Der Bundesrat eröffnet die Vernehmlassung zur

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Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Der Bundesrat eröffnet die Vernehmlassung zur
Präimplantationsdiagnostik
Bern, 18.02.2009 - Der Bundesrat hat heute die Vernehmlassung zur Änderung des
Bundesgesetzes über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung eröffnet. Die Änderung
betrifft die Präimplantationsdiagnostik. Das im geltenden Fortpflanzungsmedizingesetz
enthaltene Verbot soll aufgehoben und durch eine Zulassung unter strengen
Voraussetzungen ersetzt werden.
In der Schweiz verbietet das Fortpflanzungsmedizingesetz die Präimplantationsdiagnostik (PID),
das heisst die Untersuchung eines durch künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF)
erzeugten Embryos auf genetische Anomalien hin, bevor er allenfalls in die Gebärmutter der Frau
übertragen wird. Das soll sich ändern. Der Bundesrat hat im Auftrag des Parlamentes einen
Vorschlag zur Zulassung der PID ausgearbeitet und diesen heute in die Vernehmlassung gegeben.
Gemäss Vorschlag sollen diejenigen Paare eine PID in Anspruch nehmen dürfen, bei denen
aufgrund ihrer Erbanlagen eine grosse Gefahr besteht, dass sie ihren Kindern die Veranlagung für
eine schwere Krankheit übertragen. Mit der PID erhalten sie eine Alternative zu einer während der
Schwangerschaft durchzuführenden Pränataldiagnostik mit eventuell anschliessendem
Schwangerschaftsabbruch. Gleichzeitig soll die Regelung sicherstellen, dass die Menschenwürde
geschützt und Missbräuche verhindert werden.
Um diese Ziele zu erreichen, setzt der Vorschlag des Bundesrates der Anwendung der PID strenge
Grenzen. Sie darf nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Gefahr, dass die beim Elternpaar
nachgewiesene genetische Veranlagung für eine Krankheit auf die Nachkommen übertragen wird,
nicht anders abwenden lässt. Dabei muss es sich um eine schwere Krankheit handeln, die mit
hoher Wahrscheinlichkeit vor dem fünfzigsten Lebensjahr ausbricht, und für die keine wirksame und
zweckmässige Therapie zur Verfügung steht. Alle anderen Anwendungsmöglichkeiten der PID
bleiben verboten. So ist es namentlich unzulässig, die PID im Rahmen eines Screenings
anzuwenden, das heisst, für allgemeine Vorsorgeuntersuchungen zur Vermeidung von spontan
auftretenden genetischen Anomalien (z.B. Trisomie 21) oder zum Versuch, die Erfolgsquote bei der
Behandlung von Unfruchtbarkeit zu steigern. Ebenso ist es verboten, mittels PID einen Embryo mit
einem bestimmten Gewebetyp zum Zweck einer späteren Gewebe- oder Organspende für ein
krankes Geschwister auszuwählen (sog. Retter-Baby). Generell unzulässig sind alle Anwendungen
der PID ohne Bezug zu einer genetischen Krankheit.
Das Bundesamt für Gesundheit nimmt im Rahmen des heute eröffneten
Vernehmlassungsverfahrens bis am 18. Mai 2009 Stellungnahmen zum Entwurf entgegen.
Adresse für Rückfragen:
Zurcher Jean-Louis
Bundesamt für Gesundheit
Sektion Kommunikation, 031 322 95 05
Herausgeber:
Eidgenössisches Departement des Innern
Internet: http://www.edi.admin.ch
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Kontakt | Rechtliches
http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de
Erläuterungen zur Änderung des
Fortpflanzungsmedizingesetzes
(Präimplantationsdiagnostik)
18. Februar 2009
Inhaltsverzeichnis
Übersicht
1 Grundzüge der Vorlage
1.1 Ausgangslage
1.2 Naturwissenschaftliche Grundlagen
1.2.1 Einleitung
1.2.2 Begriffe
1.2.2.1 Präimplantationsdiagnostik
1.2.2.2 Polkörperdiagnostik
1.2.3 Verfahren der PID / IVF
1.2.4 Anwendungsbereiche der PID
1.2.4.1 Nachweis genetisch bedingter Krankheiten
1.2.4.2 PID für infertile Paare
1.2.4.3 PID für fruchtbare Paare in fortgeschrittenem Alter
1.2.4.4 PID zur Auswahl immunkompatibler Embryonen
1.2.4.5 PID zur Selektion des Geschlechts ohne Krankheitsbezug
1.2.4.6 PID zur positiven Selektion einer genetisch bedingten
Anomalie
1.2.5 Fehldiagnosen
1.3 Ethische Aspekte
1.3.1 Grundsätze
1.3.2 Grundlegende Wertkonflikte
1.3.3 Wem dient eine PID?
1.3.4 Nutzen, Nachteile und Risiken der PID
1.3.5 Die Diskussion in der Schweiz
1.3.6 Die Diskussion auf internationaler Ebene
1.3.7 Weitergehende Anwendungsmöglichkeiten
1.4 Die Rechtslage in der Schweiz
1.4.1 Bundesverfassung
1.4.2 Bundesgesetzgebung
1.4.3 Parlamentarische Vorstösse auf Bundesebene
1.4.4 Kantonale Gesetzgebung
1.5 Die beantragte Neuregelung
1.5.1 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten
1.6 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen
1.7 Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht
1.7.1 Rechtslage in anderen Ländern
3
6
6
8
8
9
9
9
9
12
12
16
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19
19
21
22
25
26
28
29
29
32
33
34
34
35
38
38
38
1
1.7.2 Verhältnis zum europäischen Recht
1.8 Umsetzung
1.9 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
44
46
47
2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln
2.1 Zulässigkeit der Verfahren (Art. 5 und 5a)
2.2 Einwilligung, Beratung und Datenschutz (Art. 5b-6b)
2.3 Vollzug (Art. 8, 9, 10a-14b)
2.4 Strafbestimmungen (Art. 33, 34, 37, 38)
2.5 Zusätzliche Aufgabe der Expertenkommission für genetische
Untersuchungen beim Menschen (Art. 35 Abs. 2 Bst. k GUMG)
47
47
52
54
60
3 Auswirkungen
3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen
3.1.1 Auf den Bund
3.1.2 Auf die Kantone und die Gemeinden
3.2 Auswirkungen auf die Informatik
3.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen
3.4 Andere Auswirkungen
3.4.1 Auf Menschen mit Behinderungen
3.4.2 Auf die Gleichstellung von Frau und Mann
3.4.3 Auf die soziale Krankenversicherung
3.4.4 Auf die Wirtschaftsfreiheit
3.5 Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein
62
62
62
65
65
65
65
65
66
66
66
67
4 Verhältnis zur Legislaturplanung
67
5 Rechtliche Aspekte
5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit
5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse und Vereinbarkeit mit dem
Subventionsgesetz
5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
67
67
67
Anhang 1: Glossar naturwissenschaftlicher Fachbegriffe
69
Anhang 2: Tabellen
73
2
62
68
68
Übersicht
Die Revision hebt das bisherige Verbot der Präimplantationsdiagnostik im
Fortpflanzungsmedizingesetz auf. Unter Beachtung des Grundsatzes der
Menschenwürde definiert sie strenge Rahmenbedingungen, unter denen die PID
für betroffene Paare zugänglich sein soll, und stellt ihre Anwendung zu anderen
Zwecken unter Strafe.
Ausgangslage
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein medizinisches Verfahren, mit dem im
Rahmen einer künstlichen Befruchtung Embryonen genetisch untersucht werden,
bevor sie in die Gebärmutter eingebracht werden. Im Anschluss an die gewonnenen
Informationen über ihre genetische Veranlagung besteht die Möglichkeit zu
entscheiden, ob die einzelnen Embryonen tatsächlich auf die Mutter übertragen oder
aber ausgesondert werden sollen.
Der zentrale Zweck dieser Technologie besteht darin sicherzustellen, dass das
zukünftige Kind nicht unter einer bestimmten, genetisch bedingten Erkrankung,
deren Veranlagung die Eltern tragen, leiden wird. In manchen Familien gibt es eine
mitunter über Generationen zurückreichende Geschichte schwerer vererbter
Krankheiten wie beispielsweise Zystischer Fibrose. Andere Paare haben eines oder
mehrere Kinder bereits sehr früh etwa wegen einer erblichen Form von
Muskelschwund verloren. Viele Paare fühlen sich einem solchen Schicksal nicht
gewachsen und verzichten auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches, obwohl dieser
eigentlich eine essenzielle Rolle in ihrer Lebensplanung spielt. In solchen Fällen
eröffnet die PID einen Ausweg aus dieser dilemmatischen Situation.
Darüber hinaus kann mittels PID prinzipiell jedes beliebige Merkmal, das genetisch
bedingt ist und für das es einen Test gibt, zum Auswahlkriterium gemacht werden.
Eine typische Anwendungsmöglichkeit ist etwa der Versuch, diejenigen Embryonen
zu erkennen, die sich aufgrund von Chromosomenstörungen nicht entwickeln
werden, um so die Erfolgsrate einer künstlichen Befruchtung zu erhöhen. Daneben
können Embryonen nach Gewebeeigenschaften ausgewählt werden, beispielsweise
um eine Übertragung von Knochenmark auf ein krankes Geschwister zu
ermöglichen, oder einen Embryo nach seinem Geschlecht auszuwählen.
Allerdings liegt in eben dieser Offenheit der Technik auch eine ihrer Gefahren: eine
schrankenlose eugenische Verfügungsgewalt über die Nachkommen ist ethisch nicht
zu rechtfertigen. Ein Embryo in vitro darf nicht zum Spielball beliebiger Interessen
werden. Befürchtet werden aber insbesondere auch Auswirkungen durch die
Zulassung der PID auf die Gesellschaft als Ganzes wie eine Verschlechterung der
Situation von behinderten oder kranken Menschen und eine zunehmende
Medikalisierung der Fortpflanzung. Insgesamt also bestehen ernsthafte Bedenken,
dass die Zulassung der PID mit gravierenden Nachteilen einhergehen könnte.
3
Inhalte der Vorlage
Der Gesetzesentwurf regelt die Zulassung der PID und ersetzt damit das bisherige
Verbot dieser Technik im geltenden Fortpflanzungsmedizingesetz1. Die Grundsätze
der Regelung lauten wie folgt:
-
Die PID darf nur angewandt werden, wenn sich die konkrete Gefahr anders
nicht abwenden lässt, dass das Elternpaar in eine unzumutbare Situation
gerät, weil das zu zeugende Kind mit grosser Wahrscheinlichkeit an einer
schweren erblichen Erkrankung leiden wird. Dabei muss das
Krankheitsrisiko aufgrund einer bekannten genetischen Disposition der
Eltern bestehen.
-
Alle anderen Anwendungsmöglichkeiten bleiben unter Androhung von Strafe
verboten: die PID darf nicht durchgeführt werden in Form eines
«Screenings» bei Unfruchtbarkeit oder erhöhtem Alter der Frau, sie ist
unzulässig zur Bestimmung des Gewebetyps sowie zur Bestimmung des
Geschlechts und aller übrigen genetischen Eigenschaften ohne Bezug zu
einer schweren Krankheit.
-
Das Elternpaar hat geltend zu machen, dass es durch die Geburt des in
dieser Weise belasteten Kindes in eine unzumutbare Lage geraten würde.
Ausserdem hat die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt zu prüfen,
ob die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind, so dass zurecht eine solche
unzumutbare Situation anerkannt werden kann: die Krankheit muss als
schwer einzustufen sein, sie muss mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem 50.
Lebensjahr ausbrechen, und es darf keine wirksame und zweckmässige
Therapie dafür zur Verfügung stehen.
-
Das Elternpaar muss über alle Schritte des PID-Verfahrens ebenso wie über
Alternativen hinreichend informiert und beraten werden. Dabei ist sein
Selbstbestimmungsrecht in jedem Moment zu wahren.
-
Das ausführende medizinische Personal unterliegt im Interesse der Qualität
und zur Sicherung einer gesetzeskonformen Praxis besonderen
Bewilligungs- und Meldepflichten. Vollzugsbehörde ist das Bundesamt für
Gesundheit.
-
Die Regelung ist im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf verschiedenen
Ebenen periodisch zu evaluieren.
-
Alle übrigen Rahmenbestimmungen des FMedG, des entsprechenden
Verfassungsartikels und aller anderen Gesetze bleiben unberührt.
Damit soll gewährleistet werden, dass alle Paare, die andernfalls in eine
gravierende, ihnen offensichtlich unzumutbare Situation geraten würden,
zuverlässig
die
PID
in
Anspruch
nehmen
können.
Weitere
Anwendungsmöglichkeiten bleiben aufgrund des Gefahrenpotenzials der Technik
verboten; ein Graubereich unklarer Abgrenzungsfragen soll so weit wie möglich
ausgeschlossen sein. Die Regelung soll so den betroffenen Frauen und Paaren eine
zumutbarere Alternative zu einer während der Schwangerschaft durchzuführenden
Pränataldiagnostik mit eventuell anschliessendem Schwangerschaftsabbruch
eröffnen, ohne den Schutz der Menschenwürde zu gefährden.
1
4
Bundesgesetz vom 18. Dezember 1998 über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung;
FMedG; SR 810.11.
Gliederung der Erläuterungen
Die vorliegenden Erläuterungen sind in fünf Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel (1
Grundzüge der Vorlage) werden nach einer kurzen Einführung (1.1) die
naturwissenschaftlichen Grundlagen der PID beleuchtet (1.2). Grosses Gewicht
kommt dabei der Darstellung der medizinischen Praxis der PID im Ausland zu.
Sodann werden zentrale Aspekte der PID aus ethischer Sicht aufgezeigt (1.3). Im
Zentrum steht dabei die ethische Grundfrage, ob, und wenn ja, inwieweit das
Interesse der Eltern an einem nicht von einer genetischen Krankheit betroffenen
Kind die mit der PID verbundenen Nachteile und Risiken aufzuwiegen vermag. Des
Weiteren werden die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der PID aus
ethischer Sicht beleuchtet. Anschliessend wird die Rechtslage in der Schweiz
dargestellt (1.4). Dabei werden insbesondere die verfassungsrechtlichen
Rahmenbedingungen skizziert, an welchen sich die Neuregelung zu orientieren hat.
Danach folgt eine Auflistung der zentralen Inhalte der beantragten Neuregelung
(1.5) sowie eine Offenlegung der jährlichen Vollzugskosten (1.6). Schliesslich sollen
die unterschiedlichen Regelungsansätze der Präimplantationsdiagnostik innerhalb
Europas dargestellt werden. Im Anschluss daran finden sich insbesondere
Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln (2) sowie Ausführungen zu den
Auswirkungen der vorgeschlagenen Neuregelung (3).
5
Erläuterungen
1
Grundzüge der Vorlage
1.1
Ausgangslage
Im Jahre 1978 wurde in Grossbritannien das erste Kind geboren, das aus einer Invitro-Fertilisation2 (IVF) hervorgegangen war. Die medizinisch unterstützte
Fortpflanzung rückte im Anschluss daran in den Brennpunkt des öffentlichen
Interesses. In der Schweiz wurden erste Versuche mit dieser Methode 1982 in Basel
durchgeführt. 1985 kam in Locarno das erste schweizerische «Retortenkind» zur
Welt.3
Dem Bund fehlte zu jenem Zeitpunkt die verfassungsrechtliche Grundlage zum
Erlass einer einschlägigen gesetzlichen Regelung. In der Folge lancierte die
Redaktion des Schweizerischen Beobachters am 15. Oktober 1985 die
Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative, um gewissen, als bedrohlich
wahrgenommenen Entwicklungen in diesem Bereich Einhalt zu gebieten. Ziel war
eine klare Verfassungsgrundlage mit dem Auftrag an das Parlament zum Erlass
eines Gesetzes, namentlich im Hinblick auf die «Übertragung von Keimdrüsen, die
künstliche Insemination, die IVF, den Embryotransfer sowie den Umgang mit
Keimzellen und lebenden oder toten Keimen in Wissenschaft, Medizin, Gewerbe
und Industrie».4 Die Räte und am 17. Mai 1992 Stimmvolk und Stände nahmen
schliesslich den Gegenvorschlag an, den der Bundesrat zur Initiative ausgearbeitet
hatte, ohne deren Zielrichtung zu ändern. Die Regelung findet sich heute in Artikel
119 der Bundesverfassung (BV)5.
Auch im zweiten Bereich, den dieser Verfassungsartikel regelt, der Gentechnologie,
waren zur gleichen Zeit sowohl in der Schweiz als auch auf internationaler Ebene
wesentliche Entwicklungen zu verzeichnen. Die neuen Techniken und
Analysemethoden wurden nicht zuletzt auf die Gynäkologie und
Fortpflanzungsmedizin übertragen, was zunächst zu pränatalen chromosomalen
Analysen im Rahmen der Fruchtwasserpunktion und Anfang der 1980er Jahre zur
Chorionzottenbiopsie führte. Mit dem Ziel, die Übertragung geschlechtsbedingter
genetischer Krankheiten zu verhindern, wurde die Analysemethode sodann mit der
IVF zusammengefügt, und 1990 erfolgte der erste Bericht über die klinische
Anwendung der PID. Das Spektrum der Indikationen wurde seither immer mehr
ausgeweitet. Neben der Verhinderung der Übertragung einer genetisch bedingten
Krankheit wird mit der PID nunmehr etwa auch versucht, die Erfolgsrate von IVFVerfahren insbesondere bei älteren Frauen zu steigern. Dadurch soll namentlich dem
mit zunehmendem Alter steigenden Risiko für Chromosomenstörungen begegnet
werden. Ausserdem dient die PID in einzelnen Ländern der Wahl des gewünschten
2
3
4
5
6
Naturwissenschaftliche Fachausdrücke, die im Glossar erläutert werden, werden bei der
erstmaligen Erwähnung kursiv aufgeführt.
Vgl. Botschaft über die Volksinitiative «zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in
der Fortpflanzungstechnologie (Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung, FMF)»
und zu einem Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung
(Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG), BBl 1996 III 205.
Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und
Gentechnologie beim Menschen», BBl 1989 III 989.
SR 101
Geschlechts des Kindes oder – in seltenen Fällen – der Auswahl desjenigen
Embryos, welcher mit einem bereits geborenen, kranken Geschwister übereinstimmende Gewebemerkmale aufweist. Dank einer Blutstammzellentnahme aus
Nabelschnur oder Plazenta bei der Geburt oder später bei dem mitunter so genannten
«Retter-Kind» selbst, kann dieses dem kranken Geschwister zur Heilung verhelfen.
Die PID war zur Zeit der parlamentarischen Beratung der Volksinitiative «gegen
Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» 1987 und
des Verfassungsartikels noch zu wenig bekannt, um Anlass für eine Diskussion zu
sein und wurde in den Räten nur ein einziges Mal erwähnt.6 Hingegen wurde ihre
Zulassung im Zuge der Beratungen zum FMedG heftig diskutiert. Dieses war als
indirekter Gegenvorschlag zu einer weiteren, sehr restriktiv orientierten
Volksinitiative aus dem Jahre 1994 «zum Schutze des Menschen vor
Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie (Initiative für menschenwürdige
Fortpflanzung)» erarbeitet worden. Letztlich entschieden sich das Parlament und in
der Abstimmung mit überwältigender Mehrheit auch Volk und Stände für die
Annahme dieses Gesetzes. Darin enthalten ist mit Artikel 5 Absatz 3 das Verbot der
Ablösung einer oder mehrerer Zellen von einem Embryo in vitro und deren
Untersuchung. Die massgeblichen Argumente hierfür lauteten gemäss der Botschaft
des Bundesrates vom 26. Juni 1996:
-
Die Folgen der Untersuchungsmethode für den Embryo, insbesondere die
langfristigen Auswirkungen, sind noch weitgehend unbekannt.
-
Die Abgrenzung legitimer von unethischen Zwecken, die mit einer PID
verfolgt werden können, ist sehr schwierig.
-
Das Verfahren birgt das Risiko eines Automatismus; ergibt der Test ein
unerwünschtes Resultat, wird der Embryo ohne Zögern ausgesondert und
damit dessen Entwicklung einseitig vom positiven Prüfungsergebnis
abhängig gemacht.
-
Die PID öffnet das Tor zu einer verhängnisvollen Entwicklung, Embryonen
in vitro einer Selektion nach immer mehr Eigenschaften zu unterwerfen.
Die Diskussion war damit indessen nicht beendet; immer wieder forderten seither
verschiedene parlamentarische Vorstösse die Zulassung der PID, bis im Jahre 2005
beide Räte einer Motion der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft,
Bildung und Kultur (WBK NR) zustimmten, welche den Bundesrat mit der
Ausarbeitung einer gesetzlichen Regelung zur Zulassung der PID beauftragte.7
Dabei hat an den Argumenten, wie sie einige Jahre zuvor im Zusammenhang mit der
PID vorgebracht worden waren, nichts Grundlegendes geändert. Einzig wurden die
Risiken eher für beherrschbar eingestuft und die Interessen der betroffenen Frauen
und Paare höher gewichtet. Im Dezember 2005 hat dann auch die Nationale
Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK-CNE) ihre Stellungnahme zur
PID veröffentlicht, in der eine Minderheit für die Beibehaltung des Verbots, die
Mehrheit jedoch für die Zulassung der PID votiert. Zwei Fälle sieht die NEK-CNE
vor, in denen die PID erlaubt sein soll: erstens zur Verhinderung einer schweren
Krankheit und zweitens zur Behandlung der Unfruchtbarkeit im Rahmen einer IVF.
In seiner Stellungnahme zur Motion der WBK erklärte sich der Bundesrat bereit zu
prüfen, ob eine streng kontrollierte Regelung nicht einem ausnahmslos geltenden
6
7
AB 1991 N 590, Votum Bärlocher.
Motion 04.3439.
7
Verbot vorzuziehen sei. Die zu formulierenden Rahmenbedingungen müssten
dergestalt sein, dass kein Ermessensspielraum besteht, der zu einer Erweiterung der
Indikationen missbraucht werden könnte.
1.2
Naturwissenschaftliche Grundlagen
1.2.1
Einleitung
Die PID ist ein neueres Diagnoseverfahren zur Untersuchung des Erbguts von
Embryonen in vitro. 1990 kam in England das erste Kind zur Welt, bei dem mittels
PID das Geschlecht festgestellt worden war, um das Auftreten einer Xchromosomalen Erbkrankheit zu verhindern (vgl. Ziff. 1.2.4.1).8 Zwei Jahre später
wurde das erste Kind geboren, bei dem mittels PID eine monogene Erbkrankheit
ausgeschlossen worden war.9 Wurde diese Technik anfangs nur in Einzelfällen und
zum Nachweis einiger weniger Erbkrankheiten eingesetzt, so liegt die Zahl der bis
heute weltweit nach einer PID geborenen Kinder sicherlich bereits über 500010,
wobei diese Zunahme nicht zuletzt auf eine Ausweitung des Indikationenspektrums
zurückzuführen ist. So wird heute die PID nicht nur zum Nachweis von etwa 200
Erbkrankheiten11 genutzt, sondern darüber hinaus für andere Zwecke wie etwa zum
Versuch, die Erfolgsrate der IVF zu erhöhen, oder zur Geschlechterselektion mit
oder ohne Krankheitsbezug (vgl. Ziff. 1.2.4). Die Ausweitung der Indikation ist auch
gegenüber dem Indikationenspektrum im Falle der Pränataldiagnostik zu
beobachten; so werden mittels PID Krankheiten diagnostiziert, die auch bei einer
Pränataldiagnostik untersucht werden könnten, deren Diagnose aber nicht üblich
ist.12
8
9
10
11
12
8
A. H. Handyside et al., Pregnancies from biopsied human preimplantation embryos sexed
by y-specific DNA amplification, Nature, 1990, 344, S. 768-770.
A. H. Handyside et al., Birth of a normal girl after in vitro fertilization and
preimplantation diagnostic testing for cystic fibrosis, The New England Journal of
Medicine, 1992, 327, S. 905-909.
Genauere Zahlen hierzu sind nicht erhältlich, da «PID-Kinder» nicht systematisch
registriert werden. So fehlen insbesondere repräsentativ abgestützte Daten zur PID aus
den USA, wo die PID weit verbreitet ist. Eine Stichprobe mit Bezug auf 190 Kliniken
(etwa 45% der Kliniken in den USA, wobei die Gesamtzahl nicht exakt bekannt ist)
bieten: S. Baruch et al., Genetic testing of embryos: practices and perspectives of U.S.
IVF clinics, Fertility and Sterility, published Online September 2006. Etwas
aussagekräftiger sind die Daten, die eine europäische Gesellschaft erhebt, an die etwa 50
sowohl europäische als auch nicht europäische Zentren angeschlossen sind:Die Daten
werden jährlich erhoben und für die einzelnen IVF- resp. PID-Etappen separat
ausgewertet. Siehe K. D. Sermon et al., ESHRE PGD Consortium data colection VI:
cycles from January to December 2003 with pregnancy follow-up to October 2004,
Human Reproduction, 2007, 22, S. 323-336.
Vgl. The Preimplantation Genetic Diagnosis International Society (PGDIS), Guidelines
for good practice in PGD: programme requirements and laboratory quality assurance,
Reproductive BioMedicine Online, 16, 2008, S. 134-147.
«First, PGD testing of adult-onset disorders (Huntington disease, familial predispositions
to cancer, polycystic kidney disease, etc) appears to be more widespread than is the case
for prenatal diagnosis. Second, testing may be requested and performed for relatively less
severe or less predictable diseases: a quarter of the centres offer PGD for CMT disease,
which is not a common prenatal diagnosis.» A. Corveleyn et al., Provision and quality
assurance of preimplantation genetic diagnosis in Europe, European Journal of Human
Genetics, 2008, 16, S. 290-299; hier S. 297.
1.2.2
Begriffe
1.2.2.1
Präimplantationsdiagnostik
Als Präimplantationsdiagnostik (PID, englische Abkürzung PGD für
«preimplantation genetic diagnosis») wird im Allgemeinen die genetische
Untersuchung eines extrakorporal erzeugten Embryos vor der Implantation in die
Gebärmutter der Frau bezeichnet. Üblicherweise werden dabei dem Embryo drei
Tage nach der Befruchtung, wenn er aus sechs bis zehn Zellen besteht, eine oder
zwei Zellen entnommen und auf genetische Schäden hin untersucht (vgl. Ziff. 1.2.3).
Nicht unter diese Begriffsdefinition fällt die so genannte Polkörperdiagnostik (vgl.
Ziff. 1.2.2.2).
1.2.2.2
Polkörperdiagnostik
Die Polkörperdiagnostik ist ein Untersuchungsverfahren an der Eizelle, bei dem aus
der genetischen oder chromosomalen Ausstattung der Polkörper auf das Erbmaterial
der Eizelle geschlossen wird.13 Die beiden Polkörper sind kleine Bestandteile der
Eizellen, die sich während der Reifung der Eizelle bilden und nach kurzer Zeit
wieder degenerieren. Sie enthalten beide je die Erbinformation der Mutter.
Das Verfahren wurde Anfang der 1990er Jahre eingeführt und wird heute wie in
vielen anderen Ländern auch in der Schweiz angeboten.14 Um ein möglichst
zuverlässiges Resultat zu erhalten, werden üblicherweise beide Polkörper
untersucht. Dabei können sowohl Genmutationen als auch Chromosomenstörungen
(vgl. Ziff. 1.2.4.1). diagnostiziert werden. Gegenüber der PID weist die
Polkörperdiagnostik den Nachteil auf, dass lediglich das mütterliche Genom
untersucht werden kann. Zudem ist eine Geschlechtsselektion nicht möglich.
Darüber hinaus ist die Technik äusserst anspruchsvoll. Aus medizinischer Sicht
erscheint deshalb die PID als das klar vorteilhaftere Verfahren. Aus ethischer
Perspektive hat die Polkörperdiagnostik hingegen den Vorteil, dass sie vor der
Entstehung eines Embryos durchgeführt wird und so keine Embryonen unmittelbar
geschädigt werden können.
1.2.3
Verfahren der PID / IVF
Um eine PID durchführen zu können, ist vorgängig eine IVF notwendig. Dabei kann
das Verfahren der IVF mit PID grob in fünf Schritte unterteilt werden:15 (1)
Hormonstimulation und Eizellgewinnung, (2) Extrakorporale Befruchtung, (3)
Embryobiopsie (Entnahme, Abspaltung)16, (4) Genetische Diagnostik und (5)
Implantation eines oder mehrerer unbelasteter Embryonen.
13
14
15
16
Vgl. ausführlich M. Montag, K. van der Ven, H. van der Ven, Polar body biopsy, in: D.
K. Gardner, A. Weissmann, C. M. Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted
Reproductive Techniques, London 2004, S. 391 ff.
B. Imthurn et al., Preimplantation diagnosis in Switzerland – birth of a healthy child after
polar body biopsy, Swiss Medical Weekly, 2004, 134, S. 259-261.
Vgl. C. Overton et al., Clinical Aspects of Preimplantation Diagnosis, in : J. C. Harper, J.
D. Delhanty, A. H. Handyside (Hg.), Preimplantation Genetic Diagnosis, Chichester
2001, S. 123 - 140.
Vgl. J. Harper and A. Thornhill, Embryo Biopsy, in : J. C. Harper, J. D. Delhanty, A. H.
Handyside (Hg.), Preimplantation Genetic Diagnosis, Chichester 2001, S. 143 - 163.
9
-
(1) Als Erstes werden die Eierstöcke durch die Verabreichung von
Hormonen zur gleichzeitigen Reifung mehrerer Follikel stimuliert. Während
normalerweise nur ein Follikel pro Menstruationszyklus die volle Reife
erreicht, bewirkt die künstliche Stimulation der Eierstöcke die Reifung von
bis zu 15 Follikeln. Nach Abschluss der etwa zwölf Tage dauernden
Stimulationsbehandlung erfolgt die Entnahme der Eizellen aus den Follikeln.
Dabei werden die Follikel mit einer durch die Scheide eingeführten Nadel
angestochen und die Eizellen abgesaugt.
-
(2) Etwa sechs Stunden nach der Follikelpunktion werden die Eizellen
befruchtet, wobei sich in der Regel etwa 80% dieser Eizellen als
inseminationsfähig erweisen (vgl. Anhang 2 Tabelle 1). Für die Befruchtung
stehen zwei Verfahren zur Auswahl: Bei der herkömmlichen IVF werden die
Spermien mit den Eizellen zusammengebracht, so dass sich die Befruchtung
von selbst vollzieht. Ein neueres Verfahren stellt die so genannte
intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) dar, bei der ein einzelnes
Spermium direkt in eine Eizelle injiziert wird. Dieses Verfahren kommt
unter anderem dann zur Anwendung, wenn anschliessend eine PID
durchgeführt werden soll, weil dadurch die Gefahr der Kontamination mit
Fremd-DNA und damit der Verfälschung des Diagnoseergebnisses
minimiert werden kann.
Etwa 16-18 Stunden nach Durchführung der ICSI erfolgt eine visuelle
Kontrolle der Befruchtung. Sie ist geglückt, wenn zu diesem Zeitpunkt in
der Eizelle zwei etwa gleich grosse, so genannte Vorkerne sichtbar sind.17
Die befruchtete Eizelle vor der Kernverschmelzung wird gemäss FMedG als
imprägnierte Eizelle bezeichnet (Art. 2 Bst. h). Etwa 70% der
inseminationsfähigen Eizellen entwickeln sich zu imprägnierten Eizellen
(vgl. Anhang 2 Tabelle 1). Nach der Verschmelzung der beiden Vorkerne zu
einer Zygote wird in regelmässigen Intervallen der Entwicklungszustand des
sich entwickelnden Embryos unter dem Mikroskop überprüft. Ein Embryo
mit einem guten Entwicklungspotenzial lässt sich in der Regel an
bestimmten Eigenschaften erkennen18: So weist er zum einen je nach Alter
eine ganz bestimmte Anzahl Blastomeren auf. Diese sind zudem nur wenig
fragmentiert und besitzen nicht mehr als einen Zellkern. Etwa 55% der
imprägnierten Eizellen entwickeln sich zu entwicklungsfähigen Embryonen
im 4-Zellen-Stadium (vgl. Anhang 2 Tabelle 1).
In der Schweiz dürfen pro Behandlungszyklus höchstens drei imprägnierte
Eizellen zu Embryonen entwickelt werden (Art. 17 Abs. 1 FMedG). Die
übrigen imprägnierten Eizellen werden in flüssigem Stickstoff
kryokonserviert.
-
17
18
10
(3) Die Embryobiopsie, das heisst die Abspaltung einer oder zweier Zellen
von einem Embryo, erfolgt in der Regel am dritten Tag nach der
Vgl. L. A. Scott, Analysis of fertilization, in: D. K. Gardner, A. Weissmann, C. M.
Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted Reproductive Techniques, London 2004,
S. 201ff.
Vgl. D. Sakkas, D. K. Gardner, Evaluation of embryo quality: sequential analysis of
embryo development with the aim of single embryo transfer, in: D. K. Gardner, A.
Weissmann, C. M. Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted Reproductive
Techniques, London 2004, S. 235ff.
Befruchtung.19 Der Embryo besteht zu diesem Zeitpunkt gewöhnlich aus
sechs bis zehn Zellen und ist von einer Schutzhülle (Zona pellucida)
umgeben. Etwa 70% der entwicklungsfähigen Embryonen im 4-ZellenStadium erreichen das 8-Zellen-Stadium (vgl. Anhang 2 Tabelle 1).
Gemäss einem neueren Verfahren wird der Embryo erst etwa am 5.
Entwicklungstag biopsiert.20 In diesem Entwicklungsstadium besteht der
Embryo aus einer äusseren Zellgruppe, aus der die Plazenta hervorgeht
(Trophoblast), und der inneren Zellmasse, aus der sich der Embryo resp.
Fötus entwickelt (Embryoblast), und wird als Blastozyste bezeichnet. Man
spricht demzufolge auch von Blastozystenbiopsie. Bei einer
Blastozystenbiopsie werden in der Regel dem Trophoblasten mehrere Zellen
entnommen und genetisch untersucht. Noch ist nicht restlos geklärt, welche
Vor- und Nachteile die Blastozystenbiopsie im Vergleich zur am 3. Tag
durchgeführten Embryobiopsie aufweist. Ein Vorteil scheint zu sein, dass
mehr als zwei Zellen gewonnen und untersucht werden können (vgl. Ziff.
1.2.5).
Bei einer Embryobiopsie wird zuerst mit Hilfe von Säure, Laserlicht oder
auf mechanischem Weg eine Öffnung in der den Embryo umgebenden
Schutzhülle geschaffen. Anschliessend werden dem Embryo mittels einer
Saugpipette eine oder zwei Zellen entnommen. Diese Zellentnahme verläuft
nicht immer erfolgreich: In etwa 5% der Biopsien gehen die abgespaltenen
Zellen zugrunde und können nicht mehr genetisch untersucht werden (vgl.
Anhang 2 Tabelle 1). Demzufolge kann der betroffene Embryo
grundsätzlich nicht mehr zu Fortpflanzungszwecken verwendet werden, weil
nicht feststellbar ist, ob er den fraglichen Gendefekt trägt oder nicht. In
seltenen Fällen stirbt der Embryo direkt infolge der Biopsie ab.
In jüngster Zeit finden sich zudem vermehrt auch Hinweise, dass die
Abspaltung von Zellen möglicherweise die Implantationsfähigkeit des
Embryos verringert.21 Noch kaum geklärt ist die Frage, ob die Abspaltung
darüber hinaus noch weitere negative Auswirkungen auf die Entwicklung
des Embryos oder des Kindes haben könnte.22 Gemäss ersten
Untersuchungen dürfte die PID zumindest keine negativen Auswirkungen
19
20
21
22
Vgl. C. Overton et al., Clinical Aspects of Preimplantation Diagnosis, in : J. C. Harper, J.
D. Delhanty, A. H. Handyside (Hg.), Preimplantation Genetic Diagnosis, Chichester
2001, S. 146.
A. H. Handyside, Human embryo biopsy for preimplantation genetic diagnosis, in: D. K.
Gardner, A. Weissmann, C. M. Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted
Reproductive Techniques, London 2004, S. 191 ff.
Vgl. L. K. Shahine et al., Preimplantation genetic diagnosis does not increase pregnancy
rates in patients at risk for aneuploidy, Fertility and Sterility, 2006, 85, S. 51-56. Bruce
Goldman, The First Cut, Nature, 2007, 445, S. 479-480. Ferner P. Miny, Ch. De Geyter,
W. Holzgreve, Neue Möglichkeiten der pränatalen genetischen Diagnostik inklusive
Präimplantationsdiagnostik, Therapeutische Umschau, 2006, 63, S. 707.
Vgl. Bericht «Preimplantation Genetic Diagnosis in Europe» der European Commission,
2007 (www.jrc.ec.europa.eu, Mai 2008).
11
auf die geistige und psychomotorische Entwicklung von Kindern in den
ersten beiden Lebensjahren haben.23
-
(4) Die Untersuchung des Erbguts der abgespaltenen Zelle(n) erfolgt je nach
Fragestellung (vgl. Ziff. 1.2.4) mittels verschiedener Diagnoseverfahren24
und dauert gewöhnlich zwischen zwei und 24 Stunden. Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Untersuchung des Genoms einer isolierten
Zelle zu einem interpretierbaren Ergebnis führt, liegt bei etwa 90-95% (vgl.
Anhang 2 Tabelle 1). In 5-10% der Fälle erhält man wegen technischer
Probleme kein Ergebnis.25
-
(5) In Abhängigkeit vom Alter der betroffenen Frau und weiteren Faktoren
werden gewöhnlich ein bis höchstens drei ausgewählte Embryonen pro
Behandlungszyklus
transferiert.
Zur
Vermeidung
risikoreicher
Mehrlingsschwangerschaften wird in letzter Zeit vermehrt nur noch ein
Embryo pro Zyklus transferiert. Der Embryotransfer erfolgt in der Regel am
vierten oder am fünften Tag nach der Befruchtung. Ein biopsierter Embryo
wird sich mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 15% erfolgreich in die
Gebärmutter einnisten (vgl. Anhang 2 Tabelle 1).
1.2.4
Anwendungsbereiche der PID
1.2.4.1
Nachweis genetisch bedingter Krankheiten
Ein zentrales Anwendungsgebiet der PID ist der Nachweis genetisch bedingter, das
heisst erblicher Krankheiten, die familiär gehäuft auftreten. Weniger häufig wird die
PID auch im Rahmen allgemeiner Risikovorsorge angewandt, namentlich zur
Entdeckung spontaner Neumutationen in einer durch genetische Krankheiten bisher
unbelasteten Familie. Grundsätzlich werden drei verschiedene Formen genetischer
Erkrankungen unterschieden: monogene Erbkrankheiten, multifaktoriell bedingte
Erkrankungen sowie Chromosomenstörungen.
Monogene Erbkrankheiten
Monogene Erbkrankheiten werden den Mendelschen Regeln entsprechend vererbt
und können einen autosomal-dominanten (1), einen autosomal-rezessiven (2) oder
23
24
25
12
J. Nekkebroeck et al., Mental and psychomotor development of 2-year-old children born
after preimplantation genetic diagnosis/screening, Human reproduction, 2008, S. 1-7.
Ebenso: I. Barnejee et al., Health of children conceived after preimplantation genetic
diagnosis: a preliminary outcome study, Reproductive BioMedicine Online, 2008, 16, S.
376-381 sowie A. Sutcliffe etal., Health of children conceived after preimplantation
genetic diagnosis: a preliminary outcome study, Reproductive Biomedicine Online, 2008,
16, S. 376-381. Skeptisch demgegenüber V. Touliatou et al., Multidisciplinary medical
evaluation of children younger than 7.5 years born after preimplantation genetic diagnosis
for monogenetic diseases, Pediatrics, 2008, 121, S. 102.
Vgl. Y. Yaron, R. Gamzu, M. Malcov, Genetic analysis of the embryo, in: D. K. Gardner,
A. Weissmann, C. M. Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted Reproductive
Techniques, London 2004, S. 379ff.; L. Wilton, L. Voullaire, Preimplantation genetic
diagnosis using comparative genomic hybridization, in: in: D. K. Gardner, A. Weissmann,
C. M. Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted Reproductive Techniques, London
2004, S. 329ff.
J. Murken, Pränatale Diagnostik, in: J. Murken, T. Grimm, E. Holinski-Feder,
Humangenetik, Stuttgart 2006, S.386 ff.
einen geschlechtsgebundenen Erbgang (3) aufweisen. Monogene Erbkrankheiten
können jedoch auch durch eine spontane Neumutation in einer bisher unbelasteten
Familie auftreten.
-
(1) Autosomal-dominante Erbkrankheiten manifestieren sich in der Regel
bei jedem heterozygoten Träger einer bestimmten Mutation. Ist ein Elternteil
erkrankt und der andere gesund, so hat das Kind ein Risiko von 50%,
ebenfalls zu erkranken (unter der Voraussetzung, dass der erkrankte
Elternteil heterozygot ist). Autosomal-dominante Erbkrankheiten zeigen
typischerweise eine variable Expressivität, das heisst die Träger einer
Mutation, selbst in der gleichen Familie, können unterschiedlich schwer von
der Krankheit betroffen sein. Des Weiteren weisen autosomal-dominante
Erbkrankheiten gelegentlich eine so genannte unvollständige Penetranz auf.
Als Penetranz wird gewöhnlich die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, mit der
sich ein Gen im Phänotyp manifestiert. Bewirkt ein Gen ohne Ausnahme die
Ausprägung des Merkmals, für dessen Veranlagung es die Information trägt,
spricht man von vollständiger Penetranz (Penetranz 100%). Unvollständige
Penetranz dagegen liegt vor, wenn sich ein Gen zu weniger als 100% im
Phänotyp ausprägt, das heisst manche Träger einer dominanten Mutation
zeigen keine klinischen Symptome. Die Gründe hierfür sind in aller Regel
nicht bekannt. Bei einigen Erbkrankheiten kann die Penetranz zudem
altersabhängig
sein.
So
steigt
beispielsweise
die
Erkrankungswahrscheinlichkeit der Genträger für die Huntington-Krankheit
(vgl. unten erstes Lemma) mit zunehmendem Alter stark an und erreicht mit
50 Jahren einen Wert von etwa 50%. Die unvollständige Penetranz stellt in
der Regel den grössten Unsicherheitsfaktor bei der genetischen Beratung
dar. Die Gesamthäufigkeit der autosomal-dominanten Erbkrankheiten wird
auf etwa 7:1000 geschätzt.26
Heute können bereits über 40 autosomal-dominante Erbkrankheiten mittels
PID diagnostiziert werden. Als Beispiele können die Huntington-Krankheit
sowie die myotone Dystrophie angeführt werden:
- Die Huntington-Krankheit (Chorea Huntington) ist eine neurodegenerative
Erkrankung mit einer Häufigkeit von etwa 1:15 000. Das durchschnittliche
Manifestationsalter liegt bei etwa 40 Jahren. In etwa 10% der Fälle
manifestiert sich die Krankheit bereits im jugendlichen Alter unter 20
Jahren. Die mittlere Lebenserwartung beträgt nach Ausbruch der Krankheit
etwa 15 Jahre. Eine Therapiemöglichkeit besteht nicht.
- Die myotone Dystrophie ist eine degenerative Muskelerkrankung, die sich
typischerweise entweder bereits nach der Geburt oder erst zwischen dem 2.
und 4. Lebensjahrzehnt manifestiert. Die Häufigkeit der Krankheit beträgt
etwa 1:8000. Neben der Muskulatur sind viele Organe betroffen, wobei eine
sehr variable Expressivität vorliegt.
-
26
(2) Autosomal-rezessive Erbkrankheiten treten nur bei homozygoten Trägern
des mutierten Gens in Erscheinung, nicht aber bei heterozygoten. Die
Wahrscheinlichkeit, dass zwei heterozygote, aber gesunde Elternteile ein
homozygot erkranktes Kind bekommen, beträgt 25%. Entdeckt werden die
T. Grimm, Formale Genetik, in: J. Murken, T. Grimm, E. Holinski-Felder (Hg.),
Humangenetik, Stuttgart 2006, S. 235 ff.
13
heterozygoten Träger gewöhnlich erst, wenn ein erkranktes Kind geboren
wird. Die Gesamthäufigkeit der autosomal-rezessiven Erbkrankheiten wird
auf etwa 2,5:1000 geschätzt.27
Mittels PID können heute etwa 30 verschiedene autosomal-rezessive
Krankheiten nachgewiesen werden. Als wichtige Beispiele sind die
Zystische Fibrose sowie spinale Muskelatrophien zu nennen:28
- Die Zystische Fibrose gehört mit einer Häufigkeit von etwa 1:2500 zu den
häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Fast jeder 20. Mensch in
Nordeuropa ist heterozygoter Träger einer Mutation im CFTR-Gen (Cystic
fibrosis transmembrane conductance regulator gene). Mittlerweile sind mehr
als 1000 Mutationen im CFTR-Gen bekannt, wobei je nach Mutation die
Krankheit einen ganz verschiedenen Verlauf nimmt. Auch wenn sich die
Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahren wesentlich verbessert
haben, beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung heute nicht mehr als
etwa 30 Jahre.
- Spinale Muskelatrophien umfassen klinisch und genetisch eine heterogene
Gruppe erblicher neuromuskulärer Erkrankungen. Die spinale
Muskelatrophie mit einer Inzidenz von etwa 1:10 000 ist die zweithäufigste
autosomal-rezessive Erkrankung in Europa und nicht therapierbar. Je nach
Art der Erkrankung ist die Lebenserwartung ganz unterschiedlich.
-
(3) X-chromosomale Erbkrankheiten: Manche Erbkrankheiten werden durch
Genmutationen auf dem Geschlechtschromosom X verursacht. Während
rezessive Genmutationen auf dem X-Chromosom bei Männern immer zur
Ausprägung kommen (Männer besitzen nur ein X-Chromosom),
manifestieren sich diese bei Frauen nur, wenn beide X-Chromosomen davon
betroffen sind. Im Gegensatz dazu ist für ein X-chromosomal dominantes
Merkmal charakteristisch, dass neben Männern auch Frauen im
heterozygoten Zustand betroffen sein können. Die Wahrscheinlichkeit, dass
ein Kind an einer X-chromosomalen Erbkrankheit erkranken wird, ist
abhängig von dessen Geschlecht, der genetischen Disposition der Eltern
sowie der Art des Erbgangs (X-chromosomal-rezessiver oder Xchromosomal-dominanter Erbgang). Ist beispielsweise die Mutter
heterozygot für eine X-chromosomal rezessive Erbkrankheit und der Vater
gesund, so beträgt das Erkrankungsrisiko für Söhne 50% und für Töchter
0%. Die Gesamthäufigkeit aller bekannten X-chromosomal-rezessiven
Erbkrankheiten wird bei männlichen Lebendgeborenen auf 0,8:1000
geschätzt.
Als Beispiel für eine X-chromosomal-rezessive Erbkrankheit kann die
Duchenne-Muskeldystrophie genannt werden. Sie stellt die häufigste Form
der progressiven Muskeldystrophien dar (1:3000), wobei nur männliche
Nachkommen erkranken. Die Muskelschwäche manifestiert sich bereits in
den ersten Lebensjahren und führt zum Verlust der Gehfähigkeit zwischen
dem 10. und dem 12. Lebensjahr. Die Lebenserwartung beträgt etwa 20-25
Jahre. Die Krankheit ist nicht therapierbar.
27
28
14
T. Grimm, Formale Genetik, in: J. Murken, T. Grimm, E. Holinski-Felder (Hg.),
Humangenetik, Stuttgart 2006, S. 235 ff.
T. Grimm, E. Holinski-Feder, Klinische Beispiele für monogene Erkrankungen, in: J.
Murken, T. Grimm, E. Holinski-Felder (Hg.), Humangenetik, Stuttgart 2006, S. 277 ff.
Multifaktoriell bedingte Erkrankungen
Multifaktoriell bedingte Erkrankungen – auch komplexe Erkrankungen genannt –
kommen durch ein kompliziertes Wechselspiel sowohl genetischer als auch nicht
genetischer Faktoren zustande. Als Beispiele multifaktoriell bedingter Erkrankungen
können so unterschiedliche Krankheiten wie Morbus Alzheimer, Neuralrohrdefekte,
Schizophrenie oder einzelne Suchterkrankungen angeführt werden. Multifaktoriell
bedingte Erkrankungen sind im Vergleich zu monogenen Erkrankungen wesentlich
häufiger und im medizinischen Alltag von grösserer Bedeutung.
Bisher sind erst wenige Gene bekannt, die an der Entstehung von multifaktoriell
bedingten Erkrankungen beteiligt sind und mittels PID nachgewiesen werden. Dazu
gehört etwa das Gen mit der Bezeichnung BRCA1, das in mutierter Form bei der
Entstehung des erblichen Mammakarzinoms (Brustkrebs) mitwirkt und autosomaldominant vererbt wird. Frauen mit einer Mutation im BRCA1-Gen entwickeln mit
einer Wahrscheinlichkeit von 60-80% im Laufe ihres Lebens ein
Mammakarzinom.29 Indessen sind nur 5% aller von einem Mammakarzinom
betroffenen Frauen Trägerinnen des mutierten BRCA1-Gens.30
Chromosomenstörungen
Chromosomenstörungen oder -aberrationen werden gewöhnlich in numerische
Störungen (1) sowie in strukturelle Störungen (2) eingeteilt:
-
(1) Bei einer numerischen Chromosomenstörung ist entweder die Anzahl der
einzelnen
Chomosomen
(Aneuploidie)
oder
des
gesamten
Chromosomensatzes
(Polyploidie)
fehlerhaft.
Numerische
Chromosomenaberrationen sind in der Regel nicht ererbt, sondern entstehen
spontan während der Reifung der Keimzellen.
Aneuploidien werden insbesondere in Monosomien und Trisomien
unterteilt, je nachdem ob bestimmte Chromosomen einfach (Monosomie),
dreifach (Trisomie) oder noch häufiger vorhanden sind. Alle autosomalen
Monosomien und die meisten Trisomien mit Ausnahme der Trisomien 13
(Pätau-Syndrom), 18 (Edwards-Syndrom) sowie 21 (Down-Syndrom) führen
zum Absterben des Embryos resp. Fötus. Man geht deshalb davon aus, dass
häufig Aneuploidien Grund für wiederholte Aborte oder die Unfruchtbarkeit
sind (vgl. Ziff. 4.2).31 Die Häufigkeit von Aneuploidien wie etwa Trisomie
21 korreliert in der Regel mit dem mütterlichen Alter: So beträgt die
Wahrscheinlichkeit, dass eine 25-jährige Frau ein Kind mit Trisomie 21
bekommt, weniger als 0.1%, mit 40 Jahren hingegen etwa 1%.
Polyploidien werden in Abhängigkeit der Anzahl Chromosomensätze in
Triploidien (Verdreifachung des haploiden Chromosomensatzes) oder
Tetraploidien (Vervierfachung des haploiden Chromosomensatzes)
unterteilt. Sie führen allesamt zum Absterben des Embryos bzw. Fötus.
-
29
30
31
(2) Als strukturelle Chromosomenstörungen werden chromosomale
‹Umbauten› entweder innerhalb eines Chromosoms oder zwischen
G. Utermann, Multifaktorielle Merkmale und Erkrankungen, in: J. Murken, T. Grimm, E.
Holinski-Felder (Hg.), Humangenetik, Stuttgart 2006, S. 307 ff.
Vgl. die Ausführungen unter Kapitel 2.1, zu Art. 5a Abs. 2 Bst. b.
S. Munné et al., Preimplantation genetic diagnosis significantly reduces pregnancy loss in
infertile couples: a multi-center study, Fertility and Sterility, 2006, 85, S. 326-332.
15
verschiedenen Chromosomen bezeichnet. Dabei werden balancierte und
unbalancierte strukturelle Chromosomenstörungen unterschieden. Bei einer
balancierten Chromosomenstörung ist das genetische Material nur
umverteilt, aber weder vermehrt noch vermindert. Die Mehrheit der
balancierten Störungen hat deshalb für den Träger selbst keine
Konsequenzen. Dagegen sind bei einer unbalancierten Chromosomenstörung
einzelne Chromosomenabschnitte verdoppelt oder fehlend, was meist mit
schweren Fehlbildungen und Störungen verbunden ist. Strukturelle
Chromosomenstörungen entstehen entweder spontan oder werden vererbt.
Die
Nachkommen
eines
Elternteils
mit
einer
balancierten
Chromosomenstörung haben je nach Art der Störung ein mehr oder weniger
hohes Risiko (10-50%), Träger einer unbalancierten strukturellen
Chromosomenstörung und damit krank zu sein.
1.2.4.2
PID für infertile Paare
In den letzten Jahren wurde die PID immer häufiger bei unfruchtbaren Paaren in
meist fortgeschrittenem Alter angewandt, die z.T. bereits mehrere Fehlgeburten oder
mehrere erfolglose IVF-Zyklen erlitten hatten. Dabei ist das erklärte Ziel,
Embryonen mit numerischen Chromosomenstörungen, die für die genannten
Probleme als ursächlich angesehen werden, auszusondern, um so die Erfolgsrate der
IVF zu verbessern. Heute ist dieses so verstandene Aneuploidie-Screening (engl.:
PGS für Preimplantation genetic screening) sowohl in den USA als auch in Europa
die häufigste Indikation für eine PID.32 In jüngster Zeit verdichten sich jedoch die
Hinweise, dass das Aneuploidie-Screening zur Aussonderung der Embryonen mit
einer Chromosomenstörung die Erfolgsrate der IVF nicht erhöht, sondern im
Gegenteil eher vermindert.33 Neuerdings sehen bereits einige IVF-Kliniken wie
beispielsweise das Universitätsspital in Brüssel von der Durchführung des
Aneuploidie-Sceenings ab.34 Über die Gründe, weshalb das Aneuploidie-Screening
zum jetzigen Zeitpunkt nicht den erhofften Erfolg hat, kann bislang nur spekuliert
werden; möglicherweise spielt dabei der so genannte Mosaizismus eine Rolle (vgl.
Ziff. 1.2.5).35
32
33
34
35
16
K. D. Sermon et al., ESHRE PGD Consortium data collection VI: cycles from January to
December 2003 with pregnancy follow-up to October 2004, Human Reproduction, 22, S.
323-336. S. Baruch et al., Genetic testing of embryos: practices and perspectives of U.S.
IVF clinics, Fertility and Sterility, published Online September 2006.
S. Mastenbroeck et al., In Vitro Fertilization with Preimplantation Genetic Screening, The
New England Journal of Medicine, 2007, 357, S. 9-17. L. K. Shahine et al.,
Preimplantation genetic diagnosis does not increase pregnancy rates in patients at risk for
aneuploidy, Fertility and Sterility, 2006, 85, S. 51-56.
Mündl. Auskunft Dr. P. Platteau, Academisch Ziekenhuis, Vrije Universiteit Brussel.
S. Munné et al., Chromosome abnormalities in human embryos, in: in: D. K. Gardner, A.
Weissmann, C. M. Howles, Z. Shoham (Hg.), Textbook of Assisted Reproductive
Techniques, London 2004, S. 355 ff.
1.2.4.3
PID für fruchtbare Paare in fortgeschrittenem Alter
Die PID wird häufig fruchtbaren Frauen über 35 Jahren angeboten. Bei dieser
Zielgruppe besteht infolge ihres fortgeschrittenen Alters ein erhöhtes Risiko, Kinder
mit einer chromosomalen Störung wie insbesondere Trisomie 21 zu bekommen.36
1.2.4.4
PID zur Auswahl immunkompatibler Embryonen
In jüngster Zeit wird die PID auch mit dem Ziel durchgeführt, einen Embryo
auszuwählen, der immunologisch verträglich mit einem schwer erkrankten
Geschwister ist.37 Man spricht in diesem Zusammenhang von HLA-Typisierung
(HLA steht für engl. Human Lymphocyte Antigen) oder von der Erzeugung eines
«Retter»- oder «Design»-Babys. Bei der HLA-Typisierung geht es typischerweise
um folgendes Szenario: Eltern haben ein Kind, welches an einer erblichen Krankheit
leidet, die die Blutbildung (z.B. Fanconi-Anämie, β-Thalassämie) oder die
Immunabwehr schwer schädigt. Dem erkrankten Kind kann durch eine geeignete
Nabelschnurblut- oder Knochenmarkspende wirksam geholfen werden.
Grundsätzlich findet man unter Geschwistern am ehesten einen immunologisch
verträglichen Spender. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein natürlich gezeugtes
Geschwister immunkompatibel ist, liegt indessen bei 25%. Mittels IVF und PID
kann die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Spender zu finden, erheblich
gesteigert werden. Dabei wird nach immungenetischen Kriterien unter den in vitro
erzeugten Embryonen derjenige Embryo ausgesucht, der zum erkrankten
Geschwister passt. Zugleich wird im selben PID-Verfahren ausgeschlossen, dass das
«Retter»-Baby ebenfalls Anlageträger für die gleiche Krankheit ist.
Andererseits wird die PID bisweilen zur Auswahl eines immunkompatiblen
Embryos auch dann eingesetzt, wenn das zu heilende Geschwister an einer nicht
erblichen Krankheit wie etwa Leukämie leidet. In diesem Fall wird die PID
ausschliesslich im Interesse des erkrankten Kindes durchgeführt.
1.2.4.5
PID zur Selektion des Geschlechts ohne
Krankheitsbezug
Die PID wird zunehmend auch einzig mit dem Ziel durchgeführt, das Geschlecht des
Embryos zu selektionieren. Diese Indikation wird gewöhnlich als «social sexing»
oder als «family balancing» bezeichnet. Dabei geht es in den USA wie auch in
Europa darum, Familien ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mädchen und
Knaben zu ermöglichen, so dass keine generelle Präferenz für eines der
Geschlechter beobachtet werden kann. In anderen Ländern stellt der Wunsch nach
männlichen Nachkommen dagegen die wesentliche Motivation für die
Geschlechtsselektion dar.38 Gemäss des ESHRE39 PGD Consortium wird die PID in
36
37
38
39
B. C. Heng, Advanced maternal age as an indication for preimplantation genetic diagnosis
(PGD) – the need for more judicious application in clinically assisted reproduction,
Prenatal Diagnosis, 2006, 26, S. 1051-1053.
S. Rechitsky et al., Preimplantation genetic diagnosis with HLA matching, Reproductive
BioMedicine Online, 2004, 9, S. 210-221.
A. Malpani, et al., Preimplantation sex selection for family balancing in India, Human
Reproduction., 17, S. 11-12.
European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE)
17
Europa in etwa 3% der Fälle zur Selektion des Geschlechts angewandt.40 In den
USA sind es etwa 10% aller PID-Zyklen.41
1.2.4.6
PID zur positiven Selektion einer genetisch bedingten
Anomalie
In den USA wird die PID auch Paaren mit einer genetisch bedingten Anomalie
angeboten, die sich Kinder mit der gleichen Anomalie wünschen. Als Beispiel
hierzu kann die erbliche Taubheit angeführt werden, die mittels PID nachgewiesen
werden kann. Etwa 3% der IVF/PID-Kliniken in den USA bieten diese Art von
Diagnostik an.42
1.2.5
Fehldiagnosen
Die PID stellt ein schwierig durchzuführendes Verfahren dar, nicht zuletzt deshalb,
weil höchstens zwei Zellen für den Test zur Verfügung stehen und das Verfahren
nicht wiederholt werden kann.43 Deshalb ist das Risiko von Fehldiagnosen nicht zu
vernachlässigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis korrekt ist, liegt bei
etwa 90-95%.44 Zur Überprüfung des Ergebnisses wird allen betroffenen Paaren
empfohlen, während der Schwangerschaft zusätzlich eine Pränataldiagnostik
durchzuführen.
Das grösste Problem hierbei sind falsch negative Untersuchungsergebnisse aufgrund
von Kontamination mit Fremd-DNA oder aufgrund des so genannten «Allelic
dropout», das heisst der Analyse nur eines statt der beiden Allele.45 In diesem Fall ist
der Embryo Träger des Gendefektes, obwohl die Diagnose dies nicht aussagt. Im
anderen Fall werden fälschlicherweise Embryonen verworfen, die tatsächlich keine
Anomalie aufweisen.
Ein weiteres Problem stellt der Mosaizismus dar, wobei unter einem Mosaik ein
Embryo verstanden wird, der aus genetisch verschiedenen Zellen aufgebaut ist. So
kommt es vor, dass die untersuchten Zellen ein anderes Genom aufweisen als die
restlichen Zellen, was zu einer Fehldiagnose führt.46 Mosaizismus tritt relativ häufig
auf und ist auf Fehler bei der Zellteilung zurückzuführen.
40
41
42
43
44
45
46
18
K.D. Sermon et al., ESHRE PGD Consortium data collection VI: cycles from January to
December 2003 with pregnancy follow-up to Oktober 2004, Human Reproduction, 2007,
22, S. 323-336.
S. Baruch et al., Genetic testing of embryos: practices and perspectives of U.S. IVF
clinics, Fertility and Sterility, published Online September 2006. Vgl. jedoch Fn. 10.
S. Baruch et al., Genetic testing of embryos: practices and perspectives of U.S. IVF
clinics, Fertility and Sterility, published Online September 2006. Vgl. jedoch Fn. 10.
S. Baruch et al., Genetic testing of embryos: practices and perspectives of U.S. IVF
clinics, Fertility and Sterility, published Online September 2006.
J. Murken, Pränatale Diagnostik, in: J. Murken, T. Grimm, E. Holinski-Felder (Hg.),
Humangenetik, Stuttgart 2006.
A. Kuliev et al., Place of Preimplantation Diagnosis in Genetic Practice, American
Journal of Medical Genetics, 2005, 134A, S. 105-110.
S. Ziebe et al., Fish analysis for chromosomes 13, 16, 18, 22, X and Y in all blastomeres
of IVF pre-embryos from 144 randomly selected donated human oocytes and impact on
pre-embryo morphology, Human Reproduction, 2003, 18, S. 2575-2581.
1.3
Ethische Aspekte
1.3.1
Grundsätze
Die ethische Betrachtung hat die Wertmassstäbe zu bestimmen und zu beurteilen,
die bei der PID zur Anwendung kommen. Sie sind sowohl für sich allein wie auch
im Verhältnis zu den grundlegenden Wertmassstäben unseres menschlichen
Selbstverständnisses insgesamt zu betrachten. Das Folgende soll hierzu zunächst
eine allgemeine Übersicht über die wesentlichen Positionen und Argumente in der
Diskussion geben und damit zugleich den Rahmen der vorliegenden Regelung
abstecken.
Ausgangspunkt ist dabei der Wunsch nach einem leiblichen Kind, das frei sein soll
von schwerer Krankheit oder Behinderung. Aus diesem Wunsch erwächst dann ein
Dilemma, wenn die Eltern wissen – womöglich weil bereits ein Kind mit der
Krankheit geboren wurde –, dass sie das genetische Merkmal für eine bestimmte
vererbbare Krankheit tragen. In dieser Situation bietet die PID die Möglichkeit,
Embryonen in vitro zu erzeugen und vor der Schwangerschaft auf das
Krankheitsmerkmal zu untersuchen. Die ethische Grundfrage zur PID lautet dann,
ob und wenn ja, inwieweit in einem solchen Fall das Interesse der Eltern an einem
leiblichen und von dem genetischen Merkmal nicht betroffenen Kind die mit der
PID verbundenen Risiken und Nachteile aufzuwiegen vermag.
1.3.2
Grundlegende Wertkonflikte
Reproduktive Autonomie
Ein leibliches Kind zu haben, gehört für viele Menschen zu den essenziellen Zielen
ihrer Lebensplanung und Selbstentfaltung. Gleichzeitig kann eine schwere Krankheit
oder Behinderung des Kindes eine Belastung für die Eltern darstellen, der sich nicht
alle Paare gewachsen fühlen. Wenn die Eltern nun aufgrund einer bekannten
genetischen Disposition oder bereits geborener, erkrankter Kinder wissen, dass ein
sehr hohes Risiko besteht, (erneut) ein schwer krankes Kind zu haben, kann im Falle
eines Kinderwunsches eine sehr bedrängende Situation entstehen.47 Ob sich das Paar
dennoch für die Schwangerschaft und die Geburt entschliesst oder darauf verzichten
will – kaum jemand bestreitet, dass es zunächst und grundsätzlich das Recht, aber
auch die Pflicht des betroffenen Paares selbst ist, sich im Rahmen der gegebenen
Möglichkeiten für einen Weg zu entscheiden. Für diesen trägt es dann auch die
moralische Verantwortung. Einer der Kernbegriffe in der ethischen Debatte um die
PID ist deshalb die ‹reproduktive Autonomie›48 der Einzelnen und Paare, in die
reglementierend einzugreifen gewichtiger Gründe bedarf.
47
48
Kritiker stellen diese Bedrängnis in Frage und verweisen auf Alternativen, die sie für
gleichwertig halten, insb. den Verzicht auf ein leibliches Kind und die Adoption. Vgl. H.
Haker, Ethik der genetischen Frühdiagnostik. Sozialethische Reflexionen zur
Verantwortung am Beginn menschlichen Lebens. Paderborn: mentis 2002, insb. S. 242 f.
H. Haker, Ethik der genetischen Frühdiagnostik. Paderborn: mentis 2002, S. 186 ff.,
sowie grundlegend: J. Robertson, Children of choice: freedom and the new reproductive
technologies. Princeton: Princeton University Press, 1994.
19
Menschenwürde
Freilich kann diese reproduktive Autonomie nicht bedeuten, dass diejenige Person,
die selbst als Resultat der Reproduktion lebt, nämlich das Kind, gänzlich
schrankenloser Verfügungsgewalt unterworfen wäre. Die Kernfrage der ganzen
Problematik lautet deshalb hier, ob es überhaupt statthaft sein kann, eine
Selektionsentscheidung und damit ein solches ‹Qualitätsurteil› über die
Nachkommen zu fällen, das überdies auch auf einer Fehldiagnose gegründet sein
kann. Diese Frage aber hängt entscheidend von dem moralischen Status ab, der dem
Embryo in vitro zugesprochen wird. Einzelne Religionen, namentlich die
katholische Kirche, bestehen an dieser Stelle darauf, jeden menschlichen
Organismus von der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an wie Personen nach
ihrer Geburt zu behandeln.49 Demnach kann der absolute Wert des Lebens eines
genetisch belasteten Embryos in keinem Fall, sowenig wie das irgendeines gesunden
erwachsenen Menschen, gegen andere Interessen aufgewogen werden. Jede
Auswahl von Embryonen wäre demnach aus ethischer Sicht unvereinbar mit der
Garantie der Menschwürde und dem damit bezeichneten Verbot, ein Werturteil über
einen Menschen zu fällen. Insofern ist festzustellen, dass jede Regelung, die die PID
unter welchen Bedingungen auch immer zulässt, jedenfalls impliziert, dass dem
Embryo in vitro keine uneingeschränkte Menschenwürde zugesprochen werden soll.
Zugleich besteht aber gleichermassen Konsens, dass Embryonen nicht als blosse
Sachen zu behandeln sind, sondern einen intrinsischen Schutzanspruch geniessen.
Unter welchem Mass an Schutz genau allerdings ein Embryo in vitro stehen soll, das
heisst welche Handlungen in Bezug auf Embryonen in vitro konkret vertretbar sein
sollen und welche nicht, ist die entscheidende Frage, auf deren Antwort die
Regelung der PID beruhen muss. Und das bedeutet für die gesetzliche Regelung:
welche Indikationen können die Anwendung einer PID und die Verwerfung positiv
diagnostizierter Embryonen ethisch legitimieren?
Sozialethik
Andererseits ist im Hinblick auf die ebenso grundlegende Frage nach dem
Handlungsspielraum der Eltern festzustellen, dass Elternschaft nicht allein in
Begriffen autonomer Entscheidung definiert werden kann. Vielmehr impliziert diese
Rolle gleichermassen Verantwortung, Fürsorge und Achtung für die wachsende,
eigene Persönlichkeit des Kindes, die im Konfliktfall von jeher auch dem Schutz der
Allgemeinheit untersteht. Darüber hinaus beruht die reproduktive Autonomie der
Eltern und die Entscheidung, die sie treffen, auch auf den gesellschaftlichen
Lebensbedingungen und sie wirkt auf diese zurück. Das betrifft zum einen die
konkreten Voraussetzungen des Konfliktes selbst. Wie gross etwa die Belastung
tatsächlich ist, die von der Krankheit des Kindes ausgeht, wird sehr stark von den
verfügbaren Ressourcen der Eltern beeinflusst sowie davon, ob und wie viel
Unterstützung sie erhalten. Zum anderen aber ist in einem grundlegenderen Sinn
Fortpflanzung nicht nur eine Angelegenheit isolierter Individuen, vielmehr
reproduziert sich darin zugleich auch die Gesellschaft als ganze, weshalb sie dem
Fortpflanzungsgeschehen auch nicht schlechthin gleichgültig gegenüberstehen kann.
So spiegeln sich in den Haltungen zu Fragen der Elternschaft und Kindheit, aber
49
20
Vgl. die Enzyklika Evangelium vitae Johannes Pauls II. vom 19. März 1995 unter
http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jpii_enc_25031995_evangelium-vitae_ge.html (14.01.2008), seither immer wieder
bekräftigt.
auch zu Krankheit und dem sozialen Ort von Behinderten elementare
Wertentscheidungen. Es zeigt sich an solchen Stellen besonders deutlich, wer wir
sind und sein wollen.50 Schliesslich kann die Entscheidung für oder gegen ein Kind
nicht als reine Privatangelegenheit verstanden werden, wenn sie auf der Grundlage
technischer Hilfsmittel getroffen wird, die von Wissenschaft und Industrie
bereitgestellt werden und so diese und weitere Bereiche der Gesellschaft zwingend
in den Prozess involviert.
In der Frage, ob die PID angewandt werden darf, verschränken sich folglich
grundlegende Aspekte der Individual- und Sozialethik. Dabei sind weltanschaulich
fundamentale Entscheidungen betroffen, wie etwa die Frage, in welchem Moment
das Mensch-Sein beginnt. Solche philosophisch und religiös geprägten Fragen
lassen sich nicht naturwissenschaftlich objektiv entscheiden, weil sie Werthaltungen
zum Inhalt haben. Deshalb besteht in unserer heutigen pluralistischen,
‹posttraditionalen› Gesellschaft über sie auch kein breiter gesellschaftlicher
Konsens, wie die kontroversen Debatten in der Öffentlichkeit und dem Parlament,
quer durch die politischen und weltanschaulichen Lager, belegen.
1.3.3
Wem dient eine PID?
Wenn man sich dafür entscheidet, die Anwendung der PID auf die Verhinderung
einer genetisch übertragbaren Krankheit zu beschränken, so liegt eine grundlegende
Weichenstellung in der Frage, in wessen Interesse die PID und damit die
Verhinderung der Krankheit eigentlich erfolgt. Drei Antworten sind denkbar: es
kann das (hypothetische) Kind selbst sein, dem das Leben mit der Krankheit erspart
werden soll, oder den Eltern das Leben mit einem kranken Kind, oder aber Dritten
wie der Gesellschaft, den Krankenversicherungen oder dem Sozialstaat die
(namentlich finanziellen) Folgen.
Kritiker der PID-Zulassung befürchten in der Regel die dritte Möglichkeit. Ihnen
zufolge werde die PID, absichtlich oder unbewusst, letztlich im Interesse von
indirekten Nutzniessern wie der Forschung oder der Industrie angewandt, oder sie
sei Mittel zur Ausübung patriarchaler Verfügungsgewalt über den weiblichen
Körper. Die Verhinderung von Krankheit und Leid sei demgegenüber nur
Vorwand.51 Damit ist zugleich bestritten, dass die Entscheidung der Eltern sowie der
Ärztinnen und Ärzte in Tat und Wahrheit unbeeinflusst von Manipulationen durch
Dritte getroffen werde. Das Selbstbestimmungsrecht aller Personen sicherzustellen,
die in das Verfahren involviert sind, ist zweifellos unabdingbar. Hingegen impliziert
ein solcher Generalverdacht, auch wenn er aus ethischen Motiven vorgetragen wird,
die pauschale Entwertung der Entscheide derjenigen Menschen, die davon betroffen
sind. Ungeachtet dessen aber wäre in jedem Fall die Selektion von Embryonen im
50
51
H. Haker, Ethik der genetischen Frühdiagnostik. Paderborn: mentis 2002, insb. S. 61-100
und 245-302.
«Die Frage ist jedoch, ob die Präimplantationsdiagnostik tatsächlich als Antwort auf ein
artikuliertes Bedürfnis entwickelt wurde, oder ob es sich bei dem Verfahren um eine Art
von spin off der modernen Reproduktionsmedizin und Genetik handelt, das sich seine
Klienten erst suchen und seinen Anwendungsbereich erst schaffen muss. Obwohl
zahlreiche Paare, für deren Kinder ein Erbkrankheitsrisiko besteht, das neue
Untersuchungsverfahren begrüssen, stützen verschiedene Beobachtungen die zuletzt
genannte Vermutung.» R. Kollek, Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion,
weibliche Autonomie und Recht. Tübingen, Basel: Francke 2000, insb. S. 145.
21
ökonomischen, politischen oder sonstigen Interesse Dritter als Eugenik einzustufen
und damit verwerflich und verboten.
Die erste Möglichkeit, die genetisch übertragbare Krankheit im Interesse des
betroffenen Kindes zu verhindern, kann ebenso wenig legitime Motivation sein.
Denn damit wäre unweigerlich eine Aussage über den Wert oder Unwert seines
Lebens verbunden und die getroffene Entscheidung folglich ebenfalls im strengen
Sinne eugenisch.
Die vorherrschende Meinung betrachtet indessen die Eltern als diejenigen, in deren
Interesse die PID durchgeführt wird. Sie drohen durch die Belastung, die die
Krankheit des Kindes verursachen würde, in eine unzumutbare Situation zu geraten,
so dass die leibliche und seelische Unversehrtheit der Mutter oder der Eltern
dasjenige schützenswerte Gut darstellt, das die Risiken und Nachteile der PID
aufzuwiegen
vermag.
Dabei
wird
explizit
die
Parallele
zum
Schwangerschaftsabbruch gezogen, wo ebenfalls auf der Grundlage dieser
Abwägung ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist, weil die Unzumutbarkeit
anerkannt wird, die Schwangerschaft fortzusetzen. Dass die gesellschaftliche
Akzeptanz des Schwangerschaftsabbruchs inzwischen etabliert sei, bildet so eines
der tragenden Argumente für die Zulassung der PID.52
Demgegenüber bestreiten Kritiker grundsätzlich die Vergleichbarkeit beider
Situationen, weil im Falle der PID sehenden Auges eine Konfliktsituation
herbeigeführt werde, im Gegensatz zur unbeabsichtigten Notlage im Falle der
natürlichen Schwangerschaft.53 Gleichwohl weisen die Befürworter der PID darauf
hin, dass mit dem PID-Verbot eine drastische Ungleichgewichtung zwischen der
Pränatal- und der PID und somit dem Schutz der Embryonen (und Föten) in vivo und
in vitro gegeben sei. Unverständlicherweise werde so das Lebensinteresse eines nur
wenige Zellen grossen Embryos höher geachtet als jenes eines bald lebensfähigen,
noch nicht geborenen Kindes. Aus dieser Perspektive sei die Zulassung der PID
ethisch geradezu geboten, könne sie doch den Müttern und Paaren die Belastung
einer ‹Schwangerschaft auf Probe› ersparen.
1.3.4
Nutzen, Nachteile und Risiken der PID
Nutzen
Der zu erwartende Nutzen der PID-Anwendung erstreckt sich wesentlich auf das
dadurch vermiedene Leid bei den Eltern (vgl. 1.3.3). Die PID ermöglicht die
Verhinderung schwerer, existenzieller Belastungssituationen in Fällen, die sonst nur
unter ebenso gravierenden Verzichtsleistungen zu vermeiden wären.54
52
53
54
22
«Das zentrale ethische Argument, das die Verbotslösung fragwürdig macht, ist der
Widerspruch, der sich für Paare mit einem bekannten genetischen Risiko ergibt: Für sie
ist es heute erlaubt, eine ‹Schwangerschaft auf Probe› einzugehen und diese nach einer
Pränataldiagnostik (PND) eventuell abzubrechen; es ist aber verboten, den Embryo
bereits vor seinem Transfer in die Gebärmutter zu untersuchen.» NEK-CNE,
Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 5.
Vgl. H. Haker, Ethik der genetischen Frühdiagnostik. Paderborn: mentis 2002, insb. S.
224 ff.
Vgl. Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln, Kap. 2.1, Art. 5a.
Daneben kann die PID eine gesellschaftlich akzeptierte Entscheidung aus der Phase
der Schwangerschaft in die Situation vorher verlagern und damit körperlichen und
psychischen Belastungen vorbeugen, die mit einem Schwangerschaftsabbruch einher
gehen können.
Es eröffnet sich somit auch für solche Paare die Möglichkeit, ein Kind zu
bekommen, die diesen Schritt aufgrund ihrer eigenen leidvollen Erfahrungen oder
der ihrer Angehörigen nicht gewagt hätten.
Sollten sich darüber hinaus günstige Nebeneffekte für die Gesellschaft insgesamt,
insbesondere für Wissenschaft, Forschung, Medizin und Wirtschaft in der Schweiz
einstellen, so wären diese im Rahmen der Gesamtbeurteilung zwar zu begrüssen.
Einen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen die Indikation zu einer PID im
konkreten Einzelfall dürfen sie indessen gewiss nicht haben und insofern auch nicht
die Gestaltung der gesetzlichen Regelung zur PID bestimmen.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass durch die Zulassung der PID im Inland
den betroffenen Paaren erspart würde, sich im Ausland behandeln lassen zu müssen.
Da aufgrund dieses ‹Tourismus› die PID de facto ohnehin nicht verhindert werden
könne, sei es konsequent, das Verbot abzuschaffen.55 Dem ist indessen entgegen zu
halten, dass sich die inländische Gesetzgebung nicht an dem orientieren kann, was
im Ausland tatsächlich gemacht wird, sondern nur an dem, was gemäss der
politischen Konsensbildung in der Schweiz gemacht werden soll.
Nachteile und Risiken
Im Hinblick auf die Nachteile, die mit der Anwendung der PID verbunden sind oder
sein könnten, empfiehlt es sich, in zwei Richtungen zu differenzieren. Zum einen
gilt es zu bestimmen, wer durch die PID geschädigt wird oder zu werden droht. Zum
anderen ist zu unterscheiden zwischen den negativen Folgen, die unvermeidlich
sind, und solchen, die nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten
können.
‹Geschädigte› der PID in diesem Sinne sind zunächst unvermeidlicherweise alle
Embryonen in vitro, die dem Diagnoseverfahren unterworfen werden. Ihnen wird
durch ein mikrochirurgisch erzeugtes Loch in der Membran eine oder zwei ihrer in
der Regel sechs bis zehn Zellen entzogen. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand
scheint dieser nicht unerhebliche Eingriff meist vom Embryo schadlos überstanden
zu werden, seltener aber seine Implantationsfähigkeit zu vermindern und damit das
Absterben zur Folge zu haben. Abschliessende Ergebnisse zu dieser Frage stehen
indessen noch aus, insbesondere können zu möglichen Langzeitschäden schon
deshalb keine Aussagen gemacht werden, weil das weltweit erste nach einer PID
geborene ‹Kind› noch keine zwanzig Jahre alt ist. Entscheidend aber sind von der
Diagnose freilich alle diejenigen Embryonen in vitro betroffen, die aufgrund des
diagnostizierten genetischen Defekts nicht zur weiteren Entwicklung ausgewählt,
sondern verworfen werden.
Die Belastung durch das invasive Diagnoseverfahren für die Embryonen kann nicht
vermieden werden; hingegen steht es den künftigen Eltern natürlich frei, sich auch
bei einem positiven Testergebnis für den Transfer und die Fortsetzung der
Schwangerschaft zu entscheiden. Allerdings wird von Kritikern an dieser Stelle
55
Vgl. NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 27.
23
befürchtet, es könne aufgrund der Trennung zwischen Embryonen und der
potenziellen Mutter respektive der potenziellen Eltern sowie der Technisierung des
Verfahrens zu einem Automatismus in der Selektionsentscheidung gegen das kranke
oder behinderte Kind kommen.56 Daneben werden weitere Szenarien als Argumente
gegen die Zulassung der PID genannt, denen allesamt die Befürchtung zugrunde
liegt, dass damit das Tor zu einer Entwicklung geöffnet werde, die sich nicht mehr
stoppen lassen und unabsehbare Folgen nach sich ziehen werde (sogenannte
‹slippery-slope›- oder ‹Schiefe-Ebene›-Szenarien).
‹Geschädigte› der PID aus dieser Perspektive sind demnach in erster Linie
behinderte und kranke heute lebende und zukünftige Menschen. Da die PID –
tatsächlich oder auch nur in der Wahrnehmung – die Vermeidbarkeit von Krankheit
und Behinderung demonstriere, sei im Zuge der PID-Etablierung und der
Aufweichung einmal gezogener Grenzen ihrer Anwendung mit einem Verlust an
Solidarität für diese Menschen zu rechnen.57 In diesem Zusammenhang gibt es auch
die Befürchtung, von der Verfügbarkeit der PID könnte ein psychologischer Druck
auf die werdenden Eltern ausgehen, ihre Fortpflanzung medizinisch überwachen zu
lassen. Dadurch käme es gleichsam zu einer freiwilligen Eugenik ‹von unten›, im
Sinne einer Diskriminierung behinderter Personen durch die Erlaubnis der
Anwendung selektiver Massnahmen.58
Grundlegender noch wird befürchtet, die ‹genetische Expertise›, die den nach PID
geborenen Kindern gleichsam ausgestellt werde, gefährde den Gleichheitsgrundsatz
und damit die elementare Basis unserer Gesellschaft schlechthin.59 Der
kontrollierende Eingriff in ihre genetische Ausstattung erzeuge eine Zwei-KlassenGesellschaft derer, die von Natur aus geworden, und solcher, die technisch überprüft
oder in fernerer, aber absehbarer Zukunft als «Design-Babies» im engeren Sinne
sogar gemacht sein würden. Die PID stelle demnach einen ersten oder bereits
weiteren Schritt in einer verhängnisvollen Entwicklung dar, an deren Ende der
wissenschaftlich-technische Fortschritt nichts weniger als den Untergang der
Humanität herbeiführe.
Diese befürchteten und ohne Zweifel unerwünschten Auswirkungen werden
keinesfalls mit Sicherheit auftreten. Sie würden auch nicht alleine von der PIDZulassung bewirkt oder vom Verbot verhindert, nicht zuletzt weil nur ein
verschwindend geringer Bruchteil aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch
die PID vermieden werden könnte. Die entscheidende Frage lautet deshalb, wie
ernsthaft tatsächlich mit solchen unerwünschten Begleitwirkungen gerechnet werden
muss und inwiefern sie durch geeignete Massnahmen trotz Zulassung der PID
verhindert werden können. So kommt etwa auch die NEK-CNE zum Schluss, dass
diese Risiken nicht konkret genug sind, um ein Verbot der PID zu legitimieren.
Gleichzeitig empfiehlt sie aber, die Zulassung der PID von sozialpsychologischer
und soziologischer Forschung zu begleiten, um rechtzeitig gegensteuern zu können,
falls sich die Anzeichen zu solchen Konsequenzen tatsächlich verdichten sollten.60
56
57
58
59
60
24
NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 41.
Vgl. E. Beck-Gernsheim: Präimplantationsdiagnostik: Welche Folgen?, in: B. Nacke, S.
Ernst (Hrsg.): Das Ungeteiltsein des Menschen. Stammzellforschung und
Präimplantationsdiagnostik. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 2002, S. 121-132.
Vgl. NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 28.
J. Habermas: Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen
Eugenik? Frankfurt/Main: suhrkamp 42002.
NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 52.
In der Summe ergeben sich somit unvermeidbare Folgen für Embryonen in vitro
einerseits, die gegen den zu erwartenden Nutzen abzuwägen sind. Andererseits
werden eine Zunahme des Drucks auf Eltern und Risiken für die Gesellschaft
befürchtet, die abzuwenden indessen Aufgabe der der Politik und der Gesellschaft
insgesamt bleibt.
1.3.5
Die Diskussion in der Schweiz
In besondere Weise befugt und aufgerufen zur Stellungnahme bei medizinethischen
Streitfragen von gesamtgesellschaftlicher Tragweite ist die Nationale
Ethikkommission im Bereich Humanmedizin. Sie hat erstmals mit ihrer
Stellungnahme Nr. 10/2005 «Präimplantationsdiagnostik» nach intensiver Beratung
ausführlich zur Problematik Position bezogen. Darin plädierte die Minderheit der
Kommission für die Beibehaltung des PID-Verbotes, insbesondere weil sie in der
Selektion nach einer PID eine ethisch verwerfliche Instrumentalisierung von
Embryonen und damit die Verletzung der Menschenwürde sieht. Weiterhin werden
unabsehbare Folgeentwicklungen im Bereich der Fortpflanzungsmedizin und
Embryonenforschung befürchtet, zumal die notwendigen Abgrenzungen zwischen
der legitimen und missbräuchlichen Anwendung der Technik für unmöglich
gehalten
werden.
Schliesslich
befürchtet
die
Kommissionsminderheit
diskriminierende Nebeneffekte für Menschen mit Krankheit oder Behinderung.
Die Mehrheit dagegen anerkennt zwar diese Gefahren, hält sie aber nicht für so
gravierend und unkontrollierbar, dass sie ein Verbot rechtfertigen könnten. Sie
plädiert deshalb anstelle des Verbotes für eine differenzierte Regelung, «welche das
Angebot von PID an Indikationen bindet und die Anwendung ausserhalb dieser
Indikationen verbietet. Die Indikationen sollen in einem restriktiven Sinn an die
Vermeidung drohender schwerer Krankheiten oder Behinderungen für den
betroffenen Menschen selbst gebunden werden.»61 Indessen soll die PID sodann
aber nicht nur zur Vermeidung einer schweren Krankheit zugelassen werden,
sondern auch für «Paare, die zur Behandlung der Unfruchtbarkeit eine IVF
durchführen.» Verboten bleiben soll die PID dagegen zum Ausschluss des blossen
Trägerstatus, dann also, wenn die genetische Veranlagung nicht zu einer manifesten
Krankheit führen kann; ausserdem bei allen nicht krankheitsbezogenen Merkmalen
und auch zur Auswahl eines Kindes mit bestimmten Gewebeeigenschaften zum
Zweck einer späteren Spende von Zellen oder Geweben. Daneben empfiehlt die
Kommission, den betroffenen Paaren eine umfassende Beratung anzubieten, die ihr
Selbstbestimmungsrecht stützt und Alternativoptionen aufzeigt. Schliesslich fordert
sie, die Anwendung der PID wissenschaftlich zu evaluieren, sowohl im Hinblick auf
Langzeitfolgen bei den daraus hervorgegangenen Kindern als auch auf die
gesellschaftlichen Auswirkungen.
In einer zweiten Stellungnahme zur PID62 hat die NEK-CNE ihre Haltung präzisiert
und teilweise modifiziert. Noch immer lehnt eine Minderheit die PID generell ab,
während die Mehrheit für die Zulassung plädiert. Dabei soll die PID zur
Vermeidung einer schweren Krankheit wie auch zur Behandlung der
Unfruchtbarkeit angewendet werden dürfen, und die NEK-CNE empfiehlt dazu auch
61
62
NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 51ff.
NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik (PID) II, Spezielle Fragen zur gesetzlichen
Regelung und zur HLA-Typisierung, Nr. 14/2007.
25
die Aufhebung der sogenannten Dreierregel (vgl. Ziff. 1.5.1) wie auch des Verbotes
der Kryokonservierung von Embryonen. In der Frage der Auswahl eines geeigneten
Spenderkindes zeigt sich die Kommission in ihrer zweiten Stellungnahme nun
gespalten; je etwa die Hälfte der Mitglieder ist für oder eben gegen diese
Anwendungsmöglichkeit. Während in der ersten Stellungnahme in diesem Kontext
noch das Argument dominierte, in einer solchen Auswahl eine Verletzung der
Menschenwürde durch die zweckorientierte Erzeugung des Embryos zu sehen,
verleiht die zweite Stellungnahme der Rettung des kranken Geschwisterkindes ein
höheres Gewicht. Sie hält die ethischen Risiken und Missbrauchsgefahren durch
eine entsprechend strenge gesetzliche Regelung für beherrschbar.
Neben der NEK-CNE haben insbesondere bestimmte Interessengruppen zur PID
Position bezogen. Während etwa der «Verein Kinderwunsch», die
Patientenorganisation von und für Paare mit Fruchtbarkeitsstörungen, sich für die
Zulassung der PID bei schweren, unheilbaren Krankheiten einsetzt63, äussern sich
Vereinigungen von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige
diesbezüglich kritisch. Sie sehen die Gefahr, dass sich die Zulassung der PID
kontraproduktiv auf die Bestrebungen zur verbesserten Integration dieser
Personengruppe auswirken könnte. Die Möglichkeit, in bestimmten Fällen die
Aussonderung eines belasteten Embryos zu ermöglichen, hätte demnach eine
verstärkte Diskriminierung etwa von Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21)
zur Folge, weil eine solche Lebenssituation vermeidbar erscheinen würde und den
Eltern als Versäumnis vorgeworfen werden könnte. In diesem Sinne ist
beispielsweise die Schweizerische Elternvereinigung für Menschen mit geistiger
Behinderung «insieme» zusammen mit ihren Schwesterorganisationen aus
Deutschland, Österreich und Südtirol folgender Ansicht: «Die PID schafft in hohem
Masse die Gefahr der Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung, indem sie
dem Mythos Vorschub leistet, ein Kind nach Mass sei machbar.»64
Daneben haben sich einzelne Personen wie auch bestimmte Gruppierungen aus
feministischer Sicht in der Diskussion zu Wort gemeldet. Von dieser Seite wird
befürchtet, dass durch die Zulassung der PID die Gleichberechtigung von Frauen
und Männern in der Gesellschaft Schaden nehmen und eine bestehende
Ungleichbehandlung sich verschärfen könnte. Der Hauptvorwurf dabei lautet, dass
durch die PID der weibliche Körper instrumentalisiert werde, da das Interesse an der
PID nur vordergründig in der Vermeidung von Krankheit und Leid bestehe.
Tatsächlich ziele es aber auf die Gewinnung von Eizellen zu Forschungszwecken ab.
Diese Kritik richtet sich damit auf die Einwilligung der Frauen, die als das Resultat
verinnerlichten gesellschaftlichen Drucks interpretiert und deren Freiwilligkeit
infrage gestellt wird.
1.3.6
Die Diskussion auf internationaler Ebene
Während ein Überblick über die internationale Gesetzeslage zur PID sich auf
hoheitliches Recht stützen kann, muss eine Darstellung der ethischen Debatte
notwendig auf unterschiedlich stark autorisierte Stimmen zurückgreifen. In erster
Linie bieten sich dafür die Stellungnahmen von Ethik-Kommissionen auf
gesamtstaatlicher Ebene an, die in der jüngeren Vergangenheit in vielen Ländern
63
64
26
www.kinderwunsch.ch/wir/index.html (21.02.2008).
www.insieme.ch/pdf/EthischeGrund_deutsch.pdf (21.02.2008).
eingerichtet worden sind. Wie sehr oder für wen deren Voten tatsächlich
repräsentativ sind, wäre freilich im Einzelfall zu diskutieren und ist sicher oft schwer
zu bestimmen.
Festzustellen ist, dass das Thema PID überall gleichermassen kontrovers diskutiert
wird, wobei die zentralen Fragen und Argumente kaum variieren, und nirgends
Patentlösungen zu finden sind. So hat beispielsweise der deutsche Nationale
Ethikrat, der die Bundesregierung berät, 2003 die Empfehlung zu einer PIDZulassung (unter Auflagen) gegeben, während die Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages ‹Recht und Ethik der modernen Medizin› davor bereits die
Beibehaltung des Verbots gefordert hatte. In beiden Gremien verlangen aber auch
starke Minderheitsvoten jeweils das Gegenteil.65 Die österreichische
Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt hat sich 2004 in ihrer Stellungnahme66
einer eindeutigen Empfehlung enthalten, ebenso wie auch das französische Comité
Consultatif National d’Ethique pour les Sciences de la Vie et de la Santé.67 Auch der
dänische Ethikrat beschränkte sich 2004 auf «a debate outline»68 zum gesamten
Bereich der Forschung an Keimzellen und Embryonen, während der niederländische
Gezondheidsraad 2006 eine weitreichende Zulassung einschliesslich zum Zweck der
HLA-Typisierung in bestimmten Fällen fordert.69 Ebenfalls kommt der schwedische
Nationale Rat für Medizinische Ethik zum Schluss, «that the use of the PGD
technique should be allowed on a somewhat larger scale than what is permitted in
the current guidelines».70 Global gesehen dürfte die verbreitete Skepsis samt den
geltenden Verboten insbesondere in den deutschsprachigen Ländern eine
Minderheitenposition darstellen.
Auffallend ist ferner, dass in manchen Ländern wie etwa Belgien oder Finnland dem
Thema insgesamt weit weniger ethische Brisanz zugemessen wurde und wird als
etwa in Frankreich oder Deutschland. In den USA kontrastieren eine sehr liberale
Praxis und eine wissenschaftlich-ethische Debatte, die vor allem um
Einschränkungen persönlicher Autonomie im Bereich der Fortpflanzung besorgt ist,
mit einer sehr kritischen Haltung christlich-konservativer Stimmen.
Auch in der islamischen Welt lässt sich dieselbe Uneinigkeit zwischen Befürwortern
und Kritikern beobachten, die entsprechend zu sehr unterschiedlichen religiösen
Empfehlungen und staatlichen Regelungen in den einzelnen Ländern führt.
Ähnliches gilt für den ostasiatischen Raum. Das Judentum und Israel stehen den
65
66
67
68
69
70
www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Genetische-Diagnostik.pdf
(14.01.2008), S. 75. Der Bericht der Enquete-Kommission unter:
http://dip.bundestag.de/btd/14/090/1409020.pdf (14.01.2008).
«Bei realistischer Betrachtung wird davon auszugehen sein, daß die Bioethikkommission
mit ihrem Bericht zur PID einen bisherigen Meinungsfindungsprozeß sehr sorgfältig
aufgearbeitet und verdichtet hat und damit in weiterer Folge einen
Entscheidungsfindungsprozeß angestoßen und begonnen hat, der aber noch Jahre dauern
kann.» www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=7780 (14.01.2008), S. 9.
«Il n’est pas dans les intentions du CCNE d’ériger dans ce domaine une doctrine
censurante ou permissive qui pourrait toujours être remise en question par les données
scientifiques nouvelles, mais plutôt de faire prendre conscience de la gravité des enjeux
majeurs (…)» Réflexions sur l’extension du diagnostic préimplantatoire, Avis N°72 - 4
juillet 2002, S. 13. Zugänglich auf www.ccne-ethique.fr/francais/start.htm (14.01.2008).
www.etiskraad.dk/graphics/03_udgivelser/engelske_publikationer/moral_ embryo/
engelsk_embryo.pdf (14.01.2008).
www.gr.nl/samenvatting.php?ID=1333&highlight=preimplantation (14.01.2008).
www.smer.gov.se/index.htm?lang=en&index=0&url=intro.html (14.01.2008).
27
Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin tendenziell weniger ablehnend
gegenüber, wenngleich auch dort kontroverse Debatten geführt werden.71
1.3.7
Weitergehende Anwendungsmöglichkeiten
Neben dem hier zentralen Anwendungsgebiet, eine schwere Krankheit des Kindes
zu verhindern, gibt es eine Reihe weiterer, ethisch grundsätzlich anders zu
beurteilender Anwendungsmöglichkeiten für die PID:
-
PID zur Erhöhung der Erfolgsrate bei künstlicher Befruchtung (vgl. Ziff.
1.2.4.2): In neuerer Zeit mehren sich die Hinweise, dass der beabsichtigte
positive Effekt durch die Beeinträchtigungen, die mit der PID verbunden
sind, mindestens aufgehoben wird, so dass sich unabhängig von der
ethischen Beurteilung rein medizinisch keine Vorteile ergeben.72 Natürlich
kann auch ethisch nicht gerechtfertigt werden, was medizinisch
kontraindiziert ist.
-
PID zur HLA-Typisierung («Retter-Baby», «Design-Baby», vgl. Ziff.
1.2.4.4): Auch wenn etwa die NEK-CNE in ihrer zweiten Stellungnahme zur
PID keine eindeutige Position gegenüber dieser Methode bezieht, sehen
viele darin eine unannehmbare Verzweckung des nachgeborenen Kindes.
Darüber hinaus wird auch an dieser Stelle befürchtet, dass die Grenzen einer
solchen Verwendung als Gewebespender sich schleichend verschieben
könnten, sowohl in Bezug auf die betroffenen Gewebearten oder Organe, als
auch im Hinblick auf mögliche Empfänger jenseits der Geschwister.
-
PID zur Eigenschaftsauswahl ohne Krankheitsbezug: Theoretisch kann jedes
beliebige, genetisch verursachte Merkmal eines Menschen zum
Auswahlkriterium erhoben werden, fern jeglichen Bezuges zu einer
Krankheit (vgl. Ziff. 1.2.4.5: «social sexing», «family balancing»).73
Tatsächlich bleiben die Möglichkeiten der Technik an dieser Stelle weit
hinter den Schreckensbildern aus der Science-Fiction-Literatur zurück, erst
recht im Hinblick auf so komplexe Eigenschaften wie Intelligenz oder
musische Begabung. Nichtsdestotrotz ist es gerade diese Ausweitung der
Anwendung auf beliebige, nicht krankheitsbezogenen Präferenzen
entsprungene Kriterien, die mit der vorliegenden Regelung verhindert
werden soll. Die Auswahl beispielsweise eines blauäugigen Kindes mittels
PID ist in keiner Weise ethisch legitimierbar. Insofern soll es auch keine
Abgrenzungsschwierigkeiten in der Grauzone zwischen Krankheit und nicht
krankheitsrelevanten Merkmalen geben, weil ausschliesslich in eindeutigen
Fällen, in denen mit einer massiven Gesundheitsbeeinträchtigung zu rechnen
ist, die Durchführung der PID erlaubt sein soll.
Die erheblichen ethischen Bedenken gegenüber diesen weitreichenden
Anwendungsmöglichkeiten werden auch in der Kombination mit der von der
71
72
73
28
Vgl. zu diesem Abschnitt NEK-CNE, Forschung an embryonalen Stammzellen,
Stellungnahme Nr. 3/2002, S. 39 ff.
B. Goldman, The First Cut. Extracting a cell from a budding human embryo can expose
genetic defects, but does it actually help generate more healthy babies?, Nature, 2007,
445, S. 479 f.
http://geneticsandsociety.org/article.php?id=2740 (14.01.2008).
Regelung beabsichtigten Indikation einer schweren genetischen Krankheit nicht
weggewischt. Auch wenn etwa die PID zur Verhinderung einer Krankheit
regelungsgemäss angewandt werden soll, darf nicht auch noch zugleich der
Gewebetyp des Embryos getestet werden, um die Möglichkeit einer späteren Spende
offen zu halten.
1.4
Die Rechtslage in der Schweiz
1.4.1
Bundesverfassung
Die Bundesverfassung äussert sich nicht ausdrücklich zur PID. Zu beachten sind
aber die Regelungsinhalte von Artikel 7 (Menschenwürde) und Artikel 10 (Recht auf
Leben), da bei der PID Embryonen, das heisst menschliches Leben in einem sehr
frühen Entwicklungsstadium, einer belastenden Untersuchung unterzogen und einem
Selektionsurteil unterworfen werden. Darüber hinaus ist insbesondere Artikel 119
(Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich) heranzuziehen.
Im Rahmen der Diskussion um die Zulässigkeit der PID können auch Verbindungen
zu anderen Verfassungsbestimmungen gezogen werden, beispielsweise dem
Diskriminierungsverbot (insb. in Bezug auf Menschen mit Behinderungen, cf. Art. 8
Abs. 2 BV) oder dem Schutz der Kinder (Art. 11). Weil Artikel 119 BV im
Verhältnis zu diesen als Spezialnorm zu betrachten ist und die Anwendung von
Fortpflanzungsverfahren zur Verhinderung einer Krankheit ausdrücklich zulässt,
kann nachfolgend auf eine nähere Beleuchtung dieser Normen verzichtet werden.
Menschenwürde (Art. 7 BV)
Die Frage, ob bereits der Embryo in vitro vom Schutz der Menschenwürde erfasst
wird, hat immer wieder zu kontroversen Diskussionen geführt. Als
verfassungsrechtliches Fazit in der Schweiz überwiegt bislang eine mittlere Position:
Der Embryo in vitro hat am Schutz der Menschenwürde teil; diese kommt ihm aber
nicht im gleichen Mass wie einem geborenen Menschen zu. Insbesondere die
Menschenwürde als absolut geschütztes, subjektives Recht bezieht sich demnach
nicht auf den Embryo in vitro. Sie ist im Zusammenhang mit dem Schutz frühesten
menschlichen Lebens vor allem als Verfassungsprinzip angesprochen. Relativ
unbestimmt bleibt dabei, welche konkreten Schutzpflichten aus der Menschenwürde
im Umgang mit dem Embryo in vitro folgen. Einigkeit herrscht darüber, dass er
nicht wie eine reine Sache behandelt werden darf. Hingegen ist durch eine
Güterabwägung zu entscheiden, wo – neben den in Artikel 119 BV ausdrücklich
genannten – die weiteren Schranken im Bereich der Fortpflanzungsmedizin
anzusiedeln sind, durch die einzelne Handlungen verboten würden. Bei der
Güterabwägung steht dabei dem Anteil des Embryos an der Menschenwürde die
persönliche Freiheit der Eltern gegenüber74, namentlich deren Anspruch auf
körperliche und geistige Unversehrtheit. Von entscheidender Bedeutung ist dabei,
dass Artikel 119 Absatz 2 BV die Güterabwägung bis zu einem gewissen Grad
vorwegnimmt, indem er zwar einerseits den Schutz der Menschenwürde
ausdrücklich erwähnt, anderseits aber die Techniken der Fortpflanzungsmedizin
74
Vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Forschung an überzähligen Embryonen und
embryonalen Stammzellen (EFG), BBl 2003 1163, Ziff. 1.4.2.1.1, mit weiteren
Verweisen.
29
zulässt, wenn es darum geht, die Übertragung einer schweren Krankheit zu
verhindern.
Recht auf Leben (Art. 10 Abs. 1 BV)
Das Grundrecht auf Leben ist zwar absolut geschützt; nicht abschliessend geklärt ist
aber im schweizerischen Verfassungsrecht bislang die Frage, ab welchem Zeitpunkt
der Entwicklung menschlichen Lebens es greift und – falls es schon frühes
vorgeburtliches menschliches Leben umfasst – wie es auszugestalten ist. Dass der
Lebensschutz von Embryonen in vitro indessen nicht im gleichen Mass
gewährleistet ist wie bei geborenen Personen, zeigt sich beispielsweise daran, dass
die BV die Embryonenspende ausdrücklich und in jedem Fall, also auch für
überzählige Embryonen, ausschliesst.75 Zu berücksichtigen ist zudem die
Zulässigkeit der Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen, aus welcher
ebenfalls hervorgeht, dass das Recht auf Leben für Embryonen nicht absolut gilt,
sondern einer Interessenabwägung zugänglich ist.
Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich (Art. 119 BV)
Artikel 119 Absatz 1 BV bezweckt, den Menschen vor Missbräuchen der
Fortpflanzungsmedizin und der Gentechnologie zu schützen. Artikel 119 Absatz 2
BV gibt dem Bund den Auftrag, Vorschriften über den Umgang mit menschlichem
Keim- und Erbgut zu erlassen, wobei er namentlich für den Schutz der
Menschenwürde und der Persönlichkeit sorgt. Beim Erlass dieser Bestimmung
wurden bestimmte grundlegende Entscheidungen bereits auf Verfassungsstufe
gefällt: Artikel 119 Absatz 2 BV enthält mehrere verfassungsrechtliche Verbote und
Gebote, die Vorgaben für die betreffende Gesetzgebung darstellen.76 Im
Zusammenhang mit der Regelung der PID ist insbesondere Absatz 2 Buchstabe c
relevant, welcher Voraussetzungen für die Anwendung der Verfahren der
medizinisch unterstützten Fortpflanzung festhält. Ebenfalls zu berücksichtigen ist
Buchstabe f, gemäss welchem das Erbgut einer Person nur untersucht, registriert
oder offenbart werden darf, wenn die betroffene Person zustimmt oder das Gesetz es
vorschreibt. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung zu Artikel 119 BV (damals
Art. 24novies) wurde die PID nur in einem Votum erwähnt, und auch dort nur
beiläufig.77 Die Beratung fand 1990/91 statt, zu einem Zeitpunkt, als die PID in der
Fortpflanzungsmedizin noch kaum praktiziert wurde. Es stellte sich deshalb die
Frage, ob die PID im Sinne einer Herbeiführung bestimmter Eigenschaften beim
Kind oder aufgrund eines möglicherweise aus dem letzten Teilsatz von Absatz 2
Buchstabe c abzuleitenden Verbots der Auswahl von Embryonen unzulässig sei,
oder ob sie vielmehr als einzige Möglichkeit, eine schwere Krankheit nicht zu
übertragen, verfassungsrechtlich erlaubt sei. Die Frage der Verfassungsmässigkeit
der PID bedurfte demnach einer gutachterlichen Auslegung.
75
76
77
30
Vgl. dazu Botschaft EFG, BBl 2003 1163, Ziff. 1.4.2.1.2.
Art. 119 BV verbietet die Leihmutterschaft und die Embryonenspende sowie Eingriffe in
das Erbgut von menschlichen Keimzellen und Embryonen. Bei den Verfahren mit
gespendeten Samenzellen (heterologe Techniken) wird dem Kind der Zugang zu den
Daten seiner Abstammung gewährleistet.
AB 1991 N 590, Votum Baerlocher.
Bereits im Jahr 1995 hat das Bundesamt für Justiz (BJ) in einem Gutachten unter
anderem zur Zulässigkeit der PID Stellung genommen.78 Die Abklärung fand im
Auftrag des EDI statt, und zwar im Nachgang der Publikation des Berichts
«Biomedizinische Forschung am Menschen im Zusammenhang mit Artikel 24novies
der Bundesverfassung», welcher im Februar 1995 von der vom EDI eingesetzten
Studiengruppe «Forschung am Menschen» erarbeitet worden war. Im Gutachten
beurteilte das BJ den verfassungsrechtlichen Status von Embryonen und erläuterte
den Schutzauftrag für das Rechtsgut «menschliche Embryonen». Ausgehend von der
Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Forschung an überzähligen
Embryonen äusserte es sich dabei auch zur PID. Weder aus dem Grundsatz der
Menschenwürde noch dem Grundrecht auf Lebensschutz ergeben sich nach diesem
Gutachten verbindliche und ausreichend präzise Antworten darauf, welcher
Rechtsschutz Embryonen zu gewähren ist. Deshalb sei – auch betreffend die PID –
der eigenständige Gehalt von Artikel 24novies BV zu ermitteln, und zwar sowohl als
Grundrechtsverbürgung wie auch als Gesetzgebungsauftrag. Anschliessend hält das
Gutachten folgendes fest: «Eine auf dem Vorliegen bestimmter Eigenschaften
beruhende Selektion und Elimination von zu Implantationszwecken gezeugten
Embryonen läuft in letzter Konsequenz auf die vom Verfassungsgeber verpönte
‹Zuchtwahl› im Sinne einer eugenische Selektion hinaus. Beschränkt sich indessen
die PID auf den Nachweis von vererbbaren und schwerwiegenden
Krankheitsveranlagungen, vermag sie vor der Verfassung standzuhalten.» (vgl. Ziff.
4.1 a.E.).
Zu beachten ist anschliessend, dass im Zuge der parlamentarischen Beratung zu
Artikel 5 Absatz 3 FMedG (Verbot der PID) die Verfassungsmässigkeit der PID
kaum thematisiert wurde.79 Die Räte sahen es grundsätzlich als Sache der
Gesetzgebung an, die PID (in engem Rahmen) zuzulassen oder zu verbieten.
Zur spezifischen Abklärung der Frage, ob die PID nach schweizerischem
Verfassungsrecht zulässig ist, hat das BJ im Auftrag des Bundesamtes für
Gesundheit (BAG) im Jahr 2008 eine weitere Stellungnahme80 verfasst. Darin hält
das BJ fest, dass
-
die historische und die systematische Auslegung der Verfassung keine
Hinweise zur Zulässigkeit der PID ergeben;
-
aus der grammatikalischen Auslegung kein Verbot abzuleiten ist;
-
aus der teleologischen Auslegung zu schliessen ist, dass die PID dem Zweck
widerspricht, der Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe c dritter Satz BV zugrunde
liegt (Vermeidung überzähliger Embryonen).
Das Gutachten führt in der Folge aus, dass aber eine Ausweitung des Wortsinns in
casu nicht zulässig ist und aus dem Ziel der Vermeidung überzähliger Embryonen
nicht auf ein Verbot der PID geschlossen werden darf, weil dadurch in
unterschiedlicher Weise in Rechtsgüter und Interessen von fortpflanzungswilligen
78
79
80
VPB 60.67.
Ausnahmen: AB 1998 N 1311, Votum Müller-Hemmi; AB 1998 N 1408, Votum Weber;
anderer Meinung AB 1998 N 1407, Votum Egerszegi; noch weitergehend
(Verfassungswidrigkeit des Verbots der PID): AB 1998 N 1409, Votum Gadient; AB
1998 N 2955, Votum Randegger.
EJPD, BJ, Vereinbarkeit genetischer und morphologischer Untersuchungen von
Embryonen in vitro mit Art. 119 Abs. 2 Bst. c BV, Gutachten vom 15. Oktober 2007 und
22. Januar 2008, VPB 2008.14, S. 201 ff.
31
Paaren eingegriffen wird: Die Beschränkung der Herstellung von Embryonen
erschwert das IVF-Verfahren und schränkt den grundrechtlich geschützten
Kinderwunsch ein, während ein Verbot der PID bei betroffenen Paaren dazu führen
würde, dass sie ihren Wunsch nach eigenen Kindern praktisch nicht erfüllen
könnten. Es handelt sich demzufolge um nicht gleich gelagerte Verhältnisse, was die
Ausweitung des Wortsinns im Sinne eines Analogieschlusses verbietet. Die
Zulassung der PID zum Zwecke des Nachweises einer schweren genetischen
Erkrankung ist deshalb mit Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe c BV vereinbar. Dabei
ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Gefahr einer schiefen Ebene abzuschätzen, die
sich infolge einer begrenzten Zulassung der PID ergeben könnte. Falls der
Gesetzgeber die PID zulässt, hat er jedenfalls hinreichende Kontroll- und
Aufsichtsinstrumente vorzusehen, um Verfassungs- und Gesetzesverletzungen nach
Möglichkeit zu verhindern.
Ausserdem ist aus dem Gutachten der Schluss zu ziehen, dass es ohne Änderung von
Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe c BV in der Schweiz nicht möglich ist, sich der
international gebräuchlichen PID-Praxis anzupassen, bei der pro Zyklus beliebig
viele Embryonen hergestellt und biopsiert werden. Zudem ist – wenn mehr
unbelastete Embryonen zur Verfügung stehen als transferiert werden sollen – deren
planmässige Kryokonservierung verfassungsrechtlich verboten.
1.4.2
Bundesgesetzgebung
Fortpflanzungsmedizingesetz
Auf Gesetzesstufe ist die Situation seit Inkrafttreten des FMedG klar geregelt:
Artikel 5 Absatz 3 verbietet das Ablösen einer oder mehrerer Zellen von einem
Embryo in vitro und deren Untersuchung, also die PID. In Ausführung von Artikel
119 Absatz 2 Buchstabe c BV, letzter Teilsatz, bestimmt Artikel 17 FMedG, dass
pro Zyklus höchstens drei Embryonen entwickelt werden dürfen (Abs. 1) und dass
die Kryokonservierung von Embryonen verboten ist (Abs. 3). Zulässig ist nach
geltendem Recht die Verhinderung der Übertragung einer schweren Krankheit
mittels Polkörperdiagnostik oder Spermienselektion (Art. 5 Abs. 2). Für die
Anwendung von Fortpflanzungsverfahren ist gemäss Artikel 8 eine Bewilligung des
Kantons nötig.
Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen
In Folge des Verbots der PID im FMedG verzichtet das Gesetz vom 8. Oktober
200481 über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) auf die Regelung
genetischer Untersuchungen an Embryonen in vitro. Es bezieht sich nur auf
genetische Untersuchungen an geborenen Personen oder Föten während der
Schwangerschaft (Pränataldiagnostik), nicht aber auf Untersuchungen an
extrakorporalen Embryonen vor der Schwangerschaft. Artikel 8 GUMG bestimmt
zwar, dass für die Durchführung von genetischen Untersuchungen eine Bewilligung
der zuständigen Bundesbehörde (BAG) nötig ist, und dass die entsprechenden
Bewilligungsvoraussetzungen auf Verordnungsstufe festzulegen sind. Die
Bewilligungspflicht ist aber auf genetische Untersuchungen im Rahmen einer PID
81
32
SR 810.12
nicht anwendbar, weil diese ausserhalb des Geltungsbereichs des GUMG vollzogen
werden.
1.4.3
Parlamentarische Vorstösse auf Bundesebene
Das Verbot der PID und die Rahmenbedingungen der IVF-Verfahren, insbesondere
die Einschränkung auf die Entwicklung von höchstens drei Embryonen pro Zyklus
und das Verbot der Kryokonservierung, haben im Parlament immer wieder zu
Vorstössen und intensiven Diskussionen geführt:
82
83
84
85
86
87
88
89
90
-
Noch vor Inkrafttreten des FMedG reichte Nationalrätin Barbara Polla am
28.
November
2000
die
parlamentarische
Initiative
«Präimplantationsdiagnostik bei ernsthafter Gefährdung»82 ein. Die
vorberatende Kommission beantragte, ihr keine Folge zu geben, und
überwies eine gleichlautende Motion.83 Beide wurden vom Nationalrat
abgelehnt, wobei das Resultat bei der Motion mit 74:83 Stimmen relativ
knapp ausfiel.84
-
Mit Motion vom 20. Juni 200285 verlangte Nationalrat Felix Gutzwiller eine
Änderung von Artikel 42 Absatz 2 sowie die Aufhebung von Artikel 5
Absatz 3 FMedG. Betreffend letzterem verwies der Bundesrat in seiner
Stellungnahme auf die Beratung und Ablehnung der parlamentarischen
Initiative Polla und beantragte die Umwandlung der Motion in ein Postulat.
Die Motion wurde am 18. Juni 2004 abgeschrieben, weil sie mehr als zwei
Jahre hängig war.
-
Am 2. Oktober 2002 reichte Ständerätin Christiane Langenberger eine
Interpellation «Stammzellenforschung und Präimplantationsdiagnostik.
Politische und juristische Unklarheiten» ein.86 In seiner Antwort führte der
Bundesrat aus, dass er sich der Thematik der PID nicht auf Dauer
verschliessen wolle.
-
Am 19. März 2004 reichte Nationalrat Felix Gutzwiller eine
parlamentarische Initiative «Präimplantationsdiagnostik. Bewilligung»87
ein. Die vorberatende Kommission beantragte, der Initiative keine Folge zu
geben, und reichte am 2. September 2004 eine Motion «Zulassung der
Präimplantationsdiagnostik»88 ein, welche der Nationalrat im Juni 2005 mit
92:63 Stimmen89 und der Ständerat im Dezember 2005 mit 24:18 Stimmen90
annahm. Die Motion beauftragt den Bundesrat mit der Ausarbeitung einer
Regelung, welche die PID ermöglicht und deren Rahmenbedingungen
festlegt.
-
Bezug nehmend auf diese Motion reichte Nationalrätin Pia Hollenstein am
24.
März
2006
eine
Interpellation
«Offene
Fragen
zur
00.455.
01.3647.
AB 2002 N 345 ff.
02.3335.
02.3550.
04.423.
04.3439.
AB 2004 N 908 ff.
AB 2005 S 1122 ff.
33
Präimplantationsmedizin»91 ein. In seiner Antwort vom 24. Mai 2006 wies
der Bundesrat darauf hin, dass mit Blick auf die laufenden
Vorbereitungsarbeiten für die neue Gesetzgebung noch keine konkreten
Aussagen zu Detailfragen möglich sind.
-
Mit der Motion «Reduktion von Mehrlingsschwangerschaften in utero und in
vitro»92 vom 6. Oktober 2006 verlangte Nationalrat Felix Gutzwiller die
Streichung der Bestimmungen in BV und FMedG, welche vorsehen, dass in
vitro nur so viele Eizellen zu Embryonen entwickelt werden dürfen, wie der
betroffenen Frau im gleichen Fortpflanzungszyklus eingesetzt werden
können.
Ziel
der
Motion
ist
es,
mittels
Selektion
Mehrlingsschwangerschaften zu verhindern. In seiner Stellungnahme vom
29. November 2006 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion; er
sei heute nicht bereit, einen verpflichtenden Auftrag zur Aufhebung von
Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe c letzter Teilsatz BV (Verbot, ausserhalb
des Körpers der Frau mehr menschliche Eizellen zu Embryonen zu
entwickeln als ihr sofort eingepflanzt werden können) entgegenzunehmen.
Der Vorstoss wurde am 6. Dezember 2007 abgeschrieben, da der Motionär
aus dem Rat ausgeschieden ist.
1.4.4
Kantonale Gesetzgebung
Artikel 119 BV zur Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich
begründet eine Bundeskompetenz mit nachträglich derogatorischer Kraft. Die
gestützt
darauf
erlassenen
umfassenden
Bundesregelungen
der
Fortpflanzungsmedizin, der genetischen Untersuchungen beim Menschen und der
Forschung an embryonalen Stammzellen lassen den Kantonen – abgesehen von den
Aufgaben im Bereich des Vollzugs – keinen Raum für eine weitergehende
Gesetzgebung im Bereich der PID.
1.5
Die beantragte Neuregelung
Mit der beantragten Regelung wird – unter Respektierung der engen
verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen von Artikel 119 BV – das Verbot der
PID im bestehenden FMedG durch eine Zulassung unter strengen Voraussetzungen
ersetzt. Dadurch soll Paaren, die infolge bestimmter genetischer Konstellationen
ihren Wunsch nach einem leiblichen Kind nur unter dem grossen und unzumutbaren
Risiko erfüllen könnten, ihre Veranlagung für eine schwere Krankheit
weiterzugeben, erhebliches Leid erspart werden. Gleichzeitig soll aber die
Anwendung der Technik Voraussetzungen unterworfen bleiben, die sicherstellen,
dass die Menschenwürde geschützt wird sowie Missbräuche und unerwünschte
Wirkungen verhindert werden.
Zu diesem Ziel beinhaltet die beantragte Regelung eine strenge Eingrenzung der
Indikationen, die die PID rechtfertigen. Demnach darf eine PID nur dann
durchgeführt werden, wenn die konkrete Gefahr nicht anders abgewendet werden
kann, dass das gewünschte Kind Träger einer bestimmten, beim Elternpaar
91
92
34
06.3141.
06.3585.
nachgewiesenen genetischen Veranlagung für eine schwere Krankheit ist. Die
Krankheit muss mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem 50. Lebensjahr ausbrechen,
und es darf für sie keine zweckmässige und wirksame Therapie verfügbar sein.
Verboten bleiben damit alle Anwendungen, die der Allgemeinprävention
(«Screening») gegen spontan auftretende genetische Defekte (z.B. Trisomie 21)
dienen, ebenso wie Anwendungen zur Steigerung der Erfolgsrate bei der
Behandlung der Unfruchtbarkeit. Gleichermassen verboten sind die Auswahl von
Embryonen nach Gewebeeigenschaften zum Zweck einer späteren Gewebe- oder
Organspende an ein krankes Geschwister sowie alle Anwendungen ohne Bezug zu
einer Krankheit.
Weiterhin verlangt die Regelung, dass die ausführenden Ärztinnen und Ärzte eine
umfassende genetische Beratung sowie Massnahmen zur Qualitätssicherung
gewährleisten. Zur Kontrolle dieser Aufgaben sieht die Regelung zusätzlich zu den
geltenden Bestimmungen in FMedG und GUMG eine abgestufte Bewilligungs- und
Meldeordnung vor. Demnach erhalten Ärztinnen und Ärzte vom BAG die generelle
Bewilligung zur Veranlassung von PID-Verfahren, wenn sie:
-
über eine Bewilligung für die Anwendung von Fortpflanzungsverfahren
nach Artikel 8 Absatz 1 FMedG verfügen;
-
bestimmte Aus- und Weiterbildungsanforderungen im Bereich der Genetik
nach Artikel 13 Absatz 2 GUMG erfüllen;
-
die Qualität des gesamten Verfahrens gewährleisten.
Jedes einzelne PID-Verfahren ist sodann unmittelbar nach der Einwilligung des
betroffenen Paares, aber vor der Durchführung unter Angabe der Indikation dem
BAG zu melden. Für die Laboratorien, die die genetische Untersuchung
durchführen, gelten dank einem entsprechenden Verweis die Bewilligungspflicht
nach GUMG und die entsprechenden Qualitätsanforderungen, die auf
Verordnungsstufe gegebenenfalls noch zu ergänzen sind.
Schliesslich enthält die Regelung Vorgaben zur Evaluation des Gesetzes und sieht
die Möglichkeit vor, mit Bundesgeldern Forschungsvorhaben zu den Auswirkungen
der PID zu unterstützen.
1.5.1
Untersuchte Lösungsmöglichkeiten
Anwendungsbereich und Rahmenbedingungen der PID
Für die konkrete Ausgestaltung der Neuregelung war zunächst zu bestimmen, in
welchen aller medizinisch möglichen Fälle (vgl. Ziff. 1.2.4) die PID überhaupt
angewandt werden darf. Die vorgeschlagene Regelung beschränkt die erlaubte
Anwendung der PID auf den Bereich der Verhinderung einer klar bestimmbaren,
schweren genetischen Krankheit. Alle anderen Anwendungsmöglichkeiten bleiben
verboten: die Untersuchung bei erhöhtem Risiko zu Spontanmutationen, etwa
infolge erhöhten Reproduktionsalters, oder zur Verbesserung der Erfolgsrate bei
Unfruchtbarkeitsbehandlungen; zur Auswahl eines späteren Gewebespenders; zur
Selektion des Geschlechts und aller anderen genetisch bestimmten Eigenschaften
ohne Krankheitsbezug. In allen diesen Fällen überwiegen die Risiken und Nachteile
einer PID den tatsächlichen oder, wie im Fall des «Screening» bei Unfruchtbarkeit,
35
sehr zweifelhaften Nutzen des Verfahrens. Damit bezieht sich die Regelung auf das
Ergebnis der Diskussion der Motion «Zulassung der Präimplantationsdiagnostik»93
im Parlament, aus der eindeutig hervorging, dass die PID unter strengen und
restriktiven Bedingungen zuzulassen sei.
Daneben waren insbesondere die Rahmenbedingungen zu definieren, unter denen
die Technik angewendet werden darf. Zur Debatte stand in dieser Hinsicht, neben
dem Verbot der PID in Artikel 5 Absatz 3 des FMedG auch einige weiterführende
Bestimmungen, die damit im Zusammenhang stehen, zu ändern oder aufzuheben.
Mit Blick auf die international gängige medizinische Praxis der PID zählen dazu
namentlich das Verbot der Kryokonservierung von Embryonen in vitro (Art. 17 Abs.
3 FMedG), das Verbot, in einem Behandlungszyklus mehr als drei befruchtete
Eizellen zu Embryonen entwickeln zu lassen (Art. 17 Abs. 1 FMedG), sowie das im
Stammzellenforschungsgesetz (StFG)94) verankerte Verbot der Forschung an
Embryonen (Art. 3 Abs. 2 StFG). Im Zusammenhang mit der Diskussion um die
Aufhebung dieser Verbote wurde auch eine Änderung der einschlägigen
Verfassungsbestimmung, das heisst Artikel 119 BV und dort insbesondere der letzte
Teilsatz im Absatz 2 Buchstabe c, in Erwägung gezogen.
Trotz der Vorteile, die sich aus medizinischer Sicht für die Anwendung der PID aus
der Lockerung oder Aufhebung dieser Bestimmungen ergeben hätten, hält die
beantragte Regelung an ihnen ausnahmslos fest. Die Gründe hierfür sind dieselben
wie für die Definition des Anwendungsbereiches: einerseits das Ergebnis der
parlamentarischen Diskussion der zugrundeliegenden Motion, welches den
überwiegenden Willen aufzeigt, eine restriktive Regelung zu finden, sowie
andererseits das allgemeine Risiko- und Schadenspotenzial der Technik.
Form der behördlichen Kontrolle über die PID
Für die Aufsicht über die Veranlassung von PID-Verfahren standen verschiedene
Möglichkeiten offen, unterschiedliche Bewilligungsformen und Meldepflichten
miteinander zu verbinden:
93
94
36
-
Schärfere Regelung: Um eine umfassende Kontrolle mit dem Ziel des
bestmöglichen Embryonenschutzes zu gewährleisten, wäre es denkbar,
neben der generellen Bewilligung für Ärztinnen und Ärzte, zusätzlich eine
Einzelfallbewilligung für jedes einzelne PID-Verfahren einzuführen. Ziel
wäre die vorgängige behördliche Überprüfung, ob die im Einzelfall geltend
gemachte Indikation mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmt.
Aus Praktikabilitätserwägungen und aus Gründen der Verhältnismässigkeit
des staatlichen Eingriffs ist eine solche Einzelfallkontrolle aber als
übermässiger Eingriff in das Verfahren einzustufen. Der Embryonenschutz
und die Sicherheit des Verfahrens können auch mit der generellen
Bewilligungspflicht und dem vorgeschlagenen Meldewesen gewährleistet
werden.
-
Schwächere Regelung: Auf der anderen Seite war auch die Einführung einer
jährlichen Berichterstattung zu prüfen, ohne jegliche Bewilligung für die
Veranlassung einer PID. Unter Berücksichtigung der ethischen Brisanz und
04.3439.
Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über die Forschung an embryonalen Stammzellen,
SR 810.31.
der Missbrauchsgefahren bietet diese Lösung aber nicht genügend Gewähr
für die Einhaltung der Voraussetzungen und deren effiziente Kontrolle. Die
heikle Frage der zulässigen Indikation für die PID stellt sich nicht erst
anlässlich der genetischen Untersuchung im Laboratorium, sondern bereits
zu Beginn des Fortpflanzungsverfahrens, weshalb die staatliche Kontrolle
schon hier anzusetzen hat. Eine jährliche Berichterstattung oder (in Analogie
zu anderen genetischen Untersuchungen) gar keine Kontrolle der Indikation
für die Veranlassung der PID würde hier nicht ausreichen.
Darüber hinaus könnte auch der Zeitpunkt der Meldung verschieden gewählt
werden, beispielsweise vor Beginn des Verfahrens oder einmal jährlich. Die
vorgeschlagene Regelung (generelle Bewilligungspflicht für die Ärztinnen und
Ärzte, welche PID-Verfahren anbieten, mit der Pflicht, die Veranlassung einer PID
zum Zeitpunkt der Einwilligung des betroffenen Paares zu melden) erscheint als
sinnvoller
und
praktikabler
Mittelweg
zwischen
der
zusätzlichen
Einzelfallbewilligung und einer jährlichen Berichterstattung.
Als Bewilligungsinstanz ist das BAG vorgesehen. Würden die Bewilligungen durch
die kantonalen Behörden erteilt, so würden diese auch Aufsichtsfunktionen
übernehmen müssen und zu Adressaten der Meldungen der einzelnen PIDVerfahren. Auf diese Weise könnte die landesweit einheitliche Anwendung der –
auch ethisch – anspruchsvollen Indikationenregelung nicht gewährleistet werden.
Regelung der PID im GUMG oder im FMedG
Geprüft wurde ausserdem, ob die PID, bei der es ja um eine genetische
Untersuchung geht, im GUMG zu regeln sei. In Anbetracht der Tatsache, dass die
PID ausschliesslich im Rahmen von Fortpflanzungsverfahren zur Anwendung
kommt, erschien es sinnvoll und für die betroffene Ärzteschaft von Vorteil, die PID
im FMedG zu regeln, unter Berücksichtigung der aus genetischer Sicht zu
beachtenden Aspekte (Beratung, berufliche Anforderungen an veranlassende
Ärztinnen und Ärzte). Für die Laboratorien, welche ausschliesslich den genetischen
Teil durchführen, können – sofern nötig – dank einem in Artikel 8 eingefügten
Verweis auf das GUMG spezifische Anforderungen später auf Verordnungsstufe
festgelegt werden, entsprechend der Systematik des GUMG und der
konkretisierenden Verordnung95. Für die Regelung der PID im FMedG spricht auch
die Tatsache, dass Zweck des GUMG vor allem der Schutz der informationellen
Selbstbestimmung ist (vgl. Art. 119 Abs. 2 Bst. f BV), während beim FMedG der
Embryonenschutz im Vordergrund steht. Eben dieser gehört aber auch zu den
wesentlichen Zwecken der PID-Regelung.
Für die Regelung der PID im GUMG würde allenfalls sprechen, dass für die
Veranlassung der PID eine Bundesbewilligung eingeführt werden soll, analog zur
Aufsicht und Kontrolle im Bereich der genetischen Untersuchungen, welche bereits
gemäss GUMG dem BAG untersteht. Zudem regelt das GUMG auch bei anderen
genetischen Untersuchungen nicht nur die Aufgaben der genetischen Laboratorien,
sondern auch die Anforderungen an die veranlassenden Ärztinnen und Ärzte sowie
deren Pflichten, so dass sich die Regelung der Anforderungen an die Personen,
95
Verordnung vom 14. Februar über genetische Untersuchungen beim Menschen, GUMV,
SR 810.122.1.
37
welche eine PID veranlassen wollen, und deren Pflichten gut ins GUMG einfügen
liessen.
Diese verfahrens- und vollzugsrelevanten Argumente vermögen indessen die
sachliche Integration der PID in die Fortpflanzungsmedizin nicht anzufechten,
weshalb die Regelung im FMedG vorzuziehen ist.
1.6
Abstimmung von Aufgaben und Finanzen
Die jährlichen Kosten des Vollzugs belaufen sich auf 814 000 Franken (vgl. Ziff.
3.1.1). Darin enthalten sind die Aufwendungen für Aufsicht, Evaluation und
Unterstützung oder Förderung der Forschung. Eine strenge Aufsicht und umfassende
Evaluation sind unumgänglich, um den Schutz der Embryonen zu gewährleisten und
eine schleichende Ausweitung der zulässigen Indikationen zu verhindern (vgl. Ziff.
2.3). Da gesundheitsschädigende Langzeitfolgen der PID zum jetzigen Zeitpunkt
zwar nicht bekannt sind, aber auch nicht ausgeschlossen werden können, sind
diesbezügliche Forschungsprojekte vom Bund zu unterstützen. In diesem Sinne hält
auch die Organisationsverordnung des EDI (OV-EDI)96 fest, dass das BAG die
Wirkung rechtsetzender Massnahmen auf die Gesundheit überprüfen muss (vgl. Ziff.
2.3, Art. 14b). Angesichts der Bedeutung und Tragweite der Thematik erscheint der
Betrag von 814 000 Franken angemessen.
1.7
Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen
Recht
1.7.1
Rechtslage in anderen Ländern
Die rechtlichen Regelungen der PID in den verschiedenen Ländern widerspiegeln
die kontroversen Standpunkte in der ethischen Beurteilung ihrer Anwendung. So
sind die Regelungen zur PID mehrheitlich in Fortpflanzungsmedizingesetzen,
teilweise aber auch in Erlassen zur Embryonenforschung, zum Embryonenschutz
oder in generellen Gesundheitsgesetzen zu finden. Dabei ist nicht nur die
Regelungsdichte sehr unterschiedlich, auch inhaltlich sind mit Blick auf die
zulässigen Indikationen, die (Bewilligungs-)Verfahren und den Einbezug von
Behörden grosse Unterschiede festzustellen. Ein explizites Verbot der PID, analog
zu Artikel 5 Absatz 3 FMedG, kennt keines der in den Vergleich einbezogenen
Länder. Im folgenden Überblick wird unterschieden zwischen Ländern, in denen die
PID (mit oder ohne Regelung auf Gesetzesstufe) verboten ist, und Ländern, in denen
die PID erlaubt ist.
Länder mit PID-Verbot:
-
96
38
Deutschland: In Deutschland wird das Verbot der PID aus den Paragraphen
2 und 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 1990 zum Schutz von Embryonen
abgeleitet. § 2 verbietet u.a. die Verwendung von menschlichen Embryonen
zu einem Zweck, der nicht ihrer Erhaltung dient, während § 6 das Klonen
menschlicher Embryonen verbietet (die Verbindung des Wortlauts von § 6
Organisationsverordnung vom 28. Juni 2000 für das Eidgenössische Departement des
Innern, SR 172.212.1.
mit der gesetzlichen Definition des Embryos in § 8 lässt das Abtrennen einer
Zelle von einem Embryo im Achtzellstadium als verbotenes Klonen
erscheinen). Vergleichbar mit der Dreierregel in der Schweiz dürfen in
Deutschland nicht mehr Eizellen befruchtet werden, als innerhalb eines
Zyklus übertragen werden sollen, wobei die Maximalzahl der zu
übertragenden Embryonen auf drei festgelegt ist.
-
Italien: Das neue Fortpflanzungsmedizingesetz aus dem Jahr 2004 lässt
schon in seinem Zweckartikel (Art. 1) die Techniken der
Fortpflanzungsmedizin nur für den Fall zu, der Unfruchtbarkeit eines Paares
Abhilfe zu schaffen. Ausserdem ist einerseits gemäss Artikel 13 jegliche
Intervention, die mittels Selektion oder anderer Techniken genetische
Charakteristiken vorausbestimmen will, verboten (Ausnahme: zu
diagnostischen oder therapeutischen Zwecken), während zugleich die
Kryokonservierung und die Vernichtung von Embryonen verboten sind. Die
ausführende Richtlinie vom 11. April 2008 präzisiert einerseits, dass jegliche
PID zu eugenischen Zwecken verboten sei, und stellt anderseits schwere,
durch Geschlechtsverkehr übertragbare Krankheiten (AIDS, Hepatitis B und
C) der Unfruchtbarkeit gleich, wodurch bei diesen Krankheiten eine PID
erlaubt wird. Nicht erlaubt ist indessen weiterhin die Durchführung eines
Fortpflanzungsverfahrens (und somit einer PID) zur Verhinderung der
Übertragung einer genetisch bedingten Krankheit.
Vor 2004 war die PID in Italien zumindest in privaten Kliniken erlaubt und
wurde auch durchgeführt. Unter dem heutigen Verbot dürfen dort, wie auch
in der Schweiz, pro Fortpflanzungszyklus höchstens drei Embryonen
entwickelt werden.
-
Österreich: Gemäss § 2 des Fortpflanzungsmedizingesetzes aus dem Jahr
1992 sind in Österreich die Verfahren der medizinisch unterstützten
Fortpflanzung nur dann zulässig, wenn keine andere Möglichkeit zur
Herbeiführung einer Schwangerschaft besteht oder wenn die Herbeiführung
einer Schwangerschaft ohne medizinisch unterstützte Fortpflanzung die
Gefahr der Übertragung einer schweren Infektionskrankheit mit sich bringt,
nicht aber zur Verhinderung der Übertragung einer genetisch bedingten
Krankheit. Dies schliesst die Durchführung einer PID aus. Das PID-Verbot
wird aber auch aus § 9 des Gesetzes abgeleitet, welcher die Behandlung und
Untersuchung von «entwicklungsfähigen Zellen» (darunter fallen
befruchtete Eizellen und daraus entwickelte Zellen) nur insoweit zulässt, als
dies zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist.
Länder ohne gesetzliche Regelung der PID:
-
Irland: In Irland besteht weder eine Regelung der PID noch eine Regelung
der
medizinisch
unterstützten
Fortpflanzung.
Öffentliche
Gesundheitseinrichtungen bieten weder das eine noch das andere an. Auf
privater Basis gibt es einzelne IVF-Kliniken; die PID wird hingegen nicht
durchgeführt, insbesondere wegen der offenen Frage, ob und wie weit sich
der verfassungsrechtliche Schutz Ungeborener auch auf Embryonen in vitro
erstreckt.
-
Luxemburg: Die PID ist in Luxemburg nicht gesetzlich geregelt. Es besteht
nur ein einziges Zentrum für medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Dessen
39
Betriebsbewilligung präzisiert, dass die PID nicht unter die bewilligten
Tätigkeiten fällt, weshalb in Luxemburg keine PID durchgeführt werden
kann.
Länder, in denen die PID gesetzlich erlaubt ist:
40
-
Belgien: Das belgische Fortpflanzungsmedizingesetz vom 6. Juli 2007
verbietet bei Fortpflanzungsverfahren eugenische Beweggründe; diese
werden umschrieben als «ausgelegt auf die Selektion oder die Vermehrung
nicht pathologischer genetischer Eigenschaften». Daneben verbietet das
Gesetz
die
Geschlechtsselektion,
ausser
zur
Verhinderung
geschlechtsbedingter Krankheiten. Für sogenanntes «social sexing» ist
demzufolge die PID in Belgien verboten, während es im Übrigen den
einzelnen Zentren obliegt zu entscheiden, bei welchen pathologisch
relevanten Indikationen sie eine PID anbieten wollen (AneuploidieScreenings, HLA-Typisierung etc.). Lehnt ein Zentrum die Durchführung
einer PID ab, so muss es dies schriftlich begründen. Zentren, die IVFVerfahren anbieten, unterstehen einer Bewilligungspflicht und müssen
betreffend Einrichtungen und Qualifikation von Leitung und Personal
bestimmte Anforderungen erfüllen sowie regelmässig über ihre Tätigkeit
Bericht erstatten. Die PID wird zurzeit in sechs Zentren angeboten, wovon
vier an Universitätskliniken und eines an einem Bezirkskrankenhaus
angesiedelt sind und eines unter privater Trägerschaft steht. Ein weiteres
privates Zentrum bietet Aneuploidie-Abklärungen an, jedoch keine
molekulargenetischen
Untersuchungen.
Gemäss
Fortpflanzungsmedizingesetz bestimmt die Ausführungsgesetzgebung die
Anzahl der PID-Zentren; es müssen aber mindestens acht sein.
-
Dänemark: Das Fortpflanzungsmedizingesetz aus dem Jahr 1997 lässt die
PID zunächst in den Fällen zu, in denen für das Kind ein bekanntes und
wesentlich erhöhtes Risiko einer schweren erblichen Krankheit besteht.
Ebenfalls erlaubt ist sie im Rahmen einer durch Unfruchtbarkeit indizierten
IVF, wenn dadurch eine schwere Chromosomenanomalie festgestellt oder
ausgeschlossen werden kann. Gemäss Gesetzesänderung aus dem Jahr 2004
kann das «National Board of Health» im Einzelfall auch die HLATypisierung erlauben, wenn dadurch die Behandlung eines an einer
lebensbedrohenden Krankheit leidenden Geschwisters ermöglicht wird. Bis
anhin wird indessen die PID in Dänemark nur im Rahmen von
Forschungsprotokollen durchgeführt.
-
Frankreich: Frankreich regelt die PID im Gesundheitsgesetz (Code de la
santé publique) bei den Bestimmungen zum Schutz des Kindes. Eingeführt
wurden die einschlägigen Normen im Jahr 1994 im Rahmen von zwei
Bioethikgesetzen (Lois relatives à la bioéthique), wobei das eine das
bürgerliche Gesetzbuch änderte, das andere das Gesundheitsgesetz. Nicht
nur die Zentren als solche müssen gemäss Gesetz über eine Bewilligung
verfügen und die entsprechenden Anforderungen erfüllen, sondern auch die
beteiligten Ärztinnen und Ärzte, Biologinnen und Biologen sowie
Genetikerinnen und Genetiker müssen persönlich für die Durchführung
lizenziert sein. Darüber hinaus sind die Zentren gegenüber der zuständigen
nationalen Behörde zur jährlichen Berichterstattung verpflichtet.
Das Gesetz schreibt vor, dass die PID nur durchgeführt werden darf, wenn
ein die gesetzlichen Anforderungen erfüllender Arzt bezeugt, dass das
betroffene Paar – gestützt auf die familiäre Situation – mit grosser
Wahrscheinlichkeit ein Kind zur Welt bringen würde, welches von einer
besonders schweren und zum Zeitpunkt der Diagnose unheilbaren
genetischen Erkrankung betroffen wäre. Der Gesetzgeber bestimmt dabei
nicht näher, was unter einer solchen Erkrankung zu verstehen ist, so dass es
den Zentren überlassen bleibt, dieses Kriterium zu konkretisieren. Des
Weiteren ist die PID nur erlaubt, wenn entweder bei einem Elternteil selbst
oder (im Falle einer schwer behindernden Krankheit, die erst später
ausbricht und die Lebenserwartung vorzeitig beeinträchtigt) bei einem
unmittelbaren Vorfahren die für die Krankheit verantwortliche Anomalie im
Voraus und eindeutig festgestellt wurde. Diese Formulierung lässt es zu,
dass Paare, die wissen, dass in ihrer Familie eine bestimmte spät
manifestierende genetische Belastung vorliegt, eine PID durchführen
können, ohne erfahren zu müssen, ob sie selber Träger sind. Nur in
Ausnahmefällen (d.h. abhängig von einer Einzelfallbewilligung der
zuständigen nationalen Behörde) und vorläufig nur versuchsweise erlaubt
das Gesetz die PID mit dem Ziel der HLA-Typisierung, um später für die
Therapie eines bereits geborenen, kranken Kindes Blutstammzellen zur
Verfügung zu haben. Nicht erlaubt ist hingegen das genetische Screening der
zu transferierenden Embryonen auf spontan entstandene Aneuploidien,
beispielsweise bei Frauen ab 35 Jahren.
In Frankreich wird die PID in drei Zentren durchgeführt (Paris, Montpellier
und Strassburg, jeweils angegliedert an Universitätskliniken). Die Zentren
bieten alle einen Grundstock an durchgeführten Diagnosen, neben welchem
jedes Zentrum seine eigenen Spezialitäten anbietet. Die betroffenen Paare
werden in diesen Fällen dem entsprechenden Zentrum zugewiesen.
-
Niederlande: Die holländische Regelung zur PID basiert einerseits auf dem
Embryogesetz («embryo wet») aus dem Jahr 2002, anderseits auf einzelnen
Erlassen niedrigerer Stufe (u.a. Planungsbeschluss zur IVF aus dem Jahr
2000 sowie Planungsbeschluss zu klinisch-genetischen Untersuchungen und
Beratung bei Erbkrankheiten aus dem Jahr 2003). Die Planungsbeschlüsse
stützen sich auf das Gesetz über besondere medizinische Verrichtungen aus
dem Jahr 1997.
Das Embryogesetz enthält unter anderem Verbote zu Vorgängen wie Klon-,
Hybriden- und Chimärenbildung, und es verbietet die Auswahl von
Embryonen gestützt auf deren Geschlecht («social sexing»), ausser wenn
dadurch die Weitergabe einer schweren geschlechtsgebundenen
Erbkrankheit verhindert wird.
Das Gesetz über besondere medizinische Verrichtungen ermächtigt den
Staat, spezialisierte medizinische Tätigkeiten nur in einer eingeschränkten
Anzahl Zentren zu bewilligen. Der ausführende Planungsbeschluss zu den
klinisch-genetischen Untersuchungen hält fest, dass zunächst nur ein
Zentrum (Maastricht) die PID durchführen und dass maximal eine weitere
Bewilligung erteilt werden darf.
Der Planungsbeschluss zu klinisch-genetischen Untersuchungen hält mit
Blick auf die Indikationen fest, dass eine PID grundsätzlich dann indiziert
41
sein kann, wenn das Paar ein individuell erhöhtes Risiko auf Nachkommen
mit einer schwerwiegenden Erbkrankheit hat. Was als «schwerwiegende
Erbkrankheit» gelten kann, wird nicht weiter definiert und somit dem
ausführenden Zentrum überlassen. Die PID mit dem Ziel der HLATypisierung für ein krankes Geschwister ist verboten.
Die numerische Beurteilung des genetischen Materials zum Ausschluss von
Aneuploidien ist in den Niederlanden bislang nur im Rahmen von
Forschungsprojekten erlaubt. Vier Zentren haben entsprechende Protokolle
ausgearbeitet und führen die Untersuchungen durch.
97
42
-
Norwegen: Das norwegische Gesetz zur Anwendung der Biotechnologie trat
am 1. Januar 2004 in Kraft. Seit dem 1. Januar 2008 gelten revidierte
Bestimmungen, gemäss welchen die PID nicht mehr nur bei geschlechtsgebundenen Krankheiten erlaubt ist, sondern auch bei monogenetischen oder
chromosomal bedingten Erbkrankheiten, wenn einer oder beide Partner
erkrankt oder Träger sind und ein hohes Risiko besteht, die Krankheit auf
das Kind zu übertragen, sowie für eine HLA-Typisierung zur Auswahl eines
immunkompatiblen Embryos. Ausserdem hat Norwegen neu eine Behörde
eingeführt, welche jeden Einzelfall beurteilt und entscheidet, ob die PID
durchgeführt werden darf. Wird im Einzelfall die von der Behörde erlaubte
Untersuchung in Norwegen nicht angeboten, verweist die Behörde das
betroffene Paar an eine Institution im Ausland, welche die Untersuchung
durchführt, wobei die Kosten der Durchführung im Ausland dem Paar
erstattet werden.97
-
Portugal: Am 26. Juni 2006 hat das portugiesische Parlament das neue
Fortpflanzungsmedizingesetz verabschiedet. Dieses regelt auch die PID.
Verboten ist danach die PID zur Auswahl des Geschlechts, wenn diese nicht
aus Gründen der Verhinderung einer geschlechtsgebundenen genetischen
Krankheit durchgeführt wird, sowie die Anwendung der PID bei
multifaktoriell bedingten Krankheiten, bei denen der prädiktive Wert des
Tests sehr niedrig ist. Ansonsten ist die PID zulässig, sofern es dabei nicht
um die Verbesserung nichtmedizinischer Eigenschaften des Embryos geht.
Das bedeutet, dass die PID sowohl für übertragbare schwere genetische
Krankheiten als auch für Aneuploidie-Screenings zugelassen ist. Artikel 29
bestimmt zudem, dass das Risiko der Übertragung auf die Nachkommen
hoch sein muss, und der vom selben Gesetz eingeführte Nationale Rat der
medizinisch unterstützten Fortpflanzung muss die zu diagnostizierende
Krankheit als schwer eingestuft haben. Die PID ist zusätzlich im
Zusammenhang mit einer HLA-Typisierung ausdrücklich erlaubt.
Ausserdem gibt das Gesetz vor, dass IVF-Zentren, die eine PID anbieten,
über
multidisziplinäre
Teams
verfügen
(Spezialisten
der
Reproduktionsmedizin,
Embryologen,
medizinische
Genetiker,
Zytogenetiker und Molekulargenetiker) oder sich mit solchen verbinden
Vor der Gesetzesänderung war es üblich, die PID im Ausland durchzuführen, namentlich
aus gesundheitsökonomischen Gründen: gemäss der staatlichen Gesundheitsbehörde sei
es für die seltenen Fälle nicht nötig, «ein derart ressourcenintensives Angebot an hoch
technologisierter Diagnostik aufzubauen» (zitiert im Sachstandsbericht
Präimplantationsdiagnostik des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung, Drucksache 15/3500 des Deutschen Bundestages, S. 53).
müssen. Die Zentren benötigen eine Bewilligung der zuständigen staatlichen
Behörde.
-
Schweden: Das neue Gesetz vom 18. Mai 2006 über «genetisk integritet»
beinhaltet auch eine Regelung der PID. Diese ist zulässig, wenn der Mann
oder die Frau Träger einer schweren monogenen oder chromosomalen
Erbkrankheit ist, welche mit sich bringt, dass für das Kind ein hohes Risiko
für eine genetische Krankheit oder Schädigung besteht. Besondere Gründe
und gestützt darauf eine Einzelfallbewilligung der Gesundheitsbehörde sind
nötig für die Durchführung einer PID mit HLA-Typisierung mit dem Ziel
der späteren Blutstammzellspende für ein schwer krankes Geschwister.
-
Spanien: Das neue Fortpflanzungsmedizingesetz vom 26. Mai 2006 erlaubt
die PID erstens zur Erkennung von schweren genetischen Krankheiten,
welche frühzeitig auftreten und nach geltendem Stand der Wissenschaft
nachgeburtlich nicht therapierbar sind. Zweitens darf sie auch zur
Erkennung anderer Beeinträchtigungen durchgeführt werden, welche die
Lebensfähigkeit der Embryonen beeinflussen können. Das durchführende
Zentrum untersteht der Bewilligungspflicht und muss die durchgeführten
PID der zuständigen Gesundheitsbehörde melden. Die Beurteilung, ob die
Indikation zur Durchführung der PID im Einzelfall gegeben ist, nehmen die
Zentren selber vor. Die ebenfalls zulässige Durchführung einer PID mit
HLA-Typisierung zu therapeutischen Zwecken für Dritte untersteht
hingegen der Einzelfallbewilligung durch die Behörde, wobei auch die
positive Stellungnahme der Nationalen Kommission für die unterstützte
Fortpflanzung nötig ist. Von öffentlicher Seite her (Sistema Nacional de
Salud) wird die PID nur in Sevilla angeboten. Bei den zahlreichen anderen
Kliniken, die IVF-Verfahren mit PID anbieten, handelt es sich um private
Einrichtungen. In Spanien wird die PID seit vielen Jahren angeboten und es
werden viele Paare aus anderen Ländern behandelt, die nur für die
Durchführung der PID nach Spanien reisen.
-
Vereinigtes Königreich: Das englische Gesetz («Human Fertilisation and
Embryology Act, HFE-Act», 1990) erwähnt die PID nicht. Diese fällt aber
als ein Verfahren, welches «gewährleistet, dass Embryonen in einem
entsprechenden Zustand sind, dass sie in eine Frau übertragen werden
können oder die Abklärung, ob Embryonen diesen Voraussetzungen
entsprechen» unter Schedule 2, Paragraph 1 des Gesetzes und somit in den
Aufgabenbereich der HFE-Authority, welche den Dreh- und Angelpunkt des
britischen Systems darstellt. Sie erteilt unter anderem den Zentren, welche
eine PID durchführen wollen, die Bewilligung, formuliert aber auch
einschlägige Richtlinien, überwacht deren Einhaltung und berät die
Regierung. Nach Gesetz ist innerhalb einer 14-Tage-Frist nach der
Befruchtung die Forschung am Embryo erlaubt, wodurch indirekt auch der
Umgang mit den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin vergleichsweise
liberal geregelt ist. Die HFE-Authority hat nur das «social sexing» verboten;
ansonsten ist die Diagnose und Selektion von Embryonen vor dem Transfer
in den Uterus grundsätzlich erlaubt und nicht auf bestimmte Indikationen
eingeschränkt. Im Gegensatz zu Belgien erteilt die HFE-Authority den
Zentren keine generelle Bewilligung zur Durchführung der PID, sondern
eine Typenbewilligung für jede neue Indikation. Ausserdem legt das
britische System im Entscheidprozess ein besonderes Gewicht auf die
43
subjektive Wahrnehmung des Risikos durch das betroffene Paar, so dass die
Durchführung einer PID immer eine Einzelfallentscheidung darstellt. Die
PID wird im Vereinigten Königreich in neun Zentren (darunter vier private)
durchgeführt, wobei sich fünf in London befinden.
-
Vereinigte Staaten: Auf bundesstaatlicher Ebene existieren in den USA
keine Regeln zur PID. Nur sehr wenige Gliedstaaten kennen diesbezüglich
ein Verbot; in allen übrigen Staaten wird die PID sehr liberal gehandhabt.
Eine publizierte Umfrage bei den amerikanischen IVF-Kliniken98 ergab,
dass knapp drei Viertel der IVF-Kliniken auch die Durchführung einer PID
anbieten. «Social sexing» ist in den USA erlaubt, und heute werden etwa
10% aller PID mit diesem Ziel durchgeführt.
1.7.2
Verhältnis zum europäischen Recht
Europarat
Die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)99 gehen in der
Regel nicht über die in der Bundesverfassung gewährleisteten Grundrechte hinaus.
Dies trifft namentlich auf die im vorliegenden Zusammenhang relevanten
Grundrechtsgehalte zu (vgl. Ziff. 1.4.1). Da die Bestimmungen des vorliegenden
Gesetzesentwurfes mit den Grundrechten der Bundesverfassung übereinstimmen,
genügen sie auch den Anforderungen der EMRK.
Die Bioethikkonvention des Europarates100 ist das erste Instrument auf
internationaler Ebene, das für die Anwendung der Medizin und die biomedizinische
Forschung verbindliche Regelungen vorsieht. Die eidgenössischen Räte haben in der
Frühlingssession 2008 ihre Ratifizierung gutgeheissen, die Referendumsfrist ist
unbenützt abgelaufen und die Konvention wird in der Schweiz am 1. November
2008 in Kraft treten.101 Im Kapitel IV äussert sie sich zum menschlichen Genom:
Artikel 14 verbietet die Anwendung von Verfahren der medizinisch unterstützten
Fortpflanzung mit dem Ziel, das Geschlecht des künftigen Kindes zu wählen, es sei
denn, um eine schwere, geschlechtsgebundene erbliche Krankheit zu vermeiden.
Das bislang geltende Verbot der PID ist demzufolge strenger als die Anforderungen
des Übereinkommens.102 Im Weiteren gilt gemäss Artikel 12 der Konvention der
Grundsatz, dass prädiktive genetische Untersuchungen nur für medizinische Zwecke
oder für medizinische wissenschaftliche Forschung und nur unter der Voraussetzung
einer angemessenen genetischen Beratung vorgenommen werden dürfen. Auch hier
entspricht die vorgeschlagene Änderung des FMedG den Anforderungen der
Konvention. Weitere Einschränkungen im Hinblick auf andere Indikationen oder mit
Blick auf das Verfahren sind dem Übereinkommen nicht zu entnehmen.
98
S. Baruch et al., Genetic testing of embryos: practices and perspectives of U.S. IVF
clinics, Fertility and Sterility, published Online September 2006.
99
Europäische Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101).
100 Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997
(Bioethikkonvention).
101 BBl 2008 2341
102 Botschaft zur Bioethikkonvention, BBl 2002 271, Ziff. 3.5.4.
44
Am 7. Mai 2008 hat das Ministerkomitee ein Zusatzprotokoll zur
Bioethikkonvention über genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken
verabschiedet. Es schliesst genetische Untersuchungen an Embryonen von seinem
Geltungsbereich aus.
Der Ratgeber des Europarates über die Sicherheit und die Qualitätssicherung von
Organen, Geweben und Zellen betrifft nur transplantationsrelevante Tätigkeiten und
ist im Bereich der Fortpflanzungsmedizin nicht anwendbar.
Europäische Union
Der Umgang mit Keimzellen und Embryonen ist auf EU-Ebene zusammen mit dem
Umgang mit Geweben und Zellen relativ detailliert geregelt. Die Richtlinie
2004/23/EG103 regelt die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung,
Konservierung, Lagerung und Verteilung von zur Verwendung beim Menschen
bestimmten menschlichen Geweben und Zellen sowie von Produkten, die aus diesen
Geweben und Zellen hergestellt werden. Sie legt Qualitäts- und Sicherheitsstandards
fest, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Technische
Ausführungsvorschriften finden sich in den Richtlinien 2006/17/EG104 und
2006/86/EG105. Obwohl die Normen hauptsächlich auf die Transplantationsmedizin
ausgerichtet sind, umfasst ihr Geltungsbereich auch den Umgang mit Keimzellen;
gemäss Definition in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 2006/17/EG sind dies
«alle Gewebe und Zellen, die für die Verwendung zur assistierten Reproduktion
bestimmt sind». Die Ausführungsvorschriften verlangen unter anderem ein
Bewilligungssystem für Gewebeeinrichtungen (Gewebebanken und weitere
Einrichtungen, die Gewebe und Zellen beschaffen, verarbeiten, testen, konservieren
usw.) und Standardarbeitsanweisungen (SOP) mit Blick auf die Entnahme,
Verpackung, Kennzeichnung und Beförderung der Zellen. Sie legen die
vorzunehmenden Labortests fest (Ausnahme: Partnerspenden von Keimzellen, die
nicht in eine Gewebebank aufgenommen, sondern direkt verwendet werden), stellen
Anforderungen an die Qualifikation der beteiligten Personen und an die
Einrichtungen und Räumlichkeiten. Ausserdem fordern sie ein Qualitätsmanagementsystem und ein Meldesystem für schwerwiegende Zwischenfälle und
schwerwiegende unerwünschte Reaktionen. Die Rückverfolgbarkeit der Gewebe
und Zellen ist zu gewährleisten, und die Einrichtungen sind zur jährlichen
Berichterstattung verpflichtet. Die Umsetzung dieser Normen betrifft nicht
103
Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004,
zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung,
Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen
Geweben und Zellen (Amtsblatt der Europäischen Union L 102 vom 7. April 2004, S.
48).
104 Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8. Februar 2006, zur Durchführung der
Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich
technischer Vorschriften für die Spende, Beschaffung und Testung von menschlichen
Geweben und Zellen (Amtsblatt der Europäischen Union L 38 vom 9. Februar 2006, S.
38).
105 Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der
Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der
Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle
und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die
Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen
Geweben und Zellen (Amtsblatt der Europäischen Union L 294 vom 25. Oktober 2006, S.
32).
45
spezifisch die PID, sondern das Fortpflanzungsverfahren als solches und übersteigt
die für die Zulassung der PID notwendigen Revisionsarbeiten. Sie kann aber bei
Bedarf im Zuge der PID-bedingten Anpassung der Fortpflanzungsmedizinverordnung vom 4. Dezember 2000106 (FMedV) durchgeführt werden, indem der Bundesrat die Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Artikel 14 des Gesetzes entsprechend ergänzt.
1.8
Umsetzung
Zuständigkeiten
Um bei der heiklen Frage der Indikation für eine PID einen landesweit einheitlichen
Vollzug zu gewährleisten, ist für die Umsetzung der neuen Regelung das BAG
zuständig. Für die Bewilligung der Laboratorien, welche genetische Untersuchungen
durchführen, ist das BAG schon heute gestützt auf das GUMG verantwortlich; es
besteht kein Grund, hiervon für Laboratorien, welche im Rahmen der PID die
genetische Untersuchung durchführen, abzuweichen. Für die Bewilligung der
Veranlassung von PID-Verfahren wird neu ebenfalls das BAG zuständig sein, so
dass der gesamte PID-relevante Teil des Vollzugs des FMedG beim BAG liegt. Die
Zulassung der PID ändert hingegen nichts an den Zuständigkeiten für die bisher
anfallenden hoheitlichen Aufgaben (kantonale Bewilligungsbehörden für die
Anwendung von Fortpflanzungsverfahren, Einbezug des Bundesamtes für Statistik
im Hinblick auf die Auswertung und Veröffentlichung der Daten und des
Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen für die Datenübermittlung bei der
Samenspende).
Verordnungsrecht
Für die Laboratorien, welche genetische Untersuchungen im Rahmen einer PID
durchführen, wird der Bundesrat die im Vergleich zu anderen Laboratorien
spezifischen Anforderungen gestützt auf Artikel 8 Absatz 2 GUMG in der GUMV
regeln. Details zu diesen Anforderungen stehen noch nicht fest. Die restlichen
Ausführungsbestimmungen wird der Bundesrat in die FMedV einfügen. Dabei
handelt es sich gemäss Artikel 14 und 14a Absatz 5 FMedG um
Ausführungsbestimmungen über Erteilung und Entzug der Bewilligung, Pflichten
der Inhaberinnen und Inhaber von Bewilligungen sowie über Evaluation und
Aufsicht.
Inspektionen
Es ist davon auszugehen, dass das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic)
mit der Inspektion der voraussichtlich fünf bis zehn Fortpflanzungskliniken betraut
wird, welche PID-Verfahren veranlassen.
Die Inspektion der Laboratorien, welche die genetischen Untersuchungen im
Rahmen der PID durchführen, hat hingegen für die Bundesverwaltung bzw.
Swissmedic keinen Mehraufwand zur Folge, weil diese Laboratorien unter den
Anwendungsbereich des GUMG fallen und ihre Kontrolle bereits geregelt ist. Dabei
106
46
SR 810.112.2
ist zu beachten, dass nur wenige Laboratorien diese äusserst anspruchsvolle
Dienstleistung anbieten werden, und dass diese Laboratorien mehrheitlich über eine
Akkreditierung der Schweizerischen Akkreditierungsstelle (SAS) verfügen. Deren
Nachkontrollen ersetzen im akkreditierten Bereich die periodischen Inspektionen
von Swissmedic.
Evaluation des Vollzugs
Artikel 14a sieht die Evaluation der Wirkungen der PID-Regelung vor. Hierzu wird
auf die Ausführungen unter Ziffer 2.3 (Evaluation) und unter Ziffer 3.1.1
(Auswirkungen auf den Bund) verwiesen.
1.9
Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Durch die Revision des FMedG kann die Motion zur Zulassung der
Präimplantationsdiagnostik (N 16.6.05, Kommission für Wissenschaft, Bildung und
Kultur NR 04.423; S 13.12.05) abgeschrieben werden.
2
Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln
2.1
Zulässigkeit der Verfahren (Art. 5 und 5a)
Art. 5
Anwendung von Fortpflanzungsverfahren
Dieser Artikel benennt die Voraussetzungen, unter denen die Anwendung von
Fortpflanzungsverfahren zulässig ist. Die Zulassung der PID anstelle des bisherigen
Verbotes im bestehenden Artikel 5 Absatz 3 führt im Interesse der Übersichtlichkeit
und Klarheit zu einer Auftrennung des bisherigen Artikels 5 in zwei Artikel 5 und 5a
sowie zur Anpassung der Überschriften.
Artikel 5 legt in Einklang mit Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe c BV die beiden
Zweckbestimmungen fest, zu deren Verfolgung ein Fortpflanzungsverfahren
angewandt werden darf. Nach Buchstabe a ist dies die Überwindung der
Unfruchtbarkeit eines Paares; nach Buchstabe b die Abwendung der Gefahr, dass
eine schwere Krankheit übertragen wird. Eine inhaltlich relevante Änderung besteht
einzig darin, dass die Neuregelung darauf verzichtet zu verlangen, dass die schwere
genetische Krankheit «unheilbar» sein muss. Genetische Krankheiten sind ohnehin
praktisch niemals im strengen Sinne ursächlich heilbar, so dass die Unheilbarkeit in
diesem Zusammenhang irrelevant ist und nicht als Kriterium dienen kann, um
legitime von unzulässigen Indikationen zu unterscheiden. Ein solches Kriterium
wäre aber auch sachlich unrichtig. Denn zu den legitimen Indikationen sollen auch
Krankheiten gehören können, die zwar grundsätzlich heilbar oder behandelbar sind,
deren Therapie aber nicht zweckmässig ist, weil sie mit unzumutbaren Belastungen
verbunden wäre.107 Mit der Streichung ändert sich im Übrigen nichts an der
Verfassungskonformität der Bestimmung, weil auch Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe
c BV einzig von einer «schweren» Krankheit spricht, nicht von einer «unheilbaren».
107
Vgl. die Meinung der NEK-CNE im Hinblick auf Hämophilie; siehe NEK-CNE,
Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 50 und 52.
47
Art. 5a
Untersuchung des Erbguts von Keimzellen oder von Embryonen in
vitro und deren Auswahl
Absatz 1 bezeichnet wie bisher Artikel 5 Absatz 2 die Voraussetzung, unter der die
Untersuchung des Erbgutes von Keimzellen und deren Auswahl zulässig ist. Dabei
wurde der Wortlaut der Regelung gegenüber der bisherigen Formulierung aus
systematischen Gründen geringfügig dem nachfolgenden Absatz 2 angeglichen.
Diese Neuformulierung hat keine inhaltlichen Konsequenzen. Darüber hinaus
wurden zwei inhaltliche Änderungen vorgenommen; zum einen die Streichung der
Unheilbarkeit der Krankheit als Erfordernis analog zur selben Streichung in Artikel
5. Ausserdem wurde ergänzt, dass die Gefahr in der Übertragung der Veranlagung
für eine schwere Krankheit bestehen muss. Die Beschreibung ist so sachgerechter.
Denn mit den genetischen Untersuchungen, die hier und im folgenden Absatz 2
geregelt werden, können keine manifesten Krankheiten diagnostiziert werden; weder
Keimzellen noch Embryonen in vitro sind krank. Das Untersuchungsergebnis kann
nur in der Feststellung bestehen, ob eine bestimmte genetische Konstitution, die mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit später zu einer Krankheit führen wird, vorliegt
oder nicht.
Absatz 2 definiert sodann anstelle des bisherigen Verbotes die
Zulässigkeitsvoraussetzungen der PID und stellt damit das Herzstück der
Neuregelung dar.
Buchstabe a beinhaltet die Grundregelung, dass die PID nur dann erlaubt ist, wenn
die konkrete Gefahr nicht anders abgewendet werden kann, dass sich ein Embryo
mit der Veranlagung für eine schwere Krankheit in der Gebärmutter der Frau
einnistet. Durch die Einnistung eines Embryos und somit die spätere Geburt eines
Kindes mit der Veranlagung für eine schwere Krankheit würde das betroffene Paar
in eine unzumutbare Belastungssituation geraten. Dabei ist nicht allein an die
seelische Belastung zu denken, die mit einer solchen Elternschaft verbunden sein
kann, sondern insbesondere auch an die grossen Einschränkungen und
Beanspruchungen, die die Eltern zumindest in den ersten Lebensjahren des Kindes
überwiegend allein zu tragen haben. Der Wunsch der Eltern, eine solche Situation
möglichst zu vermeiden, wird grundsätzlich als Legitimation für die PID und die
Hinnahme ihrer Gefahren und Nachteile anerkannt.
Das Gesetz folgt damit in gewissem Umfang der Vorgabe von Artikel 119 StGB108 ,
der den Schwangerschaftsabbruch straflos stellt, wenn die Mutter durch die
Schwangerschaft in eine schwere Notlage zu geraten droht. Beide Regeln tragen
dem vergleichbaren Status von Embryonen und Föten Rechnung, der darin besteht,
grundsätzlich an der Menschenwürde teilzuhaben und damit beliebiger
Verfügbarkeit enthoben zu sein (vgl. Ziff. 1.4.1, Menschenwürde), gleichwohl aber
die Abwägung gegen konkurrierende vitale Interessen in bestimmten
dilemmatischen Situationen zuzulassen. Gleichzeitig vermeidet diese Orientierung
an der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch und damit an den Interessen der
Eltern jede Aussage über die Lebensqualität des späteren Kindes und damit über den
Wert seines Lebens.
Die Gefahr, vor der die Eltern zu schützen sind, wird von der Regelung damit
bezeichnet, dass sich ein Embryo mit der Veranlagung für eine schwere Krankheit in
die Gebärmutter der Frau einnistet. Damit ist genau und sachgerecht der Zweck des
108
48
SR 311.0
Fortpflanzungsverfahrens in diesem Fall benannt, nämlich nach der Befruchtung der
Eizelle, das heisst der Entstehung des Embryos, aber vor Beginn der
Schwangerschaft in den Fortpflanzungsprozess derart einzugreifen, dass die weitere
Entwicklung eines genetisch belasteten Embryos verhindert wird. Dies im
Unterschied zu den Verfahren mit Untersuchung des Erbguts von Keimzellen, bei
welchen verhindert wird, dass überhaupt ein belasteter Embryo entsteht. Daneben ist
durch diese Benennung der Gefahr als ‹Einnistung eines Embryos mit der
Veranlagung für eine schwere Krankheit› zugleich zum Ausdruck gebracht und
anerkannt, dass die Möglichkeit einer ‹Schwangerschaft auf Probe›, also der
natürlichen Zeugung mit anschliessender pränataler Untersuchung und unter
Umständen darauf folgendem Schwangerschaftsabbruch, keine zumutbare
Alternative darstellt. Auch der Verzicht auf ein leibliches Kind ist im Übrigen,
gleich wie bei der Anwendung von Fortpflanzungsverfahren zur Überwindung der
Fruchtbarkeit, keine zumutbare Alternative.
Weiter impliziert Buchstabe a, dass die unzumutbare Situation der Eltern durch eine
«Krankheit», für die der sich einnistende Embryo die Veranlagung trägt,
hervorgerufen sein muss. Diese Forderung verlangt in erster Linie, dass die
Anwendung der PID zunächst in Zusammenhang mit einer zu verhindernden
Krankheit zu stehen hat. Alle Anwendungsmöglichkeiten, die keinen Bezug zu einer
genetischen Krankheit des zu zeugenden Kindes aufweisen können, sind demnach
verboten, namentlich zur Auswahl eines passenden Gewebespenders, zur
Geschlechtswahl ohne Krankheitsbezug oder zur positiven Selektion einer Anomalie
(vgl. Ziff. 1.2.4.4-1.2.4.6).
Darüber hinaus bestimmt Buchstabe a, dass die befürchtete Krankheit «schwer» sein
muss. Geringfügige gesundheitliche Einschränkungen können nicht Ursache einer
unzumutbaren Belastungssituation sein und somit auch nicht die Gefährdung und
Selektion von Embryonen im Rahmen einer PID rechtfertigen.
Freilich ist die allgemeine Einschätzung des Schweregrades einer Krankheit nicht
einfach. Die Krankheit eines Kindes kann von verschiedenen Eltern sehr
unterschiedlich erfahren und beurteilt werden. Damit dieses Kriterium im Rahmen
der Regelung seiner Aufgabe gerecht werden kann, nämlich die Einschätzung der
Belastung der Eltern anerkennungswürdig zu machen, sind indessen zur inhaltlichen
Bestimmung des Begriffs der «schweren Krankheit» konkrete Parameter gefordert,
die nach gängiger, lebenspraktischer Auffassung eine schwere Erkrankung des
Kindes und so eine unzumutbare Belastung der Eltern in emotionaler, körperlicher,
zeitlicher oder anderer Hinsicht ausmachen können. Dazu zählen etwa:
-
Verkürzung der Lebenserwartung auf unter 50 Jahre;
-
Schmerzen, wenn sie therapieresistent sind und keinen normalen
Tagesablauf erlauben;
-
Einschränkungen der allgemeinen Bewegungsfreiheit etwa im Sinne einer
dauerhaften Bindung an Sauerstoff- oder andere grosse Versorgungsgeräte,
nicht aber das Angewiesensein auf Heilmittel schlechthin;
-
Einschränkungen der Motorik durch generalisierte, nicht aber isolierte
Lähmungen;
-
Krankheiten, die lebenslange Unselbstständigkeit nach sich ziehen und
deshalb Unterstützung bei allen oder allen wichtigen alltäglichen
Verrichtungen (Essen, Anziehen, Körperpflege etc.) verlangen;
49
-
Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten wie etwa ein IQ unter 60, nicht
aber leichtere Intelligenzminderung.
Diese Parameter werden oftmals mehrfach vorliegen, bezeichnen aber auch je für
sich allein bereits eine gravierende Beeinträchtigung und können somit die
Indikationsstellung für die PID rechtfertigen.
In diesem Sinne verlangt die Regelung, dass die Eltern aufgrund der Erkrankung des
Kindes nach herkömmlichen, den allgemeinen Lebensverhältnissen abgewonnenen
Massstäben einer Belastung ausgesetzt wären, die das vertretbare Mass erheblich
überschreiten würde. Die Bestimmung bezeichnet die konkrete Gefahr, dass durch
die zu erwartende Belastung bei den Eltern ihrerseits erhebliche seelische,
gesundheitliche oder andere Beeinträchtigungen als Folge ihrer Überforderung
drohen würden.
Ebenfalls zur Sicherstellung, dass keine willkürlichen und unethischen
Beweggründe wirksam werden, verlangt Buchstabe b als weitere Voraussetzung,
dass das Ausbrechen der schweren Krankheit vor dem 50. Lebensjahr
wahrscheinlich sein muss.
-
Die Forderung der Manifestationswahrscheinlichkeit der Krankheit in Bezug
auf die Vererbung des genetischen Defektes bedingt, dass der Embryo mit
einer gewissen Mindestwahrscheinlichkeit über eine genetische Konstitution
verfügt, aus der überhaupt eine genetische Erkrankung hervorgehen kann.
Andernfalls wäre die Gefährdung oder Verwerfung von Embryonen
unverhältnismässig. Notwendige Voraussetzung hierfür ist, dass beide Eltern
(bei einem rezessiven Erbgang) beziehungsweise ein Elternteil (bei einem
dominanten Erbgang) Anlageträger der nachzuweisenden genetischen
Störung sind. Bei einer monogenen Erbkrankheit, dem paradigmatischen
Fall, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der Embryo die genetische
Anomalie aufweist, nach den Mendelschen Regeln 0%, 25% oder ein
Vielfaches davon. Folglich dürfte 25% als Mindestwert festzusetzen sein,
weil weder 0% auf der einen noch 50% oder mehr auf der anderen Seite als
verhältnismässig gelten können.109 Die Festsetzung von 50% als
Mindestwert hätte insbesondere im Zusammenhang mit dem Nachweis von
autosomal-rezessiven Krankheiten bedeutsame Konsequenzen, da unter
diesen Voraussetzungen zahlreichen betroffenen Eltern, die in den Genuss
der PID kommen sollen, untersagt wäre, eine PID vorzunehmen (vgl. 1.2.4.1
(1)). Im Anschluss ist der Wert von 25% auch auf andere Krankheiten, die
nicht monogen vererbt werden, zu übertragen.
Die PID muss damit zum Ziel haben, eine ganz bestimmte, absehbar
vererbte Krankheit zu vermeiden; sie darf nicht angewandt werden zur
Verhinderung spontan auftretender Leiden wie etwa möglicher spontaner
Chromosomenstörungen, zum Beispiel der Trisomie 21, auch wenn im Falle
eines fortgeschrittenen Alters der betroffenen Frau eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit dafür besteht. Ebenfalls unzulässig ist damit das
«Aneuploidie-Screening», das heisst die Untersuchung auf eventuelle
chromosomale Fehlverteilungen, bei wiederkehrenden Aborten.
109
50
A. R. Thornhill et al., ESHRE PGD Consortium ‘Best practice guidelines for clinical
preimplantation genetic diagnosis (PGD) and preimplantation genetic screening (PGS)’,
Human Reproduction, 2005, 20, S. 35-48.
-
Die Forderung nach der Manifestationswahrscheinlichkeit in Buchstabe b
impliziert in Bezug auf die konkrete, zu erwartende Gesundheitssituation des
Kindes, dass die genetische Störung mit einer gewissen
Mindestwahrscheinlichkeit tatsächlich zu einer Krankheit führen muss.
Nicht jede genetische Störung manifestiert sich zu 100% im Phänotyp, das
heisst manche Träger der genetischen Störung zeigen keine
Krankheitssymptome (vgl. Ziff. 1.2.4.1). Nach Buchstabe b dürfen nur
solche genetischen Störungen nachgewiesen werden, bei denen eine
klinische Manifestierung wahrscheinlich ist. Als Richtwert erscheint hier
wiederum 25% angemessen. Unzulässig ist dagegen der Nachweis solcher
Störungen, bei denen nur eine schwache Korrelation zwischen der Störung
und dem Auftreten der Krankheit besteht. Dies ist in der Regel bei
multifaktoriell bedingten Erbkrankheiten, nicht hingegen bei autosomalrezessiven beziehungsweise bei autosomal-dominanten Erbkrankheiten der
Fall. Verboten ist damit ebenfalls die Anwendung der PID zum Ausschluss
eines blossen Trägerstatus (vgl. Ziff. 1.2.4.1 (3)); Ziel des Gesetzes ist nicht,
genetische Informationen für bestimmte Krankheiten in der Bevölkerung
auszumerzen. Es ist ethisch unvertretbar, im Rahmen der PID Embryonen zu
verwerfen, die nur ein geringes oder gar kein Risiko aufweisen, jemals zu
erkranken.
-
Schliesslich verlangt Buchstabe b, dass der Ausbruch der Krankheit noch
«vor dem 50. Lebensjahr» wahrscheinlich ist; Krankheiten, die erst sehr spät
im Leben ausbrechen, dürfen nicht diagnostiziert werden. Für eine
Begrenzung der Zeitspanne, innerhalb derer die Manifestation der Krankheit
wahrscheinlich sein muss, spricht namentlich folgender Grund: es wäre
unverhältnismässig, einen Embryo zu gefährden oder allenfalls zu
vernichten, wenn dessen Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko sich nicht
wesentlich von dem einer nicht betroffenen Person unterscheidet.
Buchstabe c fordert, dass für die zur Rechtfertigung der PID herangezogene schwere
Krankheit keine wirksamen und zweckmässigen Therapiemöglichkeiten verfügbar
sein dürfen. Die Begriffe werden an dieser Stelle gleich gebraucht wie im
Krankenversicherungsrecht. Der Begriff der Wirksamkeit bezeichnet dabei, dass
diese Therapie tatsächlich zu dem Ziel führen muss, eine signifikante Linderung zu
erreichen; und zweckmässig ist die Therapie überdies dann, wenn sie dieses Ziel in
einem vertretbaren Verhältnis zwischen Ergebnis und Aufwand oder Wirkungen und
Nebenwirkungen erreicht.
Die Abwägung, welche Therapie ein vertretbares Verhältnis von Belastung und
Nutzen mit sich bringt, stellt sicherlich eine schwierige und individuell sehr
unterschiedlich getroffene Entscheidung dar. Zur Objektivierung ist deshalb auf
dieselben Indizien zurückzugreifen, die eingrenzen, ob eine gegebene
Krankheitssituation als schwer einzustufen ist, wie zum Beispiel eine deutlich
verkürzte Lebenserwartung, erhebliche Einschränkungen der Motorik oder
Kognition, starke Schmerzen, dauerhafte und massive Abhängigkeit von Pflege und
anderen Interventionen. Kann die Therapie an diesen Belastungen nur wenig ändern
oder verursacht sie ihrerseits Begleiterscheinungen in ähnlichem Umfang, auch
wenn die Grunderkrankung deutlich gemildert wird, kann von einer wirksamen und
zweckmässigen Therapie sicher nicht die Rede sein. Damit bleibt die Abwägung
aber an medizinische Kriterien gebunden; andere wie etwa ökonomische dürfen
dabei keine Rolle spielen.
51
Buchstabe d: Die PID wird im Interesse der potenziellen Eltern durchgeführt (vgl.
Ziff. 1.3.3); sie haben deshalb gegenüber der Ärztin oder dem Arzt geltend zu
machen, dass die angestrebte Elternschaft unter den gegebenen Bedingungen, das
heisst vor allem in Anbetracht ihrer genetischen Disposition, aber auch ihren
allgemeinen Lebensumständen, zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Die
Bestimmung zielt somit darauf ab, dass das Paar im Anschluss an die eingehende
Beratung eine reflektierte und verantwortungsbewusste Entscheidung trifft und diese
der Ärztin oder dem Arzt gegenüber schriftlich bestätigt.
Insgesamt ermöglicht die vorliegende Regelung die PID somit nur unter streng
definierten Bedingungen, die eine Grauzone unklarer Indikationsstellungen so weit
wie möglich vermeiden. Sie folgt dem Weg, der mit der Regelung des
Schwangerschaftsabbruchs als einer gesellschaftlich akzeptierten Praxis vorgebahnt
ist, und wendet dessen Prinzipien auf den Umgang mit Embryonen in vitro an, ohne
die Differenzen zwischen den beiden Situationen zu verwischen. Gleichzeitig
bemüht sie sich um den grösstmöglichen Schutz der Embryonen wie auch Einzelner
und der Gesellschaft vor eugenischer Manipulation.
2.2
Art. 5b
Einwilligung, Beratung und Datenschutz (Art. 5b-6b)
Einwilligung des Paares
Artikel 5b bestimmt, dass Fortpflanzungsverfahren nur mit Einwilligung des
betroffenen Paares durchgeführt werden dürfen. Aus systematischen Gründen findet
sich diese Regelung neu an dieser Stelle, vor den Bestimmungen zu Information und
Beratung, anstelle des bisherigen, aufgehobenen Artikel 7. Infolgedessen ist in
Absatz 1 das Wort «wiederum» im Zusammenhang mit der Bedenkfrist zu streichen,
weil diese Frist im nun nachfolgenden Artikel 6 ausgeführt wird. Um den
Zusammenhang zu Artikel 6 zu verdeutlichen wird in Klammer ein Komfortverweis
eingefügt.
Die neue Formulierung ergänzt, dass die Einwilligung nur «nach hinreichender
Information und Beratung» gegeben werden kann, wobei hinreichend meint, dass
alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, die erforderlich sind, um das
betroffene Paar eine gültige Entscheidung treffen zu lassen. Durch die Ergänzung
wird die Beratungsregelung bei Fortpflanzungsverfahren derjenigen bei genetischen
Untersuchungen (Art. 5 und 18 GUMG) angeglichen. Ausserdem übernimmt Absatz
1 damit auch die in anderen neuen Erlassen des Gesundheitsrechts (StFG,
Vorentwurf Humanforschungsgesetz) etablierte Terminologie.
Ergänzt wird die Bestimmung zudem durch Absatz 4. Dieser enthält die
Verpflichtung,
das
Paar
vor
jedem
Verfahrensschritt
auf
sein
Selbstbestimmungsrecht hinzuweisen. Das Verfahren impliziert eine Reihe
einzelner, getrennter Prozessschritte. Damit das Selbstbestimmungsrecht des Paares
jederzeit gewahrt bleibt, muss zu jedem Schritt dessen Einwilligung ausdrücklich
eingeholt werden. Auch diese Ergänzung stellt eine Angleichung an die
Beratungsregelung bei genetischen Untersuchungen dar (Art. 15 Abs. 1 GUMG).
52
Art. 6
Information und Beratung
Auch in diesem Artikel wird nun in einheitlicher Terminologie eine «hinreichende»
Beratung verlangt. Es steht dem Arzt natürlich frei, über die aufgeführten Punkte
hinaus weitere relevante Aspekte zu erwähnen.
Art. 6a
Information und Beratung bei Untersuchungen des Erbguts
In Ergänzung zu Artikel 6 beschreibt dieser Artikel die besonderen genetischen
Beratungs- und Informationspflichten, welche im Rahmen der Anwendung der PID
und weiterer Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit genetischen
Untersuchungen zu beachten sind. Grundsätzlich verlangt die Regelung in Absatz 1
von der behandelnden Ärztin beziehungsweise dem Arzt, dass alle notwendigen
Informationen bereit gestellt werden, damit das Paar eine gültige und
verantwortliche Entscheidung treffen kann. Jeder Versuch, Einfluss in Richtung auf
eine bestimmte Entscheidung auszuüben, ist dabei verboten. Im Einzelnen nennt die
Regelung die folgenden Punkte:
Buchstabe a: Zentraler Beratungsinhalt muss zunächst die Art der Erkrankung selbst
sein, die diagnostiziert werden soll. Dazu gehören Informationen über deren
Häufigkeit und damit auch über den Stand der sie betreffenden medizinischen
Erkenntnisse, die bei seltenen Krankheiten in der Regel eher gering sind;
insbesondere aber über das tatsächlich zu erwartende, konkrete Krankheitsbild. In
vielen Fällen kann nur mit grosser Unsicherheit von einem bestimmten genetischen
Defekt auf seine Ausprägung im Phänotyp geschlossen werden (vgl. Ziff. 1.2.4.1),
so dass alle Aussagen aufgrund des genetischen Untersuchungsergebnisses über die
zukünftige Lebenswirklichkeit einer Person mit der betreffenden Veranlagung
immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, niemals aber mit Sicherheit
gemacht werden können.
Buchstabe b: Ferner ist das Paar über die Möglichkeiten der Medizin zu informieren,
der befürchteten Krankheit vorzubeugen oder sie zu behandeln. Auch wenn zu den
Zulassungsvoraussetzungen einer PID gehört, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung
keine wirksame und zweckmässige Therapiemöglichkeit gegeben sein darf (vgl. Art.
5a Abs. 2 Bst. c), können gleichwohl in einem gewissen Umfang lindernde und
unterstützende Massnahmen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus kann die Ärztin
oder der Arzt auf Forschungsergebnisse und zu erwartende oder zukünftig eventuell
sich eröffnende Behandlungsmöglichkeiten hinweisen, insbesondere im Falle von
Krankheiten, die erst in einem späteren Lebensalter ausbrechen.
Buchstabe c: Ausgehend von der zu erwartenden Krankheitssituation des Kindes
(vgl. Bst. a) hat die Ärztin oder der Arzt eine anschauliche Vorstellung von den
Auswirkungen und deren Ausmass zu vermitteln, die mit der Krankheit einher
gehen. Dazu zählen Einschränkungen der persönlichen Mobilität und
Bewegungsfreiheit durch zusätzlichen Aufwand, etwa für Ernährungs-, Kleidungsoder Pflegeerfordernisse, sowie Möglichkeiten, diese Auswirkungen zu lindern und
Unterstützung zu erhalten, aber auch sie als Herausforderung und Bereicherung zu
erfahren.
Buchstabe d verlangt, die Aussagekraft und das Fehlerrisiko der Untersuchung zu
präzisieren. Jede Diagnose, in erhöhtem Umfang aber die PID (vgl. Ziff. 1.2.5), ist
mit einem Risiko behaftet, falsche Ergebnisse zu liefern. Das Paar muss deshalb
53
darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihre – so oder so getroffene –
Entscheidung über ihr zukünftiges Kind auf einem Fehler beruhen kann.
Buchstabe e: Weiterhin ist von Bedeutung, dass das Diagnoseverfahren selbst nicht
frei ist von schädlichen Wirkungen auf den Embryo bzw. das sich daraus
entwickelnde Kind. Zum einen verringern sich unter Umständen die Erfolgschancen
des Fortpflanzungsverfahrens, andererseits besteht noch keine abschliessende
Gewissheit darüber, dass keine langfristigen Auswirkungen auf die
Kindesentwicklung zu befürchten sind (vgl. Ziff. 1.2.3 (3) und Ziff. 2.3, Förderung
der Forschung).
Buchstabe f: Schliesslich soll die Ärztin oder der Arzt auf weitere private oder
öffentliche Stellen hinweisen, die dem betroffenen Paar Informationen, die
Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und Unterstützung bieten können.
Absatz 2 betont, dass sich die Beratung ausschliesslich an der Situation des Paares
orientieren muss. Gesellschaftliche Interessen, seien sie wirtschaftlicher, politischer
oder anderer Natur, sind nicht Gegenstand des Beratungsgespräches und sollen bei
der Entscheidungsfindung keine Rolle spielen.
Abschliessend verlangt Absatz 3, das Gespräch mit seinen wesentlichen Inhalten und
Ergebnissen zu dokumentieren.
Art. 6b
Schutz und Mitteilung genetischer Daten
Für den Datenschutz und die Mitteilung genetischer Daten sollen bei der PID die
gleichen Bestimmungen gelten wie bei anderen genetischen Untersuchungen,
weshalb Artikel 6b diesbezüglich auf die relevanten Bestimmungen des GUMG
verweist.
2.3
Vollzug (Art. 8, 9, 10a-14b)
Vor dem Hintergrund der mit der PID verbundenen Risiken und Gefahren,
insbesondere aus ethischer Sicht (vgl. Ziff. 1.3.4), sieht die beantragte Regelung ein
gesondertes Bewilligungs- und Meldeverfahren vor. IVF-Zentren, welche die PID
anbieten wollen, bedürfen dazu einer Bewilligung des BAG; zusätzlich ist jedes
einzelne PID-Verfahren vorgängig dem BAG zu melden.
Mit diesen Aufsichtsinstrumenten soll sichergestellt werden, dass das PID-Verfahren
im Sinne dieses Gesetzes durchgeführt wird. Zum einen haben die beteiligten
Personen die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten vorzuweisen. Zum anderen wird
der ethisch entscheidende und zentrale Punkt der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer
engmaschigen,
staatlichen
Kontrolle
zugänglich
gemacht,
ohne
in
unverhältnismässiger Weise in das Verfahren einzugreifen. Schliesslich werden
klare Verantwortlichkeiten für das gesamte Verfahren geschaffen, insbesondere für
den Fall, dass die einzelnen Schritte von mehreren, von einander unabhängigen
Institutionen durchgeführt werden.
Das vorgesehene Bewilligungs- und Meldewesen stellt damit sicher, dass gemäss
der vorgeschlagenen Regelung der PID keine menschlichen Embryonen
ungerechtfertigt einem belastenden Verfahren unterzogen und ausgesondert werden.
Es gewährleistet des Weiteren, dass eine allfällige Ausweitung des
54
Indikationenspektrums frühzeitig erkannt werden kann und so missbräuchliche
Anwendungen im Sinne eugenischer Zielsetzungen unterbunden werden können.
Art. 8
Grundsätze
Absatz 2 bestimmt, dass Personen, welche im Rahmen von Fortpflanzungsverfahren
eine PID gemäss Artikel 5a Absatz 2 veranlassen wollen, einer Bewilligung des
BAG bedürfen. Gemäss Artikel 10a wird diese Bewilligung nur an Personen erteilt,
die das notwendige Fachwissen in den Bereichen der Fortpflanzungsmedizin und der
Genetik vorweisen können. Die Bewilligungspflicht gilt unabhängig davon, ob das
Verfahren an einer privaten oder öffentlichen Institution durchgeführt wird.
Zuständig für die Erteilung von Bewilligungen ist das BAG. Es kann als
Bundesbehörde eine einheitliche Bewilligungspraxis und einen einheitlichen
Vollzug für die ganze Schweiz gewährleisten, insbesondere betreffend der ethisch
heiklen Frage der Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen. Zudem ist das BAG
bereits in verwandten Bereichen des Gesundheitsrechts für die Erteilung von
Bewilligungen zuständig (genetische Untersuchungen, Stammzellenforschung,
Transplantationen) und verfügt über das nötige Fachwissen für den Vollzug oder die
nötigen Kontakte zu allenfalls beizuziehenden Expertinnen und Experten.
Absatz 3 verweist für Laboratorien, die im Rahmen von Fortpflanzungsverfahren
nach Artikel 5a Absätze 1 und 2 Untersuchungen des Erbguts durchführen, zur
Ausübung ihrer Tätigkeit auf die Bewilligungspflicht nach Artikel 8 GUMG. Der
Verweis ist nötig, weil das GUMG sonst auf genetische Untersuchungen vor der
Schwangerschaft nicht anwendbar wäre.
Absatz 4 entspricht dem bisherigen Absatz 2.
Art. 9
Anwendung von Fortpflanzungsverfahren
Die genetische Beratung wird neu in Artikel 6a ausführlich geregelt. Absatz 3 wird
deshalb gestrichen.
Art. 10a
Veranlassen der Untersuchung des Erbguts von Embryonen in vitro
Dieser Artikel legt die Voraussetzungen für die Bewilligung zum Veranlassen einer
Untersuchung von Eigenschaften des Erbguts von Embryonen in vitro gemäss
Artikel 8 Absatz 2 fest.
Nach Buchstabe a muss die Person, welche eine PID anbieten will, zunächst über
eine Bewilligung zur Durchführung eines Fortpflanzungsverfahrens nach Artikel 9
verfügen. Nur wer über diese Bewilligung verfügt, kann Gewähr dafür bieten, dass
das betroffene Paar bezüglich fortpflanzungsrelevanter Fragen lege artis informiert
und behandelt wird.
Daneben sind in Abstimmung mit dem GUMG an die Person, die eine PID
veranlasst, vergleichbare Anforderungen zu stellen wie an die Person, die eine
pränatale genetische Untersuchung veranlasst. Deshalb muss sie nach Buchstabe b
zusätzlich den Anforderungen nach Artikel 13 Absatz 2 GUMG genügen.
Nach Buchstabe c ist die Person weiter verpflichtet sicherzustellen, dass das
Verfahren und die Zusammenarbeit mit den beteiligten Laboratorien dem Stand von
Wissenschaft und Praxis entsprechen. Mit den beteiligten Laboratorien ist einerseits
55
das Laboratorium gemeint, das die Zellentnahme vornimmt, und anderseits das
Laboratorium, das die genetische Untersuchung der Zelle durchführt. Bei diesen
Laboratorien kann es sich durchaus um von der Fortpflanzungsklinik unabhängige
Institutionen handeln. Dabei ist von Bedeutung, dass alle Verfahrensschritte, welche
über das eigentliche Fortpflanzungsverfahren hinausgehen, von der Inhaberin oder
dem Inhaber der Bewilligung koordiniert werden. Zu diesem Zweck sind die
einzelnen Abläufe, insbesondere bezüglich der Schnittstellen zwischen den
beteiligten Institutionen, schriftlich festzuhalten.110
Art. 11
Berichterstattung
Diese Bestimmung legt die Berichterstattung als Pflicht für Inhaberinnen und
Inhaber von Bewilligungen nach Artikel 8 Absätze 1 sowie die Anforderungen an
den Inhalt der zu erstattenden Berichte fest.
Die Einschübe «nach Artikel 8 Absatz 1» und «kantonalen» in Absatz 1 sind nötig
zur Abgrenzung von den neu eingeführten zusätzlichen Meldepflichten für
Personen, die eine Bewilligung nach Artikel 8 Absatz 2 haben (vgl. Art. 11a).
Art. 11a
Meldepflicht
Nach Absatz 1 müssen Ärztinnen und Ärzte dem BAG – jeweils unmittelbar nach
der Einwilligung des betroffenen Paares in die Durchführung des Fortpflanzungsverfahrens mit PID – Angaben zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen (Bst. a)
sowie die am Verfahren beteiligten Laboratorien (Bst. b) melden.
Anhand der Meldung nach Buchstabe a kann das BAG die Einhaltung der
Voraussetzungen nach Artikel 5a Absatz 2 überprüfen und gegebenenfalls
eingreifen. Zudem wird dadurch dem BAG die Anzahl der durchgeführten PIDVerfahren offengelegt.
Falls die Zellentnahme oder die genetische Untersuchung nicht am gleichen Ort oder
nicht unter der Aufsicht derselben Personen wie beim übrigen Teil des Verfahrens
durchgeführt wird, erhält das BAG anhand der Angaben nach Buchstabe b Kenntnis
über die im Einzelfall beigezogenen Laboratorien und dadurch die Möglichkeit,
deren Qualifikation zu überprüfen.
Wie die Berichte an die Kantone dürfen auch die Berichte an das BAG keine
Angaben enthalten, die auf bestimmte Personen schliessen lassen (Abs. 2).
Die Absätze 2 und 4 entsprechen den Vorgaben bei der Pflicht zur Berichterstattung
nach Artikel 11 und sollen für meldepflichtige Bewilligungsinhaberinnen und
Bewilligungsinhaber in gleicher Weise gelten.
Nach Absatz 3 darf eine PID nur durchgeführt werden, wenn das Bundesamt
innerhalb von 60 Tagen nicht anders verfügt. Vorbereitungen für das PID-Verfahren
sind davon ausgenommen. Damit verbleibt dem BAG die erforderliche Zeit, um die
Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu überprüfen. Gleichzeitig kommen
dadurch die Ärztinnen oder Ärzte, welche eine PID veranlassen, zur gewünschten
Rechtssicherheit.
110
56
Vgl. ESHRE PGD Consortium ‹Best practice guidelines for preimplantation genetic
diagnosis (PGD) and preimplantation genetic screening (PGS)›, A.R. Thornhill et.al.,
Human Reproduction Vol. 20, No. 1, S. 35 ff, insb. S. 46 betr. ‹Satellite PGD/PGS›.
Artikel 12
Aufsicht
Dieser Artikel regelt die Aufsicht der Bewilligungsbehörde über die Einhaltung der
Bewilligungsvoraussetzungen und -pflichten sowie allfälliger Auflagen. Die
Bewilligungsbehörde kann hierfür unangemeldete Inspektionen vornehmen und im
Falle schwerer Gesetzesverstösse die Bewilligung entziehen. Weil auch für die PID
eine Aufsicht nötig ist, gilt dieser Artikel nicht nur für die kantonale
Bewilligungsbehörde, sondern auch für das BAG.
In Absatz 1 wird ergänzt, dass die Bewilligungsbehörde im Rahmen ihrer Aufsicht
nun auch die Einhaltung von «Pflichten» überwachen muss. Dies bezieht sich in
erster Linie auf die neu hinzugekommene Meldepflicht für PID-Verfahren nach
Artikel 11a Absatz 1, schliesst aber weitere Pflichten nicht aus.
In Absatz 2 wird zunächst das Wort "unangemeldete" gestrichen, weil im Rahmen
der Aufsicht auch angemeldete Inspektionen zu einem effektiven Ergebnis führen
können, da beispielsweise die richtigen Auskunftspersonen sicher anwesend sind.
Beide Arten von Inspektionen sollen möglich sein. Ausserdem wird dieser Absatz
erweitert, um der Bewilligungsbehörde in Analogie zur Regelung der genetischen
Laboratorien (Art. 12 GUMV) die notwendigen Kompetenzen zur Erfüllung ihrer
Aufgabe einzuräumen. Wichtig ist dabei das Recht der inspizierenden Behörde zum
Betreten der Grundstücke, Betriebe und Räume ohne besondere Erlaubnis, auch
ohne Hausdurchsuchungsbefehl, aber in der Regel im Beisein einer verantwortlichen
Person der Fortpflanzungsinstitution. Dieses Recht kann namentlich dann von
Bedeutung sein, wenn aus der Meldung eines PID-Verfahrens zumindest der
begründete Verdacht erwächst, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das
Verfahren nicht erfüllt werden, und die Behörde möglichst schnell weitere
Abklärungen vornehmen oder eingreifen will. Daneben hat die Inhaberin oder der
Inhaber der Bewilligung die notwendigen Auskünfte zu erteilen und allgemein die
inspizierende Behörde bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Dazu kann im Einzelfall
auch die Herausgabe der anonymisierten Krankengeschichte gehören. Einzelne
Aspekte dieser Kompetenzen der Bewilligungsbehörde waren bislang auf
Verordnungsstufe geregelt (Art. 10, insb. Abs. 2 und 3 FMedV). Eine Verankerung
auf Gesetzesstufe ist mit Blick auf die Einschränkung von Grundrechten aber
angezeigt.
In Anlehnung an die Regelung im Transplantationsgesetz111 sowie bei der Kontrolle
der mikrobiologischen und serologischen Laboratorien112 kann das BAG die
Überprüfung der Erfüllung der Voraussetzungen, Pflichten und Auflagen an Dritte
wie beispielsweise Swissmedic übertragen (Absatz 2bis). Auch für die Durchführung
der Inspektionen bei den genetischen Untersuchungen113 besteht die Möglichkeit,
externe Expertinnen und Experten beizuziehen.
Art. 14
Ausführungsbestimmungen
Für Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber kommt zur Berichterstattung nach
Artikel 11 Absatz 1 neu die Meldepflicht nach Artikel 11a Absatz 1 hinzu. Artikel
111
Bundesgesetz vom 8. Oktober 2004 über die Transplantation von Organen, Geweben und
Zellen, SR 810.2.
112 Verordnung vom 26. Juni 1996 über mikrobiologische und serologische Laboratorien, SR
810.123.1, Art. 9.
113 Verordnung vom 14. Februar 2007 über genetische Untersuchungen beim Menschen, SR
810.122.1, Art. 12.
57
14 erteilt dem Bundesrat entsprechend die Aufgabe, für sämtliche Pflichten die
notwendigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
Auf Artikel 14 folgt ein neuer Abschnittstitel, weil die nachfolgend eingefügten
beiden Bestimmungen nichts mehr mit der Bewilligungspflicht zu tun haben.
Art. 14a
Evaluation
Absatz 1 regelt die Evaluation der PID-Regelung. Grundlage dafür ist Artikel 170
BV, welcher verlangt, dass die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit hin
überprüft werden. Mit der Wirksamkeitsprüfung oder Evaluation soll
wissenschaftlich ermittelt werden, ob und wie weit die ergriffenen Massnahmen
tatsächlich die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen und die angestrebten,
definierten Ziele erreichen. Es sollen Stärken und Schwächen der Regelung benannt,
ihre Wirkungen beurteilt und Empfehlungen für eine Optimierung abgegeben
werden. Dabei können diese Evaluationsleistungen von der mit dem Vollzug
betrauten Abteilung des BAG, durch einen amtsinternen Fachdienst oder von Dritten
erbracht werden.
Absatz 2 nennt die zentralen Aspekte, die zwingend in die Evaluation mit
einzubeziehen sind; weitere sind damit nicht ausgeschlossen.
Buchstabe a: Eines der wichtigsten Ziele der Regelung besteht darin, die Selektion
von Embryonen in vitro nach rechtswidrigen Kriterien zu verhindern. Neben klaren
Verstössen wird dabei insbesondere eine allmähliche und unmerkliche Ausweitung
der Indikationsregelung (Art. 5a Abs. 2) befürchtet. Die Evaluation soll deshalb zu
Tage bringen, ob die gewählte Regelung eine derartige Ausweitung tatsächlich
verhindert. Zusätzlich zur Meldepflicht der einzelnen PID-Verfahren einschliesslich
der jeweiligen Angaben zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen sollen auf
diese Weise diejenigen Fälle, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen,
sowie insbesondere unerwünschte Tendenzen in der Indikationsstellung erkannt
werden, damit die notwendigen Korrekturmassnahmen eingeleitet werden können.
Gleichzeitig sollen durch die festgelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen tatsächlich
all jene Paare in den Genuss der PID kommen, die andernfalls in eine unzumutbare
Situation geraten würden. Es wird deshalb zu prüfen sein, ob die sich gestützt auf
Artikel 5a Absatz 2 entwickelnde Praxis der PID-Zentren mit den vom Gesetzgeber
erlassenen Zulässigkeitsvoraussetzungen in Einklang steht.
Buchstabe b verlangt ein generelles Monitoring der tatsächlichen PID-Praxis in den
Zentren und Laboratorien. Dazu gehören unter anderem die Erhebung der Anzahl
behandelter Paare und durchgeführter Verfahren, deren Resultate, allfällige
Probleme und Schwierigkeiten. Die Regelung stellt somit sicher, dass für alle
weiteren Evaluationsschritte die nötigen Basisinformationen zur Verfügung stehen.
Buchstabe c verlangt die Auswirkungen der Regelung auf die Gesellschaft zu
evaluieren. Diese Auswirkungen betreffen insbesondere die Situation kranker oder
behinderter Menschen, für die eine diskriminierende Wirkung infolge der
tatsächlichen oder unterstellten Vermeidbarkeit ihres Leidens durch die PID
befürchtet wird. Weiter besteht in diesem Zusammenhang etwa die Sorge, dass
durch die Verfügbarkeit der PID betroffene Paare sich einem Druck ausgesetzt sehen
könnten, der ihre Entscheidungsfreiheit für ein behindertes Kind einschränkt. Aus
diesem Grund empfiehlt die NEK-CNE, die gesellschaftlichen und psychologischen
58
Auswirkungen der Zulassung der PID wissenschaftlich zu untersuchen.114 Diese
Befürchtungen sind ernst zu nehmen, und das Gesetz ist deshalb auch auf solche
indirekten Auswirkungen hin zu evaluieren.
Buchstabe d sieht die Evaluation der Abläufe in der Verwaltung betreffend Vollzug
und Aufsicht vor. Ziel ist, die Effizienz und Wirksamkeit der gewählten
Vollzugsregelung zu überprüfen und gegebenenfalls Optimierungsvorschläge zu
erarbeiten.
Absatz 3 gibt der evaluierenden Behörde das Recht, die Herausgabe der für die
Evaluation notwendigen, anonymisierten Daten von den Bewilligungsinhaberinnen
und -inhabern zu verlangen. Absatz 3 ist nötig, weil Artikel 170 BV allein hierzu
keine ausreichende Rechtsgrundlage liefert. Für die Evaluation sind keine
Rückschlüsse auf bestimmte Personen erforderlich. Es reicht deshalb die
anonymisierte Offenlegung der entsprechenden Daten.
Absatz 4: Zur Sicherstellung der Koordination auf der Ebene des Bundesrates ist es
nötig, dass das federführende Departement dem Bundesrat über die durchgeführte
Evaluation Bericht erstattet. Der Bundesrat kann auf diese Weise gegenüber der
Legislative seinen Pflichten hinsichtlich Wirksamkeitsprüfung nachkommen, und
allfällige Evaluationstätigkeiten der Legislativorgane erhalten eine materielle
Grundlage. Die Frist für einen ersten Bericht auf fünf Jahre zu beschränken,
erscheint angesichts der raschen Entwicklungen im Bereich der Biomedizin
gerechtfertigt.
Auch für die Evaluation braucht es möglicherweise Ausführungsbestimmungen auf
Verordnungsstufe. Abs. 5 verleiht dem Bundesrat die entsprechende Kompetenz.
Art. 14b
Förderung der Forschung
Die PID wird erst seit Anfang der 1990er Jahre angewandt; langfristige Daten über
etwaige Nebenwirkungen des Verfahrens können deshalb noch gar nicht vorhanden
sein. Gleichwohl liegt auf der Hand, dass eine Technologie, die in so gravierender
Weise in die Entstehung des menschlichen Lebens eingreift, der medizinischen
Überwachung und Kontrolle bedarf. In diesem Sinn fordert die NEK-CNE, die
Langzeitfolgen bei Kindern, die nach einer PID geboren wurden, wissenschaftlich
zu evaluieren.115 Ebenso hat ein kürzlich veröffentlichter wissenschaftlicher Bericht
zuhanden der EU-Kommission zur Praxis der PID in den Ländern der EU die
mangelnde Nachsorge, namentlich im Sinne eines ‹long-term follow-up›, und deren
Auswertung auf internationaler Ebene als schwerwiegendes Problem identifiziert.116
Gemäss Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe e der OV-EDI gehört es zu den Aufgaben des
BAG, die Wirkung rechtsetzender Massnahmen auf die Gesundheit zu überprüfen,
und Buchstabe b des gleichen Absatzes überträgt ihm das Recht zur Steuerung der
Forschung auf dem Gebiet der Gesundheit. Absatz 1 ermöglicht es deshalb dem
BAG, Forschungsprojekte zu den Auswirkungen der PID in Auftrag zu geben oder
zu unterstützen. Namentlich sollen dabei die Auswirkungen der PID auf die im
Anschluss daran geborenen Kinder untersucht werden, damit in der Forschung
diskutierte Folgeschäden frühzeitig erkannt werden können (vgl. Fn. 21). PID114
115
116
NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 52.
NEK-CNE, Präimplantationsdiagnostik, Stellungnahme Nr. 10/2005, S. 52.
Bericht «Preimplantation Genetic Diagnosis in Europe» der European Commission, 2007
(www.jrc.ec.europa.eu, Mai 2008), S. 78.
59
Anbieter haben die Ergebnisse der Evaluation bei der Beratung der betroffenen
Paare zu berücksichtigen.
In Analogie zur Evaluation nach Artikel 14a Absatz 3 soll gemäss Absatz 2 den
Forschenden der Zugriff zu relevanten Daten, die sich bei den
Bewilligungsinhaberinnen und -inhabern befinden, erlaubt sein. Wie bei der
Evaluation genügen auch bei der Forschung anonymisierte Daten.
2.4
Art. 33
Strafbestimmungen (Art. 33, 34, 37, 38)
Untersuchung des Erbguts und Auswahl von Keimzellen oder
Embryonen in vitro
Dieser Artikel wird neu als Verweisnorm formuliert und bezieht sich auf den neuen
Artikel 5a. Im Fokus sind hierbei wie bis anhin jene Tätigkeiten im Rahmen von
IVF-Verfahren, welche als verpönte Formen der Eugenik klare Missbräuche der
Reproduktionsmedizin darstellen.
Keine Änderung erfährt die Sanktionierung der unerlaubten Untersuchung des
Erbguts von Keimzellen und deren Auswahl. Sie ist gemäss Artikel 5a Absatz 1 nur
zulässig, wenn eine Gefahr für die Übertragung der Veranlagung für eine schwere
Krankheit besteht. Eingriffe ohne Verbindung zu einer schweren Krankheit, auf
blossen Verdacht hin oder zur Allgemeinprävention («Screening») sind verboten
und nach Artikel 33 weiterhin strafbewehrt.
Neu sanktioniert Artikel 33 zugleich auch die Durchführung einer PID, wenn diese
stattfindet, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 5a Absatz 2 erfüllt sind.
Demnach darf eine PID nicht durchgeführt werden, wenn:
-
die Gefahr der Einnistung eines Embryos mit der Veranlagung für eine
schwere Krankheit anders abgewendet werden kann;
-
es sich dabei nicht um eine schwere Krankheit im Sinne des Gesetzes
handelt (vgl. Ziff. 2.1, Art. 5 Abs. 2 Bst. a);
-
das betroffene Paar nicht die Unzumutbarkeit dieser Gefahr geltend macht;
-
es nicht wahrscheinlich ist, dass die zu diagnostizierenden Krankheit vor
dem 50. Lebensjahr ausbricht (vgl. Ziff. 2.1, Art. 5 Abs. 2 Bst. b): Dies ist
einerseits dann der Fall, wenn beim Paar keine bekannte und identifizierte
Veranlagung dafür besteht, eine schwere Krankheit an ihre Nachkommen zu
vererben. Andererseits gilt dies auch bei Krankheiten, die sich entweder mit
weniger als 25% Wahrscheinlichkeit im Phänotyp äussern oder die erst nach
dem 50. Lebensjahr ausbrechen. Verboten ist demnach die Durchführung
einer PID zur Verhinderung einer multifaktoriell bedingten Erkrankung oder
einer spontanen Chromosomenstörung;
-
wirksame und zweckmässige Therapiemöglichkeiten vorhanden sind.
Die Durchführung einer PID ist strafbar, wenn einer dieser Punkte zutrifft. Ebenso
unter Strafe gestellt wird demnach auch die Durchführung einer PID ohne
Krankheitsbezug (etwa zur Geschlechtswahl), zur Steigerung der Erfolgsrate der
künstlichen Befruchtung, zur Anwendung bei fruchtbaren Paaren im
60
fortgeschrittenen Alter, zur Auswahl immunkompatibler Embryonen oder zur
positiven Selektion einer genetisch bedingten Anomalie (vgl. Ziff. 1.2.4.2-1.2.4.6).
Verstösse gegen diese Vorschrift werden als Vergehen betrachtet und mit Gefängnis
oder mit Busse bestraft.
Das Bundesamt für Justiz wird Änderungen bezüglich des Strafmasses im Rahmen
der Anpassung des Nebenstrafrechts an die Revision des Allgemeinen Teils des
StGB vornehmen.
Art. 34 Abs. 2 Handeln ohne Bewilligung
Artikel 34 Absatz 2 regelt die möglichen strafrechtlichen Folgen für Tätigkeiten,
welche ohne die gemäss Gesetz erforderliche Bewilligung durchgeführt werden.
Wegen der Einführung der Bewilligungspflicht für das Veranlassen von
Untersuchungen des Erbguts von Embryonen in vitro (vgl. Ziff. 2.3, Art. 8 Abs. 2)
wird Absatz 2 dahingehend ergänzt, dass auch die Ausübung dieser Tätigkeit ohne
Bewilligung oder auf Grund einer durch unwahre Angaben erschlichenen
Bewilligung unter Strafe steht.
Art. 37
Übertretungen
Gemäss Artikel 37 Buchstabe dbis begeht neu eine Übertretung, wer die Meldepflicht
nach Artikel 11a Absatz 1 verletzt. Strafbar ist demnach die Durchführung eines
PID-Verfahrens sowohl ohne als auch bei einer zu spät eingegangenen Meldung an
das BAG. Damit soll die Einhaltung der Voraussetzungen nach Artikel 5a Absatz 2
gewährleistet, die Transparenz des Verfahrens gesichert und die Ausweitung der
Indikationsstellung verhindert werden.
Die Strafbewehrung des Verbots der PID in Artikel 37 Buchstabe e wird gestrichen.
Art. 38
Zuständige Strafbehörden
Nach Artikel 1 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974117 über das
Verwaltungsstrafrecht (VStrR) ist dieses nur anwendbar, wenn die Verfolgung und
Beurteilung von Widerhandlungen durch eine Bundesbehörde erfolgt. Durch Absatz
2 werden die Artikel 6, 7 und 15 des Verwaltungsstrafrechts auch für die kantonalen
Strafverfolgungsbehörden für anwendbar erklärt. Abweichend vom sonst
anwendbaren
Allgemeinen
Teil
des
Strafgesetzbuchs
kennt
das
Verwaltungsstrafrecht in den Artikeln 6 und 7 eine besondere Regelung für
Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben und durch Beauftragte. Artikel 6 des
Verwaltungsstrafrechts erleichtert den Durchgriff auf die Geschäftsleitung, indem
bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben neben der natürlichen Person, welche
die Tat verübt hat, unter Umständen auch der Geschäftsherr, der Arbeitgeber, der
Auftraggeber oder der Vertretene bestraft werden kann. Diese werden nämlich
häufig mitbeteiligt sein, ohne dass es sich dabei eindeutig um Mittäterschaft,
Anstiftung oder Gehilfenschaft im strafrechtlichen Sinne handelt. Die
Sonderordnung des Artikels 7 des Verwaltungsstrafrechts erlaubt deshalb für
leichtere Fälle (namentlich bei einer Busse von höchstens 5000 Franken und bei im
Vergleich zur Strafe unverhältnismässigen Untersuchungsmassnahmen) auf die
117
SR 313.0
61
Ermittlung der nach Artikel 6 des Verwaltungsstrafrechts strafbaren Person zu
verzichten und an ihrer Stelle das Unternehmen zu bestrafen.
Artikel 15 des Verwaltungsstrafrechts (Urkundenfälschung, Erschleichung einer
falschen Beurkundung) ist ein Spezialtatbestand zur Urkundenfälschung nach
Artikel 251 StGB, der speziell Bezug nimmt auf die Verwaltungsgesetzgebung des
Bundes. Die Strafdrohung ist milder als nach Artikel 251 StGB, aber der Tatbestand
ist umfassender, weil er unter anderem auch die Täuschung der Verwaltung erfasst.
2.5
Zusätzliche Aufgabe der Expertenkommission für
genetische Untersuchungen beim Menschen (Art. 35
Abs. 2 Bst. k GUMG)
Neben der Revision des FMedG beinhaltet die beantragte Regelung eine Ergänzung
des GUMG. Dessen Artikel 35 Absatz 2 bestimmt die Aufgaben der
Expertenkommission für genetische Untersuchungen am Menschen (GUMEK), der
nun durch Buchstabe k erweitert wird. Zukünftig kann dadurch das BAG diese
Kommission heranziehen, um eine beratende Stellungnahme bezüglich der im
Einzelfall gemeldeten Angaben zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine PID
(vgl. Art. 11a Abs. 1 Bst. a FMedG) einzuholen.
Wenngleich die beantragte Regelung Zweifelsfälle zwischen legitimen und
verbotenen Anwendungen der PID so weit wie möglich zu vermeiden versucht,
muss mit Einzelfällen gerechnet werden, in denen mit Vorteil eine Zweitmeinung im
Hinblick auf die medizinische Einschätzung der zu diagnostizierenden Krankheit
einbezogen wird. Die GUMEK versammelt hierzu die nötigen Sachkompetenzen,
und es stellt die einfachste und nächstliegende Lösung dar, sie mit dieser
Beratungsaufgabe zu betrauen.
3
Auswirkungen
3.1
Finanzielle und personelle Auswirkungen
3.1.1
Auf den Bund
Mit der Einführung der PID erwachsen dem Bund neue Vollzugsaufgaben. Dabei
handelt es sich um Daueraufgaben, welche in der Bundesverwaltung
wahrgenommen und im BAG angesiedelt werden sollen. Bestimmte Teilaufgaben
können auch an Dritte vergeben werden.
Das Ausmass der finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bund ist
abhängig von der Anzahl der durchgeführten PID-Zyklen sowie der Anzahl der
Institutionen, die die PID anbieten, und kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nur
geschätzt werden. Nachfolgend wird von 50-100 PID-Zyklen und 5-10 IVF-Zentren,
welche eine PID anbieten, sowie ungefähr gleich vielen durchführenden
Laboratorien ausgegangen. Für den Vollzug verteilen sich der Personalbedarf und
die benötigten Sachmittel voraussichtlich wie folgt:
62
Kontrolle der PID-Verfahren:
Das BAG wird gebührenpflichtige Bewilligungen für IVF-Zentren erteilen (Art. 8
Abs. 2) sowie Meldungen bezüglich der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Artikel
5a Absatz 2 erfassen und auf ihre Gesetzeskonformität hin überprüfen (Art. 11a Abs.
1 Bst. a). Bei Zuwiderhandlungen wird es entsprechende Massnahmen anordnen
(Mahnung, Inspektion, Entzug der Bewilligung im Wiederholungsfall). Hierfür sind
100 Stellenprozente für die Sachbearbeitung sowie 30 Stellenprozente für den
Mehraufwand des Sekretariats einzusetzen.
Für die Vornahme von Inspektionen der IVF-Zentren und der PID-Laboratorien
(Art. 12) ist eine Stelle zu 80 Prozent oder die Übertragung an Dritte im gleichen
Umfang vorzusehen.
Evaluation und Ressortforschung:
Das BAG hat die Aufgabe, die Wirkungen der PID-Regelung zu evaluieren (Art.
14a). Dies geschieht in mehreren Schritten, wobei in der Regel externe Expertinnen
und Experten mit der Durchführung der einzelnen Teilschritte beauftragt werden. In
chronologischer Abfolge handelt es sich um folgende Teilschritte:
-
Das Monitoring beginnt vor dem Inkrafttreten der Vorlage. Gegenstand des
Monitorings ist die Erhebung der Datengrundlage für die folgenden Schritte
der Evaluation, insbesondere betreffend die PID-Praxis sowie die
Auswirkungen der Regelung auf die Gesellschaft (Art. 14a Abs. 2 Bst. b und
c).
-
Die formative Evaluation wird etwa ein Jahr nach Inkrafttreten durchgeführt
und prüft Aspekte der Vollzugsoptimierung. Dieser Teil der Evaluation ist
insbesondere für die Übereinstimmung der gemeldeten Indikationen mit den
Voraussetzungen nach Artikel 5a Absatz 2 von Bedeutung (Art. 14a Abs. 2
Bst. a).
-
Die summative Evaluation beinhaltet eine abschliessende, systematische
Bewertung der Wirkungen der neuen Regelung mit Erkenntnissen für
allfällige Gesetzesanpassungen. Sie findet etwa vier Jahre nach Inkrafttreten
statt.
Daneben hat das BAG die Möglichkeit, Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen
von PID-Verfahren, insbesondere zur Entwicklung von daraus hervorgegangenen
Kindern, in Auftrag zu geben oder zu unterstützen (Art. 14b).
Für die Evaluation und die Forschungsaufträge ist jährlich mit Kosten in der Höhe
von 500 000 Franken zu rechnen. Zusätzlich benötigt das BAG für die Betreuung
und Koordination dieser Aufgaben 30 Stellenprozente.
Die für die vorgängig aufgeführten Aufgaben notwendigen Mittel sind in den
aktuellen Finanzplanzahlen nicht eingestellt.
63
Jährliche Kosten für den Vollzug ab Inkrafttreten des Gesetzes (in Franken):
Kostenbereiche
Personalaufwand BAG* Sachaufwand BAG Total
(Fipos. A2100.0001)
(Fipos. A2115.0001)
2011
2011
2012
34 000
200 000
500 000
314 000
200 000
500 000
Kontrolle der PIDVerfahren: 100%-Stelle
Sachbearbeitung zur
Erteilung von
Bewilligungen und
Meldewesen (inkl.
135 000
jurist. Unterstützung)
Ab 2012
280 000
80%-Stelle für
Inspektionen und
Massnahmen
30%-Stelle für
Administration
Ressortforschungs- und
Evaluationsaufträge
30%-Stelle für die
Betreuung und
Koordination
Zwischentotal
135 000
Total Aufwand 2011
135 000
Total Aufwand ab 2012
200 000
314 000
335 000
500 000 814 000
*Personalaufwand einschliesslich Arbeitgeberbeiträge
Durch die erhobenen Bewilligungsgebühren werden nicht mehr als 10 000 Franken
generiert (Fipos. E1300.0001).
Vorbereitung des Vollzugs:
Um den Vollzug auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens sicherzustellen, müssen bereits
ab 2011 Mittel bereitgestellt werden. So ist die 100%-Stelle für die Sachbearbeitung
bereits ab 1.1.2011 zu besetzen, und für den Aufbau und die Vorbereitung des Monitorings sind 200 000 Franken im Sachkredit einzuplanen. Die Rekrutierungs- und
Ausbildungskosten sowie die Finanzierung der notwendigen Arbeitsplätze und -mittel gehen zu Lasten bestehender Kreditmittel.
Die zur Wahrnehmung dieser neuen Aufgabe dargestellten Mittel sind im BAG nicht
vorhanden und können weder BAG- noch departementsintern kompensiert werden.
Aus diesem Grund sind die erforderlichen Ressourcen mit der Botschaft zum
Gesetzesentwurf und im entsprechenden Bundesratsantrag zu beantragen und für
2011 in die Finanzplanung sowie in die Gesamtbeurteilung der Ressourcen im
Personalbereich aufzunehmen. Ohne zusätzliche Mittel (Plafondserhöhung) kann die
Änderung des FMedG nicht vollzogen werden.
64
3.1.2
Auf die Kantone und die Gemeinden
Die aktuelle Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen erfährt keine Änderung.
Die Kantone sind – neben dem bisherigen Bewilligungswesen für die
Fortpflanzungsverfahren – weiterhin einzig für die Verfolgung und Beurteilung
strafbarer Handlungen zuständig. Daraus ergeben sich jedoch kaum nennenswerte
finanzielle oder personelle Auswirkungen.
Auf die Gemeinden wirkt sich dieses Gesetz nicht aus.
3.2
Auswirkungen auf die Informatik
Die heute beim BAG verfügbare Informatikunterstützung
Anforderungen für den Vollzug dieses Gesetzes.
3.3
genügt
den
Volkswirtschaftliche Auswirkungen
Das bisherige Verbot der PID wird aufgehoben und durch ein Verfahren in einem
sehr restriktiven gesetzlichen Rahmen ersetzt. Da die genetischen Krankheiten, die
eine Indikation für die Anwendung einer PID darstellen, selten sind, werden nur
wenige Paare unter den geforderten Voraussetzungen eine PID in Anspruch nehmen.
Die Regelung wird sich deshalb nur minimal auf die schweizerische Volkswirtschaft
auswirken. Pro Jahr wird mit etwa 50-100 PID-Verfahren zu rechnen sein, die
jeweils Kosten von etwa 10 000-20 000 Franken verursachen, so dass in der Summe
ein Gesamtbetrag zwischen 500 000 und 2 Mio. Franken pro Jahr zu erwarten ist,
der durch die PID umgesetzt wird. Für den sehr spezialisierten Bereich der privaten
Fortpflanzungsmedizin handelt es sich damit gleichwohl um ein relevantes
Geschäftsfeld. Zu nennen ist des Weiteren, dass ein Teil dieser Umsätze bislang
wegen des geltenden Verbots im Ausland erwirtschaftet wurde und nun in der
Schweiz selbst erbracht werden kann.
3.4
Andere Auswirkungen
3.4.1
Auf Menschen mit Behinderungen
Kritiker befürchten, dass die Zulassung der PID zu einer Verschlechterung der
Situation von Menschen mit Behinderung führen könnte. Die Möglichkeit, die
Übertragung genetischer Krankheiten zu verhindern, würde die Diskriminierung von
Behinderung oder Krankheit betroffener Menschen verstärken, weil deren Situation
vermeidbar erscheint (siehe Ziff. 1.3.4).
Auch wenn mit der PID nur ein geringer Anteil aller Formen von Behinderung und
Krankheit verhindert werden und daher davon ausgegangen werden kann, dass die
gesellschaftliche Wahrnehmbarkeit der PID und ihrer Auswirkungen unerheblich
sein werden, ist diesen Befürchtungen Rechnung zu tragen. Der Entwurf sieht
deshalb vor, dass die Auswirkungen der Verfahren auf die Gesellschaft evaluiert
werden (Siehe Ziff. 2.3, Art. 14a). Dies und die ebenfalls vorgesehene Möglichkeit
zur Unterstützung wissenschaftlicher Forschung bezüglich der Auswirkungen der
PID-Zulassung erlauben es, unerwünschte Auswirkungen festzustellen und
65
erforderlichenfalls Gegenmassnahmen zu ergreifen (Siehe Ziff. 2.3, Art. 14b). Dabei
ist zu beachten, dass die Situation von Menschen mit Behinderungen nicht allein von
der Zulassung der PID abhängt, sondern von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt
wird. Der Gefahr der Diskriminierung von und negativen Einstellungen gegenüber
Menschen mit Behinderungen ist daher nicht allein mit bereichsspezifischen
Massnahmen, sondern im Rahmen einer umfassenden Gleichstellungspolitik
entgegenzuwirken, wozu bereits heute das Behindertengleichstellungsrecht (Art. 8
Abs. 2 BV und das Behindertengleichstellungsgesetz118) verpflichtet.
3.4.2
Auf die Gleichstellung von Frau und Mann
Bestimmte Kreise befürchten, dass die Zulassung der PID nicht im Interesse der
Verhinderung von unzumutbaren Belastungssituationen erfolge, sondern aus dem
Willen zur Verfügung über den weiblichen Körper. Im Vordergrund stehe die
Gewinnung von Eizellen zu Zwecken der Forschung oder Wirtschaft, und die
Einwilligung der betroffenen Paare und Frauen sei das Resultat expliziten oder
verinnerlichten gesellschaftlichen Drucks (siehe Ziff. 1.3.5).
Die vorgeschlagene Regelung stellt demgegenüber die uneingeschränkte Ausübung
des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen sicher. Die Rechtfertigung der PID
erfolgt ausschliesslich aus dem zu verhindernden Leid der potenziellen Eltern,
Interessen Dritter spielen keine Rolle (siehe Ziff. 2.1, Art. 5 und 5a). Darüber hinaus
kann die vorgesehene Unterstützung wissenschaftlicher Forschung zu den
Auswirkungen der PID-Zulassung auch Aspekte der Gleichberechtigung von Mann
und Frau einbeziehen (siehe Ziff. 2.3, Art. 14b).
3.4.3
Auf die soziale Krankenversicherung
Die Übernahme der Kosten einer IVF mit Embryonentransfer gehört nicht zu den
Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.119 Diesbezüglich
ist keine Revision geplant. Auch für die PID ist keine Kostenübernahme vorgesehen,
weshalb sich der Gesetzesentwurf nicht auf die soziale Krankenversicherung
auswirkt.
3.4.4
Auf die Wirtschaftsfreiheit
Die beantragte Regelung tangiert die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), insofern sie
ein Bewilligungsverfahren für die IVF-Zentren und genetischen Laboratorien
vorsieht, das die Erteilung der Bewilligung an die Erfüllung bestimmter
Voraussetzungen knüpft (insb. Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte, welche eine
PID veranlassen wollen) und die Bewilligung mit Pflichten verbindet (insb.
Meldepflicht). Dieser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ist als verhältnismässig
einzustufen (vgl. Ziff. 1.5.1).
118
119
66
SR 151.3
Vgl. Anhang 1 Ziffer 3 der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über
Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KrankenpflegeLeistungsverordnung, KLV), SR 832.112.31.
Die Laboratorien, welche die genetische Untersuchung der Embryonen durchführen,
werden gemäss Artikel 8 Absatz 2 der Bewilligungspflicht nach Artikel 8 Absatz 1
GUMG unterstellt. Ob aufgrund des sehr anspruchsvollen und heiklen PIDVerfahrens einzelne Anforderungen in Bezug auf die Infrastruktur, die Qualifikation
des Laborleiters oder der Laborleiterin sowie des Laborpersonals zu erhöhen sind,
steht noch nicht fest, zumal die Bewilligungsvoraussetzungen gemäss Artikel 8
Absatz 2 GUMG auf Verordnungsstufe festzulegen sind. Es können deshalb noch
keine Angaben über die Auswirkungen der Regelung auf die Laboratorien gemacht
werden.
3.5
Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein
Die Anwendbarkeit des vorliegenden Gesetzes im Fürstentum Liechtenstein
bestimmt sich nach den Grundsätzen des Zollvertrages vom 29. März 1923 zwischen
der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein120. Gemäss diesem Zollvertrag
findet das FMedG im Fürstentum Liechtenstein keine Anwendung, weshalb auch die
Bestimmungen der Gesetzesrevision keine Zollvertragsmaterie darstellen. Auch
ausserhalb des Zollvertrages sind keine Auswirkungen auf das Fürstentum
Liechtenstein zu erwarten.
4
Verhältnis zur Legislaturplanung
Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 2007-2011 nicht angekündigt. Trotzdem
wurde der Vorentwurf bereits in der laufenden Legislatur ausgearbeitet, zumal die
Räte mit der Annahme der Motion zur Zulassung der PID (04.3439) dem Bundesrat
den verbindlichen Auftrag dazu erteilt haben.
5
Rechtliche Aspekte
5.1
Verfassungs- und Gesetzmässigkeit
Zur verfassungsmässigen Grundlage und Gesetzmässigkeit der Vorlage wird auf die
Ausführungen unter Ziffer 1.4 sowie Ziffer 1.5.1 verwiesen.
5.2
Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen
der Schweiz
Zur Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht und den Übereinkommen des
Europarats ist auf die Erläuterungen unter Ziffer 1.7.2 zu verweisen.
Weder die UNO121 oder die UNESCO122 noch die WHO kennen in ihren Pakten,
Erklärungen oder Resolutionen Bestimmungen, die über das einschlägige
67
schweizerische Verfassungsrecht hinausgehen oder die PID unter den im
vorliegenden Entwurf gewählten Rahmenbedingungen und Indikationen nicht
zulassen würden.
5.3
Unterstellung unter die Ausgabenbremse und
Vereinbarkeit mit dem Subventionsgesetz
Die Vorlage sieht keine einmaligen oder wiederkehrenden Ausgaben in einer Höhe
vor, für welche Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV relevant würde. Die Erfüllung
von Aufsichtsaufgaben wird, sofern sie die Bewilligungsbehörde gestützt auf Artikel
12 Absatz 2bis an Dritte überträgt, nach den Grundsätzen des Subventionsgesetzes123
abzugelten sein (zur Höhe der Abgeltung vgl. Ziff. 3.1.1). Dessen Grundsätze
werden auch bei der Durchführung der Evaluation (Art. 14a) und der Unterstützung
von Forschungsvorhaben (Art. 14b) zu berücksichtigen sein.
5.4
Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
Gemäss der Neuformulierung von Artikel 14 und gestützt auf Artikel 14a Absatz 5
ist der Bundesrat zusätzlich befugt, Ausführungsbestimmungen zur Evaluation und
zu den Pflichten der Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber zu erlassen. Unter
deren Pflichten fallen namentlich Einzelheiten zu den Inhalten und zum Verfahren
der Berichterstattung und Meldungen sowie – sofern angezeigt – Bestimmungen
betreffend den zu berücksichtigenden Stand von Wissenschaft und Technik.
120
121
SR 0.631.112.514
Namentlich der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16.
Dezember 1966 (UNO-Pakt II); die darin gewährleisteten Rechte und Freiheiten
entsprechen weitgehend denjenigen der EMRK, welche durch diese Vorlage nicht verletzt
werden (vgl. Ziff. 1.7.2, Europarat).
122 Namentlich die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte
vom November 1997 und die Internationale Erklärung über humangenetische Daten vom
16. Oktober 2003; auch diese beiden Regelwerke beinhalten weder PID-spezifische
Vorschriften noch Regeln im Allgemeinen, denen diese Vorlage oder das geltende
schweizerische Verfassungs- und Gesetzesrecht zuwiderlaufen würde (vgl. Botschaft
GUMG, BBl 2002 7361, Ziff. 6.3).
123 SR 616.1
68
Anhang 1: Glossar naturwissenschaftlicher Fachbegriffe
Allel
Bezeichnung für die verschiedenen Formen
(Kopien) eines Gens am selben Genort
homologer (gleicher) Chromosomen. Auf Grund
seines doppelten Chromosomensatzes besitzt der
Mensch nur zwei Allele eines Gens. Sind diese
Allele identisch, so ist der Träger bezüglich
dieses Gens homozygot; unterscheiden sie sich,
dann ist er heterozygot.
Aneuploidie
Abweichung von
Chromosomen.
der
Aneuploidie-Screening
Untersuchung des
Aneuploidien hin.
Embryos
Autosomal-dominante
Erbkrankheit
Erbkrankheit, zu deren Verursachung ein
verändertes Allel auf einem Autosom ausreicht.
Autosomal-rezessive
Erbkrankheit
Erbkrankheit, zu deren Verursachung beide Allele
auf einem Autosom verändert sein müssen.
Autosomen
Bezeichnung für alle Chromosomen, die keine
Geschlechtschromosomen sind; der Mensch
besitzt
22
Autosomenpaare
und
zwei
Geschlechtschromosomen (XX od. XY).
Blastomeren
Die ersten, noch undifferenzierten Zellen eines
Embryos bis etwa drei Tage nach der
Befruchtung.
Blastozyste
Bezeichnung für einen Embryo zwischen dem 4.
und dem 7. Entwicklungstag. Die Blastozyste
besteht aus einer äusseren Zellgruppe, aus der die
Plazenta hervorgeht (Trophoblast), und aus einer
inneren Zellmasse, aus der sich der Embryo
entwickelt (Embryoblast).
Blastozystenbiopsie
Abspaltung mehrerer Zellen aus der äusseren
Zellgruppe (Trophoblast) einer Blastozyste.
Blutstammzellen
Stammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen
entwickeln. Blutstammzellen werden bei einer
Stammzelltransplantation zur Behandlung von
Blutkrebs eingesetzt.
Chorionzottenbiopsie
Vorgeburtliche
Untersuchungsmethode
zur
Diagnose genetisch bedingter Erkrankungen oder
Stoffwechselstörungen.
Chromosomen
Aus
DNA
(Desoxyribonukleinsäure;
Trägersubstanz
der
Erbinformation)
und
Proteinen aufgebaute Makromoleküle, welche die
Erbinformationen enthalten und bei jeder
Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben
werden. Die Anzahl und Gestalt der
normalen
in
Anzahl
vitro
auf
69
Chromosomen ist artspezifisch. Menschliche
Körperzellen
enthalten
einen
doppelten
Chromosomensatz
(diploid;
23
Chromosomenpaare); Ei- und Samenzellen
dagegen
weisen
nur
einen
einfachen
Chromosomensatz
auf
(haploid;
23
Chromosomen).
Chromosomenstörung
Man unterscheidet zwischen numerischen (1) und
strukturellen (2) Chromosomenstörungen:
(1) Numerische Störungen entstehen durch
Fehlverteilungen der Chromosomen auf
die Tochterzellen. Dabei ist entweder
die Zahl einzelner Chromosomen oder
auch des ganzen Chromosomensatzes
verändert.
(2) Stukturelle
Chromosomenstörungen
entstehen durch Deletion/Duplikation
oder Austausch von chromosomalem
Material innerhalb eines Chromosoms
oder
zwischen
verschiedenen
Chromosomen.
Design-Baby
siehe Retter-Baby
diploid
einen zweifachen Chromosomensatz enthaltend.
dominant
Eigenschaft einer bestimmten genetischen
Information, sich gegen andere Merkmale
durchzusetzen.
Einnistung
Anheftung der Blastozyste an die Schleimhaut
der Gebärmutter zwischen dem 5. und 6.
Entwicklungstag; am 11.-12. Entwicklungstag ist
die Einnistung (Nidation) abgeschlossen.
Embryo
Nicht einheitlich verwendeter Begriff. Frucht von
der Kernverschmelzung bis zum Abschluss der
Organentwicklung.
Embryobiopsie
Abspaltung einer oder mehrerer Zellen von einem
Embryo in vitro.
Embryoblast
Innere Zellmasse der Blastozyste, aus der sich der
Embryo entwickelt.
Follikel
Eibläschen; Hülle der heranreifenden Eizelle im
Eierstock.
Follikelpunktion
Entnahme einer sich in einem Follikel
befindenden Eizelle mittels einer Nadel.
Gen
DNA-Abschnitt,
welcher
die
genetische
Information für eine Körperstruktur oder funktion enthält.
Genmutation
Veränderung eines Gens.
70
Genotyp
Die Gesamtheit aller Erbanlagen eines
Organismus, die den Phänotyp bestimmen.
Geschlechtschromosomen
Chromosomen, die das Geschlecht bestimmen;
Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, Männer
ein X- und ein sehr viel kürzeres Y-Chromosom
(vgl. Autosomen).
haploid
einen einfachen Chromosomensatz enthaltend.
HLA-Typisierung
Bestimmung des Typus bestimmter Strukturen
auf der Oberfläche der meisten Zellen. Diese
Oberflächenstrukturen
spielen
bei
immunologischen
Abwehrreaktionen
eine
zentrale Rolle. Vor jeder Transplantation erfolgt
eine HLA-Typisierung von Spender und
Empfänger, damit das Transplantat einem
immunologisch
kompatiblen
Empfänger
eingesetzt werden kann.
heterozygot
Ein Lebewesen ist heterozygot, wenn es an einem
bestimmten Genort zwei unterschiedliche Allele
besitzt.
homozygot
Ein Lebewesen ist homozygot, wenn es an einem
bestimmten Genort zwei gleiche Allele besitzt.
imprägnierte Eizelle
Die
befruchtete
Kernverschmelzung.
intrazytoplasmatische
Spermieninjektion
Methode der In-vitro-Fertilisation, bei der ein
Spermium mit einer Mikropipette direkt in das
Zytoplasma der Eizelle injiziert wird.
in vitro
im Reagenzglas; ausserhalb
(Gegensatz zu in vivo).
In-vitro-Fertilisation
künstliche Befruchtung ausserhalb des Körpers
der Frau.
Keimzellen
Samen- und Eizellen
monogene Erbkrankheit
Erbkrankheit, die durch eine Mutation eines
einzelnen Gens verursacht wird.
Mosaik
Individuum, das aus genetisch verschiedenen
Zellen besteht, die jedoch alle von der gleichen
Zygote abstammen.
multifaktoriell bedingte
Erkrankung
Erkrankung, die sowohl durch genetische als
auch durch umweltbedingte Faktoren verursacht
wird.
Plazenta
«Mutterkuchen», der die Versorgung des Fötus
und die Produktion verschiedener Hormone
übernimmt. Er besteht zu einem überwiegenden
Teil aus fötalen und zu einem kleinen Teil aus
mütterlichen Zellen.
Eizelle
vor
des
der
Körpers
71
Polkörper
Eine während der Reifung der Eizelle
entstehende rückgebildete Zelle, die nach kurzer
Zeit degeneriert.
Polkörperdiagnostik
Untersuchung des Polkörpers auf Genmutationen
oder Chromosomenstörungen hin.
Polyploidie
Das Vorhandensein von drei (Triploidie), vier
(Tetraploidie)
oder
mehr
kompletten
Chromosomensätzen in einer Zelle anstelle von
zwei (Diploidie).
Phänotyp
Äusseres Erscheinungsbild des Genotyps.
Präimplantationsdiagnostik
(PID)
Abspaltung und genetische Untersuchung einer
Zelle
eines
durch
In-vitro-Fertilisation
entstandenen Embryos.
Retter-Baby
Embryo, der im Rahmen eines IVF-Verfahrens
mittels PID als passender Gewebespender für ein
krankes Geschwister ausgewählt wurde und
somit diesem zur Heilung verhelfen soll.
rezessiv
Eigenschaft, die sich gegenüber einem anderen
Merkmal nicht durchsetzen kann (Gegensatz zu
dominant).
Trophoblast
Äussere Zellschicht der Blastozyste, aus der im
weiteren Verlauf der Entwicklung die
embryonalen Anteile der Plazenta hervorgehen.
X-chromosomale
Erbkrankheit
Erbkrankheit, die durch eine Genmutation auf
dem Geschlechtschromosom X verursacht wird.
Zygote
Befruchtete Eizelle nach der Vereinigung der
Zellkerne von Ei- und Samenzelle.
72
Anhang 2: Tabellen
Tabelle 1:
Erfolgsraten der einzelnen Prozessschritte im Rahmen einer IVF/PID
(Prämisse: Frischzyklus, beide Elternteile heterozygote Anlageträger für Zystische
Fibrose)
1
2
1
Eizelle
2
inseminations- 0.8124 1
fähige Eizelle
3
imprägnierte
Eizelle
4
3
4
5
6
7
8
9
1
0.7
1
Embryo im 4- 0.3
Zellen-Stadium
0.38
0.55
1
5
Embryo im 8- 0.22
Zellen-Stadium
0.28
0.4
0.72
1
6
erfolgreiche
Biopsie
0.2
0.27
0.38
0.68
0.95125 1
7
erfolgreiche
Diagnose
0.18
0.25
0.34
0.61
0.86
0.9126 1
8
transferier0.13
barer Embryo
(ohne genetischen Defekt)
0.18
0.25
0.45
0.64
0.68
0.75127 1
9
Embryo nach 0.02
erfolgreicher
Implantation
0.03
0.04
0.07
0.09
0.10
0.11
0.15
1
0.02
0.03
0.06
0.07
0.08
0.09
0.13
0.85
10 Geburt
0.56
0.01
Lesebeispiel (vgl. Schattierung): Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine
imprägnierte Eizelle von guter Qualität zu einem transferierbaren Embryo
124
Soweit nicht anders vermerkt, beruhen die Angaben in dieser Tabelle auf der Befragung
verschiedener Fortpflanzungsmedizinerinnen und -mediziner in der Schweiz im Jahre
2007. Vgl. dazu auch M. Vandervorst et al., Succesfull preimplantation genetic diagnosis
is related to the number of available cumulus-oocyte complexes, Human Reproduction,
13, 1998, S. 3169-3176.
125 A. D. Handyside, Human embryo biopsy for preimplantation genetic diagnosis, in: D. K.
Gardner et al., Textbook of Assisted Reproductive Techniques, London 2004, S. 191-199.
126 J. Murken, Pränatale Diagnostik, in: J. Murken, T. Grimm, E. Holinski-Felder (Hg.),
Humangenetik, Stuttgart 2006, S. 386 ff.
127 Bei einem autosomal rezessiven Erbgang bei zwei heterozygoten gesunden Elternteilen
beträgt die Wahrscheinlichkeit 25 %, dass ein Kind homozygot für das Defektallel ist.
73
entwickelt, beträgt 25% (= 0.55 [Wahrscheinlichkeit, dass sich eine imprägnierte
Eizelle zu einem Embryo im 4-Zellen-Stadium entwickelt] × 0.72
[Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Embryo im 4-Zellen-Stadium zu einem Embryo
im 8-Zellen-Stadium entwickelt] × 0.95 [Wahrscheinlichkeit, dass die
Embryobiopsie erfolgreich verläuft] × 0.9 [Wahrscheinlichkeit, dass die
Untersuchung der abgespaltenen Zelle zu einem Ergebnis führt] × 0.75
[Wahrscheinlichkeit, dass der Embryo nicht homozygot für das Defektallel ist]).
Tabelle 2:
Wahrscheinlichkeit (W), dass man von n imprägnierten Eizellen von guter Qualität
mindestens 1 oder 2 transferierbare Embryonen erhält, ausgehend von den Daten aus
Tabelle 1
Anzahl
1
imprägnierter
Eizellen von
guter Qualität
(n)
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
W, dass von 0.25 0.44 0.58 0.68 0.76 0.82 0.86 0.89 0.92 0.94 0.95 0.96
insgesamt n
mind. 1
transferierbar
ist128
W, dass von 0
n mind. 2
transferierbar
sind129
0.06 0.16 0.26 0.37 0.47 0.56 0.63 0.70 0.76 0.80 0.85
Lesebeispiel (vgl. Schattierung): Die Wahrscheinlichkeit, dass man von drei
imprägnierten Eizellen von guter Qualität mindestens 1 transferierbaren Embryo
erhält, beträgt 58%.
W = 1 – bn; a = 0.25 (entspricht der Wahrscheinlichkeit, mit der eine imprägnierte Eizelle
von guter Qualität sich zu einem transferierbaren Embryo entwickelt); b = 1-a
(Gegenwahrscheinlichkeit).
129 W = 1 – bn – nbn-1a; a = 0.25, b = 1-a (Gegenwahrscheinlichkeit).
128
74
ENTWURF
Bundesgesetz
über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung
(Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG)
Änderung vom ...
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom ... 1,
beschliesst:
I
Das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 19982 wird wie folgt geändert:
Art. 5
Anwendung von Fortpflanzungsverfahren
Ein Fortpflanzungsverfahren darf nur angewendet werden, wenn:
a.
damit die Unfruchtbarkeit eines Paares überwunden werden soll und die anderen Behandlungsmethoden versagt haben oder aussichtslos sind; oder
b.
die Gefahr, dass eine schwere Krankheit auf die Nachkommen übertragen
wird, anders nicht abgewendet werden kann.
Art. 5a (neu)
Untersuchung des Erbguts von Keimzellen oder von Embryonen in
vitro und deren Auswahl
1
Die Untersuchung des Erbguts von Keimzellen und deren Auswahl zur Beeinflussung des Geschlechts oder anderer Eigenschaften des Kindes sind nur zulässig,
wenn die Gefahr, dass die Veranlagung für eine schwere Krankheit übertragen wird,
anders nicht abgewendet werden kann. Vorbehalten bleibt Artikel 22 Absatz 4.
2
Die Untersuchung des Erbguts von Embryonen in vitro und deren Auswahl nach
ihrem Geschlecht oder nach anderen Eigenschaften sind nur zulässig, wenn:
a.
die Gefahr, dass sich ein Embryo mit der Veranlagung für eine schwere
Krankheit in der Gebärmutter einnistet, anders nicht abgewendet werden
kann;
b.
es wahrscheinlich ist, dass die schwere Krankheit vor dem 50. Lebensjahr
ausbrechen wird;
c.
keine wirksame und zweckmässige Therapie zur Bekämpfung der schweren
Krankheit zur Verfügung steht; und
SR 810.11
1
BBl 2010 …
2
SR 810.11
2008–......
1
Fortpflanzungsmedizingesetz
d.
AS 2008
das Paar gegenüber der Ärztin oder dem Arzt schriftlich geltend macht, dass
ihm die Gefahr nach Buchstabe a nicht zumutbar ist.
Art. 5b (neu)
Einwilligung des Paares
1
Fortpflanzungsverfahren dürfen nur angewendet werden, wenn das betroffene Paar
nach hinreichender Information und Beratung schriftlich eingewilligt hat. Sind drei
Behandlungszyklen ohne Erfolg geblieben, so ist eine erneute Einwilligung erforderlich; davor muss eine angemessene Bedenkfrist liegen (Art. 6 Abs. 3).
2
Die schriftliche Einwilligung des Paares ist auch für das Reaktivieren imprägnierter Eizellen erforderlich.
3
Besteht bei einem Fortpflanzungsverfahren das erhöhte Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft, so darf das Verfahren nur durchgeführt werden, wenn das Paar
auch mit der Geburt von Mehrlingen einverstanden wäre.
4 Das betroffene Paar ist vor jedem Verfahrensschritt auf sein Selbstbestimmungsrecht hinzuweisen.
Art. 6 Abs. 1 Einleitungssatz
1
Bevor ein Fortpflanzungsverfahren durchgeführt wird, muss die Ärztin oder der
Arzt das betroffene Paar hinreichend informieren über:
Art. 6a (neu)
Information und Beratung bei Untersuchungen des Erbguts
1
Bevor ein Fortpflanzungsverfahren mit Untersuchung des Erbguts von Keimzellen
oder Embryonen in vitro durchgeführt wird, sorgt die Ärztin oder der Arzt für eine
nichtdirektive, fachkundige genetische Beratung. Dabei muss das betroffene Paar
hinreichend informiert werden über:
a.
Häufigkeit, Bedeutung, Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs und mögliche
Ausprägungen der zu diagnostizierenden Krankheit;
b.
die sich anbietenden prophylaktischen oder therapeutischen Massnahmen;
c.
Möglichkeiten der Lebensgestaltung mit einem Kind, das von der zu diagnostizierenden Krankheit betroffen ist;
d.
Aussagekraft und Fehlerrisiko der genetischen Untersuchung;
e.
mögliche Risiken, die das Verfahren für die Nachkommen mit sich bringt;
f.
Vereinigungen von Eltern von Kindern mit Behinderungen, Selbsthilfegruppen sowie Informations- und Beratungsstellen nach Artikel 17 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 20043 über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG).
2
Die Beratung darf nur der individuellen und familiären Situation des betroffenen
Paares und nicht allgemeinen gesellschaftlichen Interessen Rechnung tragen.
3
3
2
Das Beratungsgespräch ist von der Ärztin oder dem Arzt zu dokumentieren.
SR 810.12
Fortpflanzungsmedizingesetz
Art. 6b (neu)
AS 2008
Schutz und Mitteilung genetischer Daten
Für den Schutz und die Mitteilung genetischer Daten gelten die Artikel 7 und 19
GUMG4.
Art. 7
Aufgehoben
Art. 8 Sachüberschrift, Abs. 2, 3 (neu) und 4 (neu)
Grundsätze
2
Wer bei Fortpflanzungsverfahren die Untersuchung des Erbguts von Embryonen in
vitro veranlassen will, benötigt eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit
(BAG).
3 Laboratorien, die bei Fortpflanzungsverfahren nach Artikel 5a Untersuchungen des
Erbguts durchführen, benötigen eine Bewilligung nach Artikel 8 Absatz 1 GUMG5.
4
bisheriger Absatz 2
Art. 9 Abs. 3
Aufgehoben
Art. 10a (neu) Veranlassen der Untersuchung des Erbguts von Embryonen in vitro
1
Die Bewilligung für das Veranlassen der Untersuchung des Erbguts von Embryonen in vitro wird nur Ärztinnen und Ärzten erteilt.
2
Diese müssen:
a.
über eine Bewilligung nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a verfügen;
b.
die Anforderungen nach Artikel 13 Absatz 2 GUMG6 erfüllen; und
c.
gewährleisten, dass das Verfahren und die Zusammenarbeit mit den beteiligten Laboratorien nach dem Stand von Wissenschaft und Praxis ablaufen.
Art. 11 Abs. 1
1
Personen, die eine Bewilligung nach Artikel 8 Absatz 1 haben, müssen der kantonalen Bewilligungsbehörde jährlich über ihre Tätigkeit Bericht erstatten.
Art. 11a (neu) Meldepflicht
1
Ärztinnen und Ärzte, die eine Bewilligung nach Artikel 8 Absatz 2 haben, müssen
dem BAG jeweils unmittelbar nach der Einwilligung des betroffenen Paares in die
Durchführung des Fortpflanzungsverfahrens melden:
4
5
6
SR 810.12
SR 810.12
SR 810.12
3
Fortpflanzungsmedizingesetz
AS 2008
a.
inwiefern die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Artikel 5a Absatz 2 erfüllt
sind;
b.
welche Laboratorien am Verfahren beteiligt sind.
2
Die Meldung darf keine Angaben enthalten, die auf bestimmte Personen schliessen
lassen.
3
Das Verfahren darf erst durchgeführt werden, wenn das BAG nicht innerhalb von
60 Tagen nach Eingang der Meldung anders verfügt hat.
4
Das BAG übermittelt die Daten dem Bundesamt für Statistik zur Auswertung und
Veröffentlichung.
Art. 12 Abs. 1, 2, 2bis (neu)
1
Die Bewilligungsbehörde wacht darüber, dass die Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung erfüllt bleiben und die Pflichten sowie allfällige Auflagen eingehalten werden.
2
Sie nimmt Inspektionen vor und kann dabei Grundstücke, Betriebe und Räume
betreten, unentgeltlich die erforderlichen Auskünfte und Unterlagen verlangen sowie
jede andere erforderliche Unterstützung anfordern.
2bis
Sie kann die Erfüllung von Aufsichtsaufgaben an Dritte übertragen.
Art. 14
Ausführungsbestimmungen
Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen über Erteilung und Entzug von
Bewilligungen, über die Pflichten der Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber und
über die Aufsicht.
Gliederungstitel vor Art. 14a (neu)
2a. Abschnitt: Evaluation und Förderung der Forschung
Art. 14a (neu)
Evaluation
1
Das BAG sorgt für die Evaluation der Wirkungen derjenigen Bestimmungen dieses
Gesetzes, welche die Untersuchung des Erbgutes von Embryonen in vitro und deren
Auswahl betreffen.
2
4
Die Evaluation betrifft namentlich:
a.
die Übereinstimmung der nach Artikel 11a Absatz 1 Buchstabe a gemeldeten Angaben mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Artikel 5a Absatz
2;
b.
die Praxis bei der Untersuchung und Auswahl;
c.
die Auswirkungen einer solchen Untersuchung und Auswahl auf die Gesellschaft;
d.
die Abläufe im Rahmen von Vollzug und Aufsicht.
Fortpflanzungsmedizingesetz
AS 2008
3
Das BAG und die mit der Durchführung der Evaluation beauftragte Person können
von den Inhaberinnen und Inhabern von Bewilligungen nach Artikel 8 Absatz 2 die
anonymisierte Offenlegung derjenigen Daten verlangen, die für die Evaluation
notwendig sind.
4
Das Eidgenössische Departement des Innern erstattet dem Bundesrat nach Abschluss der Evaluation, erstmals spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Änderung vom ... dieses Gesetzes, Bericht und unterbreitet Vorschläge für das weitere
Vorgehen.
5
Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.
Art. 14b (neu) Förderung der Forschung
1
Der Bund kann Forschungsprojekte zu Auswirkungen der Untersuchung des Erbgutes von Embryonen in vitro und deren Auswahl, namentlich auf die Entwicklung
von daraus hervorgegangenen Kindern, in Auftrag geben oder unterstützen.
2
Das BAG sowie Personen, die Forschungsprojekte durchführen, können von den
Inhaberinnen und Inhabern von Bewilligungen nach Artikel 8 Absatz 2 die anonymisierte Offenlegung derjenigen Daten verlangen, die für die Forschung notwendig
sind.
Art. 33
Untersuchung des Erbguts und Auswahl von Keimzellen oder Embryonen in vitro
Wer bei Fortpflanzungsverfahren das Erbgut von Keimzellen oder Embryonen in
vitro untersucht und sie nach ihrem Geschlecht oder nach anderen Eigenschaften
auswählt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 5a erfüllt sind, wird mit
Gefängnis oder mit Busse bestraft.
Art. 34 Abs. 2
2
Ebenso wird bestraft, wer ohne Bewilligung oder aufgrund einer durch unwahre
Angaben erschlichenen Bewilligung Fortpflanzungsverfahren anwendet, Keimzellen
oder imprägnierte Eizellen konserviert oder vermittelt oder Untersuchungen des
Erbguts von Embryonen in vitro veranlasst.
Art. 37 Bst. dbis (neu) und Bst. e
Mit Haft oder mit Busse bis 100 000 Franken wird betraft, wer vorsätzlich:
dbis. die Meldepflicht nach Artikel 11a Absatz 1 verletzt;
e.
aufgehoben
5
Fortpflanzungsmedizingesetz
AS 2008
Art. 38 Abs. 2 (neu)
2
Die Artikel 6 und 7 (Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben) sowie Artikel 15
(Urkundenfälschung, Erschleichen einer falschen Beurkundung) des Bundesgesetzes
vom 22. März 19747 über das Verwaltungsstrafrecht sind anwendbar.
II
Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 20048 über genetische Untersuchungen beim
Menschen wird wie folgt geändert:
Art. 35 Abs. 2 Bst. k (neu)
2
Die Expertenkommission hat insbesondere die Aufgabe:
k.
auf Anfrage der zuständigen Bundesstelle Stellung zu nehmen zu Meldungen nach Artikel 11a Absatz 1 Buchstabe a des Fortpflanzungsmedizingesetzes vom 18. Dezember 19989 (FMedG) über die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Durchführung einer genetischen Untersuchung
von Embryonen in vitro.
III
1
Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
2
Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
7
8
9
6
SR 313.0
SR 810.12
SR 810.11
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bern, 18. Februar 2009
Adressaten:
die politischen Parteien
die Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete
die Dachverbände der Wirtschaft
die interessierten Kreise
Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (Präimplantationsdiagnostik):
Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Bundesrat hat am 18. Februar 2009 das EDI beauftragt, bei den Kantonen, den
politischen Parteien, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden,
Städte und Berggebiete, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft
und den interessierten Kreisen ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.
Der Entwurf, zu dem das Vernehmlassungsverfahren durchgeführt wird, regelt - als
Folge der Annahme einer entsprechenden Motion durch National- und Ständerat die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) im Rahmen von Fortpflanzungsverfahren mit In-vitro-Fertilisation. Als PID wird im Allgemeinen die genetische Untersuchung eines extrakorporal erzeugten Embryos vor der Implantation in die Gebärmutter der Frau bezeichnet.
Mit der beantragten Regelung wird – unter Respektierung der engen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen von Art. 119 BV – das Verbot der PID im bestehenden FMedG durch eine Zulassung unter strengen Voraussetzungen ersetzt. Danach sollen diejenigen Paare eine PID in Anspruch nehmen dürfen, bei denen aufgrund ihrer Erbanlagen eine grosse Gefahr besteht, dass sie ihren Kindern die Veranlagung für eine schwere Krankheit übertragen. Mit der PID erhalten sie eine Alternative zu einer während der Schwangerschaft durchzuführenden Pränataldiagnostik
mit eventuell anschliessendem Schwangerschaftsabbruch. Gleichzeitig soll die Regelung sicherstellen, dass die Menschenwürde geschützt und Missbräuche verhindert werden.
Zu diesem Ziel beinhaltet die beantragte Regelung eine strenge Eingrenzung der
Indikationen, die die PID rechtfertigen. Demnach darf eine PID nur dann durchgeführt
werden, wenn die konkrete Gefahr nicht anders abgewendet werden kann, dass das
gewünschte Kind Träger einer bestimmten, beim Elternpaar nachgewiesenen genetischen Veranlagung für eine schwere Krankheit ist. Die Krankheit muss mit hoher
Wahrscheinlichkeit vor dem 50. Lebensjahr ausbrechen, und es darf für sie keine
zweckmässige und wirksame Therapie verfügbar sein.
Verboten bleiben damit alle Anwendungen, die der Allgemeinprävention («Screening») gegen spontan auftretende genetische Anomalien (z.B. Trisomie 21) dienen,
ebenso wie Anwendungen zum Versuch, die Erfolgsrate bei der Behandlung der Un-
fruchtbarkeit zu erhöhen. Gleichermassen verboten sind die Auswahl von Embryonen nach Gewebeeigenschaften zum Zweck einer späteren Gewebe- oder Organspende für ein krankes Geschwister (sog. «Retter-Baby») sowie alle Anwendungen
ohne Bezug zu einer Krankheit.
Weiterhin verlangt die Regelung, dass die ausführenden Ärztinnen und Ärzte eine
umfassende genetische Beratung sowie Massnahmen zur Qualitätssicherung gewährleisten. Zur Kontrolle dieser Aufgaben sieht die Regelung zusätzlich zu den geltenden Bestimmungen im FMedG und im Bundesgesetz über die genetischen Untersuchungen (GUMG) eine abgestufte Bewilligungs- und Meldeordnung vor. Insbesondere ist jedes einzelne PID-Verfahren unmittelbar nach Einwilligung des betroffenen
Paares, aber vor der Durchführung unter Angabe der Indikation dem BAG zu melden. Für die Laboratorien, die die genetische Untersuchung durchführen, gelten die
Bestimmungen des GUMG (Qualitätsanforderungen und Bewilligungspflicht).
Schliesslich enthält die Regelung Vorgaben zur Evaluation des Gesetzes und sieht
die Möglichkeit vor, mit Bundesgeldern Forschungsvorhaben zu den Auswirkungen
der PID zu unterstützen.
Wir bitten Sie höflich, Ihre Stellungnahme zum beiliegenden Vorentwurf und den dazugehörigen Erläuterungen bis zum
18. Mai 2009
an das Bundesamt für Gesundheit, 3003 Bern zu richten. Einzelheiten zum Vernehmlassungsverfahren finden Sie in der gleichnamigen Beilage.
Zusätzliche Exemplare der Vernehmlassungsunterlagen können über die Internetadresse http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/pendent.html bezogen werden. Für weitere
Fragen steht Ihnen Herr Matthias Bürgin (Tel. 031 324 85 44) oder Herr Peter Forster
(Tel. 031 322 78 98) gerne zur Verfügung.
Für Ihre Bemühungen danken wir Ihnen im Voraus bestens und versichern Sie, sehr
geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
Pascal Couchepin
Bundesrat
Beilagen:
- Vernehmlassungsentwurf und erläuternder Bericht
- Liste der Vernehmlassungsadressaten
- Einzelheiten zum Vernehmlassungsverfahren
Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (Zulassung der Präimplantationsdiagnostik)
Modification de la loi fédérale sur la procréation médicalement assistée
(diagnostique préimplantatoire); procédure de consultation
Modifica della legge federale concernente la procreazione con assistenza
medica (dignostica preimpianto); procedura di consultazione
Liste der Adressatinnen und Adressaten / Liste des destinataires / Lista dei destinatari
___________________________________________________________________________
1. Kantonsregierungen, interkantonale Organisationen und Fürstentum Liechtenstein
Gouvernements cantonaux, organisations intercantonales et Principauté du
Liechtenstein
Governi cantonali, organizzazioni intercantonali e Principato del Liechtenstein (29)
-
Kantonsregierungen
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)
Regierung des Fürstentums Liechtenstein
2. Politische Parteien / Partis politiques / Partiti politici (15)
-
Alternative Kanton Zug
BDP
Bürgerlich-Demokratische Partei Schweiz
CSP
Christlichsoziale Partei
CVP
Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz
EDU
Eidgenössisch-Demokratische Union
EVP
Evangelische Volkspartei der Schweiz
FDP
Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz
GB
Grünes Bündnis
GLP
Grünliberale Zürich
Grüne Grüne Partei der Schweiz
Lega dei Ticinesi
LPS
Liberale Partei der Schweiz
PDA
Partei der Arbeit
SP
Sozialdemokratische Partei
SVP
Schweizerische Volkspartei
3. Gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und
Berggebiete / Associations faîtières des communes, des villes et des
régions de montagne qui oeuvrent au niveau national / Associazioni
mantello nazionali dei comuni delle città e delle regioni di montagna
-
(3)
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB)
Schweizerischer Gemeindeverband
Schweizerischer Städteverband (SSV)
4. Spitzenverbände der Wirtschaft / Organisations faîtières / Associazioni economiche
centrali (8)
-
Economiesuisse - Verband der Schweizer Unternehmen
Kaufmännischer Verband der Schweiz (KV Schweiz)
Schweizerischer Arbeitgeberverband
Schweizerische Bankiervereinigung (SBV)
Schweizerischer Bauernverband (SBV)
Schweizerischer Gewerbeverband (SGV)
Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB)
Travail.Suisse
5. Organisationen und interessierte Kreise / Organisations et milieux
intéressés / Organizzazioni e cerchie interessate (125)
-
Agile, Behinderten-Selbsthilfe Schweiz
Alliance F - Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF)
Arbeits- und Forschungsstelle für Ethik, Ethikzentrum der Universität Zürich
Ärztinnen Schweiz MWS
Basler Appell gegen Gentechnologie
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne (CHUV)
Christkatholische Kirche der Schweiz
Dachverband schweizerischer Patientenstellen (DVSP)
Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz
Département interfacultaire d’éthique, Université de Lausanne
Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF)
Evangelischer Frauenbund der Schweiz (EFS)
Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP)
Friedrich Miescher Institut, Basel
Gen Suisse - Schweizer Stiftung für die Gentechnik
Geschäftsleitung des Blutspendedienstes (SRK)
H+ Die Spitäler der Schweiz
Hôpitaux Universitaires de Genève
Human Life International Schweiz (HLI)
Inselspital Bern
Institut de droit de la santé de l’Université de Neuchâtel
Institut für Sozialethik der Universität Luzern (ISE)
Institut für Sozialethik der Universität Zürich
Institut für Sozialethik des schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
Institut Interdisciplinaire d’éthique et des Droits de l’Homme, Université de
Fribourg
-
Institut Suisse de Recherche expérimentale sur le Cancer (ISREC)
International Breast Cancer Study Group, IBCSG Coordinating Center
Interpharma
Kantonsapothekervereinigung (KAV)
Kollegium für Hausarztmedizin (KHM)
Konferenz der Direktorinnen und Direktoren der Institute für Psychologie der
Schweiz (KDIPS)
Lungenliga Schweiz LLS
Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK)
Public Health Schweiz
santésuisse – Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer
Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Verband (SPV)
Schweizer Bischofskonferenz (SBK)
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)
Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SANW)
Schweizerische Akademie der technischen Wissenschaften (SATW)
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Patienteninteressen (SAPI)
Schweizerische Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK)
Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG)
Schweizerische Ärztegesellschaft für Psychotherapie
Schweizerische Ethnologische Gesellschaft (SEG)
Schweizerischer Gemeinnütziger Frauenverein (SGF)
Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI)
Schweizerische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM)
Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation (SGAR)
Schweizerische Gesellschaft für biomedizinische Ethik (SGBE)
Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie (SGCI)
Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie (SGC)
Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED)
Schweizerische Gesellschaft für Gefässchirurgie (SGG)
Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP)
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)
Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH)
Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie
Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin (SGIM)
Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI)
Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie (SGK)
Schweizerische Gesellschaft für klinische Chemie (SGKC)
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Genetik (SGMG)
Schweizerische Gesellschaft für Mikrobiologie (SGM)
Schweizerische Gesellschaft für Nephrologie
Schweizerische Gesellschaft für Neurochirurgie
Schweizerische Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (SGO)
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Schweizerische Gesellschaft für Pathologie (SGPath)
Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie
Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGP)
Schweizerische Gesellschaft für Psychologie (SGPP)
Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM)
Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM)
-
-
Schweizerische Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen Labor
(QUALAB)
Schweizerische Union für Laboratoriumsmedizin (SULM)
Schweizerischer Berufsverband der diplomierten biomedizinischen Analytikerinnen
und Analytiker (labmed)
Schweizerischer Invalidenverband (SIV)
Schweizerischer Katholischer Frauenbund (SKF)
Schweizerische Medizinische Interfakultätskommission (SMIFK)
Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft (SOG)
Schweizerische Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen
(SVNP)
Schweizerische Vereinigung der Pflegedienstleiterinnen und -leiter
Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter
Schweizerische Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren (SVS)
Schweizerische Vereinigung der Elternvereine für geistig Behinderte (insieme)
Schweizerische Vereinigung für Transfusionsmedizin (SVTM)
Schweizerische Vereinigung Klinischer Psychologinnen und Psychologen (SVKP)
Schweizerischer Apothekerverband (SAV)
Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK)
Schweizerischer Berufsverband Technischer Operationsfachfrauen/
Operationsfachmänner (SBVTOA)
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund (SEK)
Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG)
Schweizerischer Juristenverein
Schweizerischer Katholischer Frauenbund SKF
Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
(SNF)
Schweizerischer Verband der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen (SVBG)
Schweizerischer Verband der Diagnostica- und Diagnostica-Geräte-Industrie
(SVDI)
Schweizerischer Verband der Leiter Medizinisch-Analytischer Laboratorien
(FAMH)
Schweizerischer Verband für Frauenrechte (SVF)
Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer
(SVK)
Schweizerischer Wissenschafts- und Technologierat (SWTR)
Schweizerisches Institut für angewandte Krebsforschung (SIAK)
Spitex Verband Schweiz
Stiftung für humanwissenschaftliche Grundlagenforschung (SHG)
Stiftung GEN SUISSE
Stiftung Schweizerische Patienten- und Versicherten Organisation (SPO)
Swiss Society for Research in Surgery
Union schweizerischer Gesellschaften für experimentelle Biologie (USGEB)
Union schweizerischer komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen
Unité de recherche et d’enseignement en bioéthique, Université de Genève
Universität Basel
Universität Bern
Universität Zürich
Université de Fribourg / Universität Freiburg
Université de Genève
Université de Lausanne
Université de Neuchâtel
-
Universitätsspital Basel
Universitätsspital Zürich
Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte (VSAO)
Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)
Verein Forschung für Leben
Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz (VIPS)
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit
Änderung des
Fortpflanzungsmedizingesetzes
(Zulassung der Präimplantationsdiagnostik)
Ergebnis der Vernehmlassung
(19. Februar bis 18. Mai 2009)
Mai 2010
Inhaltsverzeichnis
1
Ausgangslage
3
2
Zusammenfassung der Ergebnisse
3
2.1
Beurteilung des Entwurfs im Überblick .....................................................................................3
2.2
Die einzelnen Positionen ..........................................................................................................4
2.2.1
Nein zur PID, nein zur Vorlage .................................................................................................4
2.2.2
Ja zur PID, nein zur Vorlage.....................................................................................................5
2.2.3
Zustimmung zur Vorlage unter einzelnen Vorbehalten ............................................................5
2.2.4
Umfassende Zustimmung zur Vorlage .....................................................................................5
2.2.5
Tabellarische Darstellung der einzelnen Positionen.................................................................6
3
Stellungnahmen zu den einzelnen Bestimmungen der Vorlage
3.1
Indikationen (Art. 5 und 5a) ......................................................................................................7
3.1.1
Artikel 5 .....................................................................................................................................7
3.1.2
Artikel 5a ...................................................................................................................................7
3.2
Information und Beratung (Art. 6 und 6a) .................................................................................9
3.3
Bewilligungs- und Meldewesen, Aufsicht (Artikel 8, 10a, 11, 11a, 12, 14).............................10
3.3.1
Bewilligungsbehörde (Artikel 8) ..............................................................................................11
3.3.2
Bewilligungsvoraussetzungen (Artikel 10a)............................................................................11
3.3.3
Meldepflicht (Artikel 11a) ........................................................................................................11
3.3.4
Aufsicht (Artikel 12).................................................................................................................12
3.3.5
Ausführungsbestimmungen (Artikel 14)..................................................................................12
3.4
Evaluation und Förderung der Forschung (Art. 14a und 14b) ................................................13
3.4.1
Evaluation (Art. 14a) ...............................................................................................................13
3.4.2
Förderung der Forschung (Art. 14b) .......................................................................................13
3.5
Strafbestimmungen (Art. 33 ff.)...............................................................................................13
3.6
Expertenkommission für genetische Untersuchungen beim Menschen (Art. 35
Abs. 2 Bst. k (neu) GUMG).....................................................................................................14
4
Weitere Bemerkungen
4.1
Aufhebung der Dreier-Regel (Art. 17 Abs. 1) .........................................................................14
4.2
Aufhebung des Verbots der Kryokonservierung von Embryonen (Art. 17 Abs. 3) .................15
4.3
Änderung von Artikel 119 BV..................................................................................................15
4.4
Beschränkung der Anzahl Zentren .........................................................................................16
4.5
Übernahme der Kosten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ......................17
4.6
Varia........................................................................................................................................17
5
Anhänge
5.1
Anhang 1: Verzeichnis der Abkürzungen der Vernehmlassungsteilnehmenden ...................18
5.2
Anhang 2: Liste der Vernehmlassungsadressaten.................................................................21
7
14
18
2
1
Ausgangslage
Die Präimplantationsdiagnostik (PID, Untersuchung eines durch künstliche Befruchtung
(In-vitro-Fertilisation, IVF) erzeugten Embryos auf genetische Defekte hin vor dessen
Einpflanzung in die Gebärmutter) ist in der Schweiz gemäss Artikel 5 Absatz 3
Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) seit 2001 verboten. 1 Im Jahre 2005 stimmten
beide Kammern einer Motion der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung
und Kultur zu, welche den Bundesrat mit der Ausarbeitung einer gesetzlichen Regelung
zur Zulassung der PID beauftragte. 2
Am 18. Februar 2009 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Änderung des
FMedG betreffend der Zulassung der PID. Nebst den Kantonen, zwei interkantonalen
Organisationen und dem Fürstentum Liechtenstein wurden 15 Parteien, drei
gesamtschweizerische Dachverbände (Gemeinden, Städte und Berggebiete), acht
Spitzenverbände der Wirtschaft sowie 125 Organisationen und interessierte Kreise zur
Stellungnahme eingeladen. Auf ihr Ersuchen hin wurden zudem zwei weiteren politischen
Parteien sowie 22 Organisationen bzw. interessierten Kreisen die Vernehmlassungsunterlagen zugestellt. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 18. Mai 2009.
2
Zusammenfassung der Ergebnisse
2.1
Beurteilung des Entwurfs im Überblick
Von den insgesamt 204 Adressaten äussern sich 92 inhaltlich zur Vorlage; zehn
Adressaten, darunter vier Kantone, verzichten explizit auf eine Stellungnahme (GL, OW,
SH, UR, KVS, QUALAB, SAV, SNF, SSV, SULM).
Die Stellungnahmen lassen sich vereinfacht vier verschiedenen Positionen zuordnen.
Eine erste Position, die von 22% der Vernehmlassungsteilnehmenden vertreten wird,
spricht sich sowohl gegen die vorgeschlagene Gesetzesänderung als auch gegen die
Zulassung der PID in der Schweiz aus (vgl. 2.2.1). Eine zweite Position befürwortet
grundsätzlich die Zulassung der PID in der Schweiz; sie bringt aber gewichtige Einwände
gegen die Gesetzesänderung vor, so dass sie die Vorlage insgesamt ablehnt (vgl. 2.2.2).
Diese Position wird von 50% bzw. der Hälfte der Teilnehmenden eingenommen. Eine
dritte Position, die etwa 15% der Teilnehmenden beziehen, stimmt der Vorlage unter
bestimmten Vorbehalten zu (vgl. 2.2.3). Eine vierte, von 13% der Teilnehmenden
vertretene Position, bejaht die Vorlage vorbehaltlos (vgl. 2.2.4).
In der Summe sprechen sich rund 80% der Teilnehmenden grundsätzlich für die
Zulassung der PID in der Schweiz aus. Von diesen sprechen sich indessen nur etwa 15%
vorbehaltlos für die Vorlage aus. Während sowohl die Kantone als auch die Parteien sehr
unterschiedliche Positionen einnehmen, beziehen die Akademien, Fachgesellschaften,
Universitäten und Spitäler überwiegend die zweite Position (ja zur PID, nein zur Vorlage).
Demgegenüber sprechen sich kirchliche Organisationen mehrheitlich für die erste
Position aus (nein zur PID, nein zur Vorlage).
1
Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG, SR
810.11.
2
Motion 04.3439; Wortlaut der Motion vom 2. September 2004: „Der Bundesrat wird beauftragt, eine Regelung
vorzulegen, welche die Präimplantationsdiagnostik ermöglicht und deren Rahmenbedingungen festlegt.“
3
2.2
Die einzelnen Positionen
2.2.1
Nein zur PID, nein zur Vorlage
20 Vernehmlassungsteilnehmende sprechen sich explizit gegen die Zulassung der PID in
der Schweiz und somit gegen die vorgeschlagene Gesetzesänderung aus (LU, VS, CVP,
EVP, KVP, Anthro, ASDV, BAgGT, BK-SBK, HLI, HPI-J, HPI-S, JazL, Mamma, SEK,
SWK, Uni-BE-t, UNION, VFG, VKAS). Während einige Teilnehmende betonen, die PID
sei nicht mit der Menschenwürde vereinbar, warnen andere vor negativen Auswirkungen
auf die Gesellschaft.
10 Vernehmlassungsteilnehmende halten ausdrücklich fest, dass die PID gegen die
Menschenwürde resp. gegen das Recht auf Leben verstosse (VS, EVP, KVP, ASDV, BKSBK, JazL, Mamma, SEK, VKAS, Uni-BE-t). Sie fordern die Anerkennung der
Menschenwürde von Embryonen und die Gewährleistung deren Lebensschutzes. LU
stört sich daran, dass bei der PID die „gezielte Verwerfung und Eliminierung von
Embryos in Kauf genommen“ werde.
BAgGT und Mamma weisen darauf hin, dass die PID ein experimentelles Verfahren
darstelle, so dass derzeit keine Aussagen über mögliche Langzeitschäden gemacht
werden könnten. Indessen gäbe es Hinweise darauf, dass Embryonen nach einer
erfolgten Zellabspaltung sich schlechter in die Gebärmutter einnisten würden.
9 Vernehmlassungsteilnehmer warnen vor gravierenden sozialen Auswirkungen infolge
der fortschreitenden Medikalisierung der Fortpflanzung (LU, CVP, BAgGT, HLI, HPI-J,
HPI-S, JazL, Mamma, SWK). So wird zum einen befürchtet, dass genetisch belastete
Paare in Zukunft nicht mehr frei darüber entscheiden könnten, ob sie eine PID
durchführen möchten. Zum anderen wird vorgebracht, Eltern mit einem Kind mit einer
Behinderung müssten sich zusehends den Vorwurf gefallen lassen, ein solches Kind
hätte „verhindert“ werden können. Schliesslich wird angeführt, dass infolge der PID
kranke Menschen oder Menschen mit Behinderungen zunehmend diskriminiert würden.
Dabei wird vor einer Entsolidarisierung der Gesellschaft gewarnt.
BAgGT, BK-SBK, CVP, Mamma, JazL und SWK befürchten weiter eine Ausweitung des
Anwendungsgebiets der PID. Eine Eingrenzung der PID auf „schwere Krankheiten“ sei
nicht durchführbar, wie die internationale Praxis der letzten Jahre deutlich aufzeige. Der
Begriff „schwere Krankheit“ könne nicht objektiv definiert werden und sei deshalb als
Einschränkungskriterium unbrauchbar (BAgGT). Die PID öffne der Eugenik Tür und Tor
(BK-SBK, SWK) resp. dem Bestreben, Embryonen in vitro einer Selektion nach immer
mehr Eigenschaften zu unterwerfen (Mamma).
BAgGT bezweifelt grundsätzlich die Verfassungskonformität der PID. Er weist darauf hin,
dass gemäss Artikel 119 BV Embryonen sofort (nach Befruchtung) implantiert werden
müssten. Nach dieser Lesart wäre demzufolge eine vorgängige genetische Untersuchung
verfassungswidrig.
4
2.2.2
Ja zur PID, nein zur Vorlage
46 Stellungnahmen befürworten grundsätzlich die Zulassung der PID, lehnen die Vorlage
aber ab, weil sie mit mindestens einem der nachfolgend unter Ziffer 1 und 2 ausgeführten
zentralen Regelungsinhalte nicht einverstanden sind (AG, BS, GE, JU, SG, SZ, TI, VD,
FDP, Grüne, SP (Minderheit), CVP-Frauen, AWS, BA-Uni ZH, CP, CPMA, EZ, FfL, FMH,
Gen, GUMEK, H+, IMG, Insel, Interpharma, KHM, Kiwu, NEK, Procrea, SGGG, SGGG-H,
SGMG, SGP, SGRM, SKB, SMV, SPO, SWTR, Uni BE-m, Uni GE, UNIL, Uni NE, Uni
ZH, Viollier, VLSS, VSAO):
1. Beibehaltung der Regel, gemäss welcher höchstens drei Embryonen pro
Fortpflanzungszyklus erzeugt werden dürfen (Dreier-Regel), sowie Beibehaltung des
Verbots der Kryokonservierung von Embryonen. Gemäss den ablehnenden
Stellungnahmen lassen diese Rahmenbedingungen eine medizinisch sinnvolle
Durchführung der PID nicht zu. Sie fordern deshalb die Aufhebung der Dreier-Regel
und/oder des Verbots der Kryokonservierung von Embryonen (vgl. 4.1 und 4.2).
Knapp die Hälfte davon weist ausdrücklich darauf hin, dass deshalb Artikel 119 BV
revidiert werden müsse (vgl. 4.3).
2. Zulässige Indikationen. Diese seien zu restriktiv formuliert. Häufig wird dabei
verlangt, die Zulässigkeit bei der PID gleich zu regeln wie bei der Pränataldiagnostik
(PND). Gefordert wird zudem die Zulassung des Aneuploidie-Screenings, sei dies
nun zur Unterstützung der Unfruchtbarkeitsbehandlung oder für fruchtbare Paare in
fortgeschrittenem Alter. Teilweise wird auch die Zulässigkeit der PID zur Auswahl
immunkompatibler Embryonen gewünscht, namentlich für eine spätere Blutstammzellspende für ein krankes Geschwister (vgl. 3.1.2).
Die Mehrheit dieser Stellungnahmen äussert darüber hinaus Vorbehalte zu anderen
Regelungsinhalten, vor allem zum Bewilligungswesen (vgl. 3.3) bzw. zur Meldepflicht
(vgl. 3.3.3). Einzelne fügen zudem an, dass der Entwurf der Tendenz hin zu liberaleren
Regelungen zuwiderlaufe, und verweisen dabei auf neuere Volksentscheide im Bereich
der Biomedizin (FDP, AWS, Gen, SWTR, Uni GE, Viollier).
2.2.3
Zustimmung zur Vorlage unter einzelnen Vorbehalten
14 Stellungnahmen stimmen der Vorlage grundsätzlich zu, sind aber mit einzelnen
Bestimmungen nicht einverstanden (AI, BL, FR, SO, TG, ZH, CSP, CCVEM, insieme,
ISE, KVEB, SGAR, SKF, VKS). Die Vorbehalte betreffen zumeist das Bewilligungsverfahren, namentlich die für jedes einzelne PID-Verfahren vorgesehene Meldepflicht. Diese
wird als zu bürokratisch eingestuft. Dabei verweisen die Stellungnahmen namentlich
darauf, dass weder bei der PND noch beim Schwangerschaftsabbruch ein solches
Verfahren zur Anwendung komme. Die meisten dieser Stellungnahmen erachten eine
jährliche Berichterstattung als ausreichend.
2.2.4
Umfassende Zustimmung zur Vorlage
12 Stellungnahmen sind mit der Vorlage einverstanden, ohne Vorbehalte zu äussern (BE,
GR, NW, ZG, SP, SVP, DOK, Procap, ProInf, SGIM, SIG, VGBPND). Mehrere von ihnen
machen dabei deutlich, dass sie der PID nur solange zustimmen können, als weder die
Rahmenbedingungen noch die zulässigen Indikationen erweitert werden.
5
2.2.5
Tabellarische Darstellung der einzelnen Positionen
Zustimmung
zur Vorlage
Kantone
BE; GR; NW;
ZG
Zustimmung
zur Vorlage
mit
Vorbehalten
AI; BL; FR;
SO; TG; ZH
Parteien
SP 3 , SVP
CSP
Akademien,
Fachgesellschaften,
Universitäten,
Spitäler
SGIM
SGAR; VKS
ProInf; DOK;
Procap
insieme;
KVEB
CCVEM; ISE
Wirtschaftsverbände
Patientenorganisationen
Ethikkommissionen und –
Institute
Kirchliche Organisationen
Einzelpersonen
Weitere
Organisationen
und
Firmen
Total
SIG
Ja zur
Nein
Vorlage
PID,
zur
AG; BS; GE;
JU; SG; SZ; TI;
VD
FDP; Grüne 4 ;
CVP-Frauen
AWS; BA-Uni
ZH; CPMA;
GUMEK; FMH;
H+; IMG; Insel;
KHM; SGGG;
SGMG; SGP;
SGRM; SMV;
Uni-BE-m; Uni
GE; UNIL; Uni
NE; Uni ZH;
VLSS; VSAO
CP;
Interpharma
Kiwu; SPO
Nein zur PID,
Nein
zur
Vorlage
LU; VS
CVP; EVP;
KVP
HPI-J, HPI-S,
Uni-BE-t;
UNION
EZ; NEK
SKF
BK-SBK; SEK;
SWK; VFG;
SGGG-H
VGBPND
12
FfL; Gen;
Procrea; SKB;
SWTR; Viollier
14
46
3
Anthro; ASDV;
BAgGT; HLI;
JazL; Mamma;
VKAS
20
Die SP weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass eine starke Minderheit eine abweichende Meinung
vertritt. Die abweichende Meinung der Minderheit wäre in dieser Tabelle unter "Ja zur PID, Nein zur Vorlage"
einzustufen.
4
Die Grünen weisen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass eine starke Minderheit eine abweichende Meinung
vertritt. Die abweichende Meinung der Minderheit wäre in dieser Tabelle unter "Nein zur PID, Nein zur Vorlage"
einzustufen.
6
3
Stellungnahmen zu den einzelnen Bestimmungen
der Vorlage
3.1
Indikationen (Art. 5 und 5a)
3.1.1
Artikel 5
Art. 5 Bst. b
GUMEK verlangt die Streichung des Adjektivs "schwer"; die Fortpflanzungsverfahren
sollten auch zur Verhinderung der Übertragung einer nicht gravierenden Erbkrankheit
zugelassen werden.
3.1.2
Artikel 5a
Absatz 1
TI moniert, der Gesetzestext suggeriere indirekt, dass nicht nur Embryonen, sondern
auch Keimzellen einen intrinsischen Wert hätten. Dies sei jedoch inadäquat.
ZH, CPMA, IMG, SGGG, SGRM und Uni ZH wollen die Zulässigkeit der
Polkörperdiagnostik im Gesetz klar verankern.
CPMA hält die Formulierung "wenn die Gefahr (...) nicht anders abgewendet werden
kann" für nicht adäquat, weil im Anschluss an die Untersuchung des Erbgutes von
Keimzellen immer auch noch eine PND möglich sei. SGMG würde aus dem gleichen
Grund Absatz 1 ergänzen mit "sind alternativ zur Pränataldiagnostik nur zulässig,
wenn...".
SKF schlägt vor, die Formulierung "nach ihrem Geschlecht oder nach anderen
Eigenschaften" zu streichen.
Absatz 2
Allgemeines
Von den 72 Vernehmlassungsteilnehmenden, welche sich grundsätzlich für die
Zulassung der PID aussprechen, äussern sich 44 zu Artikel 5a Absatz 2. Zur Hauptsache
fordern sie die Angleichung der PID-Regelung an die Regelung der PND resp. eine
Ausweitung des Anwendungsgebietes der PID.
18 Stellungnehmende (FDP, SP (Minderheit), AWS, EZ, FfL, Gen, GUMEK, H+, Insel,
Interpharma, Kiwu, SGGG, SGRM, SWTR, Uni BE-m, Uni GE, UNIL, Viollier) verlangen,
dass die PID unter vergleichbaren Voraussetzungen wie die PND zulässig sein soll.
Sowohl das geltende PID-Verbot als auch die vorgeschlagene PID-Regelung seien
inkohärent zur Regelung der PND. Es sei unverständlich, weshalb die Regelung der PID
restriktiver als diejenige der PND sein soll.
FR, SO, Grüne und SPO sprechen sich für eine Liste mit Krankheiten aus, die mittels PID
diagnostiziert werden dürfen. Sie argumentieren, dass eine solche Liste Klarheit schaffen
würde. Gegen eine Liste äussern sich AG, TI, FDP, Insieme, NEK, Procrea, UNIL und
VGBPND. Sie führen u.a. an, dass eine solche Liste zwangsläufig unvollständig sei und
überdies stigmatisierend wirke.
7
9 Teilnehmende (BS, FMH, GUMEK, IMG, NEK, Procrea, SGMG (Anschluss an NEK),
VLSS, VSAO) sprechen sich für die Zulassung der PID für infertile Paare aus. Die
Unterstützung der Unfruchtbarkeitsbehandlung mittels des Aneuploidie-screenings
entspreche
der
in
Artikel
5
Buchstabe
a
formulierten
Zielsetzung,
Fortpflanzungsverfahren zur Behandlung von Unfruchtbarkeit einzusetzen (NEK). Zudem
dürfe der Umstand, dass in jüngster Zeit verschiedene Studien auf die fehlende
Wirksamkeit des Aneuploidie-screenings bei der Unfruchtbarkeitsbehandlung
hingewiesen haben, kein Grund dafür sein, das Aneuploidie-screening zu verbieten
(GUMEK).
Des Weiteren beantragen 12 Teilnehmende (SG, FDP, FfL, FMH, Gen, GUMEK, Kiwu,
SGGG, SGRM, Viollier, VLSS, VSAO), das Aneuploidie-screening für fruchtbare Paare in
fortgeschrittenem Alter zu erlauben. SG fordert dies explizit für Frauen ab 35 Jahren.
Darüber hinaus verlangen weitere 8 Teilnehmende (SO, KHM, NEK, SGGG-H, SGMG,
SKB, SWTR, Uni NE), das Aneuploidie-screening ohne Einschränkungen zuzulassen.
ZH, BA-Uni ZH und EZ regen an, die Zulassung des Aneuploidie-screenings nochmals
vertieft zu überprüfen.
12 Teilnehmde (BS, TI, AWS, GUMEK, Insel, Interpharma, NEK, SGMG (Anschluss an
NEK), SGP, SKB, SWTR, Uni BE-m) beantragen die PID zur Auswahl immunkompatibler
Embryonen (Retter-Baby) unter bestimmten Voraussetzungen zu erlauben (z.B. nach
Zustimmung eines Ethikrates [BS]). BA-Uni ZH und EZ regen an, die Zulässigkeit dieser
Indikation zumindest nochmals zu überprüfen.
UNIL beantragt einen neuen Absatz 3, welcher dem Bundesrat die Kompetenz erteilt, die
Regeln der Good Medical Practice im Bereich der PID in einer Verordnung festzuhalten.
Gegen eine Ausweitung der Anwendungsgebiete, indessen nicht gegen den Entwurf als
solchen, sprechen sich ausdrücklich 14 Vernehmlassungsteilnehmende aus (AI, BE, GR,
SZ, CSP, SP (Mehrheit), SVP, DOK, Insieme, KVEB, Procap, Pro Infirmis, SKF,
VGBPND). SZ betont insbesondere seine ablehnende Haltung gegenüber der PID zur
Auswahl von immunkompatiblen Embryonen.
Bemerkungen zu den einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen
CCVEM und SKF schlagen vor, in Artikel 5a Absatz 2 "nach ihrem Geschlecht oder nach
anderen Eigenschaften" zu streichen.
Absatz 2 Buchstabe a
6 Teilnehmende (KVP, Anthro, BAgGT, HPI-J, HPI-S, Mamma) halten den Begriff
"schwere Krankheit" für zu unbestimmt. BAgGT weist darauf hin, dass der Begriff
grundsätzlich nicht definierbar sei und betrachtet ihn als Einschränkungskriterium für
unbrauchbar. Insieme weist auf die Schwierigkeit hin, den Schweregrad einer Krankheit
allgemein zu bestimmen. FR fordert die Präzisierung des Begriffs auf Verordnungsstufe.
GUMEK, Insel und Uni BE-m plädieren für die Streichung des Adjektivs "schwer"; sie sind
der Auffassung, man solle analog zur Regelung der PND nicht nur schwere
Erbkrankheiten nachweisen dürfen, sondern darüber hinaus auch weniger gravierende.
Zudem sei eine Abgrenzung zwischen einer schweren und einer nicht schweren
Erbkrankheit kaum möglich (GUMEK).
8
Absatz 2 Buchstabe b
20 Vernehmlassungsteilnehmende sprechen sich gegen den Artikel 5a Absatz 2
Buchstabe b aus bzw. verlangen dessen Aufhebung (AG, TI, FDP, KVP, ASDV, CPMA,
EZ, FfL, Gen, GUMEK, Insel, ISE, Kiwu, NEK, SGMG, SGP, SGRM, SKB, Uni BE-m,
Viollier). Die darin festgeschriebene 50-Jahr-Grenze sei arbiträr (KVP, GUMEK, NEK)
resp. diskriminierend (GUMEK). UNIL schlägt vor, anstelle der 50-Jahr-Grenze im Gesetz
festzuschreiben, dass nur Erbkrankheiten mit einer signifikanten Manifestationswahrscheinlichkeit diagnostiziert werden dürfen.
Mamma fordert eine Altersgrenze von 25 Jahren.
Absatz 2 Buchstabe c
FDP, Kiwu, SGMG und SKB verlangen ausdrücklich die Streichung dieser Bestimmung.
Laut Kiwu wäre eine Beurteilung der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit einer Therapie
enorm schwierig. BS schlägt die Ergänzung vor, dass die wirksame und zweckmässige
Therapie eine normale Lebenserwartung garantieren müsse. Insieme hält fest, dass für
die meisten Erbkrankheiten keine kausale (wirksame) Therapie zur Verfügung stehe;
genetische Störungen seien in der Regel nicht therapierbar, jedoch deren
Begleiterscheinungen. Sie schlägt daher vor, Buchstabe c folgendermassen zu ergänzen:
„keine wirksame und zweckmässige Therapie zur Bekämpfung der schweren Krankheit
und der Beschwerden, die mit ihr einher gehen, zur Verfügung steht".
Absatz 2 Buchstabe d
BS fordert die Streichung von Buchstabe d, da die Beratungspflicht in Artikel 6a dem
Erfordernis der Geltendmachung der Unzumutbarkeit genügend Rechnung trage. CPMA
verlangt ebenfalls die Streichung von Buchstabe d und schlägt stattdessen einen neuen
Artikel 6a Absatz 4 vor, gemäss welchem die genetische Untersuchung von Keimzellen
oder Embryonen der schriftlichen Zustimmung der betroffenen Paare unterliegt. Für HPIJ und HPI-S fehlen Kriterien zur Bestimmung der Unzumutbarkeit.
3.2
Information und Beratung (Art. 6 und 6a)
Grundsätzliche Bemerkungen
FDP, AWS, GUMEK, Insel, SWTR, Uni BE-m, Uni GE und UNIL wünschen eine
Regelung der Information und Beratung analog zu den Regeln im Gesetz über
genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) 5 .
AG, SGGG und SGRM möchten das Aneuploidie-screening zulassen und für dieses die
genetische Beratung nur fakultativ vorschreiben.
Für ASDV sind Artikel 6 und 6a unpraktikabel. Sie bringt vor, dass ein Arzt unmöglich
über sämtliche relevanten Aspekte informieren könne, dazu müsste er gleichzeitig Arzt,
Wirtschaftsexperte, Sozialarbeiter und Psychologe sein und in allen Bereichen stets über
die neusten wissenschaftlichen Errungenschaften informiert sein. Ausserdem sei
Information ohne Beeinflussung nicht möglich.
Das individualisierte Verständnis von Krankheit und Behinderung ist gemäss HPI-J und
HPI-S veraltet und die Begriffe "Krankheit" und "Behinderung" sollten nicht vermischt
werden.
5
Vom 8. Oktober 2004, SR 810.12
9
Zur Person, welche für die Durchführung der Information bzw. Beratung zuständig
ist
FR wünscht den Beizug eines Spezialisten in medizinischer Genetik.
H+ und UNIL schlagen betr. Artikel 6a Absatz 3 vor, dass nicht die Ärztin oder der Arzt,
sondern die beigezogene Fachexpertin resp. der beigezogene Fachexperte das
Beratungsgespräch dokumentieren solle, namentlich die wichtigsten inhaltlichen Punkte
und Ergebnisse.
SKF verlangt, bei der Beratung eine Fachperson aus dem sozialpsychologischen Bereich
beizuziehen und die Beratung ganzheitlich auszugestalten.
UNIL verlangt, dass die Ärztin oder der Arzt, welcher zwar die PID veranlasst, aber das
Beratungsgespräch nicht selber durchführt, anlässlich des Beratungsgesprächs mit der
Fachexpertin resp. dem Fachexperten anwesend sein solle.
Zum Inhalt der Beratung
Einzelne Stellungnahmen betreffen den Wortlaut der relevanten Bestimmungen: BS
verlangt die Streichung des Begriffs "nichtdirektiv" in der Beratung sowie der
Formulierung "und nicht allgemeinen gesellschaftlichen Interessen Rechnung tragen",
weil diese ein Misstrauensvotum gegenüber der Ärzteschaft ausdrücken. FDP verlangt
die Streichung des Begriffs "hinreichend", HLI verlangt, ihn durch "sorgfältig" zu ersetzen
und Artikel 7 zu belassen.
Andere Stellungnahmen schlagen weitere Inhalte vor, die in die Beratung einbezogen
werden sollten: CSP wünscht, die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten durch den
Staat und die Gesellschaft in der Information des betroffenen Paares zu berücksichtigen.
CCVEM schlägt vor, bei Buchstabe d anzufügen "wie Unsicherheiten und Risiken, die
sich aus der Entnahmemethode des genetischen Materials am Embryo ergeben". Insel
und Uni BE-m beantragen, die Alternativen "Pränatale Diagnostik und
Schwangerschaftsabbruch" im Rahmen der Beratung aufzuzeigen. Kiwu fordert, dass die
Beratung auch die "Belastungen für die Schwangere, für das Kind und Erwachsene durch
die zu diagnostizierende Krankheit" umfasse, sowie die Information über Vereinigungen
von betroffenen Paaren.
Gemäss KHM sollen die zuständigen Fachpersonen die Beratung dem konkreten Fall
anpassen, weshalb ihr Inhalt nicht im Gesetz festzuschreiben sei.
Weitere Bemerkungen
CPMA würde Artikel 5a Absatz 2 Buchstabe d streichen und stattdessen bei Artikel 6a
folgenden Absatz 4 einfügen: "Die genetische Untersuchung von Keimzellen oder
Embryonen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Paares."
UNIL schlägt in Artikel 6 Absatz 3 und in Artikel 6a Absatz 3 vor, dem betroffenen Paar
anlässlich des Beratungsgesprächs zwei Formulare abzugeben, eines für die Information
und eines für die Einwilligung.
3.3
Bewilligungs- und Meldewesen, Aufsicht (Artikel 8, 10a, 11, 11a, 12, 14)
42 Vernehmlassungsteilnehmende äussern sich kritisch zum Vollzug der PID-Regelung
(AG, AI, BL, BS, GE, JU, SO, TG, TI, ZH, FDP, CVP-Frauen, Grüne, SVP, ASDV, AWS,
CPMA, CP, FfL, FMH, Gen, GUMEK, HLI , H+, Insel, Interpharma, KHM, Kiwu, Mamma,
NEK, SGMG, SGRM, SKB, SWTR, SMV, Uni BE-m, Uni GE, Uni NE, Viollier, VKS,
10
VLSS, VSAO). Sie bringen zur Hauptsache vor, dieser sei im Vergleich zu Verfahren in
ähnlichen Bereichen (GUMG, Schwangerschaftsabbruch) unverhältnismässig streng und
trage dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen nicht genügend Rechnung. ASDV
erachtet den Vollzug als ungeeignet und ineffizient.
3.3.1
Bewilligungsbehörde (Artikel 8)
BL und VKS erachten eine Zweiteilung des Bewilligungsverfahrens als unpraktisch, beide
Bereiche (IVF und PID) sollen entweder vom Bund oder von den Kantonen vollzogen
werden. HLI möchte die bestehende IVF-Aufsicht generell dem Bund unterstellen.
Demgegenüber bevorzugt CP aufgrund des Subsidiaritätsprinzips einen rein kantonalen
Vollzug. KHM wünscht, dass der Vollzug von einer Begleitkommission unterstützt wird.
GE findet eine Bundesbewilligung gemäss Absatz 2 zusätzlich zur kantonalen IVFBewilligung nach Absatz 1 Buchstabe a überflüssig. TG schlägt vor, die Zuständigkeit
gemäss Absatz 2 der NEK anstelle dem BAG zu übertragen. Auch für H+ ist die NEK die
richtige Instanz zur Aufsicht und Qualitätssicherung.
H+, Insel und Uni BE-m begrüssen eine Bewilligungspflicht für Reproduktionskliniken und
PID-Labors sowie stichprobeartige Kontrollen. Auch FMH unterstützt eine
Bewilligungspflicht für Ärztinnen und Ärzte sowie Laboratorien im Zusammenhang mit der
Durchführung von PID-Verfahren.
3.3.2
Bewilligungsvoraussetzungen (Artikel 10a)
SO fordert höhere Anforderungen an die Laboratorien, da diese die PID tatsächlich
durchführen (Abs. 2 Bst. c). CVP-Frauen verlangen, dass nur vom BAG bestimmte
Laboratorien mit PID-Kliniken zusammenarbeiten dürfen.
3.3.3
Meldepflicht (Artikel 11a)
32 Vernehmlassungsteilnehmende äussern sich gegen eine Meldepflicht im Einzelfall
gemäss Absatz 1 (AG, AI, BL, BS, GE, TG, TI, ZH, FDP, Grüne, ASDV, AWS, CPMA,
FfL, FMH, GUMEK, H+, Insel, KHM, Kiwu, NEK, SGMG, SGRM, SKB, SWTR, Uni BE-m,
Uni GE, Uni NE, Viollier, VKS, VLSS, VSAO). Eine solche Meldepflicht sei mit einem
unverhältnismässigen administrativen Aufwand verbunden und somit unpraktikabel.
AG, FDP und KHM weisen darauf hin, dass auch bei der PND keine Meldepflicht bestehe
und dass die beiden Verfahren grundsätzlich gleich zu regeln seien. AWS und GUMEK
finden die Missbrauchsbefürchtungen übertrieben und fordern eine Angleichung an die
Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. AI, TG und ZH betonen, dass die
vorgeschlagene Lösung im Ergebnis auf eine zu vermeidende Einzelfallbewilligung
hinaus laufe. Für BS und GE ist das faktische Vetorecht des BAG sachlich nicht
gerechtfertigt und stellt ein Misstrauensvotum gegenüber der Ärzteschaft dar. Die
bestehenden gesetzlichen Vorgaben seien ausreichend. Die FDP stellt weiter die
Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit in Frage. BL und VKS sind
der Ansicht, dass mit diesem Verfahren keine Missbrauchsverhütung umgesetzt werden
könne.
11
17 der 32 oben genannten Vernehmlassungsteilnehmenden sind der Ansicht, dass eine
jährliche Meldung / Berichterstattung ausreiche (AI, BS, GE, TG, ZH, FMH, GUMEK,
Insel, Kiwu, NEK, SGMG, SWTR, Uni BE-m, Uni NE, VKS, VLSS, VSAO). H+ bevorzugt
eine halbjährliche Meldung / Berichterstattung. TI schlägt eine zentrale Sammlung mit
Publikation vor.
GUMEK findet es ethisch nicht vertretbar, dass die behandelnde Ärztin oder der
behandelnde Arzt zur persönlichen Situation des Paares Auskunft erteilt und die
Verwaltung gestützt darauf einen individuellen medizinischen Entscheid trifft (Abs. 1 Bst.
a). Sie fordert eine Anpassung der zu meldenden Angaben, sofern die Meldepflicht
beibehalten würde. Der Inhalt der Meldung sei auf krankheitsbezogene Informationen zu
beschränken und dürfe nicht auf die Situation des betroffenen Paares erweitert werden.
10 Vernehmlassungsteilnehmende verlangen ausdrücklich eine andere Entscheidbehörde als das BAG (GE, CP, GUMEK, H+, SKB, SKF, Insel, KMH, Uni BE-m, Uni GE). Fünf
fordern die Streichung von Absatz 3 (CPMA, GUMEK, H+, Kiwu, KHM). Das BAG habe
für diese Aufgabe nicht die notwendige Kompetenz, und der Staat solle sich nicht in
persönliche Entscheidungen einmischen. SKF schlägt vor, eine Expertenkommission für
die Begutachtung jeder einzelnen PID einzusetzen. CPMA weist darauf hin, dass ohne
gesetzliche Regelung der Entscheidungskriterien ein Risiko der Willkür bei den
Entscheidungen bestehe.
12 Vernehmlassungsteilnehmende äussern sich gegen die in Absatz 3 festgelegte Frist
von 60 Tagen, innerhalb welcher das BAG allenfalls zu verfügen hat (AI, GE, TG, ZH,
FMH, H+, NEK, SAMW, SWTR, Uni GE, VLSS, VSAO). Diese sei zu lang und für die
Betroffenen unzumutbar. CVP-Frauen schlagen stattdessen eine Frist von 15 Tagen vor.
Gemäss UniL sollte der Beginn der 60-Tage-Frist präzisiert werden.
3.3.4
Aufsicht (Artikel 12)
Mamma findet Kontrolle und Aufsicht im Verfahren mangelhaft, insbesondere erscheint
ihm die Delegation der Aufsicht an Organisationen wie z.B. die Schweizerische
Akkreditierungstelle untauglich. Gemäss BK-SBK soll die FIVNAT beim Vollzug nicht
mehr beigezogen werden. HLI verlangt, dass weiterhin unangemeldete Inspektionen
durchgeführt werden dürfen.
SPO fordert die Führung eines Registers bezüglich Durchführung und Verlauf des
Verfahrens sowie der weiteren Verwendung überzähliger Embryonen.
Die SVP betont, dass die Vollzugskosten vom BAG zu tragen seien, ohne dass hierfür
zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen sind. Mamma schlägt vor, die Kosten für den
Vollzug den Nutzniessern zu übertragen. ASDV erwartet wesentlich höhere
Vollzugskosten, als dies in den Erläuterungen ausgewiesen wird.
3.3.5
Ausführungsbestimmungen (Artikel 14)
BK-SBK wünscht klarere Leitplanken für die Kompetenzen des Bundesrats im Bereich
der Ausführungsbestimmungen.
12
3.4
Evaluation und Förderung der Forschung (Art. 14a und 14b)
3.4.1
Evaluation (Art. 14a)
Zur Evaluation äussern sich 11 Stellungnahmen. Zwei davon beantragen, auf eine
Evaluation zu verzichten (FDP, ASDV), während die anderen neun diese grundsätzlich
begrüssen (TI, SGMG, SP, DOK, H+, insieme, KVEB, Procap, Uni NE).
FDP verlangt die Streichung dieses Artikels wegen ungenügender Fallzahlen. ASDV
findet eine Evaluation bei derart geringen Fallzahlen unverhältnismässig.
TI ist mit einer Evaluation im Grundsatz einverstanden, schlägt aber vor, hierfür Experten
beizuziehen, namentlich TA-Swiss. Auch SGMG begrüsst grundsätzlich eine Evaluation,
schlägt aber folgenden Wortlaut vor: "Das BAG sorgt für die angemessene Evaluation
aller Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Implementierung der PID ergeben".
Ausdrücklich begrüsst wird die Bestimmung zur Evaluation von SP, DOK, H+, insieme,
KVEB, Procap und Uni NE.
3.4.2
Förderung der Forschung (Art. 14b)
Die Bestimmung zur Förderung der Forschung wird von 5 Stellungnahmen in ihrer
aktuellen Form ausdrücklich begrüsst (SO, TI, H+, insieme, Uni NE). Weitere sechs
Teilnehmende heissen die Bestimmung zwar im Grundsatz gut, würden sie aber noch
ergänzen (ASDV, UNIL, BA-Uni ZH, ZH, EZ, SPO): Für ASDV fehlt die Forschung betr.
negativer Auswirkungen auf die psychologische Situation von Kindern mit einer
Behinderung. UNIL würde nicht nur jene Forschung regeln, welche vom Bund in Auftrag
gegeben oder gefördert wird, sondern generell die Forschung in diesem Bereich. Zu
diesem Zweck schlägt sie vor, sowohl im Gliederungstitel vor Artikel 14a als auch in der
Artikelüberschrift von Artikel 14b den Begriff „Förderung“ zu streichen. Dem soll auch ein
neuer Absatz 3 mit einem Verweis auf die geltenden Regeln zur Forschung dienen. BAUni ZH und EZ fänden Studien wünschenswert, die die Nutzung der PID aus
verschiedenen Perspektiven hinsichtlich Motivation, Erwartungen, tatsächlichen
Verläufen etc. nachzeichnen und somit als Datenbasis für künftige evidenzbasierte
policy-Entscheidungen in diesem Bereich dienen könnten. SPO verlangt eine
wissenschaftliche Begleitung der ganzen PID-Prozedur.
3.5
Strafbestimmungen (Art. 33 ff.)
FDP wünscht die Streichung von Artikel 33, weil diese Bestimmung zu viele
Ermessensbegriffe enthalte. Zudem gehöre eine entsprechende Strafnorm ins StGB.
Gemäss CCVEM ist der Teilsatz "sie nach ihrem Geschlecht oder nach anderen
Eigenschaften" zu streichen.
CSP verlangt als Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
UNIL schlägt vor, bei Artikel 34 zu ergänzen, dass es sich um die "spezifisch informierte"
Einwilligung handeln muss.
SKF erachtet die maximale Höhe der Busse in Artikel 37 als zu tief. Gemäss ASDV ist die
maximale Geldstrafe bei einer Milliarde Franken anzusetzen.
HLI schlägt vor, die Strafverfolgung (Art. 38) dem Bund zu übertragen.
13
3.6
Expertenkommission für genetische Untersuchungen beim Menschen
(Art. 35 Abs. 2 Bst. k (neu) GUMG)
Gemäss GUMEK ist im Zusammenhang mit ihrem neuen Auftrag unklar, welche
Informationen die behandelnde ärztliche Fachperson liefert und welche die Kommission
selber einholen muss. Sie weist in der Folge darauf hin, dass die Beurteilung komplexer
Einzelfälle zu einer Erhöhung der Arbeitsbelastung der GUMEK führen werde, welche mit
einer Erhöhung der zur Verfügung stehenden Ressourcen einher gehen müsse.
UNIL schlägt vor, dass die GUMEK in Analogie zur Pränataldiagnostik (Art. 35 Abs. 2
Bst. f GUMG) auch zur PID Empfehlungen abgeben solle. Diese Empfehlungen können
die Information und genetische Beratung, aber auch die Ausbildung und notwendigen
weiteren Qualifikationen betreffen.
4
Weitere Bemerkungen
4.1
Aufhebung der Dreier-Regel (Art. 17 Abs. 1)
46 Vernehmlassungsteilnehmende fordern, dass für die PID die Regel aufgehoben wird,
gemäss welcher pro Zyklus höchstens drei imprägnierte Eizellen zu Embryonen
entwickelt werden dürfen (AG, BS, GE, JU, SG, SZ, TI, FDP, Grüne, H+, SP (Minderheit),
CVP-Frauen, AWS, BA-Uni ZH, CP, CPMA, EZ, FfL, FMH, Gen, GUMEK, IMG, Insel,
Interpharma, KHM, Kiwu, NEK, Procrea, SGGG, SGGG-H, SGMG, SGP, SGRM, SKB,
SKF, SMV, SPO, SWTR, Uni BE-m, Uni GE, UNIL, Uni NE, Uni ZH, Viollier, VLSS,
VSAO). Sie halten fest, dass die Beibehaltung dieser Regel eine sinnvolle und dem
geltenden medizinischen Standard entsprechende Durchführung der PID verunmögliche.
In etwa drei Viertel dieser Stellungnahmen wird präzisiert, dass die Dreier-Regel nur für
die PID, nicht aber für die IVF generell aufzuheben sei. AG schlägt in diesem Sinne
konkret vor, dass die Limitierung auf drei Embryonen nicht gelten solle, "falls eine
Untersuchung des Erbguts von Keimzellen oder Embryonen geplant ist".
NEK weist darauf hin, dass die Dreier-Regel nicht nur aus Praktikabilitätserwägungen,
sondern auch aus ethischen Gründen aufzuheben sei. Eine Praxis wie die PID dürfe nur
in einer Art und Weise zugelassen werden, wie sie effektiv und zielführend durchgeführt
werden kann. Sie dürfe für die betroffenen Paare nicht wiederum mit neuen
Unsicherheiten oder zusätzlichen Belastungen durch wiederholte IVF-Zyklen
einhergehen.
20 Stellungnahmen halten ausdrücklich fest, dass der PID-Tourismus ins liberalere
Ausland weiter bestehen werde, solange die Gesetzgebung an der Dreier-Regel festhalte
(FR, VD, FDP, AWS, FMH, FfL, Gen, Insel, Interpharma, Kiwu, SGGG, SGGG-H, SGRM,
SKB, SMV, SWTR, Uni GE, Uni NE, VLSS, VSAO). H+ fordert generell, die
Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich die betroffenen Paare auch tatsächlich
an reproduktionsmedizinische Zentren in der Schweiz wenden und sich nicht wie bis
anhin im Ausland behandeln lassen.
Einzelne Stellungnahmen verweisen in diesem Zusammenhang auf das geltende
Verfassungsrecht (vgl. 4.3): SKF würde die Aufhebung der Dreier-Regel im Sinne einer
Ausnahmeregelung in Erwägung ziehen, sofern dies mit geltendem Verfassungsrecht
vereinbar ist. Viele andere weisen hingegen darauf hin, dass die Verfassung
14
entsprechend zu revidieren sei. CVP-Frauen fordern einen "Änderungsvorschlag so
restriktiv wie möglich, aber so, dass die PID machbar ist". Vereinzelt wird eine konkrete
Anzahl zu erlaubender Embryonen pro Zyklus genannt, wobei die Meinungen aber
auseinander gehen: So schlägt SG eine Erweiterung auf 4 Embryonen vor, AG nennt 10,
SZ 8-12 Embryonen.
Unter den Stellungnahmen, welche dem Entwurf vollständig oder unter einzelnen
Vorbehalten zustimmen, erklären sich BE, BL, GR und NW ausdrücklich einverstanden
mit den engen Rahmenbedingungen; SP (Mehrheit) fordert die Beibehaltung der DreierRegel.
Unter den Stellungnahmen, welche sich gegen die Zulassung der PID aussprechen,
weisen VS, EVP und BK-SBK speziell darauf hin, dass die Beibehaltung der DreierRegel wichtig sei.
Mamma beantragt, pro Zyklus nur einen einzigen Embryo herzustellen und zu
untersuchen.
4.2
Aufhebung des Verbots der Kryokonservierung von Embryonen (Art. 17
Abs. 3)
33 Vernehmlassungsteilnehmende fordern, für die PID das Verbot der Kryokonservierung
von Embryonen aufzuheben (AG, GE, JU, SG, TI, FDP, SP (Minderheit), BA-Uni ZH,
CPMA, EZ, FfL, FMH, Gen, GUMEK, IMG, Insel, Interpharma, Kiwu, NEK, Procrea,
SGGG, SGP, SGRM, SKB, SPO, Uni BE-m, Uni GE, UNIL, Uni NE, Uni ZH, Viollier,
VLSS, VSAO). Begründet wird dies - wie bei der Forderung nach der Aufhebung der
Dreier-Regel - mit dem geltenden medizinischen Standard, welcher bei einer
Beibehaltung des Verbots der Kryokonservierung von Embryonen nicht eingehalten
werden könne.
Unter den Stellungnahmen, welche den Entwurf (unter Vorbehalt) befürworten, fordert SP
(Mehrheit) ausdrücklich die Beibehaltung des Verbots der Kryokonservierung von
Embryonen. Unter den Stellungnahmen, welche die PID ablehnen, weist VS darauf hin,
dass dieses Verbot auch im Falle der Zulassung der PID aufrecht erhalten werden
müsse, um dem Ziel von Artikel 119 BV zu entsprechen.
4.3
Änderung von Artikel 119 BV
17 Stellungnahmen sind der Meinung, dass Artikel 119 BV zu ändern sei. TI und SKB
fordern eine Revision des gesamten Artikels. AWS hingegen wünscht einzig eine
Revision von Absatz 2 (sofern dies für die Aufhebung der Dreier-Regel und des Verbots
der Kryokonservierung von Embryonen wirklich nötig sei). Die Übrigen fordern konkret
eine Änderung von Absatz 2 Buchstabe c (AG, SG, SZ, CP, FMH, GUMEK, NEK,
Procrea, SWTR, Uni GE, UNIL, Uni NE, VLSS, VSAO).
Begründet wird die Forderung der Verfassungsänderung jeweils damit, dass die PID
ohne Änderung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen medizinisch nicht
sinnvoll durchgeführt werden könne.
15
Von jenen, welche den Entwurf befürworten, äussern sich GR und ZH ausdrücklich für
die Beibehaltung von Artikel 119 BV; von jenen, welche die PID und damit den Entwurf
ablehnen, sind dies VS, Anthro, BAgGT, UNION und BK-SBK.
FDP und Kiwu sind der Meinung, dass eine Lockerung der Dreier-Regel für die PID
verfassungskonform sei, weil es sich bei der PID im Sinne von Artikel 119 BV um eine
Methode zur Vermeidung schwerer Krankheiten sowie zur Überwindung der
Unfruchtbarkeit handle. Grüne bringen in diesem Zusammenhang vor, dass die
Verfassung keine konkrete Maximalzahl von Embryonen nenne, die pro
Behandlungszyklus entwickelt werden dürften.
Unter den Stellungnahmen, welche sich gegen die PID äussern, erwähnen VS, Anthro,
BAgGT, BK-SBK, HLI und UNION, dass die PID grundsätzlich nicht mit geltendem
Verfassungsrecht vereinbar sei.
4.4
Beschränkung der Anzahl Zentren
26 Vernehmlassungsteilnehmende erachten die in den Erläuterungen genannten 5-10
PID-Zentren in der Schweiz als zu viel und fordern eine Beschränkung, damit Qualität
und Know-how optimal gewährleistet werden können (AI, JU, TG, VD, ZH, FDP, AWS,
BA-Uni ZH, BK-SBK, CP, FMH, Gen, IMG, NEK, SGGG, SGGG-H, SGRM, SKB, SKF,
SMV, SPO, Uni BE-m, UniL, Uni ZH, VLSS, VSAO). TG und ZH schlagen deshalb vor,
Artikel 8 durch folgenden Absatz 5 zu ergänzen: „Die Bewilligung wird auf wenige
Zentren beschränkt. Bei der Bewilligungserteilung sind die Kriterien der Forschungs- und
Weiterbildungstätigkeit, der Behandlungsqualität, der methodischen Erfahrung und der
regionalen Verteilung vorrangig.“
Einige von ihnen sprechen sich explizit für eine bestimmte Obergrenze von PID-Zentren
in der Schweiz aus: 1 Zentrum (BK-SBK, SGGG-H, UniL), 1-2 Zentren (SKF), 1-3
Zentren (SKB), 2-3 Zentren (JU, FDP, AWS, SMV), 3 Zentren (SGGG, SGRM).
In vier Stellungnahmen findet sich zudem der Vorschlag, dass die Beschränkung
interkantonal, via Konkordat der Spitzenmedizin erfolgen soll (VD, FMH, VLSS, VSAO).
Gemäss H+ soll die Schweizerische Ethikkommission die Anzahl Zentren bestimmen.
Kiwu verlangt strengere Zulassungskriterien für die Zentren. Zusätzlich berücksichtigt
werden sollten die Behandlungs- und Beratungsqualität, die Erfahrung und regionale
Verteilung sowie die Forschungs- und Weiterbildungsaktivität.
SGP wirft die Frage auf, ob der Aufbau von PID-Zentren in der Schweiz wegen der
geringen Nachfrage überhaupt sinnvoll sei. Sie schlägt vor, die Zusammenarbeit mit der
EU zu stärken, so dass unter Umständen in der Schweiz auf PID-Zentren verzichtet
werden könne. Zur Begründung führt sie an, dass ein Zentrum für die Durchführung einer
qualitativ guten PID ein genügend grosses Einzugsgebiet haben müsse (rund 150 000
Geburten pro Jahr).
16
4.5
Übernahme der Kosten durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung
23 Vernehmlassungsteilnehmende (SG, TI, VD, ZH, CVP-Frauen, BA-Uni ZH, EZ, FMH,
GUMEK, H+, IMG, NEK, SGGG, SGGG-H, SGP, SGRM, SPO, SWTR, Uni GE, UniL, Uni
ZH, VLSS, VSAO) fordern eine Kostenübernahme der PID durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung und verweisen dabei namentlich auf die Kassenpflicht bei der
PND. Werden die Kosten nicht übernommen, könne dies zu einer Diskriminierung von
Paaren mit besonders hohem genetischen Risiko führen. Ohne Kostenübernahme
würden zudem finanziell schlechter gestellte Paare zur PND mit nachfolgendem
Schwangerschaftsabbruch gezwungen. GE wünscht zumindest eine Klärung der Frage,
ob die Kosten übernommen werden können.
GUMEK und NEK fordern zudem explizit auch eine Kostenübernahme für die IVFBehandlung.
Gemäss CVP und Mamma soll das PID-Verfahren von der Grundversicherung
ausgeschlossen und die Kosten auf den Gesuchsteller überwälzt werden.
4.6
Varia
Einzelne Stellungnahmen enthalten Bemerkungen zu weiteren Punkten:
CVP-Frauen fordern einen neuen Gesetzesartikel, der explizit festhält, dass kein
behindertes Kind aus der IV ausgeschlossen werden dürfe, auch wenn vorgängig keine
PID durchgeführt wurde.
FDP weist darauf hin, dass es sich bei der PID - gleich wie bei der PND - um eine
genetische Untersuchung handelt. Es sei deshalb zu überlegen, ob es nicht besser wäre,
die PID allenfalls im GUMG zu regeln, oder vermehrt entsprechende Verweise
anzubringen.
HPI-J, HPI-S, SWTR und TI bringen vor, dass das FMedG total revidiert werden sollte.
UNIL verlangt die Verlängerung der Maximaldauer der Kryokonservierung von
imprägnierten Eizellen in Einzelfällen (Art. 16 Abs. 2), z.B. bei (beruflichen) Aktivitäten,
welche die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen, oder bei Krebsbehandlungen.
17
5
Anhänge
5.1
Anhang 1: Verzeichnis der Abkürzungen der
Vernehmlassungsteilnehmenden
Kantone
AG
AI
BE
BL
BS
FR
GE
GL
GR
JU
LU
NW
OW
SG
SH
SO
SZ
TG
TI
UR
VD
VS
ZG
ZH
Kanton Aargau, Der Regierungsrat
Kanton Appenzell Innerrhoden, Landammann und
Standeskommission
Kanton Bern, Der Regierungsrat
Kanton Basel-Landschaft, Der Regierungsrat
Kanton Basel-Stadt, Der Regierungsrat
Canton de Fribourg, Le Conseil d'Etat
République et canton de Genève, Le Conseil d'Etat
Kanton Glarus, Der Regierungsrat
Kanton Graubünden, Die Regierung
République et canton du Jura, Le Gouvernement
Kanton Luzern, Gesundheits- und Sozialdepartement
Kanton Nidwalden, Der Regierungsrat
Kanton Obwalden, Finanzdepartement
Kanton St. Gallen, Die Regierung
Kanton Schaffhausen, Departement des Innern
Kanton Solothurn, Der Regierungsrat
Kanton Schwyz, Der Regierungsrat
Kanton Thurgau, Der Regierungsrat
Repubblica e Cantone Ticino, Il Consiglio di Stato
Kanton Uri, Gesundheits-, Sozial- und Umweltdirektion
Canton de Vaud, Le Conseil d'Etat
Canton du Valais, Le Conseil d'Etat
Kanton Zug, Der Regierungsrat
Kanton Zürich, Der Regierungsrat
Parteien
CSP
CVP
EVP
FDP
Grüne
SP
SVP
CVP-Frauen
KVP
Christlich-soziale Partei Schweiz
Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz
Evangelische Volkspartei der Schweiz
FDP. Die Liberalen.
Grüne Partei der Schweiz
Sozialdemokratische Partei der Schweiz
Schweizerische Volkspartei
CVP-Frauen Schweiz
Katholische Volkspartei Schweiz
18
Weitere
Anthro
ASDV
AWS
BA-Uni ZH
BAgGT
BK-SBK
CCVEM
CP
CPMA
DOK
EZ
FfL
FMH
Gen
GUMEK
H+
HLI
HPI-J
HPI-S
IMG
Insel
insieme
Interpharma
ISE
JazL
KHM
Kiwu
KVEB
KVS
Mamma
NEK
Procap
Procrea
ProInf
QUALAB
SAV
SEK
SGAR
SGGG
SGGG-H
SGIM
SGMG
SGP
Anthrosana Verein für anthroposophisch erweitertes Heilwesen
Association Suisse pour le Droit à la Vie
Akademien der Wissenschaften Schweiz
Prof. N. Biller Andorno zHv Uni ZH
Basler Appell gegen Gentechnologie
Bioethikkommission der Schweizer Bischofskonferenz
Commission cantonale valaisanne d'éthique médicale
Centre Patronal
Centre de procréation médicalement assistée, Lausanne
Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe und selbsthilfe
Ethik-Zentrum der Universität Zürich
Verein Forschung für Leben
Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
Stiftung Gen Suisse
Expertenkommission für genetische Untersuchungen beim Menschen
H+ Die Spitäler der Schweiz
Human Life International Schweiz
PD Dr. B. Jeltsch-Schudel, Heilpädagogisches Institut der Universität
Fribourg
S. Sennhauser, Heilpädagogisches Institut der Universität Fribourg
Institut für medizinische Genetik der Universität Zürich
Inselspital Universitätsspital Bern
insieme Schweiz
Interpharma Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der
Schweiz
Institut für Sozialethik, Universität Zürich
Vereinigung Ja zum Leben, Sektionen Zürich,
Ostschweiz/Graubünden, Aargau
Kollegium für Hausarztmedizin
Verein Kinderwunsch
Konferenz der Vereinigungen von Eltern behinderter Kinder
Kaufmännischer Verband Schweiz
Verein Mamma
Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin
Procap (vormals Schweizerischer Invalidenverband)
ProcreaLab SA, Lugano
Pro Infirmis
Schweizerische Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen
Labor
Schweizerischer Arbeitgeberverband
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Prof. P. Hohlfeld, SGGG
Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Genetik
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
19
SGRM
SIG
SKB
SKF
SMV
SNF
SPO
SSV
SULM
SWK
SWTR
Uni BE
Uni BE-m
Uni BE-t
Uni GE
UNIL
Uni NE
UNION
Uni ZH
VFG
VGBPND
Viollier
VKAS
VKS
VLSS
VSAO
Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin
Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund
Schweizerischer Koordinationsausschuss für Biotechologie
Schweizerischer Katholischer Frauenbund
Société médicale du Valais
Schweizerischer Nationalfonds
Stiftung SPO Patientenschutz
Schweizerischer Städteverband
Schweizerische Union für Labormedizin
Schweizerisches Weisses Kreuz
Schweizerischer Wissenschafts- und Technologierat
Universität Bern, Generalsekretariat
Universität Bern, Medizinische Fakultät, Dekan
Universität Bern, Theologische Fakultät, Institut für Systematische
Theologie / Ethik
Université de Genève, Rectorat
Université de Lausanne, Rectorat
Université de Neuchâtel, Prof. O. Guillod à l'att. du Rectorat
Union schweizerischer komplementärmedizinischer
Ärzteorganisationen
Universität Zürich, Rektorat
Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz
Verein ganzheitliche Beratung und kritische Information zu pränataler
Diagnostik
Viollier AG Basel
Vereinigung Katholischer Ärzte der Schweiz
Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz
Verein der Leitenden Spitalärzte der Schweiz
Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte
20
5.2
Anhang 2: Liste der Vernehmlassungsadressaten
Kantonsregierungen, interkantonale Organisationen und Fürstentum Liechtenstein
(29)
-
Kantonsregierungen
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)
Regierung des Fürstentums Liechtenstein
Politische Parteien
(15)
-
Alternative Kanton Zug
BDP Bürgerlich-Demokratische Partei Schweiz
CSP Christlichsoziale Partei
CVP Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz
EDU Eidgenössisch-Demokratische Union
EVP Evangelische Volkspartei der Schweiz
FDP Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz
GB
Grünes Bündnis
GLP Grünliberale Zürich
Grüne Grüne Partei der Schweiz
Lega dei Ticinesi
LPS Liberale Partei der Schweiz
PDA Partei der Arbeit
SP
Sozialdemokratische Partei
SVP Schweizerische Volkspartei
Gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete
(3)
- Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB)
- Schweizerischer Gemeindeverband
- Schweizerischer Städteverband (SSV)
Spitzenverbände der Wirtschaft
(8)
-
Economiesuisse - Verband der Schweizer Unternehmen
Kaufmännischer Verband der Schweiz (KV Schweiz)
Schweizerischer Arbeitgeberverband
Schweizerische Bankiervereinigung (SBV)
Schweizerischer Bauernverband (SBV)
Schweizerischer Gewerbeverband (SGV)
Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB)
Travail.Suisse
21
Organisationen und interessierte Kreise
(125)
-
Agile, Behinderten-Selbsthilfe Schweiz
Alliance F - Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF)
Arbeits- und Forschungsstelle für Ethik, Ethikzentrum der Universität Zürich
Ärztinnen Schweiz MWS
Basler Appell gegen Gentechnologie
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne (CHUV)
Christkatholische Kirche der Schweiz
Dachverband schweizerischer Patientenstellen (DVSP)
Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz
Département interfacultaire d’éthique, Université de Lausanne
Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF)
Evangelischer Frauenbund der Schweiz (EFS)
Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP)
Friedrich Miescher Institut, Basel
Gen Suisse - Schweizer Stiftung für die Gentechnik
Geschäftsleitung des Blutspendedienstes (SRK)
H+ Die Spitäler der Schweiz
Hôpitaux Universitaires de Genève
Human Life International Schweiz (HLI)
Inselspital Bern
Institut de droit de la santé de l’Université de Neuchâtel
Institut für Sozialethik der Universität Luzern (ISE)
Institut für Sozialethik der Universität Zürich
Institut für Sozialethik des schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
Institut Interdisciplinaire d’éthique et des Droits de l’Homme, Université de Fribourg
Institut Suisse de Recherche expérimentale sur le Cancer (ISREC)
International Breast Cancer Study Group, IBCSG Coordinating Center
Interpharma
Kantonsapothekervereinigung (KAV)
Kollegium für Hausarztmedizin (KHM)
Konferenz der Direktorinnen und Direktoren der Institute für Psychologie der Schweiz
(KDIPS)
Lungenliga Schweiz LLS
Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK)
Public Health Schweiz
santésuisse – Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer
Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Verband (SPV)
Schweizer Bischofskonferenz (SBK)
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)
Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SANW)
Schweizerische Akademie der technischen Wissenschaften (SATW)
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Patienteninteressen (SAPI)
Schweizerische Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK)
Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG)
Schweizerische Ärztegesellschaft für Psychotherapie
Schweizerische Ethnologische Gesellschaft (SEG)
Schweizerischer Gemeinnütziger Frauenverein (SGF)
Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI)
Schweizerische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM)
Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation (SGAR)
Schweizerische Gesellschaft für biomedizinische Ethik (SGBE)
22
-
Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie (SGCI)
Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie (SGC)
Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED)
Schweizerische Gesellschaft für Gefässchirurgie (SGG)
Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP)
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)
Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH)
Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie
Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin (SGIM)
Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI)
Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie (SGK)
Schweizerische Gesellschaft für klinische Chemie (SGKC)
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Genetik (SGMG)
Schweizerische Gesellschaft für Mikrobiologie (SGM)
Schweizerische Gesellschaft für Nephrologie
Schweizerische Gesellschaft für Neurochirurgie
Schweizerische Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (SGO)
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Schweizerische Gesellschaft für Pathologie (SGPath)
Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie
Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGP)
Schweizerische Gesellschaft für Psychologie (SGPP)
Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM)
Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM)
Schweizerische Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen Labor (QUALAB)
Schweizerische Union für Laboratoriumsmedizin (SULM)
Schweizerischer Berufsverband der diplomierten biomedizinischen Analytikerinnen
und Analytiker (labmed)
Schweizerischer Invalidenverband (SIV)
Schweizerischer Katholischer Frauenbund (SKF)
Schweizerische Medizinische Interfakultätskommission (SMIFK)
Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft (SOG)
Schweizerische Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP)
Schweizerische Vereinigung der Pflegedienstleiterinnen und -leiter
Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter
Schweizerische Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren (SVS)
Schweizerische Vereinigung der Elternvereine für geistig Behinderte (insieme)
Schweizerische Vereinigung für Transfusionsmedizin (SVTM)
Schweizerische Vereinigung Klinischer Psychologinnen und Psychologen (SVKP)
Schweizerischer Apothekerverband (SAV)
Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK)
Schweizerischer Berufsverband Technischer Operationsfachfrauen/
Operationsfachmänner (SBVTOA)
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund (SEK)
Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG)
Schweizerischer Juristenverein
Schweizerischer Katholischer Frauenbund SKF
Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
(SNF)
Schweizerischer Verband der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen (SVBG)
Schweizerischer Verband der Diagnostica- und Diagnostica-Geräte-Industrie (SVDI)
Schweizerischer Verband der Leiter Medizinisch-Analytischer Laboratorien (FAMH)
Schweizerischer Verband für Frauenrechte (SVF)
Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer (SVK)
Schweizerischer Wissenschafts- und Technologierat (SWTR)
Schweizerisches Institut für angewandte Krebsforschung (SIAK)
Spitex Verband Schweiz
23
-
Stiftung für humanwissenschaftliche Grundlagenforschung (SHG)
Stiftung GEN SUISSE
Stiftung Schweizerische Patienten- und Versicherten Organisation (SPO)
Swiss Society for Research in Surgery
Union schweizerischer Gesellschaften für experimentelle Biologie (USGEB)
Union schweizerischer komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen
Unité de recherche et d’enseignement en bioéthique, Université de Genève
Universität Basel
Universität Bern
Universität Zürich
Université de Fribourg / Universität Freiburg
Université de Genève
Université de Lausanne
Université de Neuchâtel
Universitätsspital Basel
Universitätsspital Zürich
Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte (VSAO)
Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)
Verein Forschung für Leben
Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz (VIPS)
Institutionen, denen das BAG nach Eröffnung der Vernehmlassung auf Ersuchen
hin die Unterlagen zugestellt hat:
(24)
-
CVP - Frauen Schweiz
KVP Katholische Volkspartei Schweiz
Anthrosana
Association Suisse pour le droit à la vie
Centre patronal
Centre Procréation Médicalement Assistée
Conseil suisse de la science et de la technologie ( CSST)
Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe- und Selbsthilfe
Expertenkommission für genetische Untersuchungen beim Menschen
Heilpädagogisches Institut der Universität Freiburg
Ja zum Leben Sektion Zürich
Konferenz der Vereinigungen von Eltern behinderter Kinder (KVEB)
Pro Infirmis
Procrea SA
Schweizerischer Koordinationsausschuss für Biotechnologie (SKB)
Schweizerisches Weisses Kreuz
Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz (VFG)
Verein der Leitenden Spitalärzte der Schweiz (VLSS)
Verein Ganzheitliche Beratung und kritische Information zu pränataler Diagnostik
(VGBPND)
Verein Kinderwunsch
Vereinigung Katholischer Ärzte der Schweiz
Verein Mamma
Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz (VKS)
Viollier AG
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