Wie funktioniert die Wirtschaft 010212

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Wie funktioniert
die Wirtschaft?
Erstellung des Manuskripts: Oskar Meggeneder
Das „Magische Viereck“
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Die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt seit Mitte der Siebziger Jahre
die politische Diskussion in der Öffentlichkeit. Das hängt damit zusammen, dass
gleichzeitig in allen entwickelten Industrieländern des Westens eine Verlangsamung
(Rezession) des Wirtschaftswachstums und eine damit verbundene erhöhte
Arbeitslosigkeit eingetreten waren. Diese Rezession hat zwar nicht die gleichen
Ausmaße angenommen, wie die Weltwirtschaftskrise der Dreißiger Jahre, hat aber
für Österreich, gleich wie für viele andere Länder, das größte konjunkturelle Tief seit
dem 2. Weltkrieg bedeutet. Einen verhältnismäßig tiefen Einbruch der Wirtschaft
erlebte Österreich bereits in den Jahren 1966/67. Anschließend erholte sich die
Wirtschaft und erlebte zu Beginn der Siebziger Jahre einen Aufschwung, um 1975
wiederum einzubrechen. Einer kurzen Erholungsphase in den Jahren 1979/1980
folge ein neuerlicher Einbruch im Jahr 1981. Die wirtschaftliche Konjunktur lag in den
darauffolgenden Jahren auf einem niedrigen Niveau und erholte sich erst wieder
Ende der Achtziger Jahre und schlitterte seit 1993 wiederum in eine Rezession.
Das Auf und Ab der Wirtschaft, auch Konjunkturzyklus genannt, ist keine neue
Erscheinung. Schon im Jahr 1825 gab es eine Weltwirtschaftskrise und gleiches gilt
für die Zeitabschnitte 1859 bis 1862, 1872 bis 1878, 1908 und 1919 bis 1922. In den
Vereinigten Staaten von Amerika waren die Jahre 1949, 1953, 1957,1960, 1969 bis
1971 und 1975 Rezensionsphasen. In jüngster Vergangenheit hatten die
österreichische Wirtschaft und auch die Weltwirtschaft zunächst eine
bemerkenswerte Aufschwungphase zu verzeichnen. Gegenwärtig scheinen wir uns
am Beginn einer rezessiven Phase zu befinden. Waren 2006 und im ersten Halbjahr
2007 ein kräftiges Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, so bremste sich die
Wirtschaft anschließend kräftig ein und für das Jahr 2008 ist ein beträchtlicher
Rückgang des Wirtschaftswachstums zu erwarten, welches durch die Krise auf den
Finanzmärkten noch einmal nach unten gedrückt wird.
Es erhebt sich die Frage, woran erkennt man den Konjunkturzyklus? Schwankungen
einer Volkswirtschaft drücken sich in bestimmten Erscheinungsformen aus, die zu
den Hauptsorgen der Wirtschaftspolitik gehören. Diese sind im wesentlichen:
Inflation, Arbeitslosigkeit, Zahlungsbilanzschwierigkeiten, Absatzrückgänge oder
sinkende Gesamtproduktion, Währungsprobleme und einiges andere mehr. Wie sich
der Konjunkturzyklus anhand von Zahlenreihen (Konjunkturparameter) darstellen
lässt, zeigen die Abbildungen 1 bis 3.
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Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt (jährliche reale Zuwachsrate in Prozent)
Abbildung 2: Arbeitslosenrate
=
3
Abbildung 3: Index der Verbraucherpreise in Prozent gegenüber dem Vorjahr
Für jeden interessierten Laien, aber auch Wirtschaftspolitiker stellt sich die Frage,
wie man sich die "ideale" Wirtschaft vorstellen kann. Der Idealfall für den Wirtschaftspolitiker wäre eine Wirtschaft, in der weder Inflation noch Arbeitslosigkeit
herrschen und in der die Zahlungsbilanz, das ist die Summe der "Geschäfte" mit dem
Ausland ausgeglichen und die Absatzmöglichkeiten für die verschiedensten Güter
und Dienstleistungen gut wären. Deshalb nennt man die Ziele
Preisniveaustabilität,
• Vollbeschäftigung,
• Wirtschaftswachstum und
• außenwirtschaftliches Gleichgewicht
das Magische Viereck.
Wenn dieses Magische Viereck erfüllt ist, spricht man von einer stabilen Wirtschaft.
•
4
Abbildung 4: Magisches Viereck
Preisniveaustabilität
Vollbeschäftigung
Wirtschaftswachstum
außenwirtschaftliches
Gleichgewicht
Erläuterung der wirtschaftspolitischen Ziele des Magischen Vierecks
Es gibt keine einhellige Meinung darüber, was man unter dem Ziel des magischen
Vierecks zu verstehen hat. Die Ziele werden schlussendlich politisch festgelegt. Eine
unter den Volkswirten verbreitete Auffassung soll im Folgenden näher erläutert
werden.
Das Ziel der Preisniveaustabilität wird normalerweise an der Zuwachsrate des
Preisniveaus der Inlandsnachfrage gemessen. Dieses Preisniveau bezieht sich auf
die Preise aller Güter und Dienstleistungen, die überhaupt nachgefragt werden. Und
zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um private Konsumgüternachfrage, um
Nachfrage des Staates oder um private Nachfrage nach Investitionsgütern (Anlagen,
Maschinen, Werkzeuge usw.) handelt. Da nicht nur inländische, sondern auch
ausländische Erzeugnisse nachgefragt werden, gehen in diese Preisberechnung die
Preise der importierten Waren und Dienstleistungen natürlich mit ein.
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Selbstverständlich ist das Preisniveau der inländischen Nachfrage kein Maßstab für
die Geldentwertung, die ja die einzelnen Haushalte unterschiedlich hart trifft, je
nachdem was teurer geworden ist und was die Haushalte aufgrund ihres
Einkommens nachfragen können. So würde für einen Haushalt keine Geldentwertung
eintreten, wenn etwa nur Stahl teurer würde, sofern natürlich die Stahlverteuerung
nicht auf die Güter des täglichen Bedarfs, für deren Herstellung Stahl verwendet
wurde, durchschlägt. Es erhebt sich die Frage, wie man die Geldentwertung (die sich
ja in einem Kaufkraftverlust des Geldes niederschlägt) misst. Die Geldentwertung
wird mit Hilfe des Preisniveaus für die Lebenshaltung, das von den Preisen jener
Güter und Dienstleistungen bestimmt wird, die wir für unseren Lebensunterhalt
unmittelbar verwenden, gemessen. Wenn die Zuwachsrate des Preisniveaus der
inländischen Nachfrage 2 % nicht übersteigt, dann wird in der Regel von einem
stabilen Preisniveau gesprochen.
Das Ziel eines angemessenen Wirtschaftswachstums bezieht sich auf die Zuwachsrate der Gesamtproduktion eines Landes während eines Jahres. Man spricht
dabei von der Zuwachsrate des realen Bruttosozialprodukts. Zunächst muss aber
erklärt werden, was unter Bruttosozialprodukt verstanden werden soll und was das
Wort "real" in diesem Zusammenhang bedeuten soll. Das Stichwort "reales
Bruttosozialprodukt" soll mit Hilfe einiger Beispiele verdeutlicht werden. In einer
Volkswirtschaft, wie z.B. derjenigen Österreichs, werden jährlich eine Unmenge von
Waren und Dienstleistungen hergestellt. Es werden Schuhe, Brot, Fahrräder,
Lebensmittel produziert, es werden Reparaturen und persönliche Dienstleistungen
(Haarschnitt, Versorgung im Krankenhaus etc.) durchgeführt. Das alles, was wir
zusammen als Gesamtproduktion eines Jahres in einem Land bezeichnen können,
entspricht in etwa dem Bruttosozialprodukt. Nur müssen wir einiges berücksichtigen,
bevor wir vom Sozialprodukt sprechen können. Damit die erzeugten Güter und
Dienstleistungen für das Sozialprodukt erfasst werden können, müssen sie bewertet
werden. Die Bewertung erfolgt entsprechend ihrem jeweiligen Marktpreis in Euro. Es
ist aber zu beachten, dass für eine vom Endkonsument gekaufte Ware (z.B. Schuhe)
Materialien verwendet werden, die ebenfalls am Markt gekauft werden (Leder,
Klebstoff, Holzabsätze, Schuhbänder). Diese für die Schuhproduktion notwendigen
Vorprodukte sind in das Gesamtprodukt eingeflossen. Das heißt, für die Erfassung
des Sozialprodukts dürfen nur die endgefertigten Schuhe herangezogen werden und
nicht die Vorprodukte; d.h., es darf zu keinen Doppelzählungen kommen. Das auf
diese Art ermittelte Bruttosozialprodukt ist jenes zu Marktpreisen oder genau
ausgedrückt, Bruttosozialprodukt zu laufenden (oder jeweiligen) Marktpreisen.
Bruttosozialprodukt ist also der in Preisen ausgedrückte Wert aller Güter und
Dienstleistungen, die in einer Volkswirtschaft während eines Jahres hergestellt oder
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bereitgestellt worden sind. Dabei ist zu beachten, dass die laufenden Preise die
Bewertung erschweren, wenn sie sich ständig verändern (Inflation) und weil es Güter
und Dienstleistungen gibt, die keinen Marktpreis haben (kostenlose Leistung eines
Staates beispielsweise). Schaltet man bei der Berechnung die Preisänderungen aus,
so spricht man vom realen Bruttosozialprodukt, weil scheinbare Änderungen dabei
ausgeschlossen bleiben, die nicht auf ein Mehr an Gütern und Dienstleistungen,
sondern lediglich auf eine Zunahme des Zahlenwertes infolge Preiserhöhungen
zurückzuführen sind. Als angemessen gilt in der Regel eine Wachstumsrate des
realen Sozialproduktes von ca. 4%. Diese reale Wachstumsrate des Bruttosozialproduktes wird auch häufig als Wirtschaftswachstum bezeichnet.
Vollbeschäftigung bezieht sich sowohl auf die Arbeitskräfte, als auch auf die
Auslastung der Maschinen und Anlagen (Sachkapital). Der Maßstab für die Vollbeschäftigung (bzw. seinem Gegenteil die Arbeitslosigkeit) erfasst aber nur die
Arbeitskräfte und ist unter der Bezeichnung Arbeitslosenquote hinlänglich bekannt.
Die Arbeitslosenquote gibt die Anzahl der durch die Arbeitsmarktverwaltung
erfassten Arbeitslosen an der Gesamtzahl der abhängig beschäftigten Erwerbspersonen (erfasst durch die Krankenversicherungen) an.
Die Arbeitslosenquote wird üblicherweise wie folgt gemessen:
Arbeitslose
Arbeitslosenquote=
x 100
Erwerbspersonen + Arbeitslose
Die Summe aus Erwerbspersonen und Arbeitslosen wird als Arbeitskräftepotential
bezeichnet. Anders ausgedrückt heißt das, dass die Arbeitslosenquote aussagt, wie
hoch der Prozentsatz der Arbeitslosen an jenen Personen ist, die arbeiten wollen (
das ist die Summe jener Menschen, die unselbständig erwerbstätig sind und die
Arbeitslosen, die Arbeit suchen).
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Reale und monetäre Betrachtungsweise in der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftliche Erscheinungen muss man von zwei Seiten her betrachten:
Von der geldwirtschaftlichen (monetären) und
von der realwirtschaftlichen (realen) Seite her
Beim Kauf eines Konsumgutes, z.B. einem Staubsauger, geschieht zweierlei: Der
Käufer bekommt den Staubsauger vom Verkäufer ausgehändigt und der Verkäufer
erhält dafür den entsprechenden Gegenwert in Geld. Allgemein kann man diese
Bewegungen (Geld- und Warenbewegung) folgendermaßen darstellen.
Abbildung 5:
Geld- und Warenbewegung
Warenstrom
(reale Größe)
Käufer
1.000,--
Geldstrom
(monetäre Größe)
8
Verkäufer
1.000,--
Der Abbildung ist zu entnehmen, dass einem Warenstrom ein gegenläufiger
Geldstrom entspricht. Der Kauf des genannten Staubsaugers kann also von zwei
Seiten her betrachtet werden:
• von der Geldseite her: In diesem Fall spricht man die monetäre Bewegung an,
was soviel heißt wie die geldliche Bewegung
•
von der Warenseite her: In diesem Fall wird die reale Seite des Kaufvorganges
betrachtet.
Nur dann, wenn wir beide Erscheinungen untersuchen, können wir den Kaufvorgang
richtig verstehen. Ihn nur als Geldaustausch zu deuten, wäre einseitig, genauso
einseitig wäre es aber auch, nur den realen Vorgang zu sehen. Viele
Missverständnisse in der ökonomischen Diskussion entstehen daraus, dass man die
jeweils andere Seite (real oder monetär) außer Betracht lässt und damit beide Seiten
verwechselt werden. Warum dies so wichtig ist, ist durch ein einfaches Beispiel zu
verdeutlichen. Nehmen wir an, dass der in Abbildung 1 dargestellte Käufer bislang
mit seinen 1.000,-- Euro gerade das Auslangen gehabt hat, um alle Güter und
Dienstleistungen zu kaufen, die er für den täglichen Bedarf benötigt. Nun findet
derselbe Käufer am Ende des Monats in seinem Lohnsäckchen statt 1.000,-- Euro
1.200,-- Euro vor; d.h., er hat eine 20%ige Lohnerhöhung erhalten. Wenn er sich
jedoch zu seinem Verkäufer begibt, in der Hoffnung, zu den üblichen Gütern des
täglichen Bedarfs (die bisher 1.000,-- Euro gekostet haben), sich noch einen weiteren
Konsumwunsch um 200,-- Euro zu erfüllen, wird er sehr enttäuscht sein, wenn
beispielsweise die Preise der Waren, die er bisher für 1.000,-- Euro erhalten hat, um
40% gestiegen sind. Das heißt, für die Güter des täglichen Bedarfs, die bisher
10.000,-- Schilling gekostet haben, sind nunmehr 1.400-- Euro zu berappen. In diesem Fall wird er trotz einer Lohnerhöhung für sein Geld weniger Waren erhalten als
im Vormonat (Kaufkraftschwund).
Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass eine Vernachlässigung der realen Seite
bei der Untersuchung des Lohnes zu einer falschen Beurteilung des Geldlohnes
führen würde. Dies gilt üblicherweise für alle wirtschaftlichen Größen, bei deren
Erfassung Preise eine Rolle spielen, z.B. für das Bruttosozialprodukt, für die Importe
und Exporte, für die Konsum- und Investitionsausgaben. Bleibt z.B. das Volumen der
Produktion von Gütern und Dienstleistungen von einem Jahr zum anderen Jahr
unverändert, erhöhen sich die Preise aber durchschnittlich um 10%, so steigt auch
das Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen (die nominale oder monetäre Größe) um
10%. Das reale Bruttosozialprodukt bleibt natürlich unverändert. Die nominalen oder
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monetären Werte müssen also von den Preisveränderungen bereinigt werden, will
man etwas über die Entwicklung der realen Werte erfahren.
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Gesamtproduktion = Gesamteinkommen
Im folgenden soll gezeigt werden, dass der in Preisen ausgedrückte Wert der
Gesamtproduktion von Gütern und Dienstleistungen einem gleich großen
Gesamteinkommen entspricht
Diese, im oben stehenden Kasten aufgestellte Behauptung, soll zunächst an dem
einfachen Beispiel eines Tisches verdeutlicht werden. Zunächst stelle ich die
Behauptung auf, dass der Ware Tisch (reale Seite des Vorganges) auch ein
Einkommen (monetäre Seite des Vorganges) gegenübersteht. Dabei entspricht der
Wert des Tisches (ausgedrückt durch seinen Verkaufspreis) einem gleich großen
Einkommen (s. Abb.1), d.h., kostet ein Tisch 218,-- Euro, so steht dem ein
Einkommen von 218,-- Euro gegenüber; und zwar das Gewinneinkommen des
Möbelhändlers und das Lohneinkommen der bei ihm beschäftigten Arbeiter und
Angestellten, sowie das Einkommen des Staates in Form von Steuern und
Sozialabgaben. Nun mag man einwenden, dass bei einem Verkaufserlös von 218,-Euro doch unmöglich auch 218,-- Euro an Löhne, Gehälter, Gewinn und
Sozialabgaben entstehen können, da doch zur Herstellung des Tisches
beispielsweise Holz angekauft werden musste. In diesem Fall müssen wir unser
Experiment gedanklich weiter fortsetzen. Nehmen wir an, dass für die Herstellung
des Tisches Bretter zum Wert von 73,-- Euro verwendet wurden. Dann stecken auch
in den Brettern das Gewinneinkommen des Sägewerksbesitzers und das
Lohneinkommen des Sägearbeiters, sowie das Einkommen des Staates (Steuern,
Sozialabgaben) drinnen. Findige Köpfe werden nun einwenden, dass aber auch zur
Herstellung der Bretter Baumstämme notwendig waren, die angekauft werden
mussten. Wir setzen unser Gedankenexperiment weiter fort: Wenn für die
Herstellung der Bretter Rundholz im Wert von 15,-- Euro angekauft werden musste,
so setzten sich diese 15,-- Euro aus dem Gewinneinkommen des Waldbesitzers und
dem Lohneinkommen des Waldarbeiters sowie den allfälligen Steuern und
Sozialabgaben zusammen. Weiter brauchen wir das Gedankenexperiment nicht
fortsetzen, da ja der Baumstamm der Natur entnommen wurde und somit kein Geld
für ihn hingegeben werden musste. Dies bedeutet letztendlich, dass der Wert einer
Ware (ausgedrückt in seinem Preis) einem genauso großen Einkommen entspricht.
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Abbildung 6:
Wert der Ware = Höhe des Einkommens
Warenwert
218,-(Preis)
Warenwert
73,-(Preis)
Warenwert
15,-(Preis)
=
Einkommen
145,-- + 73,-(Gewinne, Löhne, Steuern)
=
Einkommen
58,-- + 15,-(Gewinn, Lohn, Steuer)
=
Einkommen
15,-(Gewinne, Löhne, Steuern)
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Das angeführte Beispiel ist das Ergebnis einer einzelwirtschaftlichen Sichtweise. Wir
betrachten dabei die Produktion einer einzelnen Ware. Dehnen wir unsere
Betrachtung auf alle Waren und Dienstleistungen aus, die in einem Land (z.B.
Österreich) in einem bestimmten Zeitraum (z.B. 2001) hergestellt bzw. bereitgestellt
wurden (211,9 Milliarden Euro), so handelt es sich dabei um ein eine
gesamtwirtschaftliche Sichtweise. Wir gehen dann nicht von der Einzelproduktion,
sondern von der Gesamtproduktion aus. Wenn bei der Herstellung einzelner
Produkte (Waren und Dienstleistungen) Einkommen in gleicher Höhe entsteht, so
wird grundsätzlich dasselbe von der Gesamtproduktion zu sagen sein. Hier steht ein
gleich großes Gesamteinkommen gegenüber.
Die gebräuchlichen Begriffe sind nicht Gesamtproduktion und Gesamteinkommen,
sondern Sozialprodukt (reale Größe) und Volkseinkommen (monetäre Größe). Wirft
man einen Blick in die Buchhaltung einer Volkswirtschaft (volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung), so wird man tatsächlich feststellen, dass bis auf eine Abweichung
von wenigen Promille die volkswirtschaftliche Gesamtproduktion den gleichen Wert
hat wie das volkswirtschaftliche Gesamteinkommen.
"Reichtum" ist nicht monetär sondern eher real zu sehen
Reichtum wird üblicherweise mit Geldreichtum gleichgesetzt. Das ist nur deshalb
möglich, weil man damit Waren und Dienstleistungen erwerben kann. Erfüllt das Geld
diese Aufgabe nicht, dann sind wir nicht mehr länger bereit, Geld als Reichtum
anzusehen. Aus der Zeit der galoppierenden Inflation wissen wir, in welchem
Ausmaß das umlaufende Notenbankgeld (Banknoten) seinen Wert verlieren kann. In
Zeiten von übermäßigen Preissteigerungen findet deshalb eine Flucht in Sachwerte
statt: Grundstücke, Gold, Firmenanteile u.ä.m. Ob jemand Reichtum anhäuft hängt
also davon ab, ob er tatsächlich etwas "in Händen" hat. Dieses etwas kann Geld
sein, solange es seine Aufgabe erfüllt, Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Sonst
nicht.
Dies zeigt uns, welche Bedeutung die Unterscheidung zwischen monetären und
realen Größen in der Praxis hat. Monetärer Reichtum ist nur solange tatsächlicher
Reichtum, als er realen Reichtum (Waren und Dienstleistungen) darstellt. In der
Geschichte der Volkswirtschaftslehre erkennt man deutlich, wie man von einer
monetären Reichtumsauffassung zu einer realen Auffassung von Reichtum einer
Volkswirtschaft gelangt. War man zunächst geneigt, den Reichtum eines Landes mit
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den Goldreserven in Verbindung zu bringen, so wandelte sich dieses Denken mit der
Zeit zur realen Reichtumsauffassung. Eine Volkswirtschaft wurde nur dann noch als
reich angesehen, wenn es ihr gelungen war, ihre Produktivkräfte zu entwickeln.
Diese Produktivkräfte sind der technische Fortschritt, die gut ausgebildeten
Arbeitskräfte, der Bestand an Maschinen und Anlagen, an gut funktionierenden
Kommunikationsmitteln, der Grad an Organisation der Wirtschaft u.a.m. Nicht Geld,
sondern die Fähigkeit, Waren und Dienstleistungen zu produzieren, werden nun als
Reichtum angesehen.
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Einfacher Wirtschaftskreislauf
Die Einnahmen aus dem Verkauf einer Ware stellen Einkommen dar. Sie dienen
dazu, Löhne zu zahlen, für die Warenherstellung notwendige Vorleistungen zu
beziehen und Gewinne zu erwirtschaften. Dass Löhne und Gewinne Einkommen
darstellen, ist unmittelbar einsichtig. Die für die Warenherstellung notwendigen
Vorleistungen (Maschinen, Anlagen, Halb- und Fertigprodukte) sind von anderen
angebotene und verkaufte Waren. Insofern führen sie woanders zu Lohn- und
Gewinnentnahmen. Letztendlich sind also die aus dem Verkauf einer Ware
entstandenen Einnahmen für irgendjemanden Einkommen. Was im vorhergehenden
Kapitel einzelwirtschaftlich, d.h. auf eine einzige Ware bezogen, erläutert wurde, gilt
auch gesamtwirtschaftlich auf alle in einer Volkswirtschaft hergestellten Güter und
Dienstleistungen. Der gleiche Zusammenhang gilt deshalb auch für die
Gesamtproduktion eines Landes, deren Gegenwert Einkommen darstellen
muss. Die menschliche Produktionstätigkeit lässt sich also monetär und real
ausdrücken. Real als Güterstrom, monetär als Einkommen. Bei einer grafischen
Darstellung des Produktionsapparates stellt sich der Zusammenhang zwischen
(realer) Gesamtproduktion und (monetärem) Einkommen wie folgt dar:
Abbildung 7:
Produktion und Einkommen
Gesamtproduktion
= 1.000 Mrd.
Produktionsapparat
Gesamteinkommen
= 1.000 Mrd.
Abbildung 1 ist für uns der Ausgangspunkt des einfachen Wirtschaftskreislaufs, denn
die Gesamtproduktion bleibt ja üblicherweise nicht in den Regalen der Produzenten
stehen und das Gesamteinkommen wird üblicherweise nicht in den Geldbörsen der
Einkommensbezieher aufbewahrt. Der ideale Wirtschaftskreislauf funktioniert
dergestalt, dass die insgesamt produzierten und bereitgestellten Güter und
Dienstleistungen am Markt angeboten werden und das verdiente Gesamteinkommen
dazu verwendet wird, um die am Markt angebotenen Waren und Dienstleistungen zu
erwerben.
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Abbildung 8:
Zusammenhang zwischen Gesamtangebot und Gesamtnachfrage
Gesamtprodukt
Produktionsapparat
1.000 Mrd
ANGEBOT
Gesamteinkommen
1.000 Mrd
Markt
NACHFRAGE
Im Grunde könnten also Gesamtnachfrage und Gesamtangebot gleich groß sein,
sich mit anderen Worten, im Gleichgewicht befinden. Das käme darin zum Ausdruck,
• dass jedwede Absatzkrise ausbleiben würde und
• dass es keine Übernachfrage geben könnte.
Anders formuliert heißt das, die potentielle Nachfrage und das potentielle Angebot
sind zwar immer gleich groß, tatsächliche Nachfrage und tatsächliches Angebot
dagegen müssen nicht notwendigerweise gleich groß sein. Daraus wird die
Bedeutung des Wortes "potentiell" klar: Es deutet die Möglichkeit an. Die mögliche
Nachfrage (nämlich jenes Einkommen, das im Zusammenhang mit der Produktion
entsteht, muss nicht die tatsächliche Nachfrage darstellen. Ebenso wenig muss das
mögliche Angebot, nämlich die Gesamtproduktion auch tatsächlich zum Verkauf
angeboten werden). Zusammenfassend kann man sagen, dass zwar die potentiellen
Gesamtgrößen gleich groß sind, dass die tatsächlichen jedoch voneinander
abweichen können und es in der Regel auch tun werden. Die tatsächliche Nachfrage
kann also größer oder kleiner als das tatsächliche Gesamtangebot sein. Und eben
deshalb kann es Absatzkrisen geben.
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Im Folgenden werden zwei Dinge betrachtet:
• die laufende Produktion (potentielles Angebot) stellt nicht unbedingt das
tatsächliche Angebot auf dem Markt dar. Es kann mehr oder weniger angeboten
werden, als in der Volkswirtschaft selbst produziert wird;
• der anderen Seite ist das Einkommen, das aus der laufenden Produktion
entsteht, nicht unbedingt mit der tatsächlichen Nachfrage identisch. Es kann
weniger oder auch mehr nachgefragt werden, wie aus Abbildung 3 zu ersehen
ist.
Abbildung 9:
Marktungleichgewicht
Gesamtprodukt
Produktionsapparat
1.000 Mrd
Angebot = 1.200
oder
Gesamteinkommen
1.000 Mrd.
Markt
Angebot = 800
Nachfrage = 1.300
oder
Nachfrage = 700
Nur dann, wenn Angebot und Nachfrage einander entsprechen, würde ein
Gleichgewicht vorliegen, ansonsten würde eine Kluft und somit ein Ungleichgewicht
zwischen Gesamtangebot und Gesamtnachfrage bestehen. Die Forderung nach
einem
Gleichgewicht
zwischen
gesamtwirtschaftlichen
Angebot
und
gesamtwirtschaftlicher Nachfrage ist aber sozusagen ein "Königsgebot" der
Volkswirte, ganz gleich, aus welchem politischen Lager sie kommen. Im Folgenden
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wollen wir nun betrachten, was die Folgen eines Ungleichgewichtes zwischen
gesamtwirtschaftlichen Angebot und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage sind:
Beispiel 1:
Angenommen, die gesamte laufende Produktion von 1000 Werteinheiten würde auf
dem Markt zum Verkauf angeboten werden, das dazugehörige Einkommen von 1000
Einheiten dagegen würde nur zum Teil als Nachfrage Verwendung finden (Nachfrage
= 700). Die Folge wäre ein Angebotüberhang. Ein Teil der laufenden Produktion
könnte keinen Absatz mangels Nachfrage finden, es sei denn, die Anbieter würden
die Preise entsprechend senken. Was sie jedoch nicht oder zumindest nicht gleich
tun werden. Sie werden zunächst einmal die Waren auf Lager legen. In beiden Fällen
würde das bedeuten, dass die Erwartungen der Anbieter sich nicht erfüllt hätten: Sie
wollten mehr oder zu höheren Preisen verkaufen. Da ihre Entscheidungen bezüglich
der zukünftigen Produktion von diesen Erwartungen abhängig sind, werden sie in der
nächsten Periode die Produktion drosseln. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und
Insolvenzen wären somit die Folge.
Beispiel 2:
Eine weitere Möglichkeit wäre beispielsweise, dass die Gesamtproduktion nur zum
Teil auf dem Markt angeboten würde (etwa 800 Werteinheiten), das Einkommen aber
in voller Höhe (also zu 1000 Einheiten) in Nachfrage umgesetzt würde. In diesem Fall
hätten wir es mit einem Nachfrageüberhang zu tun. Hierbei kann zweierlei
geschehen:
• Die Anbieter reagieren auf die lebhafte Nachfrage mit Preissteigerungen und/oder
• sie führen Lieferfristen ein.
Preissteigerungen würden höhere Gewinne als erwartet bedeuten; Lieferfristen
bedeuten, dass einige Käufer mangels vorhandener Waren leer ausgehen würden,
und erst aus einer späteren Produktionsperiode beliefert werden könnten.
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Erweiterter Wirtschaftskreislauf
Wodurch weichen die potentiellen von den tatsächlichen Angebots- und
Nachfragegrößen ab?
Was das Angebot aus der laufenden Gesamtproduktion einer Volkswirtschaft
anbelangt, so ist leicht anzugeben, warum das Angebot nicht notwendigerweise mit
dieser
Gesamtproduktion
übereinstimmen
muss:
Wegen
der
Außenhandelsbeziehungen; d.h. wegen der Exporte und Importe.
Ein Land kann mehr verbrauchen als es produziert, wenn ein Teil des Angebots aus
anderen Ländern bezogen wird. Wenn das Gesamtangebot geringer als die
Gesamtproduktion ausfällt, so nur deshalb, weil ein Teil der Produktion auf
ausländischen Märkten abgesetzt wird und nicht im Inland. Bei der Nachfrage
handelt es sich vorwiegend um drei Entscheidungen, wodurch potentielle und
tatsächliche Nachfrage voneinander abweichen können:
•
•
•
Geldhortung oder Geldenthortung;
Einkommenszuflüsse und Einkommensabflüsse (auf das Ausland bezogen);
Geldmengenerhöhung oder Geldmengensenkung.
Sind Ersparnisse mit Geldhortung gleichzusetzen
oder ist Geldhortung etwas anderes?
Zunächst könnte man die Meinung vertreten, dass das verdiente Einkommen nur
deshalb nicht in voller Höhe als Nachfrage erscheint, weil ein Teil gespart wird. Dies
ist sicherlich aus einzelwirtschaftlicher Sichtweise - d.h. auf den Einzelnen bezogen nicht aber aus gesamtwirtschaftlicher Sicht der Volkswirtschaft eines Landes richtig.
Denn die Banken sind nur deshalb an unseren Ersparnissen interessiert, weil sie die
Gelder als Darlehen an andere weitergeben wollen. Unsere Ersparnisse verwandeln
sich auf diese Weise in Darlehen, die dann von anderen Wirtschaftssubjekten
(Konsumenten, Unternehmen, Staat) verausgabt werden und somit wiederum in die
Nachfrage einfließen. Das heißt, gespartes Geld nimmt seinen Weg in die
Gesamtnachfrage über den Umweg der Banken. Nur jener Teil der Ersparnisse, der
keine weitere Verwendung als Nachfrage findet, ist als Geldhortung anzusehen.
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Typisches Beispiel für Geldhortung ist das Geld der Großmutter im Sparstrumpf.
Geldhortung bedeutet also, dass das "gesparte" Geld dem Wirtschaftskreislauf
entzogen wird. Stirbt die Großmutter, reiben sich die Erben die Hände und setzen
das gehortete Geld wieder um. In diesem Fall spricht man von Geldenthortung.
Volkswirtschaftlich bedeutsam ist aber Geldhortung in der Form nicht veranlagten
Schwarzgeldes. Sollten beispielsweise durch steuerpolitische Maßnahmen steuerlich
nicht veranlagte Gelder sozusagen "sichtbar" werden (Aufhebung der Anonymität
von Sparkonten), so ist zu erwarten, dass die betroffenen Personen das Geld von
den Banken abheben und zunächst im Tresor horten, um es später, wenn sozusagen
"die Luft rein ist", wiederum dem Wirtschaftskreislauf in irgendeiner Form zuzuführen.
Dass Einkommenszuflüsse aus dem Ausland oder Einkommensabflüsse dorthin die
laufende inländische Nachfrage beeinflussen, dürfte unmittelbar einsichtig sein. Dazu
zählt auch eine Kreditaufnahme im Ausland.
Als dritte Möglichkeit einer Erhöhung bzw. Senkung der Nachfrage, bezogen auf das
Einkommen aus der laufenden volkswirtschaftlichen Produktion, ist eine
Geldmengenerhöhung oder eine Geldmengensenkung anzusehen. Hierbei wird
einfach zusätzliche Nachfrage mittels Geldvermehrung geschaffen oder durch eine
Geldmengenverminderung abgeschöpft. Da der Güteraustausch in einer
Volkswirtschaft über das "Schmiermittel" Geld erfolgt, ist unmittelbar einsichtig, dass
die sich im Umlauf befindliche Geldmenge wertmäßig den produzierten Gütern und
bereitgestellten Dienstleistungen entsprechen muss. Wird mehr Geld in Umlauf
gesetzt als an Gütern und Dienstleistungen erzeugt und bereitgestellt wird, so erhöht
dies
die
Nachfrage,
ohne
dass
diese
durch eine entsprechende
Produktionssteigerung befriedigt werden könnte. Ein einleuchtendes Beispiel für eine
Nachfrageerhöhung auf diesem Wege sind staatliche Ausgaben, die mit Hilfe der
Notenpresse finanziert werden.
Bei dem im folgenden Schaubild dargestellten realen Vorgängen ist ein Posten
"unfreiwillige Lagerbildung" eingetragen. Das ist der Teil des Gesamtangebotes, der
keinen Absatz gefunden hat und deshalb in den Lägern der Produzenten und
Verkäufer liegengeblieben ist: Deshalb die Bezeichnung unfreiwillige Lagerbildung.
Diese unfreiwillige Lagerbildung ist ein Zeichen fehlender Nachfrage. Sie wird
deshalb unter Umständen zu einer Drosselung der Produktion in der nächsten
Periode führen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die bei der Entstehung übereinstimmenden
Größen "Gesamtproduktion" und "Gesamteinkommen" führen nicht unbedingt zu
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einer wertmäßigen Übereinstimmung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage auf
dem Markt. Das Angebot kann gleich, größer oder kleiner als die Gesamtproduktion
sein, und zwar aufgrund von Exporten und Importen. Auch die Nachfrage kann
gleich, größer oder kleiner als das erwirtschaftete Gesamteinkommen einer Periode
sein, und zwar mittels Geldhortung, Geldenthortung, Geldbewegungen mit dem
Ausland und Geldmengenänderungen im Inland.
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Abbildung 10:
Das Gesamtangebot und die Gesamtnachfrage beeinflussende Faktoren
Ausland
Minus
Plus
Importe
Minus
Einkommens- Einkommensabflüsse
zuflüsse
Exporte
Gesamtproduktion = 1000
Plus
Produktionsapparat
Gesamteinkommen = 1000
Inland
Gesamtangebot
Markt
Gesamtnachfrage
Plus
unfreiwillige
Lagerbildung
Minus
Geldenthortung
Geldmengenerhöhung
22
Minus
Geldhortung
Geldmengensenkung
Ursachen für Inflation
Wenn die Gesamtnachfrage größer als das Gesamtangebot auf dem Markt ist, z.B.
1200 Nachfrageeinheiten gegenüber 1000 Angebotseinheiten, so bedeutet das im
Prinzip, dass eine allgemeine Preissteigerung eintreten kann. Denn gegenüber der
Situation, bei der Gesamtangebot und Gesamtnachfrage gleich groß sind (z.B. 1000
Angebotseinheiten = 1000 Nachfrageeinheiten) und infolgedessen eine
Angebotseinheit sich gegen eine Nachfrageeinheit tauschen lässt (Tauschverhältnis
ist 1 : 1), ist dieses Verhältnis nunmehr 1,2 : 1. Das kann eine durchschnittliche
Preiserhöhung von 20% gegenüber der Ausgangssituation zur Folge haben.
Im Falle von allgemeinen Preissteigerungen sprechen wir von einer Inflation. Wollte
man genauer sein, so müsste man den Begriff absolute Inflation verwenden, denn
es gibt auch andere Inflationsarten, die sich nicht in Preiserhöhungen bemerkbar
machen. Darauf werden wir später noch eingehen. Wir können allgemein sagen:
Treten in allen Wirtschaftsbereichen Preissteigerungen auf, so bedeutet das immer,
dass die Gesamtnachfrage größer ist als das Gesamtangebot. Allerdings muss eine
das Gesamtangebot übersteigende Gesamtnachfrage nicht unbedingt zu
Preissteigerungen führen. Anders ausgedrückt: Preissteigerungen sind zwar auf eine
Kluft beider Größen zurückzuführen, nicht jede Kluft verursacht aber
Preissteigerungen. Denn es kann durchaus möglich sein, dass z.B. die Regierung
einen Preisstopp verordnet oder dass überall Lieferfristen oder Rationierungen
eingeführt werden. In den beiden letzten Fällen wird die Mehrnachfrage in der
betreffenden Periode einfach nicht befriedigt werden können.
Wenn ein Mensch größer als ein anderer ist, so kann man den Größenunterschied
entweder darauf zurückführen, dass der eine zu klein ist, oder auch darauf, dass der
andere zu groß ist. Auf die absolute Inflation angewandt heißt das: Entweder ist die
Nachfrage zu groß oder das Angebot zu klein. Die unmittelbare Ursache einer
Inflation ist die aufgetretene Kluft zwischen Gesamtnachfrage und Gesamtangebot.
Die dahinter stehenden eigentlichen Inflationsursachen kann man nur dann
herausfinden, wenn man sich fragt, worauf die Kluft zurückzuführen ist. Ist die Folge
einer zu großen Gesamtnachfrage oder eines zu kleinen Angebots? Oder wird sie
von beiden verursacht? Dazu kann keine allgemeine Antwort gegeben werden; es
kommt auf den Einzelfall an.
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Im Folgenden einige Beispiele:
Eine mögliche Inflationsursache, die eindeutig auf die Angebotsseite zurückzuführen
ist, bilden die seit etwa Anfang der Fünfziger Jahre ständig auftretenden
Exportüberschüsse der Bundesrepublik Deutschland, denn sie stellen eine
Verminderung des Gesamtangebots im Inland dar. Aber auch eine übermäßige
Lagerbildung, z.B. um eine künstliche Verknappung des Öles (Ölpreisschock
1974/75) oder anderen Gütern herbeizuführen, zielt in diese Richtung. Hier liegt der
Grund ganz offen auf dem Tisch: Die Unternehmer verursachen auf diese Weise,
höhere Preise durchzusetzen.
Aber auch auf der Nachfrageseite kann man sich eine inflationäre Kluft vorstellen,
wenn beispielsweise auf Grund einer Spekulationswelle auf den Devisenmärkten
sehr viel ausländisches Geld in das Inland hereinströmt. Ein weiteres Beispiel ist,
wenn die umlaufende Geldmenge durch Eingriffe der jeweiligen Zentralnotenbank (in
Österreich: Nationalbank) erhöht wird. Dadurch werden die Möglichkeiten erweitert,
mehr nachzufragen, denn das Geld ist ja reichlich vorhanden und infolgedessen auch
billig zu haben. Der Preis des Geldes sind die zu zahlenden Leihzinsen. Die Folge
werden vermehrte, mit Krediten finanzierte Käufe sein.
Sicherlich wird eine solche Mehrnachfrage in einer bestimmten Periode dazu führen,
dass möglicherweise in der nächsten Periode weniger Nachfrage vorhanden ist. Was
für die Inflation in der Gegenwart jedoch nur zählt, ist die in der Gegenwart getätigte
Nachfrage. Es wurde bereits festgehalten, dass es Inflationsformen gibt, die sich
nicht in Preissteigerungen bemerkbar machen und die deshalb den meisten Bürgern
verborgen bleiben. Dazu gehört die relative Inflation. Sie kann selbst bei sinkenden
Preisen auftreten. Wir können annehmen, dass ein bestimmtes Gut, z.B. der in
unserem Manuskript verwendete Tisch, im vergangenen Jahr zu einem
Selbstkostenpreis von 160,-- Euro hergestellt wurde. Wenn nun ein Tischler eine
neue Produktionstechnologie erfindet, die es ihm ermöglicht, den Tisch zu einem
Selbstkostenpreis von, sagen wir 130,-- Euro herzustellen (die Kosten für die neue
Produktionstechnologie sind darin bereits enthalten), so könnte er diesen Tisch am
Markt um die verminderten Selbstkosten – in unserem Fall 30,-- Euro zum Verkauf
anbieten. Wenn die Nachfrage unverändert groß ist, wird dieser Tischler dies nicht
tun, weil sich ja der Preis der am Markt angebotenen vergleichbaren Tische nach
dem allgemeinen Stand der Produktionstechnologie richtet. Das heißt, die geringeren
Herstellungskosten werden nicht im Preis weitergegeben. Dies bedeutet, dass der
Tisch, obwohl sich sein Preis absolut nicht erhöht, relativ teurer verkauft wird.
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Wir können deshalb festhalten: Es liegt eine relative Inflation immer dann vor, wenn
die Güterherstellung allgemein billiger geworden ist, ohne dass die entsprechenden
Preise im selben Maße gesunken sind. Diese relative Verbilligung der
Güterproduktion im Beispiel des Tisches wird volkswirtschaftlich deshalb nicht
bedeutsam, weil es sich nur um einen Einzelfall handelt (d.h., ein einziger der vielen
Tischler verwendet diese neue Produktionstechnologie). Wenn jedoch neue
Produktionstechnologien auf einem Gütermarkt, beispielsweise durch
Kartellabsprachen an die Konsumenten nicht in Form einer Preissenkung
weitergegebenen werden, so kann diese relative Inflation gesamtwirtschaftlich
bedeutsam und messbar werden.
Weiterführende Literatur
Hermann Adam: Bausteine der Wirtschaft
VS Verlag. Wiesbaden 2009, 280 S., € 20,45 ISBN 978-3-531-15763-4
Bernhard Beck: Volkswirtschaft verstehen
Vdf Hochschulverlag. Zürich 2008, 5. Aufl., 475 S., € 44,30
ISBN 978-3-7281-3207-9
Gabler Kompakt-Lexikon Wirtschaft
Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler. Wiesbaden 2006, 384 S., € 20,45
ISBN 978-3-409-99168-1
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