Mitteilungen VSD - Volkssternwarte Darmstadt eV

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Inhalt, Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Neues aus Astronomie und Raumfahrt — Bernd Scharbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Gasnebel auf schwarzem Karton — Andreas Domenico . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Der größte Sonnenfleck seit 10 Jahren — Yasmin A. Walter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Die Rückkehr des roten Planeten — Dr. Robert Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9
Das Sternbild Löwe — Bernd Scharbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Vorschau Mai / Juni 2001 — Alexander Schulze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Inflationstheorie, Teil I — Yasmin A. Walter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Das merkwürdige Verhalten der Supernova 1054 — Yasmin A. Walter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Veranstaltungen und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Über das Titelbild
Unsere Sonne ist zur Zeit recht heftig aktiv, da sie sich in ihrem Aktivitätsmaximum befindet. Ein Grund mehr, sie
zu beobachten. Das tun sowohl die Sonnenforscher als auch die Hobby-Sonnenbeobachter auf unserer Sternwarte.
Am 31.3.2001 entstand dieses Bild mit Hilfe eines Schmidt-Cassegrain-Teleskops und einer Spiegelreflex-Kamera.
Die riesige Sonnen-Fleckengruppe versetzte die Sonnenbeobachter in helle Aufregung. Der größte Sonnenfleck seit
”
10 Jahren.“ Dieser verdunkelte Bereich“ wird auch als die Aktive Sonnen-Region 9393 bezeichnet, ein sehr großer
”
Sonnenfleck, in den unsere Erdoberfläche 13 mal hineinpassen könnte.
Nun war aber dieser Fleck nicht nur schön“ anzusehen, sondern er schickte auch beträchtliche Mengen Sonnenma”
terie in den Weltraum — und das gleich mehrmals in unregelmäßigen Abständen.
Eine dieser Eruptionen bewegte sich in Richtung Erde. Dies hatte zur Folge, dass die Menschen in Amerika und
Kanada ordentliche Polarlichter zu sehen bekamen. Wir Europäer hatten wieder einmal Pech — wir sahen von
diesem Himmelsspektakel leider nichts. So schön die Himmelsbeleuchtungen“ auch sind, so haben sie auch ihre
”
Schattenseiten. Solche heftigen Eruptionen können nämlich auch erhebliche Störungen in den Funkverbindungen
hervorrufen, Schäden an den Satelliten verursachen und sogar schwere Störungen in Überland-Stromleitungen verursachen: so führte 1989 ein durch einen koronalen Massenauswurf verursachter starker geomagnetischer Sturm zu
einem neun Stunden anhaltenden Stromausfall im Norden der USA und in Kanada.
Mehr über das Aktivitätsmaximum der Sonne lesen Sie auf Seite 8.
Bilddaten:
Spiegelreflex-Kamera, Schmidt-Cassegrain, 8”, f = 200 mm (Zenitprisma)
Agfachrom 100 ASA, Belichtungszeit 1 /125 s
31.03.2001, ca. 10:45 MESZ
Wetter: 2/8 Bewölkung, Sonnenrand leicht unruhig, Bildmitte ruhig
Bildautor: Roswitha Steingässer
-rs
Impressum
Die Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt“
”
erscheinen alle zwei Monate im Eigenverlag des Vereins
Volkssternwarte Darmstadt e.V. — Der Verkaufspreis
ist durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Namentlich
gekennzeichnete Artikel geben nicht in jedem Fall die
Meinung des Herausgebers wieder. Urheberrechte bei
den Autoren.
Geschäftsstelle / Redaktion: Am Blauen Stein 4,
64295 Darmstadt, Tel.: 06151-130900, Fax.: 06151130901. Vertrieb: Peter Lutz. Redaktionsltg.: Andreas Domenico. Layout, Satz: Philip Jander. Druck:
2
Digital Druck GmbH & Co KG, Landwehrstr. 58, 64293
Darmstadt. Auflage: 300.
Volkssternwarte Darmstadt e.V.: Andreas Domenico (1. Vorsitzender, Jugend), Bernd Scharbert (2. Vorsitzender), Paul Engels (Kasse), Philip Jander, Heinz
Johann, Peter Lutz, Ulrich Metzner (Kasse), Yasmin
A. Walter. Jahresbeitrag: 100 DM bzw. 50 DM (bei
Ermäßigung). Konto: 588 040, Sparkasse Darmstadt
(BLZ 508 501 50). Internet: http://www.vsda.de,
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astro-News
Neues aus Astronomie und Raumfahrt
von Bernd Scharbert
Erinnern Sie sich noch an den Kometen HaleBopp? Das war der helle mit der spiralförmigen
Struktur in seiner Coma. Er wurde kürzlich erneut
fotografiert, in 2 Mrd. Kilometer Entfernung. Er
zeigt immer noch die spiralförmige Struktur, und
auch seine Coma ist mit 2 Mio. Kilometer Durchmesser recht groß. Ein aktiver Komet also, auch
noch in dieser großen Sonnenentfernung! [1]
Auf dem Mount Paranal hat das ESO ein weiteres wichtiges Instrument in Betrieb genommen: das
Very Large Telescope Interferometer. Das Infrarotlicht eines Himmelsobjekts wird von zwei kleinen Teleskopen aufgefangen und zur Überlagerung
gebracht. Auf diese Weise werden Bilder erhalten,
die zwar nicht so aussehen, wie man es von astronomischen Photos gewohnt ist, jedoch eine Menge Informationen beinhalten. So konnte bei ersten
Versuchen der Durchmesser des Sterns α-Hydrae
zu 0,00929±0,00017 Bogensekunden bestimmt werden.
2002 soll das Interferometer seinen regulären Betrieb aufnehmen. Dann soll unter anderem versucht
werden, Planeten bei fernen Sternen zu untersuchen. Durch die Beobachtung im Infrarotbereich
könnten wichtige Daten über die Beschaffenheit
dieser Planeten erhalten werden. [2]
Ich liebe solche Geschichten. Es geht um die Erforschung Brauner Zwerge. Diese Objekte sind zu
klein geratene Sterne, die keine dauerhafte Kernfusion in Gang setzen können, sondern nur für eine gewisse Zeit Deuterium zu Helium verbrennen.
Deswegen ist es interessant, sich braune Zwerge in
dieser Phase im Röntgenbereich anzusehen, aber
furchtbar uninteressant, sie sich im Radiobereich
anzusehen. Dachte man so. Dann kommt da eine
Schulklasse an das Very Large Array in New Mexico und will beschäftigt werden. Das taten sie dann
auch, sie beobachteten einen braunen Zwerg im Radiobereich. Völlig sinnlos natürlich. Doch siehe da,
sie empfingen ein Signal, das 20.000 mal stärker war
als erwartet. Das Sommerprojekt der Schulklasse
ist längst wieder beendet, die Kids sind wieder zuhause, die Wissenschaftler nicht. Die grübeln jetzt,
wo dieses Signal wohl herkommt. . . [3]
Es ist wie in einem guten Krimi: Immer und immer wieder wird überlegt, wer das Opfer zur Strecke
brachte und wie man den Täter überführen kann.
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Die Rede ist von den Dinosauriern. Der Täter
scheint klar: der Asteroid, der vor 65 Millionen Jahren, am Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär,
den 180 km großen Chixculub-Krater in Mittelamerika in den Boden riss. Doch ganz so sicher ist
das nicht. Denn zur gleichen Zeit gab es auf der
Erde starken Vulkanismus. Fast eine Million Jahre lang gab es gewaltige Vulkanausbrüche, die z.B.
den indischen Subkontinent mit einer dicken Basaltschicht bedeckten und das Erdklima durcheinander brachten. Diese andauernde Klimaveränderung könnte die Dinosaurier ebensogut in die evolutionäre Geschichte geschickt haben wie ein Asteroid.
Es gibt jedoch ein Indiz, welches den Fall lösen
kann: Die Dicke der Sedimentschicht, die die Kreidezeit vom Tertiär trennt. Diese Schicht ist kalkarm, weil es kaum Plankton und sonstiges Leben
im Meer gab. Schließlich waren 70% des Lebens auf
der Erde durch die Klimaveränderung ausgestorben. Wäre die Sedimentschicht dick, so würde das
zu einem lange anhaltenden Vulkanismus passen.
Wäre die Schicht dünn, so spräche dies eher für ein
kurzes, katastrophales Ereignis. Natürlich war die
Schicht schon oft mit unterschiedlichen Verfahren
untersucht worden. Es ergaben sich jedoch immer
Ergebnisse zwischen einigen tausend und einigen
hunderttausend Jahren. Beide Täter kamen also in
Frage. Nun wurden Untersuchungen gemacht, die
zeigten, daß die Sedimentschicht in nur ca. 10.000
Jahren entstand. Nach dieser Zeit hatte sich das
Plankton erholt und das Leben auf der Erde erblühte wieder. Das paßt weniger gut zu langanhaltendem Vulkanismus, jedoch gut zu einem Asteroideneinschlag. Das angewandte Verfahren arbeitet mit dem Verhältnis von 3 He und 4 He in der
Sedimentschicht. 3 He kommt auf der Erde nur in
Spuren vor und ist extraterrestrischen Ursprungs.
4 He findet sich auf der Erde. Durch die Änderungen des Verhältnisses von 3 He zu 4 He in der Sedimentschicht kann ermittelt werden, über welchen
Zeitraum sie entstanden ist. [4]
Literatur:
[1]
[2]
[3]
[4]
Spektrum Ticker 07.03.01
ESO-Pressrelease 06/10 vom 18.03.01
Nature, Spektrum Ticker, 18.03.01
Science, Spektrum Ticker 12.03.01
3
Beobachtungsberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gasnebel auf schwarzem Karton
Teil 2: NGC 2237–39, der Rosetten-Nebel
von Andreas Domenico
Zeichnung der Rosetten-Nebels. Newton 457/1850 mm, AP 5 – 8 mm, UHC- und [OIII]-Filter, A. Domenico.
In den kalten Winternächten steht ein unscheinbares Sternbild hoch am südlichen Himmel. Mit
blossem Auge ist es kaum zu erkennen, schon gar
nicht unter der Lichtglocke einer Stadt. Von einem
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dunklen Beobachtungsort aus dagegen bietet das
Sternbild Einhorn eine reihe sehr interessanter Objekte. Ein solches Objekt ist der Rosetten-Nebel, eine Wolke aus interstellarem Gas und Staub, die sich
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beobachtungsberichte
über mehrere Dutzend Lichtjahre ausdehnt. Man
findet ihn fast direkt östlich von Beteigeuze, dem
hellen roten Stern, der die linke Schulter des Orion
markiert.
Der Rosetten-Nebel gehört ganz unbestritten zu
den schönsten Galaktischen Nebeln des Himmels.
Seinen Namen bekam der Nebel aufgrund seines
Aussehens, das ein wenig an den Blütenkelch einer Rose erinnert. Im Zentrum des Objekts befindet sich der prachtvolle Offene Sternhaufen NGC
2244, eine Ansammlung von leuchtkräftigen Sternen des O- und B-Typs, die sich über ein Areal von
etwa 40 Bogenminuten Durchmesser verteilen. Die
hellsten Mitglieder des Haufens sind mit blossem
Auge sichtbar, der hellste Stern 12 Mon (5,m8) dürfte aber aufgrund seiner gelblichen Farbe (Spektraltyp K0) ein Vordergrundstern sein. Der umgebende Nebel bedeckt am Himmel eine Fläche von ca.
80 – 100 Bogenminuten, womit eine formatfüllende
Beobachtung nur mit kurzbrennweitigen und lichtstarken Geräten, bzw. Feldstechern möglich ist.
Der New General Catalogue (NGC) unterscheidet
im Nebel vier einzelne helle Regionen: 2238 und
2246 in der Nordhälfte, 2237 im Westen; NGC
2239 wird oft als Bezeichnung für den gesamten
Nebel angegeben, gilt jedoch streng genommen nur
für die Regionen östlich und südlich des Sternhaufens NGC 2244.
Die stellare Brutstätte
Der Rosetten-Nebel enthält ca. 11.000 Sonnenmassen ionisierten Wasserstoffs und hat einen
tatsächlichen Durchmesser von ca. 16 pc (52 Lichtjahre). Seine Entfernung beträgt rund 1,4 kpc (ca.
4600 Lichtjahre). Obwohl das Alter von Nebel
und Haufen auf nur 500.000 Jahre geschätzt wird,
scheint das HII-Emissionsgebiet heftige Veränderungen zu durchlaufen. Vermutlich hat ein massiver stellarer Wind, der von NGC 2244 ausgeht, den
Zentralbereich des Nebels von den Gas- und Staubmassen weitgehend freigeräumt, so dass ein gigantischer Hohlraum entstanden ist. Einen ähnlichen Effekt bewirkt auch der Strahlungsdruck der jungen
und heissen Sterne, wenn auch weniger effektiv. Die
umgebende Materie treibt mit rund 20 km/s weiter auseinander, bis sie sich in vermutlich einigen
Millionen Jahren völlig aufgelöst hat. Das Resultat könnte ein Haufen aus heissen, blauen Sternen
ähnlich den Plejaden sein.
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
Dennoch gibt es in dem umgebenden Nebelkomplex zahlreiche Dunkelwolken (Globulen) aus Staub
und neutralem Wasserstoff (HI), in denen heute
noch Sterne entstehen. Der Rosetten-Nebel zeigt
solche Globulen vor allem im nordwestlichen Viertel. An der Grenze zwischen dem nach aussen
drängenden HII-Gas und dem HI-Gas der Umgebung bilden sich Instabilitäten heraus. An diesen
Stellen ragen Schläuche neutralen Gases in das HIIGebiet hinein, die ihrem Aussehen nach Elefantenrüssel genannt werden. Es gibt ein enges Gleichgewicht zwischen der Anzahl der Rekombinationen
von Elektronen und Ionen und der Anzahl der dabei
entstehenden neutralen Atome, die dann erneut ionisiert werden. Als Folge davon entsteht zwischen
dem HII-Gas und den neutralen Gasmassen eine
sehr scharfe und aktive Grenze (Ionisationsfront).
Dadurch stehen die Dunkelwolken in deutlichem
Kontrast zu den aufgehellten Nebelflächen.
Der Rosetten-Nebel visuell
Für den visuellen Beobachter ist der RosettenNebel auch und gerade deshalb ein faszinierendes
Erlebnis. Eine diffuse ringförmige Aufhellung um
den markanten Sternhaufen kann bereits mit einem Feldstecher wahrgenommen werden. Unter einem dunklen Himmel sind schon mit einem 50 mmRefraktor und Nebelfilter Einzelheiten zu erkennen
[1]. Ein 8-Zöller zeigt schon derart viele Details,
dass eine Zeichnung des Objekts zu einer langwierigen Beschäftigung wird. Mit dieser Öffnung sind
auch die Elefantenrüssel klar sichtbar, und die hellsten Komponenten des Nebels heben sich deutlich
von der Umgebung ab. Das Spektrum des RosettenNebels weist neben dem für die Fotografie wichtigen
Hα-Peak eine sehr intensive [OIII]-Emission auf.
Viele Teile des Nebels reagieren also gut auf das
entsprechende Linienfilter. Bei Teleskopen unter 8
Zoll Öffnung empfiehlt sich zur visuellen Beobachtung eher ein Schmalbandfilter (z.B. UHC).
Bei der Beobachtung von grossflächigen Galaktischen Nebeln ist einzig und allein die Austrittspupille (AP) ausschlaggebend. Fernrohröffnung spielt
prinzipiell für die schlichte Wahrnehmung eines
flächenhaften Objekts eine untergeordnete Rolle.
Für viele Beobachter sind kleine bis mittelgrosse lichtstarke Geräte (Kometensucher ) die erste
Wahl, da diese sehr grosse Gesichtsfelder für eine
nahezu vollständige Übersichtsbeobachtung zulas-
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Beobachtungsberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
sen. Für die Erfassung und Dokumentation von
kompakten Einzelheiten sieht es aber etwas anders aus. Detailbeobachtungen mit kleinen oder
mittelgrossen Teleskopen sind nicht sonderlich effektiv. Damit man kleinflächige Details überhaupt
auflösen kann, müssen diese mit höherer Vergrösserung, d.h. kleiner bis mittlerer AP an das Auge
herangeführt werden. Also müsste von vornherein
eine längere Fernrohrbrennweite vorhanden sein, jedoch bei möglichst hoher Kontrastleistung der Optik. Grundsätzlich sind alle Teleskope über 8 Zoll
Öffnung geeignet, wenngleich man bei schwächeren Nebeln noch nicht allzu viel Detail erwarten
darf. Der zwangsläufige Verlust an Gesichtsfeld ist
dabei kein Manko oder Hindernis. Im Gegenteil:
Man wird zum Bewegen des Fernrohrs gezwungen,
wodurch indirekt sichtbare Einzelheiten subjektiv
deutlicher erscheinen können. Will man trotz des
reduzierten Feldes eine Annäherung an den Gesamteindruck erzielen, so fährt man den Nebelkomplex mit grösstmöglicher AP (z.B. 7 mm) langsam
ab. Aber auch eine noch so grosse Öffnung ersetzt
unter keinen Umständen einen dunklen Beobachtungsstandort. Visuelle Beobachtungen mit grosser
AP sind schon unter mässigen Bedingungen (wie
sie z.B. auf der Ludwigshöhe vorherrschen) relativ
sinnlos. Theoretische Überlegungen lassen das Problem deutlich werden: Die meisten Nebel sind im
Vergleich zur Helligkeit des Himmels in Stadtnähe
sehr schwach. Sind die Flächenhelligkeiten von Objekt und Hintergrund fast gleich, liegt kein wahrnehmbarer Kontrast vor. Er liegt für den Beobachter unterhalb der Sehschwelle, und es macht keinen
Unterschied mehr, ob er durch ein Fernrohr mit 20
Zentimetern oder 20 Zoll Öffnung blickt.
Atemberaubende CCD-Aufnahme des Rosetten-Nebels von Adrian Caterall (Meade 12 Zoll LX200, CCDKamera SBIG ST8, Hα-Filter), [2]
Ein Beobachtungsplatz mit absolut dunklem und
transparentem Himmel ist also zwingend nötig. Nur
dann werden die Schwaden des Rosetten-Nebels
6
beinahe so turbulent und gegliedert erscheinen, wie
wir es von Fotografien oder CCD-Aufnahmen her
kennen. Es treten kleine Bereiche unterschiedlicher
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beobachtungsberichte
Helligkeit hervor, einige mit fliessenden Konturen,
andere wiederum scharf begrenzt. Besonders die
pechschwarzen Elefantenrüssel erscheinen mit der
grossen Öffnung beobachtet unglaublich kontrastreich und vermitteln dem visuellen Beobachter eine
Art von 3D-Effekt.
dass auch weiträumig neutrales Wasserstoffgas
erhöhter Dichte und Molekülwolken zum gesamten
Komplex gehören. Die Daten des Infrarot-Satelliten
IRAS haben ausserdem gezeigt, dass die Monoceros OB 2-Assoziation über einen riesigen ringförmigen Nebelbogen mit dem Orion-Nebelkomplex verbunden ist. Ob der gigantische, uralte Supernovarest VMT 10 ebenfalls dazugehört, ist unklar.
Mit einem Durchmesser von über 4 Grad gehört
dieser zu den grössten SNR am Himmel. Dieser
sehr diffuse, ringförmige Nebel scheint die HIIRegionen des Rosetten-Nebels und des NGC 2264Komplexes zu berühren, ist jedoch um Grössenordnungen schwächer als die hellen Gasnebel.
Zur Zeichnung
Der Sternhaufen NGC 2244 visuell gezeichnet am 12Zöller des Observatoriums (1993). Damals in der Beobachtung unerfahren, ohne Nebelfilter und bei den
üblichen (schlechten) Beobachtungsbedingungen (vis.
Grenzgrösse ca. 5m ). Diese Zeichnung verdeutlicht relativ gut, was man bei der flüchtigen Beobachtung des
Rosetten-Nebels unter Stadtbedingungen zu erwarten
hat.
Die Umgebung des Rosetten-Nebels
Der Rosetten-Nebel und sein zentraler Sternhaufen gehören zur Assoziation Monoceros OB 2. Diese
hat eine Ausdehnung von etwa 6 Grad entlang der
Milchstrasse und ist reich an Nebelobjekten verschiedenster Art. Südlich befindet sich die kleinere HII-Region Sharpless 280 ; etwa 5 Grad nördlich schliesst sich die Assoziation Monoceros OB 1
mit dem ebenfalls sehr jungen Sternhaufen NGC
2264 an. Diesen umgibt ein Dunkelnebel, ein Emissionsnebel (der Konus-Nebel ) und ein Reflexionsnebel. Rosetten- und Konus-Nebel sind nur die hellsten Teile eines gigantischen Nebelgebiets, das auch
die weit im Nordwesten stehenden Nebelregionen
Sharpless 255–8, 261 und 268 einschliesst.
Radioastronomische Messungen lassen erkennen,
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Die Zeichnung des Rosetten-Nebels wurde im
Winter 1997 mit 18” Öffnung (457/1850 mmNewton) bei 8 mm, 5 mm und 3,4 mm AP mit UHCund [OIII]-Filter gemacht. Beobachtungsort war
die Sansenhöhe im Odenwald (visuelle Grenzgrösse:
6,m5 – 6,m7). Insgesamt acht Stunden Beobachtung
in zwei Nächten waren nötig, um alle Details aufs
Papier zu bringen. Solche sich über mehrere Beobachtungsnächte hin ziehende visuelle Zeichnungen
sind gewiss nicht jedermanns Sache, aber bei sehr
grossen und detailreichen Objekten (z.B. Cirrus,
Andromeda, Orion oder Grosse Magellansche Wolke) absolut nicht zu vermeiden. Der visuelle Beobachter kann (und muss) hier die Leistungsfähigkeit
seiner Beobachtungstechnik demonstrieren, denn er
ist gezwungen, sich viel intensiver mit dem Beobachtungsobjekt auseinander zu setzen.
Er muss sogar ein Paradeobjekt wie den OrionNebel sehr viel sorgfältiger beobachten, als er es
normalerweise täte. Erst dadurch räumt er sich
selbst die Zeit ein, die nunmal erforderlich ist, um
all die Details wahr zu nehmen und zu dokumentieren, die ein solches Objekt in einem AmateurTeleskop zeigt. Denn auch bei den allerhellsten Objekten hat man mit dem ersten Blick noch lange
nicht alles gesehen.
Literatur:
[1] Stoyan, R. C., Alzner, A.: Visueller Katalog Galaktischer Nebel, interstellarum 2 (1995), S. 13 ff.
[2] http://www.observatory.demon.co.uk/
7
Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der größte Sonnenfleck seit 10 Jahren
Sonnenaktivitätsmaximum und Nordlichter
von Yasmin A. Walter
Einleitung
Die Sonne ist ein heißer Gasball. Ihre mittlere
Oberflächentemperatur beträgt rund 6.000 Grad.
Sterne besitzen Phasen unterschiedlicher Aktivität.
So zeigt die Sonne während ihrer aktiven Phasen Phänomene wie Sonnenflecken. Sonnenflecken
sind dunklere Gebiete auf der Sonnenoberfläche, die
kühler sind als ihre Umgebung. Diese Flecken werden durch Störungen im solaren Magnetfeld verursacht. Während des 11-jährigen Aktivitätszyklus
der Sonne ändert sich die Anzahl und Größe der
Sonnenflecken. Die größte Sonnenaktivität ist mit
einem Anstieg der Zahl der Sonnenflecken verbunden.
bis zu 2.000 km/s beschleunigt werden. Diese Ausbrüche können magnetische Stürme und Störungen in der Erdatmosphäre verursachen, die oft mit
Nordlichtern verbunden sind.
Koronaler Massenauswurf (CME) aus AR 9393 am
02.04.2001. Innerhalb der Blende des Koronographen ist
die Sonne im gleichen Maßstab dargestellt. Bilder: SOHO/LASCO, ESA/NASA
AR 9393, Aufnahme v. R. Steingässer: C8, f =2000 mm
x 2, 1/60 s, Agfachrom 100 ASA, 31.03.2001, ca. 11:00
MESZ
Phasen der Sonnenaktivität sind auch mit Materieausbrüchen wie Protuberanzen, Flares oder koronalen Materieausbrüchen — besonders in der
Nähe von Sonnenfleckenaktivitätszonen — verbunden. Dabei wird jeweils mehr oder weniger heißes
Gas aus der Sonne ausgeschleudert und kann mit
den oberen Schichten der Erdatmosphäre wechselwirken. Im günstigsten Fall können wir dann auf
der Erde Nordlichter oder Polarlichter beobachten. Beim Ausbruch von Flares werden Energien
von oftmals mehr als einer Milliarde Megatonnen
TNT freigesetzt. Dabei werden die solaren Teilchen innerhalb weniger Sekunden enorm beschleunigt und auf bis auf einige Millionen Grad aufgeheizt. Koronale Massenausbrüche enthalten enorme
Mengen von Gas, die auf Geschwindigkeiten von
8
Sonnenaktivität im April 2001
Ende März/Anfang April 2001 konnte man den
größten Sonnenfleck seit rund 10 Jahren beobachten. Der Sonnenfleck AR 9393 besaß zum Zeitpunkt
seiner maximalen Ausdehnung einen Durchmesser
von rund 13 Erddurchmessern! Dieser Sonnenfleck
ist der größte Sonnenfleck des gegenwärtigen Sonnenfleckenzyklus. Das Gebiet um AR 9393 verursachte in diesem Zeitraum ebenfalls enorme solare
Aktivitäten, die mit Masseauswürfen und Nordlichtern verbunden waren. Inzwischen wurden mehrere massive Flares beobachtet. Am 02.04.2001 trat
der bisher heftigste Flare (Stärke X20) auf, der je
auf der Sonne beobachtet wurde. Im Zeitraum vom
28.03.–04.04.2001 traten mehrfach heftige Polarlichter —besonders in Kanada, Nord-Amerika und
Neuseeland, aber auch Nordeuropa — auf.
Quellen:
[1] SOHO im Internet: http://sci.esa.int/soho
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planeten
Die Rückkehr des roten Planeten
Marsbeobachtungen mit dem Amateurfernrohr
von Dr. Robert Wagner
Der Planet Mars hat die Menschen bereits seit
dem Altertum fasziniert: Wegen seiner charakteristischen roten Farbe, der Farbe des Blutes, brachten ihn die Griechen mit ihrem Kriegsgott Ares
(lat. Mars) in Verbindung. Sein Erscheinen am
Himmel galt als Ankündigung von Krieg, Tod und
Zerstörung, eine Vorstellung, die sich durch das
ganze Mittelalter bis in die Zeit des Dreißigjährigen
Krieges hielt. Die antiken Astronomen beschäftigte
vor allem die komplizierte Bewegung des Planeten
vor dem Sternhintergrund, die sie nie befriedigend
zu erklären vermochten. Erst dem deutschen Astronomen Johannes Kepler gelang es zu Beginn des
17. Jahrhunderts auf der Basis des heliozentrischen
Weltbilds des Copernicus und anhand sehr genauer
Positionsbestimmungen von Tycho Brahe, die Gesetze der Planetenbewegung zu entdecken.
Die Erfindung des Teleskops Anfang des 17. Jahrhunderts läutete eine neue Ära in der Erforschung
des roten Planeten ein: 1659 beobachtete der niederländische Physiker Christiaan Huygens dunkle
Markierungen auf der Marsscheibe, die ihm wie
Meere erschienen. Wenige Jahre später entdeckte
G. D. Cassini die Polkappen und bestimmte die Rotationsperiode des Planeten zu 24h 40m (heutiger
Wert: 24h 37m 22s ). Beide Wissenschaftler schlossen aus diesen Beobachtungen, daß der Mars ein
sehr erdähnlicher Planet sein müsse. Im 19. Jahrhunderts setzte dann mit dem Aufkommen besserer Teleskope ein intensives Studium der Marsoberfläche ein: Der italienische Astronom G. V. Schiaparelli berichtete 1877 über die Entdeckung feiner
Linien, die ein Netzwerk auf der Marsoberfläche
zu bilden schienen. Er bezeichnete diese Linien als
Kanäle. In der Folgezeit löste diese Entdeckung unter den Astronomen eine heftige Kontroverse aus:
Während Percival Lowell die Kanäle für das Werk
einer intelligenten Zivilisation auf dem Mars hielt,
erklärte der griechische Astronom E. M. Antoniadi,
die Kanäle seien nur eine optische Täuschung, die
unter bestimmten Beobachtungsbedingungen auftreten könne. Wenn auch Antoniadi letztendlich
Recht behielt, so hatte doch die Vorstellung von
höheren Lebensformen auf dem Mars seither viele Anhänger in der Öffentlichkeit gefunden. Erst
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durch die Ergebnisse der Raumsonden zeigte sich,
daß Leben auf dem Mars, wenn überhaupt, nur in
Form von niederen Organismen existieren kann.
Mars – Aufnahme des Hubble Space Telescope
Mars zählt zu den äußeren Planeten, d.h. seine
Bahn um die Sonne verläuft außerhalb der Erdbahn. Steht er in Opposition zur Sonne, so kann er
die ganze Nacht hindurch beobachtet werden. Zwei
aufeinanderfolgende Oppositionen ereignen sich im
Abstand von rund 26 Monaten. Da die Marsbahn
viel stärker von der Kreisform abweicht als die
Erdbahn, sind nicht alle Oppositionsstellung gleich
günstig für den Beobachter auf der Erde: Befindet sich der Planet während der Opposition nahe
dem sonnennächsten Punkt seiner Bahn (Perihel),
so ist sein Abstand zur Erde um rund 30 bis 50
Millionen km kleiner, als bei einer Opposition nahe
dem Aphel (Mars im sonnenfernsten Punkt seiner
Bahn). Der scheinbare Durchmesser der Marsscheibe beträgt während einer besonders günstigen Perihelopposition etwa 25 Bogensekunden, während bei
einer ungünstigen Aphelopposition knapp 14 Bogensekunden erreicht werden. Die kommende Marsopposition gehört zu dem Typ der Periheloppositionen und ereignet sich am 13. Juni 2001. Der
Planet wandert während der Monate Mai bis Au-
9
Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
gust entlang des südlichen Teils der Ekliptik durch
die Sternbilder Schlangenträger und Schütze. Er erreicht daher in Mitteleuropa nur eine geringe Höhe
über dem Horizont (ca. 14◦ bei Kulmination). Da
die Luftunruhe in so geringer Höhe über dem Horizont meist beträchtlich ist, dürften gute Bedingungen für teleskopische Beobachtungen eher die Ausnahme sein. Von der Plattform unserer Sternwarte
aus werden sich zudem die Baumwipfel als störend
erweisen. Trotzdem sollte man versuchen, den Planeten von Anfang Mai bis Mitte August mit dem
Teleskop zu beobachten. Der maximale scheinbare
Durchmesser der Marsscheibe wird während dieser
Opposition bei 20,8 Bogensekunden liegen und bis
Anfang Oktober mit zunehmender Entfernung von
der Erde auf 10 Bogensekunden abnehmen. Die maximale scheinbare Helligkeit erreicht −2,m3. Da die
Marsachse um einen Winkel von 25◦ 11’ gegen die
Marsbahn geneigt ist, gibt es wie auf der Erde Jahreszeiten. Im Perihel zeigt die südliche Hemisphäre
des Mars in Richtung Sonne, auf der Südhalbkugel
beginnt dann der Sommer, auf der Nordhalbkugel
der Winter. Beim Durchlaufen des Aphel hingegen
zeigt die nördliche Hemisphäre zur Sonne. Da Mars
während dieser Opposition noch ein Stück von seinem Perihel entfernt ist, blicken wir auf dem Äquator der Marsscheibe.
Olympus Mons – mit einer Höhe von 25 km und einem
Durchmesser von insgesamt rund 550 km ein gigantischer Vulkan – Aufnahme des Mars Global Surveyor vom
20.10.1997 aus einer mittleren Höhe von 205 km
Um auf der Marsscheibe Details auszumachen,
braucht man nicht unbedingt ein großes Teleskop.
10
Die Beobachtung der wichtigsten Oberflächenstrukturen gelingt bereits mit einem kleinen Amateurfernrohr, wie z.B. einem Refraktor von 80 mm
(3 Zoll) oder einem Reflektor von 114 mm (4,5
Zoll) Öffnung. Das Instrument sollte aber von guter optischer Qualität sein. Reflektoren sind gegebenfalls neu zu kollimieren, um ein Optimum an
Abbildungsqualität zu gewährleisten. Ebenso wichtig wie die Qualität der Optik ist die der Luft
davor: Bei unruhiger Luft, von den Astronomen
schlechtes Seeing genannt, macht es keinen Sinn auf
der kleinen orangeroten Scheibe nach Oberflächenstrukturen zu suchen.Viel Geduld und Ausdauer
sind gefragt, um jene Momente perfekten Seeings
abzuwarten, in denen sich einem der rote Planet
erschließt. Als auffälliges Merkmal der Marsoberfläche wird man zunächst die dunklen Strukturen
wahrnehmen, die früher als Marsmeere (Maria) bezeichnet wurden. Sie stellen Regionen dar, die überwiegend von dunklem Gestein überzogen sind. Die
hellen Gebiete, auch Wüsten genannt, erhalten ihre rötliche Färbung durch feinen Staub aus Eisenoxiden. Sowohl die Maria als auch die Wüsten entsprechen nicht diskreten topographischen Gegebenheiten auf der Marsoberfläche, sondern stellen lediglich Flächen mit unterschiedlicher Reflektivität
(Albedo) dar. Der Kontrast zwischen den dunklen
Maria und den rötlichen Wüsten läßt sich durch
Verwendung eines Orangefilters vom Typ Wratten
Nr. 21 deutlich verbessern. Besitzer von Teleskopen mit mehr als 150 mm Öffnung können auch den
etwas dunkleren Rotfilter vom Typ Wratten Nr.
23A verwenden. Das bekannteste der Dunkelgebiete, Syrtis Major, hat etwa die Gestalt des indischen
Subkontinents und wurde bereits von Huygens beobachtet. Will man die einzelnen Albedostrukturen
zuordnen, so fertigt man sich am besten eine Zeichnung während der Beobachtung an, in die man
die Himmelsrichtungen, Datum und Uhrzeit einträgt. Als Standardschablone für Marsbeobachtungen wird von der Association of Lunar and Planetary Observers (ALPO) ein Kreis mit 42 mm Durchmesser verwendet. Die Identifizierung gelingt dann
mittels einer Marskarte und Zentralmeridiantabelle, wie sie in der Maiausgabe der Zeitschrift Sky
& Telescope zu finden sind. Zur Bezeichnung der
Oberflächenmerkmale wird im wesentlichen noch
die alte von Schiaparelli eingeführte Nomenklatur
verwendet, der zum Großteil latinisierte Bezeichnungen aus der Topographie des Mittelmeerraumes
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planeten
zugrunde liegen. Die Umrisse der Albedostrukturen sind sowohl jahreszeitlichen, als auch längerfristigen Veränderungen unterworfen. Ein bekanntes
Beispiel hierfür ist die auf der Südhalbkugel gelegene dunkle Solis Lacus Region, die seit den siebziger Jahren an Ausdehnung und Intensität zugenommen hat. Die Ursache für diese Veränderungen
liegt in der Marsatmosphäre. Winde verfrachten feine Staubteilchen und decken damit dunklere Regionen ab oder legen unter Staub verborgene, dunkle
Felsstrukturen frei.
Ein weiteres augenfälliges Oberflächenmerkmal
sind die Polkappen. Da wir während der kommenden Opposition auf die Äquatorregion des Planeten schauen, sollten beide Polkappen als weiße
Pünktchen sichtbar sein. Durch Verwendung eines Blaufilters vom Typ Wratten Nr. 80A läßt
sich der Kontrast zwischen ihnen und ihrer Umgebung erhöhen. Die Polkappen bestehen aus gefrorenem Kohlendioxid und Wassereis. Mit zunehmender Erwärmung während des Frühjahrs und
Sommers beginnt das Kohlendioxid zu sublimieren
und die Polkappe fängt an zu schrumpfen. Wenn
Mitte Juni der Sommer auf der nördlichen Marshemisphäre zu Ende geht, wird die Nordpolkappe
im Teleskop deutlich kleiner erscheinen als ihr Gegenstück im Süden.
Ein interessantes Beobachtungsgebiet für den
Amateur sind die meteorologischen Erscheinungen.
Zwar besitzt der Mars nur eine sehr dünne Atmosphäre, die überwiegend aus Kohlendioxid besteht,
doch lassen sich verschiedene Wolkentypen und gelegentlich sogar Staubstürme beobachten: Während
der Marsopposition von 1999 konnte ich mit meinem vierzölligen Refraktor weiße Wolken über der
Chryseregion ausmachen. Das Hellasbecken, ein
großer Einschlagkrater südlich von Syrtis Major,
erschien bei Beobachtung mit einem Blaufilter sogar heller als die Nordpolkappe, was ebenfalls auf
Wolken oder Eisnebel zurückzuführen ist. Bisher
wurden fünf globale Staubstürme auf dem Mars
beobachtet. Diese Stürme entwickeln sich meist
im Südfrühling aus einer lokal auftretenden gelben Wolke, die sich innerhalb von wenigen Tagen
über weite Gebiete der Marsoberfläche ausbreitet
und die Albedostrukturen gänzlich verdecken kann.
Bis sich die Staubteilchen vollständig gesetzt haben
und die Oberflächenmerkmale wieder sichtbar werden, können mehrere Monate vergehen.
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
Die beiden Marsmonde Phobos (11,m5) und Deimos (12,m5) wurden 1877 von A. Hall mit dem
26 Zoll Refraktor des U.S. Naval Observatory entdeckt. Visuell sind sie mit kleinen Amateurteleskopen nicht zu beobachten. Das Problem liegt weniger in ihrer geringen Helligkeit, als vielmehr in
ihre großen Nähe zur Planetenscheibe, die sie überstrahlt. Für Amateurastronomen, die mit größeren Teleskopen und einer CCD-Kamera ausgerüstet
sind, stellen sie aber ein reizvolles Ziel dar.
Der Marsmon Phobos – hier ca. 30∗20 km groß mit dem
ca. 10 km großen Stickney-Krater – Aufnahme des Viking 1 Orbiters aus einer Entfernung von 1600 km.
Die nächste Marsopposition findet im August 2003
statt. Sie wird die beste Opposition dieses Jahrzehnts sein. Der scheinbare Durchmesser der Marsscheibe wird im Maximum 25 Bogensekunden betragen und der Planet wird für uns Beobachter in
Mitteleuropa eine vernünftige Höhe über dem Horizont erreichen. Doch bis dahin müssen wir uns
noch etwas gedulden!
Literatur:
[1] Sheehan, W.: Planets and Perception, The University of Arizona Press, Tucson 1988
[2] Dobbins, T. A., Parker, D. C., Capen, C. F.:
Observing and Photographing the Solar System,
Willman-Bell Inc., Richmond 1988
[3] Troiani, D. M.: A Grand Return of Mars, Sky and
Telescope, Mai 2001, 102 - 108.
[4] Roth, G. D.: Planeten beobachten, Verlag Sterne
und Weltraum, München 1998
[5] Neckel, Th., Montenbruck, O.: Ahnerts Astronomisches Jahrbuch 2001, Verlag Sterne und Weltraum, Hüthig GmbH, Heidelberg
[6] http://www.lpl.arizona.edu/alpo
[7] http://elvis.rowan.edu/marswatch/
11
Sternbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Sternbild Löwe
von Bernd Scharbert
Wer mal aus dem Fenster gesehen hat, wird festgestellt haben, daß die Nordhalbkugel dieses Planeten
wieder grüner wird. Der Frühling ist da. Diesem folgend ist das Sternbild, welches in dieser Ausgabe
besprochen wird, auch eines des Frühlingssternhimmels.
Mythologie
Liebe Freunde der Astro-Mythologie! Nachdem wir
es in den letzten Folgen dieser Serie mit mehr oder
weniger schönen Frauen und wahren Helden zu tun
hatten, wenden wir uns diesmal einem eher possierlichen Mitwirkenden des olympischen Spektakels zu: dem Löwen.
Wie Sie sicherlich wissen, braucht man für jeden
großen Film und jede Sage — neben dem Helden
und einer großen Liebe — vor allem zweierlei: Komparsen und Nebenrollen. Der Löwe hat nun eher
eine Nebenrolle. Ihm verdankt es Herkules, daß er
12
die zwölf ihm gestellten Aufgaben lösen konnte. Der
Beitrag des Löwen bestand darin, sich von Herkules
erwürgen zu lassen.
Der nemeische Löwe (so sein voller Name) stammt
vom feuerspeienden Ungeheuer Typhon und der
riesigen Schlange Echidna ab. Er war durch Pfeile und die Schläge von Herkules’ Keule nicht verwundbar. Daraufhin erwürgte der Held ihn kurzerhand. Das Fell des Löwen brachte Herkules zu Eurystheus. Was Sie da am Himmel sehen, ist also
eher ein nackter Löwe. Deswegen sieht er auch so
dürr aus. . . [1]
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sternbilder
Was gibt es zu sehen?
Auch wenn der Löwe — so rein sagenmäßig —
nichts Oscarverdächtiges auf die Beine gebracht
hat, so hat er am Himmel doch einiges zu bieten.
Nicht nur Sterne und Galaxien, sonder auch richtig Spektakuläres — Meteorschauer nämlich. Doch
ebenso, wie es in jeder guten Story erst am Ende
so richtig spannend wird, müssen Sie noch ein paar
Zeilen auf die Sternschnuppen“ warten.
”
Wenden wir uns zuerst den Sternen zu. Einzeln ist
so ein Stern nicht so aufregend, aber zusammen mit
anderen, vor allem andersfarbigen, sieht das schon
anders aus. Die Rede (äh — Schrift) ist von Doppelsternen. Und davon hat der Löwe einige. Echte
Doppelsterne, sogenannte physische, und unechte,
sogenannte optische.
Während sich physische Doppelsterne umkreisen,
stehen optische Doppelsterne oft Lichtjahre auseinander. Sie stehen am Himmel nur zufällig in einer
Richtung und scheinen so ein Paar zu bilden.
Die unechten: Deren gibt es drei, zu denen auch
die beiden hellsten Sterne des Sternbilds gehören.
α Leo heißt auch Regulus (der kleine König) und
ist mit 1,m4 der hellste Stern im Löwen. Er ist
blau-weiß. Neben ihm steht ein 8m heller Stern,
der sich jedoch erst im kleinen Fernrohr zeigt. β
Leo heißt Denebola. Er ist 2,m2 hell und markiert
die Schwanzspitze des Löwen. Neben diesem blauweißen Stern findet sich ein orangefarbener Stern
8,m5 Größe, der sich jedoch auch erst im Fernrohr
zeigt. Der dritte im Bunde ist τ Leo. Der Stern
selbst ist 5m hell, sein Begleiter“ 7m . Dieses Paar
”
kann schon im Feldstecher getrennt werden, die
Sterne stehen weit genug auseinander.
Nun zu einem echten Doppelstern: γ Leo besteht
aus einem 2,m2 und 3,m5 hellem Paar mit 4,3” Distanz. Die Sterne sind orange-rot bzw. gelb, was
recht hübsch aussieht. Es gibt noch weitere Doppelsterne, die jedoch nach einem größeren Instrument
verlangen, um sie in die Einzelsterne aufzulösen.
Dann ist da noch η Leo. Dieser Stern ist ein roter
Riese, dessen Helligkeit mit einer Periode von 313
Tagen zwischen 4,m4 und 11,m6 schwankt.
Auch im Löwen gibt es einige Galaxien, die auch
schon im kleineren Rohr zu sehen sind: M65 und
M66. M65 ist 9,m3 hell und M66 9m . Beide Spiralgalaxien sind etwa 30 Millionen Lichtjahre von uns
entfernt und gehören zum Leo-Galaxienhaufen. Sie
haben einen Winkeldurchmesser von etwa 9’, was
natürlich nichts heißt, weil Sie die Randbereiche eh
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
nicht sehen können, da sie zu lichtschwach sind.
Nicht unerwähnt sollen M95 und M96 bleiben, die
ebenfalls um die 9m hell sind, jedoch nicht so einfach zu beobachten sein sollen.
Und nun die Meteore! Es gibt einen ganzen Haufen von Meteorströmen im Löwen: Alpha-, Beta-,
Delta-, Gamma-, Rho-, Sigma-Leoniden und die
Leoniden-Ursiden. Der bekannteste Meteorstrom
sind jedoch die Leoniden. In den letzten Jahren
zeigten diese besonders viele Meteore, wenngleich
nicht so viele, wie von manchem erwartet wurden.
Und von so einem Anblick wie am 12./13.11.1833
träume wahrscheinlich nicht nur ich. . .
Leonidenschauer von 1833
Zu den Leoniden und den weiteren Meteorströmen
sei auf die Seite der IMO (International Meteor Organisation) verwiesen: http://www.imo.net.
Literatur:
[1] H.W. Stoll. Sagen des klassischne Altertums“,
”
Weltbild Bücherdienst, Wien
[2] Gerhard Fasching, Sternbilderkunde“, Vieweg
”
Sohn Verlagsgesellschaft, 1986
[3] Joachim Herrmann, DTV Atlas der Astrono”
mie“, 10. Auflage 1990
[4] http://www.maa.mhn.de/Maps
/Stars/Fig/leo.html
[5] http://aipsoe.aip.de/∼rend/leo-exp.html
13
Astronomischer Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vorschau Mai / Juni 2001
von Alexander Schulze
Alle Zeitangaben für ortsabhängige Ereignisse beziehen sich auf Darmstadt, 49◦ 50’ N, 08◦ 40’ O. Alle
Zeitangaben erfolgen in Ortszeit (CEST/MESZ).
Sonne
Während wir in den letzten
Mitteilungen auf die Tag- und Nachtgleiche am 20.
März verweisen konnten, ist es nun der 21. Juni,
der besondere Erwähnung finden muß: An diesem Tag nimmt die Sonne um 12:40 ihre höchste
Deklination (23◦ 26’16,”2) ein, was für uns Sommeranfang (und auch den längsten Tag des Jahres)
bedeutet. Die Taglänge beträgt zu diesem Zeitpunkt 16 Stunden und 16 Minuten. Verbunden mit
der sommerlichen Bahn der Sonne am Himmel ist
allerdings auch, daß die Zeit guter astronomischer
Beobachtung (Sonne 18◦ unter dem Horizont) bereits Anfang Juni auf Null zurückgeht. Für diesen
Nachteil wird uns hoffentlich ein angenehmes Sommerwetter entschädigen. . .
14
Die Sonne beginnt ihren Lauf im Sternbild Widder, wechselt dann am 14. Mai ins Sternbild Stier,
wo sie bis zum 21. Juni zu finden sein wird, wenn
sie dann wiederum in die Zwillinge wechselt. Hier
wird sie noch bis Mitte Juli zu finden sein.
Die Deklination der Sonne beträgt am 01. Mai
15◦ 00’, erhöht sich auf 22◦ 01’, erreicht dann am 21.
Juni ihr bereits erwähntes Maximum und nimmt
bis zum 01. Juli wieder leicht auf 23◦ 07’ ab.
Am 06. Mai (19:17) beginnt die Sonnenrotation
1976, am 03. Juni (00:27) die Sonnenrotation 1977.
Diese Vorschau wäre allerdings unvollständig,
wenn nicht ein weiteres Ereignis Nennung finden
würde. Der Termin wird den Leser vielleicht nicht
überraschen, denn der 21. Juni scheint wirklich ein
Lieblingstag der Sonne zu sein und wurde in diesem Abschnitt bereits zwei Mal erwähnt. Das drit-
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astronomischer Kalender
te Ereignis, das am 21. Juni stattfindet, ist zwar
das weitaus spektakulärste unter allen dreien, allerdings leider auch das für Darmstadt unbedeutendste. Sollten Sie sich jedoch an diesem Tag in
Afrika (vorzugsweise in einem Bogen von Angola
über Sambia und Simbabwe bis nach Mosambik
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufgang
06:04
05:42
05:24
05:19
05:23
Untergang
20:42
21:02
21:23
21:33
21:35
Tag
14:37
15:20
15:58
16:14
16:11
Nacht
09:23
08:40
08:02
07:46
07:49
und Madagaskar) aufhalten, so wird Ihnen die totale Sonnenfinsternis von 12:37 UT (Westküste Angola) bis 13:22 UT (Ostküste Mosambik) hoffentlich
nicht durch eine Wolkendecke verdorben werden.
(Madagaskar wird von 13:27 UT bis 13:29 UT kurz
vom Kernschatten überstrichen.)
Dämm. Beginn
23:03
23:46
–:–
–:–
–:–
Dämm. Ende
03:45
03:00
–:–
–:–
–:–
Astron. Nachtl.
04:42
03:14
00:00
00:00
00:00
Tabelle 1: Allgemeine Daten Sonne
Mond
Zur besseren Übersicht präsentieren wir
die Monddaten diesmal in einer Tabelle.
Datum
04.05.
08.05.
19.05.
21.05.
01.06.
04.06.
15.06.
17.06.
28.06.
Zeit
20:30
17:46
00:55
03:03
00:29
11:08
07:52
21:53
05:00
Ereignis
Min. Libra. in Breite (−6,◦60067)
Max. Libra. in Länge (+5,◦16314)
Max. Libra. in Breite (+6,◦75964)
Min. Libra. in Länge (−5,◦41763)
Min. Libra. in Breite (−6,◦72800)
Max. Libra. in Länge (+5,◦11479)
Max. Libra. in Breite (+6,◦86582)
Min. Libra. in Länge (−6,◦27313)
Min. Libra. in Breite (−6,◦78603)
Datum
02.05.
07.05.
Zeit
05:40
16:21
Ereignis
Perigäum
Vollmond
15.05.
15.05.
23.05.
27.05.
29.05.
06.06.
03:30
12:31
05:13
09:00
23:53
04:01
Apogäum
letztes Viertel
Neumond
Perigäum
erstes Viertel
Vollmond
11.06.
14.06.
21.06.
23.06.
28.06.
21:40
05:49
14:04
19:20
05:04
Apogäum
letztes Viertel
Neumond
Perigäum
erstes Viertel
(369.420 km)
(29◦ 08’ Transithöhe um 00:56)
(404.144 km)
(Aufgang 03:00)
(368.033 km)
(Unterg. 02:19)
(18◦ 48’ Transithöhe um 01:20)
(404.629 km)
(Aufgang 02:12)
(363.132 km)
(Unterg. 01:39)
Tabelle 2a: Astronomische Daten Mond
(Librationsextrema)
Tabelle 2b: Astronomische Daten Mond
(Mondbahn und Phasen)
Merkur
Wie die Sonne beginnt Merkur seine
Bahn im Sternbild Steinbock, aber schon am 03.
Mai wechselt der innerste Planet des Sonnensystems ins Sternbild Stier. Vom 05. Juni bis zum 12.
Juni unternimmt er dann während einer Schleife eine kurze Exkursion ins Sternbild Orion, um dann
wieder in den Stier zurückzukehren und dort seine Schleife zu beenden. Danach wird es ihn Anfang
Juli noch einmal kurz in den Orion ziehen, den er
allerdings auf seiner Durchreise in die Zwillinge nur
kurz am Rand streift.
das Minimum am 26. Juni gegen 08:11 bei 18◦ 35’
während der Rückläufigkeit.
Die angesprochene Rückläufigkeit Merkurs beginnt am 04. Juni gegen 07:24 und dauert bis zum
28. Juni gegen 08:54; das Maximum der Deklination liegt am 20. Mai gegen 18:15 bei 25◦ 27’ vor und
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
Am 22. Mai erreicht Merkur gegen 08:23 seine
größte östliche Elongation von 22,◦4. Am Abend dieses Tages gegen 22:12 Uhr, wenn die Sonne 8◦ unter
dem Horizont steht, befindet sich Merkur noch in
einer Höhe von etwas über 8◦ und in einem Azimutalabstand von etwas über 14◦ . Die Helligkeit von
Merkur beträgt zu diesem Zeitpunkt −0,m6. Man
sollte sich diesen Termin schon einmal für eine Merkurbeobachtung vormerken und auf gutes Wetter
hoffen.
Am 16. Juni gegen 07:30 erreicht Merkur seine
untere Konjunktion mit der Sonne; der Abstand zu
ihr beträgt im Minimum 03◦ 32’06”.
15
Astronomischer Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Venus
Venus beginnt ihre Bahn in den Fischen. Am 09. Juni überquert sie die Grenze
zum Sternbild Walfisch, wo es ihr allerdings nicht
sonderlich zu gefallen scheint, denn bereits am
nächsten Tag reist sie weiter ins Sternbild Steinbock. Offenbar gefällt es ihr hier besser, denn ihr
Aufenthalt dauert bis zum 28. Juni; zu diesem Zeitpunkt wechselt sie weiter ins Sternbild Stier, wo sie
den gesamten Juli bleiben wird.
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufgang
04:42
04:14
03:42
03:19
02:57
Untergang
17:16
16:58
17:04
17:21
17:48
Venus erreicht am 08. Juni gegen 06:46 Uhr mit
−45,◦8 ihren größten Winkelabstand zur Sonne.
Ebenfalls um diese Zeit erreicht der Planet seine
größte scheinbare Helligkeit (−4,m3).
Venus erscheint uns in den hier besprochenen
zwei Monaten als Morgenstern. Ihre Phase nimmt
ständig zu, was allerdings mit einem größer werdenden Erdabstand und damit abnehmender Größe
einhergeht.
Helligkeit
−3,m8
−4,m2
−4,m3
−4,m3
−4,m2
Phase
23
34
45
53
61
Größe
41,”1
33,”2
26,”3
22,”4
19,”2
Elong.
−37,◦1
−43,◦0
−45,◦6
−45,◦7
−44,◦4
Erdabst.
0,41
0,51
0,64
0,76
0,88
Tabelle 3: Astronomische Daten Venus
Mars
Mars beginnt seinen Lauf am Himmel im
Schützen. Dort wird er am 11. Mai gegen 17:31 eine
Phase der Rückläufigkeit beginnen, während der er
in den Schlangenträger, aus dem er in den Schützen
gewechselt war, zurückkehrt und sogar fast (am 20.
Juli, an dem er seine Bewegungsrichtung wieder
umkehrt) den Skorpion berührt.
bar guten Daten, die noch durch den enormen Anstieg in der scheinbaren Helligkeit verstärkt werden,
trübt (wie der geneigte Leser sicher noch aus der
letzten astronomischen Vorschau weiß) eine äußerst
geringe Transithöhe des Planeten von unter 14◦ .
Ein weiterer Grund, in der Zeit um den 21. Juni
(weit) in den Süden zu fahren. . .
Der rote Planet setzt seine Annäherung an die Erde, über die wir bereits berichteten, weiter fort und
kommt uns bis zum 22. Juni gegen 01:00 auf 0,4502
AU nahe. Er erreicht dabei eine scheinbare Größe
von 20,”8 und eine scheinbare Helligkeit von −2,m1.
Ferner erreicht Mars am 13. Juni gegen 17:00 seine
Oppositionsstellung zur Sonne. Doch diese schein-
Von den Beobachtungsdaten erkennt man ferner
noch, daß aus dem ehemaligen Objekt der zweiten im Laufe der nächsten Monate immer mehr ein
Objekt der ersten Nachthälfte wird. Wenn er denn
überhaupt ein lohnendes Beobachtungsobjekt abgibt. . .
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufgang
00:46
23:55
22:43
21:34
20:12
Transit
04:42 16◦ 04’
03:49 15◦ 20’
02:31 14◦ 20’
01:18 13◦ 40’
23:48 13◦ 22’
Untergang
08:37
07:40
06:15
04:57
03:30
Helligkeit
−1,m1
−1,m5
−1,m9
−2,m1
−2,m1
Phase
94
96
99
100
98
Größe
14,”3
16,”6
19,”3
20,”6
20,”5
Elong.
−132,◦3
−145,◦2
−163,◦8
−176,◦3
+158,◦0
Erdabst.
0,66
0,56
0,49
0,45
0,46
Tabelle 4: Astronomische Daten Mars
Jupiter bewegt sich auf geradliniger
Jupiter
Bahn aus dem Stier in die Zwillinge; die Grenze
zwischen beiden Sternbildern wird am 13. Juli überschritten werden.
Am 16. Juni gegen 20:00 erreicht Jupiter ein Maximum im Erdabstand von 6,1152 AU. Zwei Tage
zuvor, am 14. Juni gegen 14:40, durchlief der Planet
16
seine Konjunktionsstellung.
Die Beobachtungszeiten Jupiters verschieben sich
infolge seiner Konjunktion vom frühen Abend auf
den späten Morgen, allerdings wird die Beobachtung durch die noch ungünstigen Dämmerungszeiten erschwert.
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astronomischer Kalender
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufgang
07:39
06:54
06:02
05:19
04:31
Untergang
23:34
22:54
22:07
21:27
20:41
Helligkeit
−2,m0
−2,m0
−1,m9
−1,m9
−1,m9
Größe
33,”3
32,”7
32,”3
32,”2
32,”3
Elong.
+32,◦8
+22,◦4
+9,◦9
−0,◦4
−11,◦9
Erdabst.
5,90
6,01
6,09
6,11
6,10
Tabelle 5: Astronomische Daten Jupiter
Auch Saturn bewegt sich zur Zeit auf
Saturn
gerader Bahn durch den Stier. Er ähnelt Jupiter
noch in manch anderer Hinsicht: Saturn erreicht in
den Monaten Mai und Juni auch seine Konjunktionsstellung (und zwar am 25. Mai gegen 14:40)
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufgang
07:08
06:18
05:18
04:28
03:32
Untergang
22:23
21:37
20:42
19:56
19:03
Helligkeit
0,m9
0,m9
0,m9
0,m9
0,m9
und den maximalen Erdabstand (am 25. Mai gegen
17:40, 10,103 AU). Für die Beobachtungszeiten gilt
ebenfalls das bereits für Jupiter Gesagte; die Beobachtbarkeit ist ebenfalls in der nächsten Zeit stark
eingeschränkt.
Größe
16,”5
16,”4
16,”4
16,”5
16,”6
Ringng.
−24,◦8
−25,◦1
−25,◦4
−25,◦6
−25,◦9
Elong.
+20,◦6
+9,◦0
−5,◦6
−17,◦0
−30,◦3
Erdabst.
10,03
10,09
10,10
10,05
9,95
Tabelle 6: Astronomische Daten Saturn
Uranus
Wie in den Vormonaten befindet
sich Uranus derzeit im Steinbock und bewegt sich
gemächlich auf den Wassermann zu. Doch noch zuvor beginnt Uranus in der Nacht von 29. zum 30.
Mai eine Rückläufigkeitsperiode, die bis Ende Oktober dauern wird, und kehrt dabei wieder ins Innere des Steinbocks zurück. Seine höchste Deklination
(von −13◦ 55’52,”6) erreicht er dabei in den Morgenstunden des 26. Mai.
Die Aufgangszeiten von Uranus verlagern sich
in der nächsten Zeit langsam in Richtung erste
Neptun
Auch Neptun befindet sich derzeit im
Steinbock. Der blaue Gasriese beginnt in der Nacht
von 10. zum 11. Mai eine Rückläufigkeitsperiode,
die bis Mitte Oktober andauern wird. Seine maximale Deklination nimmt er dabei in der Nacht vom
09. zum 10. Mai mit −17◦ 55’18,”9 ein.
Wie auch schon beim nicht weit entfernt stehenden Uranus bewegen sich die Beobachtungszeiten
Neptuns auf die erste Nachthälfte zu. Der scheinPluto
Pluto bewegt sich zu Beginn des
Mai rückläufig im Sternbild Schlangenträger; die
Rückläufigkeit wird er bis Ende August beibehalten. Am 04. Juni erreicht er gegen 14:00 seine Op-
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
Nachthälfte. Die Helligkeit bleibt im Mai und Juni
bei 5,m8, der scheinbare Durchmesser ist bis Mitte
Juni bei 3,”3, danach 3,”4.
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufg.
03:42
02:48
01:41
00:46
23:39
Unterg.
13:31
12:37
11:30
10:35
09:30
Elong.
−76,◦2
−89,◦4
−105,◦7
−119,◦2
−134,◦7
Erdabst.
20,19
19,95
19,67
19,46
19,25
Tabelle 7: Astronomische Daten Uranus
bare Durchmesser ist konstant 2,”1, die Helligkeit
bleibt bis Ende Juni bei 7,m9.
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
01.07.
Aufg.
03:00
02:05
00:58
00:02
22:55
Unterg.
12:06
11:11
10:04
09:07
08:03
Elong.
−91,◦9
−105,◦4
−121,◦8
−135,◦4
−151,◦0
Erdabst.
30,05
29,82
29,56
29,37
29,21
Tabelle 8: Astronomische Daten Neptun
positionsstellung. Viel ändern kann allerdings auch
diese Tatsache nicht an der nicht gerade blendenden
scheinbaren Helligkeit, so daß man schon schweres
Gerät auffahren muß, wenn man den mit Neptun
17
Astronomischer Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
um den Platz des erdfernsten Planeten konkurrierenden Felsbrocken beobachten will. (Bezüglich des
Datum
01.05.
15.05.
01.06.
15.06.
Aufgang
22:39
21:43
20:34
19:37
Transit
03:48 28◦ 17’
02:52 28◦ 20’
01:43 28◦ 23’
00:47 28◦ 24’
Sonnenabstandes hat Pluto Neptun allerdings bereits seit Februar 1999 klar geschlagen. . . )
Untergang
08:53
07:57
06:48
05:52
Helligkeit
13,m8
13,m8
13,m8
13,m8
Größe
0,”3
0,”3
0,”3
0,”3
Elong.
−144,◦4
−157,◦1
−168,◦7
+165,◦2
Erdabst.
29,55
29,45
29,39
29,41
Tabelle 9: Astronomische Daten Pluto
Veränderliche Sterne
Die Tabelle enthält
Angaben über veränderliche Sterne betreffende Ereignisse in den Monaten Mai und Juni.
Datum
01.05. 22:20
03.05. 23:20
08.05. 00:00
08.05. 21:50
Ereignis
Min
Min
Min
Max
Stern
β Lyr (Bedeckungsver.)
Al Dra (Bedeckungsver.)
δ Lib (Bedeckungsver.)
η Aql (δ-Cephei-Stern)
Datum
09.05. 23:00
10.05. 21:30
14.05. 23:45
26.05. 23:45
04.06. 00:45
09.06. 00:30
13.06. 19:00
20.06. 23:15
Ereignis
Min
Max
Min
Max
Min
Min
Max
Max
Stern
Al Dra (Bedeckungsver.)
δ-Cephei
δ Lib (Bedeckungsver.)
δ-Cephei
U Cep (Bedeckungsver.)
U Cep (Bedeckungsver.)
η Aql (δ-Cephei-Stern)
η Aql (δ-Cephei-Stern)
Tabelle 10: Veränderliche Sterne
Sternbedeckungen durch den Mond
Für
die Monate Mai und Juni finden sich leider nur
drei Bedeckungen hellerer Sterne durch den Mond.
Ausnahmsweise führen wir deshalb hier Bedeckungen bis zu einer Grenzmagnitude von 7,m1 auf. Die
Zeiten gelten lokal für Darmstadt (E Bedeckungsbeginn, A Bedeckungsende).
Zeitpunkt
11.05. 04:48:28A
25.05. 22:52:47E
02.06. 01:05:39E
10.06. 03:16:08A
29.06. 23:42:39E
Stern
11 Sgr
BD+22◦ 1456
BD−3◦ 3462
BD−22◦ 5442
BD−7◦ 3748
Helligk.
4,m98
7,m00
7,m10
6,m20
6,m70
Phase
0, 87−
0, 10+
0, 82+
0, 85−
0, 69+
Tabelle 11: Sternbedeckungen durch den Mond
Meteorströme
Auch die Meteorströme lassen
uns in den kommenden beiden Monaten im Stich.
Nur zwei von ihnen sind hier zu nennen; es sind
zum einen die η-Aquariden, die bereits seit dem 19.
April und noch bis zum 28. Mai zu sehen sind und
ihr Maximum am 05. Mai haben, und die Sagittariden mit einem Beobachtbarkeitszeitraum vom 15.
April bis zum 15. Juli mit einem Maximum am 20.
Mai. Die Sagittariden sind mit einer ZHR von 5
nicht besonders aufsehenerregend, die η-Aquariden
scheinen uns dafür aber mit einer ZHR von 60
(die vierthöchste in diesem Jahr zu erwartende)
entschädigen zu wollen.
Der Sternenhimmel
Die Graphik zeigt den
Sternenhimmel, wie wir ihn am ersten Juni gegen
Mitternacht sehen werden. Im Norden erkennt man
Cassiopeia, Perseus mit dem Stern Mirfak und den
Fuhrmann mit Capella. Andromeda ist im Aufgehen begriffen, M31 aber für eine Beobachtung mit
knapp 7◦ noch nicht hoch genug. Weiter in Richtung Osten erkennt man über dem Horizont Pegasus, und noch ein wenig weiter sieht man mit
den Sternbildern Schwan, Leier und Adler das Som-
merdreieck, bestehend aus den Sternen Deneb, Vega und Altair; wir müssen uns noch bis Mitte Juli gedulden, bis wir Vega wieder in Zenitnähe sehen können. Weiter im Süden erkennt man bereits
den Skorpion mit Antares und (noch etwas tiefer)
den Schützen, was vor allem bei den Deep-SkyFreunden eine gewisse Vorfreude verursachen dürfte. Im Südwesten sind Rabe und Becher am Untergehen, und im Nordwesten ergeht es den Zwilligen
mit Castor und Pollux nicht anders.
…
18
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosmologie
Inflationstheorie, Teil I
oder die Frage nach dem Ursprung der Struktur des Universums
von Yasmin A. Walter
Einleitung
Die Frage, ob das Universum einen Anfang hatte
oder nicht, ist keineswegs eine einfache Frage. Wenn
Sie einem Wissenschaftler eine nicht ganz einfache
Frage stellen, wird er Ihnen niemals nur eine Antwort geben, sondern eine Vielzahl von Antworten.
Versucht man, die Frage nach dem Anfang des
Universums trotzdem zu beantworten, so lautet die
Antwort ganz allgemein: ja“, das Universum hat”
te einen Anfang. Diesen Anfang bezeichnen wir im
allgemeinen mit Urknall (engl. big bang). Wahrscheinlich glauben rund 99,9% aller Kosmologen,
daß sich das Universum aus einem heißen, dichten Zustand entwickelt hat. Die Theorie des heißen Anfangs wird durch die beobachtete Expansion
des Universums, die chemische Häufigkeit der leichten Elemente und die Messungen der kosmischen
Hintergrundstrahlung [1] unterstützt. Daher glaubt
die Mehrzahl aller Wissenschaftler, daß das uns bekannte Universum mit einem Urknall vor rund 11–
16 Milliarden Jahren begann [2].
Betrachtet man die Frage nach dem Anfang des
Universums jedoch genauer, so ist es zwar richtig,
daß die Kosmologen von der Urknalltheorie überzeugt sind, jedoch benutzen sie dabei eine sehr
genau definierte und eingeschränkte Interpretation des Begriffs Urknall“. Wird der Begriff Ur”
”
knall“ von den Wissenschaftlern benutzt, so bezieht er sich lediglich auf die Expansion des Universums aus einem ursprünglich dichten und heißen
Zustand. Doch macht der Begriff keinerlei Aussagen darüber, ob das Universum wirklich mit diesem
Zustand begann oder ob es etwas gab, das vor dem
Urknall stattfand.
Über das Standardmodell des Urknalls hinaus existieren eine Reihe von Modellen der kosmischen Inflation[3]. Die Theorie der Inflation gibt leider keine klare Antwort auf die Frage, ob das Universum
einen Anfang hatte, jedoch liefert sie eine Möglichkeit, diese Frage zu diskutieren.
Das Standardmodell des Urknalls ist eine bedeutende wissenschaftliche Theorie. Sie beschreibt, wie
das Universum zu frühen Zeitpunkten expandierte
und aus einem ursprünglich sehr heißen Zustand
abkühlte. Sie beschreibt, wie die leichten chemi-
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
schen Elemente, die wir beobachten, während der
ersten 200 Sekunden nach dem Urknall synthetisiert wurden. Außerdem scheint sie relativ gut zu
beschreiben, wie die Materie im Universum Sterne,
Galaxien und Galaxienhaufen bildete.
Jedoch existiert eine Schlüsselfrage, die das Standardmodell des Urknalls nicht diskutiert: sie erklärt
nicht, was eigentlich genau knallte“, weshalb es
”
knallte“ oder was geschah, bevor es knallte“. Au”
”
ßer ihrem Namen beschreibt die Urknalltheorie eigentlich alles andere als den Urknall selbst. Eigentlich ist sie die mathematische Theorie des Nach”
knalls“, der dem Urknall folgte.
Insbesondere beantwortet die Urknalltheorie nicht
die Frage, was die Expansion des Universums verursachte; vielmehr ist die Expansion des Universums eingebettet in die zahlreichen Gleichungen
dieser Theorie, in denen stets Annahmen über den
ursprünglichen Zustand gemacht werden, den Zustand, an dem die Theorie mit ihrer Beschreibung
beginnt.
Die Standard-Urknalltheorie sagt ebenfalls nichts
darüber aus, woher die Materie des Universums
eigentlich kommt. In der Standard-Urknalltheorie
war die Materie, die wir heutzutage beobachten,
schon da, einfach da. Die Materie war zu frühen
Zeitpunkten lediglich stark komprimiert und befand sich in einer Form, die sich von ihrer heutigen stark unterscheidet. Die Theorie beschreibt,
wie sich die Materie von der einen in die andere
Form entwickelte als sich das Universum entwickelte, jedoch beschäftigt sich die Theorie nicht mit der
Frage über den Ursprung der Materie.
Obwohl die Inflationstheorie nicht soweit geht, den
eigentlichen Ursprung des Universums zu beschreiben, liefert sie jedoch eine Theorie des Urknalls:
eine Theorie dessen, was das Universum in Expansion versetzt hat und gleichzeitig alle Materie lieferte, die wir heutzutage im Universum beobachten.
Wie funktioniert die Inflation?
Die Schlüsselidee und die ihr zugrunde liegende
Physik, die die Inflation ermöglichen, ist die Tatsache, daß die meisten modernen Elementarteilchentheorien vorhersagen, daß ein Materiezustand
19
Kosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
existieren sollte, der die Umkehr der Gravitation
bewirkt, und eine gravitative Abstoßung erzeugt.
Dieser Zustand wird bei Energien erreicht, die wir
gegenwärtig experimentell leider nicht nachprüfen
können, jedoch sind die theoretischen Argumente
für die Existenz dieses Zustandes überzeugend. Dabei handelt es sich nicht um die Vorhersage einer
bestimmten Theorie, sondern der einer Klasse von
von plausiblen Theorien.
Gravitation muß nicht immer anziehend wirken!
[Anmerkung: Die Möglichkeit der abstoßenden
Gravitation stammt aus der Tatsache, daß nach
Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie Gravitationsfelder nicht nur durch Energie oder Masse(dichten) erzeugt werden, sondern auch durch
Drucke. Die Richtung des Gravitationsfeldes, das
durch den Druck erzeugt wird, bestimmt sich
zunächst aus unserer Erfahrung: ein positiver
Druck erzeugt ein anziehendes Gravitationsfeld. Jedoch kann ein besonderer Materiezustand einen negativen Druck erzeugen. Tatsächlich ist es ein sehr
großer negativer Druck, der ein abstoßendes Gravitationsfeld erzeugt, das stärker ist als das anziehende Gravitationsfeld der Materiedichte. Das Resultat ist eine Netto-Abstoßung, die treibende Kraft
der Inflation.]
Die gravitative Abstoßung, die durch diesen besonderen Zustand erzeugt wird, ist das Geheimnis
der Inflation. Inflation ist die Vorhersage, daß das
frühe Universum zumindest ein kleines Gebiet enthielt, das mit diesem besonderen abstoßend wirkendem Material gefüllt war. Es existieren zahlreiche
Theorien darüber, wie dies geschehen sein könnte; einige basieren auf chaotischen Anfangsbedingungen bei der Erzeugung des Universums durch
ein Quantentunnelereignis. Wie auch immer man
über diese Idee denkt, sollte man sich jedoch vergegenwärtigen, daß die Wahrscheinlichkeit, ein Gebiet im Universum zu finden, das mit dem abstoßend wirkenden Material gefüllt ist, nicht besonders
groß sein muß. Sie soll nur nicht gleich Null sein.
Die weiteren Vorhersagen hängen nicht davon ab,
wie sich dieses Gebiet gebildet hat. Existiert dieses
kleine Gebiet, wirkt die Inflation und erzeugt ein
Universum, das so ziemlich dem entspricht, in dem
wir heute leben.
[Anmerkung: Der Name besonders abstoßend wir”
kender Zustand“ bezieht sich eigentlich auf ein Va-
20
kuum mit einer endlichen Energiedichte, man nennt
diesen Zustand auch falsches Vakuum’. Es scheint
”
zwar merkwürdig, die Begriffe Vakuum“ und Ma”
”
terial“ in einen Atemzug für dieses Phänomen zu
gebrauchen, jedoch sollte man bedenken, daß es
sich um einen merkwürdigen und seltsamen Zustand handelt, der nicht alltäglich ist. Dabei wird
der Begriff Vakuum“ gebraucht, um den Zustand
”
von der der normalen Materie abzugrenzen, und der
Begriff Material“, um ihn von dem gewöhnlichen
”
Vakuumzustand zu unterscheiden.]
Das kleine Gebiet kann sehr klein sein. Es muß
nur rund ein Milliardstel mal so groß sein wie ein
Proton (positiv geladenes Elementarteilchen). Existiert dieses kleine Gebiet, so beginnt es rasch, aufgrund seiner eigenen gravitativen Abstoßung zu expandieren. Diese Expansion verläuft exponentiell,
d.h. es verdoppelt seine Größe alle rund 10− 37 Sekunden. Alle 10−37 Sekunden verdoppelt sich die
Größe dieses kleinen Gebietes. Der Erfolg der Beschreibung stellt sich bereits nach einigen Hundert Verdopplungen ein. Im Laufe der Vergrößerung
wächst das so kleine Raumgebiet auf die Größe einer Murmel.
Das kleine Gebiet abstoßend wirkenden Materials
expandiert so um einen riesigen Faktor. Expandiert
ein normales Raumgebiet, so sinkt bei der Expansion seine Dichte. Unser kleines abstoßend wirkendes Gebiet jedoch verhält sich völlig anders. Seine
Dichte bleibt bei seiner Expansion konstant. Das
bedeutet, daß die Gesamtmasse, die sich in diesem
ursprünglich kleinen Gebiet befand, während der
Inflation kolossal vergrößert hat.
Auf den ersten Blick erscheint dieser Massenzuwachs merkwürdig und scheint das Prinzip der
Energieerhaltung zu verletzen. Masse und Energie sind äquivalent. Dieses Prinzip entstammt der
Relativitätstheorie. Die Energie der Masse innerhalb des kleinen Raumgebietes ist bei der Inflation
ebenfalls kolossal angewachsen. Dies ist möglich, da
die Energieerhaltung folgendes aussagt: Die Energie bleibt stets erhalten. Üblicherweise denken wir
jedoch bei Energien an positive Energien. Wenn
dies richtig ist, dann kann die riesige Energie des
Universums nicht einfach gebildet worden sein, sondern das Universum muß bereits mit dieser riesigen
Menge Energie begonnen haben. Doch: Energien
sind nicht immer positiv! Insbesondere ist die Energie des Gravitationsfeldes negativ! Diese Aussage
ist in der Newtonschen wie auch in der Einstein-
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosmologie
Theorie der Gravitation richtig.
Während der Inflation bleibt die Gesamtenergie
erhalten. Durch die Expansion des kleinen Raumgebietes (bei gleichbleibender Dichte) entsteht immer
mehr positive Energie (oder Masse), die durch die
immer mehr werdende negative Energie kompensiert wird, die im Gravitationsfeld, das das Raumgebiet erfüllt, erscheint. Die Gesamtenergie ist konstant und bleibt sehr klein, denn der Beitrag der
negativen Energie der Gravitation wird durch die
enorme positive Energie der Materie kompensiert.
Die Gesamtenergie könnte sogar Null sein.
Um die Theorie erfolgreich zu machen, muß ein
Mechanismus existieren, der die Periode der Inflation, die Periode beschleunigter Expansion, beendet, daß das Universum gegenwärtig zumindest
nicht in diesem Maße expandiert. Die Inflation endet, da das gravitativ abstoßend wirkende Material grundsätzlich instabil ist. Es kann nicht für immer existieren, sondern zerfällt sozusagen wie radioaktives Material. So wie radioaktive Zerfälle in
der Wirklichkeit zerfällt das gravitativ abstoßend
wirkende Material ebenfalls exponentiell. Der Zerfall wird durch eine Halbwertszeit charakterisiert.
Während jeder Periode einer Halbwertszeit zerfällt
rund die Häfte des gravitativ abstoßend wirkenden Materials zu gewöhnlichem gravitativ anziehend wirkendem Material.
Während des Zerfallsprozesses wird Energie frei,
die aus dem gravitativ abstoßend wirkenden Material selbst stammt. Diese Energie entwickelt sich
zu einer heißen Suppe gewöhnlicher Elementarteilchen. Dabei erzeugt der Zerfall ursprünglich lediglich eine geringe Anzahl von hochenergetischen
Teilchen, jedoch beginnen diese Teilchen Streuprozesse (Wechselwirkung) mit anderen Teilchen.
Möglicherweise wird dadurch die Energie der heißen Teilchen thermalisiert; das bedeutet ein Gleichgewichtszustand der heißen Teilchen, einer heißen
primordialen Suppe, die exakt den Anfangsbedingungen entspricht, die die Standard-Urknalltheorie
benutzt.
Die Inflationstheorie ist sozusagen ein Zusatz
zur Standard-Urknalltheorie. Die Inflation bereitet
den Beginn, auf dem die Standard-Urknalltheorie
später aufbaut.
Fortsetzung folgt. . . In der nächsten Ausgabe der Mitteilungen lesen Sie sechs Gründe, wieso
die Standard-Urknalltheorie heutzutage eben Standard geworden ist, und können der Frage nachgehen, ob das Universum für immer expandieren
wird.
Quellen:
[1] Vortrag Ein Boomerang kehrt zurück – Neues
”
über das frühe Universum“, 10.03.2001, Yasmin
A. Walter
[2] Weinberg, S., Die ersten drei Minuten
[3] Guth, A.H., Phys. Rev. D 23, 347 (1981)
[4] Guth, A.H., MIT-CTP-3007, astro-ph/0101507,
January 29, 2001, Proceedings of The New York
Academy Science Press, 2001
Einladung zur Mitgliederversammlung (Jahreshauptversammlung)
Die Mitgliederversammlung der Volkssternwarte Darmstadt e.V. findet statt am
Samstag, den 19. Mai 2001 um 20:00 Uhr
Die vorgesehene Tagesordnung ist:
1. Eröffnung, Verlesen der Tagesordnung, Bestimmung der Protokollführung
2. Berichte über das Jahr 2000 durch die Vorsitzenden und die Gruppenleiter
3. Kassenbericht
4. Kassenprüfungsbericht
5. Neuwahl eines Kassenprüfers
6. Bestätigung des Jugendwarts
7. Anträge
8. Verschiedenes
Anträge zur Tagesordnung bitten wir der Geschäftsstelle (Anschrift s. Umschlagrückseite) schriftlich bis spätestens 7 Tage vor dem Termin der Mitgliederversammlung zukommen zu lassen. Die Mitgliederversammlung ist
auf jeden Fall und ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig.
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
21
Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das merkwürdige Verhalten der Supernova 1054
Ein Jahrtausendereignis hüllt sich noch immer in Rätsel
von Yasmin A. Walter
Der Crab-Nebel (M 1) ist der Überrest der Supernova aus dem Jahre 1054 (SN 1054). Der Vorgängerstern
der Supernova war wahrscheinlich ein Stern von 8–10 Sonnenmassen, jedenfalls wenn man theoretischen
Sternentwicklungsmodellen Glauben schenkt. Jedoch widersprechen antike Beobachtungen der SN 1054 dem
sog. Standard-Szenario, in dem die Abstrahlung einer Supernova zu späten Zeitpunkten durch radioaktiven
Zerfall des Elementes Nickel 56 (Ni56 ) gesteuert wird. Allerdings entspricht die Menge an Ni56 , die benötigt
wird, um die Beobachtung der Lichtabgabe der Supernova zu erklären, nicht den beobachteten Häufigkeiten
der chemischen Elemente im Rest der Supernova (Supernovarest, SNR). Einer Vermutung zufolge war zu
diesem Zeitpunkt bereits der Pulsar, der Reststern des sterbenden Sternes, für das Leuchten der SN 1054
verantwortlich; dies wäre eine für Supernovae unübliche Energiequelle für diese Phase ihrer Entwicklung.
Einleitung
Der Crab-Nebel gehört zu den am besten untersuchten astronomischen Objekten. Jedoch sind
zahlreiche Fragen zu dem Vorgängerstern dieser Supernova wie auch Aspekte der Implosion des Sternes noch immer unklar. Aus antiken Beobachtungen von chinesischen und japanischen Astronomen
wissen wir, daß die Supernova während 23 Tagen
am Taghimmel (!) und rund 650 Tage lang nachts
zu beobachten war.
Allgemein wird angenommen, daß es sich bei der
SN 1054 um eine im Kern des Sternes kollabierende
Supernova handelt. Die Annahme, daß es sich dabei
um eine Supernova vom Typ Ia (SNIa) handelt, widerspricht allerdings den massereichen Filamenten
und dem hohen Wasserstoffgehalt des Supernovarestes. Jedoch ist auch die Vermutung, die SN 1054
sei eine Supernova vom Typ II (SNII), nicht unproblematisch.
Die Filamente des Crab-Nebels enthalten rund
4,6±1,8 Sonnenmassen Materie und expandieren
mit einer Geschwindigkeit von rund 1.400 km/s.
Dies entspricht einer kinetischen Energie von rund
1056 erg, rund zehn mal weniger als der Richtwert
für derartige Ereignisse.
Die antiken Beobachtungen der SN 1054 weisen
auf ein leuchtstarkes Ereignis, daher nimmt man
an, daß die fehlende Masse und Energie des CrabNebels in einer bisher unbeobachteten äußeren
Schale des SNR steckt. Tatsächlich zeigen Beobachtungen mit dem Hubble Space Teleskop (HST)
Material außerhalb der visuell sichtbaren Filamente.
Sternentwicklungsmodelle
errechnen
einen
Vorgängerstern der Supernova von 8–10 Sonnen-
22
massen. Dabei sollte die Masse des Sternes wenigstens 8 Sonnenmassen betragen, um den beobachteten zentralen Neutronenstern zu erklären, und
weniger als 10 Sonnenmassen, um in Übereinstimmung mit den beobachteten chemischen Häufigkeiten der Elemente zu bleiben. Jedoch schleudert
ein Stern mit ursprünglich 8–10 Sonnenmassen am
Ende seiner Entwicklung nur wenige schwere Elemente aus, insbesondere nur geringe Mengen des
radioaktiven Ni56 , welches einen Beitrag zur späten
Zeitpunkten der Supernova liefert.
Die Lichtkurve der SN 1054
Lichtkurven von Supernovae werden zu frühen Zeitpunkten durch die Implosionsenergie des Sternes
bestimmt. Die Vielzahl der beobachteten Lichtkurven von SNII hängt u.a. vom Radius des Vorgängersternes, seiner Masse und Zusammensetzung sowie
der Implosionsenergie selbst ab. Zu späten Phasen,
d.h. Zeitpunkten später als rund 150 Tagen nach
der Implosion, wird der Lichtverlauf der Supernova meist durch den radioaktiven Zerfall von Co56
in Fe56 bestimmt. Dagegen erfolgt der späte Verlauf der Lichtkurve dieses Supernovatyps recht einheitlich. Dabei handelt es sich bei dem Co56 um
das Zerfallsprodukt von Ni56 , das in der Supernova
entsteht. In den meisten Fällen kann die Lichtkurve
sogar dazu benutzt werden, um den Gehalt an Ni56
im SNR zu bestimmen. Die radioaktive Energie aus
dem Zerfall von Co56 wird als Gammastrahlung und
Positronen (e+ ) frei.
Die späte Lichtkurve der SN 1054
Modellrechnungen des Vorgängersternes der
SN 1054 weisen auf eine Sternmasse von 8–10 Sonnenmassen und einen Nickelausstoß von weniger als
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterne
0,002 Sonnenmassen. Das Ni56 zerfiel anschließend
wahrscheinlich zu Fe56 . Daher sollte die gemessene
Häufigkeit von Fe56 einen Hinweis auf die ausgeschleuderte Masse von Nickel ergeben. Allerdings
ergeben Beobachtungen der chemischen Häufigkeiten der SN 1054 eine eher solare Häufigkeit der
chemischen Elemente. Die ausgeschleuderte Masse
in den Filamenten des SNR von rund 4,6 Sonnenmassen entspräche einer Eisen-Masse von 0,006
Sonnenmassen. Dieses Ergebnis ist in guter Übereinstimmung mit einer geringen Nickel-Masse.
Allerdings widersprechen diese Ergebnisse dem
Beobachtungsbefund, die SN 1054 wäre rund 650
Tage nach der Implosion des Sternes beobachtbar
gewesen. Ein derartig geringer Nickelgehalt kann
lediglich eine Abstrahlung der SN 1054 bis zu 500
Tagen erklären. Um die beobachtete Helligkeit der
SN 1054 zu erreichen, wären rund 0,05 Sonnenmassen Ni56 erforderlich gewesen.
Bei einem (vereinfachten) rechnerischen Vergleich
der SN 1054 mit der Supernova 1987A (SN 1987A)
in der Großen Magellhanschen Wolke (LMC) ergibt
sich, daß 0,006 Sonnenmassen Ni56 keinesfalls eine
lange Beobachtungszeit der SN 1054 von 650 Tagen
ermöglichen. Erst ein Modell mit 0,07 Sonnenmassen Ni56 (ähnlich der SN1987A) erreicht etwa eine
visuelle Helligkeit von 5,m5 nach 650 Tagen. Das
bedeutet, die Supernova wäre zu diesem Zeitpunkt
noch mit bloßem Auge beobachtbar gewesen. Nur
ein Ni56 -Gehalt von mindestens 0,06±0,03 Sonnenmassen kann also die lange Beobachtungsdauer der
SN 1054 erklären.
Dabei sollen die antiken chinesischen Beobachtungen keinesfalls angezweifelt werden; im Gegenteil,
indirekte Quellen lassen sogar auf eine noch längere
Sichtbarkeitsdauer der SN 1054 schließen und vergrößern das Paradoxon der langen Sichtbarkeit.
Lösung des Paradoxons?
Die mittlerweile unsicheren Modelle einer z.B.
Kernimplosion für Supernovae können keine zuverlässigen Aussagen machen, ob die SN 1054 nicht
doch 0,06 Sonnenmassen Ni56 ausgeschleudert hat.
Die im Crab-Nebel gemessene Häufigkeit von Eisen entspricht etwa der der Sonne. Der Gehalt an
Ni56 für die Erklärung der Lichtkurve zu späteren Zeitpunkten von rund 0,06 Sonnenmassen Ni56
entspräche jedoch einer Eisenhäufigkeit im CrabNebel, die etwa 9(±4) mal höher ist als die beobach-
Mitteilungen Volkssternwarte Darmstadt Nr. 3/2001
tete Häufigkeit. Andere Erklärungen, die die Anwesenheit von Staub und Radioaktivität berücksichtigen, können das Paradoxon ebenfalls nicht klären.
Kann der Pulsar ausreichend Energie
liefern, die Supernovahelligkeit zu späten
Beobachtungszeitpunkten zu erklären?
Der Pulsar der SN 1054 ist für das gegenwärtige
Leuchten des Crab-Nebels verantwortlich.
Ein Pulsar kann auf unterschiedliche Art und Weise zur optischen Helligkeit einer Supernova beitragen. So kann z.B. Akkretion, d.h. das Aufsammeln von Materie, des Pulsars durch eine Akkretionsscheibe eine wesentliche höhere visuelle Leuchtkraft der Supernova erreichen. Allerdings wäre dieser Effekt während der ersten Monate nach der
Supernova-Implosion nicht bemerkbar. Details dieses Lösungsansatzes sind gegenwärtig noch nicht
bekannt.
Falls der Pulsar wirklich für das späte Leuchten
der SN 1054 verantwortlich wäre, würde dies die
SN 1054 zu einem Einzelfall machen.
Zusammenfassung
Die SN 1054, d.h. die Bildung des Crab-Nebels und
des Crab-Nebel-Pulsars, ist ein typisches Beispiel
für eine 8–10 Sonnenmassen Supernova. Derartige Supernovae schleudern üblicherweise nur geringe
Mengen an Ni56 aus. Aus diesem Grund kann die
Helligkeit der SN 1054 zu späten Beobachtungszeitpunkten nicht durch ihren gemessenen Ni56 -Gehalt
erklärt werden. Der hierfür benötigte Ni56 -Gehalt
von rund 0,06 Sonnenmassen Ni56 übersteigt bei
weitem die chemische Häufigkeit dieses Elementes
im Crab-Nebel.
Eine alternative Lösung zur Erklärung der späten
Helligkeit könnte der Pulsar der SN 1054 sein. Allerdings könnte der Vorgängerstern der SN 1054
auch dichten Wind und die Supernova durch
zirkumstellare Wechselwirkungen geprägt worden
sein, die die Helligkeit teilweise erklären könnten. Beobachtungsbefunde hierfür existieren jedoch
nicht.
Quellen:
[1] Soltermann, J., et al., Why did SN 1054 shine at
late times?, AA Dec 15, 2000
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