Abstractbook Transdisziplinäre Forschung am Lebensende Workshop am 6. April 2016 in Wien 1. Präsentation des Tagungsbandes „Entscheidungen am Lebensende und ihr Kontext“ J. Platzer, F. Großschädl 2. ExpertInnenbefragung zum Thema „Lebensende in Österreich“ – erste Resultate K. Attems 3. Piloterhebung zu “Wissensformen und Kommunikation in Entscheidungsprozessen am Lebensende – Erfahrungen des behandelnden und betreuenden Personals“ W. J. Stronegger 4. Einblick in die klinisch-palliativmedizinische Forschung in Österreich am Beispiel der Palliativstation AKH Wien S. Schur 5. Palliativstation und Medizinkultur - eine interdisziplinäre Betrachtung C. Lagger 6. Verschiedene Strukturen und daraus resultierende Systeme der verschiedenen Sterbeorte in Österreich B. Schmidmayr 7. Todeswunsch und Suizid im Alter T. Frühwald 8. Geburt und Sterben, zwei ähnliche Prozesse G. Loewit 9. Delirante Phänomene im Sterbeprozess A. Feichtner 10. Zwischen lebenssatt und lebensmüde – Sterbewünsche in der stationären Altenhilfe S. Dinges 11. Zur Legitimationsrationalität von Tötungshandlungen – Spannungsfeld zwischen individueller Autonomie, Institution und Staat W. J. Stronegger 12. Ansätze empirischer Ethik J. Platzer 13. Subjektivität, Narration und Ethik W. Schaupp 14. Nicht-Wissen in der Wissensgesellschaft C. Stöckl 15. Dem Alter Raum geben – Kulturgerontologische Perspektiven U. Kriebernegg 16. Doctoral Programme Nursing Science F. Großschädl 17. Doktorats Programm Universität Salzburg R. Klaushofer 18. Behandlungsentscheidungen am Lebensende zwischen Patientenwohl und Patientenwille A. Birklbauer 19. Möglichkeiten und Grenzen eines selbstbestimmten Lebens im Alter K. Reinmüller 20. Potenzielle Forschungsfelder von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen und Missing Link zwischen Recht und Pflege T. Wurm 21. Assistenz- und Kommunikationstechnologien für das hohe Lebensalter – Ein Überblick und eine Diskussionsgrundlage W. Zagler 22. Patientenorientierte Arzneimittel – Mehr als nur Wirksamkeit S. Stegemann 23. Complex Visual Imagery and Cognitive Function during the Near-Death Experience A. Batthyány ReferentInnen Attems, Kristin Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Graz Birklbauer, Alois Institut für Strafrechtswissenschaft, Linz Dinges, Stefan Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Wien Feichtner, Angelika Institut für Palliative Care und OrganisationsEthik, Klagenfurt/Wien; Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg Frühwald, Thomas Abteilung für Akutgeriatrie, Krankenhaus Hietzing, Wien Großschädl, Franziska Institut für Pflegewissenschaft, Graz Platzer, Johann Institut für Moraltheologie, Graz Reinmüller, Karin VertretungsNetz - Sachwalterschaft Graz Schaupp, Walter Institut für Moraltheologie, Graz Schmidmayr, Barbara Ärztin für Allgemeinmedizin und Palliative Care, Graz Schur, Sophie Abteilung für Palliativmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Wien Stegemann, Sven Institut für Prozess- und Partikeltechnik, Graz Stoeckl, Claudia Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Graz Klaushofer, Reinhard Paris Lodron Universität Salzburg Kriebernegg, Ulla Zentrum für Inter-Amerikanische Studien, Graz Lagger, Christian Geschäftsführer Krankenhaus der Elisabethinen, Graz Loewit, Günther Arzt für Allgemeinmedizin, Schriftsteller, Marchegg Stronegger, Willibald J. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Graz Wurm, Tanja Institut für Römisches Recht, antike Rechtsgeschichte und neuere Privatrechtsgeschichte, Graz Zagler, Wolfgang Zentrum für Angewandte Assistierende Technologien, Wien Abstracts und Lebensläufe Johann Platzer Franziska Großschädl 1. Präsentation des Tagungsbandes „Entscheidungen am Lebensende und ihr Kontext“ Das vorliegende Buch Entscheidungen am Lebensende befasst sich mit den wachsenden ethischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen zur Gestaltung der letzten Lebensphase. Diese werden vor dem Hintergrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelung zur „Sterbehilfe“ und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen im europäischen Kontext sowohl aus ethischer als auch empirischer Perspektive analysiert und erläutert. ExpertInnen aus Medizinethik, Palliativmedizin, Theologie, Sozial- und Pflegewissenschaften widmen sich in den Beiträgen unter anderem folgenden Fragestellungen: Von welchen Faktoren und Prinzipien wird die ethische Debatte zu dieser Thematik geleitet? Worin liegen Grenzen und Möglichkeiten der Palliativmedizin? Was bedeutet vor diesem Hintergrund „selbstbestimmtes Sterben“? … Des Weiteren wird auf Projekte über Lebensqualität im Alter, klinische Ethikberatungsmodelle sowie aktuelle Institutionalisierungsprozesse von Lebensende-Entscheidungen Bezug genommen. Abschließend werden internationale Trends und empirische Studien über die Akzeptanz von „Tötung auf Verlangen“ und „assistierten Suizid“ beleuchtet sowie dahinter liegende Einflussfaktoren analysiert. Inhaltsangabe 1. Entscheidungen am Lebensende und Respekt vor Autonomie – Möglichkeiten und Grenzen der Palliativmedizin. H. Christof Müller-Busch 2. Assistierter Suizid: Was man tun darf und was man tun soll. Peter Schaber 3. Ethical challenges in end-of-life care. „Embodied experience“ as a basis for a Christian-Catholic perspective. Inocent Mária V. Szaniszló OP und Radoslav Lojan 4. Dem Sterben des Anderen Raum geben. Ethische Fallbesprechungen angesichts des Lebensendes. Arne Manzeschke und Dominik Kemmer 5. Dignity-enhancing care for persons with dementia and its application to advance euthanasia directives. Chris Gastmans 6. Zwischen moralischen Intuitionen und ethischen Theorien. Zur Relevanz kohärenzorientierter Begründungsansätze in der angewandten Ethik. Johann Platzer 7. Praxis und Institutionalisierung von Lebensende-Entscheidungen in der Schweiz. Beobachtungen aus sozialethischer Perspektive. Markus Zimmermann 8. Von der klinischen zur politischen Ethik. Sorge- und Organisationsethik empirisch. Patrick Schuchter und Andreas Heller 9. Der Wunsch des Verbleibes zuhause bis zuletzt und die Unterstützung durch informelle Helfer/innen. Paulina Wosko und Sabine Pleschberger 10. Die Einstellung zur Tötung auf Verlangen in der österreichischen Bevölkerung – Eine Folge weltanschaulicher Grundpositionen. Willibald J. Stronegger 11. Acceptance of euthanasia and the factors influencing it. Joachim Cohen Kristin Attems 2. ExpertInnenbefragung zum Thema „Lebensende in Österreich“ – erste Resultate Im Zeitraum von Juli bis November 2015 wurden 34 leitfadengestützte ExpertInneninterviews zu dem Thema „Lebensende in Österreich“ geführt mit der Absicht, Potentiale in der Versorgung, Bildung und Forschung zu dem Thema Lebensende aufzudecken. ExpertInnen berichteten von ihren Erfahrungen in Bereichen (medizinischer) Versorgung und sozialer Einrichtungen, Recht und den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Die komplexe Situation am Lebensende beinhaltet zahlreiche Herausforderungen, welchen die auf das Lebensende spezialisierten Einrichtungen auch meist gewachsen sind. Dennoch erkennen ExpertInnen ungenützte Potentiale in Form von ignorierten Wissensquellen und mangelhafter Informationsvermittlung zwischen den jeweiligen Wissensträgern. Informationen zur Situation am Lebensende sind größtenteils vorhanden, allerdings werden sie häufig nicht als Wissen akzeptiert und folglich nicht weitergetragen. Einerseits ist diese Wertung von Wissen auf die vorhandene Struktur der Einrichtungen zurückzuführen, andererseits besitzen die jeweiligen Berufsgruppen eine disziplinbedingte „innere Logik“, die nicht kompatibel ist. Zudem scheinen der Sterbende sowie der unzureichend verstandene Sterbeprozess mit dem Versorgungssystem inkompatibel - örtlich sowie zeitlich. So bewegt sich die Handlungs(un)sicherheit zu Entscheidungen am Lebensende im Spannungsfeld zwischen dem technisch Möglichen und dem medizinisch Sinnvollen. Im Versuch Handlungssicherheit zu erzeugen, werden Normierungen geschaffen, die dann wieder in Frage gestellt werden. Gäbe es jedoch ein besseres Verständnis vom Menschenbild, könnten genauere Schlüsse bezüglich Lebensqualität, existenzieller Bedürfnisse und adäquater Versorgung gezogen werden. Umso bedeutender ist daher das interdisziplinäre Zusammenführen von quantitativer und qualitativer anwendungsorientierter Lebensendeforschung, sowie der Transfer in alle Gesellschaftsbereiche und in die Praxis und Lehre. Die interviewten ExpertInnen betonten diesbezüglich einen Fokus auf allgemeine Bestandaufnahmen in Form von Soll/Ist-Analysen, von Vertiefungen in der Beschreibung des Sterbeprozesses, von Entscheidungshilfen zu den ethisch herausfordernden Situationen am Lebensende und auf den Umgang mit den Belastungen sowie auf ein besseres Verständnis des Menschenbildes und damit einhergehend der Lebensqualität. Mag.a Kristin Attems Seit 2015 2014-2015 10/2013 05/2013 2011-2012 2006-2013 1987 [email protected] Wissenschaftliche Mitarbeiterin „Forschungs- und Kompetenznetzwerk Lebensende” im Rahmen des Wissenstranferzentrums Süd des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz Forschungsassistentin „Innovation Systems Department - Technology Experience“, Austrian Institute of Technology, Wien Mag.rer.nat Biologie, Studienzweig Anthropologie, Schwerpunkt Humanethologie – „Human Behavior Research Group“ bei Prof. Karl Grammer. Department für Anthropologie, Universität Wien Gastvortrag „Knowledge Organization“ am Departmentseminar Anthropologie, Wien Tutorin “Digitale Aufnahmeverfahren für Oberflächenmorphologie und Verhaltenskodierung am Menschen” Human Behavior Research Group, Department für Anthropologie, Universität Wien Diplomstudium Biologie an der Universität Wien, Mitbelegschaften: Medizinische Universität Wien, Technische Universität Wien in Wien geboren. Nationalität: österreichisch, norwegisch Willibald J. Stronegger 3. Erfahrungsbericht zur „Piloterhebung zu Wissensformen und Kommunikation in Entscheidungsprozessen am Lebensende – Erfahrungen des behandelnden und betreuenden Personals“ Projekttitel: „Piloterhebung zu Wissensformen und Kommunikation in Entscheidungsprozessen am Lebensende – Erfahrungen des behandelnden und betreuenden Personals“ Projektinhalt und Ziele: Über Erfahrungen des medizinischen Personals mit Einstellungen zu Entscheidungen am Lebensende ist in Österreich wenig bekannt. Deshalb soll in diesem Projekt die Rolle der Akteure, der Kommunikation, der Motive und der handlungsleitenden Wissensformen erhoben und untersucht werden. Für den Studienteil der quantitativen Erhebung wird hierfür ein Fragebogen entwickelt. Teil des Entwicklungsprozesses ist eine Piloterhebung bei einer theoretischen Stichprobe zur Pretestung des Fragebogens und zur Etablierung von Forschungskooperationen mit praxisnahen Institutionen. Die Ergebnisse der Pretestung dienen der Weiterentwicklung des Fragebogens und als Grundlage für die Ausarbeitung eines Forschungsantrags zum Thema des Projekts gemeinsam mit Projektpartnern. Methode: Pretestung eines Fragebogens als Erhebungsinstrument zu einer geplanten multizentrischen Querschnittstudie (quantitativ) mit qualitativer Vorstudie. Zielpopulation: Behandelndes und betreuendes Personal ausgewählter medizinischer oder medizinnaher Fächer/Disziplinen. KEINE Erhebung bei Patienten! Derzeitiges Projektteam: Willibald J. Stronegger (Sozialmedizin, Statistik), Kristin Attems (Humanbiologie/Anthropologie), Walter Schaupp (Med. Ethik, Moraltheologie), Johann Platzer (Med. Ethik, Moraltheologie), DGKS Birgit Sohar (Pflegewissenschaft), Alexander Batthyány (Psychologie, Existenzanalyse - Wien/Liechtenstein), Barbara Schmidmayr (Palliativmed., Allgemeinmed.), Claudia Stöckl (Pädagogik/Philosophie), Franziska Großschädl/Chr. Lohrmann (Pflegewissenschaft, Meduni Graz), Stefan Dinges (Zentrum für Ethikberatung und Patientensicherheit am Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Wien). Univ.-Prof. Mag. Dr.rer.nat. Willibald J. Stronegger, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz Ausbildung und Berufstätigkeit: 1983-1989 Studium Mathematik (Schwerpunkt Statistik) und Physik, Philosophie, Univ. Innsbruck 1990-1991 Vertragsassistent am Institut für Biostatistik der Medizinischen Fakultät, Univ. Innsbruck 1993 Univ.-Ass. am Institut für Sozialmedizin, Universität Graz 1996 Dr.rer.nat. in Statistik (Thema: Epidemiologie) an der Universität Innsbruck 2000 Univ.-Doz. für Sozialmedizin, Universität Graz (Habilitationsthema: Sozialepidemiologie) 2013 Leitung Projekt "Leitbilder zur Gestaltung des Lebensendes in der Steiermark Einstellungen zur Begleitung und Versorgung von Menschen am Lebensende u. zur Hospizidee" (Land Steiermark Zukunftsfonds) 2015 Univ.-Prof. am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Med. Univ. Graz Forschungsschwerpunkte: 1. Deskription der Bevölkerungsgesundheit (Epidemiologie, population health research, Wertestudien / deskriptive Ethik) 2. Politik der Bevölkerungsgesundheit (Biopolitik, Sozialhygiene, Medizinsoziologie, Public Health) Ausgewählte Publikationen zum Thema Entscheidungen am Lebensende: - Stronegger WJ. Die Legitimität von Tötungshandlungen im modernen Staat - Eine biopolitische Perspektive. Imago Hominis (2016); 23(1): 35-45. -Stronegger W., Die Einstellung zur Tötung auf Verlangen in der österreichischen Bevölkerung – Eine Folge weltanschaulicher Grundpositionen. In: Platzer J./Großschädl F. (Hrsg.) Entscheidungen am Lebensende. Medizinethische und empirische Forschung im Dialog. Nomos, Baden-Baden (2016). -Sohar B, Großschädl F, Meier IM, Stronegger WJ. Auswirkungen von Pflegeerfahrung auf die Einstellung zur aktiven Sterbehilfe in der österreichischen Bevölkerung – eine Querschnittstudie. Pflege (2015), 28, pp. 339-345. -Stronegger, WJ; Burkert, NT; Grossschädl, F; Freidl, W. Factors associated with the rejection of active euthanasia: a survey among the general public in Austria. BMC Med Ethics. 2013; 14(10):26-26 -Goldnagl, L; Freidl, W; Stronegger, WJ. Attitudes among the general Austrian population towards neonatal euthanasia: a survey. BMC Med Ethics. 2014; 15: 74-74. -Stronegger, WJ; Schmölzer, C; Rásky, E; Freidl, W. Changing attitudes towards euthanasia among medical students in Austria. J Med Ethics. 2011; 37(4): 227-229. -Stolz E, Burkert N, Großschädl F, Rásky É, Stronegger WJ, Freidl W. Determinants of Public Attitudes towards Euthanasia in Adults and Physician-Assisted Death in Neonates in Austria: A National Survey. PLoS One. 2015; 10(4). Christian Lagger 5. Palliativstation und Medizinkultur – eine interdisziplinäre Betrachtung Palliative Care ist ein exzellentes Beispiel Patienten-zentrierter interdisziplinärer Zusammenarbeit. Sie beschäftigt sich mit dem unheilbar chronisch kranken Menschen und dessen relativen Wohlbefinden. Seelsorger, Sozialarbeiter, Mediziner, Psychotherapeuten und Pflegekräfte arbeiten hier für den jeweiligen Patienten interdisziplinär zusammen. Im Umgang mit chronisch und/oder lebensbedrohlich erkrankten Menschen haben die verschiedenen Professionen ihre ganz spezifischen Aufgaben. Es geht dabei aber immer um den Menschen in einer Gesamtsicht. So ist der Arzt mit der Medikation hinsichtlich der Schmerzen und körperlicher Beschwerden beschäftigt. Die Pflege mit dem Wohlbefinden hinsichtlich der Körperlichkeit und des im Bettliegens und der verschiedenen Bedürfnisse (Lebensraum Bett). Die in der Sozialarbeit Tätigen helfen beim Administrieren gewisser letzter Dinge (Testament/gewisse behördliche Notwendigkeiten), auch im Vermitteln von Gesprächen mit z.B.: Angehörigen, wo noch Versöhnungen oder Aussprachen nötig sind und beim Entlassmanagement (Leben bis zuletzt in vertrauter Umgebung). Die Psychotherapie hilft mit Ängsten oder in solchen Phasen nicht unüblichen Depressionsähnlichen Zuständen umzugehen. Die Seelsorge hört zu, betet, unterstützt mit guttuenden Ritualen oder hilft Sinnfragen und Fragen des über den Tod hinaus zu klären. In einem interdisziplinären Palliativteam wird jeder Patient einer sensiblen Gesamtbetrachtung unterzogen, werden Gewichtungen hinsichtlich möglicher dem Patienten in seiner Situation am Besten helfenden Interventionen besprochen und darauf bezogene Entscheidungen getroffen. Dies geschieht unter Einbindung der und im Dialog mit den Betroffenen. All die genannten Aspekte und die damit verbundenen interdisziplinären Interventionen haben auf das Schmerzempfinden und das – relative – Wohlbefinden des Patienten Einfluss. Der hochprofessionelle interdisziplinäre Zugang von Palliative Care zum Menschen sollte eigentlich das gesamte Gesundheitswesen prägen, weil der Mensch gerade in seiner Individualität und im Blick auf sein persönliches Heilwerden und Wohlbefinden grundsätzlich multiperspektivische Betrachtungs- und Handlungsweisen erfordert. MMag. Dr. Christian Lagger, MBA; geb, 17. Mai 1967 in Paternion/Kärnten. Studien der Theologie, Philosophie, Religionspädagogik, Master of Business Administration Intra- and Entrepreneurship in Salzburg, Innsbruck, Graz, Wien. 20012009: Bischöflicher Sekretär (Diözesanbischof DDr. Egon Kapellari); Seit 2010: Geschäftsführer der Krankenhaus der Elisabethinen GmbH; Geschäftsführer der Elisabethinen Graz Verwaltungs GmbH (Betreutes Wohnen; 2012). Elisabethinen Graz-Linz-Wien Service und Management GmbH (2014); Menteecoaching und Führungskräfteberatung; Strategisches Denken, Führen und Führungsethik. Thomas Frühwald 7. Todeswunsch und Suizid im Alter Das Suizidrisiko steigt mit zunehmendem Alter. Die Zahl der Suizidversuche nimmt zwar ab, die Zahl der vollzogenen Suizide steigt jedoch an. In Österreich wurden 2014 laut dem Bericht „Suizid und Suizidprävention in Österreich“ des Österr. Gesundheitsministerium 1313 Selbsttötungen vollzogen, wobei von einer großen Dunkelziffer auszugehen ist. 40% der Suizide erfolgen bei Menschen die älter als 60 Jahre sind, wobei der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung ca. 20% beträgt. Das Suizidrisiko ist mit 75 Jahren doppelt so hoch, ab dem 85. Lebensjahr 3x so hoch.Männer älter als 85 Jahre haben ein 5 Mal so hohes Suizidrisiko als Männer die jünger als 65 sind. Männer über 70 Jahre begehen ca. 3 Mal so viele Suizide wie gleichaltrige Frauen. Der Selbstmord gehört zu den 10 häufigsten Todesursachen der geriatrischen Bevölkerungsgruppe, somit ist dies auch ein Thema für die Geriatrie zumal einer der Motive für den Suizid in der Angst vor den negativen Folgen des Alterns liegt. Diese befürchteten Folgen des Alterungsprozesses sind die Kernthemen, mit denen sich die Geriatrie beschäftigt. Das medizinische Spezialfach Geriatrie wirkt im Spannungsfeld zwischen der Todesnähe und dem Sichern einer Lebensqualität unabhängig von der Länge des noch verbleibenden Lebens. Ein weiteres Spannungsfeld liegt zwischen der Förderung der Selbständigkeit und Autonomie einerseits und Gewährleistung von Schutz, Hilfe und Betreuung andererseits. In der Geriatrie ist die Betreuungsqualität an der Grenze zwischen „Was kann getan werden“ und „Was soll getan werden“ angesiedelt, dies verlangt ein großes Maß an Empathie, hoher fachlicher geriatrischer, palliativmedizinischer und vor allem ethischer Kompetenz. Die Todesnähe der geriatrischen Patienten ergibt sich einerseits natürlich aus der demographischen Realität, andererseits aus dem mit dem Alter steigenden Risiko für chronische Multimorbidität und geringer werdende Kapazitäten, mit zusätzlichen akuten Krankheitsereignissen fertig zu werden. Der Tod ist in der geriatrischen Patientenpopulation viel präsenter als in jeder anderen Altersgruppe. Eine zunehmende Zahl von Menschen erreicht das Endstadium chronischer Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, respiratorische und zerebrale Erkrankungen, auch Krebserkrankungen. Mit der größer werdenden Wahrscheinlichkeit sehr alt – hochaltrig – zu werden steigt das Risiko fortschreitende Gebrechlichkeit (Frailty) und kognitive Defizite (Demenz) zu erleben, damit einhergehend eine progrediente Abhängigkeit von Pflege und Betreuung sowie einen Verlust von Autonomie und Selbständigkeit. Diese nur kurz skizzierte Situation wird gefürchtet, erzeugt Angst und den Wunsch, sie nicht erleben zu müssen. Der Todeswunsch im Alter ist eine Realität der es zu begegnen gilt. Psychosoziale und spirituelle Faktoren spielen sehr oft eine größere Rolle als körperliche Symptome, insbesondere wenn das soziale Umfeld einem das Gefühl vermittelt, nutzlos und eine Last zu sein. Eine nur eindimensionale negative Perspektive des hohen Alters als Last und Niedergang resultiert in einer Abwertung der positiven Potentiale des Alters. Diese aufzuzeigen sollte mit eine Aufgabe der Geriatrie sein, sie kann zu mehr Lebenssinn am Lebensende verhelfen. Dr. Thomas Frühwald, Medizinstudium in Wien. Ausbildung zum Allgemeinmediziner und FA für Innere Medizin in Bregenz, Genf und Wien, Additiv-Facharzt für Geriatrie. Seit 1983 in der Geriatrie tätig: Oberarzt am Haus der Barmherzigkeit in Wien, Oberarzt an der Universitätsklinik für Geriatrie in Genf, Oberarzt der 7. Medizinischen Abteilung d. Geriatriezentrums am Wienerwald, Wien. Seit 2002 stationsführender Oberarzt der Abteilung für Akutgeriatrie des Krankenhauses Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel, bzw. Donauspital, SMZO Wien. 2007-2009 Lehrauftrag an der Medizinischen Universität Graz (Spezialstudienmodul Geriatrie). März 1998 und April 2002: „Visiting Professor“ am Lehrstuhl für Bioethik der University of California, Davis (Univ.Prof.Erich H.Loewy). Lehrauftrag f. Geriatrie und Gerontologie der Fachhochschullehrgänge für Ergotherapie, Gesundheitsund Krankenpflege, Diätologie an der FH Campus Wien. 2008: Verleihung des Berufstitels Professor. 2010: Verleihung des Ignatius Nascher-Preis f. Geriatrie der Stadt Wien. Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie u. Gerontologie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Plattform f. interdisziplinäre Alternsfragen Delegierter zur Sektion Geriatrie der UEMS (Europäische Facharztvereinigung) Mitglied des Full Board der European Geriatric Medicine Society Mitglied des Beirates für Altersmedizin des Bundesministeriums für Gesundheit Mitglied der österreichischen Bioethikkommmission Angelika Feichtner 9. Delirante Phänomene im Sterbeprozess Delirante Syndrome im Sterbeprozess zählen zu den häufigsten Symptomen in den letzten Tagen und Stunden eines Menschen. Die Diagnose eines Delirs bei Sterbenden führt meist zu einer Medikation mit psychotrop wirksamen Substanzen, oft auch zu einer palliativen Sedierung. Die klinische Symptomatik deliranter Syndrome legt die pathogenetische Beteiligung jener Hirnstrukturen nahe, die für Bewusstsein und kognitive Funktionen verantwortlich sind. Vieles lässt sich damit jedoch nur begrenzt erklären. Was sich als Delir darstellt, könnte durchaus auch Ausdruck anderer Phänomene des Sterbeprozesses sein, etwa eines transpersonalen Geschehens im Sinne einer Nah-Tod-Erfahrung. Es ist wichtig, die verschiedenen Phänomene zu unterscheiden, auch zur Einschätzung ihrer Therapiebedürftigkeit. Angelika Feichtner MSc, DGKS, geb. 1955 Krankenpflege-Diplom 1975, akad. Palliativexpertin, MSc (Palliative Care) langjährige Berufspraxis im Bereich Dialyse und Intensivpflege; Hospizarbeit und Palliative Care. Ausbildung in Palliative Care an der International School of Cancer Care in Oxford; Train the Trainer Lehrgang für universitäre Dozentinnen und Dozenten im Fach Palliativmedizin (Akademien für Palliativmedizin München in Zusammenarbeit mit dem Harvard Medical School Center for Palliative Care, Boston USA); Masterlehrgang (MSc) Palliative Care an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg Freiberufliche Dozentin und Trainerin im Bereich von Palliative Care und Hospizarbeit; Konsulentin und Lehrgangsleitung am Institut Palliative Care und Organisationsethik / IFF Wien, Fakultät der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt | Wien und Lehrgangsleitung des Universitätslehrganges Palliative Care Stufe II der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg. Stefan Dinges 10. Zwischen lebenssatt und lebensmüde – Sterbewünsche in der stationären Altenhilfe Kurzbeschreibung des Projektes „lebenssatt oder lebensmüde?“ Eine Analyse von Sterbewünschen und Äußerungen über den Tod in Einrichtungen der stationären Altenpflege Die Enquete im österreichischen Parlament „Sterben in Würde“ hat gezeigt, wie die Debatte um angemessene Versorgung in der letzten Lebensphase verläuft: Entweder werden die Wünsche der alten und hochaltrigen BewohnerInnen unter dem Stichwort ‚Palliativversorgung’ subsummiert und betreffen nur die letzten Stunden, Tage, Wochen. Oder die Äußerungen werden in Richtung ‚Alterssuizidalität’ interpretiert und oft missverstanden. Damit verbunden ist eine Engführung und gleichzeitig eine Pathologisierung eines wichtigen Bedürfnisses, nämlich das Sprechen über das nicht mehr allzu ferne Ende, das Sterben und den Tod. Der gesellschaftliche Diskurs in Österreich lehnt eine gesetzliche Änderung im Bereich ‚Töten auf Verlangen’ bzw. ‚Legalisierung des (ärztl.) assistierten Suizid’ ab. Gleichzeitig werden in den Spitäler und Pflegeheimen die Ressourcen für Fachpersonal in der Pflege, Sozialarbeit und Psychotherapie immer dünner – wenn überhaupt geeignete MitarbeiterInnen verfügbar sind. Die Reaktionsweisen angesichts knapper Ressourcen sind ganz unterschiedlich: Einige MitarbeiterInnen nehmen sich Zeit und führen einfühlsame Gespräche, klären in ihren Teams die wirklichen Bedürfnisse ab und organisieren angemessene Versorgung. Jedoch kommt es immer öfters vor, dass MitarbeiterInnen aus eigenen Ängsten und aus ihren Moral- und Wertvorstellungen Äußerungen der alten Menschen missverstehen und fehlinterpretieren. Notwendig ist in diesen Situationen zunächst die Anerkenntnis der Äußerung: Mein Gegenüber redet jetzt von seinem/ihrem Sterben und Tod. Allein schon dieser Verstehensprozess erfordert Zeit und Kompetenzen und findet in den wenigsten Einrichtungen verpflichtend und strukturiert statt. Es soll ein Forschungsprozess gestartet werden, der systematisch Äußerungen hochbetagter Menschen über Tod und Sterben wahrnimmt und analysiert. Aus dem Analyseergebnis sind Instrumente für die strukturierte Wahrnehmung und Bearbeitung solcher Äußerungen zu entwickeln, da deren richtiges Verstehen erst eine wirklich bedürfnisorientierte Versorgung und Begleitung in der letzten Lebensphase unterstützt und ermöglicht. Nur wenn die Sterbewünsche richtig verstanden und interpretiert werden, lassen sich viele Formen der Fehl-, Unter- und zugleich Überversorgung verhindern. Im Forschungsprozess sollen auch Menschen mit dementieller Erkrankung einbezogen werden; deshalb sind wir auf die Pflegekräfte als Forschungspartner und Mitforschende angewiesen, um hier forschungsethischen Ansprüchen zu genügen. Die Forschungsmethoden bringen Aspekte der Interventionsforschung und der Organisationsentwicklung zum Einsatz: Die Forschungsergebnisse werden gemeinsam, aus unterschiedlichen Perspektiven, interpretiert; es sollen die Ergebnisse – als Teil des Forschungsprozesses – anschließend im Rahmen des Möglichen umgesetzt und institutionalisiert werden. So können verbesserte Handlungssicherheit für Mitarbeiterinnen und Versorgungsqualität für die BewohnerInnen in den Altenpflege-Einrichtungen erreicht werden, indem Sterbewünsche strukturiert gehört und bearbeitet werden. Dr. Stefan Dinges Medizin- und Gesundheitsethiker, Systemischer Organisationsberater, Mediator, Theologe; Leiter der Zentrums für (klinische) Ethikberatung und Patientensicherheit und Univ. Ass.am Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität/MedUni Wien; Willibald J. Stronegger 11. Zur Legitimationsrationalität von Tötungshandlungen – Spannungsfeld zwischen individueller Autonomie, Institution und Staat Der französische Autor Alain Finkielkraut, Mitglied der Académie française, stellte seinem Essay „Wir, die Modernen“ (Nous autres, modernes. Gallimard, Paris 2005) als Motto eine Feststellung Albert Camus von 1951 voran: „…wir können unsere Probleme nicht mehr selbst wählen. Die Probleme wählen uns, eins nach dem andern. Akzeptieren wir, gewählt zu werden.“ Finkielkraut zitiert zur Illustration dieses fortschreitenden Verlusts an Souveränität Milan Kundera mit den schönen Worten: „Der Meister und Beherrscher der Natur bemerkt, dass er nichts beherrscht und er weder Meister der Natur ist (die peu à peu vom Planeten verschwindet), noch der Geschichte (die sich ihm entzieht), noch von sich selbst.“ (Les Testaments trahis. Gallimard, Paris 1993). Die Forderung nach (gesetzlich) weitgehend unbeschränkter Selbstbestimmung noch am Lebensende und speziell über das Ende des eigenen Lebens ist die konsequente Fortführung des Selbstverständnisses des aufgeklärten modernen Menschen. Gibt es aber dieses autonome Subjekt und die ihm versprochene Freiheit am Lebensende - insbesondere in Anbetracht der vielfältigen Abhängigkeiten - tatsächlich? Der von den Ideen des Humanismus und der Aufklärung geformte und sich selbst als mündig-selbständig verstehende Mensch verbindet mit dem Versprechen wachsender Freiheiten und (medizinisch-)technischen Fortschritts große Hoffnungen. Wäre es möglich, dass sich diese Hoffnungen auch an dieser Stelle nach und nach relativieren, oder sogar in ihr Gegenteil verkehren könnten? Bedeutet die Sterblichkeit des Subjekts nicht gerade, dass es eben nicht autonom über der Geschichte steht, sondern selbst Geschichte hat und als ein Teil der Geschichte heteros-nomos ist, bedeutet es nicht die Anerkennung der Abhängigkeit und der Geschichtlichkeit unserer Existenz? Als Ausgangspunkt für die Behandlung dieser Fragen liegt es daher nahe, unser modernes Selbstverständnis in den Blick zu nehmen. Der französische Philosoph Michel Foucault tat dies 1982 – im Hinblick auf das Kernthema der Konflikte unserer Zeit - mit folgender Fragestellung: „Wer sind wir, in genau diesem Moment der Geschichte?“ Hinsichtlich der Legitimität von Tötungshandlungen vollzieht sich in Europa seit dem 18. Jh. ein auffallender Wandel, der sich paradigmatisch in der zunehmenden ethischen und juridischen Ablehnung der Todesstrafe einerseits und der etwa gleichzeitig steigenden Akzeptanz des Suizids andererseits abbildet. Gemäß dem von Foucault Mitte der 1970er Jahre präsentierten Konzept der Biopolitik ist die Legitimitätsrationalität von Tötungshandlungen in die Herrschaftsstruktur und in die Machttechniken des Staates eingeschrieben. Zugleich mit dem Erscheinen absolutistischer Staatsformen nach dem Westfälischen Frieden treten „das Leben und der Körper“ der Menschen zunehmend in „die Ordnung des Wissens“ und „in das Feld der politischen Techniken“ ein. Foucault sieht darin das Erscheinen einer neuartigen Biomacht bzw. Biopolitik. In den Bereich der „politischen Praktiken und der ökonomischen Beobachtungen“ traten ab dem 17. Jahrhundert die „Probleme der Geburtenziffer, der Lebensdauer, der öffentlichen Gesundheit, der Migration und Besiedelung.“ Dieser politisch-gesellschaftliche Transformationsprozess führt zu beachtlichen Folgen, zu welchen ein grundlegender Wertewandel in Bezug auf die Behandlung von Lebensprozessen gezählt werden muss. Zusammenfassend zeigt unsere empirische Analyse, dass die zunehmende Akzeptanz der verschiedenen Formen der Sterbehilfe in der Bevölkerung in Verbindung mit drei langfristigen Transformationsprozessen zu sehen ist: 1. Etablierung nominalistischer Konzepte und Daseinsdeutungen (seit Hochmittelalter-Universalienstreit), 2. Säkularisierung (seit Renaissance) und 3. Entfaltung einer Lebenssteigerungspolitik (biopolitique) im modernen Staat nach Michel Foucault (beginnend mit den absolutistischen Staatsformen in der Mitte des 17. Jahrhunderts). Literatur: Stronegger WJ. Die Legitimität von Tötungshandlungen im modernen Staat - Eine biopolitische Perspektive. Imago Hominis (2016); 23(1): 35-45. Johann Platzer 12. Ansätze empirischer Ethik Sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden haben in den letzten Jahren verstärkt in die Ethik, insbesondere in die Medizinethik, Einzug gehalten. Das betrifft nicht nur klinische Forschungsprojekte, sondern auch die steigende Bedeutung empirischer Studien zu medizinethisch heiklen Fragen, wie etwa jene zur so genannten „Sterbehilfe“. Dieses auch als „empirical turn“ bezeichnete Phänomen liegt vor allem darin begründet, dass traditionelle Ethikkonzepte, welche allgemeine ethische Prinzipien „top-down“ auf praktische Handlungsfelder anwenden, einerseits heute vielfach als zu abstrakt und anwendungsfern, andererseits im Kontext einer kultur- und wertpluralen Gesellschaft als nicht mehr konsensfähig betrachtet werden. Demgegenüber sollen unterschiedliche Konzepte einer „empirischen (Medizin-)Ethik“ eine Wende zur Praxis bringen und somit die Kontextsensitivität der Ethik erhöhen. Vor diesem Hintergrund haben sich verschiedene Ansätze empirischer Ethik etabliert, die allerdings nicht unumstritten sind und eine Reihe theoretischer Fragen aufwerfen. Herausforderungen solcher Art sind auch im Laufe interdisziplinärer Diskussionen im Rahmen des „Transdisziplinären Forschungs- und Kompetenznetzwerks Lebensende“ aufgetreten. Deshalb untersucht der Beitrag, wie aus einer philosophisch-ethischen Perspektive angemessen mit empirischen Daten und den verschiedenen Ansätzen empirischer Ethik umgegangen werden kann und welche Bedeutung dabei metaethischen Voraussetzungen zukommt. Es zeigt sich, dass vor dem Hintergrund einer Vielzahl existierender und miteinander konkurrierender moralischer Überzeugungen kohärentistische Ansätze dem Selbstverständnis angewandter Ethik am ehesten gerecht werden können. Obwohl kohärentistische Ethikmodelle auf letztbegründende ethische Fundierungen verzichten, soll gezeigt werden, dass nicht nur pragmatische Gründe für ein kohärenzorientiertes ethisches Begründungsmodell sprechen, sondern dass dieses auch aus metaethischer Sicht einem – vor allem für die angewandte Ethik notwendigen – Objektivitätsanspruch moralischer Sachverhalte nicht widerspricht. Mag. Dr. Johann Platzer, geb. 1969 Seit 2015 Seit 2008 Seit 2014 2011-2015 2007-2010 2002-2007 2007 1991-2002 [email protected] Universitätsassistent am Institut für Moraltheologie, Katholisch-Theologische Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz Lektor für „Ethik in der Medizin“ an der Medizinischen Universität Graz Wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Forschungs- und Kompetenznetzwerk Lebensende“ Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Moraltheologie, Katholisch-Theologische Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz Doktorratsstudium der Katholischen Theologie. Dissertation zum Thema: „Autonomie und Lebensende. Reichweite und Grenzen von Patientenverfügungen Studium der Religionspädagogik. Diplomarbeit zum Thema: „Erkenntnis und Moral als Zeichenrede. Sprachkritische Untersuchungen zu Friedrich Nietzsches Selbstaufhebungen Würdigungspreis der Republik Österreich Teilmarktverantwortlicher und Kundenbetreuer der Raiffeisenbank HeiligenkreuzKirchbach Ulla Kriebernegg 15. Dem Alter Raum geben – Kulturgerontologische Perspektiven How is the space of the care home narrated in contemporary Canadian and US American novels, and what role do aspects of space and place play for the narrative construction of old age in institutions of long-term care? In this paper, I investigate contemporary Canadian and US American cultural representations of long-term residential care, addressing the tug-of-war between individualism and homogenization of the old in such “heterotopias of deviation” (Michel Foucault). As aging is seen not only as an embodied process, but also as emplaced in time and space, the narrated space of the nursing home is examined on both a literal and a metaphoric level in the context of the “spatial turn” which initiated the development of a critical understanding of space and place as a result of social relations and practices (Henri Lefebvre). Analyzing contemporary anglophone Canadian and US American film and fiction to illustrate the spatiality of cultural constructions of old age, this study of contemporary “care home narratives” argues for the centrality of the intersection of age, space and place to our understanding of what it means to grow old. It focuses on the intersections of space, time, and experience, and thus also on the social, cultural and biological dimensions of aging. In fictional works such as May Sarton’s As We Are Now (1973) or John Mighton's Half Life (2005), long-term care facilities have been depicted as “total institutions” (Goffman 1961) and construed as prison-like sites of homogenization, oppression, and infantilization. Other novels, such as Shani Mootoo's Cereus Blooms at Night (1996) or Leslie Larson’s Breaking Out Of Bedlam (2010) present the care home as a kind of safe haven, as a site of meaningful identity development and intergenerational understanding. Oftentimes, the care home is a metaphor expressing the fear of decline, decrepitude, disease, and death, operating in juxtaposition to the open road of freedom and independence, as in Oscar Casares' Amigoland (2009), Janet Hepburn's Flee, Fly, Flown (2013), or the movie Cloudburst (2011) - stories in which protagonists escape the confinement of institutional care to retrieve self-determination and agency on their adventurous journeys. What unites all care home narratives, however, is their focus on residents’ individual resistance, subversion, and agency. They oppose, albeit in very different ways, the ageist stereotype of decline and contribute to deconstructing prevailing norms and negative images of old age as decrepitude and disease, sometimes even encouraging an appreciation of the last stages of life as ‘successful frailty.’ With this paper, I aim at bridging the gap between literary gerontology and spatial narratology, arguing that the spatiality of aging is a category that needs to be incorporated into an analysis of literary representations of the “fourth age.” This is equally important as including age as a category into explorations of critical issues of space and place. Dr. Ulla Kriebernegg ist Assoziierte Professorin am Zentrum für Inter-Amerikanische Studien der KarlFranzens-Universität Graz. Sie studierte Anglistik/Amerikanistik und Germanistik im Graz und am University College Dublin und promovierte 2010 mit Auszeichnung im Fach Amerikanistik. Im Dezember 2015 habilitierte sie sich im Fach Amerikanistik mit einer Monographie zum Thema „Putting Age in its Place: Age, Space, and Identity in North American Anglophone Care Home Narratives“, für die sie einige Monate als Gastforscherin an der Arizona State University und als Stipendiatin der kanadischen Regierung am Center for Aging and the Life Course der Universität Toronto verbrachte. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Alternswissenschaften (Kulturelle Gerontologie) und Nordamerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften. Sie ist Gründungsmitglied und seit 2015 Vorsitzende des European Network in Aging Studies (ENAS) und Mitglied mehrerer Editorial Boards wie etwa des Journal of Aging Studies und Mitherausgeberin der Buchreihe „Aging Studies“ (transcript Verlag). Franziska Großschädl 16. Doctoral Programme Nursing Science Tanja Wurm 20. Potenzielle Forschungsfelder von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen und Missing Link zwischen Recht und Pflege Der demografische Wandel impliziert die Notwendigkeit einer adäquaten Versorgung älterer, oft multimorbider Menschen. Sowohl physische als auch psychische Gebrechen tragen dazu bei, dass sich immer mehr ältere Menschen nicht mehr selbst versorgen können. Das HeimAufG wurde eingerichtet, um den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der persönlichen Freiheit in Altenund Pflegeheimen zu gewährleisten. Eine Freiheitsbeschränkung liegt nach § 3 Abs 1 HeimAufG dann vor, wenn eine Ortsveränderung einer betreuten oder gepflegten Person gegen oder ohne ihren Willen mit physischen Mitteln, insbesondere durch mechanische, elektronische oder medikamentöse Maßnahmen, oder durch deren Androhung unterbunden wird. In praxi scheint es immer noch schwierig zu sein, Freiheitsbeschränkungen klar zu definieren und vor allem als gerechtfertigt abgrenzen zu können. Die Judikatur zur Thematik zeigt, dass hier möglicherweise ein „missing link“ zwischen Recht und Pflege besteht. Mag.a Tanja Wurm, MSc Ausbildung: Studium der Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der MedUni Graz (BSc MSc) Abschluss 2014 Studium der Rechtswissenschaften (Mag. iur.) Abschluss 2013 Doktorat der Rechtswissensschaften (laufend) Diverse Zusatzausbildungen in Forschung und Lehre, sowie Sprachzertifikate(Uni for Life GmbH) Beruflicher Werdegang: 2012-2013 Studienassistentin am Institut für Pflegewissenschaft Seit 04/2013 Univ.-Ass.in ohne Doktorat am Institut für Römisches Recht, antike Rechtsgeschichte und neuere Privatrechtsgeschichte Seit 08/2014 Kursleiterin bei YourTarget für das Latinum Seit 05/2015 Selbständige Vortragende für Forschungsmethodik, Präsentationstechniken, Vertragsrecht etc. Wolfgang Zagler 21. Assistenz- und Kommunikationstechnologien für das hohe Lebensalter – Ein Überblick und eine Diskussionsgrundlage In den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten ist durch den „Demographischen Wandel“ mit einer starken absoluten und noch deutlicheren relativen Zunahme der älteren Bevölkerungsschichten zu rechnen. Das betrifft besonders auch den Anteil an hochaltrigen Menschen und das zahlenmäßige Verhältnis zur nächst jüngeren Generation, auf die die Betreuung und Pflege hochbetagter Menschen vermehrt zukommen wird. Vor rund 12 Jahren wurde mit AAL („Ambient Assisted Living“ oder neuerdings auch „Active and Assisted Living“) ein technologischer Innovationsprozeß angestoßen, dessen Ziel es ist, die Eigenständigkeit älterer Menschen über einen längeren Zeitraum zu erhalten und die Notwendigkeit von Betreuungs- und Pflegebedarf hinauszuzögern, bzw. erforderlich gewordene Betreuung und Pflege für beide Seiten verträglicher zu gestalten. Die Präsentation wird sich kritisch mit einigen AAL Entwicklungen der vergangenen Jahre auseinandersetzen, besonders mit solchen, die nicht ausschließlich auf die „jungen, aktiven Alten“ abzielen, sondern auch für Menschen am Lebensende hilfreich und nützlich sein können. Dabei sollen Beispiele aus drei Bereichen betrachtet werden: Assistierende Technologien, die darauf abzielen, (hoch)betagte Personen im eigenen Lebensumfeld zu unterstützen und so die Lebensqualität erhöhen. Technologien, durch die Pflegepersonal, insbesondere pflegende Angehörige, unterstützt werden. Kommunikationstechnologien, die den Dialog zwischen den Generationen erleichtern und die auch noch bei schweren körperlichen und kognitiven Einschränkungen verwendet werden können. Die Schlaglichter auf die vorgestellten Beispiele sollen Anregung zur Diskussion bieten. Wolfgang L. Zagler (Jahrgang 1951) befaßte sich schon während seines Studiums der Elektrotechnik an der TU Wien mit der Frage, ob und wie Menschen mit einer Behinderung durch zeitgemäße technische Entwicklungen im Alltag unterstützt werden können. Aus diesen Bestrebungen heraus konnte er einige Jahre später die „Forschungsgruppe für Rehabilitationstechnik - fortec“ ins Leben rufen. Mit einem multidisziplinären Team ist es seither gelungen, zahlreiche nationale und europaweite Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität blinder, sehbehinderter und in ihrer Mobilität eingeschränkter Menschen durchzuführen. Als ab 2004 die EU durch „Ambient Assisted Living – AAL“ einen besonderen Schwerpunkt in Richtung technische Unterstützung der stark anwachsenden älteren Bevölkerung setzte, konnte die TU Forschungsgruppe die über Jahre gewonnenen Erfahrungen vorzüglich in das neue Forschungsgebiet einbringen. Dabei stehen neben den rein technischen Aufgaben vermehrt auch Fragen der Ethik, der Akzeptanz und der Usability im Vordergrund. Mit Jahresbeginn 2012 wurde fortec als „Zentrum für Angewandte Assistierende Technologien – AAT“ in die Fakultät für Informatik aufgenommen und dem Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung zugeteilt. Mehr zu den Zielen und Aufgaben von AAT ist unter www.aat.tuwien.ac.at zu finden Zentrum für Angewandte Assistierende Technologien 1040 Wien, Favoritenstraße 11/187-2b Tel.: +43 1 58801 / 187700 Mail: [email protected] Web: www.aat.tuwien.ac.at Alexander Batthyány 23. Complex Visual Imagery and Cognitive Function during the Near-Death Experience Manuscript submitted for publication. Please don’t quote or cite without permission Near-Death Experiences (NDEs) entail complex and structured conscious experience during health conditions known to coincide with rapid loss of consciousness and often decline or disruption of the neurobiological correlates commonly held to be causative factors of visual imagery and conscious mentation. Despite of the potential implications of this phenomenon on the functional and ontological relationship between brain and mind at death and dying, only one systematic (unpublished) study has been looking into—and found large numbers of—reports of continued or enhanced sensory and cognitive function during the NDE. In the present study, 653 NDE reports (of cardiac and/or respiratory arrest patients) were analyzed for unprompted and spontaneous references to quality of conscious visual imagery and mentation. The results of these analyses confirm and replicate earlier reports of coherent thinking and often enhanced mentation during the NDE with a large independent sample. They additionally suggest that complex visual imagery is highly prevalent in the typical NDE. Together, these results indicate that in a majority of NDEs, both figurative and abstract mentation is either preserved or markedly improved during unconsciousness and unresponsiveness in the context of respiratory and cardiac arrests. The results of this study therefore strongly underscore the call to further study the mechanisms behind the ‘outliving’ of a conscious selfhood and complex, structured visual imagery and mental clarity during compromised structured brain function and severely deteriorating physiological activity (including clinical death). [Keywords: Near-Death Experience; Terminal Lucidity; Visual Imagery; Mentation; Mind-BodyProblem]. Submitted: Sept 2015, The Journal of Near-Death Studies Alexander Batthyány, Ph.D.1 Professor; The Endowed Viktor Frankl Chair of Philosophy and Theory of Psychology, International Academy of Philosophy; University in the Principality of Liechtenstein, Bendern & Cognitive Science Program. University of Vienna, Austria 1 Acknowledgments: The author would like to thank Barbora Gensorova, David Mandel, Petra Schmidt, and Johannes Berger for their assistance and help with handling of the databases and the scoring of the reports. Special thanks go to Jeffrey Long of the Near-Death Experience Research Foundation both for allowance to use the data of the NDERF experience repository and for his helpful remarks on earlier versions of this article. And warm thanks go to Bruce Greyson for his kind support and for his very helpful comments on an earlier draft. Autonomes Altern (Buch kartoniert) Österreichische Juristenkommission (Hrsg.) Autonomes Altern (Buch kartoniert) Rechtliche und Ethische Fragen ÖJK - Kritik und Fortschritt im Rechtsstaat 1. Auflage 2016 | 312 Seiten | Linde Verlag ISBN: 9783707334616 Erscheinungstermin: 29.03.2016 Aktuelle Grundfragen der autonomen Bestimmung des Lebensabends Die steigende Lebenserwartung bewirkt erhöhte Ansprüche an ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter, aber auch an selbstbestimmtes Sterben. Eine alternde Gesellschaft stellt an uns daher besondere Anforderungen psychosozialer und rechtlicher, organisatorischer und finanzieller, gesundheitlicher und ethischer Natur, soll man berechtigten Erwartungen und dem Anspruch auf Wahrung der Menschenwürde gerecht werden. Der vorliegende Band beinhaltet folgende Themen: Ethisch angemessener Umgang mit Gebrechlichkeit und Grundfragen der autonomen Bestimmung des Lebensendes Aktuelle sozialwissenschaftliche Daten betreffend die Einstellung zur Sterbehilfe Zwang in der Pflege: Mehr Freiheit oder mehr Sicherheit Reform der Sachwalterschaft im Spannungsfeld von selbstbestimmtem Leben und Bevormundung Erbrechtsreform: Privatautonomes Testieren und Behinderung Pflege als Erbrechtstitel Hauskrankenpflege versus Anstaltspflege und Gesundheitsversorgung im Alter Ausgewiesenen Expertinnen und Experten behandeln diese und andere hochaktuelle Grundfragen des letzten Lebensabschnitts. Herausgeberportraits Österreichische Juristenkommission Die Österreichische Juristenkommission (ÖJK) sieht es als Aufgabe, sich für Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte des Einzelnen einzusetzen. In diesem Sinne versteht sich die Österreichische Juristenkommission in der öffentlichen Auseinandersetzung mit Fragen des... http://www.lindeverlag.at/titel-0-0/autonomes_altern-6499/ TeilnehmerInnen Alois Birklbauer Marcus Koeller Ulla Kriebernegg Ingrid Enge Angelika Feichtner Laura Fischer Claudia Stoeckl Lukas Kaelin Thomas Fruehwald Katharina Leitner Barbara Schmidmayr Claudia Wild Günther Loewit Trautgundis Kaiba Stefan Dinges Leena Pelttari Christian Lagger Harald Retschitzegger Franziska Grossschaedl Sabine Janouschek Karin Reinmueller Juergen Wallner Wolfgang Zagler Birgit Sohar Sven Stegemann Alexander Lang Walter Schaupp Milena Wuketich Johann Platzer Christine Brunner Kristin Attems Paulina Wosko Willibald J. Stronegger Enrique H. Prat Tanja Wurm Elisabeth Frankus Sophie Schur Waltraud Klasnic Reinhard Klaushofer Elisa Zechner Sabine Pleschberger Andrea Denk Katharina Schmidt Desiree Amschl-Strablegg Heidemarie Hinterwallner