Wagenknecht, Udo: (2012): Der YucatanSchwertträger. In: VDA-Arbeitskreis Lebendgebärende Aquarienfische (Hrsg.): viviparos – Das Lebendgebärenden Magazin (10) 1: 26-29 .viviparos Das Lebendgebärenden-Magazin Der Yucatan-Schwertträger Der Yucatan-Schwertträger Udo Wagenknecht Vor einigen Jahren fielen mir bei einem Besuch des Botanischen Gartens in Halle (Saale) im Victoriahaus hübsche Schwertträger mit orange-roter Flanke auf und ich erinnerte mich, diese bei einem früheren Besuch vor ca. 25 bis 30 Jahren dort schon gesehen zu haben. Mein Interesse an diesen Tieren, die sich so lange gehalten haben, war geweckt. Nachdem ich ein geeignetes Aquarium freimachen konnte, erhielt ich von freundlichen Mitarbeitern des Botanischen Gartens einige Exemplare. Die Tiere waren ihrem Farbbild nach relativ leicht als Yucatan- (oder Yukatan-) Schwertträger zu identifizieren, also eine Lokalform von Xiphophorus hellerii. Dr. Mühlberg, der damalige Kurator für den Wasser- und Sumpfpflanzenbereich des Botanischen Gartens, teilte mir im Jahr 2008 mit, dass die ersten Fische von Helmut Stallknecht, Berlin-Ost, stammten, der sie wiederum von Günter Daul, Berlin-West, erhalten hatte Die älteste von mir gefundene Erwähnung des YucatanSchwertträgers stammt von WISCHNATH (1980) mit einem schon vorher veröffentlichten Farbfoto von LINKE (1980). WISCHNATH beschreibt die Färbung wie folgt: „Unterschiedlich ist die Grundfarbe der Männchen, nämlich Hell- bis Mittelgrün, auch Hellgrau bis Graugrün. Blutrot ist der breite Mittelstreifen. Ein schwarzer Streifen geht, am Gonopodium beginnend, in das Schwert über, das zitronengelb bis orangefarben und tief schwarz umrandet ist. Die Rückenflosse ist blutrot (selten weinrot) gepunktet. Unterhalb des Mittelstreifens sind die Männchen hellgelb bis orangefarben, türkis schimmern die Seiten oberhalb desselben. Die Brust ist sandfarben. Die Weibchen sind von gleicher Grundfarbe. Der Mittelstreifen ist weinrot, die Seiten unter dem Mittelstreifen und der Bauch sandfarben. oben „streifiges“ Männchen und Weibchen mit hellem Bauch Fotos: R. Nickel Der weinrote Mittelstreifen setzt sich bis in die mittleren Schwanzflossenstrahlen fort. Oberhalb des Mittelstreifens zeigen die Weibchen einen schmalen türkisfarbenen Streifen. Er verläuft von den Kiemendeckeln bis zur Körpermitte. Mitunter tritt bei älteren Tieren eine schwarze Zeichnung an Rücken- und Schwanzflossenrändern auf.“ Diese Beschreibung, die WISCHNATH in einem weiteren Beitrag 1982 sinngleich wiederholt, stimmt im Wesentlichen auch mit meinen Beobachtungen überein. Neben einer flächigen Färbung treten auch mehr oder weniger eng beieinander liegende rote Streifen auf, letzteres Farbmuster erinnert etwas an die rotflankige Variante von X. alvarezi. Es kommen aber auch immer wieder Tiere mit vollkommen abweichender Färbung vor wie z.B. bei SCHÖPFEL (1997) und KEMPKES/SCHÄFER (1998) gezeigt. SABISCH (2005) links Victoriahaus im Botanischen Garten Halle (Saale) Foto: U. Wagenknecht 26 .viviparos Das Lebendgebärenden-Magazin 1 I 2012 Der Yucatan-Schwertträger berichtete erstmals, dass die Jungfische des YucatanSchwertträgers einen dunklen Augenstrich aufweisen. Während über das Aussehen des Yucatan-Schwertträgers noch einigermaßen Klarheit besteht, gibt es über sein Vorkommen eine Reihe verwirrender Angaben. In nebenstehender Karte zeigt die schraffierte Fläche das bisher durch dokumentierte Aufsammlungen gesicherte Verbreitungsgebiet von Xiphophorus hellerii an der Basis der Halbinsel Yucatan nach KALLMAN und KAZIANIS (2006). Der Hauptteil der Halbinsel ist nicht als Verbreitungsgebiet ausgewiesen; wobei in dem Artikel jedoch angemerkt wird, dass dieses Gebiet nur wenig besammelt wurde und daher eine Ausdehnung der Verbreitung von X. hellerii nach Norden wahrscheinlich ist. WISCHNATH gibt in zwei Texten (1980, 1982) fast die ganze Halbinsel als Verbreitungsgebiet an, ohne dafür irgendwelche Quellen anzuführen und in einem weiteren Werk Yucatan im Bundesstaat Veracruz (1993) – ein offensichtlicher Fehler. Die Verbreitung einer Farbvariante über ein derart großes Gebiet wie die Halbinsel Yucatan ist bei X. hellerii sehr unwahrscheinlich. In einem weiteren Werk von W ISCHNATH (M EYER , W ISCHNATH und FOERSTER 1985) ist Yucatan in der Karte nicht als Verbreitungsgebiet für die Gattung Xiphophorus ausgewiesen. Es wird jedoch im gleichen Werk ein Bild mit einem X.-hellerii-Männchen und typischer Zeichnung mit der Angabe „Population Yucatan“ gezeigt. Warum diese Population in der Verbreitungskarte keine Berücksichtigung fand, ist nicht ersichtlich. Bei BAENSCH/RIEHL (1985) ist zum Vorkommen angegeben: „…in den östlichen Küstenzuflüssen, Bächen und Weihern im Nordwesten von Yucatan (Anm. hier ist offensichtlich der Bundesstaat gemeint), Mexiko und Nordosten von Campeche, Mexiko…“. Im Aquarienatlas sind generell keine Quellen zu Einzelfakten genannt, so dass unklar bleibt, woher diese Eingrenzung gegenüber den Angaben von WISCHNATH stammt. Das gleiche Gebiet wird auch bei SCHÖPFEL angegeben, jedoch ist das .viviparos Das Lebendgebärenden-Magazin 1 I 2012 Verbreitungsgebiet des Yucatan-Schwertträgers auf der Halbinsel Yucatan Fundortangaben nach BAENSCH/RIEHL [A] und DAUL [B]. Schraffur: Verbreitungsgebiet von Xiphophorus hellerii, nach KALLMAN und KAZIANIS (2006). Grafik: M. Heußen nach Angaben des Verfassers vorher erschienene Werk von BAENSCH/RIEHL nicht als Quelle aufgeführt. Die einzige Quellenangabe bei SCHÖPFEL ist MEYER, WISCHNATH und FOERSTER 1985 (vgl. Ausführungen oben). Das von BAENSCH/RIEHL und SCHÖPFEL angegebene Vorkommen ist vom sonstigen Verbreitungsgebiet von X. hellerii sehr weit entfernt (vgl. Karte). Die unklaren und ungesicherten Angaben zur Verbreitung bzw. die fehlenden Belege von einzelnen Aufsammlungen haben in Fachkreisen massive Zweifel links Männchen mit karminroter Flanke Foto: U. Wagenknecht rechts Jungfisch mit typischem Augenstrich Foto: J. Sabisch 27 Der Yucatan-Schwertträger links Männchen mit typischem Körperbau und klassischer Färbung Fotos: U. Wagenknecht entstehen lassen, dass es sich beim Yucatan-Schwertträger tatsächlich um eine in der Natur entstandene Lokalform handelt. In solchen Fällen ist es immer das sicherste, auf die Primärquellen zurückzugehen. Die Ersteinfuhr erfolgte unbestritten durch Günter DAUL aus Berlin. Im Jahr 2008 ergab eine Anfrage bei dem inzwischen leider verstorbenen G. DAUL, dass er die Tiere Mitte der siebziger Jahre während eines Urlaubs auf der Insel Cozumel bei einem Ausflug aufs Festland gefangen hatte. Er gab auch an, über diesen Urlaub in der DATZ ausführlich geschrieben zu haben. Tatsächlich findet sich in der DATZ 1976 eben dieser Bericht wieder. DAUL erwähnt darin, Schwertträger gefangen zu haben, bei denen die Weibchen eine Schwertzeichnung zeigen. Genau diese ist typisch für den Yucatan-Schwertträger, wenn sie auch allgemein wesentlich weniger Beachtung findet als die hübsche Färbung der Männchen. Ältere Weibchen weisen sogar ein „Minischwert“ auf und sind dabei noch voll fruchtbar. Zu den Männchen finden sich in dem Bericht keine Angaben. Nach der Beschreibung von DAUL lässt sich das Fanggebiet recht gut eingrenzen. Es liegt im Bundesstaat Quintana Roo und nicht in Yucatan und Campeche. Wenn man bedenkt, dass das Verbreitungsgebiet von X. hellerii ca. 1200 km lang und mehrere hundert km breit ist, erscheint der verbliebene Abstand von 50 bis 70 km zwischen dem Fanggebiet nach DAUL und der gesicherten Verbreitung relativ gering und gibt eigentlich links Schwanzflosse eines relativ jungen Weibchens mit der für die Fundortvariante typischen Schwertzeichnung Foto: U. Wagenknecht 28 rechts Männchen mit besonders intensiver Rotfärbung der Flanken und kurzem Schwert Foto: J. Sabisch keinen Anlass zu besonderen Zweifeln. Auch die vielfach verwendete Angabe 1978 als Ersteinfuhr ist nach DAULs Bericht in der DATZ auf 1975 zu korrigieren. S. S CHORIES hat vom Autor erhaltene YucatanSchwertträger genetisch untersucht. Ein Erbgutvergleich dieser Tiere mit drei gesicherten Wildformen (Ro Lancetilla, Rio Coatzacoalcos und Rio Sarabia) belegt, dass der Yucatan-Schwertträger ein echter X. hellerii ist. Angesichts des Leserkreises dieses Magazins erübrigt es sich, Hinweise zur Haltung des Yucatan-Schwertträgers zu geben. Daher nur einige Anmerkungen: Die bei BAENSCH/RIEHL (1985) erwähnte Nitrat-Empfindlichkeit kann nicht bestätigt werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die schon recht lange Haltung in künstlichen Gewässern (Victoriabecken; Aquarien) inzwischen zu einer gewissen Selektion in Richtung erhöhter Nitrattoleranz geführt hat. Eine Besonderheit hat J. SABISCH (2005) beobachtet. Bei ihm hatten die Männchen mit besonders intensivem Flankenrot ein verkürztes Schwert. Dies scheint eine Eigenheit seines Stammes zu sein. Meine Tiere zeigten diese Auffälligkeit nicht und auch von anderen Haltern des Yucatan-Schwertträgers gab es keine derartigen Hinweise. SCHÖPFEL (1997) untersucht die Vererbung der verschiedenen Farbvarianten innerhalb der Yucatan-Schwertträger. Durch gezielte Verpaarungen ermittelte er, dass die Färbung der Weibchen ein wesentlicher Faktor für die Färbung der Männchen ist. Nach seinen Angaben ergeben Weibchen mit gelbem Bauch verpaart mit rotflankigen Männchen reinerbig rotflankige Männchen und gelbbäuchige Weibchen. Weibchen mit weißem Bauch verpaart mit rotflankigen Männchen ergeben Männchen mit unterschiedlichem Rotanteil und sowohl gelb- als auch weißbäuchige Weibchen. Weißbäuchige Weibchen mit Männchen mit blaugrünen Körperunterseiten sind wiederum .viviparos Das Lebendgebärenden-Magazin 1 I 2012 Der Yucatan-Schwertträger Erbgutvergleich verschiedener Wildformen von Xiphophorus hellerii mit dem YucatanSchwertträger Autorin S. Schories reinerbig. Zur vierten Kombination - gelbbäuchige Weibchen mit blaugrünen Männchen - macht er keine Angaben. Von mir können diese Ergebnisse nicht verifiziert werden, da meine Tiere als große Gruppe zusammen leben und die Jungtiere unselektiert aufwachsen. Bei der großen Zahl hübscher Lokalformen von Xiphophorus hellerii und der doch kleinen Anzahl daran interessierter Aquarianer wird der Yucatan-Schwertträger wohl weiter eine Rarität bleiben. Bemerkenswert ist, dass sich diese Form schon über 35 Jahre in verschiedenen Stämmen im Aquarium halten konnte. Hoffen wir, dass dies so bleibt. Der Autor dankt allen, die durch Übermittlung von Informationen und Überlassung von Bildmaterial zu diesem Artikel beigetragen haben, insbesondere Frau Susanne S CHORIES für wertvolle Hinweise und technische Unterstützung. Literatur BAENSCH, H. und R. RIEHL (1985): Aquarien Atlas Band 2, MergusVerlag, Melle SABISCH, J. (2005): Xiphophorus helleri „Yucatan“ – ein Schwertträger für Enthusiasten. In: Aquaristik aktuell, Nr. 5, pp. 28 – 30 DAUL, G. (1976): Nach Yucatan, der Fische wegen In: DATZ, 29, pp 6-7 SCHÖPFEL, H. (1997): Der Yucatan-Schwertträger. In: TI-Magazin 133. pp 29-31 KALLMAN, K. und KAZIANIS, S. (2006): The Genus Xiphophorus in Mexico and Central America. In: Zebrafish, Vol. 3, No. 3. pp 271-285 KEMPKES, M. und F. SCHÄFER (1998): Alle Lebendgebärenden und Halbschnäbler. Verlag A.C.S., Mörfelden-Walldorf WISCHNATH, L. (1980): Schwertträger-Wildformen 2. In: AT 27. Heft 5, pp 168-171 WISCHNATH, L. (1982): Seltene Aquariengäste: SchwertträgerWildformen. In: Aquarien-Magazin 4, pp 219-225 LINKE, H. (1980): Titelfoto. AT 27 Heft 3, Titelblatt MEYER, M. K.; L. WISCHNATH und W. FOERSTER (1985): Lebendgebärende Zierfische. Mergus-Verlag, Melle .viviparos Das Lebendgebärenden-Magazin 1 I 2012 WISCHNATH, L. (1993): Atlas of Livebearers of the World. T.F.H. Publications, Neptune NJ, USA 29 10. Jahrgang, März 2012 Erscheinungsweise halbjährlich ISSN 2194-4989 Inhalt REINHOLD NICKEL: Ausblick auf das 10. Lebendgebärenden-Treffen in Fulda KEES DE JONG: Skiffia multipunctata - Ein attraktiver Goodeide aus dem Rio-Lerma-Becken JOHN LYONS: Zum gegenwärtigen Zustand der Goodeidenpopulationen in Mexiko KAY URBAN: Rückblick auf das Herbsttreffen, Würzburg 2011 MICHAEL KÖCK: Mit und ohne Schwert: Die Gattung Xiphophorus. Teil 1: Die Südlichen Schwertträger HARALD AUER: Von fastenden Koyoten und großen Ichthyologen - Kleine Namenskunde von den Schwertträgern UDO WAGENKNECHT: Der Yucatan-Schwertträger MICHAEL KÖCK: Von hinten aufgerollt: Die Goodeiden von Z-A, Teil 1. Die Gattung Zoogoneticus KAY URBAN: Dieter Kurpjuweit, 23.06.1935 - 06.11.2011 MARKUS HEUSSEN: Zwei neue Lebendgebärende beschrieben: Poecilia waiapi und Poecilia hondurensis MARKUS HEUSSEN: Buchvorstellung: Ecology and Evolution of Poeciliid Fishes Copyright © 2012 VDA-Arbeitskreis Lebendgebärende Aquarienfische The German Livebearer Workinggroup - visit us at www.lebendgebaerende-aquarienfische.de .viviparos Contact: [email protected] Das Lebendgebärenden-Magazin 1 I 2013 Cover Photograph: Zoogoneticus tequila. Photography by Frank Krönke 1