Magazin 2014

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Suhrkamp Theater
Magazin 2014
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INHALT
Editorial3
Ruth Johanna Benrath, Pamela Carter, Tankred Dorst, Werner Fritsch,
Rainald Goetz, Noah Haidle, Peter Handke, Martin Heckmanns,
Wolfram Höll, Anna Maria Jokl, Stephan Kaluza, Jörn Klare, Konstantin Küspert,
Pamela Carter
4
Tankred Dorst und Ursula Ehler
8
Rainald Goetz
10
Noah Haidle
12
Peter Handke
16
Martin Heckmanns 20
Wolfram Höll
22
Stephan Kaluza
24
Jörn Klare 28
Konstantin Küspert
30
Thomas Kyd
32
Cesare Lievi
36
Friederike Mayröcker
38
Christoph Nußbaumeder
40
Sean O’Casey
42
Georg Ringsgwandl
44
Gesine Schmidt
46
Peter Turrini
48
Junges Programm:
Anna Maria Jokl
50
Ruth Johanna Benrath
54
Prosa für die Bühne
56
Schwerpunkt Erster und Zweiter Weltkrieg
60
Cesare Lievi, Friederike Mayröcker, Christoph Nußbaumeder,
Sean O’Casey, Albert Ostermaier, Georg Ringsgwandl, Oliver Schmaering,
Gesine Schmidt, Peter Turrini
Jahrestage66
suhrkamp spectaculum 68
Impressum
2
3
EDITORIAL
Aber wir haben nicht aufgehört, daran zu denken
Dass jemand sich hingeben könne (vor hunderttausend Augen).
Wir haben ihn suchen lassen.
Sind die Tiere bereit? Ist der Baum fest? Die Windmaschine auf Position?
Alles auf Anfang und Licht aus.
So beginnt ein Spiel ums Spiel in Es wird einmal, dem neuen Stück von Martin Heckmanns.
Verstehen Sie den nachtblauen Umschlag unseres neuen Magazins also bitte als eine solche
momentane Verdunkelung, auf die dramatische Erhellungen unterschiedlicher Art folgen:
Neben Beiträgen zu neuer englischsprachiger Dramatik von Pamela Carter und Noah
Haidle – beide machen derzeit mit Ur- und deutschsprachigen Erstaufführungen auf sich
aufmerksam – widmen wir uns in einem Beitrag dem irischen Dramatiker Sean O’Casey
und seinen bei Suhrkamp nunmehr komplett vorliegenden Übersetzungen. Die Wiederentdeckung eines hierzulande kaum bekannten elisabethanischen Klassikers ist zu verkünden:
Oliver Schmaering legt eine kongeniale Nachdichtung von Thomas Kyds Eine spanische Tragödie und damit die einzige greifbare deutsche Übersetzung dieses Stückes vor.
Im Bereich neuer deutschsprachiger Dramatik berichten wir über die Resonanz auf die
Uraufführungen der Debütstücke von Konstantin Küspert und Wolfram Höll. Etablierte Autorinnen und Autoren wie Gesine Schmidt, Martin Heckmanns, Stephan Kaluza, Jörn Klare,
Christoph Nußbaumeder und Georg Ringsgwandl (den wir als neuen Suhrkamp-Autor begrüßen!) legen neue Stücke vor. Peter Handkes Werke erfahren derzeit im deutschsprachigen wie im fremdsprachigen Raum eine lebendige Rezeption; so wurde Handkes Heimkehrerdrama Über die Dörfer gerade beim Festival d’Avignon wiederentdeckt. Und Peter Turrini
hat ein berührendes neues Werk für die große Bühne geschrieben, dessen Uraufführung in
Wien mit großem Jubel gefeiert wurde.
Unser Junges Programm wächst um eine Dramatisierung des Weltbestsellers Die Perlmutterfarbe von Anna Maria Jokl durch Christoph Nußbaumeder und ein Jugendstück von Ruth
Johanna Benrath. Zudem informieren wir über aktuelle Roman-Theatralisierungen und
erinnern in einem Schwerpunkt anlässlich der sich jährenden Daten 1914 und 1945 an
Stücke und Romane in unserem Programm, die sich mit Weltkriegsthematiken auseinandersetzen.
4
Viel Vergnügen beim Lesen und Entdecken!
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Pamela Carter
was wir wissen
»Schmerzhaft und peinlich und
womöglich auch lächerlich«
Pamela Carter im Gespräch
Originaltitel: what we know I Deutsch von Hannes Becker
rührend und mit viel Humor einen Wendepunkt im
Leben einer jungen Frau, die sich nach einem traumatischen Erlebnis erst nach und nach in ihrer neuen Lebenswelt zurechtfindet. Ein Kammerspiel, eindringlich und atmosphärisch aufgeladen, das man
nicht vergisst. (3 D, 3 H)
Uraufführung: 17. Februar 2010
Traverse Theatre Edinburgh
Regie: Pamela Carter
Frei zur deutschsprachigen Erstaufführung
Foto: Ben Wright
Ein scheinbar idyllischer Abend bei Lucy und Joe, die
gemeinsam kochen. Merkwürdig ist, dass Joe immer
wieder nach Worten sucht und Gedächtnislücken hat
– und plötzlich verschwunden ist. Während Lucy noch
mit der Fassung ringt, steht ein Junge in ihrer Küche.
Die Situation scheint surreal, doch der Jugendliche
fordert ganz selbstverständlich etwas zu essen ein, er
hat Hunger. Lucy folgt seinem Wunsch und plaudert
schließlich mit ihm. Und kaum ist er weg, stehen drei
Gäste vor der Türe …
Pamela Carter erzählt in was wir wissen vom Verlust
eines geliebten Menschen. Das Stück beschreibt be-
Pamela Carter, geboren 1970 in Kendal (Nordengland), ist Autorin, Regisseurin und Dramaturgin.
Sie lebt in London. Seit 2010 entwickelt Carter
gemeinsam mit den schwedischen Künstlern
Goldin + Senneby Performances und Installationen.
Mit in der ebene (Originaltitel: skåne) war sie eingeladen zum Berliner Stückemarkt 2012, es wird
im Frühjahr 2014 am Theater Ulm deutschsprachig
erstaufgeführt. Carter gewann den Werkauftrag
des Berliner Stückemarktes in Kooperation mit
dem Staatsschauspiel Dresden, Elias Perrig brachte hier ihr Stück fast ganz nah (Originaltitel: almost
near) zur Uraufführung.
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Nina Peters: Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind,
sagtest du, du seist »non-white and working class«. Was
bedeutet das für dich?
Du sagtest, du seist in eine konservative, britische Mittelstandsschule gegangen, wie hat sich dein Bewusstsein
von politischer Klassenzugehörigkeit entwickelt?
Pamela Carter: Ich bin im Norden Englands aufgewachsen, in einer überwiegend weißen Nachbarschaft. Und da
ich die meiste Zeit über bei meinem weißen Vater gelebt
habe, wurde ich immer wieder gefragt: »Woher kommst
du?« Und meine Antwort »von hier« war offenbar nie die
richtige, weil unausweichlich immer die Frage folgte:
»Nein, woher kommst du ursprünglich?« Ich habe die
Erfahrung gemacht, dass wer oder was auch immer ich
glaubte zu sein, nicht mit dem übereinstimmte, was die
meisten anderen Menschen zu sehen glaubten.
Mixed-raced zu sein (mein Vater war Engländer, meine
Mutter ist Chinesin) ermöglichte mir nie einen Zugang
zu zwei Kulturen, ich hatte eher das Gefühl, zu keiner
der beiden Kulturen ausreichend zu gehören. Meine
persönlichen Erfahrungen fanden keine Entsprechung
im Mainstream, und natürlich wurden sie auch in der
konservativen Mittelklasseschule nicht anerkannt, auf
die ich geschickt wurde und in der Konformität als
Schlüssel zum Erfolg galt. Ich glaube, ich hatte ein großes Problem mit Autoritäten und dem »Establishment«.
Heute fällt es mir nicht so schwer, über Identität zu
sprechen … Ich kann den Umgang mit diesem fragmentarischen, schwer fassbaren Begriff inzwischen sogar
genießen. … Außerdem hat sich die Welt, oder die, in
der ich glücklicherweise lebe, zum Besseren verändert.
Wenn ich »working class« sage, dann beschreibe
ich ein persönliches Tableau von politischen Zugehörigkeiten. Zu politischem Bewusstsein bin ich als
Teenager während der Regierungszeit von Margaret
Thatcher gekommen, mein Vater war zu dieser Zeit
arbeitslos. Ich habe erlebt, wie der Thatcherismus die
Arbeiterklasse aus ideologischen Gründen demontiert
und diejenigen ihrer Stimme beraubt hat, die nicht
»fit« genug waren, das »Beste aus ihren Möglichkeiten« zu machen. Aber der gesunde Menschenverstand
sagt mir, dass die Starken sich um die Schwachen
kümmern sollten.
Als Dramatikerin denke ich sehr genau über den
Standpunkt jeder einzelnen Figur nach, ganz egal,
welchen Hintergrund sie hat. Aber ich merke, dass
meine eigene Zugehörigkeit mich ganz natürlich dazu
bringt, die Stimmen derjenigen zu hören und zu beschreiben, die, aus welchen Gründen auch immer, um
einen Platz in der Welt kämpfen.
Dein erstes in Deutschland aufgeführtes Stück heißt ›fast
ganz nah‹, es handelt von einem Krieg, möglicherweise
dem Afghanistan-Krieg. Elias Perrig hat es im April 2013
am Staatsschauspiel Dresden uraufgeführt. Du stellst
darin Szenen einer Gruppe von Soldaten im Krieg dem
Stücke – eine Auswahl
in der ebene
3 D, 4 H
Originaltitel: skåne
Deutsch von Hannes Becker
UA: 27.10.2011, Hampstead Theatre
London, Regie: Tim Carroll
DEA: 29.5.2014, Theater Ulm
Regie: Oliver Haffner
fast ganz nah
3 D, 5 H
Originaltitel: almost near
Deutsch von Hannes Becker
UA: 6.4.2013, Staatsschauspiel Dresden
Regie: Elias Perrig
was wir wissen
3 D, 3 H
Originaltitel: what we know
Deutsch von Hannes Becker
UA: 17.2.2010, Traverse Theatre Edinburgh
Regie: Pamela Carter
DEA: frei
7
PAMELA CARTER
Leben einer europäischen Großstadtfamilie gegenüber.
Die Frau, Louise, ist Künstlerin. Du sprachst einmal davon, dass dich die Arbeiten von Jeff Wall zu dem Stück
angeregt haben.
Jeff Walls Fotografien und die Lektüre von Susan Sontags Essay Das Leiden anderer betrachten, in dem sie
über Walls Fotografie »Dead Troops Talk« schreibt, haben mich ganz eindeutig zu diesem Stück angeregt.
Walls Arbeiten sind kraftvoll und theatral. Seine Bilder
scheinen Momente von Aktion einzufangen, aber sie
liefern keine eindeutige Erklärung, wie die Protagonisten an diesen Punkt gekommen sind oder was als
nächstes passieren könnte. Und plötzlich hatte ich diese disparate Ansammlung von Momenten und Figuren
in meinem Kopf. Also habe ich mich beim Schreiben
von einem Bild zum nächsten bewegt und nicht so sehr
einen Plot oder einen dramaturgischen Bogen entwickelt. Die Fragen nach Mitgefühl, dem eigenen Blick
und Darstellbarkeit waren mir ständig gegenwärtig.
›in der ebene‹ (Originaltitel: ›skåne‹) wurde 2012 beim
Berliner Stückemarkt szenisch gelesen. Du erzählst die
Geschichte eines Seitensprungs und der Konsequenzen,
die dieser für die beiden »beteiligten« Familien hat, für die
Eltern wie auch die Kinder. Es ist die Geschichte von verpassten Chancen, sie ist melancholisch, aber auch sehr
komisch. Was war dein Impuls zu diesem Stück?
Der ist sehr persönlich … und zeigt, was für ein parasitäres Unternehmen das Schreiben sein kann. Ein paar
Jahre zuvor hatte mir ein schwedischer Freund davon
erzählt, wie seine Mutter mit dem Vater einer benach-
8
barten Familie abgehauen sei. Er war zum damaligen
Zeitpunkt etwa 14. Als er davon erzählte, fiel mir auf,
dass er nicht etwa über seine Gefühle seiner Mutter gegenüber sprach, sondern über ein bestimmtes Ereignis,
das ihn nachhaltig wütend gemacht hatte: ein Treffen,
auf das sein Vater und die verlassene Frau der anderen Familie bestanden, um »die Situation miteinander
zu diskutieren«, bei dem auch alle Kinder anwesend
sein sollten. Das ist möglicherweise eine sehr »schwedische« Herangehensweise: alle mit einbeziehend und
Ausgleich suchend und deshalb bewundernswert. Aber
natürlich auch schmerzhaft und peinlich und womöglich auch lächerlich. Ein wunderbares Material für das
Theater. Im Herbst 2009 war ich am Ende einer schwierigen und zum Scheitern verurteilten Beziehung. Ich
dachte, es fällt mir leicht, über Liebe und Verlangen
zu schreiben und darüber, dass jeder in diesem Stück
Recht hat und gleichzeitig Unrecht.
Was die Jugendlichen und ihre Sprache angeht, so habe
ich mich daran erinnert, was für ein starkes Lebensgefühl ich selbst als Teenager hatte. Meine Freunde und
ich waren der Nabel der Welt, und Erwachsene wussten
ohnehin nicht, was das bedeutet oder was überhaupt in
unserem Leben passiert. Natürlich wussten wir alles
besser … in Bezug auf Politik, Kunst, Musik, Liebe … wir
wussten, was wirklich zählt und was wichtig ist. Wahrscheinlich habe ich versucht, meinem eigenen inneren
Teenager gerecht zu werden.
Du hast die Chronologie der Ereignisse umgekehrt, die
Geschichte endet mit dem eigentlichen Beginn, dem Liebespaar in einem Hotelzimmer. Warum?
Das ist einfach. 2005 starb mein geliebter Freund Ed
Meynell im Alter von 34. was wir wissen war meine Art
damit … mit dieser Erfahrung umzugehen … ich habe
sie in etwas einfließen lassen, an dem ich arbeiten
konnte … etwas, das nicht mehr weggehen kann.
Es hört deshalb so auf, weil ich wollte, dass das Stück
an dem Ort endet, an dem man im wirklichen Leben
nicht bleiben kann … und an dem für die Liebenden
alles möglich ist.
Was mir an deinen Stücken gefällt, ist die Art und Weise, wie du die Geschichten der Erwachsenen, Kinder und
Jugendlichen gleichberechtigt erzählst. Jede Altersgruppe
kommt zu ihrem Recht und hat bei dir eine je eigene Sprache. Ist dir diese Erzählweise bewusst und wichtig?
Dein Stück ›was wir wissen‹ (›what we know‹) beginnt
mit einer alltäglichen Situation. Wir sehen ein Paar,
Lucy und Joe, beim gemeinsamen Kochen – plötzlich
ist Joe verschwunden. Das Stück beschreibt den Verlust
eines geliebten Menschen. Es ist atmosphärisch dicht, die
Geschichte prägt sich einem ein. Was war der Impuls für
dieses Stück?
Du hast das Stück selbst uraufgeführt. Profitierst du als
Autorin davon, dass du auch Regisseurin bist und szenisch denken kannst?
Ja und nein. Wenn ich schreibe, mache ich mir Gedanken über das »körperliche Ereignis« der Aufführung,
die Zeit und den Raum, die das Stück einnimmt … ich
interessiere mich tatsächlich nicht so sehr für das lite-
rarische Ereignis, sondern für das Theatermachen. Als
Autorin versuche ich, mir unterschiedlicher Erzähltempi bewusst zu sein. Aber ich erkenne auch ein Erzählprinzip, das beim Entwickeln meiner Geschichten im
Laufe eines Stückes zum Tragen kommt: Bei mir gibt es
keine Brandbomben, nichts Hochexplosives.
Ich stelle mir das Schreiben von Stücken vor wie plastische Kunst: Anfangs schreibe ich immer zu viel, und
dann dünne ich die Worte aus, bewege sie hin und her,
um Lücken und Muster zu finden, die sich richtig anfühlen. Ich habe eine Vorstellung davon, wie Dialoge auf
dem Bildschirm oder auf einem Blatt Papier aussehen
sollten, und ich kann sehen, wann Figuren zu viel reden, ob ihre Worte zu mitteilsam oder zu dicht sind. Ich
stelle mir verbale Äußerungen vor wie die Spitze eines
Eisbergs … und unter der Oberfläche des Wassers ist
viel mehr verborgen und man kann das, was darunter
liegt, nicht in Gänze erschließen.
Trotz der literarischen Verknappung deiner Sprache entwirfst du lebendige, vielschichtige Figuren. Das scheint
paradox.
Vielleicht liegt das an meiner Vorstellung von gesprochener Sprache als einem nur kleinen Teil dessen, was
und wie wir kommunizieren, und dass ich mir dessen,
wenn ich schreibe, immer bewusst bin. Letztendlich
sind Worte Aktion … oder zumindest möchte ich, dass
sie das sind. Und sie brauchen Schauspieler. Ich hoffe,
dass ich ihnen in meinem Schreiben genug Raum gebe.
Aus dem Englischen von Nina Peters
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Dorsts ›Parzival‹ in Wien
Parzival – Ein Szenarium
»Der Wald aber war abgeholzt …«
Mitarbeit Ursula Ehler
Tankred Dorst und Ursula Ehler über Parzival als Lebensthema
(Parzival, 2, Parzival will in die
Welt ziehen, von der er nichts weiß)
Kurz vor dem Ende des Sterns entstand aus den mehrzelligen Organismen eine Vielzahl verschieden pigmentierter
androgyner Wesen. Sie waren zweigeschlechtlich angelegt
und pflanzten sich mit lebend geborenen Nachkommen
fort, die sich aus Samen im weiblichen Körper bildeten.
Diese Lebensform von niedriger Intelligenz war jedoch mit
rudimentären Erkenntnissen über ihr Entstehen und minimalen Einsichten in die Zusammenhänge ihres Sonnensystems ausgestattet. Sie entwickelten vermutlich eine
gewisse Kultur mit primitiven Religions- und Gesellschaftsformen und erreichten wohl zu gewissen Zeiten ein schwaches Bewusstsein ihrer Vergänglichkeit. Es ist nicht erwiesen, inwieweit sie das Ende des Planeten voraussahen oder
sogar herbeiführten. Die wenigen Spuren ihrer Existenz
bleiben rätselhaft.
(Parzival, 4, Zwergplanet)
Tankred Dorst, geboren am 19. Dezember 1925 in Sonneberg, Thüringen. Erste Stücke für ein Studenten-Marionettentheater in den 50er Jahren in München. Anfang der
60er Jahre erste, in der Folge viel gespielte Stücke für die
große Bühne: Große Schmährede an der Stadtmauer und
Die Kurve. Seitdem etwa 35 Stücke – seit 1972 meistens
mit Ursula Ehler (in Bamberg geboren und aufgewachsen, Bibliotheksausbildung, Kunststudium in München) –,
vier Opernlibretti, drei Filme als Regisseur. Einige der
Theaterstücke wurden und werden weltweit gespielt:
Toller, Eiszeit, Merlin, Herr Paul, Fernando Krapp hat mir
diesen Brief geschrieben und Ich, Feuerbach. Zahlreiche
Literaturpreise, in Deutschland u.a. der Büchner-Preis.
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Parzival: Oh wie plagen sich die Menschen in ihrer Zeit!
Wie leiden sie! Oh wie liebe ich deinen Schmerz! Ich leide
mit dir, du leidender Menschenbruder! Wie ich den Geschlagenen liebe! Und den schlagenden liebe ich auch!
Ich sehe dich an und erkenne mich! Ich weiß es jetzt …
(Parzival, 11, Die blutige Menschenhaut)
Neuinszenierung im April 2014 am Burgtheater Wien
Regie: David Bösch
Uraufführung: 12. September1987, Thalia Theater Hamburg
Regie: Robert Wilson
Erstaufführung der Neufassung: 13. Januar1990
Städtische Bühnen Frankfurt am Main
Regie: Alexander Brill
Foto: Isolde Ohlbaum
Parzival: Aber ich fürchte mich ja gar nicht, Mutter.
Herzeloide: Du musst dich fürchten!
S
ehr viel Persönliches, wie könnte es anders sein, ist
in diese Parzival-Figur hineingeschrieben. Ich kenne
sie ja schon so lange. In meiner frühen Jugend war sie
hell, mutig, idealistisch, und was ich getan und gedacht
habe als Vierzehnjähriger in der Kriegszeit, es geschah
immer mit dem Blick auf diese Figur. Parzival war der
Ritter, der mir voraus und manchmal neben mir her ritt,
mit seinen Augen wollte ich die Welt ansehen. Wie er
wollte ich mich von meiner Umgebung absondern, den
besonderen Weg gehen, den andere noch nicht betreten
hatten. Ich verachtete in meinem pubertären Hochmut
die Gesellschaft, aber eine Art Ritter wollte ich dennoch
werden. Wie Parzival war ich einfältig, wusste nicht,
was unter der eisernen Haut für ein Herz schlägt. Und
ich wäre wohl, als alle Welt und ich selber sahen, welche
Verbrechen in meinem und Parzivals Namen geschehen
waren, gern zurückgekehrt in die Wälder und Wildnis
des Anfangs, um mich darin zu verstecken. Der Wald
aber war abgeholzt, die Stadt verwüstet, die Getöteten
standen nicht wieder auf. Nun hasste ich den Knaben
Parzival, er schien mir ein Heuchler zu sein. Ich wollte
mich von ihm fernhalten, sah ihn gehen und sprang ihm
doch nach, um ihm immerfort zuzurufen: du hast mich
enttäuscht! Du hast mich betrogen! Ich bin in Wahrheit
nie so gewesen wie du, ich bin von dir verführt worden zur unwissenden Teilnahme an deinen Verbrechen!
Und dann vergaß ich ihn für viele Jahre. Erst als wir an
Merlin arbeiteten, tauchte er wieder auf.
Tankred Dorst
S
eit vielen Jahren beschäftigt sich Tankred Dorst mit
dem Parzival-Stoff, und so entstanden nach dem
Stück Merlin (1981), in dem Parzival die wichtigste
Nebenfigur ist, das Szenarium Der Wilde, entworfen
als Filmprojekt, und die Erzählung Der nackte Mann
(1986). In diesen Arbeiten war das Interesse weniger
auf die Läuterungs- und Erlösungsthematik gerichtet
als auf den Konflikt zwischen dem Waldmenschen Parzival und einer komplizierten, hochentwickelten Gesellschaft, auf die Mutation von Naivität und Kraft zu
blindwütiger Brutalität. Wozu führt Nicht-Erziehung,
was taugt das sogenannte »Natürliche« in der Konfrontation mit anderen Menschen? Was tut einer der Welt
an, der nicht weiß, was gut, was Tod, was Liebe ist? Der
Vorschlag von Wolfgang Wiens, dem damaligen Dramaturgen des Thalia Theaters in Hamburg, Tankred
Dorst und Robert Wilson für ein Parzival-Projekt zusammenzubringen, führt 1987 zur Zusammenarbeit,
und es entstand Parzival. Auf der anderen Seite des
Sees. Ausgehend von dem Szenarium Der Wilde, das in
weitgehend offener Szenenfolge den Handlungsablauf
des Parzivalromans von Chrétien de Troyes benützt,
auf weite Strecken aber anachronistisch die mittelalterliche Welt verlässt und Parzival in Situationen der
heutigen Welt geraten lässt, erarbeiteten wir dann
während der Proben Texte und Handlungsabläufe.
Ursula Ehler
Parzival ist kein geschlossener Text, sondern eine Komposition aus verschiedenen Arbeiten von Dorst/Ehler,
die sich immer wieder mit der Figur des rätselhaften Ritters auseinandersetzen. »›Parzival‹ war der Ritter, der mir
voraus und manchmal neben mir her ritt, mit seinen Augen wollte ich die Welt ansehen.« Tankred Dorst
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INGRID L AUSUND
Rainald Goetz
Feiern, Liebe, Arbeit, Stille der Reflexion
Rainald Goetz im Gespräch
Gefühlt müssten die Stücke von Rainald Goetz auf allen
Bühnen präsent sein. Die Aufführungsstatistik weist
das zu unserer Überraschung nicht aus. So oder so, die
aktuellen Auszeichnungen unseres Autors mit gleich
mehreren bedeutenden Literaturpreisen ist uns Anlass, Rainald Goetz zu gratulieren und ihm drei Fragen
zu seinen vorliegenden Stücken zu stellen.
Manfred Ortmann: Es fällt auf und es ist vermutlich
kein Zufall, dass die Stücktrilogie für Sie eine besondere
Form ist, mit der Sie arbeiten – die Trilogie ›Krieg‹ mit
den Stücken ›Krieg‹, ›Schlachten‹, ›Kolik‹ und die Trilogie
›Festung‹ mit den Stücken ›Kritik in Festung‹, ›Festung‹,
›Katarakt‹ –, warum ist diese Form für Sie so geeignet?
Rainald Goetz: Ich wollte jede Art von Theatertext
schreiben, die mich als Zuschauer und Leser begeistert
hat: Gesellschaftspanorama, Familienstück, Monolog.
Man hat dadurch beim Schreiben sehr unterschiedliche Stückformate, in denen sich auch unterschiedliche
Grundformen des Sozialen abbilden, als Aufgabe vor
sich. Im Gesellschaftsstück Krieg heißt die Thematik
Krieg, historisch aufgeladen, Revolution, im Familienstück Schlachten intimer Terror in direkter Interaktion,
im Monolog Kolik Wahn und Hass und Theorie. Und die
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Trilogie Festung zeigt die Arbeit der Sprache im Familienstück Kritik in Festung als Rettung, im Wannseekonferenzstück Festung als Vergessen, im Monolog Katarakt als eine Bewegung der Seele hin zur Milde. So wird
in jedem Format ein anderer Aspekt der Thematik, um
die es in der jeweiligen Trilogie geht, darstellbar. Man
kann so das zu Sagende einfach auffächern. Und die
Idee ist ja bei jedem Buch eine möglichst umfassende,
die Ichlimitation möglichst weit überschreitende Weltgeisterfassung.
Warum war das bei ›Jeff Koons‹ anders?
Jeff Koons ist Teil meiner Gegenwartsgeschichte Heute
Morgen. Da stand das Theaterstück im Kontext von vier
anderen Prosabänden, die alle unterschiedliche Dimensionen der besonderen Glücks- und Helligkeits-Konstellation der Jahre nach 1989, der frühen und mittleren
90er Jahre vor allem, zu erfassen versucht haben. Außerdem hat es mich gereizt, nachdem ich zweimal eine
trilogiehafte Auffächerung versucht hatte, einmal alles
in ein Stück hinein zusammenzudrängen, Gesellschaft,
Ich, Familie. Mit der Titelfigur Jeff Koons gibt es da ein
personales Zentrum, man hat also strukturell ein Titelfigurstück, was ein eigenes Theatertextgenre ist, das
ich ausprobieren wollte. In Jeff Koons ist es konkret der
SCHILLER-GEDÄCHT
MARIELUISE-FLEISSERBERLINER
Künstler, der als paradigmatische Existenz in seinem
alltäglichen Lebensvollzug gezeigt wird: Feiern, Liebe,
Arbeit, Berufswelt, Stille der Reflexion usw.
Wie gehen Sie vor, wie bereiten Sie sich vor, wenn Sie beabsichtigen, ein neues Stück zu schreiben?
Ich habe das Thema, daraus baue ich die Welt des
Stücks: Personal, Szenerie, Handlung. Dann suche ich
nach der Sprache für die Figuren. Davon hängt alles ab:
Wie klingt der Text? Er muss auf geheimnisvolle Art anders sein als in jeder Prosa, als im Alltag, als in Stücken
von früher und über andere Themen, künstlich und ungekünstelt direkt zugleich, zupackend. Er wird ja von
der Bühne heruntergesprochen und dabei in jeder Nuance extrem vergrößert werden. Ich denke immer sehr
konstrukteurshaft und abstrakt über die projektierten
Stücke nach, verfahre beim Schreiben aber blind experimentell, probiere dauernd neue Sätze für Figuren,
Szenenabläufe, Stücke von Rede. Irgendwann stehen
die Sprachgestalten da, die das Thema auf der Bühne
tragen können, den Zuschauer dadurch faszinieren,
hoffentlich auch als Charaktere. Letzten Sommer habe
ich Szondis großartiges Frühwerk Theorie des modernen Dramas gelesen. Daraus würde ich gerne eine neue
Summe ziehen für heute. Daran probiere ich herum.
Rainald Goetz, geboren 1954 in
München, studierte Medizin und
Geschichte, lebt in Berlin. Er hat
bisher fünf Bücher geschrieben
über die folgenden Themen: über
›Psychiatrie‹ den Roman Irre; über
›Revolution‹ die Stücke Krieg; über
die ›RAF‹: Kontrolliert. Geschichte;
über ›Sprache‹: Festung. Stücke;
und über ›Party‹ die Geschichte
der Gegenwart Heute Morgen, Jeff
Koons, Stück.
Mit seinem neuen Roman Johann
Holtrop setzt Goetz das Buch
Schlucht, eine Analyse der Nullerjahre fort; bisher erschienen: Klage,
loslabern, elfter september 2010.
NISPREIS 2013
PREIS 2013
LITERATURPREIS 2012
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INGRID L AUSUND
Noah Haidle
Ada und ihre Töchter
Originaltitel: What is the Cause of Thunder?
Deutsch von Brigitte Landes
Nach 27 Jahren in der Rolle als Familienoberhaupt der »Posten Family« in einer
drittklassigen Seifenoper verliert Ada zunehmend den Bezug zur Realität. Ihre
hochschwangere Tochter Ophelia, die nicht nur mit einem wenig alltagstauglichen Namen leben, sondern sich auch der Aufgabe stellen muss, ein Kind auf
die Welt zu bringen, das seinen Vater wohl nie kennenlernen wird, übt sich in
Gelassenheit. Doch ihre Mutter verwechselt Ophelia immer öfter mit Adas Fernsehtochter Harper, und die liegt meist im Koma.
Noah Haidle hat in seiner literarisch anspielungsreichen Komödie Ada und
ihre Töchter Glanzrollen für zwei Schauspielerinnen geschrieben. Haidle verbindet den Irrwitz einer schlechten Sitcom mit existenziellen Fragen und lässt
die Grenzen zwischen Realität und TV-Fiktion vorsätzlich und kunstvoll verschwimmen. (2 D)
Noah Haidle, geboren 1978 in
Michigan, ist Dramatiker und Drehbuchautor und lebt in Detroit. Haidle
studierte an der Princeton University
und der Juilliard School und lehrte in
Princeton, Uganda und Kenia. Er hat
zahlreiche Stücke geschrieben, sein
neuestes, Smokefall, wurde im April
2013 am South Coast Repertory
Theatre in Kalifornien uraufgeführt.
Zu seinen erfolgreichsten Stücken
zählt Mr. Marmalade, für das er in
den USA mehrfach ausgezeichnet
wurde. Haidle schrieb das Drehbuch
zum Hollywood-Film Stand Up Guys
mit Christopher Walken, Al Pacino
und Alan Arkin (Regie: Fisher Stevens, USA 2013).
Uraufführung: 22. Februar 2009, Williamstown Theatre Festival
Regie: Nicholas Martin
Frei zur deutschsprachigen Erstaufführung
»Das Stück erhält seine emotionale Schlagkraft durch die Spannung
zwischen Mutter und Tochter, Wahrheit und Illusion, Wahnsinn
und Normalität. ›What is the Cause of Thunder?‹ ist selbst dann noch
menschlich, wenn die Situationen schon aberwitzig und makaber
sind.« M. Scott Skinner, Tucson Weekly
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Foto: Susanne Schleyer
205 Seiten. Broschur. € 18,–
(978-3-518-42412-4)
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NOAH HAIDLE
Noah Haidle bei Suhrkamp
Mr. Marmalade
Deutsch von Brigitte Landes
Uraufführung: 25.4.2004
South Coast Repertory, Costa Mesa,
Kalifornien
Regie: Ethan McSweeny
Deutschsprachige Erstaufführung:
4.4.2009, Badisches Staatstheater Karlsruhe
Regie: Thomas Krupa
Neuinszenierung:
12.9.2013, Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Regie: Isabel Osthues
Mr. Marmalade
Saturn kehrt zurück
Die vierjährige Lucy hat eine rege Phantasie. Häufig von der Mutter alleine gelassen, erschafft sie sich ihre Gesellschaft selbst. Ihr Lebensgefährte beispielsweise, Mr. Marmalade, ein Geschäftsmann mit cholerischer Veranlagung und
Drogenproblemen, besucht sie, wann immer er Zeit findet. Das Stück bewegt
sich spielend leicht auf dem gefährlichen Grat zwischen kindlicher Phantasie
und der grausamen Realität des Missbrauchs. (2 D, 4 H)
Der 88-jährige Gustin braucht jemanden zum Reden, und so ruft er einen Pflegedienst an. Suzanne kommt, doch schnell wird ihr klar, dass dieser skurrile alte
Mann nicht pflegebedürftig ist. Drei Lebensabschnitte, drei Frauen. Alle dreißig
Jahre kehrt der Planet Saturn an seinen Ausgangspunkt zurück, und jede Wiederkehr des Planeten bedeutet eine Lebenskrise. (1 D, 3 H)
»Noah Haidle erzählt (…) auf zugleich bizarr-komische und bedrückende Weise,
wie ein verletztes Kind sich gegen die Zumutungen des Lebens wehrt und wie
sich die Bruchstücke der erlebten und erlittenen Wirklichkeit in der kindlichen
Wahrnehmung in ein Wahnsystem verwandeln.«
»Was ist der Mensch am Ende seiner Tage? (…) Und wer trägt die Verantwortung
für seine persönliche Tragödie? Solche schwerwiegenden Fragen kann, wer
will, entdecken unter den Schichten dieses dennoch mit verblüffender Leichtigkeit
erzählten Stückes des 1978 geborenen Dramatikers Noah Haidle.«
Saturn kehrt zurück
Originaltitel: Saturn Returns
Deutsch von Brigitte Landes
Uraufführung: 11.10.2008
Lincoln Center Theater, New York
Regie: Nicholas Martin
Deutschsprachige Erstaufführung:
19.10.2010, Staatstheater Nürnberg, Regie: Jean-Claude Berutti
Neuinszenierung: Spielzeit 2014/15
Landestheater Schwaben,
Memmingen
Regie: Peter Kesten
Birgit Nüchterlein, Nürnberger Nachrichten
Matthias Bischoff, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Skin Deep Song
Deutsch von Thomas Krupa
Uraufführung: 1.2.2013
Schauspiel Essen
Regie: Thomas Krupa
Lucky Happiness Golden Express
Skin Deep Song
Skin Deep Song ist eine schwarze Komödie, eine Erzählung vom Ende der Welt.
Zwei Töchter, die Kinder des Königspaares, das bei einem Terroranschlag ums
Leben gekommen ist, füllen die Lücke, die ihre Eltern hinterlassen haben, mit
Witzen und Spielen von Leben und Tod. (3 D, 2 H)
»Noah Haidle verbindet viele Anklänge an europäisches Theater – die Rätselhaftigkeit der Charaktere erinnert an Jon Fosse, die leise Wehmut an Tschechow –
mit typisch amerikanischen Elementen. Er ist auch ein Erzähler und Entertainer.«
Stefan Keim, WDR 3
»Der raffiniert gebaute Text Haidles erinnert mit seinen harten Dialogen und seiner unverhohlenen Brutalität an die englischen Stücke Mitte der 90er, aber auch
an die bleiern komischen Endspiele Becketts.« Natalie Bloch, Theater heute
»Noah Haidle (…) versteht sich auf schnelle, spannende Dialoge: Nach ›Mr.
Marmalade‹, 2009 in Karlsruhe, und ›Saturn kehrt zurück‹, 2012 in Nürnberg,
ist er mit der Uraufführung von ›Skin Deep Song‹ im deutschen Theater angekommen.« Andreas Rossmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Das Lucky Happiness Golden Express ist ein billiges chinesisches Restaurant. Andrew, ein alter Mann, bestellt hier, assistiert von einem komischen Kellnerpaar,
jeden Abend das Gleiche. Bis er eines Abends einen Schlaganfall erleidet. Im
Krankenhaus kommt seine Familie zusammen. Haidle erzählt in Rückblenden
mit umwerfendem Witz, großartigen Figuren und mit Leichtigkeit eine Familiengeschichte und von der Illusion vom Glück. (3 D, 2 H)
Lucky Happiness Golden Express
Deutsch von Brigitte Landes
Uraufführung: 20.9.2013
Staatstheater Kassel
Regie: Thomas Bockelmann
Neuinszenierung: 22.6.2014
Schauspiel Essen
Regie: Tom Gerber
»Noah Haidle, ein viel beachteter junger US-Autor mit einer Vorliebe für Beckett,
Proust und Tschechow, umkreist seine Figuren mit Wehmut und Melancholie und
stellt dabei immer wieder die Frage nach der Erinnerung. (…) Ein berührendes
Kammerspiel, eine erzählfreudige Ballade, in Kassel zu Recht mit rauschendem
Applaus bedacht.« Juliane Sattler-Iffert, Die Deutsche Bühne
»Haidle stammt aus Michigan, wo die siechende Autoindustrie Stadt um Stadt
sterben lässt, wo die Zukunft allenfalls noch die Erinnerung an bessere Zeiten
verspricht. Und der vergebliche Versuch, Vergangenes festzuhalten, treibt immer
wieder auch die Figuren seiner Werke an. (…) Haidle komponiert klug, lässt
Realität und Erinnerung ineinander fließen.« Joachim F. Tornau, Frankfurter Rundschau
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Peter Handke
Über die Dörfer
Über dreißig Jahre nach seiner Uraufführung erlebt
Handkes dramatisches Gedicht beim Festival d’Avignon 2013
eine erfolgreiche Wiederentdeckung
Peter Handke, 1942 in Griffen
(Kärnten) geboren, lebt heute
bei Paris. Zuletzt sind von ihm im
Suhrkamp Verlag erschienen: Der
große Fall (2011), Immer noch Sturm
(2011), Versuch über den Stillen
Ort (2012), Die schönen Tage von
Aranjuez. Ein Sommerdialog (2012),
Versuch über den Pilznarren (2013)
Peter Handke schrieb sein dramatisches Gedicht Über die Dörfer im Alter von
fast vierzig Jahren, es bildet den letzten Teil der Tetralogie Langsame Heimkehr.
Das Stück entstand in Salzburg, wohin der Schriftsteller nach Jahren in Paris
gezogen war. Über die Dörfer erzählt die Geschichte des intellektuellen Ausreißers Gregor, der nach Jahren der Abwesenheit in das Dorf seiner Heimat
zurückkommt, um Erbangelegenheiten zu klären. Der Bruder Hans, Arbeiter
auf einer Großbaustelle in der Umgebung, möchte das von den Eltern vermachte Haus verkaufen, damit die Schwester Sophie einen eigenen Laden eröffnen
kann. Gregor ist zunächst gegen diesen Plan, erkennt jedoch, dass das Haus
und das Dorf seiner Erinnerung ohnehin bereits verloren sind.
Über dreißig Jahre nach seiner Uraufführung durch Wim Wenders 1982 bei den
Salzburger Festspielen inszenierte der französische Regisseur Stanislas Nordey
Über die Dörfer mit großem Erfolg als Eröffnungsinszenierung des Festival
d’Avignon im Juli 2013 im Cour d’Honneur.
»Mit scharf gemeißeltem Sprechtheater entlockt Stanislas Nordey
Handkes Text einen Hymnus auf jene, die man einst ›Volk‹ nannte: die
materiell Ausgebeuteten und theoretisch Ausgedeuteten, die mehr noch
als den spärlichen Besitz ihre Geheimnisse gegen die Obrigkeit der
Meinungs- und Verhaltensplünderer verteidigen. Der sozialrollenscheue
Geheimniskrämer Handke hat in Nordey einen neuen Interpreten
gefunden.« Joseph Hanimann, Süddeutsche Zeitung
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Foto: Donata Wenders
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PETER HANDKE
Aktuelle deutsch- und fremdsprachige
Eine Auswahl
Die schönen Tage von Aranjuez
Immer noch Sturm
Die linkshändige Frau
Kaspar
Ein Sommerdialog
Personen: Eine Frau, namenlos, ein Mann, namenlos: das
Paar schlechthin. Sie treffen sich, um über die Liebe zu reden, die erste Liebe, darüber, was Mann und Frau fühlen,
wenn sie miteinander sind. Sie reden darüber, wie man
über die Liebe redet. Und wer über die Liebe redet, der redet unweigerlich von der Natur, von der Geschichte – von
dem, was dem Leben Sinn verleiht. (1 D, 1 H)
Das Jaunfeld, im Süden Österreichs, in Kärnten: Dort versammeln sich um ein »Ich« (oder steht es eher am Rande?)
dessen Vorfahren: die Großeltern und deren Kinder, unter
ihnen die eigene Mutter. Sie erscheinen ihm, da sie ihn bis
in die Träume begleiten, in einer Vielzahl von Szenenfolgen, in denen sich die unterschiedlichsten Spiel- und Redeformen abwechseln – ein Panorama, das weit über alle
literarischen Genres hinausreicht und sie sich zugleich
anverwandelt. (Besetzung variabel)
Marianne, dreißig Jahre alt, und ihr achtjähriger Sohn
Stefan warten auf die Rückkehr Brunos, des Mannes und
Vaters, von einer mehrmonatigen Geschäftsreise. Als er
zurück ist, erzählt Bruno von seinem Allein- und Fremdsein in Finnland, von seiner Angst und der daraus resultierenden Verbundenheit mit Marianne und Stefan auf
Leben und Tod …
»Das Stück Kaspar zeigt nicht, wie ES WIRKLICH IST oder
WIRKLICH WAR mit Kaspar Hauser. Es zeigt, was MÖGLICH IST mit jemandem. Es zeigt, wie jemand durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann.« (Ein Redekaspar, mindestens 4 Einsager)
UA: 15. Mai 2012, Wiener Festwochen, Akademietheater
Regie: Luc Bondy
DEA: 9. März 2013, Berliner Ensemble
Regie: Philip Tiedemann
9. Mai 2013, Galanthys Teatro, Madrid
Regie: Joaquín Candeias
26. September 2013, Theater Die Pathologie, Bonn
Regie: Christoph Pfeiffer
18. Oktober 2013, Staatstheater Darmstadt
Regie: Martin Ratzinger
11. April 2014, Salzburger Landestheater
Regie: Michael Bleiziffer
UA: 12. August 2011, Salzburger Festspiele/Koproduktion
mit dem Thalia Theater Hamburg und dem
Burgtheater Wien
Regie: Dimiter Gotscheff
20. September 2012, Neue Bühne Villach
Regie: Bernd Liepold-Mosser
13. Juli 2013, Bayerisches Staatsschauspiel, München
Regie: Daniela Löffner
16. März 2013, Mainfranken Theater Würzburg
Regie: Bernarda Horres
11. Mai 2013, Slowenisches Nationaltheater, Ljubljana
Regie: Ivica Buljan
13. Februar 2014, Schauspielhaus Graz
Regie: Michael Simon
29. März 2014, Theater Osnabrück
Regie: Frank Abt
März 2015, Théâtre National de l’Odéon, Paris
Regie: Alain Françon
70 S. Klappenbroschur
€ 12,99 (978-3-518-42311-0)
165 S. Broschur. € 8,99
(978-3-518-46323-9)
102 S. Broschur. € 7,50
(978-3-518-39934-7)
7. Februar 2013, Théâtre du Rond-Point, Paris
Bühnenfassung und Regie: Christophe Perton
12. Dezember 2013, Hans-Otto-Theater Potsdam
Regie: Fabian Gerhardt
Die Stunde da wir nichts
voneinander wußten
Hauptakteur des Stücks ist ein Platz, der realen Charakter hat, zugleich aber ein beliebiger Platz irgendwo. Ein
Dutzend Akteure spielen Alltägliches, begegnen einander,
helfen sich gegenseitig, behindern sich, schließen sich zu
Gruppen zusammen und lösen sie wieder auf. (Besetzung
variabel)
64 S. Englische Broschur
€ 14,80 (978-3-518-40430-0)
73 S. Geb. € 14,–
(978-3-518-42321-9)
»Die Inspiration der Müdigkeit sagt weniger, was zu tun
ist, als was gelassen werden kann.«
Wunschloses Unglück
16. März 2013, Theater St. Gallen
Choreographie: Marco Santi
112 S. Broschur. € 8,–
(978-3-518-10322-7)
Müdigkeitsgesellschaft /
Versuch über die Müdigkeit
2. März 2013, Badisches Staatstheater Karlsruhe
Bühnenfassung und Regie: Stefan Otteni
5. Oktober 2012, Theater Konstanz
Regie: Martin Stiefermann
11. April 2014, Stadttheater Klagenfurt
Regie: Elisa Weiss
28. März 2013, Theater Lübeck
Regie: Katrin Lindner
20. September 2013, Staatstheater Mainz
Regie: Jan Philipp Gloger
29. Mai 2013, Vorarlberger Landestheater, Bregenz
Regie: Alexander Kubelka
17. April 2014, Theater Lübeck
Regie: Andreas Nathusius
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Inszenierungen.
»Unter der Rubrik Vermischtes stand in der Sonntagsausgabe der Kärntner Volkszeitung folgendes: ›In der Nacht
zum Samstag verübte eine 51jährige Hausfrau aus A. (Gemeinde G.) Selbstmord durch Einnehmen einer Überdosis
von Schlaftabletten.‹«
9. Februar 2014, Burgtheater Wien
Bühnenfassung und Regie: Katie Mitchell
96 S. Broschur. € 6,50
(978-3-518-39787-9)
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INGRID L AUSUND
Martin Heckmanns
Es wird einmal
Ein Vorsprechtermin im Theater. Nach Jahren der Abwesenheit hat der öffentlichkeitsscheue und legendäre Regisseur Obermann zum Vorspiel geladen. Es
erscheinen ein erfahrener Schauspieler, ein ambitionierter Performer und eine
junge Frau, um sich auf eine ihnen unbekannte Rolle in einem noch ungeschriebenen Stück zu bewerben. Als Obermann auch nach längerem Warten nicht
erscheint, vermuten die Bewerber, bereits unter Beobachtung zu stehen und
beweisen einander ihre Virtuosität. Sie entwickeln Strategien der Selbstdarstellung und des Miteinanders. Dann erscheinen im Namen Obermanns eine
dominante Regieassistentin und eine scheinbar ungeschickte Hospitantin und
verteilen Aufgaben und Rollen für ein modernes Welttheater. In improvisierten
Spielsituationen entwerfen die drei Bewerber gemeinsam ein mögliches Leben
in naher Zukunft. Prominente geben Ratschläge, Allegorien intervenieren mit
Auseinandersetzungen über Konkurrenz, Mitgefühl, Konsum und Sinn. Aus
anfänglicher Distanz wird Anziehung, aus Zurückhaltung entwickelt sich Verwandlungslust. Aus dem unübersichtlichen Vorsprechen wird ein leichtes Spiel
um Lebens- und Sterbekunst. Der Starregisseur bleibt fern bis zum Ende. Hat
es ihn je gegeben?
Es wird einmal ist eine Liebeserklärung an das Theater und ein komisches und
beziehungsreiches Manifest über die vielfach ungenutzten Möglichkeiten des
gegenwärtigen Bühnentreibens. (3 D, 2 H)
Uraufführung: 14. Dezember 2013, Schauspielhaus Bochum
Regie: Anselm Weber
»Ist nicht jedes Gespräch
ein Bewerbungsgespräch?« (aus: Es wird einmal)
Martin Heckmanns, geboren am
19. Oktober 1971 in Mönchengladbach, Studium der Komparatistik,
Geschichte und Philosophie. Mit
Schieß doch, Kaufhaus! wurde er in
der »Theater heute«-Kritikerumfrage
zum Nachwuchsautor des Jahres
2002 gewählt und gewann bei den
Mülheimer Theatertagen 2003 für
Schieß doch, Kaufhaus! und 2004
für Kränk den Publikumspreis. 2012
wurde ihm der Margarete-SchraderPreis für Literatur der Universität
Paderborn zugesprochen. Heckmanns lebt als freier Autor in Berlin.
Stücke – eine Auswahl
Schieß doch, Kaufhaus!
Frankfurter Fassung
5 Personen
UA: 9.5.2002, TiF/Staatsschauspiel
Dresden in Koproduktion mit
Theaterhaus Jena, Sophiensaele
Berlin und Thalia Theater Hamburg
Regie: Simone Blattner
Kränk
3 D, 2 H
UA: 11.3.2004, Schauspiel Frankfurt
Regie: Simone Blattner
Das wundervolle Zwischending
1 D, 2 H
UA: 10.2.2005, Niedersächsisches
Staatstheater Hannover
Regie: Charlotte Roos
Wörter und Körper
4 D, 7 H
UA: 10.2.2007
Staatstheater Stuttgart
Regie: Hasko Weber
Kommt ein Mann zur Welt
Mindestens 2 D, 3 H
UA: 24.3.2007
Düsseldorfer Schauspielhaus
Regie: Rafael Sanchez
Vater Mutter Geisterbahn
1 D, 2 H
UA: 6.5.2011
Staatsschauspiel Dresden
Regie: Christoph Frick
Einer und Eine
2 D, 2 H
UA: 15.11.2012
Nationaltheater Mannheim
Regie: Dominic Friedel
Neuinszenierung: 14.2.2014
Theater DER KELLER, Köln
Regie: Martin Schulze
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Foto: Andrej Glusgold
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INGRID L AUSUND
Wolfram Höll
Und dann
»Vier Plattenbauten / drei Verlierlinge / zwei Kinder / ein Vater«, so könnte das
Inventar aussehen dieses außergewöhnlichen Theatertextes. Es ist ein Rückblick auf eine Kindheit in einem ostdeutschen Neubaugebiet, der um Verlusterfahrungen kreist: den Verlust der Mutter, eines Landes, einer sozialen Rolle.
Hölls Sprache ist lyrisch, rhythmisiert, und in seinem Sprachfluss ist eine Erzählung eingebettet, die durch die Perspektive des kindlichen Erzählers gekennzeichnet ist. Der Junge versucht, Begriffe erfindend, die Phänomene seiner
Umgebung sprachlich zu fassen: das Funkgerät des Vaters, die Plattenbauten
und die Hausfassade gegenüber, an die der Vater Filme projiziert und die Erinnerung an die Mutter lebendig hält. Bis das ältere Kind eine Entscheidung trifft.
(Besetzung variabel)
Wolfram Höll wurde 1986 in Leipzig
geboren und lebt in Biel. Er studierte
Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut Biel und
Theater an der Hochschule der
Künste Bern. Nach Regiearbeiten am
Schlachthaus Theater Bern ist er als
Hörspielregisseur und -dramaturg
beim Schweizer Radio und Fernsehen tätig. Er erhielt mehrere
Auszeichnungen (Heidelberger
Stückemarkt, Stückemarkt des
Theatertreffens Berlin, Literaturpreis
Kanton Bern).
Uraufführung: 4. Oktober 2013, Schauspiel Leipzig
Regie: Claudia Bauer
Neuinszenierung: 24. Oktober 2013, Deutsches Nationaltheater Weimar
Regie: Nina Mattenklotz
»Der 1986 in Leipzig geborene Autor erzählt in poetisch dichten
Sequenzen von zwei Jungen, die mit ihrem Vater (…) in einem
Plattenbau aufwachsen. Die Verlorenheit der Geschwister in einer
sich nach dem Mauerfall abrupt wandelnden Welt wird ohne
Larmoyanz in surreal gebrochenen Wahrnehmungsfetzen und
Lautmalereien aus der Kinderperspektive geschildert.«
Irene Bazinger anlässlich der Uraufführung von ›Und dann‹, Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Foto: Patrick Savolainen
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Stephan Kaluza
Studie einer menschlichen
Figur im Raum
Episodenstück in vier Bildern
In dem neuen Stück von Stephan Kaluza öffnen sich
menschliche Abgründe und Wahnsysteme. Einerseits
konfrontiert er uns mit unbegreiflicher Gewalt, zu der
Menschen fähig sind, und zugleich geht es in den vier
Episoden um den Versuch des Verstehenwollens des abwegigen menschlichen Handelns und Denkens.
Episode 1 Baby / die Maschine
Etwas stimmt nicht. Kastner besucht Ritchi, er will mit
ihm reden über Vergangenes, Geschehnisse in der Vergangenheit. Aber warum diese Elektroden, die Kastner
auf Ritchis Unterarm befestigt hat? Beide kennen sich,
der Arzt und sein Patient, der Arzt, der vergeblich das
Böse in seinem Patienten vertreiben wollte, der den
Patienten in seine Familie aufnahm, damit der soziale
Bezug heilenden Einfluss auf die gestörte Psyche nehme. Stattdessen musste er erleben, dass das »absolut
Böse« nicht zu zähmen ist. Ritchi hat Anna und Jules,
Kastners Kinder, auf bestialische Weise umgebracht.
Nun hat sich Kastner unter falschem Namen Zugang zu
Ritchi verschafft. Wird er zu der Tat, seiner Rache fähig
sein, Falsches mit Falschem zu vergelten? (2 H)
Foto: Greg Gorman
Der junge, wissenschaftlich orientierte Psychologe Albers sucht, als vermeintlicher Journalist, das Vertrauen Braccos zu erlangen. Bracco, wir befinden uns in
einer geschlossenen Psychiatrie, ist ein offensichtlich
geisteskranker Mörder. Er hat eine Menschheits- und
Weltvernichtungsmaschine gebaut, der nur noch die
»Liebe« fehlt, damit sie funktioniert. Die Anstaltsleiterin Christmann gewährt trotz aller Vorbehalte Albers
den Zugang zu Bracco, ein letzter Versuch, ihn zu therapieren. Aber ihre Befürchtungen bewahrheiten sich.
Am Ende hat Bracco Albers so manipuliert, dass dieser
schuldig wird, indem er eine grauenhafte Tat begeht.
(1 D, 2 H)
Episode 2 Hotdog / Anna und Jules
Stephan Kaluza studierte Kunst und Kunstgeschichte.
Anschließend ergänzte er diese Studien an der Philosophischen Fakultät, Düsseldorf. Er lebt heute in Düsseldorf.
Der Autor ist sowohl im Bereich der Bildenden Kunst als
auch in der Literatur tätig. In seinen Bildstücken inszeniert
er Theaterstücke und Performances zu stillstehenden,
simultan erlebbaren Bildern; u.a. wurden diese Interpretationen des Narrativen im Zendai Museum of Modern Art,
Shanghai, im State Contemporary Museum of Art, Seoul,
im Museum of the Seam, Jerusalem, und im Künstlerhaus
Bethanien, Berlin, ausgestellt. Atlantic Zero wurde im
Mai 2010 am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt,
3 D im Oktober 2012 am Schauspiel Stuttgart.
26
Episode 3 / Studie einer menschlichen
Figur im Raum
Die wahre Geschichte: Am Vorabend der Eröffnung der
Ausstellung von Francis Bacon 1971 im Grand Palais in
Paris wird Bacons Geliebter im Hotelzimmer tot aufgefunden.
Das Stück: Frank ist ein berühmter Maler. Heute Abend
ist die Vernissage seiner Bilder in Paris. Die Stimmung
ist gelöst, voller vorfreudiger Erwartung im Hotelzimmer, in dem er mit seinem Geliebten George wohnt. Es
ist ein ungleiches Paar. Frank ist der Erfolgreiche, der
Aktive, ein ruheloser Leistungsmensch. Er sorgt für das
Geld, die Mittel. Die treibende Kraft für seine künstlerische Kreativität ist der Erfolg, der Ruhm, schließlich
die Unsterblichkeit, und dafür scheinen ihm alle Mittel
recht. George dagegen, sein drogenabhängiger Geliebter, ist der passive, abhängige Teil dieser Beziehung.
Seine ganze Existenz scheint an Frank gebunden, seine
Selbstbehauptung gründet einzig in dem Motiv, das er
für den Künstler in dessen Bildern ist.
Was so gelöst an diesem Abend beginnt, entwickelt sich
bald zu einem existentiellen Schlagabtausch, zu eben
den traumatischen, lebensbedrohenden Szenen, die
wir von den Bildern des Malers kennen und die zu der
Frage führen, ob der Tod notwendiger Preis für ewigen
Ruhm ist. (2 H)
Episode 4 / Übermensch
Rösler hat Jacco. Nitsch will ihm Jacco abkaufen. Jacco ist der Beste, ein Hit, ein Kampfhund. »Mann, der
kann’s, das Killen, klar, aber er soll’s ja nicht, das ist es
doch. Wissen Sie, was der Kerl kann? In ein drei Sätzen
ist er dem andren Viech an der Kehle, der sagt noch einmal Mäh und weg ist der.« Nitsch aber hat ganz andere
Absichten mit dem Kampfhund. Er soll, losgelassen, die
Stadt in Angst und Schrecken versetzen, um dann von
Nitsch erlegt zu werden, und die Heldentat ist ihm einiges wert. Nie und nimmer würde Rösler seinen Hund
dafür hergeben, aber »140 Mille« sind schon ein Argument. In dieser bösen Komödie gibt es dann aber doch
eine ganz andere Lösung. (2 H)
Stücke
3D
1 D, 1 H
UA: 26.10.2012, Schauspiel
Stuttgart
Regie: Stephan Kimmig
Atlantic Zero
4H
UA: 5.5.2010, Düsseldorfer
Schauspielhaus
Regie: Christian Doll
Sand
2 D, 6 H
Frei zur UA
Weil ich es kann
1D
Frei zur UA
27
STEPHAN KALUZA
Der absolute Zustand
Stephan Kaluza im Gespräch
Manfred Ortmann: In Ihrem ersten Theaterstück ›Atlantic
Zero‹ geht es um die Entführung von Milliardären zum Zwecke der Lösegelderpressung, wobei der wahre Coup ist, was
mit den erpressten Geldern geschehen wird. Wird hier nicht
eine kriminelle Tat durch ein moralisch legitimes Anliegen
gerechtfertigt oder habe ich da etwas übersehen?
Stephan Kaluza: Die Handlung und somit auch die Entführung stellt den Rahmen her, eine fixe Situation, in der
man Farbe bekennen muss und z.B. nicht sagen kann:
»Wir klären das später«; so ist der Rahmen das abgesteckte Feld, die Bühne, für den eigentlichen Sinn des Stückes,
den Disput zweier Antipoden, Ronaldo und Meisner, über
sehr unterschiedliche soziale und soziologische Grundauffassungen. Wenn zum Beispiel Ronaldo sagt: »Ihre Macht
ist nur eine, weil andere machtlos sind«, und Meisner lapidar damit kontert, dass das eben die Ordnung darstelle
und vorherige nicht zwangsläufig besser gewesen wären.
Die Legitimation besteht darin, dass diese Entwürfe sich
quasi klaustrophobisch gegenüberstehen. Entkommen
unmöglich!
In dem Stück ›3 D‹ begegnen sich nach 20 Jahren – ja, wer
sich dort wirklich begegnet, darf ich nicht preisgeben, um
den thrillerartigen Schluss nicht zu gefährden. Lassen Sie
mich also direkt nach dem Thema fragen: Ist ›3 D‹ ein Stück
über Kindesmissbrauch oder geht es doch eher um eine
Verschiebung der Realität, das Verdrängen, oder geht es um
etwas ganz anderes?
In 3 D geht es um die Sackgasse der Psychologie; für Albert ist der dritte Raum ein Ort, an dem es vor der Wahrheit kein Entrinnen mehr gibt; diese steht ihm in Form
seiner totgeglaubten Tochter sehr physisch vor Augen, da
hilft auch kein Verdrängen mehr. Einerseits bedient das
Stück eine Analyse dessen, was Täter und Opfer in solchen Fällen ausmacht und skurrilerweise auch verbindet,
andererseits war mir die sprachliche, dialogische Konstruktion dieser »Sackgasse« wichtig. In 3 D geht es um
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die Wahrheit, und wirklich um nichts als die Wahrheit ...
Sprechen wir über Ihr Stück ›Sand‹. Auch in der Zukunft, in
der man sich daran gewöhnt hat, dass beinahe alles »Erleben« virtuell ist, gibt es noch Wirtschaftstycoons, die machtbewusst und sehr real Wirklichkeit manipulieren. Und
dann passiert Unvorhergesehenes, das nicht sein kann,
weil es nicht sein darf, weil es das System gefährdet: Zwei
Menschen verlieben sich ineinander, Romeo und Julia im
dritten Jahrtausend. Richtig, Herr Kaluza?
Ja. Diese Klassiker, wie u.a. Romeo und Julia, sind ja deshalb Klassiker, weil sie anerkannte Axiome sind; solange
es Menschen gibt, wird es auch diese geben, selbst in
einer dystopischen Welt, die wir heute als sehr anders
oder auch »seelenlos« empfinden würden. Und das rein
virtuell Erlebte basiert ebenso auf postmodernen Mechanismen; die virtuelle Welt ist nicht zwangsläufig kreativer
und erfindungsreicher als die sogenannte Realwelt, ihr
Zugang ist nur individueller ... und einsamer.
In Ihrem Stück ›Weil ich es kann‹ erwartet das Theatertier,
die Operndiva, auf der Probebühne den Intendanten, der
aber nicht kommt; wir erleben eine hadernde Primadonna und ihren Seelenstriptease. Sie haben gerade von anerkannten Axiomen, was klassische Themen angeht, gesprochen. Was aber geht uns der tragische Seelenstriptease
einer Künstlerin an?
Da würde ich Sie gerne überzeugen, dass uns besonders
ein Seelenstriptease einer Künstlerin, oder besser: der
Kunstschaffenden allgemein, etwas angeht. Wenn nämlich Erwartungen und Hoffnungen nicht erfüllt werden
und nur noch ein trotziges »Weil ich es (aber) kann« gilt.
Wenn ein(e) Künstler(in) nicht er/sie selbst sein darf, ist
das ein Verenden auf Raten ... umso schlimmer, wenn das
in der Abhängigkeit solcher geschieht, die das nicht einmal wissen. Siehe Tucholsky: »... lass die Dummheit der
Leute den Künstler nicht entgelten.«
Dies sind vier Theaterstücke, ich weiß, dass es weitere
Stücke gibt, an denen Sie arbeiten. Ich finde, dass sowohl
die Themen wie auch die Formen, was die dramaturgische
wie die sprachliche Behandlung angeht, in jedem Stück unterschiedlich, anders sind. Gibt es dennoch etwas Verbindendes, also so etwas wie ein »Generalinteresse«? Ihr erstes
Stück ›Atlantic Zero‹ hat mich auch deshalb so beeindruckt,
weil ich es als ein absolut politisches Stück gelesen habe.
Und, lassen Sie mich ergänzen, dass alle folgenden Stücke
derart radikal Themen besetzt haben, dass es einem, ja,
den Atem nimmt und das gerade, weil Sie Menschen zeigen,
die eben bis in ihre Abgründe hinein ernst genommen werden. So dass man sich fragt, was leitete Ihr Interesse, die
Menschen oder die Themen?
Das Generalinteresse besteht sicher in der Lust, Situationen zu schaffen, die ungewohnte Zusammenhänge fördern, solche, die sich im freien Fall des psychologisch
Absurden bewegen (»Nur das Bodenlose ist tief genug.«).
Zum Beispiel in dem neuen Stück Studie einer menschlichen Figur im Raum der Psychiater, der den Ziehsohn und
Mörder seiner Familie immer noch liebt; ein Mann, der
pekuniär alles besitzt, nur noch nicht die Eitelkeit und
Macht, einen Hund erschossen zu haben; eine Weltvernichtungsmaschine aus Sperrmüll etc. … Solche und ähnliche Situationen bewegen sich am Rand des Surrealen,
wollen aber doch mit dem Hier und Jetzt verkettet bleiben; es sind sozusagen Fallbeispiele für eine bestimmte
Erkenntnis oder eine bestimmte Aussage. In der Person
Braccos wird z.B. deutlich, dass Glaube eine persönliche
Realität entstehen lassen kann. Vielleicht ist das eine Variante des Fanatismus, der mich hier besonders interessiert hat.
Ein weiteres Grundinteresse gilt den »absoluten Zuständen«, solchen, in denen die Gewalt, oder besser: die Androhung von Gewalt, eine ganz eigene Rolle spielt. Eine
Gewalt in der Theorie, sprich in Stücken oder in der Belletristik, ist immer eine »Sprache der Gewalt«, sie findet
verbal und in der Vorstellung statt und sie versetzt die
Protagonisten in diesen »absoluten Zustand«; zeichnet
sich das mögliche Ende der eigenen Existenz ab, bekommt
jedes Wort ein Tonnengewicht, wird zum Richter über Details, die entscheidend sein können – deshalb ist Gewalt
Sprache ... und auch hier, eine Sackgasse der Wahrheit.
Sie sind als Bildender Künstler mit Ihren Bildern international erfolgreich – gerade erscheint Ihr erster Roman –,
sind mit der Oper und dem Film vielfach vernetzt. Erst später, wenn ich richtig informiert bin, haben Sie angefangen,
für das Theater zu schreiben. Wie kam es dazu?
Nein, nicht wirklich später, ich habe nur anfangs die
Texte im Rahmen der Bildenden Kunst umgesetzt, die
Arbeiten hießen allgemein »Bildstücke«, eigene Inszenierungen, die als Abfolge, also montierte Bildserien,
ausgestellt wurden. Zeitgleich hat sich der Text zu diesen Bildstücken »verselbstständigt«, bis ich dann später
ganz auf die Bildmontagen verzichtet habe.
Kann man vermuten, dass Ihre Erfahrungen mit anderen
Künsten Eingang finden in Ihre Stücke, oder ist das ganz
zu trennen?
Generell ist das Bild der Szene verwandt, man hat das
ja auch so vor Augen; manche Situationen können sehr
bildhaft oder auch filmisch ausfallen (wenn ich u.a. an
das herabregnende Geld in Atlantic Zero denke). Und vor
allen Dingen meine ich eines: Das Medium sollte doch
der Idee folgen und nicht umgekehrt. Es liegt ja im Charakter der Idee selbst begründet, in welche Fakultät sie
gehört, es gibt ausschließliche Bild-Ideen, Theater-Ideen
und ebenso Film-Ideen. Die Umsetzung folgt also der Art
einer Idee, von daher glaube ich, dass diese »Grenzen«
immer osmotische sind ... und sich im besten Fall auch
gegenseitig befruchten können.
Wie erleben Sie die Inszenierungen Ihrer Stücke, gehen Erfahrungen damit in Ihre nächsten Stücke ein?
Bei einer Inszenierung sieht man ja, was besonders
gut klappt oder eben auch nicht. 3 D, in der Umsetzung
von Stephan Kimmig, hat mir noch einmal bewusst gemacht, dass dies meiner Auffassung von Theaterstücken
am nächsten kommt: spartanisch ausgestattet, die Psychologie der Personen steht im Vordergrund ... und der
Zuschauer fiebert mit. Und das nicht über ausgedehnte
Handlungen, sondern eben über das Aufeinanderprallen
zweier oder mehrerer Psychen.
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INGRID L AUSUND
Jörn Klare
Du sollst den Wald
nicht vor dem
Hasen loben
Jörn Klare, geboren 1965, schreibt
Reportagen und Features, unter
anderem für den Deutschlandfunk
und Die Zeit. Für seine Arbeit erhielt
er verschiedene Preise und Auszeichnungen. Der Dokumentarfilm
Was bin ich wert? zu seinem viel diskutierten, gleichnamigen Sachbuch
(Suhrkamp, 2011) kommt im Herbst
2014 ins Kino.
Erst verlegte sie ihre Brille, dann vergaß sie ein paar PIN-Nummern, schließlich
fand sich Jörn Klares Mutter in ihrem eigenen Haus nicht mehr zurecht. Die
Diagnose hieß Demenz. Aus der Konfrontation mit den Veränderungen im
Leben seiner Mutter entstand das Sachbuch Als meine Mutter ihre Küche nicht
mehr fand – Vom Wert des Lebens mit Demenz (Suhrkamp, 2012) und ein Theaterstück für zwei Frauen: Mutter und Tochter.
Mit einem alten Tonbandgerät und Aufnahmen, die zwanzig Jahre früher entstanden, konfrontiert die Tochter ihre 75-jährige Mutter. Ging es ursprünglich
darum, das Leben der Mutter, das durch den Zweiten Weltkrieg geprägt war, zu
dokumentieren, so dienen die Aufnahmen jetzt als Mittel, dem Gedächtnis der
alten Frau auf die Sprünge zu helfen. Denn wer ihr Vater ist, weiß die Tochter
bis heute nicht.
Du sollst den Wald nicht vor dem Hasen loben ist eine zarte, berührende und mitunter überaus komische Auseinandersetzung mit einer Lebensphase, in der Erinnerungen ihre Bedeutung verlieren und die unser Bewusstsein für Vernunft,
Logik und Sprache radikal in Frage stellt. (2 D)
Uraufführung des Stückes in Verhandlung
Tochter: Ich bin deine Tochter.
Mutter: Ach, das ist ja nett. Und wer bin ich dann?
Tochter: Meine Mutter.
Mutter: Und wer bin ich für mich?
Tochter: Das weiß ich nicht.
Mutter: Man muss ja nicht alles wissen.
(aus: Du sollst den Wald nicht vor dem Hasen loben)
30
Foto: Joachim Zimmermann
250 Seiten. Geb. € 17,95
(978-3-518-46401-4)
31
INGRID L AUSUND
Konstantin Küspert
mensch maschine
Diese Wissenschaftler gehen über Leichen. Jupiter, Ernö und Pasar dringen in
ein Haus ein, entführen einen Mann, ER, und separieren, in einem provisorischen OP-Saal, sein Gehirn. Angeschlossen an eine Maschine, wird ER weiterleben, und seine Umwelt wird fortan durch Computer generiert.
mensch maschine erzählt von den Machenschaften dreier egomanischer Wissenschaftler, die den Menschen in Zahlen, Fakten und abstrakte Fachbegriffe
zerlegen. Küsperts Stück ist zu komisch und zynisch, um als Thriller durchzugehen. (3 H, 2 D, Besetzung variabel)
Konstantin Küspert, Autor und
Dramaturg, wurde 1982 in Regensburg geboren. Seit dem Studium der
Germanistik, Philosophie, Politikwissenschaft und Theaterwissenschaft
in Regensburg und Wien zahlreiche
Theaterprojekte mit Claudia Bosse
und Produktionen u.a. am Germanistentheater an der Uni Regensburg,
am Staatstheater Karlsruhe und
am HAU Berlin. Küspert studierte an
der Berliner Universität der Künste
Szenisches Schreiben.
Uraufführung: 22. September 2013, Theater Regensburg
Regie: Sahar Amini
»Was sich nun entspinnt, ist ein handfester Bewusstseins-Krimi mit feiner
philosophischer Unterfütterung. (…) Küspert erzählt sein – im wahrsten Sinne
des Wortes – Gedankenexperiment mit Tempo, direkter Prosa und großer
Lockerheit.« Christian Rakow, nachtkritik
»Wissenschaftliche Erfahrungen der Hirnforschung und die damit verbundenen philosophischen Fragen wie auch die Frage nach der wissenschaftlichen
Ethik sind Auslöser für eine Handlung, die mit starken crime-Elementen
arbeitet, also einer Spannungsdramaturgie, zumal Küspert seine Themen objektiv vorführt und es den Zuschauern überlässt, dazu Stellung zu beziehen.«
Manfred Jahnke, Die Deutsche Bühne
»Konstantin Küspert vereint in seinem Stück
Science-Fiction, Wissenschaftskrimi und Komödie.«
Britta Schönhütl, Süddeutsche Zeitung
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Foto: Susanne Schleyer
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Thomas Kyd
Hieronimo
Eine spanische Tragödie I Originaltitel: The Spanish Tragedie: or: Hieronimo is mad againe
Aus dem Englischen von Oliver Schmaering
Am Anfang schließen zwei Untote einen Pakt: der Geist
des ermordeten spanischen Offiziers Andrea – und die
Rache. Andreas Mörder soll zur Verantwortung gezogen werden. Kyds blutiges Schauspiel lässt die beiden
jenseitigen Verschwörer das blutige Geschehen bis
zum bitteren Ende als Chor begleiten.
Alles beginnt und endet im Krieg: Das spanische Heer
hat die portugiesischen Streitkräfte besiegt. Es folgt
ein offizieller Friedensschluss, doch der Krieg setzt
sich in Köpfen und Leibern fort. Balthasar, der Mörder
Andreas, befindet sich mittlerweile in privilegierter
spanischer Gefangenschaft und verliebt sich ausgerechnet in die schöne Spanierin Bel-Imperia, die mit
Andrea verbunden war. Diese Verbindung wäre auch
von der Politik gewünscht. Doch Bel-Imperia entzieht
sich Balthasars Werben. Sie will ihn demütigen und
findet in Horatio einen neuen Liebhaber. Als Balthasar
den Rivalen Horatio ums Leben bringen lässt, kommt
Horatios Vater Hieronimo ins Spiel. Nach und nach erfährt er von den Hintergründen der Morde an Andrea
und seinem Sohn. Sein Eingreifen setzt eine Kette von
Bluttaten in Gang. Unwissentlich wird er zum Vollstrecker eines gespenstischen Racheplans, und erst nachdem alle Beteiligten ihr Leben verloren haben, gibt sich
die Rache zufrieden.
Ein Stück über den Krieg in den Köpfen, der keinen
Frieden kennt. Ein Stück über den ewigen Konflikt zwi-
schen Recht und Gerechtigkeit. Über politisches Machtkalkül und individuellen Widerstand. Über Selbstjustiz, die ihr Recht einfordert, sobald ein Staat versagt.
Der Dramatiker Oliver Schmaering legt mit seiner kongenialen Übertragung dieses seit elisabethanischen
Zeiten im anglo-amerikanischen Sprachraum vielgespielten, hierzulande aber weitgehend unbekannten
Schauspielklassikers die einzige momentan verfügbare deutsche Übersetzung vor. Thomas Kyds The Spanish Tragedie ist Urbild aller Rachetragödien, diente
u.a. Shakespeares Hamlet als Vorlage und harrt seiner
Entdeckung auf deutschsprachigen Bühnen. (2 D, 18
H, Nebenfiguren, Mehrfachbesetzungen möglich)
Frei zur Erstaufführung der Übersetzung
Die Titelseite von 1615
(aus: Akt II, Szene 5)
Thomas Kyd (1558–1594) gilt neben Shakespeare,
Jonson und Marlowe als bedeutendster elisabethanischer
Dramatiker. The Spanish Tragedie: or: Hieronimo is mad
againe ist das einzige überlieferte und ihm als Autor
gesichert zuschreibbare Drama. Das Stück gehört im
englischen Sprachraum zum Klassikerrepertoire.
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Hieronimo
Hausen Bestien in diesem rohen Land
Wesen, denen nachts Blutskarneval ist
Denen auf Maß die Menschenmaske sitzt
Fledderer mit Hyänenseelen sinds
Die meinem Schatten nur eine Leiche
Zur Seite ließen und Tränen – wozu?
Ein Schlager seiner Zeit
Oliver Schmaering über seine Nachdichtung
von Kyds Stück
Thomas Kyds Hieronimo war eines der einflussreichsten Stücke des Elisabethanischen Theaters. Es gilt als
sicher, dass Shakespeare es mehrfach sah und vielfach
zitierte. Hamlet kann als genialer Reflex, als ein meisterhaftes Remake verstanden werden. Im anglophonen
Sprachraum ist Kyds Hieronimo so selbstverständlich
Teil des literarischen Kanons, wie es Shakespeares
Werk ist. In der Regel wird der Text dort unter dem
Titel The Spanish Tragedy behandelt.
Die im Text weit leuchtende Selbstreferenzialität der
prä-Brechtschen Zeigegeste auf das Drama als Drama
ermahnt zur Strenge der Gestalt des Bedeuteten, zu einer möglichst formgenauen Abbildung des Kydschen
Textes, um im Gegenzug binnensprachlich die Freiheiten zu gewinnen, die dem Sinn nach mehr zu greifen
vermögen als nur das schiere Wort. (…) In der Spiel-imSpiel-Anlage des Textes ist der Grundtopos einer Zirkularität klar erkennbar, die Akteure agieren nicht nur,
sie treten als Beobachter von Aktionen und darüber hinaus auch als Beobachter ihres eigenen Beobachtens
in Erscheinung. Für jene Selbstbezüglichkeit mussten
Form und Sprache bestimmt werden.
Ein Stück über den Krieg in den Köpfen, der keinen
Frieden kennt. Ein Stück über den ewigen Konflikt
zwischen Recht und Gerechtigkeit. Über politisches
Machtkalkül und individuellen Widerstand.
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THOMAS KYD – HIERONIMO
Kyd gibt im Hieronimo in der Regel dem zehnsilbigen, männlichen Blankvers den Vorzug. Die Entschiedenheit in der Silbigkeit wirkt als Dominante der
Textgestalt, dies spiegelt sich entsprechend in der
Übersetzung; im sprachlichen Konfliktfall musste die
Regelmäßigkeit der Hebungen zurückstehen. Ein freierer Umgang mit der Proportion des Verses verbot sich
nicht nur aus genannten Gründen. Wäre es dem Text
möglich, sich in der Übertragung mäandernd und breit
des Blattes zu bemächtigen, verlöre er seinen immanenten Hinweis auf das anzuschlagende Tempo.
Die Sprechgeschwindigkeit in der Aufführungspraxis des Elisabethanischen Theaters kann anhand der
gut bekannten Aufführungszeiten und der ohnehin
bekannten Textlängen bestens rekonstruiert werden.
Thomas Larque beispielsweise verweist auf jene als
gesichert geltenden Erkenntnisse, nach denen Elisabethanische Schauspieler viel schneller sprachen, als
es heute auf Bühnen üblich oder auch nur vorstellbar
ist, ohne Pausen und Phrasierungen für die Unterstreichung bestimmter Sprechinhalte. Angaben zeitgenössischer Quellen legen nahe, dass es sich bei dem hohen
Sprechtempo des damaligen Theaters um eine Art von
Notwehr gegenüber einem ungeduldigen Publikum gehandelt habe, das sich im Zweifel auch laut mit dem
Nachbarn unterhielt. Nur lautes und ununterbroche-
Oliver Schmaering, 1968 in Berlin
geboren. Studium der Film- und Fernsehdramaturgie an der HFF »Konrad Wolf« in
Babelsberg. Seit 2001 arbeitet er als freier
Autor. Stücke, Übersetzungen, RadioFeatures und Hörspiele.
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nes Sprechen, verbunden mit körperlicher Präsenz
(»... stalking stamping player, that will raise a tempest
with his tongue, and thunder with his heels ...«), konnten hier helfen.
Die Übersetzung sucht Historizismen in der Wortgestalt ebenso zu meiden wie eine Heutigkeit der Sprache. Angestrebt wurde Zeitlosigkeit, wobei nicht die
Vorstellung bestand, der übertragene Text könne seiner
Zeit gänzlich enthoben sein, vielmehr möge er weder
explizit auf seine noch auf eine bestimmte andere Zeit
verweisen. Semantische und syntaktische Aus- und
Umbrüche sind wesentlich nur als Mittel zur Abbildung
des vielfarbigen Changierens der Kydschen Sprache genutzt. Die Vielgestalt des Textes schließt gar Lateinpassagen ein, die (ebenso wie die Präsenz von Geistern)
dem Vorbild Senecas zuzuschreiben sind.
Im Jahr 1602, genau eine Dekade nach dem Erstabdruck, wurden dem Text fünf Additions hinzugefügt.
Andrew Gurr weist auf einen Eintrag vom September
1601 im Tagebuch des Theaterdirektors Philip Henslowe
hin, er verzeichnet eine Zahlung von zwei Pfund an Ben
Jonson und setzt hinzu, das Geld sei für »... writtinge of
his adicians in geronymo ...« geflossen. Im Juni 1602 gehen erneut zehn Pfund an Jonson »... for new adicyons
for Jeronymo ...«. Nicht alle, aber die weitaus meisten
Forscher sehen dementsprechend Ben Jonson als Autor
der Additions. Gurr geht, einem Hinweis auf ein Wit’s
Triumvirate betiteltes Manuskript folgend (»... What
so lowd and acting as if Burbedge’s soule had newly
reviv’d Hamlett & Jeronimo againe ...«), davon aus, dass
der damals wohl berühmteste Schauspieler Richard
Burbage nicht nur die Rolle des Hamlet, sondern auch
die des »älteren Zwillings« Hieronimo spielte.
Das Stück war ein Schlager seiner Zeit, nicht nur in
England. Es wurde schon 1601
in Frankfurt am Main und 1626
in Dresden aufgeführt. Dann verschwand es von den hiesigen Spielplänen. In England selbst stand
das Stück bis zum Ende des Jakobinischen Zeitalters in vielfacher
Gunst, wie eine von Gurr erwähnte Überlegung George Bucks, des
damaligen Master of the Revels
am Hof (»... The Spanish Tragedy
might make a good pairing with
Hamlet«), aus dem Jahr 1619 oder
1620 belegt. Im Jahr 1997 wurde
in Stratford upon Avon erneut die
naheliegende Idee nun von der
Royal Shakespeare Company aufgegriffen. Shakespeares Hamlet und
Kyds Hieronimo wurden parallel produziert und der
heute viel berühmtere »jüngere Zwilling« Hamlet auf
großer Bühne gezeigt, während Hieronimo mit dem
kleineren Swan Theatre vorliebnahm.
Thomas Kyds Hieronimo gilt als Modell für alle darauf
folgenden Revenge Plays, nachfolgende Dramatiker
und viele Stücke verdanken diesem Text mehr, als gemeinhin bekannt sein dürfte.
Eine Einladung zur Entdeckung eines
großen Elisabethanischen Klassikers
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Cesare Lievi
Machtspiele. Eine Soap Opera
Über Macht, Politik und
das Spiel mit dem Fächer
Originaltitel: Soap Opera I Deutsch von Peter Iden
Fragen an Cesare Lievi
An der Spitze kann es einsam sein. Und wird es einsam
bleiben. Aber die namenlos bleibende Signora in Cesare
Lievis neuem Stück ist bereit, auch diesen Preis zu zahlen. Vom Präsidentenamt, der Spitze des Staates, ist sie
nur noch einen kleinen Schritt entfernt. Der Sieg in der
bevorstehenden Wahl scheint ihr sicher, aber dem Zufall überlassen will sie dennoch nichts. Voller Unruhe
spürt sie in einer schlaflosen Nacht ihrer Wirkung auf
die Massen nach, überprüft ihre Reize, posiert vor dem
Spiegel. Das Volk will verführt werden! Und im Verführen hat sie über die Jahre hinweg beachtliches Talent
erlangt. Nicht nur den verstorbenen Präsidenten konnte
sie für sich gewinnen. Natürlich gab es auf ihrem Weg
auch schmerzhafte Erfahrungen. Die haben sie aber
nur abgehärtet für das, was kommt. Denn: Politik ist ein
Geschäft, Liebe ein Spiel und Macht ist das größte Vergnügen. Sie ist bereit, ihren Platz in einer von Männern
dominierten Welt einzunehmen.
Cesare Lievis Stück führt direkt hinein ins Vorzimmer
der Macht. Es ist die ungeschönte Lebensbeichte einer
Frau, die die Regeln der Männer zu ihren eigenen gemacht hat. Virtuos führt es vor, wie politische Ziele
hinter der Inszenierung und Ästhetisierung von Politik
und Politikern verschwinden, und zeigt, wie Gefühle
und zwischenmenschliche Beziehungen dem Spiel um
die Macht unterworfen werden. (2 D)
Frei zur Uraufführung
»Das schmeichelhafte Vergnügen, so heimtückisch wie
unwiderstehlich, oben zu sein, die Fäden unzählbarer
menschlicher Schicksale in Händen zu halten, sie zu verstricken,
zu verknoten, sie heillos zu verwirren – und sie wieder zu lösen,
ganz nach deinem Belieben.« Cesare Lievi, ›Machtspiele. Eine Soap Opera‹
Cesare Lievi: Natürlich kann man an Politikerinnen wie
die Präsidentin von Argentinien, Cristina Fernández de
Kirchner, oder auch die deutsche Kanzlerin, Angela
Merkel, denken. Mir geht es aber um etwas anderes,
nämlich um die Inszenierung von Politik, von Macht.
Wie stilisiert, inszeniert und kontrolliert sich jemand,
um glaubhaft einen Politiker darzustellen, als eine von
vielen Rollen, die man im Leben spielen kann. So etwas
kann man aber auch bei Politikern wie Berlusconi oder
Schröder – gerade zu Beginn seiner Kanzlerschaft – beobachten. Und grundsätzlich bei jedem, der mehr auf
seine Wirkung nach außen achtet und dabei vergisst,
dass es auch um Inhalte geht.
Heißt das, dass die Signora in Ihrem Stück an dem politischen Amt, das sie anstrebt, gar nicht interessiert ist?
Foto: Maurizio Buscarino
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Cesare Lievi wurde 1952 in Gargnano am Gardasee
geboren. Der Regisseur und Autor promovierte in
Philosophie mit einer Arbeit über »Trotzki und den
Surrealismus«. Er gilt als einer der großen Poeten des
Theaters. Erste Erfolge feierte er durch seine Schauspielinszenierungen (u.a. am Schauspiel Frankfurt, an
der Schaubühne Berlin, dem Burgtheater Wien oder
dem Thalia Theater Hamburg), bevor die Oper zu seiner
zweiten Heimat wurde. So inszenierte er u.a. an der
Metropolitan Opera New York und regelmäßig an der
Mailänder Scala und der Oper Zürich. Mit seinen Stücken Fotografie eines Raums und Fremde im Haus war
er zu Gast bei der Theaterbiennale »Neue Stücke aus
Europa«. 2010/11 wurde er zum Leiter des Schauspiels
am Teatro Nuovo Giovanni da Udine berufen.
Michael Sauter: Gibt es ein Vorbild unter den aktuellen
Politikerinnen für die namenlos bleibende Signora in
Ihrem Stück, die das Präsidentenamt anstrebt?
Was sie interessiert, ist ihre Wirkung nach außen. Mit
dieser will sie ihr Ziel erreichen, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Das würde ihr Selbstbestätigung
und, das Wichtigste, Macht geben. Sie will das Gefühl
haben, bestimmen zu können, ihren Willen durchzusetzen. Auch, um sich über die Welt der Männer zu erheben. Männer betrachtet sie als Gegner oder Konkurren-
ten. Sie hat sie in ihrem Leben nie als Partner erlebt.
Wir begegnen der Signora als Kind, als junge Frau und
als Erwachsene kurz vor der entscheidenden Wahl. Unterschiedliche Lebensalter, unterschiedliche Zeiten prallen
also aufeinander, die im Stück zusammengeführt und
verdichtet werden. Wichtiges Accessoire für die Selbstinszenierung der Signora ist ein Fächer, ihr Gesprächspartner ist ihre Amme. Das wirkt etwas anachronistisch,
hat geradezu märchenhafte, opernhafte Züge …
Genau das ist auch beabsichtigt. Es handelt sich hier
ja nicht um ein psychologisch-realistisches Stück, sondern eher um eine Groteske, eine Farce. Die verschiedenen Zeiten, die zusammenkommen, die leicht unheimliche Amme, die sich nicht so recht zuordnen lässt …
Das hat natürlich auch etwas Surreales, etwas aus der
Realität Herausgefallenes.
Wie würden Sie dann die Beziehung zwischen der Amme
und der Signora beschreiben?
Sie sind aneinander gebunden, brauchen einander. Sie
schätzen und hassen sich zugleich. Jeder weiß alles
vom anderen. Und somit hat jeder, vielleicht auf unterschiedliche Weise, Macht über den anderen. Und mit
dieser Macht spielen sie, jeden Tag, an dem sie mehr
oder weniger dasselbe Gespräch führen.
Stücke – eine Auswahl
Fotografie eines Raums
Originaltitel: Fotografia di una
stanza
Deutsch von Peter Iden
1 D, 2 H
UA: 25.1.2005, Teatro Brescia
Regie: Cesare Lievi
Fremde im Haus
Originaltitel: La Badante
Deutsch von Annette Hunscha
de Cordero und Peter Iden
3 D, 2 H
UA: 22.9.2007, Staatstheater
Wiesbaden
Regie: Cesare Lievi
Die Sommergeschwister
Originaltitel: Fratelli d’Estate
Ein Stück
Deutsch von Peter Iden
4 D, 4 H
UA: 25.4.1992, Schaubühne Berlin
Regie: Cesare Lievi
Zweierlei Zeit
Originaltitel: Festa d’Anime
Deutsch von Annette Hunscha
de Cordero und Peter Iden
9 D, 6 H
UA: 18.9.1999, Schauspiel Bonn
Regie: Cesare Lievi
Himmel
Originaltitel: Cielo
Deutsch von Annette Hunscha
de Cordero
2 D, 2 H
Frei zur Uraufführung
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INGRID L AUSUND
Friederike Mayröcker
Requiem für
Ernst Jandl
Musik von Lesch Schmidt
Ein halbes Jahrhundert gemeinsamen Lebens, und das hieß ganz selbstverständlich auch gemeinsamer literarischer Arbeit, verband und verbindet Friederike Mayröcker und Ernst Jandl. Unmittelbar nach dem Tod des Gefährten im
Frühsommer des Jahres 2000 hat Friederike Mayröcker den Schmerz des Verlustes in einer stillen und zugleich leidenschaftlichen Todesklage zu bewältigen
versucht, die zu einem Gesang von berückender Intensität wird.
Friederike Mayröcker hat diesen Text für Lesch Schmidt eingelesen. Der Komponist hat dem Vortrag der Dichterin eine ganz eigene musikalische und theatrale Ebene hinzugefügt. Mit Versatzstücken von Jazzrock bis Neuer Musik setzt
er überraschende Kontrapunkte zum berührenden Vortrag der Dichterin und
schafft so eine spielerisch-leichte, ganz unsentimentale musikalische Ausweitung des Requiems. Ein unkonventionelles Angebot für die kleine musikalische
Besetzung und eine Sing-/Sprechstimme.
Friederike Mayröcker wurde am
20. Dezember 1924 in Wien geboren.
Seit 1956 veröffentlicht sie Gedichte,
Prosa, Hörspiele und Kinderbücher.
Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche
Preise, u.a. den Georg-Büchner-Preis
(2001), den Hermann-Lenz-Preis
(2009), den Peter-Huchel-Preis (2010)
und den Bremer Literaturpreis (2011).
Lesch Schmidt wurde 1957 in
Gießen geboren und studierte Medizin, Klavier und Tonsatz. Seit den
80er Jahren komponierte er zahlreiche Bühnenmusiken, unter anderem
für das Residenztheater München
und das Deutsche Schauspielhaus
Hamburg. Er arbeitete u.a. mit den
Regisseuren Wilfried Minks, Urs
Troller, Gabriele Jacobi und Dietrich
Hilsdorf zusammen. 1999 wurde
Der Golem in Bayreuth von Ulla
Berkéwicz und Lesch Schmidt in der
Regie von Einar Schleef am Wiener
Burgtheater uraufgeführt. 2004
wurde er mit dem Franz Liszt Prize
for Musical Composition der Europäischen Kulturstiftung und der Cité des
Cultures de la Paix ausgezeichnet.
Derzeit komponiert er Kaspar, eine
Oper nach dem gleichnamigen
Theaterstück von Peter Handke.
90. Geburtstag von Friederike Mayröcker im Jahr 2014
90. Geburtstag von Ernst Jandl im Jahr 2015
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Foto: Brigitte Friedrich
Foto: Janine Guldener
Uraufführung geplant zum 20. Dezember 2014, Burgtheater Wien
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INGRID L AUSUND
Christoph
Nußbaumeder
Meine gottverlassene
Aufdringlichkeit
Eine junge Frau kann nicht schlafen und quält sich mit dröger Textarbeit für
einen Kunstkatalog. Sie trinkt ein Glas Wein und grübelt in der Einsamkeit der
Nacht über ihr Leben. Sie ist überdurchschnittlich gebildet, Kunsthistorikerin
mit Abschluss, und nun hockt sie da und kann nachdenken, wie sie zu dem
geworden ist, was sie heute ist: eine Vertreterin des akademischen Prekariats.
Alles könnte anders sein, besser, leidenschaftlicher, selbstbestimmter! Doch
plötzlich klingelt es … (1 D)
»Man möchte den Autor umarmen für diese sensible, komplex angedachte
Skizze, die nicht nur das Erfassen der Welt in seinem Grundwiderstreit beschreibt, sondern darin genauso die Zumutungen der alles in die Einseitigkeit
privatisierenden Gegenwartsgesellschaft.« Doris Meierhenrich, Berliner Zeitung
Christoph Nußbaumeder wurde
1978 im niederbayerischen Eggenfelden geboren und lebt in Berlin.
Studium der Rechtswissenschaften, Germanistik und Geschichte
in Berlin. Nußbaumeders Stücke
wurden u.a. bei den Ruhrfestspielen
Recklinghausen, an der Berliner
Schaubühne, am Nationaltheater
Mannheim und am Schauspiel Köln
uraufgeführt.
Zahlreiche Inszenierungen erfuhr
insbesondere sein Stück Eisenstein, das 2010 am Schauspielhaus
Bochum uraufgeführt wurde. Im Mai
2013 folgte die Uraufführung von
Mutter Kramers Fahrt zur Gnade als
Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen.
Meine gottverlassene
Aufdringlichkeit
1D
UA: 18.9.2012, Sophiensaele, Berlin
Regie: Bernarda Horres,
Anna Eger (Spiel)
ÖEA: 11.1.2013
Schauspielhaus Wien
Regie: Daniela Kranz
1.12.2012, Stadttheater Ingolstadt
Regie: Donald Berkenhoff
Siehe auch S.50: Anna Maria Jokl:
Die Perlmutterfarbe. Für die
Bühne bearbeitet von Christoph
Nußbaumeder
»[…] Christoph Nußbaumeder bringt in seinem Text die Probleme einer Generation, die sich auch nach einer Reihe unbezahlter Praktika nur mit prekären
Angeboten zufrieden geben muss, treffend und tragikomisch zur Sprache.«
Hilde Haider-Pregler, Wiener Zeitung
»Ein abgründiger, hellsichtiger und
humorvoller Monolog.« Esther Slevogt, taz
253 Seiten. Broschur. € 20,–
(978-3-518-42378-3)
42
Foto: Susanne Schleyer
43
Sean O’Casey
Dramatische Aufwärtshaken
zum 50. Todestag
So beschreibt ein enger Wegbegleiter O’Caseys die Uraufführung von Der Pflug und die Sterne im Dubliner
Abbey Theatre am 8. Februar 1926. Wer war dieser
politisch engagierte, ideologisch aber immer um Unabhängigkeit bemühte Theaterdichter O’Casey, der seine
Landsleute mit seinen Stücken derart in Rage brachte?
In welche Wunden legte dieser ›Gassenjunge aus den
Dubliner Slums‹, wie ein zeitgenössischer Theaterkritiker ihn nannte, seine Finger, um derart wüste Publikumsreaktionen auslösen zu können? Der Autor wanderte ein Jahr nach dem oben geschilderten Skandal um
sein Stück nach England aus, wo er bis zu seinem Tod
im Jahr 1964 weiter Stücke schrieb.
Zum 50. Todestag O’Caseys liegen nun sämtliche
deutschen Übersetzungen seiner wichtigsten Stücke
bei Suhrkamp vor. Wir laden zur Entdeckung der komischen, hintersinnigen und gesellschaftskritischen
Schauspiele dieses großen irischen Dramatikers ein –
auch jenseits seines weltweit viel gespielten Komödienklassikers Das Ende vom Anfang.
Sean O’Casey (1880-1964) gilt als moderner
Klassiker. Seine gesellschaftskritischen Stücke
werden weltweit gespielt. Alfred Hitchcock
verfilmte 1930 Juno und der Pfau.
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Hinter den grünen Vorhängen
Originaltitel: Behind The Green
Curtains
Übersetzung: Dieter Hildebrandt
Ein Pfund abheben
Originaltitel: A Pound on Demand
▯ Übersetzung: Johanna und Martin Walser
▯ Übersetzung: Maik Hamburger und
Adolf Dresen
Juno und der Pfau
Originaltitel: Juno and The Paycock
Übersetzung: Lukas B. Suter
Das Ende vom Anfang
Originaltitel: The End of The Beginning
▯ Übersetzung: Maik Hamburger
und Adolf Dresen
▯ Übersetzung: Johanna und
Martin Walser
Das Erntefest
Originaltitel: The Harvest Festival
Übersetzung: Konrad Zschiedrich
Figur in der Nacht
Originaltitel: Figuro in the Night
Übersetzung: Eva Walch
Das Freudenfeuer für den Bischof
Originaltitel: The Bishop’s Bonfire
Übersetzung: Michael Eberth, Kurt
Heinrich Hansen, Dieter Hildebrandt
Gutnachtgeschichte
Originaltitel: Bedtime Story
▯ Übersetzung: Maik Hamburger
und Adolf Dresen
▯ Übersetzung: Johanna und
Martin Walser
Halle der Heilung
Originaltitel: Hall of Healing
Übersetzung: Maik Hamburger
und Adolf Dresen
Foto: Wolfgang Suschitzky
»Die Premiere am Montag wurde insgesamt enthusiastisch aufgenommen, doch die Andersdenkenden
überwanden rasch ihre Fassungslosigkeit, verbreiteten die Kunde von diesem Stück und organisierten mit
viel Krawall Demonstrationen an den drei folgenden
Abenden. Am Dienstag und Mittwoch wurde das Stück
wiederholt von Spottrufen und Schreien unterbrochen,
am Donnerstag dann brach das komplette Chaos aus.
Schon zu Beginn der Vorstellung gab es Zwischenfälle,
im zweiten Akt wurden die Schauspieler dann von Buhrufen, Schreien, Pfiffen und Gesängen vollends übertönt.
Kaum ein Wort des zweiten Aktes war noch vernehmbar,
die Schauspieler vollführten eine Pantomime. Zu Beginn
des dritten Aktes wurde das Stück dann unterbrochen.
Flüche, Gemüse, Schuhe und Stühle wurden Richtung
Bühne geschleudert, Stinkbomben wurden im ganzen
Theater gezündet und irgendwann enterte eine Gruppe
von Männern und Frauen die Bühne und begann eine
Schlägerei mit den Schauspielern. Barry Fitzgerald, der
die Rolle des ›Fluther Good‹ spielte, prügelte einen der
Männer in den Orchestergraben, indem er ihm einen
saftigen Aufwärtshaken verpasste …«
Eichenlaub und Lavendel oder Eine Welt
aus Kulissenpapier
Originaltitel: Oak Leaves and Lavender
Übersetzung: Ute und Volker Canaris
Kathleen hört zu
Originaltitel: Kathleen Listens In
Übersetzung: Eva Walch
Kikeriki
Originaltitel: Cock-a-Doodle Dandy
Übersetzung: Helmut Baierl und
Georg Simmgen
Der Mond scheint auf Kylenamoe
Originaltitel: The Moon Shines on
Kylenamoe
Übersetzung: Maik Hamburger und
Adolf Dresen
Nannie geht aus
Originaltitel: Nannie’s Night Out
Übersetzung: Maik Hamburger und
Adolf Dresen
Der Park
Originaltitel: Within The Gates
Übersetzung: Eva Walch und
Klaus Tews
Der Preispokal
Originaltitel: The Silver Tassie
Übersetzung: Tankred Dorst
Purpurstaub
Originaltitel: Purple Dust
▯ Übersetzung: Helmut Baierl und
Hans-Georg Simmgen
▯ Übersetzung: Michael Eberth
▯ Neu übersetzt und bearbeitet von
Michael Eberth
Der Rebell, der keiner war
Originaltitel: The Shadow of a Gunman
Übersetzung: Jörg Graser
Der Schatten eines Rebellen
Originaltitel: The Shadow of a Gunman
Übersetzung: Helmut Baierl und Georg
Simmgen
Rote Rosen für mich
Originaltitel: Red Roses for Me
Übersetzung: Maik Hamburger und
Adolf Dresen
Der Stern wird rot
Originaltitel: The Star Turns Red
Übersetzung: Helmut Baierl
Zeit zu gehen
Originaltitel: Time To Go
Übersetzung: Maik Hamburger
Pater Neds Trommeln
Originaltitel: The Drums of Father Ned
Übersetzung: Gustav K. Kemperdick
Der Pflug und die Sterne
Originaltitel: The Plough and The Stars
Übersetzung: Volker Canaris und
Dieter Hildebrandt
Nähere Angaben zum Inhalt der
Stücke, zu Besetzungsmöglichkeiten,
zu Aufführungen und Bestellmöglichkeiten finden Sie auf der O’CaseyAutorenseite auf
www.suhrkamptheater.de
»Wenn ich in diesen Jahren von jungen Regisseuren gefragt werde, ob ich ihnen ein Stück
vorschlagen kann, das nicht zum (geschrumpften) Kanon des heutigen Stadttheaters
gehört, kommt mir als erstes O’Casey’s ›Purpurstaub‹ in den Sinn. Ich kenne kein zweites
Stück, das die Krise des Abendlands (das erschöpfte Selbst, die entwurzelten Sprachen
und Identitäten, der Zerfall der Ordnungs-Systeme, der drohende Untergang) so drastisch und
schreiend komisch darstellt wie dieses eine. Man muss sich natürlich für Menschen aus anderen
Zeiten und Welten interessieren, wenn man es aufführen will, und sich dem Zwang widersetzen,
alles fürs Jetzt platt zu machen.« Michael Eberth
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INGRID L AUSUND
Georg Ringsgwandl
Der varreckte Hof
Dr. Georg Ringsgwandl hängte
mit 45 seinen Beruf als Kardiologe
an den Nagel und widmete sich
ganz dem Musikkabarett. Er steht
seit über 30 Jahren auf der Bühne,
schreibt Bühnenmusik und Theaterstücke.
Stubenoper. Gesänge in einer sterbenden Sprache
(Bayerische Fassung: Der varreckte Hof)
(Hochdeutsche Fassung: Der verreckte Hof)
Mutter Weichsenrieder wird wunderlich, oder vielleicht tut sie auch nur so.
Aber eine Pflegerin muss her, denn ihre Kinder, die allzeit überforderte Halbtagshandarbeitslehrerin Gerlinde und Manager Rupert, können die Alte nicht
betreuen. So kommt Svetlana aus Moldawien auf den Hof und mischt die Kräfteverhältnisse neu.
In Georg Ringsgwandls Stubenoper Der varreckte Hof (das Stück liegt in zwei
Fassungen vor, in einer bayerischen sowie einer hochdeutschen Fassung:
Der verreckte Hof) kollidieren die Werte einer alten, dörflichen Gesellschaft mit
denen einer neuen, kapitalistischen Welt in der Idylle eines verfallenen Bauernhofes. Mit komischen Dialogen, großartigen Charakterfiguren und scharfer
Zeitkritik entwirft Ringsgwandl eine dörfliche Szenerie, die von den Erschütterungen der Globalisierung nicht verschont wird. Ein modernes Volksstück mit
Gesang. (3 D, 2 H)
Uraufführung: 4. August 2012, Tiroler Volksschauspiele Telfs
Regie: Susn Weber
Deutsche Erstaufführung: 4. Oktober 2013, Theater an der Rott
Regie: Susn Weber
»Auf hinterlistige und
poetische Art und Weise
entlarvt Ringsgwandl die
vermeintliche Arbeitswut unserer ›Computergesellschaft‹ als reinen
Selbstzweck und stellt mit
der Figur der kauzigen
alten Bäuerin die brisante
Gegenfrage: Was lohnt
sich denn wirklich und vor
allem für wen?«
Bayerischer Rundfunk
Gerlinde: Sie brauchen mir gar nichts erzählen. Ich habe einen harten Vormittag
hinter mir. Wissen Sie eigentlich, was auf mich alles einprasselt? Wenn ich in der
Früh das Klassenzimmer aufsperre, stürmen die globalen Verwerfungen in Gestalt
einer Horde rotzfrecher Kinder auf mich los, und wenn ich auf den Hof komme,
sagen Sie zu meiner Mutter »Oma«.
Svetlana: Ohne die globalen Verwerfungen würde ich zur Oma gar nix sagen, da
wär’ ich Professor in Belarus.
(aus: Der varreckte Hof)
46
Foto: Christian Kaufmann
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INGRID L AUSUND
Gesine Schmidt
O alte Burschenherrlichkeit
Männerbünde fürs Leben
Füchse, Burschen, Alte Herren, Bundes-, Farben-, Waffenbrüder. Es gibt viele
Geschichten und Mythen über die Mensur, den Schmiss, den Zipfeltausch oder
die Couleurdamen. Männerbünde, für viele eine fremde Welt. »Ehre, Freiheit,
Vaterland« lautete der Wahlspruch der Urburschenschaft von 1815 als Resultat der Befreiungskriege gegen die französische Hegemonie in Europa. Für die
Burschenschaften gilt diese Devise noch heute. Viele Studentenverbindungen
bekennen sich zu ihren traditionellen Werten.
»Mein Eintritt in die Burschenschaft war ein bewusster Schritt – und ich habe
ihn niemals bereut. Letztlich konzentriert sich die Kritik an den Korporationen
immer auf die eine Frage: Passt das noch in unserer Zeit? Meine Antwort lautet
stets: Offensichtlich! Sonst würden sich ja nicht so viele Studenten dafür entscheiden. Es ist ein gutes Recht der Akademiker, sich zu einem Lebensbund zusammenzuschließen, Farben tragen, aber auch zechen und fechten zu wollen.«
So äußerte sich Günter Kießling (1925–2009), Bundeswehrgeneral und Bonner
Burschenschaftler.
Studentische Verbindungen polarisieren. Allein an den Bonner Hochschulen
sind etwa fünfzig verschiedene Verbindungen ansässig, einige davon seit über
150 Jahren. Worin liegt heute die Anziehungskraft studentischer Verbindungen? Welche Rituale und Brauchtümer werden gepflegt? Welche Wertvorstellungen und Weltbilder dominieren? Wo liegen die historischen Wurzeln, wo die
Anbindung zur gegenwärtigen Gesellschaft?
Gesine Schmidt wurde für ihre dokumentarischen Theaterstücke mehrfach ausgezeichnet. Gemeinsam mit der Autorin begibt sich der Regisseur Volker Lösch
auf eine theatrale Recherche auf der Grundlage historischer und aktueller
Dokumente. (Besetzung variabel)
Uraufführung: 9. Mai 2014, Schauspiel Bonn
Regie: Volker Lösch
Ein tiefer Blick in die urdeutsche,
männliche Seele und Stoff für
polarisierende Diskussionen
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Foto: Susanne Schleyer
Gesine Schmidt, 1966 in Köln
geboren. Nach dem Studium der
Komparatistik und Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität
Bochum folgen Stationen als Dramaturgin am Schauspiel Frankfurt, dem
Badischen Staatstheater Karlsruhe
und dem Berliner Ensemble. Von
2004 bis 2006 arbeitet sie als Dramaturgin am Maxim Gorki Theater,
Berlin. In der Spielzeit 2008/2009
ist Gesine Schmidt Dramaturgin
am Deutschen Theater Berlin.
Gesine Schmidt lebt als freie Autorin
in Berlin.
Werkübersicht
Gemeinsam mit Andres Veiel
entsteht 2005 das Dokumentartheaterstück Der Kick, das sich mit
dem Mord an einem Jugendlichen
in einem brandenburgischen Dorf
beschäftigt. Die Uraufführungsinszenierung, eine Koproduktion des
Berliner Maxim Gorki Theaters und
des Theater Basel, und das Hörspiel
werden mit mehreren Preisen ausgezeichnet.
Auf der Grundlage von Interviews mit
einem deutsch-türkischen Pärchen
entsteht das Stück liebesrap. Das
gleichnamige Hörspiel (DLF 2010)
erhält u.a. den 1. Preis beim internationalen Wettbewerb Prix Marulic
in Kroatien. liebesrap ist frei zur
Uraufführung (1 D, 1 H).
2010 erlebt Schmidts Stück Die
Russen kommen! am Staatstheater
Nürnberg seine Uraufführung. Als
Auftragswerk entstanden, thematisiert das Dokudrama die widersprüchlichen Integrationserfahrungen sogenannter Russlanddeutscher.
2011 folgt die Uraufführung von
Oops, wrong planet! am Theater
Basel. Im Stück kommen Autisten
zu Wort, die uns teilnehmen lassen
an ihrer speziellen Sicht auf unsere
Welt. Das Stück wurde 2012 von
DLF/WDR auch als Hörspiel produziert.
2013 kommt Expats in China am
Theater Basel zur Uraufführung
(Premiere: 16.3.2013, Regie: Antje
Schupp), ein Monolog-Parcours
über das konfliktreiche Aufeinandertreffen mitteleuropäischer und
chinesischer Kulturstandards.
49
INGRID L AUSUND
Peter Turrini
Aus Liebe
Michael Weber, 40 Jahre alt, ist schon ein paar Jahre zu lange Assistent eines
Parlamentsabgeordneten. Seine Ehe ist zerrüttet, Schulden plagen ihn. Er sucht
sich käuflichen Trost, aber auch das will nicht mehr so recht gelingen. Das Stück
skizziert in pointierten, tragikomischen Kurzszenen den unaufhaltsamen (?)
Abstieg des Normalbürgers Weber. Bis der sich im Baumarkt eine »Hacke« zulegt, um seinen Nächsten Gewalt anzutun.
Turrini hat einen modernen Woyzeck geschrieben – unter heutigen gesellschaftlichen Vorzeichen. Die Unterdrückungsverhältnisse sind subtiler, gleichwohl
bestimmen uralte Mächte, Triebe und Affekte das Leben. Es geht um Symptome
eines Systems, das Menschen planmäßig verschleißt. Und das Stück macht es
sich und uns dabei nicht leicht, weil es einfache Identifikationen unmöglich
macht. Weber zeigt sich in seiner entgrenzten Gewalt nicht nur als Opfer der
Verhältnisse, als Scheiternder, Verlierer, von Frau und Lohngeliebten Zurückgewiesener, sondern als (Mit-)Täter.
Das zentrale Geschehen um den plötzlich entsicherten Weber ist in eine Reihe
von Nebenhandlungen eingebettet, die sich final verschränken: Eine alte Frau
begeht kultivierten Mundraub, die Polizei bemüht sich auf drastische Weise um
Nachwuchs, die Prostitution ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Und
der liebe Gott streicht immer wieder als »Sandler« über die Szene und versucht
erfolglos, seine alten Botschaften loszuschlagen. Ein großes Stück mit zahlreichen, wunderbar angeschrägten und lebensprallen Rollen, das Peter Turrini für
das Wiener Theater in der Josefstadt geschrieben hat.
(7 D, 11 H, Mehrfachbesetzungen möglich)
Uraufführung: 16. Mai 2013, Theater in der Josefstadt, Wien
Regie: Herbert Föttinger
»Was findet alles im Zusammenhang mit einem Mord statt? Wenn jemand seine
Familie mit einer Axt umbringen will und in den Baumarkt geht, um eine solche
zu kaufen, wie läuft sein Gespräch mit dem Verkäufer ab? (…) Ich möchte mich
der großen Frage nach dem ›Warum‹ mit scheinbar kleineren Fragen nähern.
Vielleicht erfährt man etwas über das Zentrale, das Mörderische, indem man die
Peripherie abschreitet? Und vielleicht ist unsere Gesellschaft eine generell
›mörderische‹? Vielleicht verbergen sich hinter den sichtbar gewordenen Taten
von wenigen die verborgenen Abgründe von vielen?« Peter Turrini
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Foto: Astrid Bartl
Peter Turrini, geboren 1944 in St.
Margarethen in Kärnten, wuchs in
Maria Saal auf und war von 1963 bis
1971 in verschiedenen Berufen tätig.
Seit 1971 freier Schriftsteller, lebt in
Kleinriedenthal bei Retz.
Mit seinem ersten Theaterstück
Rozznjogd (Uraufführung 1971 am
Wiener Volkstheater) wurde Turrini
schlagartig bekannt. Es folgen Stücke, u.a. Sauschlachten, Münchner
Kammerspiele 1972; Josef und
Maria, Volkstheater Wien 1980; Die
Minderleister, Akademietheater Wien
1988; Alpenglühen, Burgtheater
Wien 1993; Die Liebe in Madagaskar, Akademietheater 1998; Die
Eröffnung, Schauspielhaus Bochum
2000; Ich liebe dieses Land, Berliner
Ensemble 2001; Der Riese vom
Steinfeld, Wiener Staatsoper 2002;
Da Ponte in Santa Fe, Salzburger
Festspiele 2002; Bei Einbruch der
Dunkelheit, Stadttheater Klagenfurt
2006; Mein Nestroy, Theater in der
Josefstadt Wien 2006; Jedem das
Seine (gemeinsam mit Silke Hassler),
Stadttheater Klagenfurt 2007; Die
Minderleister (Neufassung), Schauspielhaus Graz 2007; Der Diener
zweier Herren (frei nach Goldoni),
Theater in der Josefstadt 2007; Die
Wirtin (frei nach Goldoni, Neufassung), Theater in der Josefstadt
2009; Die Liebe in Madagaskar (Neufassung), Stadttheater Walfischgasse
Wien 2010; Campiello (frei nach
Goldoni, Neufassung), Theater in der
Josefstadt 2011; Silvester, Stadttheater Klagenfurt 2011; Endlich
Schluß (Neufassung), Theater in der
Josefstadt 2012.
Gedichtbände, Drehbücher, Reden
und Essays. Zahlreiche Auszeichnungen (zuletzt Nestroypreis 2010 für
das Lebenswerk).
Turrinis Werke wurden in über
dreißig Sprachen übersetzt, seine
Stücke werden weltweit gespielt.
Im Suhrkamp Verlag erscheint eine
umfassende Werkausgabe.
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JUNGES PROGRAMM
Anna Maria Jokl
Die Perlmutterfarbe
Schule des Lebens
Ein Kinderroman für fast alle Leute I Für die Bühne bearbeitet von Christoph Nußbaumeder
Itta Shedletzky, Nachlassverwalterin von Anna Maria Jokl, im Gespräch
Von der Schulbank des Maulwurf, einem der beliebtesten Schüler der »A-Klasse«, verschwindet ein Töpfchen mit selbstgemachter Farbe, der Perlmutterfarbe.
Bald scheint klar, dass nur die »B-Klasse« hinter dem
Verschwinden stecken kann. Dass Alexander, der beste
Freund von Maulwurf, mehr mit dieser Geschichte zu
tun hat, als ihm selbst lieb ist, weiß nur Gruber. Gruber ist neu in der Klasse, und sein Ziel, Freundschaften
zu zerstören und Feindschaft zu säen zwischen der »Aund der B-Klasse«, scheint aufzugehen. Bis Alexander
schließlich den Mut findet, öffentlich zu sprechen.
Die Perlmutterfarbe. Ein Kinderroman für fast alle Leute
begründete Anna Maria Jokls Ruhm als Schriftstellerin.
2009 wurde der Stoff von Regisseur Marcus H. Rosenmüller verfilmt. Nun hat der Dramatiker Christoph Nußbaumeder Die Perlmutterfarbe für die Bühne adaptiert.
(15 Mädchen und Jungen, Besetzung variabel, Doppelbesetzungen möglich, ab 11 Jahren)
Nina Peters: ›Die Perlmutterfarbe‹ entstand während
Anna Maria Jokls Exilzeit in Prag. Was ist für Sie das
Besondere an diesem Buch?
Uraufführung: 7. November 2013
Junges Schauspielhaus Düsseldorf
Regie: Annette Kuß
Anna Maria Jokl, 1911 als Tochter
jüdischer Eltern in Wien geboren,
kam in den 20er Jahren nach Berlin.
Sie war Schauspielelerin bei Erwin
Piscator, arbeitete erfolgreich für den
Rundfunk. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh sie
nach Prag. Als die Deutschen in die
Tschechoslowakei einmarschierten,
floh Jokl über Polen nach London.
Dort begann Anna Maria Jokl eine Ausbildung zur Psychotherapeutin, die sie bei C. G. Jung in Zürich abschließen wollte.
1951 kehrte Jokl zurück nach Berlin und wurde schließlich
aus Ostberlin ausgewiesen. In Deutschland wurde Anna
Maria Jokl nicht mehr heimisch, sie ging nach Israel. In Jerusalem, wo die Schriftstellerin und Psychotherapeutin seit
1965 lebte, starb sie im Oktober 2001 mit 90 Jahren.
Jokls Leben war durch Flucht, Krieg und Exil geprägt. Ihre
Mutter und ihren Stiefvater, die 1942 aus ihrer Wohnung in
Berlin-Tiergarten deportiert wurden, hat Anna Maria Jokl nie
mehr gesehen. Jokl hat ein schmales literarisches Werk hinterlassen, darunter auch Aus sechs Leben, Aufzeichnungen
und Briefe aus Jokls Nachlass, die Zeugnis geben von dieser
außergewöhnlichen Biografie. Im Prager Exil entstanden Die
wirklichen Wunder des Basilius Knox und Die Perlmutterfarbe,
ein Roman über Freundschaft und Verrat zweier rivalisierender Schulklassen, der zum Welterfolg wurde. Ihr Gesamtwerk
wurde 1995 mit dem Hans-Erich-Nossack-Preis ausgezeichnet. Als Die Zeit 2002 in einer Jury aus Kritikern, Lehrern,
Schülern und Schriftstellern einen »literarischen Kanon für
Schüler« ab zehn Jahren vorstellte, war Die Perlmutterfarbe
selbstverständlich dabei.
Weitere Angebote für das Kinder- und Jugendtheater finden Sie auf
www.suhrkamptheater.de/jungesprogramm
Itta Shedletzky: Anna Maria Jokl gelingt es, exemplarische Personen, Kinder und Erwachsene, in einer spannenden Handlung agieren zu lassen. Die Spannung und
die Lebendigkeit des Buches ergeben sich nicht aus einer äußeren Handlung, sondern aus den Figuren selbst,
aus ihrer Haltung, aus ihren Entscheidungen. Gruber
lügt, und wie die Menschen auf die Lüge von Gruber
reagieren, wie die Menschen aus dieser bestimmten
Konstellation sich verhalten, das ist das Besondere
dieses Buches. Anna Maria Jokl betrieb »Seelenerfahrungskunde«, ihre Figuren sind differenziert und tief.
Dabei ist sie keine allwissende Autorin, die sich direkt
und belehrend an die Kinder wendet. Ich glaube, auch
das ist eine große Qualität des Buches.
Anna Maria Jokl hatte einen bemerkenswert scharfen
Blick auf das Individuum und seine Rolle in der Gesellschaft. In diesen beiden Klassen findet man »die Ängstlichen, Feigen, die Aufrichtigen, Mutigen, die Dumpfen,
die Gewitzten, die wirklich Schuldigen und die Mitläufer,
die Unterdrückten und Entrechteten«, so der Kölner Psychoanalytiker Klaus Röckenrath. Haben Sie eine Lieblingsfigur in diesem Buch?
Ja, absolut. Das ist der Maulwurf …
Maulwurf ist der beste Freund von Alexander. Gruber
nutzt die Schwäche von Alexander aus, er setzt ihn unter
Druck und zieht Alexander auf seine Seite. Gruber zerstört
die Freundschaft zwischen Alexander und Maulwurf …
Maulwurf ist für Anna Maria Jokl eine Idealfigur, die sie
allerdings plausibel darstellt. In der Diskussion zu dem
Buch geht es oft um die Zeitgeschichte und die Handlung, Jokl schrieb das Buch ja nach der Machtergreifung
der Nationalsozialisten. Was dieses Buch so besonders
macht und was man vielleicht nicht immer so beachtet,
das sind die Familienkonstellationen der Figuren, vor
allem bei den Hauptfiguren. Bei allen diesen Figuren
fehlt ein Elternteil. Alexander hat keinen Vater, Gruber
keine Mutter, Maulwurf gar keine Eltern. Das ist ein
autobiografisches Moment, denn Anna Maria Jokl hatte
ihren leiblichen Vater früh verloren. Ihre Mutter hatte
sie als hilflos empfunden, sie war jemand, auf den sich
Jokl nicht verlassen konnte.
Bei Maulwurf entwirft sie eine Konstellation, in der beide Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind.
Maulwurf wohnt bei seinem Onkel Ernst, einem Physiker, der auch sein Mentor ist. Dieser Onkel Ernst nimmt
ihn ernst. Und ich glaube, diese Konstellation ist für
Anna Maria Jokl eine Möglichkeit, wie ein Kind, das keine Eltern hat, mit einem Erwachsenen aufwächst, der es
ernst nimmt, der eine verantwortliche Vertrauensperson
ist, die sich um den Jungen kümmert. Das ist eine Idealfigur, aber sie ist ja auch realistisch dargestellt.
»Weil sich die Geschichte nicht holzhammerartig mit dem Naziterror
auseinandersetzt, sondern die Mechanismen von Vorurteilen und
Ausgrenzungen deutlich macht, gelingt es dem jungen Team,
das Premierenpublikum 90 Minuten in den Bann zu ziehen. (…)
Ein Stück (…), das zur Diskussion über Widerstand, Macht und Mut auffordert.«
Pamela Broszat, Der Westen
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53
JUNGES PROGRAMM
»Es gibt nicht viele Bücher, in denen
ein ganzes Zeitalter vor uns aufsteht.«
Sybil Gräfin Schönfeldt in der ›Süddeutschen Zeitung‹ über ›Die Perlmutterfarbe‹
Im Buch gibt es einen Lehrer, der schließlich die Befriedung der verfeindeten Situation zwischen den Klassen
herbeiführt. Er ist ein auffallender Sympathieträger.
Bei der erneuten Lektüre des Buches ist mir noch einmal aufgefallen, wie wichtig es ist, dass der Lehrer ein
Mathelehrer ist. Die Mathematik und die Physik waren
für Anna Maria Jokl die wichtigsten Wissenschaften,
weil es objektive Wissenschaften sind. Und weil sie eigentlich nichts mit Menschlichkeit zu tun haben, die
Menschlichkeit der Menschen liegt woanders. Aber
wenn ein Mathematiker und ein Physiker menschlich
sind, dann ist das das Ideal. (lacht.)
Es ist auch typisch, dass er einen äußerlichen Fehler
hat, er hat krumme Beine. Das heißt, das Äußerliche ist
nicht wichtig. Der Magnetmaxl ist so, wie Anna Maria
Jokl den Erwachsenen empfehlen würde, zu handeln:
Sie müssen flexibel sein, je nach Situation sich einmischen oder sich zurückhalten, wichtig ist, dass sie die
Kinder ernst nehmen und beschützen, dass sie sich
immer in verantwortlicher Weise um die Kinder kümmern. Anna Maria Jokl hat immer gesagt, es hätte sich
als Kind niemand in diesem Sinne um sie gekümmert.
Anna Maria Jokl begann in Prag, Kinderromane zu
schreiben. Zunächst ›Die wirklichen Wunder des Basilius
Knox‹ sowie ›Die Perlmutterfarbe‹. Dabei scheint Jokls
Impuls, für Kinder zu schreiben, einer zu sein, der sich
aus dem Zweifel am Gelingen von Kommunikation ergibt.
Im Januar 1939 notiert die Schriftstellerin: »Ich schreibe meine Kinderbücher doch nicht für Kinder, sondern
so, wie ich mir wünschte, mit Erwachsenen sprechen zu
können.«
54
Das bezieht sich sowohl auf die Kinder als auch auf
die Erwachsenen. Es geht ihr im Grunde um die Verantwortung der Erwachsenen, dass sie die Kinder ernst
nehmen, auch mit ihren Schwächen. Jokl erkennt ja die
Schwächen der Menschen an, wenn sie nicht böse und
gemein sind. Erwachsene sollten, wenn sie verantwortliche Bezugspersonen sind, Kinder so erziehen, dass
diese auf ihren eigenen Beinen stehen. Und darin ist
Jokl natürlich eine Aufklärerin: Die Kinder sind die große Hoffnung der Menschheit. Es geht ihr auch um die
Erziehung des Menschengeschlechts, sie beobachtet die
Individuen und zeigt, wie man sich in ganz alltäglichen
Situationen, die man auch erfinden kann, so verhalten
muss, dass eine Erziehung des Menschengeschlechts
funktioniert.
Das Manuskript des Buches hat eine abenteuerliche und
berührende Geschichte, die im Zusammenhang steht mit
Jokls Flucht aus Prag nach London.
Anna Maria Jokl war in die Französische Botschaft
in Prag geflüchtet und hatte sich dort mit zwei Angestellten angefreundet. Ihnen hatte sie das Manuskript
zur Verwahrung gegeben. Von einem Fluchthelfer ist
sie dann über die polnische Grenze nach Kattowitz
gebracht worden. Als sie auf der Flucht in einer Hütte übernachten mussten, hat dieser sie nachts gefragt,
was sie am meisten bereut, zurückgelassen zu haben.
Und da nannte sie dieses Manuskript. Er hat es auf sich
genommen, dieses Manuskript zu retten und es ihr zu
bringen. Als Grund nannte er später, es habe ihn beeindruckt, dass sie auf seine Frage so geantwortet habe,
während andere Möbel oder Schmuck genannt hätten.
In ›Die Perlmutterfarbe‹ wird die Frage nach der »Kollektivschuld«, die nach dem Dritten Reich gestellt wird,
vorweggenommen. Wurde das schon 1947 so reflektiert,
als das Buch in Deutschland erschien?
Nun singen sie wieder von Max Frisch, das haben wir
Anfang der 1960er-Jahre im Gymnasium in Zürich gelesen, und es gab damals auch eine Diskussion über
die Kollektivschuld. Und ich habe erst im Nachhinein
verstanden, dass mein Lehrer, den ich sehr schätzte, den Deutschen die Kollektivschuld gegeben hat.
Frischs Stück wurde 1945 in Zürich uraufgeführt, und
man hat diesem Stück ja auch seine Neutralität vorgeworfen, dass es keine Schuldigen gibt. In Die Perlmutterfarbe gibt es im Grunde auch keinen Schuldigen, bei
Gruber stellt Jokl den familiären Hintergrund vor und
damit die Gründe, warum dieser Junge so wurde, wie
er ist.
Und gegen das Überhandnehmen der Gemeinheit gibt
es in diesem Buch ein Mittel, und das ist der Mut, die
Zivilcourage, einen Fehler zu gestehen. Ich glaube, in
Albert Gruber steckt schon Hitler. Das A von Adolf und
der Gruber von Schicklgruber. Jokl hat untersucht, wie
Unterdrückung und Diktatur im Kleinen anfangen, in
ganz alltäglichen Situationen. Ihre Schule des Lebens
hat ihr den scharfen Blick gegeben.
Itta Shedletzky, geboren 1943 in Zürich, lehrte deutsche Literatur an der Hebräischen Universität Jerusalem und hatte wechselnde Gastprofessuren. Sie hat im
Auftrag des Leo Baeck Instituts die Briefe Gershom
Scholems herausgegeben und ist Mitherausgeberin
der Kritischen Ausgabe der Werke und Briefe Else
Lasker-Schülers. Über Anna Maria Jokl schrieb sie u.a.
2010 in Aus sechs Leben (Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag).
280 S. Broschur. € 8,99
(978-3-518-46039-9)
368 S. Geb. € 22,90
(978-3-633-54245-1)
»Am Ende hat man gelernt, wie falsch gesetzte Autorität Menschen entmündigen
und zu unrechten Taten verleiten kann. Und man hat gesehen, wie aus einer
Lüge 1000 Lügen geworden sind. Ein Stück zum Lernen, bei dem allerdings
im Vordergrund die Kraft des Erzählens steht.« Annette Bosetti, Rheinische Post
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JUNGES PROGRAMM
Ruth Johanna
Benrath
Klassenkämpfe
Tarek, Alexandra, Beatrice und Marcel sind die Klasse. Und Günter Fischer, seit
dreißig Jahren Lehrer für Latein, Geschichte und politische Weltkunde, ist der
neue Lehrer an der Schule. Er soll die vier auf die Abschlussprüfung vorbereiten. Fischers elitäres Bildungsideal geht weit über den Horizont der meisten
Schüler hinaus. Und das Menschenbild des Pädagogen, der von einem Direktor
einst zum »Menschenfischer« geadelt wurde, entspricht schon lange nicht mehr
der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen.
Während Fischer glaubt, jeden Einzelnen nach seinen Vorstellungen formen
zu können, formuliert Marcel in »Politischer Weltkunde« stellvertretend für die
Klasse: »Wir brauchen niemanden, der uns die Geschichte erklärt, wir machen
die Geschichte selbst.« Fischers Erziehungskonzept trägt Züge von Gewalt, und
diese richtet sich schließlich gegen ihn selbst.
Ruth Johanna Benrath skizziert im Mikrokosmos Schule eine Gemeinschaft, in
der die Machtverhältnisse von allen Figuren immer wieder aufs Neue ausbalanciert werden müssen. Mit knappen, scharfen Dialogen und verblüffender Leichtigkeit beschreibt Benrath eine Begegnung zweier Generationen, zwischen denen
klare Grenzen verlaufen. (2 D, 3 H, ab 14 Jahren)
Ruth Johanna Benrath, geboren
1966 in Heidelberg, aufgewachsen
in Mainz, veröffentlichte Lyrik und
Kurzprosa in zahlreichen Literaturzeitschriften, u.a. im Jahrbuch der
Lyrik. Sie debütierte 2007 mit dem
Gedichtband Kehllaute (Lunardi Verlag). 2009 erschien im Steidl Verlag
ihr erster Roman Rosa Gott, wir
loben dich, 2011 der zweite Roman
Wimpern aus Gras bei Suhrkamp.
Benraths Arbeiten wurden mit
zahlreichen Stipendien gewürdigt,
u.a. mit einem Stipendium des
Berliner Senats, der Akademie der
Künste, mit dem Frau-Ava-Preis und
zuletzt mit dem Writer-in-ResidenceStipendium der Max-Kade-Stiftung
in Pennsylvania/USA und einem
Aufenthaltsstipendium des Landes
Rheinland-Pfalz im Künstlerhaus
Edenkoben/Pfalz.
Frei zur Uraufführung
»Wir brauchen niemanden, der uns
die Geschichte erklärt, wir machen
die Geschichte selbst.« (aus: Klassenkämpfe)
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Foto: Susanne Schleyer
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Starke Prosa für die Bühne
Ausgewählte Romanvorlagen aus dem Suhrkamp-Programm und aktuelle Theatralisierungen
Isabel Allende
Das Geisterhaus
Originaltitel: La casa de los espiritus
Deutsch von Anneliese Botond
Ein Roman, der zum Mythos wurde: Erzählt wird die
wechselhafte Geschichte der Familie des chilenischen
Patriarchen Esteban Trueba und seiner hellsichtigen
Frau Clara. Sie führt durch eine Zeit, in der persönliche Schicksale und politische Gewalt eng miteinander
verwoben sind. Der Erfolg dieses Buches verdankt sich
dem hinreißenden Erzähltemperament Isabel Allendes:
Mit Phantasie, Witz und Zärtlichkeit malt die Autorin
das bunte Tableau einer Familie über vier Generationen
hinweg.
Premiere der Bühnenbearbeitung von
Antú Romero Nunes und Florian Hirsch
im Januar 2014, Burgtheater Wien
Regie: Antú Romero Nunes
Volker Braun
Die hellen Haufen
Dietmar Dath
Die Abschaffung der Arten
Ulrike Edschmid
Das Verschwinden des Philip S.
Am 1. Mai 1992 demonstrieren 4000 streikende Arbeiter an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze und
errichten einen Zaun mit der Aufschrift: »Kein Kolonialgebiet«. Der Protest nimmt immer größere Dimensionen
an, man marschiert gen Berlin, debattiert die Belagerung
von Erfurt, kurz: es kommt zum großen Arbeiterkrieg.
Der Fabulierkraft und -lust, dem Witz und dem Humor
Volker Brauns ist es zu verdanken, wenn Die hellen
Haufen konkret und einfühlsam, ironisch und bitterernst von einem Aufstand berichten, der nicht stattgefunden hat. Zwar streift ein Heerhaufen Entlassener und
Arbeitsloser durch Mitteldeutschland – dass sie aber
nicht kämpfen, ist der bittere, süße Faden der Erzählung. Sie sammeln sich auf einem Schlackeberg, dem
Schutt ihrer Existenz, die nicht zu verteidigen ist, eines
Besitzes, den sie nicht besessen haben, eines Lebens,
für das man das seine nicht in die Schanze schlägt. So
wird eine Niederlage erfochten und ein Widerstand erdacht. Diese klare, einfache, harte Geschichte musste
geschrieben werden. »Was wir nicht zustande gebracht
haben, müssen wir überliefern.« Ernst Bloch
Das Zeitalter, das wir kennen, ist längst vorbei. Wo einmal Europa war, gibt es nur noch drei labyrinthische
Städte, die eher gewachsen sind, als dass sie erbaut
wurden. Die Welt gehört den Tieren. Cyrus Golden, der
Löwe, lenkt den Staat der drei Städte. Als ein übermächtiger Gegner die neue Gesellschaft bedroht, schickt er
den Wolf Dimitri als Diplomaten aus – er soll im einstigen Nordamerika einen Verbündeten finden. Die Nachtfahrt über den Ozean führt den Wolf an den Rand seiner
Welt, wo er erkennt, »warum den Menschen passiert ist,
was ihnen passiert ist«.
Die große spekulative Literatur über Niedergang und
Wiedergeburt der Zivilisation reicht von Thomas Morus
über H. G. Wells und Jules Verne bis hin zu Stephen
King und William Gibson. Dietmar Dath schreibt sie mit
diesem Roman fort.
Im Mai 1975 stirbt Philip S. beim Schusswechsel mit
der Polizei auf einem Kölner Parkplatz. Fast vierzig Jahre später geht eine Frau auf die Suche nach den wenigen Spuren, die er hinterlassen hat, und kehrt zurück
in die dramatischste Phase ihres Lebens.
Philip S. war ihr Gefährte: ein sensibler, eigenwilliger
junger Mensch, der 1967 aus Zürich nach Berlin kam,
sich liebevoll um ihr Kind kümmerte und seinen ersten
experimentellen Film drehte, während andere gegen
den Vietnamkrieg demonstrierten und Institute besetzten. Drei Jahre später wird ihre Fabriketage mehrmals
von der Polizei durchsucht. Der sechsjährige Sohn, unbestechlicher Zeuge einer zunehmenden Radikalisierung, tritt den bewaffneten Beamten mit seiner Armbrust entgegen. Als die Mutter und Philip S. verhaftet
werden, kann er ihnen nicht mehr beistehen. Ohne es
zu wissen, wird er seine Mutter retten. Philip S. dagegen, der sich für die Revolution entschieden hat, setzt
sich Schritt für Schritt aus dem gemeinsamen Leben ab.
Ulrike Edschmid erzählt vom unaufhaltsamen Verlust
eines Menschen, der in den bewaffneten Untergrund
geht. Sie wirft einen Blick zurück auf die prägenden
Jahre im Leben ihrer Generation – und auf eine Tragödie, die so noch nie beschrieben wurde.
Premiere der Rudolstädter Bühnenfassung:
16. Februar 2013, Theater Rudolstadt
Regie: Steffen Mensching
▯ Premiere der Senftenberger Bühnenfassung:
14. September 2013, Neue Bühne Senftenberg
Regie: Sewan Latchinian
▯
58
883 S. Geb. € 10,–
(978-3-518-46385-7)
96 S. Geb. € 14,90
(978-3-518-42239-7)
Bisherige Inszenierungen:
▯ 8. November 2009, Deutsches Theater Berlin,
Bühnenfassung und Regie: Kevin Rittberger
▯ 30. April 2010, Staatstheater Mainz, Bühnenfassung
und Regie: Martin Oelbermann
▯ 7. Mai 2010, Schauspiel Leipzig, Bühnenfassung und
Regie: Martin Laberenz
▯ 2013/14, Hochschule für Schauspiel Ernst Busch
Bühnenfassung und Regie: Claudia Bauer
552 S. Broschur. € 12,–
(978-3-518-46145-7)
Frei zur Dramatisierung
157 S. Geb. € 15,95
(978-3-518-42349-3)
59
STARKE PROSA FÜR DIE BÜHNE
Gerhard Fritsch
Fasching
Anna Katharina Hahn
Am Schwarzen Berg
Christoph Hein
Weiskerns Nachlass
Albert Ostermaier
Schwarze Sonne scheine
»Auf diesem Fasching tanzen wir noch immer. Felix Golub, aus der deutschen Wehrmacht desertiert, überlebt
die Zeit bis zur Befreiung als Dienstmädchen verkleidet.
Am Ende des Krieges zwingt er den Ortskommandanten ›mit den Waffen einer Frau‹ zur Kapitulation und
bewahrt dadurch seine Heimatstadt vor einer sinnlosen
Zerstörung. Aus ehemaligen Nazis und Mitläufern werden honorige Bürger, die den ›Feigling in Frauenkleidern‹ schließlich zur Faschingsprinzessin wählen …«
Robert Menasse
In ihrem Roman erzählt die Autorin die Geschichte
zweier benachbarter Paare, die sie in einer befremdlichen Form der Fürsorge für Peter auf seltsame Art
zusammenschweißt. Peter, der Sohn des einen Paares,
inzwischen selbst erwachsen, Vater zweier Kinder, ist,
von seiner Familie verlassen, erschöpft und verzweifelt
ins Elternhaus zurückgekehrt. Mit dem Blick in die Innenwelten des Familiären wie des Einzelnen öffnet sich
gleichzeitig die Außenwelt, die Gesellschaft, in die die
Beteiligten eingebettet sind.
Premiere der Bühnenfassung von Eva Lange
und Matthias Huber am 3. Mai 2014 am
Schauspiel Leipzig
Regie: Eva Lange
»Anna Katharina Hahn schreibt schonungslos, verwendet äußerst präzise Sprachbilder. Sie seziert diese Menschen, ohne sie jemals zu denunzieren oder sentimental
zu werden. Mich interessieren diese Figuren, in ihrer
Suche nach Trost und Lebenssinn, ihrer Sehnsucht,
ihren Ecken und Kanten, ihrer Lebensunsicherheit, in
ihrem Kampf, im Leben zu bestehen, klarzukommen.«
Rüdiger Stolzenburg, 59 Jahre alt, hat seit 15 Jahren eine
halbe Stelle als Dozent an einem kulturwissenschaftlichen Institut. Seine Aufstiegschancen tendieren gegen
null, mit seinem Gehalt kommt er eher schlecht als recht
über die Runden. Er ist ein prototypisches Mitglied des
akademischen Prekariats. Dieser »Klasse« fehlt jede Zukunftshoffnung: Die selbst gesetzten Maßstäbe an die
universitäre Lehre lassen sich nicht aufrechterhalten;
die eigene Forschung führt zu keinem greifbaren Resultat. Für das Spezialgebiet des Rüdiger Stolzenburg, den
im 18. Jahrhundert in Wien lebenden Schauspieler, Librettisten Mozarts und Kartografen Friedrich Wilhelm
Weiskern, lassen sich weder Drittmittel noch Publikationsmöglichkeiten beschaffen. Und dann gibt es große
Verwicklungen. Seine Bemühungen, eine ihn ruinierende Steuernachforderung zu erfüllen, machen ihm endgültig deutlich: die Welt, die Wirtschaft, die Politik, die
privaten Beziehungen – alles ist prekär. Sie zerbrechen,
sie setzen Gewalt frei, geben in großem Ausmaß den
Schein für Sein aus.
Im Klostergemäuer des Luxemburger Kapuzinertheaters erlebte die Monologfassung von Albert Ostermaiers
Roman Schwarze Sonne scheine eine furiose Premiere.
Luc Veit überzeugte in der Rolle des jungen Schriftstellers Sebastian, der sich schmerzhaft vom Trauma eines
Verrats zu befreien versucht. An ihm sollte eine betrügerische, pseudo-religiöse »Wunderheilung« vollzogen
werden – ein besonderer Fall kirchlichen Missbrauchs.
»Die Emotionen, die Luc Veit freisetzt, die Leichtigkeit,
mit der er durch den komplexen, bilderreichen Text
stolziert, und vor allem seine nüchterne Ironie, mit der
er die furchtbare Geschichte erzählt, sind ganz großes
Theater!«, schreibt das Luxemburger Tageblatt über den
dramatischen Befreiungsakt, den das Stück erzählt.
Ostermaiers Thriller thematisiert auf eindringliche Weise das Fortwirken ideologischer Strukturen in pseudoreligiösem Gewand. Die konzentrierte Spielfassung des
Romans ist verfügbar und für weitere Inszenierungen
zu entdecken. (1 H)
Christoph Mehler
60
248 S. Broschur. € 8,50
(978-3-518-38978-2)
Premiere: 25. April 2014 am Schauspiel Stuttgart
Regie: Christoph Mehler
▯
237 S. Broschur. € 8,99
(978-3-518-46422-9)
318 S. Broschur. € 9,99
(978-3-518-46392-5)
Premiere: 28. November 2012, Les Théâtres de la
Ville de Luxembourg/Théâtre des Capucines
Regie: Johannes Zametzer
▯ Gastspiele in Berlin, Mülheim, Prag und München
▯
Premiere der Weimarer Bühnenfassung:
8. September 2013, Deutsches Nationaltheater Weimar
Regie: Enrico Stolzenburg
▯ Premiere der Senftenberger Bühnenfassung:
14. September 2013, Neue Bühne Senftenberg,
Regie: Sewan Latchinian
287 S. Broschur. € 9,99
(978-3-518-46363-5)
61
Schwerpunkt – Erster und
In die historische DNA Deutschlands, Europas und der Welt haben sich zwei Daten tief eingeschrieben:
1914 und 1939. Der Beginn der beiden Weltkriege jährt sich 2014 zum hundertsten bzw. zum 75. Mal. Die
hier versammelten Stücke und Prosatexte beschäftigen sich auf unterschiedliche, sehr eigene Weise mit
diesen Ereignissen. Sie reflektieren die Zeit vor Ausbruch des Infernos, sie erzählen von verheerenden
Angriffen, von der zutiefst verstörenden Erfahrung des Krieges, aber auch von der Zeit »danach« und
dem Weiterleben …
STÜCKE
Edward Bond
Rot, schwarz und ignorant
Edward Bond
Die Konservendosenmenschen
Originaltitel: Red, Black and ignorant
Erster Teil der Trilogie »The War Plays«
Deutsch von Karin Graf und Clive Winter
Originaltitel: The Tin Can People
Zweiter Teil der Trilogie »The War Plays«
Deutsch von Karin Graf und Clive Winter
Zu Beginn dieses Stückes von Edward Bond wird ein
»Monster« während eines Atomangriffs als Embryo aus
dem Mutterleib geschleudert. Dieses Monster, das tot geboren wurde, absolviert ein gleichnishaftes Leben: In der
Schule zu Angst und Hass erzogen, verkauft es später seinen eigenen Sohn, der, in der Armee zur Tötungsmaschine ausgebildet, den Vater erschießt. »Rot an den Händen,
schwarz im Herzen und ignorant in den Köpfen«, so zeichnet Bond die Regierenden als Verantwortliche des Atomkriegs. (5 D, 5 H)
»Wir lernen nicht aus den Fehlern der anderen – meistens nicht einmal aus den eigenen.« Die Erde ist nach
dem großen atomaren Krieg in ein riesiges Leichenfeld
verwandelt. Eine kleine Gruppe von Menschen lebt wie
zu Beginn der Zivilisation und wähnt sich, traumatisiert,
im Paradies. Aber bereits ein einziger Unbekannter bringt
die Gruppe derart ins Ungleichgewicht, dass vergessen geglaubte Aggression und Hysterie wieder zutage treten. Die
Waffe wird neu erfunden. (4 D, 3 H)
Uraufführung: 29. Mai 1985, Royal Shakespeare
Company, Barbican Pit London
Regie: Edward Bond und Nick Hamm
▯ Deutschsprachige Erstaufführung: 26. Juni 1988
Theater Coprinus Zürich
Regie: Hanspeter Müller
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Uraufführung: 29. Mai 1985, Royal Shakespeare
Company, Barbican Pit London
Regie: Edward Bond und Nick Hamm
▯ Deutsche Erstaufführung: 14. April 1988
Theater Bonn
Regie: Ina-Kathrin Korff
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Zweiter Weltkrieg
Edward Bond
Großer Frieden
Originaltitel: Great Peace
Dritter Teil der Trilogie »The War Plays«
Deutsch von Karin Graf
Eine Mutter füttert zwei Kleinkinder, das eigene und das
der berufstätigen Nachbarin. Dann legt sie sie auf die Wickelkommode und geht, um ihrem Sohn Zigaretten zu kaufen. Der hat Urlaub von der Armee. Doch die Frau weiß
nicht, dass der Sohn mit einem Auftrag in die Heimat zurückgekehrt ist: Das Militärregime hat den Massenmord
an Kindern unter fünf Jahren angeordnet. Denn der Atomkrieg hat begonnen, die Wirtschaft liegt am Boden, und
jeder Mensch, der den Kampf dieses totalitären Staates
nicht unterstützen kann, ist ein »unnützer Fresser«. »Verleichen« heißt die Parole. (5 D, 1 H)
▯ Uraufführung: 17. Juli 1985, Royal Shakespeare
Company, Barbican Pit London
Regie: Nick Hamm
▯ Deutsche Erstaufführung: 22. Januar 1988
Theater Bonn
Regie: Peter Eschberg
Thomas Brasch
Frauen. Krieg. Lustspiel
Die Zeitungsnotiz aus dem Berlin von 1920 könnte etwa
so lauten: »Die 25-jährige verwitwete Rosa G. muss sich
vor dem Amtsgericht verantworten, ihr eigenes Kind umgebracht zu haben. Angezeigt wurde die Angeklagte von
ihrer Freundin Klara B., die wie sie als Wäscherin bei der
Wäscherei K. beschäftigt ist und möglicherweise aus später
Rache handelte: Die Frauen hatten mit dem Wäscheausfahrer Johannes G., der am 6. Juni 1916 vor Verdun gefallen
ist, beide ein Verhältnis, ehe der Verstorbene Rosa ehelichte. Nach der Nachricht von seinem Tode meldeten sich die
beiden Frauen als Krankenschwestern an die Front. Die An-
geklagte Rosa G. soll auch in einem Feldbordell gearbeitet
haben und stellt in Abrede, zu wissen, wer der Vater des
Kindes ist.« (2 D, 7 H)
Uraufführung: 10. Mai 1988, Wiener Festwochen
Regie: George Tabori
▯ Deutsche Erstaufführung: 14. Januar 1990
Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Regie: Uli Heising
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Bertolt Brecht
Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui
Dieses Theaterstück, 1941 in der Emigration entstanden,
zeigt den Aufstieg Hitlers zur Macht bis zum Jahre 1938.
Die NS-Großfunktionäre erscheinen als Chicagoer Gangster und reden in den glatten Jamben des deutschen klassischen Dramas. Durch die doppelte Verfremdung werden
die Ereignisse jener Jahre erkennbar nicht als schicksalhaftes Verhängnis, sondern als die Konsequenz der herrschenden Verhältnisse: Faschismus ist die noch immer
mögliche Fortsetzung der Geschäfte mit anderen Mitteln.
(3 D, 28 H, Doppelbesetzungen möglich)
Uraufführung: 10. November 1958, Staatstheater Stuttgart
Regie: Peter Palitzsch
Bertolt Brecht
Schweyk im zweiten Weltkrieg / Schweyk
Stück in 8 Bildern
Im Schweyk sieht Brecht den »echt unpositiven Standpunkt
des Volkes, das eben das einzige Positive selbst ist und daher zu nichts anderem ›positiv‹ stehen kann«. Schweyk ist
»lediglich der Opportunist der winzigen Opportunitäten,
die ihm geblieben sind. Er bejaht aufrichtig die bestehende Ordnung, soweit er eben ein Ordnungsprinzip bejaht,
sogar das Nationale, das er nur als Unterdrückung trifft.
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ERSTER UND ZWEITER WELTKRIEG
Seine Weisheit ist umwerfend. Seine Unzerstörbarkeit
macht ihn zum unerschöpflichen Objekt des Missbrauchs
und zugleich zum Nährboden der Befreiung.« (3 D, 12 H,
Doppelbesetzungen möglich)
Uraufführung: 17. Januar 1957, Theater der
polnischen Armee Warschau
▯ Deutsche Erstaufführung:
Ost: 1. März 1958, Städtische Bühnen Erfurt
Regie: Eugen Schaub
West: 20. Juni 1959, Schauspiel Frankfurt
Regie: Harry Buckwitz
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Tankred Dorst
Eiszeit
Mitarbeit Ursula Ehler
Nach dem Zweiten Weltkrieg in Norwegen: Ein berühmter
alter Dichter ist in einem Altersheim interniert. Widerwillig muss er sich die Frage nach seiner Mitschuld an den
Gräueltaten des Naziregimes in seinem Land stellen lassen. Die extra für ihn ins Leben gerufene Untersuchungskommission steht vor einer schwierigen Aufgabe. Denn
für alle Anschuldigungen hat der Alte stets eine störrische
Erklärung, und sei es die, dass er alles vergessen habe.
(4 D, 8 H)
Uraufführung: 15. März 1973, Schauspielhaus Bochum
Regie: Peter Zadek
Marguerite Duras
Hiroshima Mon Amour
Deutsch von Walter Maria Guggenheimer
Eine Französin und ein Japaner erleben zwölf Jahre nach
dem Angriff auf Hiroshima eine kurze Liebesgeschichte.
Selbst dem Zweiten Weltkrieg entkommen, versuchen sie,
der Katastrophe von Hiroshima die Liebe zweier Menschen
entgegenzusetzen. Das Stück macht Schluss mit der Schilderung des Entsetzlichen durch das Entsetzliche, lässt das
Entsetzen wiederauferstehen aus der Asche und sich ein-
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prägen in eine Liebe, die gerade durch den Ort des Entsetzens ihre Tiefe und Glaubwürdigkeit erfährt. (2 D, 3 H)
Werner Fritsch
Schwejk?
Uraufführung: 20. August 1989, Aufführung als
szenisches Oratorium: Alte Oper Frankfurt am Main
Regie: Frank Moritz
Es gibt in der Weltliteratur Helden, die ihren Büchern entstiegen sind, sich mitten unter den Menschen angesiedelt
haben und ihr eigenes Leben führen, unabhängig von ihrem Autor und dessen Sujet. Einer von diesen Helden ist
der von Jaroslav Hasek erdachte Schwejk. Werner Fritsch
hat den Titel seines Volksstücks mit einem Fragezeichen
versehen. Man ahnt: um eine Adaption des Hasek-Romans
kann es sich nicht handeln. Vielmehr lässt Fritsch seine
Figuren im Geist des braven Soldaten agieren, lässt sie die
Beschränktheit militärischer Logik und die Absurdität der
Kriege entlarven. (5 D, 8 H)
Hans Meyer-Hörstgen
Kaiserwetter
Wilhelm, Kaiser von Preußen, veranstaltet mit seiner Frau
Auguste Viktoria eine Séance. Bedeutende Gäste sind eingeladen: Theobald von Bethmann Hollweg, Reichskanzler, und Helmuth von Moltke, Generalstabschef. Franz
Ferdinand, habsburgischer Thronfolger, wurde soeben in
Serbien ermordet, und die Geister sollen, so sie denn erscheinen, einen politischen Rat geben. Nach anfänglichen
Schwierigkeiten erscheint der tote Franz Ferdinand tatsächlich – in Gestalt des Kammerdieners. Schnell ist klar:
Ferdinand will Rache. Deutschland zieht in den Ersten
Weltkrieg. Und zwar mit einer ausgelassenen Polonaise.
(1 D, 4 H)
Frei zur Uraufführung
Werner Fritsch
Enigma Emmy Göring
Der Monolog einer Frau, die entweder die übriggebliebene
Gattin ihres Hermann ist oder eine Frau, die glaubt, diese
zu sein: auf jeden Fall der Monolog einer Schauspielerin.
Alles, was sie erzählt, ist so grässlich harmlos, dass den
lachenden Zuhörern die Haare zu Berge stehen. Emmy, die
ihre Schauspielerkarriere der Repräsentation im Zentrum
der Macht geopfert hat, spricht nicht nur mit Hermann,
Adolf und Gustaf, sondern auch als Hermann, Adolf und
Gustaf. (1 D)
Uraufführung: 22. Februar 2004
Hessisches Staatstheater Darmstadt
Regie: Werner Fritsch
Uraufführung: 14. Februar 2003, Landestheater Linz
Regie: Gerhart Willert
Werner Fritsch
Sense
Lukas, ein vereinsamter Bauer mit generationstypischen
Erlebnissen im Russlandkrieg, der für ihn der einzige Ausbruch aus seiner engen Lebenswelt war, empfindet sich
heute als Opfer von EG, fremden Einflüssen und maroden
Zeitläufen. So schief sein Bild von der Welt auch ist, so
eigen ist seine Sprache, deren Bilderwelt zur ungewollten
Offenbarung seiner Wünsche wird. (1 H)
Uraufführung: 9. Oktober 1993, Schauspiel Bonn
Regie: Werner Fritsch
Albert Ostermaier
Vatersprache
jedoch mit allen Vätern, sowohl mit denen der Kriegs- als
auch mit denen der 68er-Generation. Im Bild, das Wolf
sich vom Vater macht, zeigen sich immer mehr und unverkennbar die eigenen Züge. Der Monolog wird zu einer
Konfrontation mit den eigenen Lebenslügen, zu einer
Selbstabrechnung, in der alle vermeintlichen Sicherheiten
auf dem Prüfstand stehen. (1 H)
Uraufführung: 31. August 2002, Ruhr Triennale Essen
Regie: Matthias Hartmann
Albert Ostermaier
Zwischen zwei Feuern
Tollertopographie
Am Vorabend des 2. Weltkrieges. Im New Yorker Exil
durchleidet Ernst Toller seinen letzten Tag. Ostermaiers
Stück entwirft eine Topographie der Künstlerseele: Tollers
Alter Ego, Tollkirsch, führt ihm immer wieder sein Scheitern vor Augen und hetzt ihn so zu Tode. (2 H)
Uraufführung: 31. August 2002, Ruhr Triennale Essen
Regie: Matthias Hartmann
Peter Weiss
Die Ermittlung
Auf den Dokumenten des Auschwitz-Prozesses basierend,
lässt Weiss Richter, Zeugen und Angeklagte auftreten. Seine szenische Collage dient insbesondere der Anklage der
deutschen Großindustrie, die Nutznießer der KZ-Greuel
gewesen ist. (2 D, 28 H, Doppel- und Mehrfachbesetzung
möglich)
Ringuraufführung an über 14 Theatern: 19. November 1956
Wolf, ein junger Mann, kommt nach Jahren im Ausland in
seine deutsche Heimat zurück, um das Erbe seines verstorbenen Vaters anzutreten: eine leere Wohnung – nichts
als ein Schrank. Wolf führt in einem Frage- und Antwortspiel die Auseinandersetzung mit dem Verstorbenen, bald
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ERSTER UND ZWEITER WELTKRIEG
PROSA
Marcel Beyer
Flughunde
Flughunde sind fledermausähnliche Flattertiere mit hundeartigem Kopf. Für Hermann Karnau sind sie von Kindheit an Sinnbild einer Welt, die vor dem Zugriff fremder
Stimmen geschützt ist. Die Stimme ist der Fetisch des
Akustikers Karnau, der 1940 den Plan fasst, systematisch
das Phänomen der menschlichen Stimme zu erkunden.
Die eine Erzählstimme gehört Hermann Karnau, dessen
Namen der Autor einem Wachmann im Berliner Bunker
unter der Reichskanzlei entliehen hat. Die andere gehört
der achtjährigen Helga, einer Tochter des Propagandaministers. Immer wieder kommt es zu Begegnungen der beiden, zuletzt im April 1945, als Karnau in Berlin ist, um die
Führerstimme aufzuzeichnen.
Ein Zeitsprung führt in den Sommer 1992. Hermann Karnau, der nach dem Krieg untertauchen konnte, findet in
seinem Plattenarchiv die Stimmen, die Gespräche von Helga und Helgas Geschwistern während ihrer letzten Tage
und Nächte wieder. Auch den Kindern hat er die Stimmen –
bis zum letzten Atemzug – abgelauscht.
Marcel Beyer
Kaltenburg
Wer ist Kaltenburg? Ein Ornithologe und Verhaltensforscher, der nach dem Krieg in Dresden ein Forschungsinstitut aufbaut. Ein Exzentriker, der den Dienstwagen samt Stasi-Chauffeur stehen lässt und Motorrad fährt. Für Hermann
Funk, der seine Eltern in der Dresdner Bombennacht verlor,
wird er zum Ziehvater. Als alter Mann erinnert sich Funk:
an die Gründung des Institutes und der DDR, an Kaltenburgs plötzliches Verschwinden nach dem Mauerbau, an
ein möglicherweise dunkles Kapitel in dessen Vergangenheit. Vor dem Hintergrund von einem halben Jahrhundert
DDR-Geschichte erzählt Marcel Beyer in seinem hochgelobten Roman meisterlich von menschlichen Lebensläufen.
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André Kaminski
Nächstes Jahr in Jerusalem
Gert Ledig
Stalinorgel
Hans Erich Nossack
Der Untergang
Nächstes Jahr in Jerusalem erzählt die Geschichte zweier
jüdischer Familien in wirrer Zeit, im von Krieg und Revolution erschütterten Europa vor, im und nach dem Ersten
Weltkrieg – und ist doch alles andere als eine traurige Geschichte.
»Gert Ledigs Stalinorgel zeigt den Kampf um eine Höhe
bei Leningrad 1942 als puren Wahnsinn, als absurdes
Horrorspektakel: ein radikales Buch, wie es in der deutschen Nachkriegsliteratur ohne Beispiel ist - am ehesten
vergleichbar mit späteren Kriegsromanen amerikanischer
Provenienz wie Joseph Hellers Catch-22 (1961) oder Kurt
Vonneguts Schlachthof 5 (1969).« Volker Hage
Im Jahre 1943, drei Monate nach dem »Untergang Hamburgs«, hat Hans Erich Nossack Rechenschaft abgelegt
über eine Katastrophe, deren Zeuge er war. »Das Schicksal
hat es mir erspart, eine Einzelrolle dabei zu spielen ... Für
mich ging die Stadt als ein Ganzes unter, und meine Gefahr
bestand darin, schauend und wissend durch Erleiden des
Gesamtschicksals überwältigt zu werden.« Was unter dem
Zwang des grauenvoll Erlebten niedergeschrieben wurde,
ist das Beweisstück, dennoch überlebt zu haben.
Alexander Kluge
Der Luftangriff auf Halberstadt
am 8. April 1945
Alexander Kluges Erzählung über die Luftangriffe auf
deutsche Städte: eine analytisch-kühle Darstellung des
Zerstörungswerks, die inmitten des Infernos jenen Rest
an Selbstbehauptung und Rationalität sondiert, der noch
die Zusammenhänge der Katastrophe als verständlich und
künftige Auswege als möglich erscheinen ließ.
Siegfried Kracauer
Ginster
Ein »Drückeberger« als Held: Ginster ist 25, als der Erste
Weltkrieg ausbricht, ein begabter Frankfurter Architekt.
Der patriotischen Begeisterung seiner Zeitgenossen steht
er skeptisch gegenüber, und er lässt sich immer wieder
vom Kriegsdienst zurückstellen – das Vaterland braucht
seine Architekten schließlich nicht an der Front, sondern
zu Hause. Doch dann ereilt auch Ginster der Gestellungsbefehl. Weit weg von den Schlachtfeldern lernt er, mit militärischer Präzision ein Bett zu bauen, zu schießen und
»gegen die Feinde Kartoffeln zu schälen«. Und es festigt
sich in ihm die Überzeugung, dass all diese Übungen nicht
dem Krieg dienen, sondern der ganze Krieg ein Vorwand
für die Übungen ist.
Gert Ledig
Vergeltung
Ein geradezu apokalyptischer Antikriegsroman: die schonungslose Darstellung eines 70-minütigen, mittäglichen
Bombenangriffs der amerikanischen Luftwaffe auf eine
ungenannte deutsche Stadt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, in dessen Verlauf eine hohe Anzahl von Zivilisten
und Militärangehörigen ums Leben kommt. Die Ereignisse
werden dabei sowohl aus deutscher als auch aus amerikanischer Perspektive mit großer Direktheit und ohne Aussparung grausamer Details geschildert.
Hermann Lenz
Neue Zeit
1975 zum ersten Mal erschienen, zählt Neue Zeit zu den
fesselnden Büchern innerhalb der Lenz’schen »Biographie
des 20. Jahrhunderts«. Die neue Zeit, die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, ist für Hermann
Lenz’ Alter Ego Eugen Rapp eine Zeit der Ausgrenzung,
des äußeren Zwangs. Der Münchner Kunstgeschichtsstudent, schon bald verlobt mit Hanne Trautwein, muss 1940
als Soldat zunächst den »Frankreichfeldzug« mitmachen,
danach wird er nach Russland kommandiert. Ihn rettet
allein sein stoisches Verhalten: nur das zu tun, was ihm
ausdrücklich befohlen wird.
Peter Weiss
Die Ästhetik des Widerstands
Der Roman Die Ästhetik des Widerstands ist zu einem Kultbuch geworden. Was erzählt der Roman? Er berichtet von
jungen Arbeitern, die 1937 in Berlin ihren Standort umreißen. Über die Tschechoslowakei gelangt der Erzähler nach
Spanien und nimmt teil am Bürgerkrieg. Der zweite Teil
schildert die Vielschichtigkeit der Erlebnisse im Stockholmer Exil. Der Autor verfolgt die Wege der Personen: Endstation für viele sind die Hinrichtungsstätten des »Dritten
Reichs«. Dennoch bleibt der Widerstand ihr Vermächtnis.
2012/13: Inszenierungen in Essen und Recklinghausen
Ernst Weiß
Der Augenzeuge
»Dreiundzwanzig Jahre nach dem Tod des Autors – Weiß
beging 1940 im Pariser Exil Selbstmord – erschien dieser Roman, der von einem Arzt berichtet, der im letzten
Jahr des Ersten Weltkriegs den Gefreiten A. H. von einem
eingebildeten Augenleiden heilt. Jahre später verfolgt er
dessen nicht mehr aufhaltsamen Aufstieg zum Führer der
Deutschen. Wegen des Krankenberichts, den er einst über
A. H. abfasste, wird der Arzt im KZ gefoltert; er kann aber
fliehen und tritt schließlich den spanischen Truppen bei.
Neben Thomas Manns Bruder Hitler-Essay ein nicht minder kühner und gelungener Versuch, beide Parteien zu
verstehen – und dann zu richten.« Der Spiegel
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JAHRESTAGE
2014
25. Todestag
Samuel Beckett
13. April 1906 – 22. Dezember 1989
60. Geburtstag
70. Geburtstag
24. Mai 1954
17. Januar 1944 – 21. Juli 2001
Rainald Goetz
Einar Schleef
70. Geburtstag
70. Geburtstag
8. April 1944
26. September 1944
Christoph Hein
Peter Turrini
100. Geburtstag
9. Februar 1931 – 12. Februar 1989
28. März 1914 – 3. Februar 1997
2015
80. Geburtstag
120. Geburtstag, 55. Todestag
70. Geburtstag
18. Juli 1934
17. Dezember 1894 – 29. November 1959
Edward Bond
Bohumil Hrabal
Hans Henny Jahnn
75. Geburtstag
80. Geburtstag, 30. Todestag
7. Mai 1939
20. Juli 1934 – vermutlich 24. Februar 1984
Volker Braun
Uwe Johnson
100. Geburtstag
60. Geburtstag
4. April 1914 – 3. März 1996
16. April 1954
Marguerite Duras
80. Geburtstag
Per Olov Enquist
23. September 1934
Sibylle Lewitscharoff
90. Geburtstag
Friederike Mayröcker
20. Dezember 1924
60. Geburtstag
Robert Menasse
21. Juni 1954
110. Geburtstag
Samuel Beckett
13. April 1906 – 22. Dezember 1989
50. Geburtstag
25. Todestag
Thomas Bernhard
2016
Dirk Dobbrow
6. Dezember 1966
20. Todestag
Thomas Brasch
Marguerite Duras
4. April 1914 – 3. März 1996
19. Februar 1945 – 3. November 2001
90. Geburtstag
90. Geburtstag
Tankred Dorst
Gerlind Reinshagen
4. Mai 1926
19. Dezember 1925
100. Geburtstag
50. Todestag
T.S. Eliot
Peter Weiss
8. November 1916 – 10. Mai 1982
26. September 1888 – 4. Januar 1965
60. Geburtstag
Thomas Meinecke
25. August 1955
20. Todestag
Heiner Müller
9. Januar 1929 – 30. Dezember 1995
85. Geburtstag
Heiner Müller
9. Januar 1929 – 30. Dezember 1995
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IMPRESSUM / KONTAKT
suhrkamp spectaculum
Mit neuem inhaltlichem Konzept und in attraktiver Ausstattung stellt suhrkamp spectaculum aktuelle Stücke von Dramatikerinnen
und Dramatikern des Suhrkamp Verlages in
autorenbezogenen Einzelbänden vor.
253 Seiten. Broschur. € 20,–
(978-3-518-42378-3)
151 Seiten. Broschur. € 14,–
(978-3-518-42379-0)
Den Auftakt bildeten im Frühjahr 2013 zwei
Bände mit Stücken von Christoph Nußbaumeder und Martin Heckmanns, die zu den meistgespielten Dramatikern ihrer Generation gehören. Im Herbst 2013 folgten zwei Ausgaben mit
Werken von Ingrid Lausund und Noah Haidle.
Lausund ist eine der erfolgreichsten deutschen
Theaterautorinnen. Haidle gehört zu den interessantesten Stimmen des zeitgenössischen
amerikanischen Theaters.
suhrkamp spectaculum erscheint jährlich in
vier Bänden und stellt wichtige dramatische
Texte und theaterästhetische Positionen vor.
Im Juni 2014 erscheint außerdem:
Peter Handke
Nebeneingang oder Haupteingang?
Gespräche mit Thomas Oberender
205 Seiten. Broschur. € 18,–
(978-3-518-42412-4)
217 Seiten. Broschur. € 18,–
(978-3-518-42413-1)
Impressum / Kontakt
Suhrkamp Verlag GmbH & Co.KG
Suhrkamp Theater & Medien
Pappelallee 78-79
10437 Berlin
E-Mail: [email protected]
(oder: [email protected])
Telefon: +49 (0)30 / 740 744 391
Telefax: +49 (0)30 / 740 744 399
www.suhrkamptheater.de
Leitung:
Frank Kroll (Lektorat, Theater, Film/TV)
Nicola Ahr (Assistenz)
Dramaturgie: Nina Peters (Lektorat Theater)
Manfred Ortmann (Lektorat Hörspiel, Theater)
Michael Sauter (Lektorat Theater, Musiktheater)
Lizenzen:
Britta Davis (professionelle Theater, internationale Lizenzen)
Alexandra Murphy (Amateure, Lesungen, TV-Ausschnitte, Vertonungen)
Textbuchbestellungen:über www.suhrkamptheater.de, www.theatertexte.de
oder [email protected]
Das Gesamtverzeichnis von Suhrkamp Theater & Medien finden
Sie auf www.suhrkamptheater.de
Dramaturgie
25. November 2013
Jutta Schneider, Frankfurt a. M.
Redaktion: Redaktionsschluss: Gestaltung: © Suhrkamp Verlag Berlin 2013
Alle Rechte vorbehalten. Änderungen vorbehalten.
Alle Angaben zu geplanten Uraufführungen ohne Gewähr.
Bildnachweis Umschlag: Uta Ackermann (Werner Fritsch), Astrid Bartl (Peter
Turrini), Maurizio Buscarino (Cesare Lievi), Brigitte Friedrich (Friederike Mayröcker),
Andrej Glusgold (Martin Heckmanns), Greg Gorman (Stephan Kaluza), Christian
Kaufmann (Georg Ringsgwandl), Isolde Ohlbaum (Tankred Dorst), Patrick Savolainen
(Wolfram Höll), Susanne Schleyer (Ruth Johanna Benrath, Noah Haidle, Konstantin
Küspert, Christoph Nußbaumeder, Albert Ostermaier, Gesine Schmidt), Wolfgang
Suschitzky (Sean O’Casey), Donata Wenders (Peter Handke), Ben Wright (Pamela
Carter), Joachim Zimmermann (Jörn Klare); weitere Nachweise über das Bildarchiv
des Suhrkamp Verlags.
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