01|Überuns scinexx.de-DasWissensmagazin scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung undWissenschaft. DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften, Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht allewissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit. scinexx wurde 1998 als Gemeinschaftsprojekt der MMCD NEW MEDIA GmbH in Düsseldorf und des Heidelberger Springer Verlags gegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de, natur.deunddamals.de. 02|Inhalt 01 02 ÜBERUNS INHALT 03 HAWAII Tropisches Paradies auf heißem Untergrund 04 IMPRESSUM 03|Hawaii TropischesParadiesauf heißemUntergrund VONDIETERLOHMANN Aloha,WaikikiBeachunddieberühmtenBlumenkränze-vielmehr wissendiemeistennichtüberHawaii.Doch„dielieblichsteFlottevon Inseln,diejeimMeervorAnkerlag“istnichtsolieblich,wiees scheinenmag.DennimUntergrundbrodeltesgewaltig WEITWEGVONJEDERPLATTENGRENZE W ommendieVulkaneinsMeer?:Erst„BigIsland“Hawaii ganz im Südosten, dann Maui und die anderen Hauptinseln, später weiter im Nordwesten die Midways und das Kure-Atoll. Die Inseln des Hawaii- Archipels liegen wie an einer Perlschnur aufgereiht inmitten des Pazifischen Ozeans. Nach einem scharfen Knick nach Norden schließen dann noch die Unterwasserberge der so genannten Emporer Chain ebenso regelmäßig - wie im „Gänsemarsch“ - an die Hawaii-Inseln an. Dieses 4.000 Kilometer lange Gebilde aus monströsen Erhebungen sieht aus als wäre es mit einer Nähmaschine auf den Meeresboden gestickt. Alles nur Zufall? Diese Frage beschäftigt die Geowissenschaftler schon seit langem. Klar ist, dass alle Inseln und untermeerischen Berge der Hawaii-EmporerKette durch Vulkanismus entstanden sind. Die ältesten der Unterwasservulkane, die Forscher nennen sie Seamounts, vor der Küste Kamtschatkas und den Aleuten sind rund 70 bis 80 Millionen Jahrealt.JeweitermannachSüdostenkommt,destojüngerwerden die Feuerberge. Die jüngste Insel Hawaii ist gerade mal 500.000 bis eineMillionJahrealt. HeißeFleckenimUntergrund 500 bis 600 aktive Vulkane gibt es auf der Erde. Die meisten davon befinden sich in geologisch besonders unruhigenZonenentlangder Plattengrenzen. Die Vulkane Hawaiis liegen jedoch Tausende Kilometer entfernt PazifischesBeckenmitdenHawaii-Inseln© von einer solchen USGS Plattengrenze. Warum aber gibt es dann dort Feuerberge, Lavaströme und Eruptionen? Die Forscher haben darauf längst eine Antwort parat. Rund hundert KilometertiefimErdmantelversteckt,befindetsicheinHotSpot,ein heißer Fleck. Wie ein gigantischer Schweißbrenner erzeugt dieser unaufhörlich Magma, das sich durch Risse in der Erdkruste seinen Weg nach oben bahnt. Es sammelt sich schließlich in größeren MagmenkammerninetwafünfbiszehnKilometernTiefe. Von dort aus wird die Gesteinsschmelze dann an die Erdoberfläche geschleudert. Durch den unaufhörlichen Nachschub aus der Tiefe wächstdieserUnterwasservulkanimLaufederZeit-fürgeologische Prozesse sehr schnell - der Wasseroberfläche entgegen. In weniger als einer Million Jahre ist der Feuerberg so hoch geworden, dass er die 5.000 oder 6.000 Meter vom Meeresboden bis zur WasseroberflächelockerüberwundenhatundausdemMeerragt– eineVulkaninselistgeboren. WoherjedochkommtderNachschubanheißemGesteinfürdenHot Spot? Auch diese Frage haben Wissenschaftler mittlerweile weitgehend geklärt. An der Grenzschicht zwischen unterem Erdmantel und Erdkern, in rund 2.900 Kilometer Tiefe, liegt eine gewaltige Blase festen Gesteins, die bis zu 300 °C heißer ist, ist als das umliegende Mantelmaterial. Die Blase wird – warum, weiß niemand so genau – instabil und wächst wie ein gigantischer „Magmenpilz“ in Richtung ErdkrusteundbildetsodenHotSpot. VULKANISCHEPERLENKETTE W ieHawaii-InselnüberdieErdgeschichteerzählen:Das Hot Spot-Szenario kann zwar erklären, warum ein Vulkan weit abseits der Plattengrenzen entsteht, wie aberkanneineinzigersolcherHotSpoteinemehrere tausendKilometerlangeInselketteausdemBodenschießenlassen? HierkommtdiePlattentektonikinsSpiel. Die Pazifische Platte auf der auch Hawaii liegt, driftet jährlich mit einem Tempo von acht bis zehn Zentimetern von Südost nach Nordwest. Da der Hot Spots aber – so ein Dogma der Geologie – stets am selben Ort bleibt, frisst der „Schweißbrenner“ immer neue „Löcher“ in die Erdkruste und lässt an der Oberfläche mit der Zeit eineganzeReihevonVulkaninselnwachsen. Nur die Vulkane direkt über dem Hot Spot sind aktiv. Ältere, erloschene Vulkane, die „Huckepack“ auf der Platte mitfahren, wandern von dem heißen Flecken weg. Dabei werden sie im Laufe derJahrmillionenwiederkleiner.Diesliegtzumeinendaran,dasssie vonWasserundWindabgetragenwerden.ProfessorinHelgadeWall von der Universität Würzburg, die schon seit langem den Hot SpotVulkanismusaufHawaiierforscht,nenntnocheinenanderenFaktor: „WährenddierelativjungenVulkanenochalsInselnausdemMeere herausragen, sind die älteren aufgrund ihres Eigengewichtes so tief in den Meeresboden eingesunken, dass sie unterhalb des Hawaii-Inseln©NASA/JSC Meeresspiegels liegen“, Pu`u`O`o-Ausbruch©USGS/HVO ergänzt. Je weiter sich die Vulkane vom Hot Spot entfernen, desto kälter wird zudem die Pazifische Platte und zieht sich zusammen – die Seamounts schrumpfen immer weiter zusammen. Die Vulkane der Insel Hawaii entfernensichunaufhörlichvomZentrumdesHotSpotsundwerden vermutlich in nicht allzu ferner Zukunft erkalten und ihre Tätigkeit einstellen. „Knick“inderPerlschnur Grund für den deutlich zu erkennenden „Knick“ in der Perlschnur nach Norden, war nach Meinung vieler Forscher eine heftige Richtungsänderung bei der Wanderung der Pazifischen Platte vor rund45MillionenJahren. Soweit die Theorie über die Entstehung der Hawaii-Insel. Doch die rätselhafte EntstehungderMagmenpilzeimunteren Erdmantel ließ die Wissenschaftler nicht ruhen. Woher stammt das PlumeGestein? Wie entstehen die „Blasen heißen Gesteins“ an der Basis des Magmenpilzes? Um diese und andere Fragen zu klären, bohrt ein internationales Forscherteam ein 5.000 Meter tiefes Loch in den erloschenen Hawaii-BigIsland©NASA/JSC Vulkan Mauna Kea auf „Big Island“. Der flache so genannte Schildvulkan wird seit 1999 im Rahmen des Internationalen Kontinentalen Bohrprogramms (ICDP) erforscht. Mit dabei bei diesem Projekt sind auch Wissenschaftler vom GeoForschungsZentrum Potsdam, dem Max-Planck-Institut für Chemie und der Universität Würzburg. Der mit einer Höhe von fast 10.000Meter–mehralsdieHälftedavonliegtunterWasser-größte VulkanderErde,derMaunaKea,istdurchdasÜbereinanderfließen vonTausendeneinzelnerLavaströmeentstanden.Ummehrüberdie Herkunft des Vulkangesteins zu erfahren, zerkleinern die Forscher die Bohrkerne aus dem ICDP und untersuchen sie auf die Konzentration vorhandener Spurenelemente. Sie erhalten so einen „geochemischen Fingerabdruck“ des Vulkans und seiner Schichten. Vor einiger Zeit haben die Wissenschaftler bei der Analyse von uraltenLaven-ProbenausHawaiieinewichtigeEntdeckunggemacht. Danach sind die Hawaii-Vulkane Teil eines riesigen geologischen Recyclingvorgangs. Vor ein bis zwei Milliarden Jahren an Subduktionszonen in den Erdmantel „eingearbeitete“ ozeanische KrustewurdehierüberdenMantlePlume–nachunendlicherlanger Wartezeit in den Tiefen der Erde - wieder nach oben transportiert und dann anschließend von den Vulkanen an die Erdoberfläche geschleudert. UNDSIEBEWEGENSICHDOCH S t um Hot Spots: John Tarduno und Rory Cottrell von der University of Rochester, David Scholl von der Stanford UniversityundThorvaldurThordarsonvonderUniversityof HawaiisorgtenzusammenmitanderenGeowissenschaftler im Jahr 2003 für ein schweres „Erdbeben“ in der Geologie und speziellbeiderTheoriederPlattentektonik. AnBorddesForschungsschiffesJoidesResolutionhattensiewährend einerzweimonatigenExpeditionimRahmendesInternationalOcean Drilling Programms (ODP) Bohrungen an uralten Lava-Strömen des Emporer-Rückens vorgenommen. Bei der anschließenden Untersuchung der Bohrkerne kamen sie zu dem Schluss, dass der Hot Spot, der für die Entstehung der Hawaii-Emporer-Kette verantwortlich ist, nicht - wie bisher angenommen - ortsstabil ist, sondern seine Lage im Laufe der Erdgeschichte dramatisch verändert hat. „Unsere Forschungsarbeiten haben ergeben, dass der Hawaii Hot Spot in der Zeit zwischen 81 und 47 Millionen Jahre vor heute während der späten Kreidezeit und dem Beginn des Tertiärs nach Süden gewandert ist“, sagt der Stanforder Geologe David Scholl. Mit ODP-BohrschiffJoides Resolution©ODP einem Tempo von rund 44 Millimeter jährlich ist der Hot Spot dabei nach Meinung der Forscher jährlich gedriftet. „Die Entdeckung von beweglichen Magmenpilzen macht es nötig, einige der grundlegenden Annahmen wie der Erdmantel funktioniert neu zu überdenken“, sagt dazu John Tarduno von der University of Rochester. MagnetkristallebelegenHotSpot-Wanderung Die Wissenschaftler haben im Rahmen ihrer Studie geochemische Analysen von Lavaproben gemacht, um herauszufinden, wo und wann diese entstanden sind. Das Alter wurde mit radiometrischen Messungenbestimmt.DerHotSpot-WanderungaufdieSpurkamen die Forscher durch kleine Magnetkristalle im Lavagestein. Wenn Magma entsteht, registriert das magnetische Mineral das Erdmagnetfeld wie ein Kompass. Wenn die Lava später abkühlt und zu festem Stein wird, bleiben die Einstellungen dieses Kompass erhalten. Doch nicht nur das, auch die Informationen darüber auf welchem Breitengrad sie sich gebildet haben, können Wissenschaftler aus der Stellung der Nadeln herauslesen. Wie die Untersuchung von Bohrproben von verschiedenen Stellen des Emperor-Rückens ergab, stimmte die Ausrichtung der Magnetmineralekeineswegs-wieesbeieinemfixiertenHotSpotzu erwartengewesenwäre-überein,sondernunterschiedsichdeutlich. DieermittelteMagnetisierungderLava,dienahedesAleutengrabens durchTiefseebohrungenermitteltwurde,legtnahe-sodieForscher umJohnTarduno-,dassdiesesGesteinvorrund80MillionenJahren oberhalbdes30.nördlichenBreitengradesproduziertwurde–rund 1.600 Kilometer von der Stelle entfernt, wo sich Big Island Hawaii undderHotSpotheutebefinden. “Stille“Kontroverse „Der einzige Schluss den diese Ergebnisse zulassen, ist dass die PazifischePlattesichdamalseinezeitlangkaumbewegthat,während der Mantle Plume gleichzeitig nach Süden wanderte“, kommentiert Rory Cotrell von der University of Rochester die Ergebnisse und weiter:„Irgendwannvorrund45MillionenJahrenkamderHotSpot dannzumStillstandunddieBewegungderPlattesetzteein.“„Warum der Hot Spot aufhörte nach Süden zu marschieren, und ob dies in irgendeinemZusammenhangmitderplötzlichenWanderungsbeginn derPazifischenPlattestehtwissenwirnochnicht“,sagtJohnTarduno. Undweiter:„Schonseit30JahrengibtesunterWissenschaftlerneine „stille Kontroverse“ über die Bewegung von Hot Spots. Einige ForscherwarenschonimmerderMeinung,dassdiegängigeTheorie insichnichtstimmigist.DieseStudiegibtAntwortenaufvieleoffene Fragen…“ KRATERUNDEINDRIVEINVOLCANO E schichte „live“: Lo’ihi heißt der jüngste aller hawaiianischen Feuerberge.Erwartetheutenochrund30Kilometeröstlich vonBigIslandaufsein„coming-out“imPazifik.Rund1.000 Meter fehlen zurzeit noch bis zur Meeresoberfläche. Der Seamount Lo’ihi „sitzt“ direkt über dem heißen Fleck im Erdmantel undwirddeshalbvomHotSpotunaufhörlichmitMagmaversorgt. Trotz der gewaltigen Lava-Eruptionen, die der Lo’ihi immer wieder ausstößt, schätzen Wissenschaftler, dass es noch mindestens 100.000 Jahre dauern wird, bis die Spitze des Vulkans aus dem Ozean auftaucht. Außer dem Lo’ihi gibt es zurzeit auf der gesamten Hawaii-Emporer-Kette nur noch zwei weitere aktive Vulkane – den Mauna Loa und den Kilauea. Beide befinden sich ganz in der Nähe aufBigIsland.Der1.243MeterhoheKilaueaistindenletztenJahren immer mehr zum Mittelpunkt des Vulkan-Tourismus – rund sieben Millionen Besucher kommen jährlich auf die Inseln - und zueinerArt„driveinvolcano“ geworden. Im Herzen des „Hawaii Volcanoes National Park“ gelegen, können Vulkanforscher, Abenteurer und Touristen am Kilauea relativ gefahrlos und aus Kilauea-Krater©NOAA unmittelbarer Nähe LavaFontänen und Lavaströme beobachten und damit Erdgeschichte „live“miterleben. Die Ausbrüche der Hawaii-Vulkane sind zwar spektakulär, aber nur selten mit gewaltigenExplosionenwieamSoufriere Hills auf der Insel Montserrat oder am Pinatubo auf der philippinischen Insel Luzon verbunden. Dafür dauern sie oft jahrelang wie beispielsweise in den Jahren1983bis1986beiderGeburtdes Lavastrom©USGS/HVO Pu`u `O`o-Kraters. Das basaltische MagmadesKilaueaistrelativdünnflüssig.Estrittdaherschonunter geringem Druck aus. Nach der Sprache der Hawaiianer bekamen zwei grundlegende Typen von basaltischer Lava ihren Namen. Die Pahoehoe-Lava hat eine mehr oder weniger glatte oft wulstartige Oberfläche. Ein Pahoehoe-Lavastrom bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von maximal einem Meter pro Minute. An der Luft kühlt sich die Oberfläche schnell ab, die heiße Lava darunter fließt aber weiter und es bilden sich strickartige Strukturen oder Wülste. DieAa-LavahatihrenNamenbekommen,weil“Aa”derersteLautist, denmanvonsichgibt,wennmandieLavabarfußbetritt.Sieistsehr scharfkantigundschlackenähnlich.Sietrittweiterentferntvonihrem Herkunftsort auf und ist deshalb zum Zeitpunkt ihrer Erstarrung weitgehendentgast. BeieinemAusbruchfließtdie Lava entweder als breiter Strom oder in schmalen Lavakanälen bergab und zerstört dabei immer wieder bisher vom Vulkanismus unberührt gebliebene Waldflächen. Oft bahnt die Lava sich aber auch in alten Tunnelsystemen einen Weg DampfwolkennachLava-EinflussinsMeer ©USGS/HVO RichtungMeer.Wennsichein Lavastrom in den Pazifik ergießt,isteinbeeindruckendesSchauspielzubeobachten.Dieheiße glutflüssige Lava bringt das Wasser um sie herum zum Brodeln, zischendsteigengewaltigeDampfwolkenauf.EinsolchesTreffenvon FeuerundWasseristnochweithinsichtbar. HUMUHUMUNUKUNUUNDANDERETIEREUNDPFLANZEN A und der isolierten Lage mehr als 3.000 Kilometer vom nächstenFestlandentfernthateslangegedauert,bissich auf den zunächst einmal kargen Vulkaninseln Leben ansiedeln konnte. Nur schwimmend oder fliegend erreichten die Organismen den einsamen Archipel – manche davon sogaralsUntermieterimGeflügelvonVögeln. Im Laufe der Jahrmillionen dauernden Evolution entwickelte sich Hawaii dann aber zu einem blühenden tropischen Paradies. In diesem einzigartigen Lebensraum gibt es an Land und im Wasser zahlreiche Raritäten und Exoten unter den Tieren und Pflanzen, die sonst nirgendwo auf der Welt zu finden sind. „humuhumunukunukuapua’a“ – Dies ist nicht etwa der Lockruf der Hawaiigans während der Paarungszeit, „humuhumunukunukuapua’a“ ist der Name des Staatsfisches von Hawaii. Wegen seines auffälligen Äußeren wird er auch Picasso-Fisch genannt. Die frühen Siedler behandelten ihn recht despektierlich und nutzten den getrockneten „humuhumunukunukuapua’a“ als Brennmaterial, um Birdofparadise©NOAA schmackhaftere Fische zuzubereiten.Zusammenmitknapp700anderenArten–knappein Drittel davon kommt weltweit nur hier vor – tummelt sich der Picasso-Fisch in den tropischen Gewässern vor Hawaii. Hierhin zieht esindenWintermonatenNovemberbisFebruaraberauchHunderte von Meeressäugern wie Buckelwale, die ihren Nachwuchs zur Welt bringen wollen. An den Küsten Hawaiis lebt auch der Tintenfisch Euprymnascolopes,dersicheinenbesonderenTrickeinfallenlassen hat, um selbst im Stockdunklen seine Lieblingsnahrung zu finden. Winzig kleine Bakterien bevölkern in großen Mengen das Leuchtorgan des Weichtieres und erzeugen dort per Bioluminiszenz Licht. Mit diesem lebenden Unterwasserspot kann sich der Tintenfisch im Meer zu Recht finden und potentielle Opfer wie KrebsenoderMeeresschneckenaufspüren. „Nene“vordemAus? Die Hawaiigans oder „Nene“ beispielsweise ist nicht unbedingt auf Trinkwasser angewiesen. Sie bewohnt die grünen Vulkanhänge in 1.500 bis 2.500 Meter und ernährt sich ausschließlich saftigen Kräutern und Pflanzen. Diese versorgen sie nicht nur mit allen notwendigen Nährstoffen, sondern bewahren sie auch vor Durst. 60.000HawaiigänselebtenfrüheraufdenInseln,heuteistnurnoch ein Bruchteil davon übrig geblieben. Verantwortlich für den fast vollständigen Zusammenbruch der Population ist der Mensch. Jäger dezimierten die Bestände der Hawaiigans gnadenlos, aber auch die Vernichtung ihres natürlichen Lebensraumes führte dazu, dass das Wappentier Hawaiis lange Zeit kurz vor dem Aussterben stand. Erst strenge Schutzbestimmungen und eine „künstliche“ Vermehrung in Zuchtstationen haben dazu geführt, dass heute wieder mehrere HundertHawaiigänseaufdenInselnleben. Hibiscus, Silberschwert, Orchideen, Eisenholzbäume – das milde Klima Hawaiis mit viel Sonne und Temperaturenzwischen20und28°Cist auch ein El Dorado für exotische tropische Pflanzen und Bäume. 1.600 ausschließlich auf Hawaii vorkommende heimische Arten – so haben Wissenschaftler herausgefunden - gibt esheutenochhier.Dochvielleichtschon nicht mehr lange. Denn die World Conservation Union IUCN zählt viele der HawaiianischeOrchidee© endemischenPflanzen–aberauchTiere NOAA – Hawaiis zu den am meisten vom AussterbenbedrohtenSpeziesaufderWelt.Schulddaranistneben derZerstörungdesnatürlichenLebensraumesdurchdenMenschen aucheineInvasionanExoten… GEFÄHRLICHEEINDRINGLINGE B vasoren verdrängten heimische Arten: Die Kokospalme gehörtzuHawaiiwiedieVulkaneMaunaKeaundMauna Loa oder Honolulu – sollte man meinen. Doch um 600 nachChristus,alsdieerstenMenschendieInselninBesitz nahmen,gehörtesiekeineswegszurbiologischenGrundausstattung Hawaiis.DieerstenpolynesischenSiedlerwarenes,diediesenBaum vondenMarquesasInselnausnachHawaiimitbrachten. Wenn schon die Kokosnuss nicht immer auf Hawaii heimisch war, dann aber doch wenigstens Banane oder Zuckerrohr? Keineswegs! AnanasundMango?Auchnicht! DieseganzefürHawaiianscheinendsotypischetropischeVielfaltist erst nach und nach durch den Menschen nach Hawaii importiert worden. Mit den Siedlern, die die Inseln im Laufe der Jahrhunderte von Süden nach Norden in Beschlag nahmen, kamen aber auch zahlreiche andere Einwanderer mit auf die Inseln inmitten des tropischen Pazifiks. Ratten, Flöhe, Schweine, aber auch Bakterien oder Viren – sie alle machten sich auf Hawaii breit und fanden hier einenüppigenneuenLebensraum.DieFolgenfürdieheimischeTierund Pflanzenwelt waren fatal. Die als „Blinde Passagiere“ auf den BootenderPolynesieroderimGefiederderVögeleingereistenArten entpuppten sich als Invasoren, die die einheimischen Arten in Windeseile dezimierten, verdrängten oder sogar ganz ausrotteten. Wissenschaftler haben festgestellt, dass schon im Jahr 1778 als der berühmte Seefahrer und Entdecker James Cook Hawaii für Europa entdeckte, 39 Vogelarten ausgestorben waren. Mit den Europäern, denFestlandamerikanernoderJapanern,diespäteringroßerAnzahl auf die Inseln kamen, ging die biologische Invasion und damit das Massensterben unter den einheimischen Arten erst richtig los. Forscherschätzen,dassindenvergangenengutzweihundertJahren rund die Hälfte aller hawaiianischen Tiere und Pflanzen für immer vondenInselnverschwundensind. JahrfürJahrmindestens20neueArten Ein Ende dieser Entwicklung ist noch längst nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil.Wissenschaftlerhabenherausgefunden,dassjährlichetwa 20 neue Arten nach Hawaii kommen. In Zeiten der Globalisierung, des weltweiten Handels und des Massentourismus sind die Meere längst kein unüberwindliches Hindernis mehr. Mit dem Luft- und Schiffsverkehr hat auch der Verkehr der Lebwesen explosionsartige Ausmaße angenommen. Laut IUCN haben die heimischen Pflanzen Hawaiis darunter ganz besonders zu leiden. Bis jetzt wurden insgesamt fast 5.000 Pflanzenarten eingeschleppt, mehr als 900 davon haben erfolgreich und dauerhaft die Inseln erobert. Mittlerweile werden die berühmten Blumenkränze, die man zur Begrüßung auf Hawaii überreicht, nicht mehr aus heimischen Arten gebunden – sie sind viel zu selten und deshalb streng geschützt -, sondernausdenBlütendereingewandertenIngwer-Pflanze. Kokospalme©USDA MUNGOSGEGENRATTEN E xperiment mit Folgen: Längst nicht alle Bioinvasoren können auf den Vulkaninseln Hawaiis auf Dauer Fuß fassen. Doch immer wieder sind unter den Einwanderern einige Arten, die sich zu einer gefährlichen Konkurrenz oderGefahrfürdieheimischenArtenentwickeln. Ein Beispiel: Hawaii im Jahre 1883. Zuckerrohrplantagen haben sich in vielen Regionen Hawaiis ausgebreitet wie Krebsgeschwüre. Der Handel mit Zucker boomt und lässt die Kassen der Großgrundbesitzerkräftigklingeln.SogartropischerRegenwaldwird gefällt,umPlatzfürneueAnbauflächenzuschaffen. DochdiePlantagenliefernnichtnurdenbegehrtenRohstoffZucker, siesindauchzurHeimatvonMillionenvonRattengeworden,diehier Nahrung im Überfluss finden. Was tun um der Rattenplage Herr zu werden? Die Plantagenbesitzer sind ratlos. Endlich kommt einer auf die rettende Idee: Wie wäre es, wenn man Mungos als biologische Schädlingsbekämpfung einsetzen würde? Schnell werden aus Indien diegefräßigenkleinenRaubtiereimportiert,dienebenWürmernund Schnecken auch Säugetiere bis zur Größe eines Hasen oder GiftschlangenaufihrerSpeisekartestehenhaben.Zunächstsiehtes so aus, als könnte die Strategie Erfolg haben. Die Mungos werden aufHawaiischnellheimischundvermehrensichgut. An den ungeliebten Ratten dagegen zeigen sie jedoch zum Leidwesen der Großgrundbesitzer wenig Interesse. Die Zuckerbarone hatten schlicht und einfach übersehen, dass die Mungos tagaktive Tiere sind, während die Ratten vor allem in der Nacht und in der Dämmerung auf Nahrungssuche gehen. Statt die Nagetiere dezimieren, werden dieMungosimLaufederZeitselberzum Problem. Sie plündern die Nester der einheimischen Vögel und machen auch vor den Jungtieren nicht halt. Nicht zuletzt deshalb sind mittlerweile viele seltene oder nur auf Hawaii vorkommendeVogelartenstarkinihrem Bestand bedroht oder bereits ausgestorben. Eine endgültige Lösung fürdasRattenproblemgibtesbisheutenicht… Zuckerrohr©USDA ErfolgreicheBioinvasoren Warum jedoch sind viele biologische Einwanderer auf Hawaii so erfolgreich? Weshalb können sie die angestammten Arten aus ihren Lebensräumen verdrängen oder gar ausrotten? Forscher haben herausgefunden, dass sich viele der erfolgreichen „Bioinvasoren“ schnell und häufig fortpflanzen und sich gut an die jeweils herrschenden Bedingungen – sei es nun Wärme, Feuchtigkeit oder Nahrungsangebot - anpassen können. Auf Hawaii gibt es für Bioinvasoren wie den Mungo zudem kaum natürliche Feinde oder ansteckendeKrankheiten,diedieZahlderTieredezimierenkönnten. AufgrundderJahrmillionenwährendenIsolationaufdenentlegenen Hawaii-Inseln und dem Fehlen von Feinden, besitzen viele einheimische Pflanzen und Tiere keine Waffen wie Dornen, Gifte oder scharfe Krallen. Sie können sich gegen aggressive neue Arten kaum wehren und sind dann innerhalb weniger Jahre vom Aussterben bedroht. Manche hawaiianische „Ureinwohner“ haben zudem ihr Verhalten nicht an natürliche Feinde anpassen müssen undfallendadurchneuenRaubtierenzumOpfer.Solegenvieleder heimischenVogelartenihreEierdirektaufdemBodenab.FürTiere wiedasJemen-Chamäleon,dasseiteinigenJahrenbeispielsweiseauf Oahu sein Unwesen treibt, sind das Gelege und die Jungtiere der VögeleinebegehrteDelikatesse. KEINECHANCEFÜRDENWALD? F nderBioinvasion:ZueinemechtenÄrgernishabensichauf Hawaii die so genannten El Coqui-Frösche entwickelt. Die karibischen Amphibien der Art Eleutherodactylus coqui dezimierennichtnurdieInsektenimRegenwaldundrauben damitvielenVögelnihreLebensgrundlage,siestörenauchenergisch und dauerhaft die Ruhe der Hawaii-Bewohner. Die von Puerto Rico aus nach Hawaii ingeschleppten Coquis produzieren ein bis zu 100 Dezibel lautes Quaken, das eher an eine Kreissäge oder einen Hubschrauber erinnert als an ein tierisches Geräusch. Wie die ForschervomHawaiianEcosystemsatRiskProject(HEAR)berichten, haben die Frösche vor allem während der Brautschau damit schon manchen Hawaiianer oder Touristen um seinen Schlaf gebracht. Angeblich sollen sogar bereits Touristen wegen des Gequakes ihren Urlaub vorzeitig abgebrochen haben. Kein Wunder, dass sich Anwohner,aberauchWissenschaftlervomNationalWildlifeResearch Center mittlerweile Gedanken, darüber machen, wie sie die kleinen Quälgeisterwiederloswerdenkönnen.ImMomenttestetmanunter anderemKoffeinspraysaus,umdieFröschezuerlegen. DerKampfgegendieBioinvasoren Mittlerweile hat sich eine breite Allianz aus Politikern und Umweltschützernformiert,umdasProblemderBioinvasoreninden Griffzubekommen.VielederheimischeTier-undPflanzenartensind streng geschützt und beispielsweise auf Big Island steht ein Zehntel der Fläche unter Naturschutz. Auch der illegale Import und der VerkaufvonAmphibiensindstrengverboten.Verstößegegendieses Gesetz bestrafen die Richter drastisch. Schon der Besitz eines widerrechtlicheingeführtenTiereskannzuGeldstrafenvon200.000 Dollar beziehungsweise mehreren Jahren Haft führen. Auch Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahren mit den Folgen der Bioinvasionen.Sieversuchenbeispielsweiseherauszufinden,wiesich die Vegetation bestimmter Regionen durch pflanzliche Einwanderer, so genannte Neophyten, verändert. So untersuchen Forscher der Technischen Universität München um Hans Jürgen Böhmer im Rahmen eines internationalen Projekts die Entwicklung des Bergregenwaldes auf der Insel Hawaii. Vor etwa 30 oder 40 Jahren war es dort an der Ostflanke des Mauna Loa zu einem massiven natürlichen Waldsterben und einer anschließenden „Waldverjüngung“ gekommen. Innerhalb einer seit 1999 laufenden LangzeitstudiehabendieForscherherausgefunden,dassNeophyten und menschliche Einflüsse die Waldentwicklung erheblich beeinflussen. Böhmer kommt auf der Projektwebsite zu dem Schluss: „Die zahlreichen eingeschleppten Baumarten lassen eine Regeneration des Regenwaldes nach dem bisherigen Muster möglicherweisegarnichtmehrzu.Zubeobachtenistferner,dassdie ZahlderNeophytenaufFlächenmitnatürlichemWaldsterbenhöher istalsimvitalenWald.WahrscheinlichabergelingtesdenNeophyten nur dann, einheimische Baumarten völlig zu verdrängen, wenn anthropogene Eingriffe den Wald zerstören.“ Ob solche Forschungsprojekte, strengere Gesetze oder publikumswirksame Aktionen von Umweltschützern in der Lage sind, den Zustrom von Exoten nach Hawaii zu bremsen, ist fraglich. Schließlich reisen pflanzliche und tierische Invasoren gelegentlich sogar in den Schuhsohlen der Flugpassagiere oder im Ballastwasser der Schiffe aufdieInselnein… 04|Impressum scinexx.de-DasWissensmagazin MMCDNEWMEDIAGmbH Elisabethstraße42 40217Düsseldorf Tel.0211-94217222 Fax03212-1262505 www.mmcd.de [email protected] Geschäftsführer:HaraldFrater,[email protected] Chefredakteurin:NadjaPodbregar,[email protected] Handelsregister: Düsseldorf,HRB56568;USt.-ID.:DE254927844; FinanzamtDüsseldorf-Mitte Konzeption/Programmierung YOUPUBLISHGmbH Werastrasse84 70190Stuttgart M:info(at)you-publish.com Geschäftsführer:AndreasDollmayer ©2016byKonradinMedienGmbH,Leinfelden-Echterdingen