Mt. Wilson, 15. September 1919. Maßstab 1: 5.600.000

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Die Mondlandschaft Kopernikus und ihr Strahlensystem. Aufnahme: Mt. Wilson, 15. September 1919.
Maßstab 1: 5.600.000 (Durchmesser der Mondscheibe im Maßstab des Bildes 62 cm). 1 mm = 5,6 km.
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INHALT
Seite
Der verlorene und wiedergefundene Himmel ............................................7
Kosmische Maßstäbe .................................................................................8
Die frei schwebende Erde ........................................................................15
Unser Sonnensystem ............................................................................... 17
Die Sonne als Stern ............................................................................... .21
Sterngesellschaften ..................................................................................28
Fernrohr und Himmelsbild ......................................................................33
Bilder vom Mond ....................................................................................40
Mars und die anderen Planeten. Kometen ...............................................48
Sonne und Sterne .....................................................................................57
Die Milchstraße: Wolken im Weltenraum ...............................................75
Welteninseln ..........................................................................................107
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NACHWEIS DES URSPRUNGS DER BILDER
15: E.M.Antoniadi. Meudon - 51, 52, 59 bis 69, 78:
Prof. Dr. K. Graff, Wien (Zeichnungen am 60-cmRefraktor der Hamburger Sternwarte in Bergedorf) 39. 88: Dr. C. Hoffmeister, Sonneberg in Thüringen
- 19: B. Schmidt, Bergedorf bei Hamburg - 89, 90:
Prof. Dr. C. Störmer, Oslo - 55, 65:
R. J. Trümpler. Lick-Sternwarte - 6: Prof. Dr. A.
Wegener, Marburg - 30, 31, 81, 114: Prof. Dr. M.
Wolf. Heidelberg 58, 70: W. H. Wright, LickSternwarte - - - 5: „Atlantis“ 1929,7-- 25, 116, 119,
120, 122, 123, 128, 131, 132, 133:
E. E. Barnard, Selected regions of the Milky Way
(Washington 1927) - 32: F. Goos, Die Milchstraße
(Hamburg 1922) 44, 45: Loewy und Puiseux, Pariser
Mondatlas - 152: Earl of Parsonstown (Lord Rosse),
Scientific papers - - - 24:
Hamburger Sternwarte, Bergedorf - 156: Haryard
Obseryatory - 11 bis 14: R. Accademia dei Lincei A.
CCCVll 1910, Serie 5a vol. VIII - 16, 38:
Astrophysikalisches Observatorium Potsdam - 1, 20,
21. 26 bis 29, 33 bis 37, 47 bis 50, 56,57,71 bis 74, 76,
77, 84 bis B7. 91 bis 100,103,105,108,111,
112.115,118,121,125,126,129,135,136,137,139
bis144, 146, 14B bis 151, 154, 155, 157 bis 165, 167
bis 174: Mount Wilson Observatory, Pasadena
(California) - 3, 17, 18, 22, 23, 40 bis 43, 46, 53, 54,
75, 79, 80, 82, 83, 101, 102, 104, 106, 107, 109, 110,
113, 117, 124. 127, 130, 134, 13B, 145, 153, 166:
Yerkes Observatory (The University of Chicago
Press), Chicago, lll.
2,4,7 bis 10, 147: nach Originalen des Verfassers.
Katalognummern der abgebildeten Nebel und
Sternhaufen im NGC (Dreyers "New General
Catalogue" und "Index Catalogue"):
26/29. 157 .............. 6205
151 ......................... 6720
33 ........................... 2976
154 .................... 4567/68
34 ........................... 6822
155 ................... 4647/49
125 ......................... 6618
157 ........................ 62/05
126 ......................... 6514
158 ......................... 3034
129 ......................... 7635
159 .........................2841
133, 135 ................. 7000
160 .................... 2903/05
137 .................... I.C. 434
161 ......................... 4826
138, 139 ................. 1976
162 ......................... 5055
140 .......................... 2B1
163 .........................3031
141 ...................... IC 405
164/166 .................... 224
142 .........................6611
167 ., ........................891
143 .................. I.C. 5146
168 ......................... 4594
144, 146 ................. 6960
169 ......................... 4565
145 ............... 6992, 6960
170 ......................... 4736
14B ......................... 6523
171 ......................... 5457
149 .........................1952
172, 173 ...................598
150, 152 .................6853
174 ....................5194/95
Ein Verzeichnis. das vollständige Angaben über die
Zeit der Aufnahme, die Dauer der Belichtung, das
Instrument und den Ort des Objekts am Himmel
enthält, ist vom "Bund der Sternfreunde",
Berlin·Frohnau, gegen Einsendung von 50 Pfennig zu
erhalten.
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DER VERLORENE UND WIEDERGEFUNDENE HIMMEL
Dort, wo sich auf dem Lichtbogen der Milchstraße das Sternbild des Südlichen Kreuzes erhebt, bietet der
Himmelsanblick starke Gegensätze. Neben hellen Lichtballen der Milchstraße liegen sternarme Felder die in
solcher Nachbarschaft tief dunkel erscheinen. Die Seefahrer haben ihnen den nicht gerade poetischer, aber
treffenden Namen "Kohlensäcke" gegeben.
Naturhaft naive Völker sagen und glauben, der Himmel habe dort ein Loch. Denn der Himmel ist ihnen nichts
als ein anderes Land, ein anderer Erdboden gleich dem unseren - fern zwar: "Nur Vögel, die sehr lange fliegen
können, gelangen bis dahin" -, aber es ist dort genau wie hier: Pflanzungen sind da, Wälder und lebende Wesen.
Diesen Menschen bietet der Himmel keine anderen Rätsel als ihr täglicher Lebenskreis. Er ist eins mit ihm. 1hre
Einbildungskraft ergreift ihn so unbefangen, wie die Hand des Kindes nach dem Monde faßt.
Nur langsam, indem die Entfaltung des Lebens in Gemeinschaften den Menschen nötigte, nachzudenken, zu
vergleichen, zu abstrahieren, verlor die unmittelbare Sinnenhaftigkeit ihre unbeschränkte Gewalt über die Seelen.
Die Sterne wichen vom 1rdischen weit zurück. Sie wurden die Heimat von Helden und Göttern, von Ideen und
Gesetzen, die die Welt regieren.
Der Himmelsraum dehnte sich zur Unendlichkeit. Erde und Ätherraum wurden zweierlei Welten.
Wandellose, unirdische Erhabenheit blickte von droben den denkenden Menschen und die Dürftigkeit seiner
wechselvollen, vergänglichen Heimstatt an.
Viele Jahrtausende währte dies. Die großen alten Kulturen des Sternglaubens kamen und gingen. Seit
zweitausend Jahren müht sich der abendländische Mensch, dem Mond und der Sonne, den Planeten und Sternen
das Geheimnis ihrer Verteilung und Bewegung im Raum abzuringen. Die Griechen und ihre ersten Schüler
blieben in geometrischen Beschreibungen befangen. Das Ptolemäische Bild der Sternwelt ist ohne
Anschauungskraft, ja ohne Anschaubarkeit.
Erst seit Kopernikus und Galilei, Kepler und Newton kommt langsam wieder, was den Menschen in all den
Jahrtausenden zerbrochen und verloren war: ein Bild der Himmelswelt, das sinnenhafte Anschaubarkeit hat.
Vor drei Jahrhunderten war das angemessene Bild der Sonne und ihrer planetaren Umwelt gewonnen, vor 100
Jahren die Greifweite der Messungen bis zu den nächsten Sternen ausgedehnt, die andere Sonnen sind. Was die
dann folgenden Generationen in der kosmischen Geländevermessung und in der physikalischen Sternforschung
leisteten, darf ein Wunder an Scharfsinn, an technischem Können und Beobachtungskunst heißen.
Das Ergebnis aber, vor dem wir am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts standen, schien ebenso entmutigend
für den Weltraumforscher, wie es majestätisch war in seinen Aussagen über die Himmelswelt: Millionen und
aber Millionen Sonnen bauen das Sternall. Der Lichtstrahl, der in kurzen Minuten von der Sonne zur Erde
gelangt, fährt Jahre um Jahre, ehe er die Weltenweite von Sonne zu Sonne, von Stern zu Stern überwunden hat.
Messend greifen wir bis zu der ungeheuren Ferne von 100 bis 300 "Lichtjahren" in den Raum hinaus. Aber es ist
nicht abzusehen, wie wir verbürgte Messungen (anstatt bloßer statistisch begründeter Schätzungen) je viel weiter
hinaus vortreiben könnten - und die fernsten sichtbaren Gestirne am Himmel des Astronomen sind doch
Zehntausende von Lichtjahren entfernt, ja, wer weiß, noch weiter!
Heute ist dieses Gefühl der Unsicherheit und des Verzagens vor den großen Aufgaben der Weltraummessung
einer stürmisch vordrängenden Entdeckerfreude gewichen. In den letzten Jahrzehnten sind neuartige Methoden
reif geworden, die den Machtbereich des Messenden im Weltenraum bis dahin ausdehnen, wo für uns die
Grenzmarken der Forschungswelt stehen: bis dahin, von wo nur die mächtigsten Fernrohre noch zarten
Schimmer leuchtender Weltengebilde erraffen.
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Unserem Geschlecht ist beschieden: daß zum erstenmal auf Erden ein wahrhaftiges Anschauungsbild vom Bau
und von der Weite alles Sichtbaren in den Räumen des Himmels möglich wird, daß wir Milliarden Sonnen zu
wundervollen makrokosmischen Daseinsformen zusammentreten sehen und schauen dürfen, wie das Mysterium
schöpferischer Gestaltung nach einerlei Harmonien sich vollzieht und gleich mächtig alles Dasein trägt - vom
Kern des Atoms bis zur Gesamtwelt, bis zu Billionen Sonnen, die über Räume von Hunderten von
Lichtjahrmillionen gesät sind.
Wir haben den Himmel neu entdeckt, der uns seit den Kindheitstagen der Menschheit verloren war, den
Himmel, der alles Sichtbare in sinnlich-anschaulichem Bilde faßt und meistert.
KOSMISCHE MASSTAEBE
"In den Naturwissenschaften gingen meine Richtungen immer nur auf solche Gegenstände, die mich irdisch
umgaben und die unmittelbar durch die Sinne wahrgenommen werden konnten; weshalb ich mich denn auch nie
mit Astronomie beschäftigt habe, weil hierbei die Sinne nicht mehr ausreichen, sondern weil man hier schon zu
Instrumenten, Berechnungen und Mechanik seine Zuflucht nehmen muß, die ein eigenes Leben erfordern und die
nicht meine Sache waren."
Diese am 1. Februar 1827 zu Eckermann gesprochenen Worte würde Goethe heute wohl nicht wiederholen.
Auch im rein 1rdischen ist jene Epoche der Naturwissenschaften vorüber, in der die unmittelbare Wahrnehmung
der Sinne das Bestimmende sein konnte. Die biologischen und physikalischen Wissenschaften gründen sich kaum
weniger als die Astronomie auf instrumentelle Beobachtungstechnik, die den trügerischen Augenschein berichtigt
und die Auffassung des Wirklichen weit über die unseren Sinnen gezogenen Grenzen vertieft. Die Aufgabe ist,
trotz Zwischenschaltung der Technik doch zu reiner Naturnähe des Bewußtseins durchzudringen. 1m Hinblick
auf die Kleinwelt-Forschung, besonders die Atomphysik, darf man sagen, daß die Schwierigkeit, sinnlich faßbare
Bilder der Forschungsgegenstände zu liefern, für die Astronomie durchaus nicht größer ist als für andere Zweige
der Naturwissenschaft.
Freilich ist die Scheu vor der Astronomie, wegen der Größe ihrer Gegenstände, auch heute noch allgemein.
Einer der geistvollsten neueren Astronomen hat dieser Scheu gelegentlich die Behauptung entgegengehalten, der
Weltenbau sei vollkommen anschaulich vorstellbar. Das ist richtig, sofern man unter solcher Anschaulichkeit
nicht die einer unmittelbar und ausschließlich durch den Raumsinn gelieferten Vorstellung verstehen will.
Ein derartiges "reines Raumbild" können wir nicht einmal von unserem eigenen kleinen Stern, der Erde,
gewinnen. Unsere Enkel, die im Stratosphärenflugzeug binnen wenigen Tagen um den Erdball fahren mögen,
werden ganz anders in Kontinenten und Weltmeeren denken können als wir. Für sie wird es leichter sein als für
uns, die Erde als eine Kugel zu schauen. Aber diese Anschauung wird auch bei ihnen nicht eine Sache nur des
Raumsinnes sein. Die Bilder der Erdumfahrung müssen so, wie sie zeitlich verkettet waren, zu einer Einheit
verarbeitet werden. Das Anschauungsbild der Erdkugel wird mit den räumlichen Elementen solche der Zeit-, und
Geschwindigkeitserfahrung verschmelzen. Die alltägliche Erfahrung ist voll solcher "mittelbarer
Anschauungsbilder". Sie bleiben uns von Häusern, die wir besuchten, von Städten und Ländern, die wir
durchwanderten.
Wer den neu entdeckten Himmel anschaulich erfassen will - und nur das anschaulich Erfaßte wird wirksamer
Besitz -, darf die elementare Bemühung nicht scheu en, das angedeutete Verfahren planmäßig auf die
Himmelsgebilde anzuwenden .
. Die mannigfaltigen Bilder, die die moderne Himmelsphotographie aus dem Weltraum zusammenträgt, können
auch dem erlesene Augenfreude gewähren, der sie ohne alle Kenntnis des Gegenstandes betrachtet, und selbst
ohne die Absicht, sich astronomisch unterrichten zu lassen. Aber eine solche Betrachtungsweise muß am
Zufälligen haften bleiben. Der volle Schönheitswert und die unvergleichliche Bedeutsamkeit kosmischer
Landschaften erschließen sich ihr nicht. Man muß dazu die Weite und Tiefe des Dargestellten und seinen
Gegenstand anschaulich begreifen.
Der Erdumfang mißt rund 40000 km. 40 km sind eine Tageswanderung: Der Erdumfang beträgt 1000
Tagesmärsche. Wer aber ohne alle Unterbrechung marschierte, würde in einem Jahre die Erde um-
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wand ern. Zwei Werte vermitteln uns die Anschauung der Erdballgröße: die Marschgeschwindigkeit einerseits,
die Zeit eines Jahres anderseits. Hier fängt das ABC des Weltenbeschauers an:
Umfang der Erdkugel = ein Wanderjahr.
Was dem Reisenden Stadtpläne und Landkarten, sind dem Gestirnbetrachter modellmäßige Abbilder.
Erde und Mond bilden zusammen einen planetarischen Doppelstern. Stellen wir die Erde als Globus von
Fußballgröße dar, so wird der Mond faustgroß. Der Abstand Erde-Mond mißt dabei 10 m. Fußball und Apfel, an
den Schmalseiten eines Saales einander gegenüberliegend: das ist das Bild von Erde und Mond nach Größen- und
Abstandsverhältnis.
In der Natur der Sache liegt es, daß sich der Leser im weiteren Fortgang von Maßstab zu Maßstab
Gemächlichkeit gönnen und mit einiger Pedanterie jedes Vergleichsbild deutlich werden lassen muß, ehe er zum
nächsten vorschreitet.
~
Diese Skizze ist maßstäblich richtig. Wollen wir die Sonne hinzufügen, so muß sie in 60 m Entfernung,
d. h. drei Häuser weiter, gesetzt werden, als eine Kugel, in der unser aufgeschlagenes Buch bequem Platz hat.
Die Strecke Erde-Mond mißt rund 400000 km. Also Abstand Erde-Mond = zehn Wanderjahre. Zehnjähriges
ununterbrochenes Marschieren ist noch ohne viel Mühe vorzustellen. Die über das System Erde-Mond
hinausgreifen
den Gestirnentfernungen aber
verlangen das Einleben in
höhere Geschwindigkeiten,
zugleich das Erfassen längerer
Wegzeiten: Abstand Sonne
Erde = 4000 Wanderjahre =
5 Geschoßjahre.
Der Geschoßflug fordert, daß
unsere Vorstellung die Strecke
von einem Kilometer und die
Dauer einer Sekunde zur
Geschwindigkeitsvorstellung
vereinigt. Bei gleichförmiger
Geschwindigkeit
von
1
km1/1000sec.
fliegt
ein
Geschoß fünf Jahre bis zur
Sonne und das 30- bis 50fache
bis
zum
äußersten
planetarischen Sonnenbegleiter,
dem Pluto. Der Durchmesser
der weitesten Planetenbahn
beträgt 400 Geschoßjahre.
Wenn wir von den planetarischen Begleitern der Sonne
absehen, sind alle Sterne des
Himmels andere Sonnen. Wie
sind die Sonnen, die "FixGrößenvergleich: Sonne und Erde. Aufnahme der Sonne vom 7. August 1917 (von Miß
sterne", im Weltraum verteilt?
Calvert, 12 zöll. Refraktor der Yerkes-Sternwarte). Vgl. Abb. 91. Norden ist links.
9
Alpha Centauri
•
Siri
us
•A
tair
•
Prokv
on
Der Leser wolle sich das verkleinerte Modell von Erde, Mond und Sonne vor Augen halten, wie er unsere
Skizze andeutete: die Sonne ein riesiger Kürbis von mehr als 1/2 m Durchmesser, und "drei Häuser weiter" Erde
und Mond als Perlen unterschiedlicher Größe, eine kleine Handspanne auseinanderstehend. Dieses Modell
bringen wir in Gedanken in die Mitte des Erdballs, den wir uns völlig hohl vorstellen wollen. Die wahre Größe
der Erde muß als Modellmaß dienen; wir erinnern uns: del' Erdumfang beträgt ein Wanderjahr; der
Erddurchmesser ist 12757 km (von Pol zu Pol, infolge der Abplattung, etwas weniger: 12714 km).
Der Kreis in unserer Skizze 5011 die wahre Größe der Erdkugel abbilden, im Erdmittelpunkt befindet sich das
Kürbismodell der Sonne; vier der nächsten Nachbarsonnen sind gemäß ihrem Abstand eingezeichnet: Alpha
Centauri, Sirius, Prokyon und Atair. Keiner dieser Sterne würde in den Bereich der Erdkugel fallen.
1m Maßstab des "Kürbismodells" der Sonne ist die Erde eine erbsengroße Perle, keine hundert Schritt vom
Sonnenkürbis entfernt. Der Raum aber, in dem die Sonne als einziger Herrscher ihr Strahlenregiment führt, wird
bei diesem Modellmaßstab von der Größe des ganzen Erdballs.
Es scheint, daß der Weltenbaumeister eine unerhörte Raumvergeudung treibe. Die Sonnen stehen in
unbegreiflicher Vereinzelung und Einsamkeit.
Ein Kürbis und ein paar Perlen: das ist alle Weltsubstanz, die in unserem Sternall jedem Raumteil von
Erdkugelgröße zugemessen ist. Es ist klar: Wollte man diese Substanz in dem ihr gegebenen gewaltigen Raume
gleichförmig verdampfen lassen - kein Hilfsmittel des Physikers würde in dem so "erfüllten" Raum noch eine
Spur von "Stoff" nachweisen können:
Der Weltraum ist fast absolut leer.
Diese Leere des astronomischen Raumes hat für den Weltbauforscher einen Nachteil und einen unschätzbaren
Vorteil: Auch die allernächsten Fixsterne, wie Sirius, erscheinen selbst in den mächtigsten Fernrohren nur wie
leuchtende Punkte. Sogar solche Fixsterne, die die Sonnenkugel an Größe hundertfach oder noch mehr
übertreffen, sehen wir punktförmig. Alles Wissen über die anderen Sonnen müssen wir gleichsam einem einzigen
Lichtstrahl abzwingen, indem wir seine Stärke und sein inneres Wesen messend überwachen (wozu freilich
Photometrie und Spektralanalyse erstaunlich leistungsfähige Methoden entwickelt haben). Der große Vorteil, der
diesem Nachteil gegenübersteht, ist: Trotz der Riesenhaftigkeit jedes einzelnen Sternes (der Durchmesser der
Sonne ist reichlich hundertfach so groß wie der der Erde) können wir zwischen all den Millionen und aber
Millionen Sonnen in die Tiefen des Weltraumes hinausschauen.
Das Sternall ist fast völlig durchsichtig.
Die Verteilung der Fixsterne und die Transparenz des Sternraumes lassen sich recht anschaulich in einem
Maßstab darstellen, auf den diese Betrachtungen öfters zurückgreifen werden: im "Inflationsmaßstab ,1:1 Billion.
Verkleinern wir die Sonne linear in diesem Maßstab, so wird sie zum Sandkorn; die Planeten werden
mikroskopische Stäubchen, die Erde 1/1000 mm im Durchmesser, nur Jupiter bleibt als Stäubchen von 11/100010
mm gerade noch tastbar.
Bei diesem Maßstab hat die Jahresbahn der Erde auf dem Rande eines 30 cm großen Tellers Platz, und das
ganze Planetensystem in einem kleinen Saal. Die 400 „Geschoßjahre" der Plutobahn schrumpfen auf 12 m
zusammen.
10
Die korngroßen Fixsternbilder des Inflationsmodells aber müssen in Abständen von durchschnittlich 100 km
angeordnet werden. Die Entfernung von Korn zu Korn beträgt also zwei Schnellzugstunden. Es ist klar, daß ein
im übrigen völlig leerer Raum dabei ganz durchsichtig bleibt.
Das Modell macht zugleich noch eine andere bedeutsame Tatsache klar: Wenn in Berlin, Brandenburg und
Stettin je ein Sandkorn liegt und das Zwischengelände völlig leer ist, so mag jedes der drei Sandkörner vom
Sturme umgetrieben werden - daß sie je einander begegnen, ist nahezu undenkbar. Das bedeutet:
Jede der unzähligen Sonnen im Weltraum kann in beliebiger Richtung dahinfliegen, ohne daß eine irgend
beachtliche Gefahr katastrophaler Begegnungen bestünde ..
In Wahrheit wird die Gefahr von Fixsternzusammenstößen dadurch noch weiter vermindert, daß die
Sternheere, im ganzen gesehen, von einheitlichen Bewegungsgesetzen regiert werden. Vielleicht bringt uns schon
eine nahe Zukunft deutlichere Einsichten. Zweierlei steht heute schon fest. Das erste ist: Es gibt
"Reisegesellschaften" im Sternall, die aus Hunderten von Sonnen oder noch mehr Mitgliedern bestehen können,
die alle in gleicher Richtung durch den Sternenraum dahinfahren. Daß solche Sternschwärme und
Sternströmungen einander durchdringen können, ohne daß unheilvolle gegenseitige Störungen bemerkbar
werden, klingt sonderbar, erscheint jedoch selbstverständlich, sobald man das "Inflationsmodell" klar vor Augen
hat. Das andere, was heute als gesicherte Erkenntnis gelten darf, ist:
Das Sternsystem der Milchstraße befindet sich als Ganzes in einheitlich kreisender Bewegung.
Der Lebensraum des Menschen ist eine dünne Rindenzone der Erdkugel. In größeren Höhen als etwa 5000 m,
wo der Luftdruck nur noch annähernd die Hälfte dessen am Meeresspiegel beträgt, vermag unser Organismus,
vor allem wegen der abnehmenden Luftdichte, seine lebenswichtigen Funktionen immer weniger ausreichend zu
vollziehen. Geringe Spuren atmosphärischer Substanz sind allerdings, wie Nordlichtbeobachtungen gelehrt
haben, sogar in hundert-, ja zweihundertfach so großer Entfernung vom Erdboden (bis zu etwa 1000 km Höhe)
wahrnehmbar ..
Will man die Grenze der irdischen Atmosphäre im Bereiche hoher Nordlichter setzen, so bleibt sie doch am
fußballgroßen Erdglobus eine Hülle von Zentimeterdicke.
Die kinetische Gastheorie macht es einleuchtend, daß einzelne Moleküle leichter Gase ganz aus der
Erdatmosphäre abwandern, sich von der Erde trennen und auf eigene Faust im Weltraum dahinziehen können.
Gleiches gilt von anderen Planeten, sofern sie eine Atmosphäre besitzen, aber auch von der Sonne.
Elektrostatische Kräfte mögen die Zahl solcher Flüchtlinge, die in die Einsamkeit hinauspilgern, vermehren.
Sibirische Taiga: Verwüstungen durch Meteorfall vom 30.Juni 1908.
11
6. Meteorit von Treysa, etwa 1/3 natürlicher Größe. Er fiel am 3.April 1916 in der Gegend von Treysa in Hessen. 7.
Schematische Darstellung der Messung kosmischer Entfernungen.
1m Weltraum zwischen den Sternen befinden sich aber noch andere Einzelgänger als solche Gasmoleküle.
Das beweisen uns unter anderem die Sternschnuppen, Feuerkugeln und Kometen. In neuerer Zeit hat der riesige
Meteoritenfall in der sibirischen Taiga (am 30.Juni 1908, aber erst 19~81/1000~9 näher erforscht), der ein
Waldgebiet von vielen Kilometern Ausdehnung völlig verwüstete, recht eindringlich daran erinnert.
per Ätherraum, in dem die sonnenhaften Sterne ihr einsames Dasein führen, enthält Staub und Gas.
Bei den Kometen und Meteoriten kommen kosmische "Stäubchen" von mehreren, wohl selbst vielen hundert
Metern Größe vor. Doch ist die "Erfüllung" des Sternraumes durch das "Gewölk" all dieser Teilchen so dünn, daß
unsere irdische Erfahrung uns kein Vergleichsbeispiel dazu liefert. Unsere Atemluft ist billionenfach so dicht wie
jene Wolke im Ätherraum. Nur in vereinzelten Fällen, die wir noch kennenlernen werden, mindern dichtere
Teilwolken den Durchblick oder verwehren ihn ganz.
Nicht nur in bezug auf Größen und Entfernungen, sondern auch in bezug auf das gegenseitige Verhältnis von
Substanz und Raum weichen die kosmischen Maßstäbe derart von denen unserer täglichen Erfahrung ab, daß
man astronomische Aussagen und Himmelsphotographien völlig mißverstehen muß, wenn man sich nicht zuvor
in die kosmischen Maßstäbe einlebt. Für andere Eigenschaften, namentlich die Temperaturverhältnisse und die
Geschwindigkeit der Relativbewegungen, gilt das gleiche. Wir werden hierauf an gegebener Stelle eingehen.
Aber wie kann der Astronom die Entfernungen der unerreichbaren Gestirne bestimmen?
Er verfährt grundsätzlich ebenso wie der Landmesser. Zwei Beobachter, von denen der eine etwa in Berlin, der
andere in Kapstadt weilt, visieren z. B. gleichzeitig den Mond an. Dessen Winkelhöhen über den Ortshorizonten
sind in der schematischen Skizze Bild 7 durch kleine, kräftige Kreisbogen gekennzeichnet. Aus Erdmessungen
sind der geradlinige Abstand zwischen den beiden Beobachtungsorten und das Lageverhältnis ihrer Horizonte
bekannt. In dem Dreieck KBM (Kapstadt-Berlin-Mond) kennt man danach die Basis K-B und die beiden
Basiswinkel bei K und B (durch die größeren schwachen Kreisbogen bestimmt). Man kann somit das Dreieck
KBM maßstäblich aufzeichnen und den Abstand des Mondes von den beiden Erdorten aus der Zeichnung
ablesen. Genauer erhält man den gesuchten Wert auf Grund der Dreiecksrechnung (Trigonometrie), da zwischen
den Winkeln und Seiten eines Dreiecks gesetzmäßige Beziehungen bestehen, deren Zahlenwerte dem
Mathematiker in den logarithmisch-trigonometrischen Tafeln bequem zur Hand sind.
Die praktische Durchführung astronomischer Messungen ist freilich bei weitem nicht so einfach wie das
Grundsätzliche des Verfahrens. Insbesondere bei Weltkörpern außerhalb des Planetensystems sind die
Richtungsunterschiede der beiden Visierlinien geradezu phantastisch klein. Es werden höchste Anforderungen an
die Präzisionsmechanik gestellt, und die Beobachtungskunst wendet große Mühe auf die Ergründung und
rechnerische Ausschaltung der unvermeidlichen 1nstrumentalfehler, der Einflüsse meteorologischer Faktoren auf
die Leistungen der Instrumente, vor allem aber der wechselnden optischen Eigenschaften der Luft. Auf seinem
Wege durch die irdische Atmosphäre wird der Gestirnstrahl in seiner
12
~
Entfernungsmessungen im Sternraum laufen auf die Messung von Unterschieden der Blickrichtung, also auf die Messung sehr kleine
Winkel hinaus. Die „Parallaxe" eines Sternes ist der Winkel, unter dem der Halbmesser der Erdbahn vom Stern aus erscheint.
Richtung beeinflußt, und die Größe dieses Einflusses hängt von verschiedenen Faktoren ab, namentlich auch von
der Winkelhöhe des Gestirns über dem Horizont.
1m .Kürbismodell" ist Sirius, einer der allernächsten Sterne, von der Sonne vierfach so weit entfernt wie New
York von Berlin. Die Jahresbahn der erbsengroßen Erde in diesem Modellmaßstab hat aber nur 100 bis 2OO
Schritt Durchmesser. Doch steht dem Erdbewohner keine größere "Basis" für Entfernungsmessungen zur
Verfügung als eben der Durchmesser der Bahn, in der die Erde ihn alljährlich um die Sonne trägt.
Wir nennen den Abstand Sonne-Erde (rund 150000000 km) die "astronomische Einheit". Es sind 4000
Wanderjahre = 5 Geschoßjahre. Der Abstand des Sirius hat sich zu 550000 astronomischen Einheiten ergeben:.
Das heißt: ein mit 1 km Sekundengeschwindigkeit gleichmäßig fliegendes Geschoß würde die Entfernung
Sonne-Sirius erst in rund 3 Millionen Jahren überwinden.
Gäbe es Siriusbewohner mit Augen von unbegrenzter Sehkraft, so würde ihnen der Jahreskreis der Erde um
die Sonne als ein (aus normaler Sehweite betrachteter) Kreis von 0,001 mm Durchmesser erscheinen. Der
Erdbewohner besitzt ein Wunderauge, das diese mikroskopische Fähigkeit hat. Es ist als Gesamtleistung vieler
Generationen, mehrerer Kulturen, entstanden: die astronomische Beobachtungs- und Meßkunst.
Eines freilich kann diese erstaunliche Kunst nicht leisten. Nie wird sie unserem Auge Planeten anderer Sonnen
zeigen. Das käme ja darauf hinaus, mit Fernrohren von New York aus die in Berlin von einer Glühlampe
beschienene Mücke zu sehen.
Das ein für allemal gegebene Grundmaß aller kosmischen Raumvermessung ist die astronomische Einheit.
Von den Enden des Erdbahndurchmessers gehen unsere Sehstrahlen, die Visierrichtungen zu den Gestirnen, aus.
Je entfernter ein Gestirn ist, unter desto spitzerem Winkel treffen in ihm die Sehstrahlen zusammen. Mit anderen
Worten: je kleiner die "Verschiebung" der Blickrichtung zum Gestirn bei ~ 0,5 Jahren auseinanderliegenden
Beobachtungen sich erweist, desto weiter ist das Gestirn entfernt. Der Winkel, den die Sehstrahlen beim Gestirn
bilden, ist - stets auf die astronomische Einheit als Basis bezogen - ein eindeutiges Maß der Entfernung. Je
kleiner der Winkel beim Gestirn sich ergibt, desto größer ist dessen Abstand. Der Astronom nennt den Winkel
"Parallaxe" (griechisch, mit "Verschiebungswinkel" zu übersetzen).
Auch bei den nächsten Nachbarn des Sterns Sonne bleibt die Parallaxe unter einer Bogensekunde. Die kleinste
Distanz, die ein gutes Auge unterscheiden kann, beträgt (in deutlicher Sehweite) 0,1 mm.
Diese Strecke, 0,1 mm, aus der Entfernung von 2o m betrachtet: das ist die Anschauung einer Bogensekunde
(1").
Als Einheitsmaß hat sich die Parallaxe von einer Bogensekunde eingebürgert, als zweckmäßige, wenn auch
sprachlich keineswegs schöne Bezeichnung für die ihr entsprechende Entfernung "Parsec" (Zusammenziehung
von Abkürzungen der Wörter Parallaxe und Sekunde). Alle Parallaxen von Fixsternen sind demnach kleiner als
1, d. h. Brüche. Die Parallaxe des Sirius z. B. ist 0,374.
13
Die Parallaxe des Siebengestirns ist von der Größenordnung 0,01. Der hundertste Teil einer Bogensekunde:
das ist die Grenze, bei der die Kunst trigonometrischer Parallaxenbestimmung aufhört. Es ist die Grenze, die der
Welt exakter Messung bis vor kurzem gesetzt war: 100 Parsec, 30- bis 40fache Siriusweite.
Neuerdings haben sich noch zwei höhere Entfernungseinheiten im astronomischen Sprachgebrauch eingestellt:
1 Kiloparsec = 1000 Parsec (3260 Lichtjahre), 1 Megaparsec = 1000000 Parsec (3 1/4 Millionen Lichtjahre) .
Daß sich der Bereich verläßlicher Entfernungsbestimmung in unseren Tagen so märchenhaft erweiterte, beruht
auf folgenden Tatsachen.
In der Gesellschaft der Sterne sind sehr verschiedene Typen vertreten. Es sind solche darunter, deren Helligkeit
in gesetzmäßiger Weise zeitlich schwankt, d. h. periodisch zu- und wieder abnimmt. Eine Art dieser"
Veränderlichen", die nach ihrem bemerkenswertesten Vertreter die Klasse der Delta-Cephei-Sterne genannt wird,
zeigt eine merkwürdige Eigenschaft: Je mehr Zeit ein solcher Stern braucht, um den Helligkeitswechsel einmal
durchzumachen, desto gewaltiger ist seine Lichtmacht. Alle Veränderlichen dieser Art sind Lichtgiganten, selbst
die schwächsten unter ihnen strahlen hundertfach so stark wie die Sonne, die hellsten besitzen zehntausendfache
Sonnenhelligkeit.
Je heller ein Stern ist, desto tiefer im Raumozean darf er sich befinden, ehe sein Schimmer unseren Augen und
Fernrohren entschwindet. So stehen die Delta-Cephei-Sterne (die seltene Erscheinungen in der Sterngesellschaft
sind, gleich allen Sternriesen) wie Leuchttürme im Weltenraum. W 0 immer ein solcher Stern sein LichtsignaI
herüberblinken läßt, hat der Astronom nur zwei verhältnismäßig einfache Aufgaben zu lösen, um seinen Abstand
zu finden. Er muß die "Periode" bestimmen, die der Lichtwechsel einhält. Aus ihr erkennt er die Leuchtkraft des
Sterns im Vergleich zur Sonne. Dann verleiht er in Gedanken der Sonne die gleiche Lichtmacht und berechnet:
wie weit muß die so verstärkte Sonne fortgeführt werden, damit sie uns als ebenso feiner Sternpunkt erscheint
wie der Delta-Cephei-Stern ?
Die so gewonnene Meßmethode gestattet dem Astronomen, in die Tiefen der Sterngründe zehntausendfach so
weit vorzufühlen wie ehedem. Und diese ungeheuerliche Erweiterung des astrometrischen Machtbereichs hat
Schlußfolgerungen mit sich gebracht, die den Aktionsradius des Raumforschers wiederum verhundertfachen.
Unsere Generation erlebt die Ausweitung des kosmischen Meßraumes im linearen Verhältnis 1 : 1000000, d.h.:
das vom forschenden, messenden Erdengeist gemeisterte Weltenhaus wuchs auf trillionenfachen Raum - bis an
die Grenze der Sichtwelt, die die Riesenfernrohre erspähen.
So eindeutig, zweckmäßig und unentbehrlich Fachwörter wie "Parallaxe" und "Parsec" auch sind: das
Mißbehagen des Laien ihnen gegenüber ist verständlich, der Wunsch nach bildhafterem, unmittelbar anschaulichem Ausdruck für Fixsternweiten berechtigt.
Hierfür eröffnet sich jedoch nur ein Weg, das ist die Wahl unanschaulich großer Geschwindigkeiten, so daß
die Entfernungen in faßlichen Wegzeiten ausdrückbar werden.
Annähernd 3000000 "Geschoßjahre" sind es bis zum Sirius. Wie sollen wir zu einer Geschwindigkeit kommen,
die eine faßlichere Fahrzeit ergibt? Wir finden sie in den Erscheinungen selbst. Das Wirkliche ist zugleich das
Phantastischste. Das unergründete Wunder des Leuchtens breitet sich mit einer Schnelle aus, die
dreimalhunderttausendfach die Geschoßgeschwindigkeit überbietet.
Das Verhältnis 1 : 300000 ist keineswegs unfaßlich. Es ist ein Schritt gegenüber der Strecke Berlin-Hamburg.
Es sind zwei Minuten gegenüber dem Jahr (genauer: etwa 100 Sekunden).
Der Lichtstrahl der Sonne, der in dieser Sekunde aufbricht, grüßt die Erde nach 811/1000 Minuten, verläßt den
Bereich der Plutobahn nach 6 Stunden - und hat die Weite des Sirius nach rund einem Jahrzehnt erst
überwunden.
Die Fixsterne sind Sonnen, die in unserem Teil des Weltalls durchschnittlich fünf bis zehn Lichtjahre
voneinander entfernt sind.
Das Licht, das wir heute vom Siebengestirn empfangen, entsprang ihm vor 500 Jahren.
Das entfernteste dem bloßen Auge erkennbare Weltengebilde, der Große Andromedanebel erscheint
uns heute so, wie es vor annähernd einer Million Jahren gewesen ist.
'
. Die fernsten Gebilde, die der Astronom zur Zeit wahrnehmbar machen kann, sind an 2oo Millionen Lichtjahre
entfernt.
Wir werden, am Ende unserer Betrachtungen, von neuem versuchen müssen, dieses unfaßlich Scheinende
dennoch bildmäßig zu meistern.
14
DIE FREI SCHWEBENDE ERDE
In der allmählichen Relativierung der menschlichen Weltauffassung war es einer der ersten und schwersten
Schritte: die Richtungsbegriffe des "Oben" und "Unten" als etwas vom Standpunkt Abhängiges zu erkennen.
Daß die Erdoberfläche gekrümmt, die "Welt" des Menschen eine Kugel ist - das ist, streng genommen, auch
heute noch für die meisten mehr eine Angelegenheit des willigen Glaubens als der klaren Erkenntnis. Die Erde
ist eine Kugel, die frei im Weltenraum schwebt. Bei diesem Satz empfinden die meisten Menschen, so fern sie
ganz aufrichtig gegen sich selbst sind, ein leises Unbehagen: Wie geht es zu, daß sie nicht fallt? Was hält sie?
Oder was ist das für ein sonderbares Medium, der Weltäther, in dem sie schwimmt?
Zur Klärung ist freilich nichts weiter nötig, als den Schulbegriff der Schwerkraft folgerecht anzuwenden.
Ein Lot, das in der Ebene unfern eines Gebirgsmassivs aufgehängt ist, zeigt eine leichte Ablenkung aus der zu
einem Wasserspiegel senkrechten Lage. Die Bergmasse zieht es an. Was wir Magnetismus nennen, darf als eine
besondere, an bestimmte Voraussetzungen gebundene Form der hierbei wirksamen "allgemeinen
Massenanziehung" aufgefaßt werden. Aller wägbaren Substanz wohnt die allgemeine Anziehungskraft inne.
Von der Art und dem Zustand der Substanz hängt sie in keiner Weise ab; eine gegebene Menge Eis mag in
Wasser beliebiger Temperatur verwandelt oder auch, unter gewaltiger Vergrößerung des Volumens, zu
Wasserdampf, also zu unsichtbarem Gas, verflüchtigt werden - in allen diesen Zuständen bleibt der Betrag an
Substanz unverändert, und damit bleibt auch das "Anziehungsvermögen" gleich. Bei der doppelten Menge
Substanz ist das Anziehungsvermögen doppelt, bei der zehnfachen zehnmal so groß, usw.
Je weiter vom Bergmassiv entfernt das Lot angebracht wird, desto unmerklicher wird die Ablenkung.
Doch dabei waltet ein quadratisches Gesetz. Das gleiche Gesetz gilt für die Minderung, die die 1ntensität des
Lichtes bei der Ausbreitung im Raum erfährt, und hier ist der Sachverhalt besonders anschaulich:
Ein von einer Lichtquelle ausgehendes Strahlenbündel hat in doppelter Entfernung die vierfache Fläche mit
Licht zu versorgen, in dreifacher Entfernung die neunfache Fläche, usw. Die Bestrahlungsstärke sinkt in den
Entfernungen ~, 3 usw. auf ein Viertel, ein Neuntel, usw. So sinkt auch die Stärke des "Schwerefeldes" bei der
allgemeinen Massenanziehung mit dem Quadrat des Abstandes vom "Mittelpunkt" des Schwerefeldes, d.h. Vom
Schwerpunkt des anziehenden Körpers. Bei so regelmäßig aufgebauten Körpern wie den Sonnen und Planeten
fallen Mittelpunkt und Schwerpunkt praktisch zusammen.
"Unten" ist die Richtung des freien Falls im Schwerefeld der Erde. Der fallende Stein zieht ja auch seinerseits
den Erdball an. Aber die Masse der Erde überwiegt so ungeheuer, daß wir ihrem Einfluß gegenüber selbst das
Schwerefeld der größten anderen Massen unserer Erfahrungswelt nur durch sehr feine Messungen nachweisen
können.
Alle Massenteile der Erde und alle Körper im Bereich des irdischen Schwerefeldes stehen im Banne der
rätselhaften Zugwirkung "nach unten", zum Mittelpunkt der Erde. Ein völlig sich selbst überlassener, isolierter
Weltkörper ruht in sich selbst. Es ist nicht abzusehen, weshalb er seinerseits .fallen" sollte, wie die Kleinkörper
seines Oberflächenbereichs.
Gänzlich isolierte Weltkörper kennen wir allerdings nicht. In der Nähe der Erde befindet sich die Mondmasse,
vor allem aber die Sonne. Die Sonne würde in ihrem Umfang mehr als einer Million Erdkugeln Platz bieten. Da
jedoch all ihre Substanz gasförmig ist, so übertrifft sie die Erde nicht im selben Maße an "Gewicht". 1mmerhin
entspricht die Sonnenmasse der von mehr als 300000 Erdkugeln, und daher ist das Schwerefeld der Sonne in
ihrem Zentrum 300000fach so mächtig wie das der Erde im Erdmittelpunkt.
Vom Mittelpunkt der Sonne sind wir rund 23500mal so weit entfernt wie von dem der Erde. Die
Anziehungsmacht der Sonne wirkt auf uns also nicht 300000fach stärker als die der Erde, sondern diese
15
überlegene Kraft ist im Verhältnis 1 : (23 500 X 23 500) gemildert. Wenn jemand ein Gewicht von ~ kg in der
Hand hielte und eine geheime Macht plötzlich den Erdball unter seinen Füßen spurlos verschwinden ließe, 50 daß
er nur dem Schwerefeld der Sonne ausgesetzt bliebe, so wäre das Gewicht für die haltende Hand mit einem
Schlage federleicht geworden: als ob es sich in ein Grammgewicht verwandelt hätte. 1m Lebensraum des
Menschen ist das Gravitationsfeld der Sonne etwa 2ooomal so schwach wie das der Erde.
"Die erste Ursache der ersten Bewegung" ist uns ebenso verborgen wie den Naturphilosophen des Altertums,
denen dieser Ausdruck als Umschreibung für den Begriff des Schöpfers, der Gottheit, diente. Alle Planeten
besitzen eine Fliehbewegung, derzufolge sie sich beständig in ihren kreisähnlich-elliptischen Bahnen um die
Sonne erhalten. Den Ursprung dieser Fliehkräfte kennen wir ebensowenig wie den der Rotationsbewegungen. Die
wagemutigsten modernen Astrophysiker sind freilich am Werk, aus den neueren Einsichten in den Bau
kosmischer Lebenseinheiten höchster Ordnungsstufe und aus neuen, vertieften Anschauungen vom Wesen der
Substanz und der Strahlung eine Kosmogonie zu dichten, die künftig einmal das eben reifende Bild des
Weltenleibes mit Leben füllen und die neue Ansicht vom All krönen mag. Heute ist in diesen Dingen alles noch
im Fluß.
Auch Sandkörner, die mit 100 km gegenseitigem Abstand voneinander verstreut sind, ziehen einander an. In
ganz gleicher Weise ziehen die Fixsterne einander an. Aber die Kraft, mit der die Schwerefelder der Sonnen in
die Welten ihrer nächsten Nachbarn eingreifen, ist noch milliardenfach kleiner als die, mit der die Sonne den
Menschen erfaßt. Selbst wenn die einsamen Sandkörner sich in unermeßlichen "Wolken" zu Millionen und
Milliarden scharen, vermag die vereinte Massenwirkung nur durch den in unbegrenzten Zeiten erwachsenden
Beschleunigungseffekt merkliche Bewegungen hervorzurufen.
Aus den Bewegungen einer Anzahl kosmischer Großgebilde (24 Spiralnebel) hat Edwin Hubble gefolgert, daß
die untersuchten Gebilde in ihrer Gesamtheit, von der Sonne aus geurteilt, mit einer Geschwindigkeit von ~80 km
in der Sekunde durch den Raum reisen. Es handelt sich dabei um selbständige Sternwelten, deren jede dem
Sternall vergleichbar ist, dem die Sonne samt allen Einzelsternen und Sternwolken des Himmels angehört.
Wahrscheinlich handelt es sich nicht um eine gemeinsame Raumfahrt jener Nebel, sondern um eine Bewegung
der Sonne. Sie gehört einer "Sternwolke " an, die ein untergeordneter Teil eines größeren Ganzen ist. Dieses
Ganze nennen wir "das Sternall der Milchstraße". Nach neueren Ansichten sind wir etwa 30000 Lichtjahre von
der Mitte des Milchstraßensystems entfernt. Offenbar führt die Sternwolke, in der die Sonne lebt, einen Kreislauf
um das ferne Zentrum aus. Wenn sich der Kreislauf in jener Relativbewegung von 280 km/sec ausdrückt, so
vergehen 150 Millionen Jahre, ehe er einmal vollendet ist ..
*
Einsam in der Düne zu liegen, das ferne Schlagen der ewigen Brandung im Ohr, und zuzusehen, wie droben im
Blau die leichten Zirruswolken ziehen - das heißt ruhen.
Aber es gibt ja kein Ruhen.
Hunderte Meter in jeder Sekunde reißt der rollende Erdball sich und dich herum, der Nacht entgegen und zu
neuem Morgen, neuen Tagen.
Zugleich schießt der schwingende Ball in seiner Bahn um die Sonne dahin: um 30 km weiter in jeder der 30
Millionen Sekunden des Jahres.
Und indem sie schwingt und kreist, fährt die Erde, ein willenloser Begleiter der Sonne, mit ihr zusammen in
der Ode des Sternraums dahin. Die Sternenwolke aber, in der die Sonne sich tummelt, mag auch nicht "ruhen".
Sie treibt dahin mit einer Schnelle, die so majestätisch ist wie sie selbst, und dennoch sind ihrem Reisen im All
der Sterne Hunderte von Jahrmillionen, was der Erde ein einziges Menschenjahr ist.
16
UNSER SONNENSYSTEM
In der "Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels" spottet Kant über diejenigen, die nach
"Menschen" auf anderen Planeten fragen. Sie seien wie das Ungeziefer auf dem Haupte eines Bettlers, das von
seinem Platze aus den Kopf eines Edelmannes gewahr wird und nicht anders kann, als ihn gleichartig bevölkert
zu wähnen. Doch geht Kant selbst mit Liebe den Analogieschlüssen nach, die das spärliche kosmophysikalische
Wissen des achtzehnten Jahrhunderts dem an die Hand lieferte, der über das Leben auf anderen Planeten zu
spekulieren wünschte. Dieser Wunsch ist so natürlich, daß wir das Problem auch hier, wo es uns nur auf einen
anschaulichen Oberblick des Weltgebäudes ankommt, nicht ganz beiseite lassen wollen.
Was "Leben" sei, entzieht sich einer klar abgrenzenden Bestimmung, und was der Erdball an Bildern
lebendiger Gestaltungen bietet, verführt in seinem ungeheuren Reichtum leicht zu der Annahme: "das Leben"
passe sich allen überhaupt denkbaren Bedingungen an. Von den lichtlosen Abgründen der Tiefsee bis zu den
Gletschern der Hochgebirge, von den Sandwüsten der Tropen bis zum vereisten Polarmeer ist die Erde von Tierund Pflanzenformen besiedelt, die in Wahrheit unzählbar sind.
Kepler schrieb den Planetenkörpern selbst witternde Sinne und Seelenvermögen zu, und Gustav Theodor Fechner
ist nicht der letzte gewesen, der sich in solchen alten Bahnen transzendenten Philosophierens bewegte. Es hat ja
auch starken poetischen Reiz, etwa die Allernährerin Sonne als fühlendes Weltenherz und königlichen. Thronsitz
rein en Geistes zu verehren. Und es wäre ebenso vermessen wie töricht, die Seelenlosigkeit des astronomischen
Kosmos als ein unantastbares Dogma zu behaupten. Aber kaum zu Ahnendes achtet man schweigend.
Alle Erfahrungen, gerade auch die der neueren Astrophysik, prägen uns mit unwidersprechbarer Sicherheit die
Oberzeugung ein: 1m ganzen sichtbaren All sind Raum, Substanz und Wandlungsgesetze von einerlei
Beschaffenheit. Wäre es auf anderen Welten z. B. die Art lebender Organismen, das Feuer zum Daseinselement
zu wählen, so müßte es als ein Rätsel, als Auflehnung gegen die Grundgesetze des Weltganzen erscheinen, daß
auf unserem Stern keine, auch nicht eine, unter den zahllosen Lebensformen sic}1 mit diesem Element hat
befreunden können. Von Lebensmöglichkeiten auf anderen Gestirnen zu sprechen, hat nur in der Weise einen
Sinn, daß man die Ansprüche feststellt, die das organische Leben auf Erden erhebt, um zu blühen und sich zu
erhalten und sie als Norm anwendet. Als Lebensträger kommen danach nur Weltkörper in Frage, die eine starre
Rinde, eine durchlichtete Atmosphäre und, mindestens zeitweilig, tropfbar flüssiges Wasser haben. Die
Verhältnisse müssen über sehr lange Zeiten stabil sein, und die Temperatur in der Lebenssphäre darf sich vom
Taupunkt des Wassers nach beiden Seiten nicht allzu stark entfernen. Zwar können trockene Keime
Temperaturen über + 1000 C und bis nahe zum absoluten Nullpunkt, -273° C, lange ertragen. Aber solche Keime
sind "ruhendes Leben"; das wirkende ist in weit engere Temperaturgrenzen gewiesen. Ob es im Wesen des
Lebens liegt, daß der in sehr hohem Maße verbindungsfähige Kohlenstoff wesentlichste Substanz der
Lebensträger ist, wie beim Plasma unserer Organismen, oder ob andere Grundstoffe an seiner Stelle dienen
können, mag eine offene Frage sein. Zusammensetzung und Dichte der Atmosphäre und Art der anorganischen
Nährsubstanzen in der Planetenrinde werden in weiten Grenzen verschieden sein dürfen.
Die neun bekannten Planeten der Sonne zerfallen nach Anordnung und physischer Natur in drei Gruppen: vier
kleine, sonnennahe Körper von hoher Massendichte, vier wesentlich größere, sonnenfernere Körper von geringer
Dichte und eine dritte, sonnenfernste Gruppe kleiner Planeten, von der uns bislang nur Pluto bekannt ist. Die
Erde gehört zur Gruppe der kleineren, sonnennahen Planeten. Nach außen wird sie von Mars, nach innen von
Venus flankiert, und noch innerhalb der Venusbahn kreist Merkur.
Merkur schaltet als Lebensträger aus. Die Bestrahlung durch die Sonne ist auf ihm sechsmal so intensiv wie
auf der Erde; radiometrische Messungen bestätigen, daß seine Oberflächentemperatur auf über 4000
17
~ ~
d
Die Entfernungsverhältnisse im Planetensystem der Sonne. Je größer der Bahnhalbmesser ist, desto langsamer ist die Bewegung des
Planeten in seiner Bahn. Die Figur zeigt die Wegstrecken aller Planeten während der Zeit eines vollen Merkurumlaufs (z.B. Tage).
Pluto wäre im Maßstab der Zeichnung annähernd 5 cm jenseits des Neptun zu setzen, mit einer Bahnstrecke von 0,5 mm.
ansteigt. Er hat keine oder so gut wie keine Atmosphäre, und starre, zerklüftete Geländeformen dürften den
Planeten bedecken.
Wahrend Merkur und Mars erheblich kleiner sind als die Erde, kommt ihr Venus an Größe fast genau gleich.
Daß Venus uns als der weitaus lichtmächtigste Stern erscheint, hat zwei Gründe: Da ihre Bahn sonnenwärts der
Erdbahn benachbart ist, so ist Venus in den Zeiten ihrer Sichtbarkeit als Abend- oder Morgenstern das erdnächste
aller Gestirne, abgesehen vom Mond. Nur Mars kann es darin mit ihr aufnehmen, falls er gerade seiner
Oppositionsstellung nahe ist. Der zweite Umstand, dem Venus ihre große scheinbare Helligkeit verdankt, ist die
außerordentliche Rückstrahlungsfähigkeit ihrer Atmosphäre. Den Planetenkörper selbst kann das Fernrohr uns
nicht zeigen, weil die Venushülle zu dicht ist. Infolge ihrer geringeren Entfernung wird Venus in ihrem
Wärmehaushalt von der Sonne reichlicher bedacht als die Erde, ungefähr doppelt so stark. Die stark
kohlensäurehaltige Atmosphäre hindert die Ausstrahlung von Warme in hohem Maße und dürfte
Klimagegensatze zwischen den Breitenzonen der Venus stark ausgleichen. Auf Venus landende Raumfahrer
würden also vermutlich nicht zu frieren haben. Leidlich Sicheres läßt sich über die Zustande an der
Venusoberfläche indes nicht aussagen; denn es ist noch nicht gelungen, ihre Umdrehungsverhältnisse zu
ermitteln, wir kennen weder die Länge des Venustages noch die Lage der Venusachse im Raum, von diesen
beiden Faktoren hängen aber die klimatischen Zustände wesentlich ab.
Während Venus vielleicht in ihrer planetaren Entwicklung der Erde nachsteht, dürfte Mars in rascherem
Zeitmaß gealtert sein. Er ist kleiner und massearmer, und das Strahlungsfeld der Sonne ist in der Weite der
Marsbahn schon um mehr als die Hälfte schwächer, verglichen mit der Erdweite. Gerade die Wahrscheinlichkeit
eines höheren kosmogonischen Entwicklungsalters bei Mars hat den Marsphantasien der
letzten Jahrzehnte den stärksten Anreiz
verliehen. Eine Welt von versiegendem
Feuchtigkeitshaushalt zwingt ihren intelligenten Einwohnern planetarische Solidarität
auf. Eine großzügige, die ganze Marskugel
umspannende Kanalisation führt das spärliche
Naß den geeignetsten Kulturzonen und
Kulturzentren zu. Das ist der Gedankengang,
der
an
die
bekannteste
aller
Marsentdeckungen anschloß, an Schiaparellis
"Kanäle". 1m Fernrohrbilde des Mars sieht
man dunklere und hellere Flachenteile, deren
Bildscharfe, Intensität und Farbtönung in
recht weiten Grenzen schwankt. Oft von
atmosphärischen Trübungen verschleiert,
zeigt das Bild doch stets wieder dieselben
Umrißformen,
und
die
erfahrensten
Beobachter geben unabhängig voneinander
"Generalkarten" des Mars, die aufs beste
übereinstimmen. Unter den dunkleren
Gebilden gibt es schmale Streifungen, die
jedoch für besonders geübte Augen und unter
den
vorteilhaftesten
Wahrnehmungsbedingungen teilweise in
Die Größenverhältnisse im Sonnensystem. Pluto ist an Größe den kleinen
unscharfe Einzelheiten
inneren Planeten vergleichbar.
18
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i ..
Mars und "Marskanäle". Zeichnungen von G. Schiaparelli.
zerfallen, die nicht miteinander zusammenhangen. Die "Kanale" im engeren Sinn dieses Wortes sind vie! zarter;
sie werden als sehr feine, nur eben kenntliche, strichförmige Gebilde beschrieben, die in der zeichnerischen
Darstellung notwendig stark vergröbert erscheinen müssen. In ihrem Verlauf glaubte Schiaparelli und glauben
die anderen Verfechter der Kanaltheorie eine Gesetzmäßigkeit der Art zu erkennen, daß die Striche sich
Hauptkreisen der Marskugel anschließen, sie wären dann - höchst zweckmäßig - die kürzesten möglichen
Verbindungen zwischen ihren Endpunkten. Über die Kanäle sowie über rätselhafte Verschiebungen und über
Verdoppelungen derselben ist eine fast unübersehbare Literatur entstanden. Der Entdecker hat den unglücklich
genug gewählten Namen ursprünglich als inhaltlosen Ausdrucksbehelf gemeint, ist aber später selbst der
"Verführung" des Wortes erlegen.
Die Beobachter mit den besten Augen und den größten 1nstrumenten sehen die Kanäle nicht. Man darf die
Wahrnehmungen auf physiologisch-optische, vielleicht auch mars-meteorologische Ursachen zurückführen.
Die meist sehr auffälligen, gemäß den Marsjahreszeiten wachsenden und schwindenden weißen Pol-, kappen
bestehen aus Schnee und atmosphärischen Kondensationen. Photographien des Mars im Lichte sehr kurzer
Wellenlänge (Ultraviolett) zeigen die Flecke sehr klar und groß, die Marsscheibe fast ohne Einzelheiten und
etwas ausgedehnter als Bilder von sehr langwelligem (infrarotem) Licht; diese bilden die Oberflächengliederung
des Planeten ab, jene die Atmosphäre.
Die Atmosphäre des Mars dürfte dünner als die der Erde sein, sein Klima in der äquatorialen Zone I. etwa dem
der irdischen Polarkreise (südliches Grönland)
entsprechen: eine Welt, in der man nur eine Flora und
Fauna niederer Art wird erwarten dürfen. Wer freilich
glauben will, die uralte, der Menschheit des zwanzigsten
Jahrhunderts unermeßlich überlegene Kultur der Martier
habe sich im Inneren des Planeten eine neue, von
technischen Leistungen mit allem Lebensnötigen und
Wünschbaren versorgte Heimstätte geschaffen, dem
wird man nichts Stichhaltiges erwidern können.
Zwischen Mars und Jupiter klafft im Planetensystem eine
weite Lücke. Diese Zone wird von Tausenden sehr kleiner
Planetenkörper bevölkert. Selbst die wenigen stattlicheren
unter dies en "Planetoiden" oder " Asteroiden " haben nur
Durchmesser von wenigen hundert Kilometern. Einzelne
Planetoidenbahnen greifen weit in den Bahnbereich der
inneren Planeten über, andere in den Raum jenseits
Jupiters.
Mit bloßem Auge können auch die größten Planetoiden
nicht gesehen werden. 1m Fernrohr sind sie von Fixsternen
nicht zu unterscheiden. Sie verraten sich aber auf
Himmelsphotographien dadurch, daß sie feine Striche
einzeichnen: wahrend der Belichtungszeit haben sie infolge
ihrer Bahnbewegung im Sonnensystem ihre Lage
gegenüber den fernen Sternen geändert.
Mars von einem seiner Monde aus gesehen.
Phantasiebild von E. M.Antoniadi.
19
Bild 124 und Bild 131 zeigen Asteroidenspuren (bei 124 : 59 mm vom linken, 47 mm vom oberen Bildrand, bei
131: 37 mm von rechts, 69 mm von oben). Das Negativ von 131 ist am 29. April 1905 und in der folgenden Nacht
nochmals belichtet worden. Der Asteroid (wohl 349 Dembowska) hat daher 5 mm seitlich eine zweite Spur
eingezeichnet.
Die Bahnen der äußeren Planeten umgürten die Sonne in solcher Weite, daß sich die astronomische Einheit
dagegen recht bescheiden ausnimmt. Jupiter ist rund 5fach, Saturn 10fach, Uranus 2ofach, Neptun 30fach und
Pluto 40fach so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Die vier Großplaneten haben sehr hohe und dichte
Atmosphären aus Wasserstoffverbindungen (Ammoniak, Methan), mit Temperaturen, die sehr weit unter dem
Gefrierpunkt des Wassers liegen. Die Planetenkörper sind wahrscheinlich aus verhältnismäßig kleinen
mineralisch-metallischen Kernen mit mächtigen Hüllen aus Kohlenwasserstoffen aufgebaut. Ober die physische
Natur Plutos laßt sich noch nichts leidlich Gesichertes sagen. Er wird auch darin den inneren Planeten ähneln.
Jupiter ist der größte Planet, dem Durchmesser nach von elffacher Erdgröße, Saturn wenig kleiner, Uranus und
Neptun sind linear etwa vierfach so groß wie die Erde. Die Umdrehungszeiten sind sehr kurz; bei Jupiter und
Saturn betragen sie rund 10 Stunden, Uranus rotiert in knapp 11, Neptun in annähernd 16 Stunden. Die
Abplattung ist am auffallendsten ausgeprägt bei Saturn (1: 9,5), aber auch bei den anderen Großplaneten ist sie
beträchtlich.
Als Lebensträger kommen die äußeren Planeten nach alledem nicht in Frage. Vielleicht einzelne Monde.
Jupiter hat ihrer elf, Saturn zehn, Uranus vier, Neptun einen. Manche sind an Größe dem Monde vergleichbar,
einzelne sogar dem Merkur. Es ist aber unwahrscheinlich, daß diese kleinen planetarischen Kugeln eine
nennenswerte Atmosphäre zu halten vermögen. Auch der Erdmond ist ohne nachweisbare atmosphärische Hülle.
Mars besitzt zwei ganz winzige Satelliten, Venus und Merkur sind mondlos.
Das seltsame und schöne Gebilde der Saturnringe besteht aus "kosmischem Staub". Seine Partikel umkreisen
als Myriaden von liliputanischen Monden die Saturnkugel. Die Dicke des Ringsystems kann zu etwa 50 km
angenommen werden, bei einer Gesamt- Ringbreite von etwa 50000 km. Das Gebilde ist also verhältnismäßig
äußerst dünn.
Alle Planetenbahnen und fast alle Satellitenbahnen liegen nahezu in ein und derselben Ebene (doch hat die
Bahn Merkurs 70, die Plutos so gar 170 Neigung), und die Umläufe der Planeten erfolgen in einerlei
Richtungssinn; dem von Norden Herabschauenden würden sie der Uhrzeigerbewegung entgegengesetzt
erscheinen. Die Planetoiden, vor allem aber die Kometen, folgen mit ihrer Bewegung diesen Gesetzmäßigkeiten
nicht. Die Bahnebenen haben die verschiedensten Neigungswinkel gegenüber der Hauptebene des
Sonnensystems, und die Bewegung der Kometen ist teils "rechtläufig", d. h. wie bei den großen Planeten, teils
"rückläufig", d. h. entgegengesetzt.
Die Kometen sind nach Elis Strömgrens Untersuchungen an den bisher erforschten Bahnen als ursprüngliche
Mitglieder der Sonnenwelt zu betrachten, wenigstens in ihrer Mehrheit. Die Umlaufsbahnen der periodischen
Kometen reichen größtenteils sehr viel weiter in den Fixsternraum hinaus als die der Planeten. Bei diesen hält
Pluto den Rekord in der Länge der Umlaufsperiode mit dem 248fachen (247,7) des Erdjahres. Bei den Kometen
dürften die Umlaufszeiten vielfach weit in die Jahrtausende gehen.
Der Planet Pluto. Aufnahme von W.Münch, Potsdam, vom 22.März 1930 mit 30 cm Spiegel (1 : 3). Belichtung 20 Minuten. Pluto ist der sehr schwache, durch einen Pfeil
gekennzeichnete Stern. Die große, umstrahlte Sternabbildung rührt von dem Stern Delta der
Zwillinge (4. Größe) her.
20
DIE SONNE ALS STERN
Sirius hat 25fach so große Strahlungskraft wie die Sonne. Würde die Erde zu ihm verpflanzt, so müßte sie in
Jupiterweite kreisen, wenn die Helligkeit der Erdentage unverändert bleiben sollte. Allerdings würde uns das
Licht des neuen Tagesgestirns ein bläulicheres Weiß zeigen als das der Sonne, das in Wahrheit gelblich ist. Die
Strahlungstemperatur der Sonne beträgt 60000, die des Sirius ist einige tausend Grad höher. Der zum Sirius
ausgewanderte Mensch sähe die Sonne als Stern seines Nachthimmels, und zwar dort, wo das Gebiet des
Herkules an den Westflügel des Adlers grenzt. Der Stern Sonne würde sich gegenüber den Sternen Wega und
Atair, die wir unfern dieser Stelle des Himmels erblicken, keineswegs sehr stattlich ausnehmen, er wäre
namentlich der Wega an Helligkeit unterlegen: nur etwa so hell wie die Hauptsterne des Himmelswagens. Wir
kennen zwar selbst solche Sterne, deren Leuchtkraft nur ein Millionstel von der der Sonne beträgt; und
Lichtriesen - von denen Rigel im Orion, mit 2oooo Sonnenhelligkeiten, ein extremes Beispiel ist - sind im
Sternraum nur sehr spärlich verteilt. Aber es ist doch so, daß sich die Sonne als ziemlich dürftiges Mitglied in die
den Raum bevölkernde Sterngesellschaft einfügt. Eine kosmische Statistik der großen und kleinen
Strahlungsvermögen würde sie zwar nicht unter die Ärmsten, aber doch in das große Heer der schwachen
Steuerzahler einreihen. 1hrem Masseninhalt nach sind die Fixsterne bei weitem nicht so verschieden wie in den
Leuchtkräften. Es gibt Sterne, deren Masse erheblich kleiner ist als die der Sonne; die obere Grenze wird wenige
hundert Sonnenmassen nicht überschreiten können.
Die Fixsterne sind durch und durch aus Gasen von sehr hoher Temperatur aufgebaut. 1m Kern der Sternkörper
müssen Temperaturen von vielen Millionen Grad und ungeheure Druckkräfte bestehen. Die den Sternkörper
erfüllende Strahlung, das von seiner Gesamtmasse erzeugte innere Schwerefeld und jene Wirkungen, die sich
gemäß der elektromagnetischen Struktur der Materie zwischen Atomen und zwischen den Aufbauelementen der
Atome ergeben, haben wir als die bestimmenden Hauptkräfte des Sternlebens anzusehen. Die Schwerkraft will
den Gasball zusammenziehen, die Strahlung widersetzt sich dem und wirkt auftreibend. Wie es zugeht, daß die
meisten Sterne über unermeßliche Zeiten hin ein beständiges Gleichgewicht zwischen den feindlichen Brüdern
in ihrem Inneren wahren, wie sie es machen, daß sich ihr (menschlich gesehen, ganz unerhörter) Energieverlust
durch Ausstrahlung Milliarden und aber Milliarden Jahre lang stetig ersetzt - das sind Rätsel. Die Astrophysiker
sind diesen Rätseln mit einem wahrhaft bewundernswerten Aufwand an Scharfsinn und Ausdauer nachgegangen.
Doch müssen wir bis heute noch bekennen: Unser Wissen von den Lebensvorgängen in den Sternleibern ist über
erste Fragestellungen noch kaum hinausgelangt; die Antworten sind hypothetisch und wechseln in Einzelheiten
fast von Jahr zu Jahr.
Es ist mit den Sonnen wie mit den Planeten: Unsere sicheren Kenntnisse ergreifen nur die Oberflächen.
Was wir vom Inneren der Erde wissen, von ihrem metallischen Kern und von Unstetigkeitszonen im schaligen
Aufbau der Kugel, sind ja auch nur wenig sichere Schlußfolgerungen. Aber nachdem heute der Aufbau der Welt
mit plötzlichem, mächtigem Zugriff erfaßt ist, werden bald auch die Grundlinien ihrer Lebensgesetze klargelegt
sein. Die Hoffnung hierzu kommt uns von der Art, wie die Forschung in der Welt größter Maßstabe und die
Forschung in der Welt kleinster Maßstäbe einander mehr und mehr ergänzen. Der Atomforscher schaut nach
dem Stern licht, und die Atomphysik löst Rätsel des Sternlebens. Der Atomzerfall, der die Erscheinungen der
Radioaktivität hervorruft, hat es ermöglicht, das geologische Alter der Erde auf mindestens annähernd zwei
Milliarden Jahre zu bestimmen. In dieser Zeitspanne kann das Strahlungsleben der Sonne keine merkliche
Einbuße oder Änderung erlitten haben. Wenn die relativistische Physik mit der Annahme recht hat, daß Substanz
und Energie ineinander überführbare Wesenheiten sind, so ist damit wohl die Ansatzstelle gegeben, von der aus
wir in das Geheimnis der kosmischen Prozesse eindringen können.
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Sonnenflecke sind Wirbel, die das Glutgewölk der strahlenden Außenschicht des Sonnenballs zerreißen.
Aufnahmen 17 und 18: Yerkes-Sternwarte. 19: B.Schmidt-Mittweida (15. Juni 1917).
22
Bild der Sonne im Licht des glühenden Wasserstoffs. Gleichzeitige Aufnahme mit Bild 91.
Eine Gaskugel muß, so sollte man meinen, nach außen ganz allmählich an Dichte abnehmen. Doch kann
darüber kein Zweifel herrschen, daß die Sonne tatsächlich eine wohlbestimmte Oberflache, von wolkiger
Struktur, und darüber eine Atmosphäre von verhältnismäßig geringer Mächtigkeit besitzt. Die scharfe
Umgrenzung kommt dadurch zustande, daß in einer Außenschicht von wenigen hundert Kilometern Mächtigkeit
Temperatur und Dichte von innen nach außen sehr rasch abnehmen. Die Dimensionsverhältnisse zwischen
Gestirn und Hülle sind denen bei der Erde nicht unähnlich. Doch wird die Sonne weithin von feinsten
Partikelchen umschwebt, die zu dünn verteilt sind, um noch als "Atmosphäre" erscheinen und wirken zu können,
deren Gesamtheit aber doch wundervolle Strahlenkranze (wesentlich von dem an freien Elektronen reflektierten
Sonnenlicht) erzeugt, die wir bei totalen Sonnenfinsternissen als Korona bewundern.
Direkte Momentphotographien der Sonne zeigen eine nach dem Rande zu etwas abgedunkelte Scheibe.
Infolge der Kugelkrümmung der Sonne reicht unsere Einschautiefe nur in um so höher liegende, minder dichte
und minder heiße Schichten, je weiter von der Scheibenmitte die Einblickstelle entfernt ist. Die
23
Atmosphäre ist nicht so heiß wie die Oberfläche. Man kann bei totalen Finsternissen den Augenblick erhaschen, in
dem der Mond zwar gerade die ganze Sonne, aber noch nicht ihre ganze Atmosphäre verdeckt, diese erscheint
dann als roter Saum, und man nennt sie ihrer Färbung wegen Chromosphäre, die strahlende Sonnenoberfläche
selbst dagegen Photosphäre.
Man hat den Anblick der Photosphäre, wie er sich bei Benutzung starker Hilfsmittel darbietet, mit dam von
Reisbrei verglichen. Die hellen Wolken liegen in einem minder hellen Medium, wie die Reiskörner im Brei. Die
Größe der Wolken beträgt einige hundert bis einige tausend Kilometer. Sie sind aber in so heftiger Bewegung,
daß das Bild nach Minutenfrist nicht mehr wiederzuerkennen ist. Wesentlich beständigere Bildungen sind die
Fackeln und Flecke. jene lassen sich kurz als helle, hochlagernde Wolken kennzeichnen, diese dagegen als
Zentren mächtiger Wirbel. Ihr Mittelfeld ist frei von "Körnung", aber natürlich nicht dunkel, wie es auf
Abbildungen aussieht (wegen der ungeheuren Abmilderung aller Helligkeitsstufen des Sonnenbildes gegenüber
der Wirklichkeit), vielmehr noch vielhundertfach so hell, wie uns die Mondscheibe erscheint. Die Zone rings um
den "dunklen" Kern der Flecke besteht in der Regel aus zerrissenen, zungenförmig schmalen Wolkenstreifen, die
auf Fleckenbildern großen Maßstabs dem Ganzen oft recht plastisch das Aussehen eines Trichters geben. Die
Untersuchungen Hales und seiner Mitarbeiter auf der großen kalifornischen Sternwarte von Pasadena (Mt.
Wilson) haben gelehrt, daß die Fleckgebiete elektromagnetische Wirbelfelder sind. Vermutlich werden die
Sonnenflecke durch die Strömungsverhältnisse in den äußeren Schichten des Sonnenkörpers hervorgerufen; das
Ineinanderwirken horizontaler und vertikaler Strömungen mag bei eine Rolle spielen, doch geben uns die Flecke
noch zahlreiche Rätsel auf: in der 11- oder 22-jährigen (durchschnittlichen) Periode ihrer Häufigkeit, in ihrer
gesetzmäßig wechselnden Verteilung in einem breiten (dem Äquator der Sonne folgenden) Gürtel, ihrem
gewöhnlichen Auftreten in Paaren, den Gesetzmäßigkeiten ihrer Polarität usw.
Die (an langlebigen Flecken der Photosphäre gemessene) Umdrehungsdauer des Sonnenballs betragt am
Äquator der Sonne ~5 Tage, in höheren Breiten mehr (in 35 bis 40° Breite ~7 Tage).
Zu den eindrucksvollsten Bildern, die die Himmelsphotographie unserem Auge vermittelt, gehören die
Protuberanzen. Sind schon die "Wolken" der Photosphäre als Gebilde von außerordentlich geringer Dichte zu
betrachten, so noch viel mehr die Protuberanzen, die wir auch kaum als etwas anderes ansehen können, denn als
"Wolken" leuchtender Gase in sehr hoher Verdünnung. Zuweilen schießen sie mit Geschwindigkeiten bis zu 100
km/sec oder selbst einem Vielfachen dieses Betrages empor, vereinzelt bis in Höhen gleich dem
Sonnendurchmesser. Oft lagern sie verhältnismäßig ruhig, für viele Stunden oder selbst für die Dauer von Tagen
beständig, und im Gegensatz zu den eruptiven Protuberanzen nur langsam die Gestalt wandelnd und vergehend .•
Die Strahlung der Sonne erreicht uns nicht so, wie sie die Photosphäre verläßt. Nicht nur, daß sie von der
irdischen Atmosphäre bestohlen und auch ein wenig verfälscht wird: schon auf der Sonne selbst, in der
Chromosphäre, hebt das Unheil an. Die Chromosphäre, das heißt also die Atmosphäre der Sonne, schwächt den
kurzwelligen Teil der austretenden Strahlung und vermehrt auf seine Kosten den langwelligen. Vor allem aber:
Die Atmosphärengase der Sonne sind minder heiß als die Photosphärengase, . daher berauben sie das
Photosphärenlicht in all den Wellenlängen, in denen sie selbst zu strahl en vermögen. Dieses Raubwesen ist aber
ein wahres Glück für den Forscher. 1m weißen Sonnenlicht ist ein
unbegrenzter. Reichtum an Strahlung vereinigt: alle Regenbogenfarben mit ihren unendlichen Obergangstönungen. Um dies en vielfältigen Reichtum der Sonnenstrahlung zu mustern, breitet man sie mit Hilfe
lichtbrechender Prismen oder mit Hilfe von feinen Beugungsgittern, an denen die Strahlung sozusagen zersplittert
wird, in das regenbogenartige Spektrum aus, zweckmäßig so, daß man ein strichartiges Lichtbündel in ein
bandförmiges Spektrum verwandelt. An den beraubten Stellen (entsprechend den Wellenlangen, die die
Chromosphäre selbst zu emittieren vermag) ist das Spektrum minder hell, in der üblichen ungenauen
Ausdrucksweise gesprochen: es erscheinen "dunkle" Linien, Absorptionslinien. Die Absorptionen im
Sonnenspektrum zäl1len nach Zehntausenden. Sie verraten uns, welche Stoffe die Sonnenatmosphäre in
gasartigem Zustande enthält. Der Physiker kennt ja, je länger desto besser, die "Emissionsspektra" der irdischen
Grundstoffe und vermag daher - wenn auch bei: der unerhörten Fülle der Spektrallinien mühsam genug - die
Linien des Sonnenspektrums zu "identifizieren". Das Ergebnis ist: Mindestens zwei Drittel aller Elemente sind in
der Sonnenatmosphäre vertreten. Womit natürlich nicht gesagt ist, daß der Rest fehle.
Das Einzelstudium der Linien, ihrer Beschaffenheit und ihrer Lage im Spektrum, gibt aber auch Aufschlüsse
über die Anregungs-, Temperatur-, Druck-, Lagerungs- und Bewegungsverhältnisse. Bei den
24
21. Typische Sternspektra (die schmalen Lichtbänder, die sie beiderseits begleitenden Linienscharen sind die mit einer irdischen
Lichtquelle künstlich erzeugten Vergleichsspektren). Das blaue Ende des Spektrums ist links, das rote rechts. Man sieht deutlich, daß
bei den heißen Sternen (oben) die hellste Stelle des Spektrums weiter im Blau liegt als bei den minder heißen (unten)
22. Ein Teil des Sonnenspektrums mit Absorptionen (Fraunhoferschen Linien).
23. Neue Sterne flammen in wenigen Tagen oder Stunden zu zehn- oder selbst hunderttausendfacher Helligkeit auf. Die Aufnahme
links zeigt den Neuen Stern im Adler (von 1918) in seiner ursprünglichen Helligkeit, die kürzer belichtete Aufnahme rechts am Tage
des Aufleuchtens (Aufnahmen der Yerkes-Sternwarte).
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erzeugenden Stoffen - und so ist der Forschung mit dem Ausbau der "Spektralanalyse" ein ungeheures Feld
bedeutsamster Funde zugefallen.
Die Spektra von Hunderttausenden von Fixsternen sind untersucht worden. Deutsche Forscher waren an den
grundlegenden Arbeiten in erster Linie mitbeteiligt heute liegt besonders in den Katalogen der HarvardSternwarte ein riesiges Material vor, das in die Physik der Sterne einfühlt.
Je nach der Stelle in der Farbenfolge des ,,kontinuierlichen" Spektrums, die am hellsten erscheint, ist die
Strahlungstemperatur höher oder geringer. Die "blauen" Sterne sind am heißesten, die "roten" am kühlsten.
Allerdings können Sterne von geringerer Oberflachentemperatur als etwa 2000 aus Fixsternweiten nicht mehr
wahrgenommen werden.
Als wichtigstes Ergebnis lehrt die Spektralanalyse der Gestirne, daß die stoffliche Zusammensetzung des
ganzen Weltgebäudes in allen seinen Sternen gleich ist.
Die Strahlungszustand~ der einzelnen Fixsterne sind außerordentlich verschieden, ja es gibt kaum zwei Sterne
von absolut gleichen Spektren. Doch lassen sich unter den Sternspektren fast lückenlose Obergänge selbst
zwischen noch so sehr voneinander abweichenden Spektralbildern auffinden. Nur ein sehr kleiner Bruchteil der
Sterne widerstrebt einer solchen Einordnung. Offenbar zeigen die einzelnen Sterne, wie wir sie heute sehen, die
verschiedenen Zustände nebeneinander, die für einzelne Stern normalerweise in unermeßlichen Zeiträumen
nacheinander durchmacht.
Wenn auch die Sterne für die systematische Betrachtung mit vollem Recht verhältnismäßig wenigen spektralen
Typen eingeordnet werden (O, B, A, F, G, K, M, N, R, S), so hat doch jeder der Milliarden Sterne individuelles
Gepräge. Alle Fixsterne sind Sonnen, aber es gibt unter ihnen Giganten von unerhörter räumlicher Größe und
phantastisch geringer durchschnittlicher Dichte des Gasleibes sowie Zwerge von ebenso erstaunlich hoher
Massendichte. Es gibt Paare von Sonnen und Systeme aus drei und mehr Sonnen. die Delta-Cephei-Sterne sind
nicht die einzigen Sterne von veränderlicher Leuchtkraft, vielmehr zeigt uns die rasche anwachsende
Veränderlichenforschung alle möglichen Typen rätselhaf1en .Flackerns". Und nicht immer verlaufen die
Lebensprozesse der Sterne in majestätisch ruhigen Formen oder doch in Schwankungen von mäßiger Heftigkeit die "neuen Sterne" sind Welten brande, bei denen in Frist von Tagen oder Stunden die Sternstrahlung auf das
Hunderttausendfache ihres Betrages anwachsen kann!
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Die beiden lockeren Sternhaufen Chi und h im Perseus. Aufnahme von E.E.Barnard.
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Die Lichtgiganten der kugelförmigen Sternhaufen drängen sich in der Mitte der Haufen dichter zusammen: Aufnahmen des Kugelhaufens M 13 im Herkules mit 6 Minuten und 15 Minuten Belichtung (1,5-m-SpiegeI, Mt. Wilson).
STERNGESELLSCHAFTEN
Über den Namen Siebengestirn spottet Ovid: quae septem did, sex tamen esse solent. In der Tat sieht ein
normales Auge um das hellste Sternchen (Alkyone), im Volksmund "die Glucke", nur fünf weitere schwache
Sterne, als Küchlein, geschart. Der Name Siebengestirn rührt aus den Zeiten her, in denen erstes Staunen über die
zahlenmäßigen Weltnormen, die sich am Himmel der Gestirne offenbaren, den Zahlenaberglauben aufwuchern
ließ. Wir haben aber z. B. von Mästlin aus der Zeit vor der Erfindung des Fernrohrs eine Zeichnung der hübschen
Sterngruppe, die elf Sterne abbildet. Das Fernrohr und die Himmelsphotographie lehren (im Verein mit
systematischer, auch auf die "Eigenbewegungen" und die Spektra ausgedehnter Untersuchung): Mehrere hundert
Sonnen bilden dort einen Schwarm, der in einheitlicher Flugbewegung durch den Raum dahinfährt. Freilich ist
die Sterngruppe der Plejaden etwa 500 Lichtjahre entfernt, so daß unser Auge nur die wenigen ihr angehörenden
Giganten erkennen kann. Alkyone ist ein Sternriese von hoher Temperatur, 600fach so lichtmächtig wie die
Sonne, und Plejadenbewohner müßten schon ein größeres Fernrohr zu Hilfe nehmen, um die Sonne als zarten
Sternpunkt überhaupt erblicken zu können.
In den Sternräumen unserer Umgebung mag es, nach Trümpler, rund 150 lockere Sternhaufen nach Art der
Plejaden geben, vielleicht noch etwas mehr. Doch sind das alles recht bescheidene Erscheinungen unter den
Sterngesellschaften. An einer Stelle im Sternbild Herkules, etwa halbwegs zwischen den hellen Sternen Wega (in
der Leier) und Gemma (in der Nördlichen Krone) erkennt man in dunklen, klaren Nachten einen winzigen
Lichtfleck, den das Auge nur mit einiger Mühe auffassen kann. Das Licht, das uns aus dieser Raumesrichtung
zureist, hat eine Fahrt von vielleicht 25000 Jahren hinter sich. Es bringt Kunde von einer Sternsozietat
allerhöchster Harmonie: von Hunderttausenden von Sonnen, die in kugelförmigem Raume verteilt den
wohlabgestimmten Reigen ihrer Bewegung vollführen. Auch die größten Fernrohre bringen nur die Sterngiganten
aus der Schar aufs Bild, doch zeigen lange belichtete Platten Tausende und aber Tausende von Sternpünktchen. In
den mittleren Gebieten stehen die Sterne sehr dicht, nach außen nimmt ihre Verteilungsdichte mehr und mehr ab.
Das Licht durchquert einen solchen "Kugelhaufen" in einigen hundert Jahren (das Siebengestirn in etwa 30
Jahren). 1m Inneren stehen die Sterne so dicht, daß ein "Inflationsmodell" die Sternkörnchen nicht 100, sondern
nur vielleicht 5 km voneinander anzuordnen hätte; auch gas gewährt jedem Sandkorn ja Spielraum genug. Man
kann danach annehmen,
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Die Dichte der Sternverteilung in den "Kugelhaufen" nimmt, wie länger belichtete Aufnahmen zeigen, nach außen allmählich ab.
Diese beiden Bilder sind 37,5 Minuten und 94 Minuten belichtet. Die Aufnahmen 26 bis 29 greifen von Bild zu Bild um je eine
Größenklasse zu schwächeren Sternen weiter.
daß den Sternhimmel eines Planetenbewohners im Zentrum des Kugelhaufens Dutzende von Fixsternen zieren,
die der Venus an Glanz nichts nachgeben.
Der kugelförmige Sternhaufen im Herkules ist nicht der einzige seiner Art. Man hat insgesamt rund 90
derartige harmonisch gestaltete Gebilde aufgefunden. Sie stehen in ungeheurer Vereinzelung im Weltraum. Der
entfernteste der Kugelhaufen hat einen Abstand von annähernd 150000 Lichtjahren. Harlow Shapley hat das
System der Kugelhaufen seit 1918 eingehend untersucht. Diesen Arbeiten danken wir einen wesentlichen Teil
der neuen Einsichten in den Weltbau. Will man ein Modell vom System der Kugelhaufen herstellen, so muß man
in der Verkleinerung sehr weit über den "Inflationsmaßstab" hinausgehen. Dort waren die Sonnen Sandkörner,
das Planetensystem war in einem Sälchen unterzubringen, und auf der Fläche des Deutschen Reiches hatten
einige Dutzend der 100 km voneinander entfernten Sonnenkörnchen Platz. Beanspruchen wir das Gelände von
ganz Mitteleuropa, um ein Modell des Kugelhaufensystems zu bilden, so werden die einzelnen Sonnen der
Kugelhaufen zu bakteriengroßen Stäubchen, die 5 bis 10 m durchschnittlichen Abstand haben, und jeder
Kugelhaufen wird ein Gebilde von den Ausmaßen einer ländlichen Kleinstadt. Es wäre aber falsch, die 90
Kleinstädte gleichmäßig über Mitteleuropa zu verteilen. Die Kugelhaufen bevölkern ein Raumgebiet, das seiner
Form nach mit einer Walnuß Ähnlichkeit hat. Wir müssen also über und unter der Bodenfl5.che Mitteleuropas
einen Raum von einigen hundert Kilometern Weite in Anspruch nehmen und in ihm die 90 "Kleinstädte"
verstreuen. Um den wahren Verhältnissen gerecht zu werden, müssen wir die mit Einzelsternen besetzte
Mittelzone in einer Schichtdicke von 100 bis 150 km freilassen, dafür die dieser Mittelschicht beiderseits
benachbarten Schichten etwas reichlicher besetzen.
Um die Sterngesellschaften noch höheren Ranges anschaulich darzustellen, bleiben wir bei dem Modellmaßstab, der die Kugelhaufen als Kleinstädte, die Sonnen als Mikroben von 1/10000000 mm Größe betrachtet
und die Neptunbahn auf den Umfang einer Tauperle einschrumpfen läßt.
Was ist das für eine merkwürdige Gesetzmäßigkeit, daß die kugelförmigen Sternhaufen eine verhältnismäßig
dünne f'v1ittelschicht des von ihnen beanspruchten Raumes fast völlig zu meiden scheinen, sich aber von außen
her dieser Schicht zudrängen.
Die flache Mittelschicht, im Modell vom Flachenraum Mitteleuropas und etwa 100 bis 150 km dick, enthält
jenes Sterngewölk, das uns am Himmel als Milchstraße erscheint. Dieses wundersame, magisch zarte Gebilde
umfließt als mäßig breiter, blasser Leuchtstrom das ganze Himmelsrund, weithin (zwischen Schwan und
Kentaur) gespalten und in einem der beiden Teilstrome streckenweise fast versiegend, zu-
29
Oben: Sternwolke der Milchstraße im Einhorn. Tessaraufnahme von M. Wolf. Heidelberg.
Unten: Sternwolken der Milchstraße jm Schwan. Tessaraufnahme von M. Wolf. Heidelberg.
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Oben: Die Milchstraße am Winterhimmel mittlerer nördlicher Breiten.
Unten: Milchstraße der Sommer- und Frühherbstnächte. Die abgegrenzten Gebiete entsprechen den Bildern 30 und 31.
Zeichnung der Milchstraße von F.Goos, Hamburg, nach Aufnahmen von M.Wolf, Heidelberg.
weilen mit schmalen Lichtfingern seitlich ausgreifend und an mehreren Stellen in Lichtwogen aufrauschend,
deren Glänzen wie Märchentraum von fernen Diamantensälen ist.
Die Milchstraße ist eine flache kosmische Wolkenbank. Wir leben inmitten einer ihr zugehörenden Teilwolke
und haben daher nur erst unvollkommene Vorstellungen davon, wie das Gesamtgewölk sich gliedert. Die
Sternbrüder, die mit uns unsere Teilwolke (das "lokale Sternsystem") besiedeln, zählen nach Dutzenden von
Millionen. Es gibt Milchstraßenwolken, die kleiner, andere, die weit mächtiger - aus hunderten Millionen von
Sonnen aufgebaut - sind. Das Zentrum der Milchstraßenwelt fällt offenbar mit dem Zentrum des
Kugelhaufensystems zusammen und ist (in Richtung des Sternbildes Schütze) etwa 30000 Lichtjahre von uns
entfernt. Der Durchmesser der „Wolkenbank" , zugleich der des Kugelhaufensystems, beträgt rund 100000 bis
150000 Lichtjahre. Die Gesamtmasse des Milchstraßen-Sternalls geht sehr weit in die Milliarden Sonnen.
Weit außerhalb des Raumes, den Milchstraße und kugelförmige Sternhaufen einnehmen, liegen andere
Welteninseln. Nur eine von ihnen, den großen Andromedanebel, kann das unbewaffnete Auge als matten
Lichtschimmer wahrnehmen. Dieser .Nebel" ist einer der nächsten Nachbarn der Milchstraße: nicht sehr viel
weniger als eine Million Lichtjahre entfernt, eine Sternenwolke von vielleicht zwei oder drei Milliarden
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Eine Welteninsel: Elliptischer Nebel (im Gebiet des Großen Bären), N. G. C. 2976. Aufnahme des 2,5-m-SpiegeIs (Mt. Wilson)
3 Stunden belichtet.
Sonnen. Die Form des großen Andromedanebels ist wunderbar regelmäßig; um eine flache Zentralmasse ordnen
sich spiralige Lichtströme an, deren beide Hauptarme einander gegenüber am Kern des Ganzen entspringen und
ihn in streifender Richtung verlassen. Wir schauen schräg zur Fläche auf das schöne Gebilde.
In dem Modell, das unser Planetensystem im Tautropfen und die Milchstraßenwelt im Raume Mitteleuropas
unterbringt, wird das "lokale Sternsystem" etwa von der vereinigten Größe Württembergs und Badens werden.
Der Andromedanebel wäre etwa von der Größenordnung Deutschlands, man müßte ihn aber nach Australien
verlegen.
Dieses Modellbild gibt uns eine angemessene Vorstellung davon, wie das Universum mit "Welteninseln"
bevölkert ist. Die "Inseln" sind zwar bei weitem nicht immer von spiraliger Bauform, wie der große
Andromedanebel, und auch in ihren Abmessungen und Leuchtkräften variieren sie stark, doch hat sich für sie der
gemeinsame Name "Spiralnebel" eingebürgert. Es hat den Anschein, als seien das Milchstraßensystem und der
Andromedanebel Gebilde von weit überdurchschnittlicher Größe und als seien die meisten Welteninseln eher mit
der Größe des lokalen Sternsystems zu vergleichen. Zu gutem Teile wird dieser Anschein aber wohl nur dadurch
hervorgerufen, daß in Aufnahmen weit entfernter Spiralnebel die mit leuchtender Materie nur sehr dünn besetzten
Außengebiete nicht mit zur Abbildung gelangen.
Die Welteninseln treten vielfach zu höheren Einheiten, zu Inselgruppen im Raumozean, zusammen.
Vielleicht bildet die Milchstraße, zusammen mit den Kugelhaufen, dem großen Andromedanebel und einer Reihe
anderer Großgebilde auch eine derartige kosmische Inselgruppe.
1m Gebiet der Sternbilder Coma und Virgo, nicht weit vom nördlichen Milchstraßenpol, sind auf einer
Himmelsfläche, die eine Hand bei ausgestrecktem Arm verdeckt, nicht weniger als 2775 "Spiralnebel" gefunden
worden, die feinsten, fernsten davon freilich kaum von winzigen Sternchen zu unterscheiden. Etwa 300 der
hellsten Mitglieder dieses Feldes bilden eine Nebelwolke, die rund 10 Millionen Lichtjahre von uns entfernt sein
dürfte. In dem Gewimmel der übrigen Nebel des merkwürdigen Feldes heben sich
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Eine der unserem Milchstraßensystem nächstbenachbarten Welteninseln, an Größe etwa einer einzelnen Sternwolke der
Milchstraße vergleichbar. Ihre Entfernung von uns beträgt 700000 Lichtjahre. (N. G. C. 6322, im Schützen. 2,5-m-Spiegel, 3,5
Stunden belichtet.)
einige weitere Gruppen offenbar zusammengehörender Nebelchen ab. Die entferntesten dieser Gruppen mögen
annähernd 2oo Millionen Lichtjahre Abstand haben. Sie erscheinen uns, wie sie in geologischer Vorzeit der
Erde, längst vor der Geburt des Menschengeschlechts, waren.
Man schätzt, daß mit den mächtigen Fernrohren der Mt.-Wilson-Sternwarte einige Millionen Welteninseln
sichtbar gemacht werden können. Es ist vielleicht ein wenig großzügig, aber doch wohl im Maßstab nicht
verfehlt, wenn man im Durchschnitt jeder dieser Welteninseln einen Masseninhalt von einer Milliarde Sonnen
zutraut} der Sicht- und Meßbereich der heutigen Menschheit hatte danach einen Gesamtinhalt von einigen
tausend Billionen Sonnen.
Ein erheblicher Teil dieser Massen ist nicht zu Fixsternen verdichtet, sondern als äußerst fein verteilter
kosmischer Staub in den "Welteninseln" enthalten. 1m Bereich der Milchstraße erscheinen uns solche
Staubmassen als helle unregelmäßige "Nebel" oder als lichtabschirmende "Dunkelwolken".
FERNROHR UND HIMMELSBILD
Als in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts der jüngere Herschel auf dem Wege zum Kap der
Guten Hoffnung war, um unter dem südlichen Himmel das riesige Sternzählungswerk seines Vaters ergänzend
fortzuführen, benutzte ein geistreicher Witzbold die gute Gelegenheit zu einem Scherz, der lange Zeit hindurch
die denkende Menschheit, gelehrte wie ungelehrte, in Atem hielt. Er ließ eine Broschüre erscheinen, in der er mit
redlicher Miene und einigem Aufwand scheinbarer Gelehrsamkeit die abenteuerlichsten Dinge von geflügelten
Mondmenschen beiderlei Geschlechts zum besten gab, in der Form neuester Berichte von John Herschels
Beobachtungen mit Riesenfernrohren am Kap.
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Es kann keine Rede davon sein, daß Fernrohre jemals so kleine Gebilde wie irdische Lebewesen auf Mondweite
sichtbar zu machen vermöchten. Das wird auch der von amerikanischen Astronomen und Technikern gebaute
Riesenspiegel von 5 m Durchmesser nicht zuwege bringen. Es liegt in der Natur der Lichtstrahlung einerseits und
der Fernrohre anderseits, daß der vergrößernden Leistung von Teleskopen unübersteigbare Grenzen gesetzt sind,
die weit unter jener Leistung bleiben. Obendrein gestatten die Untugenden der irdischen Atmosphäre den
Fernrohren nur sehr selten, ihr volles Vergrößerungsvermögen einzusetzen; denn die "optische Unruhe" der Luft,
die die im Fernrohr gesehenen Bilder zum Tanzen bringt und verwaschen macht, wird in ihren Wirkungen im
Maße der angewendeten Vergrößerung gesteigert.
Die kleinsten Gebilde, die unter günstigen Umstanden mit den größten Fernrohren eben noch als ausgedehntes
Etwas zu erkennen sind, müssen auf dem Monde von der Größenordnung kleiner Hügel sagen wir: von
Pyramidengröße, sein. Bei entfernteren Himmelskörpern müssen sie entsprechend größere Dimensionen haben:
bei Mars (in mittlerer Opposition) etwa 2o km, bei der Sonne etwa 50, bei Jupiter 2OO km. Es muß betont
werden, daß dies Grenzwerte für die Wahrnehmung sind; die in Photographien und Zeichnungen abgebildeten
Einzelheiten sind von weit gröberer Natur.
Die Wellennatur des Lichtes, an der das Streben nach unbegrenzt hohen Vergrößerungen scheitert, liefert
anderseits in geeigneten Fällen die Möglichkeit, Dimensionsbestimmungen auszuführen, die zunächst völlig
aussichtslos erscheinen müssen, z. B. die Größe von Fixsterndurchmessern festzustellen. Die Strahlungen, die von
einander gegenüberliegenden Teilen des Sternscheibchens ausgehen, stören einander (sie "interferieren"), und es
entstehen Wirkungen, die theoretisch berechnet und bei Riesensternen am Sternlicht experimente'11 beobachtet
werden können. Einer der an räumlicher Ausdehnung größten bekannten Sterne ist der Veränderliche Mira
(Wunderstern) im Walfisch. 1m 1nflationsmodell wäre Mira kürbisgroß (50 cm Durchmesser) und müßte etwa
nach Madrid gesetzt werden, wenn sich die Sonne als Sandkorn, die Erde als mikroskopisches Stäubchen in Berlin
befänden. Den Miradurchmesser zu bestimmen, heißt also mit dem Fernrohr von Berlin aus einen in Spanien
wachsenden Kürbis messen.
Kuppelgebäude des 2,5-m-Spiegels (Hookerreflektor) auf Mt. Wilson in Kalifornien.
34
Plattenhalter am 1,5-rn-Refiektor. Man sieht innen (in der optischen Achse des Fernrohres, um 45° zu
ihr geneigt) den Planspiegel der das vom Parabolspiegel kommende Lichtbündel seitwärts zur
photographischen Platte (oder zum Okular) lenkt.
Auf diese geniale, namentlich von Michelson und Pease entwickelte Methode der 1nterferometerarbeit können
wir hier nicht näher eingehen. Doch soll kurz das grundsätzlich Wichtige von der Wirkungsweise der beiden
gebräuchlichen Fernrohrtypen, des Refraktors und des Reflektors, erklärt werden.
Der Refraktor wirkt nach dem selben Prinzip wie das menschliche Auge: Ein linsenförmiger transparenter
Körper (das "Objektiv") sammelt vermöge seiner Fähigkeit zur Strahlenbrechung das vom Objekt auf seine
Stirnfläche gelangende Licht und erzeugt in seiner "Brennebene" (dem Fokus) ein Abbild des fernen
Gegenstandes. Wer eine solche Sammellinse als Brennglas benutzt. verwertet dabei die in dem kleinen Fokalbild
der Sonne vereinigte Wärmestrahlung. Eine in der Bildebene angebrachte photographische Platte würde das
Abbild des Objekts aufnehmen. Der Beobachter pflegt dieses Abbild mit Hilfe eines "Okulars", das durchaus
wie eine Lupe wirkt, zu vergrößern und so seinem Auge zuzuführen.
Leider werden die zahllosen das Gestirnlicht zusammensetzenden Einzelstrahlungen je nach ihrer Wellenlänge vom Objektiv verschieden stark aus der Gangrichtung abgelenkt. Die Bilder von kurzwelliger (blauer)
Strahlung entstehen in kleinerem Abstand vom Objektiv als die Bilder von langwelliger (roter) Strahlung. Die
Beseitigung dieser "chromatischen Aberration" ist das wichtigste und schwierigste Problem, das der Bau eines
Refraktors dem Konstrukteur und dem Erzeuger optischer Gläser aufgibt. Es ist nicht vollkommen zu lösen,
sondern nur näherungsweise. Ein Umstand macht die Sache noch verwickelter: das Auge ist für andere
Wellenlängen maximal empfindlich als die photographische Platte; die Korrektion muß dann, wenn mit dem
Instrument hauptsächlich photographiert werden soll, auf "Blauempfindlichkeit" abgemessen sein, im anderen
Fall, wenn "visuell" beobachtet werden soll, auf "Gelbempfindlichkeit". Der große Doppelrefraktor des
Potsdamer Astrophysikalischen Observatoriums vereinigt ein "photographisch korrigiertes" Objektiv von 80 cm
Durchmesser mit einem "visuellen" von 50 cm Durchmesser. Die Brennweiten betragen etwa 1~1/2 m.
Bei Spiegelfernrohren werden meist viel kürzere Brennweiten benutzt. Sie erzeugen das Bild des Objektes mit
Hilfe einer parabolisch geschliffenen spiegelnden Fläche. Die Rückstrahlung erfolgt in allen Wellenlängen völlig
gleichartig; das Licht wird also ohne den bei Refraktoren unvermeidbaren Nachteil des Verlustes von
Strahlungsteilen und chromatischer Trübungen in der Bildebene vereinigt, allerdings ist die 'Fläche der
Abbildung nicht streng eben, sondern leider etwas gekrümmt. Ein lästiger Nachteil der Reflektoren ergibt sich
aus der Tatsache, daß sie das Licht zur Umkehr auf seinem Strahlengang nötigen.
35
Der größte Reflektor der Erde: das Hookerteleskop von Mt. Wilson. Die Kosten des Instruments, mit Zubehör und Kuppelbau.
betrugen 540000 Dollar. Der Spiegel hat 2,5 m Durchmesser.
36
Der große Doppelrefraktor der Potsdamer Sternwarte. Das Hauptfernrohr enthält das mächtigste photographisch korrigierte Objektiv
der Erde (80 cm Durchmesser, Brennweite 12,2 m).
37
Sternspuren in der Nachbarschaft des Himmelsäquators: Jupiter und Venus im Aufgang am 14.Juli 1919, mit 10
Minuten Belichtung bei ruhendem Fernrohr aufgenommen.
Die Spurengruppe oben, rechts von der Bildmitte, rührt vom Siebengestirn her, die dem Horizont nächste
(zwischen den Gebäuden) von Aldebaran, über diesem Venus und etwas höher Jupiter. Aufnahme der
Sternwarte Sonneberg (Dr. C. Hoffmeister).
Will man das Bild photographieren oder beobachten, ohne Platte und Okular in den Strahlenweg zu bringen, so
muß die Strahlung durch einen Fangspiegel seitwärts abgelenkt werden. Die Befestigung des Fangspiegels in der
optischen Achse stört natürlich das vom Objekt kommende Licht in seinem Wege; es entstehen
Beugungswirkungen, denen die auffälligen Umstrahlungen der helleren Sterne auf Reflektoraufnahmen ihren
Ursprung verdanken. Sie mögen zuweilen sehr "dekorativ" wirken, im astronomischen Bilde stellen sie
unerwünschte, aber unvermeidbare Störungen dar.
Je mächtiger die Öffnung des Fernrohres, d. h. der Objektiv- oder Spiegeldurchmesser ist, desto mehr
Strahlung einer punktförmigen Lichtquelle kann das Instrument fassen und im Abbild vereinigen. Der größte
Fernrohrspiegel der Welt, der Hookerspiegel auf Mt.Wilson (von 2 1/2 m Durchmesser), vermag noch Sterne
sichtbar zu machen, deren bei uns eintreffende Strahlung millionenmal so schwach ist wie die der feinsten dem
freien Auge erkennbaren Sterne: er greift bis zur 2O. oder 21. "Sterngröße" durch, das Auge nur bis zur fünften
oder sechsten.
Eines allerdings leistet kein Fernrohr: die Intensität der Strahlung flächenhafter Gebilde kann es auf keine
Weise erhöhen. Die Bilder vom Mond, von Planetenscheibchen, von kosmischen Nebeln erscheinen um so
blasser, je stärkere Vergrößerungen mit Hilfe der Okulare angewendet werden.
Da die Gestirne infolge der stetigen Achsendrehung der Erde an unserem Himmel kreisen, müssen die
Fernrohre dieser "täglichen Bewegung" nachgeführt werden. Das geschieht mit Hilfe von starken Uhrwerkantrieben; doch ist die damit zu erzielende Bewegung nicht streng stetig, so daß der Beobachter durch
"Feinbewegungen" die verbleibenden Fehler und Unstetigkeiten ausgleichen muß.
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Wird das Fernrohr der Umdrehung des Firmaments nicht nachgeführt, so zeichnen die Sterne Spuren in die Platte ein. Dieses Bild
wurde gewonnen, indem das Fernrohr eine Stunde lang unbewegt zum Drehungspol (Nordpol) des Himmels gerichtet blieb. Der
reichlich 10 vom Pol entfernte Nordstern hat die kurze starke Spur 10 mm links unter der Bildmitte eingezeichnet. Die scheinbaren
Wege der Sterne sind um so größer, je weiter diese vom Pol entfernt sind. Von den zahlreichen in der Photographie sichtbaren Sternen
kann das bloße Auge nur die :w hellsten erkennen (ein sehr gutes Auge unter günstigen Verhältnissen bis zu 50). Vom "Kleinen
Bären" ist nur der "Schwanz" jm Bildbereich, vom Polarstern nach rechts und oben ziehend.
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Bei seiner etwa vier Wochen währenden Umlauf am Sternhimmel verdeckt uns der Mond die in seinem Wegbereich liegenden Sterne.
Da helle Sterne sehr spärlich am Himmel verteilt sind, werden solche "Sternbedeckungen" selten auffällig. Das Bild links zeigt, wie
sich der zunehmende Mond mit seinem dunklen Ostrande dem Fixstern Aldebaran nähert. Mitte: der Stern wird. nach dem
Vorübergang des Mondes, am Westrande des letzteren wieder sichtbar. Rechts: 1 Minute 40 Sekunden nach dem Wiederauftauchen des Sterns. Aufnahme: Yerkes-Sternwarte, 22. März 1904.
BILDER VOM MOND
Der Mond wendet der Erde, indem er sie umkreist, stets fast genau dasselbe Gesicht zu. Die "Rückseite" der
Mondkugel bekommen wir nie zu sehen. Diese Art, wie sich die beiden Gestirne in ihrem kosmischen Reigen
aufeinander "eingespielt" haben, läuft darauf hinaus, daß der Mond die Geschwindigkeit seiner Achsendrehung
der Zeit eines Umlaufs von Erde und Mond um den gemeinsamen (innerhalb der Erde liegenden) Schwerpunkt
angepaßt hat. Umlaufs- und Umdrehungszeit sind bei ihm gleich und betragen rund vier Wochen. Von den Polen
abgesehen (wo infolge der geometrischen Verhältnisse der Mondbewegung die Erscheinungen verwickelt sind),
hat jeder Teil der Mondoberfläche 14 Tage Sonnenbestrahlung und 14 Tage Nacht. "Tag" und "Nacht" sind für
den Mond zugleich "Sommer" und "Winter". Die Bodentemperaturen passen sich nach dem Durchgang der
Sonne durch den Horizont sehr rasch den neuen Verhältnissen - Blick zum Sternraum oder Blick zur Sonne - an.
Sie schwanken zwischen etwa 1500 über und 1500 unter Null.
Eine Atmosphäre, die uns den Einblick in die Mondwelt trüben könnte, hat der Mond nicht. In ewiger,
wunderbarer Reinheit liegen seine besonnten Landschaften vor uns, und unvermittelt beginnen jenseits der
sonnenwärts gewendeten Geländeteile klare, tiefe Schatten.
Bild 46 (auf Seite 43) läßt fast alle typischen Geländeformen des Mondes deutlich erkennen: mattschimmernde, vergleichsweise ebene Gebiete von tiefem Niveau, an deren Rändern teilweise steilragende
Bergtafeln und kettenartige Trümmergebirge - von Rundwällen aller Größenstufen übersäte, das Sonnenlicht
stark reflektierende Gebirgshochländer -, seltsame Strahlennetze, die radial an einzelne Rundform en anschließen
und ihnen das Aussehen spinnenartiger Tausendfüßer geben.
Bild 1 (Titelbild) zeigt das auf Bild 46 auffälligste Strahlengebilde. Das zentralliegende Ringgebirge,
Kopernikus, hat etwa 100 km Durchmesser. Die scharfgeschnittenen Konturen der Kammlinien im Ostteil des
Walles (rechts) lassen erkennen, daß der Kamm weithin durch einen Parallelzug verdoppelt ist und daß der Wall
nach innen terrassenartig abfüllt. Das Gefälle ist innen stärker als außen, der Gesamtabstieg nach innen größer als
nach außen (etwa 3300 m gegen kaum 1500 m). Beide Eigentümlichkeiten sind typisch; nur in sehr seltenen
Ausnahmefüllen liegen die Verhältnisse anders. Bei dem der Lichtgrenze näheren Eratosthenes (5 cm links von
Kopernikus und tiefer) erhebt sich der Wall etwa 4500 m über das Wallinnere, 2OOO m über die Umgebung. Die
zentrale Bergmasse im 1nneren ist weit niedriger als der Wall. Auch der "Zentralberg" ist eine überaus häufig
vorkommende Baueigentümlichkeit der lunaren Rundlinge.
Bei nicht allzu hohem Einfallswinkel des Sonnenlichts verleihen die kräftigen Schatten den Mondgebilden den
Anschein eines sehr plastischen Reliefs. Das ist eine Täuschung, derer man sich nicht wirk-
40
sam genug erwehren kann. Nimmt man die Abbildungsfläche als Niveau der Umgebung, so ist im Maßstab des
Bildes der Wallkamm des Eratosthenes nur 1/3 mm über, sein 1nneres knapp ~ mm unter der Papierfläche zu
denken. Bei Kopernikus sind die entsprechenden Werte 1/4 mm und 1/3 mm.
Von den vielen Versuchen, die Natur und die Entstehung der Strahlensysteme zu erklären, sei als
verhältnismäßig wahrscheinlichster der erwähnt: daß es sich um Aschenauswürfe vergleichsweise junger
vulkanischer Bildungen handelt. Sehr eingehende photometrische, polarimetrische und spektralanalytische
Untersuchungen haben gelehrt, daß die Mondoberfläche von poröser Struktur ist, ähnlichen Charakters wie etwa
Bimsstein. Wie weit an der Modellierung des heutigen Mondantlitzes innere Kräfte mitgewirkt haben
(Abkühlung und Schrumpfung, Entgasung, Vulkanismus), wie weit äußere (Meteoriteneinsturz), das ist eine
Frage, über die nur kurzsichtiger Dilettantismus heute schon eine Entscheidung kann erzwingen wollen.
Bild 47, Seite 44, stellt das Gebirgshochland des Südwestquadranten bei etwas anderer Neigung des Mondes
zur Erde und in anderer Beleuchtung dar als Bild 46, und in größerem Maßstab. Eine ganz überwältigende Fülle
von Formen. Besonders schön die mächtigen Schatten der "Altai" genannten, nach links abfallenden Wand
(beim linken Rand, etwa 8 cm von unten) und unter ihr die drei zusammenhängenden Rundformen (Theophilus,
Cyrillus, Katharina).
Auf Bild 48 ver1äuft die Lichtgrenze östlicher. Die in ihr liegenden Bildungen bieten, im Gegensatz zu ihrem
Aussehen auf dem vorhergehenden Bilde, wegen des Schattenwurfs einen überaus plastischen Anblick. Die
wannenartige Einsenkung der umwallten Rundlinge tritt vielfach sehr klar hervor, z. B. bei Clavius (4 cm von
oben, 71/2 cm von links, ein Riesengebilde mit vielen kleineren "Kratern", Durchmesser ~35 km, Form der
Mondkrümmung wegen elliptisch erscheinend, Innenhöhe 5000 m), bei dessen stattlichen Nachbarn Maginus (6
cm von links, 5 ~ cm von oben) und Longomontanus (6 cm von oben, 5 1/2 cm von rechts), bei dem
ungewöhnlich tiefen Albategnius (in der Ecke links unten, 2 1/2 cm von links, 2 cm von unten). Manche Wälle
sehen aus, als seien sie durch "Verwitterung" (für die man aber nur die starken Temperaturschwankungen, also
ein "Mürbewerden", verantwortlich machen könnte) oder durch Oberschmelzung stark eingeebnet (z. B.
Gauricus, 103 mm von oben, 68 mm von rechts, und die große, alte Rundform links davon, ~1/2 cm
Durchmesser).
Eine "Verwerfung", bei der das Gelände auf etwa 150 km hin stufenförmig 300 m tief ostwärts abfallt, ist die
"Lange Wand" (7 cm von links, 51/2 cm von unten); die Steilwand erscheint infolge der scharfen Beleuchtung
auf diesem Bilde als heller Strich. 5 mm (40 km) rechts von ihrer unteren Hälfte ist eine grabenartige Senke, eine
Rille, sichtbar. Solche Risse im Gelände sind sehr häufig. Oft schließen sie an .Krater" an, sind auch oft mit
Kratergruben besetzt oder werden geradezu wie Perlketten von solchen Kraterchen gebildet.
Die "Tiefebenen", die Flecke im Mondantlitz, tragen von Zeiten naiver Analogieschlüsse her den Namen
"Meere" (Maria). Wie wenig eben diese Meere sind, lehrt Bild 50 (Seite 47): das Mare Imbrium (Regenmeer).
Es sieht aus wie ein riesiger Einschmelzungsherd; man meint Gebirgstrümmer von einem zur Hälfte zerstörten
Riesenring ("Jura", die Bucht "Sinus 1ridum", 45 mm von rechts, 65 mm von unten, in 300 km Weite
umsäumend) weiter links zu sehen, wie sie im zähen Schmelzfluß abgetrieben seien. Die in gleicher Richtung
bewegten konzentrischen Bodenwellen, die zuletzt gegen die "Apenninen" anbranden, verstärken den Eindruck.
Sie sind schön auf der Vergröf3erung, Bild 49, zu sehen. Die Apenninen erheben sich um etwa 5000 m aus dem
Mare Imbrium. Sie scheinen eine schräg gestellte Trümmertafel gigantischer Bergmassen zu sein. 1hre Länge
entspricht etwa der Strecke Berlin-Nürnberg. Ähnlich zyklopisch sind die Bergbrocken der "Alpen" (ihr
"Quertal" verliert sich auf Bild 50, 18 mm von links, 65 mm von unten, gegen das weiter westlich beginnende
Abenddunkel. Die ziselierende Arbeit von Wasser und Wind ist im Bilde der Mondlandschaften nirgends
spürbar.
Das astronomische Fernrohr wirkt "bildumkehrend". Wir geben die Photographien in der Orientierung des
Fernrohranblicks. Die Benennungen der Mondgebilde sind vorwiegend von Selenographen des 17. Jahrhunderts
erfunden worden.
Die Physiognomie einer Mondlandschaft verändert sich stark mit der Höhe des Sonnenstandes über ihrem
Horizont. Hierfür liefern die Bilder 45 bis 48 ein Beispiel. Für die Bergformen rechts in Bild 45 hat sich die
Sonne eben über den Aufgangshorizont erhoben. In Bild 48 will sie jür dieselbe Gegend gerade untergehen. Bei
46 und 47 steht sie noch ziemlich hoch; die Landschaft liegt auf diesen beiden Bildern im Licht des späten
Nachmittags vor uns, die Schatten sind daher nur kurz, und auf den ersten Blick erkennt man die einzelnen
Ringwalle kaum wieder.
41
44. Rillen des Mondes: Hyginusrille ( „Krater" Hyginus an der Knickstelle des Verlaufs) und Ariadäusrille (weiter links), oben rechts:
Krater"'Triesnecker, dessen Umgebung zahlreiche Rillen aufweist. Nach dem Pariser Mondatlas. (Das Bildfeld verläuft auf Bild 46
von der Mitte des linken Randes mit etwa 4 cm Ausdehnung nach rechts abwärts.)
45. Gebirgslandschaft im Südwestquadranten des Mondes in Morgenbeleuchtung. Auf dem folgenden Bilde (46) und auf Bild 4B ist
das Gebieten links zu finden (in Abendbeleuchtung). Aufnahme der Yerkes-Sternwarte. Mondbilddurchmesser bei44 und 45: 77 cm.
42
Der Mond, einige Tage nach Vollmond (Mondalter 18 Tage). Aufnahme von G. W. Ritchey mit dem 40 zölligen Refraktor der Yerkes
Sternwarte (durch Farbfilter).
43
Gebirgslandschaft im Südwestteil des Mondes. Mt.Wilson, B.August 19~5. Mondalter 19 Tage, Mondbilddurchmesser 37,5 cm.
44
Der Südteil des Mondes im Licht des letzten Viertels. Mt. Wilson, 15.September 1919. Mondbilddurchmesser 44 cm.
45
Mondgebirge "Apenrtinen" und Südwestteil des Mare Imbrium (Mondbilddurchmesser 90 cm).
46
Nordteil des Mondes im Licht des letzten Viertels: das Mare Imbrium und seine Randgebirge (Mondbilddurchmesser 42 cm).
Aufnahme: Mt. Wilson, 15. September 1919 (49 Vergrößerung nach 50).
47
MARS UND DIE ANDEREN PLANETEN. KOMETEN
Die von der Sonne beleuchteten Scheibchen der Planeten erzeugen selbst in den Brennebenen der größten
Fernrohre nur Abbilder von wenigen Millimetern Durchmesser. Auch wenn serienweise photographische
Aufnahmen gemacht werden, wie es an einigen besonders der Planetenforschung gewidmeten Sternwarten
planmäßig geschieht, so ist die Ausbeute an scharfen, die Einzelheiten gut zeigenden Bildern unter Tausenden von
Aufnahmen nur spärlich. Es sind die seltenen Glücksfalle, in denen optische Unruhe der irdischen Atmosphäre
während der Dauer der Belichtung nicht merklich störte. Die Zeichnung kann der Photographie weit überlegen
sein; denn der Beobachter ist imstande, alle von seinem Auge erhaschten Momente mit ruhiger und klarer
Einschau in die Welt des betrachteten Planeten auszuwerten. Freilich ist die nicht häufige Vereinigung scharfer,
kritisch geschulter Beobachtungsgabe mit hohem zeichnerischem Können erforderlich. Bei den von uns gezeigten
Planetenzeichnungen waren diese Bedingungen in vollkommenster Weise erfüllt.
Unter den Marsbildern vergleiche man zunächst die drei von verschiedenen Beobachtern herrührenden
Zeichnungen aus dem Frühherbst 1924 (Abb. 52, 55, 58). Sie stellen ungefähr den gleichen Marsanblick zu etwas
verschiedenen Zeiten, dar. Die innere Obereinstimmung der Zeichnungen beweist ihre objektive Zuverlässigkeit.
54 und 57 sind analoge Photographien, die zusammen mit 53, 56, 70 bis 74, 76 und 77 das Beste kennzeichnen,
was in der Aufnahme von Planeten bisher erreicht wurde. Die vier oberen Bilder auf den Seiten 50 und 51 stellen
vorzüglich vor Augen, wie binnen 6 Wochen im Frühherbst 19~4 die Südpolarkappe des Mars an Ausdehnung
abnahm: etwa von der Größe des europäischen Kontinents auf die Mitteldeutschlands. Es war die Zeit
vorschreitenden Südsommers auf Mars. Die Bilder sind so gewählt, daß sie vereint ziemlich gut das ganze
Marsrund darstellen, das ja infolge der 24,75 stündigen Rotationsdauer des Planeten stetig überwacht werden
kann. Seite 50 gibt unten eine Generalkarte des Mars in Merkatorprojektion, und die Identifizierung der
Einzelbilder mit dieser Karte bereitet keine Schwierigkeiten. Das mächtige nach unten weisende dunkle Horn auf
den Bildern 53, 56, 60, 63, 64 und 66 ist die "Große Syrte"; sie ist schon auf den ersten am Fernrohr gewonnenen
Skizzen des Mars, von Huygens, aus dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts, unverkennbar zu find en. Das von
dunkler Streifung durchzogene große Feld auf 62, 61, 65 (auf 52 und 55 am rechten Rande liegend) ist "Lacus
solis" ("der Sonnensee").
Die Zeiten vorteilhafter Marsbeobachtung kehren etwa alle 26 Monate wieder. Es sind die Zeiten, in denen
Mars seine Opposition zur Sonne erreicht. Die Erde wandert dann zwischen Sonne und Mars in ihrer Bahn, den
Mars (von der Sonne gesehen) einholend und überholend. In diesen Zeiten ist der Abstand Erde-Mars am
kleinsten, und Mars geht abends auf, morgens unter. Die Bahn des Mars weicht stark von der Kreisform ab. Steht
er während der Opposition im sonnennächsten Teil der Bahn, so ist die Annäherung zwischen Erde und Mars
besonders groß. So war es 1924 seitdem wurden die Verhältnisse von Opposition zu Opposition unvorteilhafter,
erst 1937, 1939 boten wieder bessere Lageverhältnisse, fernerhin 1941, 1956, 1971; so günstig wie 1924 werden
sie aber erst 2003 wieder sein.
Die großen äußeren Planeten zeigen uns verhältnismäßig wenig Einzelheiten in ihren Bildern. Wir sehen nur
die atmosphärischen Hüllen mit ihren Kondensationen; der Durchblick auf den vielleicht im Inneren sich
abgrenzenden planetarischen Kern ist uns verwehrt. Alle vier, namentlich aber Jupiter und Saturn, tragen
dunklere Streifung, die parallel zum Äquator des Planeten verlauft. Auf Jupiter bestehen diese Äquatorialbänder
meistens aus mehreren Parallelstreifen; zeitweise sind sie sehr reich an Struktur; helle und dunkle Flecken treten
in ihnen auf. Ein Gebilde, das jahrzehntelang zu sehen war, dann verblaßte und neuerdings wieder hervortrat, ist
der "Rote Fleck" Jupiters, im Bild 68 oben links als ovale Aufhellung des südlichen Äquatorialbandes zu finden.
Die Längenausdehnung des Flecks kommt etwa dem Erdumfang gleich.
48
Die Saturnringe zeigen sich uns je nach der Stellung des Saturn in seiner Bahn in wechselnder Verkürzung. Die Ringebene bleibt
während des 29 1/2 Erdjahre dauernden Saturnumlaufs sich selbst parallel. 1m Rhythmus von annähernd 30 Jahren erlangen wir in
stetigem Obergang: steilsten Blick auf die Ringflache von Norden (wie 1928/1929), Blick auf die Ringkante (1936/1937), steilsten
Einblick von Süden (1943/1944), Blick auf die Kante (1950) und wieder steilsten Blick auf die Nordfläche des Ringsystems (1958) .
*
Unter den in neuerer Zeit erschienenen Kometen war der Komet 1908 lll (Morehouse) ein besonders
dankbares Objekt für den Himmelsphotographen. Wenn ein Komet bei seiner Annäherung an die inneren
Bezirke des Sonnensystems für Fernrohre sichtbar wird oder bei seinem Fortwandern ihnen wieder entschwinden will, so erscheint er als feines, kleines Nebelwölkchen, oft mit einer sternartigen Verdichtung. In
größerer Nähe bei der Sonne, und damit bei der Erde, zeigt sein größer und heller gewordenes Bild in der Regel
eine deutliche Gliederung in Kopf und Schweif. Die Lichtsträhnen des Schweifs pflegen sich bei sehr hellen
Kometen über weite Strecken des Himmels hinzuziehen; sie haben zur Benennung der schönen, einst wegen
ihres plötzlichen Eingreifens ins Welttheater so gefürchteten Gestirne den Anlaß gegeben, Komet (griech.)
bedeutet Haarstern; Am Kopf eines wohlbeschaffenen Kometen sind der helle, sternähnliche Kern und dessen
neblige Hülle (die Koma) zu unterscheiden. Die Gliederung, in Kopf mit Koma einerseits, Schweif anderseits,
tritt auf unseren Bildern sehr schön in Erscheinung.
Ein in der Nähe der Erde auf seiner Bahn wandernder Komet schreitet ziemlich rasch unter den Fixsternen
fort. Bei einer Kometenaufnahme genügt es also nicht, das Fernrohr dem täglichen Himmelsumschwung folgen
zu lassen, an dem der Komet natürlich teilnimmt, da dieser Umschwung nur die. Spiegelung der Achsendrehung
unserer Erde ist; vielmehr muß das Fernrohr während der Dauer der Aufnahme zugleich genau dem Marsch des
Kometen zwischen den Sternen nachgeführt werden. Von dieser Nachführung rühren die hellen Striche auf den
Kometenphotographien her. Es sind die Spuren, die die einzelnen Sterne des Gesichtsfeldes in die Platte
eingegraben haben, wahrend sie langsam an Ihnen vorbeibewegt wurde.
Zwei unserer Bilder sind mit nur drei Stunden Zeitunterschied aufgenommen worden. Man sieht gut, wieviel
der Komet in der Zwischenzeit fortgerückt ist. Vor allem aber hat sich der Schweif in der kurzen Zeit stark
verändert, und es ist, als wolle er sich vom Kopf des Kometen ablösen.
Auf den unteren Bildern heben sich sehr gut die geraden, um den Kopf herumschießenden Strahlen der Koma
vom Schweif ab. Die Schweifsträhnen sehen aus, als wären sie in toller, wirbelnder Bewegung. Das ganze neblig
zarte leuchtende Wesen rührt von unendlich klein verteilten Partikelchen her, die sich unter der Einwirkung der
Sonnenstrahlung aus den Massebrocken der kleinen "kosmischen Wolke", als die der Kern anzusehen ist,
losgelöst haben und sich nun, hauptsächlich dem Strahlungsdruck folgend, in immer wilder werdender
Sonnenflucht vom Kopf des Kometen fortbewegen.
Max Wolf hat die Ganghöhe der Schraubenwindungen gemessen, in denen auf dem Bilde vom 10. November
1908 die Partikelchen vom Kometen fortsausen. Sie wächst im Bereich des Bildes von knapp 100000 bis zu 11/2
Millionen km an.
Geeignete Paare von Aufnahmen lassen, für beidäugiges Sehen zum Raumbild vereinigt, vortrefflich das
Schweben des Kometen im Weltraum, weit vor den Sternen, erkennen. Unter anderem hat Max Wolf solche
Zusammenstellungen vom Kometen Morehouse gemacht (in seinen "Stereoskopbildern vom Sternhimmel"), die
zum Herrlichsten gehören, was wir an kosmischen Natururkunden überhaupt besitzen.
49
50
Zeichnungen des Mars Von K.Graff: 51 (1.August 1924), 52 (22.August 1924). 60 (28.August 1924). 61
(14.September 1924), 59 (Generalkarte), 62 (14. November 1926), 63 (1. Dezember 1926), 64 (21. März 1927), 66
und 67 (1911). 53, 54: Aufnahmen von E. E. Barnard (40" -Refraktor) 24. September 1909. 56, 57: Aufnahmen Mt.
Wilson (60"-Reflektor) 4. Oktober und 3. November 1909. 55,65: Zeichnungen von ].R.Trümpler (Lick-Observatorium)
2.September und 29.August 1924, 58 Zeichnung von
W. H. Wright (Lick-Observatorium) 5. September 1924.
51
Jupiter und Saturn (Zeichnungen und Photographien): 68, 69: Jupiter nach Zeichnungen von K. Graff, 71-74:
Aufnahmen mit 1 ,5-m-Spiegel (Mt. Wilson) 1920. 1921 und 1922 (bei 73: der Jupitersatellit Ganymed und sein
Schatten !); 70: Aufnahmen im infraroten Licht (oben) und im ultravioletten (unten), Lick·Stemwarte, Mt.Hamilton.
52
75: Saturn, Zeichnung nach Aufnahme Von E.E.Barnard , 76 und 77: Aufnahme mit 1 ,5-m-Spiegel (17.
November 1911), 78: Saturn mit zweien seiner Monde bei verschwundenem Ring (Blick auf die Ringkante),
1921 (nach K. Graff).
53
54
Der Komet 1908 III, Morehouse. 79: 30.September 190B, 80: drei Stunden später am gleichen Tage, 82 am 2.0ktober, 81
am 10.November, 83 am 16.November 1908. Bild 81 nach Aufnahme von M.Wolf, die übrigen van E.E.Barnard.
55
Der Halleysche Komet: am 30,
Januar 1910 (Kreuz: Ort des
Kometen 1 Tag früher). 85:
Kopf des Kometen am 5. Mai
(Aufnahme mit 60zöll. Spiegel).
86: der Komet am 15. Mai, 87:
am 12. Mai (Aufnahmen mit
Tessar auf Honolulu). 88:
"Perlschnurartige"
Sternschnuppe
(mit
rhythmischen
Lichtausbrüchen),
Aufnahme von C. Hoffmeister.
56
Nordlichtstrahlen am Westhorizont (in der Nachbarschaft des Sterns Prokvon) am 8. März 1918. Aufgenommen von C. Störmer, Bygdö.
Nordlichtkrone im Gebiet des Großen Bären. Aufgenommen von C. Störmer, Bygdö bei Oslo, am 8. März 1918,
gleichzeitig mit Bild 89.
SONNE UND STERNE
Bei dem Sonnenbilde Seite 58 ist zu beachten, daß Norden links. liegt. Diese Orientierung ist
gewählt worden, um die mächtige Fleckgruppe, die gegenübersteht, unter voller Ausnützung des
Raumes, möglichst groß und doch in derselben Orientierung zeigen zu können wie im Gesamtbild, auf
dem sie in einem vier Tage späteren Zustand zu find en ist. Das Bild Seite 9 gehört auch in diesen
Zusammenhang; es ist fünf Tage vor dem von Seite 58 gewonnen. Der Vergleich beider Bilder macht
die ostwestliche Rotation der Sonne deutlich. Die Flecke ordnen sich in den Breitengürteln beiderseits
vom Äquator der Sonne an (der in den Bildern senkrecht verläuft); in den Polgebieten fehlen Flecke
ganz.
Die folgenden vier Bildseiten (Abb. 93 bis 98) lassen die Sonne merkwürdig wollfIockig erscheinen;
sie greifen aus dem Gasgemisch der Photosphäre nur den Wasserstoff zur Darstellung heraus. Man
könnte diese monochromatischen spektroheliographischen Abbildungen .Skelettbilder" der
Photosphäre nennen; nur muß man sich vor Augen halten, daß die von allen einzelnen Elementen
aufgebauten Skelette sämtlich einander durchdringen. Direkt (im Gesamtlicht der Sonne) genommene
Bilder zeigen das "Gesamtgewebe" aller dieser Glasskelette. Bild 2o (Seite 23) ist ein
Spektroheliogramm vom selben Tage wie Bild 91.
Die wunderbaren Wirbelbilder lassen gut die Polarität der verschiedenen elektromagnetischen
Felder erkennen.
Die Bilder gewaltiger Protuberanzen machen es ohne weiteres begreiflich, daß die Sonne feinste
Partikelchen bis in die Erdatmosphäre herüberschleudert. Sie erzeugen im Magnetfeld der Erde die
Polarlichter und spielen auch beim Zustandekommen von "magnetischen Gewittern" und von
Störungen des Radioverkehrs eine Rolle.
Bei den Aufnahmen lockerer Sternhaufen ist die wechselnde Belichtungsdauer zu beachten. - In
dem Bilde des Siebengestirns Seite 73 würde die Mondscheibe etwa ~ 1/2 cm Durchmesser erhalten
müssen, in den Aufnahmen Seite 71 nur 1 cm.
57
Die Sonne bei stark entwickelter Fleckenbildung. Aufnahme (direktes Bild) vom l2.August 1917. Am Rande,
besonders im Westen (oben im Bild) sind .. Fackeln" erkennbar. Vgl. Bilder 3 (Seite 9) und 2o (Seite ~3). Rechts:
die größte der Fleckgruppen einige Tage früher, am 8. August 1917. Aufnahmen: Mt. Wilson.
58
•
59
Als mächtige Wirbelzentren stellen sich die Sonnenflecke besonders deutlich dar, wenn sie in einfarbigem
(monochromatischem) Licht mittels des Spektroheliographen photographiert werden. Diese beiden Bilder sind in
roter, Von Wasserstoffdampfen herrührender Strahlung (im Ha-Lichte des Wasserstoffs) aufgenommen worden.
Sehr schöne Stromlinien!
(Aufnahmen Mt. Wilson.)
60
61
•
Hochschwebende und daher minder heiße Dämpfe der Sonnenatmosphäre erscheinen dunkel, solange sie gegen
die glänzende Sonnenscheibe gesehen werden. Am Rande der Sonne, gegen den Himmelsgrund gesehen,
erscheinen (im spektroheliographischen Bilde) diese hochatmosphärischen Gebilde der Sonne hell, als
"Protuberanzen".
62
Die beiden Bildpaare sind mit je einem Tage Zeitunterschied aufgenommen (links: 27. und 28.Juni. rechts: 30.Juni,
1.Juli 1917) und zeigen das Fortrücken von Protuberanzen infolge der Sonnenrotation zum Westrande der Scheibe,
wo sie sich hell auf die Himmelsfläche projizieren. (Aufnahmen Mt. Wilson).
63
Protuberanzen sind Glutmassen von überaus geringer Dichte, die sich als der Sonnenatmosphäre erheben
und die am Rande der Sonnenscheibe, auf den HimmeIsgrund projiziert, oft Bilder von herrlicher
Bewegungsform erzeugen. Die kleinen Scheiben in den Bildern '100 (unten) und 1.01 stellen die Größe der
Erde im Bildmaßstab dar. 99: Vier Bilder Vom 10.0ktober 1'910, um 1 Uhr 50~inuten, 5 Uhr 30 Minuten, 6 Uhr
10 Minuten, 12 Uhr 2 Minuten (oben beginnend), 100: Aufnahmen vom 1o.JlJni 1917. Höhe der Protuberanz
175000 km. (99, 100, 103: Mt. Wilson, 101,102,104: Verkes-Sternwarte.)
64
65
66
Protuberanzen der Sonne. Die größte Höhe über der Sonnenoberfläche betrug bei 105: 130000 km, bei 108:
225000 kr:,. Das Bild 107 ist 10 Minuten nach 106 aufgenommen. Bild 109 („Heliosaurus") stammt Von der totalen
Sonnenfinsternis des 8.Juni 1918, der kleine Kreis stellt die Erde im Maßstab des Bildes dar. (Aufnahmen: 105
und 108 Mt. Wilson, 106,
107 und 109 Verkes-Observatorium.)
67
Sonnenkorona bei der Finsternis vom 28. Mai 1900. Aufnahme Von E. E. Barnard und G. W.
Ritchey.
68
11
1
Sonnenkorona bei der Finsternis vom 24.Januar 19~5. Aufnahme (Mt. Wilson-Observatorium) in
Middletown, 15 Sekunden belichtet.
69
Kombination gleichzeitiger Aufnahmen der Sonne und ihrer Protuberanzen. Beide Aufnahmen im K-Licht des KaIziums.
(22.Mai 1916, Mt. Wilson.)
70
1 cm
=
31'
Das Siebengestirn und seine Umgebung. Aufnahme der Verkes,Sternwarte.
1 cm = 31·
Die äußerst feinen Nebelschleier, in die die Sterne des Siebengestirns (und Teile seiner Umgebung)
eingehüllt sind, decken bei lange belichteten Aufnahmen die Sterne zu. Das Feld dieser elfstündigen
Aufnahme von M.Wolf ist genau dem von Bild 113 gleich. Zahllose Sterne, deren Licht bei der kurzen
Aufnahme nicht wirksam wurde.
0
erfüllen das Feld. - 1 = 19 mm.
Jeder der unzähligen Fixsterne unseres Himmels ist ein Glutgasball ähnlich unserer Sonne.
71
115
Riesenfernrohre machen die zarte Struktur der PIejadennebel sichtbar; Nebel um den Stern Merope im
Siebengestirn. Aufnahme des 1,5-m-Spiegels von Mt. Wilson, 5 Stunden belichtet. Dieser Nebel ist der unterste
der Nebelballen in Bild 116.
72
1
cm =
12.7'
Während das Licht von der Praesepe (Bild 117) bis zu uns rund 550 Jahre gebraucht, sind die lockeren
Sternhaufen Z und h im Perseus (Bild ~5) wohl sechsmal so weit entfernt. Dagegen hat das Siebengestirn (Bild
116) nur etwa 300 Lichtjahre Abstand. Auf länger belichteten Aufnahmen treten dünne Nebelschleier hervor, die
die ganze Sterngruppe einhüllen.
Sie bestehen aus überaus fein verteiltem Staub, der das Licht der in ihn eingebetteten Sterne
reflektiert. (Aufnahme E. E. Barnard.)
73
117
1
cm =
13.6'
Der Sternhaufen Krippe (Praesepe) im Krebs. Aufnahme von
E.E.Barnard.
74
Die Umstrahlung heller Sterne auf Reflektoraufnahmen rührt von der Beugung des Sternlichts an den Trägern des
Fangspiegels her. Der äußere Lichtkreis ist durch Reflexion Von Sternlicht an der Rückseite der photographischen
Platte entstanden.
DIE MILCHSTRASSE: WOLKEN IM WELTENRAUM
Zweierlei kosmische Wolken sind im Sternall dcr Milchstraße miteinander verwoben, Sternwolken
und "Nebel".
In den Sternwolken werden die "Dunstpartikelchen" von sonnenhaften Gaskugeln gebildet, die um
Licht jahre voneinander geschieden sind. Die Nebel der Milchstraße bauen sich aus "kosmischem
Staub", aus Gasmolekülen und hauptsächlich aus festen Massenteilen auf, deren Dichteverteilung im
Verhältnis zur Größe dcr Teilchen ebenso "unvorstellbar" gering ist wie die der Sonnen. lnfolge ihrer
ungeheuren Tiefenerstreckung können die Nebelwolken das hindurchstrebende Licht entfernterer
Gestirne teilweise, unter Umstanden auch ganz, durch Absorption auslöschen und es durch ungleiche
Streuung der einzelnen Wellenlängen verfärben. Wo die Nebelschleier hell erscheinen, werden ihre
Teilchen von benachbarten heißen Sternen zum Leuchten angeregt; manche Staubwolken, wie die in
den Plejaden, reflektieren das Licht der in ihnen stehenden Sterne.
Seite 76: Die mondsichelförmige Dunkelwolke im oberen Bildteil beginnt nach M. Wolfs
Untersuchungen schon in der Nähe des Sonnenbereichs und erstreckt sich etwa 2500 Lichtjahre in
die Tiefe. Die Schildwolke ist viel weiter, vielleicht 9000 Lichtjahre entfernt.
Seite 82: Der Name Omeganebel wird erst verständlich, wenn man den ganzen Nebel vor Augen
hat.
Er ahmt die Form des griechischen Buchstabens Omega nach.
Seite 88: Der Zusammenhang zwischen Vordergrundsternen und Nebelschleiern ist unverkennbar.
Sterne, die nicht mindestens so hell sind wie der 71/2 cm vom linken, 6 cm vom oberen Bildrand
entfernte, kann das bloße Auge nicht mehr erkennen.
Seite 95: Das Bild ist gegenüber dem vorhergehenden um 900 nach links gedreht.
Seite 100, unten: Die Massen des ungefähr 2,50 weiten Nebelringes befinden sich anscheinend in
Fliehbewegung vom 1nnenraum des Ringes nach außen. Die jährliche Verlagerung beträgt etwa den
40000. Teil des Monddurchmessers. Bei diesem Geschwindigkeitsmaß könnte die Bewegung vor
100000 Jahren in der Mitte der Nebelmassen ihren Ursprung genommen haben. Der dem Auge am
Himmel gerade noch erreichbare, in der Aufnahme sehr helle Stern in der Mitte des "Sturmvogels"
dürfte weit im Vordergrunde stehen. Das Feld westlich vom "Sturmvogel" ist ärmer an schwachen
Sternen als das östlich von ihm. Nach M.Wolf lagert hier ein Dunkelnebel von etwa 500 Lichtjahren
Mächtigkeit, der in 1500 Lichtjahren Entfernung beginnt. In der Umgebung des Nordamerikanebels
liegen nach Wolf zwei getrennte Wolken hintereinander. Die erste, die lichter ist, beginnt in 800
Lichtjahren Tiefe, die zweite, sehr ausgedehnte, bei 2500 Lichtjahren (vgl. 133 und 147).
75
119
1
cm =
36'
Die Schildwolke (südlich des Adlers), nach E. E. Barnard "die schönste aller Sternwolken, das Schmuckstück der
Milchstraße". Auch hier sind viele, große und kleine, mannigfach gestaltete kosmische Wolken vorgelagert. die das
von fern herkommende Licht abschirmen. Aufnahmen 119 und 1:!O von E.E.Barnard.
Seite 103: Auch an den zarten Nebelfäden im Krebsnebel konnten Eigenbewegungen nachgewiesen
werden. Sie verlaufen, wie bei dem Nebelring im Schwan (Seite 100, unten), radial. 1hre Geschwindigkeit ist
zu mehr als 1000 km1/1000sec bestimmt worden. Es darf angenommen werden, daß die Nebelmassen
ihren Ursprung einem gewaltigen Nora-Ausbruch vor etwa 900 Jahren verdanken und daß der Zentralstern
mit einem sehr hellen "Neuen Stern" vom Jahre 1054 identisch ist, der in chinesischen Annalen erwähnt
wird. Bei der ungeheuren Größe und Entfernung der kosmischen Nebel führen die Bewegungen auch dann,
wenn sie Dutzende oder selbst Hunderte von Kilometern in der Sekunde betragen, frühestens nach Jahrhunderten zu deutlichen Änderungen im Anblick der Gebilde.
76
1
cm =
24'
Ein reiches. mit schwachen Stern en dicht besetztes Feld der Milchstraße jm nördlichen Tei! des Sternbildes Adler.
Die große Lichtscheibe links unten rührt von dem hell en Stern Atair her. Vor dem Sterngewölk. uns näher, lagern
Dunkelwolken. Am auffälligsten ist die "dreiteilige Höhle" M. Wolfs. Am rechten (westlichen) Rande der Sternwolke
ein Netzwerk schmaler
dunkler Kanäle.
77
1
cm =
0
2
78
1cm = 32'
Links: Milchstraßenwolken im Schutzen, oben links die Schildwolke, unten rechts der östliche Teil des Skorpions.
Dieses Gebiet liegt in der Richtung zum Zentrum des Milchstraßensystems, das wohl etwa 30000 Lichtjahre von
uns entfernt ist. Die Bilder 119, 122 bis 126 und 148 zeigen Teile dieses 30 x 40° umfassenden
Milchstraßenfeldes in größerem Maßstabe. Oben: Große Sternwolke im Schutzen (auf Bild 121 südlich der Mitte),
im Anblick für uns durch vorgelagerte Dunkelmassen
reich gegliedert. Die Zahl der zu der Wolke gehörenden Sterne kann auf mehrere 100 Millionen geschatzt
werden.
Aufnahmen: 1:21 Mt.Wilson (Tessar, 3,75 Stunden Belichtung), 1:2:2 E.E.Barnard, 4 Stunden Belichtung.
79
1
cm=
21'
Nordteil der großen MilchstraßenwoIke im Schützen (1 ~~) und nördlich anschließendes Gebiet. Rechts oben zwei
Gasnebel (1~6, 148). 33 mm Vom oberen, 69 mm vom rechten Rand: der Planet Uranus.
Rechts: Chaotisches Sterngewölk im SchIangenträger, von Dunkelnebeln seltsamster Gestaltung zerklüftet. Das
Bildfeld liegt in Abbildung 1~1 unter der Mitte des rechten Randes (quer!).
Aufnahmen von E. E. Barnard.
80
81
Edelster Teil des Omeganebels: eine ungeheure Wolke dünner Gase, in der Leere des Fixsternraums ausgebreitet
und Von der Strahlung heißer Sterne zum Leuchten erregt. (Auf Bild 121: 60 mm vom link en, 77 mm vom oberen
Bildrande entfernt.) Aufnahme Mt. Wilson. 1,5-m-Spiegel.
82
1cm=80"
Der Trifidnebel: eine kosmische Gaswolke, wie von Riesenfäusten in Fetzen gerissen, Die "Lücken" dürften
teilweise reell, teilweise von vorgelagerten Dunkelwolken verursacht sein. Vgl. Bild 123 oben rechts. Aufnahme M
t. Wilson 2,5-m-Spiegel.
83
1
cm =
33
Staubschwaden jm Sternenraum, gleich Rauchfahnen über Strecken Von jahrzehntelanger Lichtfahrt
hingeweht. Bei dem Stern Rho des Schlangenträgers (Bild 1 ').7. 7 cm vom linken, 5 cm YOfl) unteren
Rande) und in seiner weiteren "(Umgebung werden die Staubteilchen zu wallenden Lichtschleiern erhellt,
im weiteren Verlauf scheid en sie uns als DunkeIwolken von den Strahlen aller entfernteren Sterne. Das
Bild rechts wiederholt den oberen Teil von Bild 1').7 und setzt es fort; An dieses Bild (1').8) schließt oben,
d.h. ostwärts, Bild 124 an. Der helle Stern auf 1').7.17 mm vom
linken, 67 mm vom unteren Rande. ist Antares im Skorpion.
Aufnahmen von E.E.Barnard.
84
85
86
Zart wie durchsichtiges Gewölk im Schein des Mondes sind zuweilen die Bilder der "unregelmäßigen Nebel" des
Sternraumes. Ihre durchschnittliche Dichte ist auch in den kräftigsten Nebelteilen viel geringer als die eines
künstlich hergestellten angenäherten Vakuums.
Bild 119 zeigt in großem Maßstab einen im Gebiet der Kassiopeia liegenden feinen Nebelring, dessen
geometrisch strenge Umgrenzung sehr auffällig ist. Die Strahlen des hell en Sterns rechts oben sind (wie bei allen
Stern en auf Reflektoraufnahmen) durch Beugung des Sternlichts bei dessen Strahlengang in dem zur Aufnahme
benutzten Spiegelfernrohr zu erklären.
Aufnahme Mt. Wilson, 1,5-m-Reflektor.
Bild 130 gibt eine "Wolkenbank" im Perseus wieder. Der helle Stern oben im Bilde, Xi des Perseus, ist offenbar
für ihr Leuchten verantwortlich zu machen. Aufnahme Verkes-Obseryatorium.
Das Auge erkennt auch an großen Fernrohren nur wenig oder nichts von den Nebelformen. Das Licht der Nebel ist
größtenteils 'so kurzwellig, daß es auf den Sehnerven des Menschen nicht wirkt, die photographische Platte
dagegen verhältnismäßig stark beeinflußt.
87
1cm=20'
Oben: Schöne zarte NebeIbänder im Skorpion, zwischen ~ (der mächtige Stern oben) und n (über der kräftigen
Nebelwelle unten). Aufnahme Von E.E.Barnard. 8 Stunden 40 Minuten belichtet ..
Rechts: Umgebung des Sterns Deneb im Schwan. Der linke Bildrand schneidet den Nordamerikanebel (Bild
133).
Aufnahme von E.E.Barnard, 3 Stunden 10 Minuten belichtet.
88
89
1 Cm=14'
Der Nordamerikanebel (unterm Deneb jm Schwan, man vergleiche Bild
13~), nach Aufnahme von E.E.Barnard.
Links: der Pelikannebel (auf dem Bilde oben über der Mitte des rechten
Randes zu finden). Vgl. 136.
90
1
cm =170"
Der südliche Teil des Nordamerikanebels. Aufnahme Mt. Wilson, 2,5-m-Spiegel 26.Juli
1922, 5 Stunden belichtet.
91
1
cm = 1,8'
Von toller Laune hingeschleudert erscheinen in der Großaufnahme die Nebelmassen des „Pelikans" (vgl. Bild
134).
Aufnahme Mt. WiIson, 2,5 -m-Spiegel, 2o.Juli 19~5, 4 Stunden ~5 Minuten belichtet.
Rechts: Nebel beim Orion. Seltsam, daß die Nebel oft dort, wo sie leuchten, das Licht entfernterer Sterne
durchlassen, in ihrem dunklen Teil aber es abschirmen. Aufnahme Mt. Wilson. 2,5-m-Spiegel, 5 Stunden 35
Minuten belichtet.
92
93
0
t cm=O.7
Der südliche Teil des Sternbildes Orion. In der Bildmitte der große Orionnebel. Die drei hellen Sterne oben stellen
im Sternbild den "Gürtel" dar. Am östlichen (linken) Gürtelstern hängt der prachtvolle Schleier. den Bild 137 zeigt.
Unten im Bild die Spur einer Sternschnuppe. Aufnahme von E.E.Barnard (Verkes-Observatorium).
94
1
cm =
2.4
Der große Orionnebel. Der Durchmesser der Jahresbahn unserer Erde ist im Maßstab dieses Bildes kleiner als der
tausendste Tei! eines Millimeters. Die kosmischen Staub- und Gasmassen des Nebels dürften trotz ihrer
unvorstellbar geringen Dichte ausreichen. um einen lockeren Sternhaufen nach Art der Plejaden zu bilden. Die
Teilmassen bewegen sich chaotisch regellos, doch scheint der Nebel als Ganzes zu rotieren. Das Licht braucht.
um den hellsten Tei! des Nebels zu kreuzen, wenigstens etwa 10 Jahre. Der Abstand des Nebels von uns mag
an1000 Lichtjahre betragen. Aufn. Mt. Wilson, 2,5-m-Spiegel 3 St. belichtet.
95
Unregelmäßiger Nebel in Kassiopeia. Ausgeprägte Bewegungsform und schöne Kontraste zwischen Hell- und
Dunkelnebeln. Eine Sternschnuppe, die während der Aufnahme durch das Bildfeld zog. hat ihre Spur in die
photographische Platte eingezeichnet. Aufnahme Mt. Wilson, 1,5-m-Spiegel.
96
Weltengeheimnis geistert in den Nebeln, die ihrer Massendichte nach ein Nichts sind und doch unfaßliche Räume mit
Werdekräften überspannen und den Weltenkreis mit Bildern füllen, in deren Hell-Dunkel sich Macht und Zartheit
vermählen, wie in den höchsten Schöpfungen Rembrandts nicht. (Mt. Wilson, 2,5-m-SpiegeI.)
97
14
2
Nebel im Sobieskischen Schild. Aufnahme Mt. Wilson:1,5-m·SpiegeL Belichtung 3,5
Std.
98
Nebel im Sternbild Schwan. Aufnahme Mt. Wilson, 1,5-m·Spiegel 5 Stunden
belichtet.
99
1 cm= 15'
100
Der westliche Zirrusnebel ("Sturmvogel") im südlichsten Teil des Sternbildes Schwan. Beide Teile des
Nebels mit dem 1,5-m-Spiegel (Mt. Wilson) aufgenommen. links (Südflügel) 12 Stunden, rechts (Nordflügel)
6,5 Stunden belichtet. Auf dem Übersichtsbild 145 (vom Yerkes-Observatorium) eine Meteorspur mit
verschiedenen Helligkeitsausbrüchen.
101
1
cm=128"
Mächtiger Gasnebel im Schützen (M 8). Vgl. 123. Aufnahme des 1,5-m-Spiegels (Mt.Wilson) mit
3 Stunden Belichtung.
102
Der Krebsnebel (Crab-Nebel) jm Stier. Aufnahme des 1,5-m-Spiegels (Mt. Wilson) mit 3 Stunden Belichtung.
Vergleiche den Text Seite 76.
103
104
Zwei planetarische Nebel. Links: Hantelnebel (Dumbbellnebel) in
Vulpecula. Aufnahme des 1,5-m-Spiegels (Mt. Wilson) mit 5 Stunden
Belichtung. Bild 152 zeigt denselben Nebel nach einer Zeichnung an
Lord Rosses Riesenspiegel, von 1850.
Oben: der Ringnebel in der Leier. Aufnahme des 2,5-m-Spiegels (Mt.
Wilson) mit 1 Stunde Belichtung. Die planetarischen Nebel sind
Gashüllen, vieltausendfach größer als der Durchmesser der Erdbahn.
Die verschiedenen sie zusammensetzenden Gase sind in mannigfacher
Art geschichtet. Sie verdanken ihr Leuchten den überaus
heißen Zentralsternen.
105
Ein Teil des großen Nebelfeldes in den Sternbildern Coma (Haar der Berenike) und Virgo (Jungfrau). Aufnahme von E.E.
Barnard mit 10zöIl. Linse. Das Bild bringt nur die hellsten Nebel zur Darstellung, die sämtlich Mitglieder des in rund 10
Millionen Lichtjahren Entfernung lagernden Welteninselschwarmes sind (vgl. Seite 32). Sehr weit hinter diesem Schwarme
liegen in verschiedenen Abständen weitere Schwärme, deren Mitglieder zu lichtschwach erscheinen, um in dieser Aufnahme
erkennbar zu sein.
106
154: Nebelzwilling (zwei miteinander vergesellschaftete Spiralnebel des Feldes Bild 153, auf dem sie links unten zu finden
sind, 15 mm vom linken, 25 mm vom unteren Bildrande). Aufnahme des 1 ,5-m-Spiegels, Mt. Wilson, mit 6 Std. Belichtung.
155: Welteninselpaar, ein Kugelnebel und ein Spiralnebe.1. Aufnahme des 2,5-m-Spiegels, Mt. Wilson, mit 1 Std.
15 Min. Belichtung.
WELTENINSELN
Abgesehen von den kugelförmigen Sternhaufen sind die "Welteninseln" durchschnittlich mindestens von
derselben Größenordnung wie die Teilwolken des Milchstraßensternalls, sowohl hinsichtlich ihrer Ausdehnung
wie nach ihrem 1nhalt an Sternen und Nebeln. Die beiden Magellanschen Wolken, die als kleine Lichtballen den
Himmel südlicher Breiten zieren, stehen zwar im Raum des Kugelhaufensystems, müssen aber doch als
gesonderte Welteninseln betrachtet werden. Die kleinere hat etwa 6000 Lichtjahre Gesamtdurchmesser, die
größere mehr als doppelt soviel.
Kugelförmige Sternhaufen sind nicht nur auf dem Bilde der kleinen Magellanschen Wolke mit enthalten,
sondern auch in den Abbildungen 119 (69 mm von links, 51 mm von unten), 122 (27 mm von links, 21 mm von
unten), 127 (26 mm von links, 59 mm von unten; 18 mm von links, 44 mm von unten; 83 mm von links, 19 mm
von unten), 128 (7 cm von links, 3 cm von oben; 23 mm von links, 35 mm von oben; 5 .5 cm von rechts, 9 cm
von oben).
Einen Teil des großen Nebelfeldes in den Sternbildern Coma und Virgo zeigt das Bild 153. Der Nebelzwilling, 15 mm vom linken, 25 mm vom unteren Bildrande, ist in Abbildung 154 nach Aufnahme mit einem der
mächtigen Mt.Wilson-Spiegel wiedergegeben. Auch das hübsche Welteninselpaar Abb.155, ein kugelförmiger
und ein Spiralnebel, gehört dem großen Felde an. Die Paare stehen nicht nur scheinbar (in gleicher Richtung,
aber ungleichen Entfernungen) beieinander, sondern es sind in ihnen tatsächlich zwei "Welteninseln" als
räumliche Nachbarn vereint.
107
Welteninseln: Kugelförmige Sternhaufen, aus Hunderttausenden von Sonnen aufgebaut (der obere etwa 15000 Lichtjahre
entfernt, der 22 mm vom linken Bildrand stehende 30000), und die kleine Magellansche Wolke. in der viele Millionen
Sonnen sowie Sternhaufen und Nebel vereinigt sind (ihr Abstand beträgt rund 90000 Lichtjahre).
Aufnahme: Harvard-Obseryatorium.
108
Vor vielleicht 25000 Jahren verließ das Licht den kugelförmigen Sternhaufen (M 13) im Herkules, der am 1,5-m-Spiegel
des Mt. Wilson bei elfstündiger Belichtung der Platte dieses Bild einer wunderbar harmonischen Bauform lieferte. Er ist
dem Auge als kleiner, zarter Lichtfleck kaum erkennbar. Aber selbst die schwächsten hier abgebildeten Sterne sind
in Wahrheit mehrfach so lichtmächtig wie die Sonne. Vgl. Seite 28, 29.
109
Eine Welteninsel von seltsam unregelmäßiger Gestalt, an Gesamtmasse wohl größer als die Magellanschen Wolken, doch viel
weiter entfernt (etwa ;!1/2 Millionen Lichtjahre).
Rechts: eine gleichartige Welteninsel. aber von schönem. symmetrischem Spiralbau. Entfernung 5 Millionen Lichtjahre.
Beide Gebilde stehen im westlichen Tei! des Großen Bären, sind aber selbst in einem Feldstecher nicht erkennbar.
Aufnahmen des 1,5 m Spiegels (Mt.Wilson), 158: 4,5 Stunden belichtet, 159: 2 Stunden.
110
111
Schräg zur Hauptebene gesehene Spiralnebel. Der sinnfällige Unterschied in der Gliederung ihrer Massen muß wohl als
Unterschied des Entwicklungsalters gedeutet werden. 160, in machtvoller Bewegung, steht im Gebiet des Löwen, 161, ein
aus der Weltentiefe herschauendes Auge, im Sternbild Coma, der stürmische Wirbel 162 in den Jagdhunden. 161 mag
11/2 Millionen Lichtjahre entfernt sein, 162: 3,5 Millionen.
Alle drei Aufnahmen: Mt. Wilson. Belichtungszeiten: 160: 4 Stunden (2,5-m-Spiegel), 161: 8 Stunden, 162: 5 Stunden
(1 ,5-m-Spiegel).
112
113
An drei Millionen Jahre braucht das Licht, um uns von diesem Sternnebel her zu erreichen. Er steht fast in derselben .
Richtung wie 158. Die Sonnenheere. seiner Spiralarme wandern in Bahnen. Von erhabener Reinheit der Form.
Aufnahme: Mt.Wilson, 1,5-m-Spiegel, 4 Stunden 15 Minuten belichtet. Entfernung: 2,5 Millionen Lichtjahre.
114
Der "Große Andromedanebel" ist der einzige mit bloßem Auge gerade noch erkennbare Spiralnebel. Dies ist ein Bild
seiner zentralen Hauptmasse mit den Ansätzen der Hauptspiralen. Milliarden Sonnen bauen dies kosmische Großgebilde.
1m Vordergrund: Sterne der Milchstraßenwelt. Aufnahme: Mt.Wilson, 2,5-m-Spiegel, 9 Stunden belichtet.
Entfernung: 200000 bis 900000 Lichtjahre. - Vgl. Seite 31,32.
115
Seit 1925 gelang es, mit dem Riesenspiegel der Mt.Wilson-Sternwarte in Kalifornien einzelne Spiralnebel teilweise "aufzulösen", d. h. Aufnahmen zu erhalten, in denen sich die lichtmächtigsten Sterne einzeln abbilden. Dies ist der südliche
Außenbezirk des Großen Andromedanebels. Zahllose Lichtgiganten sind im Nebel als Sternpunkte erkennbar. 2,5-mSpiegel, 2 Stunden belichtet (24. August 1925).
116
Einige Milliarden Sonnenmassen wären nötig, um dieser makrokosmischen Lebensform die Waage zu halten. Das
menschliche Auge erkennt nur den hellsten zentralen Teil als feinen Sternlichthauch. Was wir heute vom Licht des
Großen Andromedanebels sehen, hat eine Raumreise von BOOOOO Jahren hinter sich, und 30000 Jahre währt die Fahrt
des Lichtstrahls quer durch den Nebel. Aufnahme: G. W. Ritchey, Yerkes-Observatorium, 60-cm-Spiegel.
117
118
Die Spiralnebel sind linsenförmig flache Gebilde. Sind sie im Weltraum so gelagert, daß wir gerade auf die Kante blicken,
dann erscheinen sie als strahlende Spindeln. In der Hauptebene peripher lagernde Dunkelnebel spalten die Spindeln und
geben ihnen den Anblick geheimnisvoller Sternenampeln (168), breiter klaffender Rachen (167) 6der flüsternder Lippen
(169).
Aufnahmen: Mt. Wilson, l,5-m-Spiegel. Belichtung: 167 7Y4 Stunden, 168 ~Y4 Stunden, 1695 Stunden.
Die Entfernung von 168 und 169 wurde zu mehr als 7 Millionen Lichtjahren bestimmt.
119
Die ganze Fülle ihrer Formen breiten diejenigen Spiralnebel vor uns aus. die wir in voller Fläche sehen: Schwingende Lichträder eines kosmischen Feuerwerks, ungeheure Sternenheere, mit tausendfacher Blitzzugschnelle kreisend fortgerissen. und
doch erst in ungezählten Jahrmillionen den Umlauf vollendend.
Aufnahme: Mt. Wilson, 1,5-m-Spiegel. 170 ist mit 3,5-stündiger, 171 mit 7,5-stündiger Belichtung der Platte gewonnen.
120
Rund 3 Millionen Lichtjahre sind diese beiden Spiralnebel entfernt. Der links abgebildete (170) liegt in Richtung des
Sternbildes Jagdhunde. der rechts (171) an der Ostgrenze des Großen Bären. Beide entfernen sich von uns, 170 mit etwa
300,171 mit :WO km Sekundengeschwindigkeit, bei 168 und 169 beträgt die Fliehbewegung mehr als 1000 km in der
Sekunde, während der Große Andromedanebel mit 200 km/sec "näherkommt". Die seitlichen Komponenten der Bewegung in
bezug auf unseren Standort sind noch unbekannt.
121
Der nächstbenachbarte Spiralnebel, etwa 700000 Lichtjahre entfernt. Er steht an unserem Himmel nicht weit vom Großen
Andromedanebel, im Sternbild Dreieck. Schon dieses Bild läßt ahnen, daß das Licht des „Nebels" von mächtigen Sternscharen
herrührt. Aufnahme Mt. Wilson. 1,5-m-Spiegel. 8,5 Stunden belichtet.
122
Die südliche Hauptspirale des Triangulumnebels, Bild 172, in 3,5fach größerem Maßstab, nach einer Aufnahme des Hookerspiegels (2,5 m Durchmesser) der Mt. Wilson-Sternwarte. Die Lichtgiganten unter den Einzelsternen zeichnen sich im Nebel
deutlich ab. Belichtung 30 Minuten. (26. November 1925.)
123
Der Spiralnebel M 51 in den Jagdhunden. Entfernung: 3 Millionen Lichtjahre. Aufnahme: Mt. Wilson, 1,5-m-Spiegel. 15. Mai
1916, mit 3 Stunden Belichtung.
124
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