor Grünwald (Vorstand), Hannover – Onkologe PD Dr. med. Carsten Ohlmann (Vorstand), Homburg - Urologe PD Dr. med. Michael Staehler (Vorstand), München – Urologe PD Dr. med. Thomas Steiner (Vorstand), Erfurt – Urologe PD Dr. med. Bernhard Brehmer (Beirat), Aachen - Urologe Dr. med. Sabine Brookman-May (Beirat) Regensburg – Urologin Prof. Dr. med. Jan Roigas (Beirat), Berlin – Urologe Dr. med. Sabine Siegert (Beirat), München - Pathologin Prof. Dr. med. Stephan Störkel (Beirat), Wuppertal – Pathologe Diese Experten werden wir Ihnen nach und nach in den kommenden Ausgaben des WissensWert vorstellen. 46 Name: Prof. Dr. Henrik Michaely Wohnort: Mannheim Alter/Geburtstag: 35, 14.01.1976 Beruf: Oberarzt Radiologie Derzeitige Position: Oberarzt MRT, Leiter des Geschäftsfelds Abdominelle und Vaskuläre Bildgebung Schwerpunkte: MR-Bildgebung der Nieren und der Gefäße 2011 3 Das Lebenshaus Impressum Founding-Menber of „Unabhängig, fachkundig und engagiert!“ Die Organisation Für Patienten Mit Seltenen Soliden Tumoren: Das Lebenshaus e.V. n Betroffene informieren n Interessen vertreten n Behandlung optimieren n Forschung unterstützen n Hoffnung geben Das Lebenshaus e.V. Seltene Solide Tumoren: GIST • Sarkome • Nierenkrebs International Kidney Cancer Coalition Hotline 0700-4884-0700 [email protected] www.daslebenshaus.org „Das Lebenshaus e.V.“ ist die Organisation für Patienten mit bestimmten seltenen soliden Tumoren wie GIST, Sarkome und Nierenkrebs, Angehörige und medizinische Fachkräfte. Die wesentlichen Aufgaben­ bereiche des Lebenshauses sind: n Betroffene informieren n Interessen vertreten n Behandlung optimieren n Forschung unterstützen n Hoffnung geben Der Verein arbeitet professionell mit medizinischen Fachkräften, der forschenden Pharmaindustrie und anderen Patienten­ organisationen weltweit zusammen, um das Bestmögliche für die Betroffenen und ihre Familien in den jeweiligen Indikationen zu erreichen. Das Lebenshaus ist eine gemeinnütziger Non-Profit Verein, ohne Einf lussnahme Dritter. Er finanziert sich durch Fördermitgliedschaften, Privatspenden, Firmenspenden, Sponsoring, Benefiz­ aktivitäten sowie Mitarbeit in EU-geförderten Projekten. Status: Gemeinnütziger Verein, gegründet am 24. Juni 2003 (14 Gründungsmitglieder), eingetragen unter VR 1152 im Vereins­ register des Amtsgerichts Friedberg/Hessen. Vereinsorgane: Betroffenen-Vorstand, Mitgliederversammlung, Vereinssprecher, angestellte Mitarbeiter sowie zwei mediz.wiss. Beiräte führender Experten in den jeweiligen Indikationen. Spenden-/Bankkonto: Commerzbank Bad Nauheim - BLZ 513 800 40 Konto: 01 30 52 07 00 Bitte geben Sie bei Spenden Ihre komplette Adresse auf dem Überweisungsträger an, damit wir Ihnen eine Spendenbescheinigung für Ihre Steuerunterlagen zusenden können. Vielen Dank! Vereinsadresse: Das Lebenshaus e.V. Patientenorganisation Usa-Strasse 1, D-61231 Bad Nauheim GIST/Sarkome: Tel.: + 49 (0) 700 4884 0700 Nierenkrebs: Tel.: + 49 (0) 700 5885 0700 Telefax: + 49 (0) 6032-9492-885 Website: www.daslebenshaus.org Zentrale Email: [email protected] Dieser Infobrief „WissensWert“ ist ein kostenloses Informationsangebot des gemeinnützigen Vereins Das Lebenshaus e.V. (V.i.S.d.P. Markus Wartenberg, Berit Eberhardt, Karin Kastrati) Ausgabe 3 = Oktober 2011 – Auf lage 3.500 Ex. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Disclaimer / Haftungsausschluss ACHTUNG! Wir sind Patienten, Angehörige, Redakteure und freiwillige Mitarbeiter – keine Ärzte! Die Informationen dieses Infobriefes dürfen auf keinen Fall als Ersatz für professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Ärzte angesehen werden. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen zu beginnen. Wir haben versucht, diesen Infobrief mit größtmöglicher Sorgfalt zu erstellen – dennoch sind Irrtümer und Änderungen möglich. Das ist menschlich! Hierfür übernehmen Herausgeber, Vorstand, Vereinssprecher, Redakteure, Beiräte, FremdAutoren und Gestalter keine Haftung. Sollten Sie Irrtümer und Änderungen finden, bitte machen Sie die Redaktion unmittelbar darauf aufmerksam: [email protected] Vielen Dank! 47 2011 3 WissensWert Das Lebenshaus Die wichtigsten Termine im Überblick Das Lebenshaus e.V. Terminkalender: Oktober, November und Dezember 2011 OKTOBER 2011 Datum Ort Veranstaltung 26.10. München Reg. NIER-Gruppe München 27.10. Heilbronn Reg. NIER-Gruppe Heilbronn-Franken 30.10. Eisenhüttenstadt Reg. GIST-Gruppe Eberswalde 02.11. Bochum Reg. GIST-Gruppe Rhein-Ruhr 08.11. Köln Reg. GIST-Gruppe Köln-Bonn 08.11. Düsseldorf Reg. NIER-Gruppe Rheinland 14.11. Berlin Reg. NIER-Gruppe Berlin 17.11. Hannover Reg. GIST-Gruppe Hannover, Weihnachtsessen 24.11. Heilbronn Reg. NIER-Gruppe Heilbronn-Franken 30.11. München Reg. NIER-Gruppe München 30.11. Lübeck Reg. GIST-Gruppe Lübeck 03.12. Bad Homburg Reg. GIST-Gruppe Rhein-Main, Weihnachtsessen 05.12. München Reg. GIST-Gruppe München, Weihnachtsfeier 07.12. Bochum Reg. GIST-Gruppe Rhein-Ruhr, Weihnachtsfeier 08.12. Berlin Reg. GIST-Gruppe Berlin, Weihnachtsessen 12.12. Berlin Reg. NIER-Gruppe Berlin 20.12. Düsseldorf Reg. NIER-Gruppe Rheinland 28.12. München Reg. NIER-Gruppe München 29.12. Heilbronn Reg. NIER-Gruppe Heilbronn-Franken NOVEMBER 2011 DEZEMBER 2011 Unterstützen Sie Ihr Lebenshaus und unsere gemeinsame Arbeit durch eine Spende! n Betroffene informieren n Interessen vertreten n Behandlung optimieren n Forschung unterstützen n Hoffnung geben 48 Commerzbank Bad Nauheim BLZ: 513 800 40 Konto: 0130520700